Mooshamer Sagen

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Mooshamer Sagen
Mooshamer Sagen
Die Höllenfahrt des Schörgentoni
Um die Mitte des 18. Jahrhunderts lebte im Schlosse zu Moosham ein Gerichtsdiener namens Anton. Er
war im Volke unter dem Namen „Schörgen-Toni" bekannt und wegen seiner Grausamkeit ein im ganzen
Lungau übelberüchtigter Mann. Er bedrückte das Volk, quälte die Gefangenen, die in den Kerkern zu
Moosham saßen, auf die entsetzlichste Weise und setzte besonders den Wilderern hart zu, ja er
mißhandelte sogar seine Eltern und ließ ihnen seine Roheit fühlen. Trotz seiner vielen Missetaten ereilte
ihn aber nie die gerechte Strafe, so daß die Leute behaupteten, er habe seine Seele dem Teufel
verschrieben, welcher ihn dafür in Schutz nähme. Doch endlich hatte auch seine Stunde geschlagen.
Es war eine stürmische Nacht. Rabenschwarze Wolken hingen am Firmament und umhüllten die Berge.
Der Wind heulte in schauerlichen Tönen durch den Wald und überfiel, wie von wilden Furien gepeitscht,
das Schloß, an dessen Mauern er vergebens rüttelte. Dafür ließ er den Zorn an den alten Baumriesen aus,
die er wütend umfaßte und mit solcher Gewalt schüttelte, daß gar mancher von ihnen, aus den Wurzeln
gehoben, mit lautem Krachen zur Erde stürzte. Dann wieder zog er, gleich dem Winseln eines Hundes,
der um Einlaß bittet, an den Mauern des Schlosses hin, aber nur, um es bald darauf mit erneuter Wucht zu
überfallen.
Mitternacht war nahe. Da näherte sich dem Schlosse ein Gefährt. Als es vor dem Tore anlangte, öffnete
sich dieses wie von selbst, und das Gefährt fuhr in den Schloßhof ein, wo es anhielt. Ein schwarz
gekleideter Mann sprang aus dem Inneren der geschlossenen Kutsche, welche von vier
glänzendschwarzen Rappen gezogen wurde. Der unheimliche Ankömmling durchschritt den inneren
Schloßhof, indem er sich nach derjenigen Seite des Schlosses wandte, wo sich die Wohnung des
Schörgen-Toni befand.
Dieser hatte soeben einen seiner nächtlichen Rundgänge durch die im unteren Teile des Schlosses
gelegenen Kerkerräume beendet, nachdem er sich von der Sicherheit der Eingekerkerten überzeugt, sich
an dem Elende der in den dunklen Kerkern schmachtenden Opfer geweidet, und manchem von ihnen
neue Folterqualen angedroht hatte. In seine Wohnung zurückgekehrt, hatte er sich des Schlüsselbundes,
den er bei sich trug, entledigt, ihn an die Wand gehängt und die Laterne auf den Tisch gestellt. Dann ließ
er sich schwer auf einen Stuhl nieder und schaute, den Kopf auf die Hände gestützt, mit finsteren Blicken
in das trübe Talglicht, das vor ihm auf dem Tische stand. Offenbar waren es keine erfreulichen Gedanken,
die ihn so beschäftigten, denn sein Gesichtsausdruck wurde immer finsterer. Plötzlich zuckte er
zusammen. Er erinnerte sich des Paktes, den er vor vielen Jahren mit dem Teufel geschlossen und der nun
diese Nacht zu Ende gehen sollte. Ein Gruseln durchschauerte den Schörgen-Toni. Wie, wenn das
Schreckliche gerade jetzt einträte ?
Draußen wütete der Sturm. Durch die kleinen Fensterchen mit den runden Scheiben grinste die
wetterschwarze Nacht herein und das trübe Licht in der Stube warf einen geisterhaften Schein um sich.
Zeitweise schlug der Wind mit solcher Wucht an die kleinen Fensterscheiben, daß sie laut klirrten und
das Licht auf dem Tisch unruhig hin- und herzuflackern begann. Da klopfte es an seiner Tür. Erschreckt
sprang der Schörgen-Toni in die Höhe. Wer wollte in so später Stunde noch zu ihm ? Er zwang sich zur
Ruhe, doch in Wirklichkeit überlief ihn eisiges Grausen. So wankte er zur Tür, doch ehe er sie erreicht
hatte, ging diese auf und ein ganz in Schwarz gekleideter Fremdling betrat das Gemach. Er verbeugte sich
vor dem Schörgen-Toni und seine Augen leuchteten in unheimlichem Feuer, als er begann:
„Sei mir gegrüßt, du lieber Mann,
Ich komme von der Höll' jetzt an;
Mit meines Fürsten Gruß und Befehl
Sollst dich zur Reis' nun rüsten schnell.
Die Zeit ist da zur Höllenfahrt,
Wo alles dort schon deiner harrt,
Sie warten bei der Höllenpfort',
Um dich zu führ'n an deinen Ort."
Als nun der Schörgen-Toni die furchtbare Botschaft vernahm, erschrak er dermaßen, daß er am ganzen
Leib zu zittern begann. Er stand wie vom Blitz getroffen. Er hatte zwar das Schreckliche kommen sehen,
hatte es all die Jahre her gewußt, aber es sich doch nicht so vorgestellt, wie es nun in Wirklichkeit war.
Sein Leben zog in diesem Augenblick an ihm vorüber, mit all den Übeltaten, die er vollbracht hatte. Und
diese Erinnerung, wie auch die Empfindung, daß sein Leben zu Ende und seine Stunden gezählt seien,
versetzte ihn in solche Angst, daß ihm die Haare zu Berge standen und kalter Schweiß von der Stirne
rann. Der Gedanke an das, was ihm nun bevorstand, erschütterte den sonst so gefühllosen Mann derart,
daß ihm das Blut plötzlich in den Adern stockte und er keines Wortes mächtig war. Doch plötzlich
ermannte er sich, denn ein Hoffnungsschimmer durchzuckte sein Gehirn! Wie, wenn er sich auf
irgendeine Weise dienstbar machen und so sein Leben verlängern könnte ? Und von diesem Gedanken
geleitet, entgegnete er in jämmerlich bittendem Tone:
„Ach, laßt mir noch ein bißchen Zeit,
Ich will euch zeigen Dankbarkeit
Und will euch noch recht viele Leut'
Hinsenden in die Ewigkeit."
Der Teufel sprach: „Das kann ich nicht,
Ich muß erfüllen meine Pflicht.
Denn ich versprach dem Höllenfürst,
Daß du vor ihm erscheinen wirst."
„Ach, so ist denn die Zeit schon aus",
Ruft jetzt der Schörgen-Toni voll Graus.
„Ich hoffte noch zu leben lang,
Und seh' nun plötzlich mein Ende nah'n."
Der Teufel sprach: „Beeile dich,
Und laß nicht länger warten mich.
Du sollst dich ja befinden schon
Vor des Höllenfürsten feurig'm Thron."
Nun übermannte den Schörgen-Toni die Verzweiflung. Er griff sich mit beiden Händen an den Kopf und
rief mit angstbebender Stimme:
„Ach, ach, was habe ich getan,
Daß ich nicht länger leben kann.
So ist denn alles jetzt schon gar."
Verzweifelt rauft er sich das Haar.
Jetzt aber näherte sich der Teufel seinem von Angst und Schrecken gepeinigten Opfer mit den Worten:
„Nun komm, du unser lieber Gast,
Die Hölle lang verdient schon hast.
In dunkler Nacht, bei Tod und Grauen
Sollst du die ewige Finsternis nur schauen."
Dann nahm er den mit der Verzweiflung Ringenden mit sich und führte ihn über Treppen und Gänge
hinunter in den Burghof, wo das Gefährt ihrer harrte. Dort angekommen, drängte er den halb
Bewußtlosen in den Wagen, stieg dann selbst ein und schloß die Tür hinter sich ab. Nun setzte sich das
unheimliche Gefährt in Bewegung. Die vier schwarzen Pferde zogen an, und von der kundigen Hand des
Kutschers gelenkt, ging's wieder zum Tore hinaus. Zwölf dumpfe Schläge verkündeten die mitternächtige
Stunde, als das Gefährt über die Schloßbrücke fuhr. Dumpf schlugen die Hufe der Pferde auf, rot glühten
ihre Augen, Feuer flammte aus ihren Nüstern, gleich Flammen leuchteten die Augen des Kutschers, der
die Pferde zu immer schnellerem Laufe antrieb. Wild flatterten ihre Mähnen und in rasendem Galopp
stürmten sie vorwärts, hinein in die dunkle Nacht. Immer schneller jagte das Gefährt dahin, seinem
schauerlichen Ziele entgegen. Wie von Furien gepeitscht sprengte das Höllengespann durch den unweit
des Schlosses gelegenen Schindergraben hinab, daß die Funken stoben. Bald war es im Dunkel der Nacht
entschwunden.
Quelle: Michael Dengg, Lungauer Volkssagen, neu bearbeitet von Josef Brettenthaler, Salzburg 1957, S.
104
Die feindlichen Brüder von Moosham
Auf Schloß Moosham hausten einst zwei Brüder, die in treuer Liebe aneinander hingen. Da kam eines
Tages ein Ritter aus der Nachbarschaft mit seinem holden Töchterlein auf die Burg. Beide Brüder
verliebten sich nun in das Mägdlein und jeder wollte die holde Maid sein eigen nennen. Da verwandelte
sich ihre bisherige Liebe zueinander in grimmen Haß; dieser steigerte sich noch, als der eine der beiden
Brüder ein goldenes Ringlein, welches das edle Ritterfräulein bei einem Turniere gespendet, als Lohn
seiner Tapferkeit gewann, während der andere leer ausging. Das ergrimmte diesen noch mehr und sein
Haß gegen den eigenen Bruder wuchs so sehr, daß sich die beiden Brüder, die bisher gemeinsam im
oberen Schlosse gewohnt hatten, trennten. Der eine nahm im oberen, der andere im unteren Schlosse
Wohnung, und um sich ja nicht zu sehen oder zu begegnen, ließen sie die Türöffnung und alle Fenster des
großen Getreideschüttbodens, welcher das untere mit dem oberen Schlosse verband, vermauern.
Da kam nach Jahren ein Sänger vor das Schloß und sang in ergreifender Weise von der ewig schönen
Liebe und ihrem goldenen Los; dabei spielte er die Harfe so hinreißend schön, daß es die beiden Brüder
rührte und ihre starren Herzen sich zu regen begannen. Schon wollten sie einander in die Arme fallen, um
sich den Versöhnungskuß zu geben, als durch den Glanz des goldenen Ringleins auf des einen Hand der
kaum erstorbene Haß mit erneuter Heftigkeit erwachte. Sie griffen zu den Schwertern und töteten
einander in furchtbarem Kampfe.
Seit jener Schreckensstunde stand Moosham verödet und Grabesstille umzog seine einsamen Mauern.
Des Nachts aber, wenn der silberglänzende Mond vom gestirnten Himmelszelt auf das Schloß
niederleuchtete, dann stiegen aus den Gräbern zwei düstere Schatten auf und über ihnen schwebte ein
feuerrotes Ringlein, das ihnen die Bruderliebe aus dem Herzen gerissen hatte.
Manch nächtlicher Wanderer aber, der in vergangenen Jahrzehnten an dem damals verfallenen Schloß
vorüberschritt, sah, plötzlich wie aus dem Boden gewachsen zwei wehende Gestalten auftauchen. Sie
maßen einander mit grimmigen Blicken, stürzten aufeinander los und führten ihre Schwerter so wuchtig,
daß weithin die Funken sprühten.
Zu Tode erschrocken flohen die Vorübergehenden von dieser grausigen Stätte und lange Zeit war die
Ruine zur Nachtzeit von den Menschen ängstlich gemieden.
Quelle: Michael Dengg, Lungauer Volkssagen, neu bearbeitet von Josef Brettenthaler, Salzburg 1957, S.
96
Die Blutschande von Moosham
In einem Zimmer des unteren Schlosses befindet sich ein Gemälde, welches vier Personen, zwei
männliche und zwei weibliche, in Brustbildern zeigt. Das Bild zur Linken stellt ein Mädchen mit
fliegenden Kopfhaaren und kummervollem Gesichte dar; über ihr ist eine Elster zu sehen. Daneben ist ein
Mann mit einem auf der Brust geöffneten Hemde abgebildet. Seine Gesichtszüge drücken Verzweiflung
und Gram aus. Über ihm sitzen zwei Raben, von denen der eine nach dem Kopfe des Mannes pickt. Die
dritte Person ist ein Mädchen mit unschuldsvollem, wunderlieblichem Antlitze; reiches blondes
Haargeflecht zieht sich unter dem Hut gegen die Schläfen herab. Das letzte Bild aber zeigt einen
Menschen von verwildertem Aussehen. Schadenfreude liest man aus seinem Gesichte. Er hat den
Daumen zwischen den Zeige- und Mittelfinger gesteckt und blickt mit einem Gesichte, das Hohn und
Spott ausdrückt, zu dem erstgenannten Manne hinüber. Über diese seltsame Bildergruppe geht im Volke
folgende Sage:
Es lebten einst zwei Brüder aus dem Rittergeschlechte von Moosham, welche zwei Schwestern hatten.
Beide Brüder verliebten sich in die eine der Schwestern, über welcher die geschwätzige Elster als
Zeichen, daß nichts verborgen bleibt, zu sehen ist. Der Ältere fand Gegenliebe; höhnend wies er dem
Jüngeren den Daumen. Dieser, der sich in seiner Leidenschaft betrogen sah, geriet darüber in wilde
Raserei. Seiner selbst nicht mehr mächtig, ermordete er den Bruder und stürzte sich dann aus
Verzweiflung über seine eigene Untat vom hohen Söller auf den felsigen Grund des Burggrabens hinab,
wo er zerschmettert liegen blieb, den wilden Raubvögeln eine willkommene Beute.
Quelle: Michael Dengg, Lungauer Volkssagen, neu bearbeitet von Josef Brettenthaler, Salzburg 1957, S.
98
Die Siegmundssage
In dem hohen Burgsaale saß der alte Moosheim, sein Blick ruhte auf dem Antlitze seines Sohnes
Siegmund, der am Erkerfenster stand. Der greise Vater hatte an dem Zwanzigjährigen, dem einzigen
Stammhalter seines Hauses, die größte Freude und deshalb war es schon lange seine Absicht, seinen Sohn
sobald als möglich zu vermählen, um noch in seinen alten Tagen das Glück genießen zu können, als
Großvater ein holdes Enkelkind auf seinem Schöße zu schaukeln. So manche Schöne hatte er seinem
Sohne zur künftigen Ehegattin bereits vorgeschlagen, und so begann der alte Moosheim wieder das
gewohnte Gespräch.
„Sieh, lieber Siegmund", begann er „soeben erhielt ich Nachricht von meinem Freunde Otto von Saurau,
dessen schmuk-kes Töchterlein uns in kurzem besuchen wird; sieh, mein Sohn — das Mädchen wäre
ganz für dich geschaffen."
„Vater, laßt das beiseite", entgegnete Siegmund verstimmt. „So darf ich denn in meinem Leben nicht
mehr hoffen, meinen einzigen Wunsch erfüllt zu sehen?"
„Vater, von dem sei keine Rede", erwiderte der Sohn, „ich hoffe Euch noch recht lange am Leben zu
haben, doch jetzt gönnt mir noch die freien Tage meiner Jugend."
Der alte Moosheim schüttelte den Kopf und verließ mißmutig den Saal.
Kaum hatte der Vater die Tür hinter sich geschlossen, so sprang Siegmund rasch vom Sitze empor.
„Mit Gewalt will man mich an ein Wesen ketten, das mich nie glücklich machen kann", seufzte der
Jüngling; „nur Marien gehört mein Herz, nur ihr, der engelsguten. Allein, Maria ist arm, ärmer als die
letzte Magd unseres Hauses, und dennoch liebe ich sie, und schwöre es bei dem Glauben an meinen
Schöpfer, daß nur Maria einstens meine Gattin werde." Schnell erfaßte er Helm und Armbrust und stürzte
zur Tür hinaus.
In dem nahen Unternberg stand am Ende des Dorfes ein kleines Hüttchen, in diesem wohnte Maria mit
ihrer Mutter. Das liebliche Mädchen war die Tochter des ehemaligen Kuhhirten des Dorfes; sie war
gottesfürchtig und fromm erzogen und lebte nun schon seit einem Jahre nach des Vaters Tode mit ihrer
alten Mutter allein und verlassen in dem Hüttchen.
Bei einem Kirchgange hatte Siegmund sie kennen gelernt; das sanfte Benehmen des holden Mädchens
hatte sein Herz bald so entflammt, daß er in wahrhaft reiner, herzlicher Liebe für sie entbrannte und den
heiligen Schwur tat, in Ehrbarkeit und Treue das Mädchen zu lieben und einst als Gattin in sein Schloß
heimzuführen.
Dabei erwog er wohl alle Hindernisse; er prüfte sich und sah nur zu deutlich, welche Stürme ihn
erwarteten.
Er kannte den Vater und dessen angestammten Ahnenstolz, er kannte des Mädchens frommes Herz und
wußte gar wohl, daß er, wenn sie seinen Stand wüßte, ihre Liebe niemals erringen würde.
Bei alledem war er aber fest überzeugt, daß Maria ihn von Herzen liebe. Schnell war sein Entschluß
gefaßt. In des Vaters Forst wohnte Egon, der alte Jäger, der Siegmund wie sein eigenes Kind liebte.
Diesem vertraute sich der Jüngling an, und Egon, der dem jungen Ritter nie eine Bitte abzuschlagen
vermochte, willigte auch diesmal in das Vorhaben des jungen Moosheim.
Seit dieser Zeit war Siegmund zur Freude seines Vaters ein großer Jagdliebhaber. Täglich zog er mit
Speer und Bogen in den Wald — doch nur bis zu des Försters Wohnung, denn dort wurden Bogen,
Schwert und Jagdrock zur Seite gelegt, und in dem Kleid eines schlichten Jägerburschen kam Siegmund
in die Hütte Mariens und genoß das Glück der reinsten Liebe. So schwanden Jahre, und die beiden
Liebenden fühlten sich unzertrennlich, doch nun drang der alte Graf mit Strenge in den Sohn, sich eine
Braut zu wählen.
Völlig verstört langte Siegmund an diesem Tage im Hause seines väterlichen Freundes an. Dieser
beruhigte ihn, so gut er es vermochte und bald war ein Plan gefaßt, der Siegmund zu seinem Glück
verhelfen sollte.
Ruhig kehrte der Jüngling in das väterliche Schloß zurück. Nach etlichen Tagen herrschte ein besonders
reges Leben in dem Hause des alten Egon. So freundlich und fröhlich sich die Vorbereitungen zu dem
kleinen Feste gestalteten, so zeigte sich doch auf dem Antlitze des alten Jägers eine gar angstvolle Miene.
Schon fing es an zu dämmern, im Walde herrschte schon ziemliche Dunkelheit; da klopfte es leise an der
Tür und Siegmund und Maria traten festlich geschmückt zur Tür herein; ihnen folgten die alte Mutter
Anna und der Pfarrer des Ortes, ein Herzensfreund des alten Egon.
Der Überredungskunst Siegmunds und des Försters war es gelungen, den ehrwürdigen Pfarrer zu
bewegen, die beiden unglücklich Liebenden durch Gottes Wort für ewig in dieser einsamen Hütte ohne
Wissen des ahnenstolzen Vaters zu verbinden.
Schon lagen die beiden Hände der Liebenden ineinander, schon hatte Maria sanft das Wörtchen „Ja!"
gesprochen, im festen Glauben, sie werde Siegmund, dem Sohne des Försters Egon, verbunden, da stürzte
ein Bursche zur Türe herein und rief, halb verwirrt vor Schrecken und Angst: „Der alte Moosheim mit
seinen Leuten reitet die Anhöhe herab."
Siegmund wurde totenblaß.
Schnell nahm er sein Liebchen in die Arme, stürmte zur Stube hinaus und schwang sich behende auf des
Försters Roß, das der Bursche bereits aus dem Stalle geführt hatte.
Mit Blitzesschnelle flogen Roß und Reiter von dannen; doch der alte Moosheim war der Hütte schon zu
nahe, als daß er die eilige Flucht seines Sohnes nicht bemerkt hätte. Schnell wandte er seinen Rappen und
setzte den Fliehenden nach. Schon glaubte sich Siegmund mit Maria gerettet, da sah er vor sich einen
schrecklichen Abgrund und hinter sich seinen Vater mit dem Gefolge. „Maria!" rief er mit erstickter
Stimme, „kannst du mir verzeihen ? Liebst du mich wahrhaft ?"
„Dein bis in den Tod", flüsterte die Erschrockene. Da wandte Siegmund das Pferd. „Haltet ein, Vater!"
rief der jugendliche Held, „sprecht Gnade für mich und Marien oder dieser Abgrund schützt uns vor
eurem Rachegefühle."
Schnell hielt Moosheim den Rappen an, und schon schwebte das Wort Gnade auf seinen Lippen, da
erwachte der alte Ahnenstolz in ihm und mit dunkelgeröteter Wange und zornsprühendem Blicke rief er
dem Sohne zu: „Bei Gott ist Gnade, bei mir suchst du sie vergebens!"
Mit Manneskraft schwenkte Siegmund das Pferd, drückte Maria fest an die Brust — ein Schrei — und
Roß und Reiter lagen in des Abgrunds Tiefe.
Das Gefolge hielt wie zu Stein erstarrt und eine helle Träne trat in des Vaters Auge. „Bei Gott ist Gnade",
lispelte er und sprengte mit Sturmeseile nach Hause.
Den alten Egon, den Pfarrer und die Mutter Mariens hatte man bereits auf das Schloß gebracht; sie
erwarteten die fürchterlichsten Strafen. Der alte Graf befahl nun die drei Gefesselten vorzuführen. Voll
Todesangst traten sie vor ihren Herrn, der grausamsten Strafen gewärtig. Da lag der alte Herr, bleich und
mit kummervollem Antlitz im Bette; er reichte dem alten Egon die Hand und begann mit leiser Stimme:
„Egon, mein treuer, alter Diener, ich hatte einen Sohn, die Freude, Hoffnung und der Stolz meiner alten
Tage, du hast mir ihn entrissen; doch nein! nein! Die Gewalt der Liebe war es, die mir meinen Sohn
entwendete, und ich, der unglücklichste aller Väter, ich bin sein und seines Weibes Mörder."
Ein Strom von Reuetränen stürzte über die gefurchten Wangen.
„Ihr seid frei! Mein Gewissen ist mit Mord befleckt, betet für meine unglückliche Seele, denn nur bei
Gott ist Gnade." Er drückte das tränenschwere Angesicht in die Kissen und verschied. Der Gram um den
Sohn hatte ihm das Herz gebrochen.
Quelle: Michael Dengg, Lungauer Volkssagen, neu bearbeitet von Josef Brettenthaler, Salzburg 1957, S.
99
Das Gelöbnis des Mooshamers
Einst ritt der mächtige Schloßherr von Moosham, Ritter von Tannhausen, nach langer Abwesenheit aus
weiter Ferne seinem Schlosse zu. Schon sah er die stolze Feste hoch droben am Mitterberg aus dunklem
Tannengrün emporragen. Voll Freude trieb er sein müdes Rößlein zu noch größerer Eile an. Inzwischen
aber hatte sich der Himmel verfinstert und ein heftiges Gewitter begann sich über der Gegend zu
entladen. Wolkenbruchartig stürzte der Regen hernieder, die kleinen Gebirgsbäche schwollen an und
stürzten in ihrer ungebändigten Wildheit reißenden Strömen gleich ins Tal, dem Murflusse zu. Dieser war
alsbald zu einem mächtigen Strom angewachsen. Er konnte die Wassermassen nicht mehr fassen, trat aus
den Ufern und ergoß seine reißenden Fluten über die fruchtbaren Gefilde des Tales. Es dauerte nicht
lange, so verwandelte sich das ganze Talbecken um St. Margarethen in einen einzigen See. Der Ritter war
durch das jähe Hereinbrechen des Unwetters in eine besonders gefährliche Lage gekommen; von allen
Seiten drangen die Fluten auf ihn ein und drohten ihn samt seinem braven Rößlein zu verschlingen.
Angstvoll spähte er nach Hilfe aus. Doch nirgends war eine Menschenseele zu erblicken und so mußte er
trachten, wie er sich selbst aus dieser Bedrängnis erretten könnte. Da gewahrte er in einiger Entfernung
einen kleinen Hügel emporragen, den das Wasser noch nicht erreicht hatte. Dorthin lenkte er nun sein
Rößlein. Mit größter Mühe erreichte er die Anhöhe, und als er sich so allein in der schrecklichen
Wasserwüste sah, da fiel er auf die Knie, entblößte sein Haupt und flehte Gott und die Vierzehn Nothelfer
um Rettung an. Er gelobte, an der Stelle eine Gedenkstätte zu errichten, wenn er mit dem Leben
davonkommen sollte. Und siehe, sein Gebet wurde erhört! Der Regen ließ nach, die Wasser fielen, und
bald konnte er das letzte Stück Weges zu seinem Schlosse ungefährdet zurücklegen. Die Votivsäule ist
heutigen Tages noch an der Stelle zu sehen, wo Ritter von Tannhausen in Lebensgefahr geschwebt ist.
Quelle: Michael Dengg, Lungauer Volkssagen, neu bearbeitet von Josef Brettenthaler, Salzburg 1957, S.
95
Die vier Wölfe
So hießen die vier Brüder, von denen die Sage erzählt, daß sie einst in Moosheim (Lungau) viel Unheil
angerichtet haben sollen. Jeder derselben hatte seinen Spitznamen. Den einen hieß man den "Börger",
weil er am liebsten in den Bergen sein Um wesen trieb und höchst selten herab ins Tal kam; den andern
den "grindraudigen Thoma", weil er mit einem bösartigen Aussatze behaftet war; den dritten ob seiner
schmucken und stattlichen Gestalt den "Schönmayr", den vierten endlich, der sich durch besondere
Beleibtheit
auszeichnete, die "Stocknudel". Alle vier waren überaus verwegene Wildschützen und brachten den
größten Teil ihres Lebens im Wildbanne zu. Um sich vor Verfolgung zu sichern, streuten sie im Volke
aus, daß sie Zauberer seien und über den Teufel selbst Macht hätten. Da sie es endlich gar zu arg trieben,
wurde einmal von Moosheim aus eine allgemeine Jagd nach ihnen gemacht. Der Vicedom von Moosheim
stellte sich an die Spitze der großen Jagdgesellschaft. Da man wußte, daß die vier Brüder eine Salbe
besäßen, die sie, wenn sie sich damit bestrichen, in Wölfe verwandelte, und davon auch häufig Gebrauch
machten, so wartete man einen Zeitpunkt ab, wo dies der Fall war. Als man davon Anzeige erhielt, setzte
sich der Jagdzug in Bewegung. Der Berg wurde mit Treibern umstellt und in immer engeren Kreisen
gegen die Höhe getrieben, woselbst der gestrenge Herr Vicedom mit den anderen Schützen, den Hahn der
Büchse gespannt, der vier Brüder harrten. Enger und enger zog sich die Kette der Treiber zusammen,
näher und näher kamen die vier Wölfe dem Schußbereiche der Jäger, so daß sie sich schon verloren
glaubten; da, im Momente äußerster Not, schlossen sie rasch einen Pakt mit dem Teufel, der sie flugs in
vier Baumstrünke verwandelte. Kein Mensch ahnte in den vier Baumklötzen die gesuchten Brüder. Der
Herr Vicedom, der die Treibjagd noch nicht so nahe wähnte, machte sich's oben - es war just Mittag bequem, legte die Kugelbüchse beiseite, nahm eine Rolle Tabak und schnitt ihn auf jenem Baumstrunk, in
welchem der "Börger" steckte. Der wollte vor Angst fast vergehen: denn, "wenn der Gnädige" - so gab er
in seinem peinlichen Verhöre später an - "den Tabak mit einem Messer geschnitten hätte, auf dessen
Klinge das Kreuzeszeichen eingegraben war, so konnte die teuflische Verblendung nicht bestehen." Aber
es ging für diesmal gut ab, die Wölfe kamen glücklich davon und krochen später wieder in ihre Leiber.
Bald darauf wurden aber alle vier an der Sandbrücke gefangen und als Zauberer ungefähr um die Mitte
des vorigen Jahrhunderts auf dem Passeggen hingerichtet.
Quelle: R. von Freisauff, Salzburger Volkssagen, Bd. I, Wien/Pest/Leipzig 1880, S. 255f, zit. nach
Leander Petzold, Sagen aus Salzburg, München 1993, S. 79.
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