Neue Umsatzsteuerregelungen im Immobilienbereich

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Neue Umsatzsteuerregelungen im Immobilienbereich
Claussen, Mensching: Neue Umsatzsteuerregelungen im Immobilienbereich
DStR 2004, 305
Neue Umsatzsteuerregelungen im Immobilienbereich
Von Dr.LorenzClaussen, Berlin und Dr.OliverMensching, Hamburg*
Die Immobilienwirtschaft ist ab 2004 mit wesentlichen umsatzsteuerrechtlichen
Neuregelungen konfrontiert. Insbesondere die Verlagerung der Steuerschuldnerschaft bei
Grundstücksumsätzen auf den Leistungsempfänger (§ 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG) hat
erhebliche Auswirkungen auf die kautelarjuristische Praxis. Die nachfolgenden Ausführungen
zeigen die Neuregelungen in fokussierter Form auf und geben erste Gestaltungshinweise.
1. Umsatzsteuerrechtliche Neuregelungen im Immobilienbereich: Gegenstand und
Konsequenzen
Ab dem 1. 1. 2004 gelten drei wichtige Änderungen des Umsatzsteuergesetzes, die für Käufer und
Verkäufer von Grundstücken relevant sein können.
- Ausgangslage
Grundsätzlich sind Grundstücksverkäufe umsatzsteuerbefreit (§ 4 Nr. 9 Buchst. a UStG). Der
Verkäufer kann aber nach § 9 Abs. 1 und 2 UStG auf diese Befreiung verzichten (sog.
Umsatzsteueroption). Dies ist für ihn i. d. R. dann sinnvoll, wenn er in das Grundstück investiert hat
und die auf diese Investitionen gezahlte Umsatzsteuer vom Finanzamt als gezahlte Vorsteuer
erstattet haben will bzw. sich bereits hat erstatten lassen. Durch die Ausübung der
Umsatzsteueroption des Verkäufers wird der Verkauf zu einem umsatzsteuerpflichtigen Geschäft.
Wird das Grundstück nur teilweise zu umsatzsteuerpflichtigen Zwecken verwendet, so kann die
Umsatzsteueroption anteilig ausgeübt werden.
- Gesetzesänderungen
Durch das Steueränderungsgesetz 2003 (BGBl I 2003, 2645, 2659) und das Haushaltsbegleitgesetz
2004 (BGBl I 2003, 3076, 3086) ist das UStG in drei Punkten geändert worden, die für
unternehmerisch tätige Parteien von Grundstückskaufverträgen relevant sind.
Die erste Änderung des UStG betrifft § 9 Abs. 3 UStG: Der Verkäufer kann die Umsatzsteueroption
nur noch im notariellen Grundstückskaufvertrag ausüben.
Die zweite Änderung des UStG betrifft § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG: Steuerschuldner ist im Falle
der Optionsausübung nicht (wie früher) der leistende Unternehmer, also der Grundstücksverkäufer,
sondern der Käufer. Die Umsatzsteuer wird also als eine Art Quellensteuer erhoben und ist vom
Käufer an das Finanzamt zu zahlen. Der Verkäufer darf die Umsatzsteuer nicht mehr in Rechnung
stellen und vereinnahmen. Er haftet nicht einmal mehr für die Abführung der Umsatzsteuer an das
Finanzamt durch den Käufer.
Die dritte Änderung des UStG betrifft § 15 Abs. 4 UStG: Wird ein gemischt genutzter Gegenstand
verkauft, so erfolgt die Ermittlung der abzugsfähigen Vorsteuer nur noch dann nach dem Verhältnis
der Mietumsätze, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist.
- Konsequenzen der Gesetzesänderung
Konsequenz für den Verkäufer: Er muss darauf achten, die Ausübung der Umsatzsteueroption in den
notariellen Vertrag aufzunehmen. Er darf die Umsatzsteuer nicht in Rechnung stellen und
vereinnahmen.
Konsequenz für den Käufer: Er darf die Umsatzsteuer nicht an den Verkäufer zahlen (Gefahr der
Doppelzahlung!). Vielmehr muss er sie wie eine von einem Dritten vereinnahmte Umsatzsteuer bei
seinem Finanzamt anmelden und abführen. Soweit er seinerseits bezüglich seiner beabsichtigten
Vermietungsumsätze wirksam zur Umsatzsteuer optiert hat (§ 4 Nr. 12 Buchst. a i. V. m. § 9 Abs. 1
und 2 UStG), hat er einen korrespondierenden Vorsteuererstattungsanspruch. Die bisher in der
Vertragsgestaltung gebräuchliche und schwer handhabbare sog. „Abtretungskonstruktion” (vgl.
hierzu z. B. BGH, Urt. v. 23. 10. 2003, DStR 2004, 191) ist künftig überflüssig.
Bei Objekten, die nur teilweise zu umsatzsteuerpflichtigen Zwecken verwendet werden, also beim
typischen Wohn- und Geschäfts-/Bürohaus, erfolgt die Berechnung nunmehr nach Flächenanteilen.
Da gewerbliche Nutzungen i. d. R. einen höheren Mietertrag pro Quadratmeter erbringen, war in der
Vergangenheit versucht worden, durch eine Aufteilung nach Umsatzanteilen den Betrag der
abzugsfähigen Vorsteuer zu erhöhen. Die Finanzrechtsprechung (BFH v. 5. 2. 1998, V R 101/96,
BFHE 185, 524 und BFH v. 12. 3. 1998, V R 50/97, BStBl II, 525, DStR 1998, 1212, sowie BFH v.
17. 8. 2001, V R 1/01, BStBl II, 233, DStR 2001, 1977) hatte die Aufteilung nach
Mietumsatzanteilen gegen den Widerstand der Finanzverwaltung (OFD München v. 14. 12. 1998, S7306-10 St 433, UVR 1999, 199) anerkannt. Die Gesetzesänderung stellt nun Klarheit zu Gunsten
der Finanzverwaltung her.
Beispiel:
Ein Bauträger bebaut ein Grundstück. Noch vor Fertigstellung wird das Grundstück für 10 Mio. € an einen
Fonds verkauft, der Bauträger verpflichtet sich zur Baufertigstellung. Der Bauträger optiert in Bezug auf
dieses Verkaufsgeschäft zur Umsatzsteuer. Der Flächenanteil, der später zu umsatzsteuerfreien Zwecken
genutzt werden wird (z. B. Banken, Ärzte, Wohnungen) beträgt 25 %, der Flächenanteil mit
umsatzsteuerpflichtigen Nutzungen (z. B. Rechtsanwälte, Handelsunternehmen) beträgt 75 %.
Dementsprechend optiert der Käufer in seiner Eigenschaft als Vermieter in Bezug auf den
umsatzsteuerpflichtig vermieteten Teil zur Umsatzsteuer.
Der Verkäufer kann nun zu 75 % zur Umsatzsteuer optieren. Wegen des insoweit der Umsatzsteuer
unterliegenden Kaufgeschäfts muss der Käufer nach § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG 1,2 Mio. € als
abzuführende Umsatzsteuer anmelden und hat einen Erstattungsanspruch in gleicher Höhe, den er
gegenrechnen kann. Per Saldo leistet der Käufer also keine Zahlungen an das Finanzamt. Der Verkäufer
hat in Bezug auf 25 % der gezahlten Umsatzsteuer keinen Vorsteuererstattungsanspruch und muss die
daraus resultierenden höheren Anschaffungs- und Herstellungskosten beim Kaufpreis berücksichtigen.
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2. In-Kraft-Treten, empfohlene Anpassung von Altverträgen
Die im Steueränderungsgesetz 2003 geregelte Änderung des § 15 Abs. 4 UStG ist am 1. 1. 2004 in Kraft
getreten.
Bei der Regelung zum In-Kraft-Treten der beiden anderen Änderungen ist dem Gesetzgeber ein
Redaktionsversehen unterlaufen, das bereits wenige Tage später berichtigt worden ist (BGBl I 2004, 69).
Nunmehr gilt, dass die Änderung des § 9 Abs. 3 UStG bereits seit dem 1. 1. 2004 in Kraft ist. Die
Änderung des § 13b UStG tritt nach Veröffentlichung im EU-Amtsblatt in Kraft, voraussichtlich am 1. 4.
2004.
Alle Änderungen gelten auch für noch nicht abgewickelte Verträge, die vor dem In-Kraft-Treten
geschlossen und die noch nicht erfüllt sind. Es sollte daher geprüft werden, ob in solchen „Altverträgen”
die Optionsausübung des Verkäufers enthalten ist und wie die Zahlung der Umsatzsteuer durch den Käufer
geregelt ist. Wenn die Optionsausübung fehlt, obwohl sie an sich beabsichtigt ist, oder wenn der Käufer
verpflichtet ist, die Umsatzsteuer an den Verkäufer zu zahlen, sollte vorsorglich eine entsprechende
Vertragsänderung bzw. Klarstellung vereinbart werden.
3. Gegenseitige Erhöhung von Umsatz- und Grunderwerbsteuer?
Die gesetzliche Neuregelung in § 13b UStG, wonach jetzt nur noch der Käufer Steuerschuldner ist, führt zu
einer weiteren, vom Gesetzgeber womöglich nicht bedachten Konsequenz:
Nach früherem Recht erhöhte sich die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer um die
Umsatzsteuer und die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer um 50 % der anfallenden
Grunderwerbsteuer. Die Erhöhung der Umsatzsteuer wurde damit begründet, dass die Grunderwerbsteuer
von Gesetzes wegen von beiden Parteien gleichermaßen, normalerweise also hälftig, geschuldet ist. Wenn
der Käufer nun die Grunderwerbsteuer wie üblich in voller Höhe übernimmt, so stellt er den Verkäufer von
dessen Anteil frei und erbringt folglich eine entsprechend höhere Gegenleistung. Bemessungsgrundlage
der Umsatzsteuer ist die gesamte Gegenleistung, nämlich Kaufpreis zuzüglich sonstiger Leistungen, hier
also zuzüglich der halben Grunderwerbsteuer. Die Grunderwerbsteuer wiederum wird nach § 9 GrEStG
grundsätzlich nach der vom Käufer geschuldeten Kaufpreissumme berechnet. Da die Umsatzsteuer nach
altem Recht Teil des Kaufpreises war, wurde sie der Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer in
voller Höhe hinzugerechnet.
Nach neuem Recht hat der Verkäufer mit der Umsatzsteuerabführung nichts mehr zu tun. Weder darf er
den Käufer zu einer Zahlung der Umsatzsteuer verpflichten noch hat er, da er für die Umsatzsteuer nicht
mehr haftet, ein Interesse daran, gegenüber dem Käufer dessen Zahlung an das Finanzamt im Wege eines
Vertrages zu Gunsten Dritter zu vereinbaren. Die Umsatzsteuerabführung ist nach neuem Recht eine
Pflicht des Käufers, die nur noch im Umsatzsteuergesetz, aber nicht mehr zivilrechtlich im
Grundstückskaufvertrag begründet ist.
Bei dieser Sachlage ist die Umsatzsteuer nicht mehr Teil der vom Käufer geschuldeten Gegenleistung. Sie
muss also bei der Bemessung der Grunderwerbsteuer unberücksichtigt bleiben. Bei einem Portfoliokauf
von 100 Mio. € macht das immerhin einen Betrag von 560 000 € aus. Es bleibt abzuwarten, ob sich die
Finanzverwaltung dieser Auffassung anschließt und wie ggf. die Finanzgerichte entscheiden.
4. Klauselvorschlag für Grundstückskaufvertrag
Der Verkäufer verzichtet hiermit (in Bezug auf eine Teilfläche von (…) qm der Gesamtmietfläche von (…)
qm) nach § 9 Abs. 1 und 2 UStG auf die Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG und optiert
(insoweit) hinsichtlich des Grundstücksverkaufs zur Umsatzsteuer. Im Hinblick auf § 13b UStG (in der ab
1. 1. 2004 geltenden Fassung), wonach nur der Käufer Steuerschuldner der Umsatzsteuer ist, wird der
Verkäufer dem Käufer die Umsatzsteuer nicht in Rechnung stellen und vereinnahmen. Eine Pflicht des
Käufers zur Anmeldung und Zahlung anfallender Umsatzsteuer richtet sich allein nach den für den Käufer
einschlägigen steuerlichen Regelungen und ist gegenüber dem Verkäufer nicht geschuldet.
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