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50 Tierschutz • 01-2013
01-2013 •
Seelenverkäufer
Mit Welpen kann man große Geschäfte machen. Vor allem unseriöse
und kriminelle. Das Geschäft funktioniert, weil sich Händler und
Kunden in einem Punkt einig sind: Ein Welpe ist eine Ware. Dass er auch
eine Seele hat, geht manchem Käufer erst auf, wenn es zu spät ist
Über die skrupellose Wirtschaftsmacht Welpenhandel
text: katharina jakob
Tierschutz 51
52 Tierschutz • 01-2013
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Tierschutz 53
„Es müssten von Gesetzes wegen alle Hunde
gechippt und zusätzlich registriert werden.
Das würde wirklich helfen.“
alexa kessler, International Fund of Animal Welfare
kauf aus der kiste: Mit kaum etwas anderem lässt
sich so risikolos Geld machen wie mit Rassehundwelpen.
Wer auffliegt, zahlt ein Bußgeld und macht weiter.
ohne Impfschutz reisen in einem Treck aus regelmäßig pendelnden
Lieferwagen in Richtung Westen. Hin zu all den Hundefreunden,
die manchmal noch gar nicht wissen, dass sie einen Rassewelpen
kaufen werden. Erst wenn sie samstags über die Märkte flanieren,
in Belgien, Holland und, ja, auch in Deutschland, wird ihr Blick auf
eine Kiste fallen mit kleinen Tiergesichtern darin. Dann werden die
Hundefreunde hineingreifen und sich einen Winzling herausangeln
– bei den Schnäppchenpreisen und weil die Kinder so drängeln.
Wer lieber im Internet fündig wird, braucht dafür nur ein paar
Klicks und einen Anruf. Ist man spät dran mit einem Geburtstagsgeschenk für den kleinen Sohn, der sich seit Langem einen Hund
wünscht? Und was Besseres fällt einem gerade nicht ein? Umgehend wird die Ware geliefert: in direkter Nähe, auf einem Parkplatz.
Das Internet ist mit Abstand der größte Hundemarkt, einen Welpen kann man schneller kaufen als ein Buch. Drei, zwei, eins, meins.
der illegale handel mit Tieren
gehört weltweit zu den fünf größten kriminellen Geschäftszweigen. Darunter
fällt der Handel mit exotischen Tieren, aber
auch der Haustierhandel.
Wenn Osteuropa das Produktionszentrum des
Kontinents ist, dann sind Belgien und die Niederlande die
Drehscheibe für den Vertrieb. Dort sitzen die Großhändler. Dort
hält der Treck, werden die Welpen entladen und an Einzelhändler
weiterverkauft, also an die „liebevollen Familienzüchter“, die Zoohandlungen, die „traditionellen Bauernmärkte“ und wie sich die
Verkaufsstellen alle so nennen. Das wahre Ausmaß des illegalen
Handels ist kaum abzuschätzen. Verlässliche Zahlen gibt es nicht,
denn zum kriminellen Geschäft gehört seine Verschleierung. Umso
mehr, wenn wie in der Hundebranche der legale mit dem illegalen
Handel unentwirrbar verstrickt ist. In einem Gespräch mit Tierschützern ging der frühere niederländische Landwirtschaftsminister Cees Veerman davon aus, dass von allen verkauften Welpen in
Holland zwei Drittel aus osteuropäischen Produktionsstätten stammen. In Belgien soll der Anteil sogar achtzig Prozent betragen.
Warum diese Länder? Weil die niederländische Gesetz-
gebung für kriminelle Hundehändler wie gemacht ist. Jeder Tierarzt
kann einen ausländischen Hundepass legal in einen holländischen
umschreiben. Der Welpe gilt dann nicht mehr als Ostimport, sondern als ein Tier aus Holland. Das ist vielen Weiterverkäufern wichtig. In Belgien ist das Verfahren der Umetikettierung nicht legal,
dafür geht der Hundehandel hier weitgehend ohne Kontrollen vor
sich. So pulsiert im Grenzgebiet zwischen Holland und Belgien das
Herz des Welpenumschlags. Von hier aus wird die lebende Fracht
in die anderen europäischen Länder verschickt. Mit frischen Papieren ausgestattet, geht es zurück nach Deutschland, das eben erst
durchquert wurde. Aber auch nach Frankreich, Italien, sogar bis
nach Spanien, wo nähebedürftige Welpen in Glaskästen von Zoohandlungen sitzen wie Fische im Aquarium.
An sich ist das Geschäft mit kleinen Hunden
nichts Verbotenes. Unter Einhaltung der Tierschutzgesetze,
Fotos seite 50/51: Vier Pfoten (34), IFAW Deutschland (7); diese doppelseite: Vier Pfoten, IFAW Deutschland
D
as Zentrum der europäischen Welpenproduktion
befindet sich im Osten, von Polen bis zur Ukraine. Von
dort fließt ein steter Warenstrom aus jungen Hunden
in alle Teile des Kontinents. Wie am Fließband werden
in großen Welpenfabriken, aber auch in Hinterhof- und Scheunenzuchten, bei armen Bauern und reichen Kriminellen Rassehunde
hergestellt. Die Elterntiere hausen im Dunkeln, kaserniert in Kellern und Verschlägen. Den Menschen kennen sie nur als Schatten
im Schein einer Taschenlampe, der sie mit groben Händen packt.
Den Hündinnen werden Hormone gespritzt, damit sie mehrmals im
Jahr werfen. Das Produkt, um das es geht, hat ein nahes Verfalls­
datum: Je jünger die Welpen sind, desto besser verkaufen sie sich.
Im Alter von vier bis sieben Wochen werden sie ihren Müttern
weggenommen, in Kartons gestopft, in Kleinlaster geladen bis
unter das Dach. Erschrockene, unterernährte und kranke Welpen
der Impfvorschriften und der europäischen Transportbestimmungen darf jeder Züchter seine Tiere verkaufen, im Inland wie im
Ausland. Hunde ungeimpft und unversorgt quer durch Europa verschicken darf man allerdings nicht. Genauso wenig wie Saugwelpen
der Mutterhündin entreißen, Schmu mit Impfpässen und Ahnen­
tafeln betreiben, das Alter von Welpen fälschen. Auch darf man
nicht so tun, als sei der kleine Hund, der eben aus Ungarn eingeschmuggelt wurde, ein Sprössling der eigenen „liebevollen Familien­aufzucht“, das ist ein Betrug am Käufer. Aber all das passiert täglich, stündlich direkt bei uns. Die Strafen, die dafür vorgesehen
sind, stehen auf dem Papier, und dort bleiben sie in der Regel auch.
Fliegt mal ein Transport auf, wie im Mai 2012 auf der Autobahn 3
in Bayern, beschlagnahmt man die Tiere und ermittelt gegen den
Fahrer. Produzent und Aufkäufer bleiben wie so oft unbehelligt.
An diesen Machenschaften stört sich kaum
jemand, Welpen zum Schleuderpreis sind unglaublich begehrt.
Wer auf den Märkten in Lüttich, Brüssel, im polnischen Słubice
oder im Bergischen Land die neuen Hundebesitzer fragt, ob sie
leben im laden
Der Duisburger Unternehmer Norbert Zajac verkauft
seit Anfang 2012 Welpen in seiner Zoohandlung. Damit hat
er, wie schon einige vor ihm, ein Branchentabu gebrochen.
Denn der Zentralverband der Zoologischen Fachbetriebe, zu
dem Zajac nicht gehört, ist gegen den Verkauf von Hunden
und Katzen in Zoohandlungen. Aus folgenden Gründen:
1. Es werden „erhebliche Sozialisierungsprobleme“ befürch-
tet, da Welpen in der Prägephase enorme Anforderungen an
ihre Bezugspersonen stellen. Die können in einer Zoohandlung kaum erfüllt werden.
2.Wechselndes Pflegepersonal ist kein Ersatz für die
Bindung an einen Menschen, zumal die Tiere nachts auf
sich allein gestellt sind.
3. Auch ist die Herkunft der Welpen unklar. Der Dachverband der Rassehundzüchter VDH (Verband für das Deutsche
Hundewesen) hat seinen Mitgliedsvereinen untersagt, Welpen an Zajac zu verkaufen. Wer dagegen verstößt, wird aus
dem Verband ausgeschlossen. Bei Zoo Zajac heißt es auf
Anfrage nur, die Hunde kämen „aus Familienzuchten“.
Übrigens: Zajac-Welpen sind nicht billig. Gehen Sie
besser gleich zu einem gewissenhaften Züchter des VDH.
Dort sind die Welpen nicht in einer Verkaufszwischenstation geparkt. Man kennt ihre Herkunft und ihre genetische Gesundheit. Man sorgt sich um die Welpen und
bietet ihnen einen artgerechten Start ins Leben.
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Tierschutz 55
„Wollen Sie die Welpen legal oder
vom Schwarzmarkt? Hier ist alles möglich.“
grosshändler in den niederlanden
denn wüssten, woher ihr kleiner Hund kommt, so wie es ein Fernsehteam des NDR gemacht hat, erntet ein fröhliches Nein.
Das ändert sich allerdings, wenn der Welpe nach ein, zwei, drei
Tagen qualvoll verendet. An Parvovirose oder einer anderen Infektionskrankheit, gegen die sein unterentwickeltes Immunsystem keine Chance hatte. Rund die Hälfte der Billigtiere sind ernsthaft
krank, ermittelte eine Umfrage der „Arbeitsgemeinschaft Welpenhandel“, an der die Tierschutzorganisation TASSO, der Bund gegen
Missbrauch der Tiere (www.bmt-tierschutz.de) und der Verband
für das Deutsche Hunde­wesen (www.vdh.de) beteiligt sind.
Chipnummern. Die Papiere waren somit keinem Hund zuzu­
ordnen. Die Tierschützer erfuhren, dass auf der Fahrt durch Europa manchmal bis zu sechs Welpen pro Stunde sterben. Den
Schwund preist der Großhändler ein, Nachschub ist jederzeit möglich. Freitagnachmittags kommen die Stammkunden nach Brabant,
decken sich mit frischer Ware ein und bieten sie am nächsten Tag
im Internet an: „Unsere Hündin hat Junge.“ Mit den Anzeigen
machen sich Weiterverkäufer kaum Mühe. In der Regel nennen sie
nur eine Handynummer, von liebevoller Hobbyzucht ist die Rede,
die Preise schwanken stark, ab etwa 60 Euro bis 600 und darüber.
Falls der Winzling überlebt, tauchen neue Sorgen
auf, und oft ist eine darunter, mit der die Hundefreunde nicht gerechnet haben. In kürzester Zeit hat sich der Welpe in die Herzen
seiner Menschen geschlichen. Die Ware hat eine Seele bekommen,
sie ist auf einmal lieb – und teuer. Wo man sich eben noch über das
Schnäppchen gefreut hat, werden bald Hunderte um Hunderte
Euro in die Tierkliniken getragen. Oder zu Hundetrainern. Denn
die Sozialisierungsschäden wachsen sich nicht aus. Sie werden mit
den Welpen groß. Ängstliche, verhaltensgestörte Junghunde sind
das, die schon durchdrehen, wenn mal ein Teller zu Boden fällt. Und
dann häufen sie sich, die Betroffenenberichte auf der Homepage
von TASSO (www.tasso.net): „Ich selber bin im Juli dieses Jahres
Opfer von Hundehandel geworden … Meine Hündin ist jetzt 7 Monate und totkrank und ich am Verzweifeln.“ Verständlich, dass die
Käufer sich selbst leid tun, obwohl nicht sie die Opfer sind, sondern
die Welpen und ihre Elterntiere. Jeder Käufer eines Billigwelpen
hält den Handel in Schwung und wird zwangsläufig zum Mittäter.
Dass es eine Welpenmafia gibt, hat sich längst
herumgesprochen, dank der vielen Medienberichte und der
florierender markt: Offiziell ist
in Polen diese Art des Hundehandels verboten,
was die Händler aber nicht beeindruckt.
Die Welpen, die sie auf dem Markt anbieten,
sind viel zu jung und oft sehr krank.
Klar wird: Retten kann man nur die Tiere,
die noch nicht geboren sind.
Foto: J. S. Peifer/Blickwinkel
Zu denen, die sich mit solchen Zuständen nicht
abfinden mögen, gehören die Tierschützer. Der International
Fund of Animal Welfare, eine weltweit operierende Tierschutz­
organisation, startete 2008 eine Undercover-Recherche in den Niederlanden (www.ifaw.org). Die Aktivisten hefteten sich an die Fersen eines Großhändlers aus Brabant, der zu den Big Playern der
Niederlande zählt und ein legales wie illegales Netzwerk um sich
herum aufgebaut hat. Die IFAW-Rechercheure gaben sich als Weiterverkäufer aus, die einen Geschäftspartner suchten. „Wollen Sie
die Welpen legal oder vom Schwarzmarkt?“, fragte der Händler vor
versteckt laufender Kamera. „Hier ist alles möglich.“ Während ihrer Recherchen verfolgten die Tierschützer einen der ungarischen
Lieferanten, der etwa hundert geschmuggelte Welpen pro Woche
bringt. Im Transporter stießen sie auf Dutzende Blanko-Impfpässe,
bereits unterschrieben und mit Aufklebern versehen, aber ohne
Aufklärungsarbeit von Tierschutzorganisationen. Vorsichtige Interessenten wollen die Mutterhündin sehen, bevor sie einen Welpen
kaufen. Sie wissen, dass ein Rassehund aus guter Zucht nicht für
400 Euro zu haben ist, sondern den zwei- bis dreifachen Preis kostet. Doch auch Händler lernen dazu. Viele errichten eine Kulisse
um ihre sogenannte Familienzucht. Da laufen Hündinnen durch das
Bild, die als Muttertiere ausgegeben werden, aber kein Gesäuge
haben. Ahnentafeln werden erfunden und von Rassehundvereinen
unterzeichnet, die im Dachverband VDH nicht anerkannt sind.
Und wenn doch mal der Arm des Gesetzes eingreifen will,
schaffen es die meisten, sich zu entziehen. Wie 2005 ein Hundehändler in Burgdorf. Er stand im Verdacht, betrügerischen Handel
mit Welpen zu betreiben, die aus Osteuropa stammten, und sie als
Rassehunde mit Papieren teuer weiterzuverkaufen. Die Staats­
anwaltschaft Hildesheim ließ die Geschäftsräume durchsuchen
quälerei, wo man hinsieht
In Japan werden Hunde in Zoogeschäften aus dem Regal verkauft.
Oft haben diese „Pet Shops“ die ganze Nacht geöffnet. Welpen,
die sich nicht verkaufen lassen, werden aussortiert und in Metallcontainern vergast.
In den USA gibt es sogenannte „Puppy Mills“, Hundeproduktionsstätten mit bis zu tausend Zuchttieren. Nur ein kleiner Teil der
Anlagen wird staatlich kontrolliert. Aber selbst wenn sie überprüft
werden: Die Auflagen haben mit Tierschutz nichts zu tun. Ein
Zuchthund darf ganz legal in einem engen Drahtkäfig gehalten werden. Diesen verlässt das Tier nie, solange es lebt.
Großbritannien hat ein eigenes Welpenproduktionszentrum: Irland.
Weil die Elterntiere wie Hühner in Legebatterien gehalten werden, nennt man sie „Battery Dogs“. Doch nun reagiert die Gesetzgebung: Seit dem 1. Januar 2012 gibt es eine Chippflicht, damit
die Züchter identifiziert werden können. Außerdem werden die
schlimmsten Haltungsbedingungen unter Strafe gestellt.
56 Tierschutz • 01-2013
fünf Euro. Weniger geht nicht. Birgitt Thiesmann sieht den Händler nicht an, als sie den Welpen zurückreicht. Die Hand des Mannes
packt den Kleinen und stopft ihn zurück in den Karton mit den
Wurfgeschwistern. Selbst fünf Euro sind der Frau offenbar zu viel.
„Das ist der schlimmste Moment“, sagt die Tierschützerin. „Ich
weiß, der Kleine wird den Abend nicht mehr erleben. Wenn er
nicht mal für fünf Euro weggeht, fackeln die Händler nicht lang.“
Viele schaffen das nicht, wollen so einen Zwerg einfach nur retten.
Auf dieser Grundlage ist eine ganze Mitleidsindustrie entstanden.
In Spanien werden Welpen in extraengen Glaskästen feilgeboten,
um Rettungskäufe zu provozieren. Händler sind als Tierschützer
getarnt und flehen online um Hilfe für ihre Kleinen, denen sonst
die örtliche Tötungsstation drohe. Oder sie geben sich als „liebevolle Pflegeeltern“ aus, die einem „ausgesetzten“ Wurf Welpen ein
neues Zuhause suchen – gegen „Schutzgebühr“. Was seriöse Tierschützer zur Verzweiflung bringt, weil es immer schwerer wird, sich
von kriminellen Trittbrettfahrern abzusetzen.
und Beweismittel beschlagnahmen. Doch obwohl der Verfolgungsdruck groß war, musste das Verfahren eingestellt werden, da der
Hundehändler „geschickt die Lücken ausgenutzt hatte, die das Gesetz ihm ließ“, wie es der Hildesheimer Oberstaatsanwalt Bernd
Seemann formuliert, der sich an den Fall gut erinnern kann. „Nicht
alles, was unanständig oder verwerflich ist, ist auch strafbar.“
Die Welpenmafia lebt nicht nur von Schnäppchenjägern, die sich einen Rassehund „aus gutem Haus“ nicht
leisten wollen. Es gibt sie auch, weil ein anderer Menschenschlag
nicht mit ansehen kann, wie ein Tier leidet. Das Fellknäuel ist schon
zwölf Wochen alt und noch dazu ein Mischling. Es blickt in das
Gesicht der Frau, die es auf den Arm genommen hat. Kuschelt sich
ein, dankbar für etwas Wärme. Wie viel es kostet, so einen Winzling herzugeben, weiß niemand besser als Birgitt Thiesmann. Sie leitet seit vier Jahren die Kampagne gegen illegalen Welpenhandel
bei Vier Pfoten Stiftung für Tierschutz (www.vier-pfoten.de).
Sie steht auf einem der Märkte in Polen und muss so tun, als sei
sie an einem Handel interessiert. Hinter ihr das Team eines nor­
wegischen Fernsehsenders, das die Szene mit einer versteckten Kamera filmt. Der Händler blickt der Deutschen ins Gesicht. Zehn
Euro, sagt er. Die Tierschützerin schüttelt den Kopf. Dann eben
Vom politischen Willen hängt es ab, sonst ist das
beste Gesetz nichts als eine stumpfe Axt. In Polen ist seit Januar
2012 der Welpenhandel auf Märkten verboten. Auch dürfen nur
noch lizenzierte Züchter mit Hunden handeln. „Das polnische
Gesetz ist super“, sagt Birgitt Thiesmann. Wie es von den Menschen
Beispiele samtpfötiger Behörden finden sich auch
hierzulande. Dazu gehört der Fall der Welpenstube Winkel in
Dorsten. Dort ist bis zum heutigen Tag ein Hundehändler am
Werk, der wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz rechtskräftig verurteilt wurde. Offiziell führt seine Frau die Geschäfte. Wie
man auf der Website des Landestierschutzverbandes von Nord­
rhein-Westfalen nachlesen kann, gibt man bei Winkels offen zu,
„dass die Welpen auch aus Osteuropa stammen“ (www.ltv-nrw.de).
Doch nicht nur das. Der Präsident des Verbands Peer Fiesel ist zugleich Rechtsanwalt und vertritt in seiner Kanzlei immer wieder
Mandanten, die in Dorsten einen todkranken Welpen gekauft haben. „Immer mehr Tierkäufer“, sagt Peer Fiesel, „beschweren sich
beim Landestierschutzverband über den Kauf todkranker Tiere aus
diesem Betrieb.“ Unverständlich ist dem Anwalt, dass die Winkels
überhaupt noch eine Genehmigung haben. „Wer vorbestraft ist“, so
Fiesel, „und dies noch einschlägig wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz, darf keine Genehmigung zum Betrieb eines Tier­
handels erhalten. Es darf nach hiesiger Auffassung noch nicht einmal ein Familienmitglied diesen Betrieb führen.“ Hubert Winkel
strengte jedoch Mitte 2010 einen Prozess an, um selbst wieder an
eine Tierhandelserlaubnis zu kommen, bislang vergeblich. Doch in
dem zuständigen Kreisveterinär Siegfried Gerwert fand er offenbar
einen Fürsprecher. Die Lokalzeitung „Der Westen“ berichtete über
den Prozess und zitierte den Kreisveterinär mit den Worten: „Klar
gibt es auch mal kranke Tiere dort, aber die gibt es immer. Man
kann Tieren ja nicht verbieten, krank zu werden.“
Solange die Interessen von Unternehmern die
des Tierschutzes ausstechen, und solange die Politik ihre
Fotos: IFAW Deutschland, WAZ Fotopool/ActionPress
weicher welpe, harte währung:
Beim Blick in ein Welpengesicht sitzt den Leuten
der Geldbeutel locker. Auch wenn die Preise
stark schwanken wie hier, von etwa 30 Euro auf einem
Polenmarkt bis zu 800 Euro im Zoogeschäft.
Die Besonnenheit der Käufer gehört derzeit zu den
wenigen Hoffnungen, die es im Kampf gegen die Hundedealer gibt.
Politik und Justiz sind schwache Verbündete, allen gegenteiligen
Beteuerungen zum Trotz. Die hessische Landestierschutzbeauftragte Madeleine Martin erklärte 2009 die Prioritäten europäischer
Politik in einem Interview mit TASSO: „Zurzeit ist es so, dass die
EU-Gesetzgebung den freien Warenverkehr als oberstes Gebot hat.“
Sofern er nicht gegen tierseuchenrechtliche Bestimmungen verstößt, bedeutet das für den Welpenhandel freies Geleit. „Ich glaube
auch nicht“, so Madeleine Martin weiter, „dass der Handel in der
Zukunft eingeschränkt wird, es sei denn, es würden sich gesundheitliche Gefahren für den Menschen ergeben.“
Tierschutzorganisationen wie IFAW und Vier Pfoten setzen
dennoch langfristig auf ein Umdenken in der EU, es bleibt auch
nichts anderes übrig. Die Stellschrauben für den grenzüberschreitenden Hundehandel werden nun einmal in Brüssel gedreht.
„Es müssen von Gesetzes wegen alle Hunde gechippt und zusätzlich registriert werden. Das würde wirklich helfen“, sagt die Haustier-Kampagnenleiterin Alexa Keßler vom IFAW. Auf dem Chip
kann man codieren, woher der Welpe stammt und sogar, welcher
Tierarzt ihn als Erster behandelt hat, „sodass man den im Falle
eines Falles belangen könnte“. In der Schweiz sind mittlerweile
99 Prozent aller Hunde gechippt und registriert, heißt es bei der zuständigen Registrierungsgesellschaft ANIS (www.anis.ch). Nur so
lässt sich die Herkunft eines Hundes sicher zurückverfolgen. „Jeder
Polizist“, sagt Keßler, „trägt dort einen Scanner mit sich und kann
im Vorbeigehen Stichproben machen.“
praktisch interpretiert wird, erzählt die Tierschützerin allerdings
ebenfalls: Da sind die Markthändler, die direkt unter dem Verbotsschild weiter ihre Welpenkisten aufbauen. Da gibt es Scheinrazzien,
die die Händler nur für kurze Zeit verscheuchen. Da ist von Strafanzeigen die Rede, die gar nicht erst aufgenommen werden.
eigenen Gesetze ignoriert, bleibt im Grunde nur eine Hoffnung:
aufgeklärte Hundebesitzer, die sich nicht scheuen, das Thema auf
ihre Hundewiesen zu tragen. Welpenkauf bei Billigheimern muss
so geächtet werden wie früher das Tragen von Pelzmänteln.
Wer einen Welpen sucht und Geld hat, kann in ein Tierheim
gehen oder zu einem seriösen Züchter, der dem VDH angehört. Ja,
auch dort gibt es das eine oder andere schwarze Schaf, aber eben
vereinzelt. Bis ein Züchter überhaupt im VDH züchten darf, hat er
viel Zeit, Geld und Mühe in das strenge Zulassungsprozedere in­
vestiert. Das ist keine Option für jemanden, der nur am schnellen
Geld interessiert ist. Und wer einen Welpen möchte, aber kein
Geld hat? Für den gilt das Gleiche. Nur dass der sich seinen Wunsch
eben nicht sofort erfüllen kann, sondern jeden Monat Geld dafür
zurücklegen muss. Das ist wie früher, als man auf etwas Großes
noch gespart hat. Denn ein Welpe, so klein er auch ist, soll ja genau
das werden: etwas Großes, ein Teil der Familie.
Helfen Sie mit:
! Kaufen Sie keinen Welpen aus dem Internet, vom
Markt, aus dem Kofferraum eines Autos oder aus
einem Zoogeschäft.
! Kaufen Sie niemals spontan, auch nicht aus Mitleid.
! Lassen Sie sich die Mutterhündin zeigen. Sie hat
ein sichtbares Gesäuge,die Welpen fremdeln bei ihr
nicht. Fragen Sie auch nach der Anschrift des Halters,
dem das Vatertier gehört.
! Ein seriöser Züchter fragt seinen Kunden Löcher
in den Bauch. Einer, der nicht genau wissen will, wo
sein Hund hinkommt, hat kein Vertrauen verdient.
Den Gratis-Aufkleber zur Initiative
gegen den Handel von Welpen finden Sie
in dieser DOGS. Zeigen Sie ihn herum –
den Hunde zuliebe!
Gemeinsam gegen den Welpenhandel
Die Arbeitsgemeinschaft Welpenhandel wurde 2011
mit dem Ziel gegründet, in der breiten Öffentlichkeit wie
auch in der Politik auf das Problem des zunehmenden
Welpenhandels aufmerksam und die drohenden Folgen
bewusst zu machen. Der AG gehören führende Verbände
und Experten aus den Bereichen Tierschutz, Zucht, Verhaltenskunde sowie Tierseuchenbekämpfung an.
Mitglieder der AG Welpenhandel sind die Tierschutzorganisation TASSO e. V., der Verband für das Deutsche
Hundewesen e. V. (VDH), der Bund gegen Missbrauch der
Tiere e. V. (bmt), die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e. V. (TVT) sowie die Gesellschaft für Tierverhaltensmedizin und -therapie (GTVMT). Mit ihrem Expertenwissen unterstützen die Arbeitsgemeinschaft außerdem
Dr. Barbara Schöning, Fachtierärztin für Verhaltenskunde
und Tierschutz, und Prof. Dr. Uwe Truyen vom Institut für
Tierhygiene und Öffentliches Veterinärwesen in Leipzig.
Auch DOGS als Medienpartner unterstützt die sinnvolle
Arbeitsgemeinschaft, www.wuehltischwelpen.de.