168. Körpersignale in menschlicher Interaktion

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168. Körpersignale in menschlicher Interaktion
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XV. Ausgewählte Gegenstände der Semiotik
168. Körpersignale in menschlicher Interaktion
1. Einleitung
2. Rahmenbedingungen
2.1. Das Kontrastprinzip und die Formkonstanz
2.2. Die Ritualisierung
3. Die äußere Botschaft: optische Signale
3.1. Beziehungsparameter
3.2. Attraktivität und Erscheinungsbild
3.3. Die Emotionen
4. Die äußere Botschaft: akustische Signale
5. Die innere Botschaft
6. Die Funktion von Signalen
6.1. Weinen als Beispiel
6.2. Brauenheben als Beispiel
6.3. Lachen als Beispiel
6.4. Sprachliche und nicht-sprachliche
Kommunikation
7. Manipulation und Kommunikation
8. Programmierte Bedeutung und programmierte
Wahrnehmung
9. Literatur (in Auswahl)
1.
Einleitung
Stellen Sie sich vor, Sie treffen auf jemanden,
den Sie nicht kennen, zum Beispiel in einem
Zugabteil. Was werden Sie nun tun oder sagen? Versuchen Sie auf den/die andere(n) einen guten Eindruck zu machen? Oft ist es so,
daß Sie nach kurzer Zeit den anderen sympathisch finden und sich wohl fühlen, oder Sie
lehnen ihn/sie ab und fühlen sich unwohl (obwohl Sie mit Ihrem Gegenüber eigentlich nur
über das Wetter geredet haben). Es ist zunächst einmal einfach, anzunehmen, daß Sie
bewußt oder unbewußt die nicht-sprachlichen Signale, die der/die andere „gesendet“
hat, herangezogen haben, um ihn oder sie
einzuschätzen, und daß Sie sich, bewußt oder
unbewußt, der gleichen Mittel bedient haben.
Das führt zu der Frage, auf welchem Weg
Sie diese sehr unterschiedlichen, nichtsprachlichen Signale entziffert haben. Vor
allem nicht-sprachliche Signale sind in einen
andauernden, kontinuierlichen Verhaltensstrom eingebettet (vgl. Art. 27 § 3.6.) und
müssen deshalb auch erst als Signale erkannt
werden. Deshalb muß die erste Frage bei der
Beschreibung von nicht-sprachlichen Signalen lauten: Was macht etwas überhaupt zu einem Signal? Menschen können auch selbständig neue Signale schaffen, die sie benutzen, um ihre alltäglichen Kommunikationsprobleme zu lösen. Die Welt der nichtsprachlichen Signale erscheint auf den ersten
Blick als ungeordnet und vieldeutig. Da Sie
aber sehr wohl in der Lage waren, in einer
Situation wie der eingangs angeführten Entscheidungen zu treffen, müssen Sie irgendeinen „Mechanismus“ benutzt haben, der es Ihnen erlaubt hat, die Bedeutung der Signale zu
erschließen. Dazu gehört das Erkennen des
Signals und dessen Interpretation, d. h. die
Zuschreibung von Bedeutung. Der eher metaphorische Begriff „Mechanismus“ umfaßt
deshalb einen Wahrnehmungsapparat und einen signalverarbeitenden Apparat (vgl.
Art. 131 § 3.).
Die Welt der menschlichen Signale ist demnach nicht unbedingt eindeutig, sondern vieldeutig (vgl. Art. 13 § 2.). Wie waren Sie dann
aber in der Lage, sich ein so eindeutiges Bild
von Ihrem fremden Interaktionspartner zu
verschaffen? Die Frage ist also, wie der signalverarbeitende Apparat konstruiert ist, so
daß er die Aufgaben, die er, wie wir wissen,
lösen kann, tatsächlich durchführt. Dazu bieten sich sehr unterschiedliche Konstruktionsmöglichkeiten an.
2.
Rahmenbedingungen
Vor die Lösung dieses Vieldeutigkeitsproblems stellt sich aber noch ein weiteres. Die
Frage ist zu klären, ob ein Signal von sich
aus Bedeutung besitzt (vgl. Art. 3), oder ob
erst der Empfänger dem Signal die Bedeutung zuschreibt. Hofstadter (1980) geht davon aus, daß ein gesendetes Signal keine inhärente Bedeutung besitzt, sondern daß das
Signal einem Verarbeitungsmechanismus zugeführt werden muß, der eigene Information
zum Signal hinzufügt, bevor es Bedeutung erlangt (zu dieser Position eines radikalen
Pragmatizismus vgl. Art. 4 § 4.3.). In der Tat
ist die Auffassung, daß der Empfänger durch
sein Verstehen oder Nicht-Verstehen die Signalproduktion diktiert, weit verbreitet (EiblEibesfeldt 1984).
Damit bieten sich zur Lösung des Vieldeutigkeitsproblems zwei sehr unterschiedliche
Wege an. Es könnte sein, daß alle Signale
und deren Bedeutungen im Laufe der Individualentwicklung erlernt werden (LaBarre
1947). In dieser Auffassung bestimmt der
Kontext, in dem ein Signal auftritt, dessen
Bedeutung, d. h. die Interpretation des Signals erfolgt aufgrund einer Reihe von weiteren Signalen, die parallel gesendet werden.
168. Körpersignale in menschlicher Interaktion
Dies würde die weitreichende Vielfalt der Signale erklären. Es könnte aber auch sein, daß
jedes Signal eine genetisch programmierte
Bedeutung besitzt, die von Sender und Empfänger geteilt wird (Morris 1967). In der Regel spricht man dabei von sogenannten
Schlüsselreizen, die, wenn sie auf einen angeborenen auslösenden Mechanismus (AAM)
treffen, bestimmte Handlungen auslösen (Lorenz 1978). Dies trifft, wie wir noch sehen
werden, auf eine Reihe von Signalen zu. Dabei kann man von folgendem ausgehen: je
wichtiger ein Signal für das Überleben des Individuums ist, desto starrer ist sein Ablauf
und seine Struktur (Dawkins 1976).
Signalverarbeitende Systeme unterliegen
den Mechanismen der Evolution (vgl. Art. 18
und Art. 85 § 6.) und müßten damit auch einem Optimalitätsprinzip folgen. Dabei sind
Kosten und Nutzen der Konstruktion eines
signalverarbeitenden Apparates in Abhängigkeit von seinem Leistungsvermögen zu berücksichtigen. Der Nutzen einer starren ReizAntwort-Verschränkung würde in der Sicherheit der Übertragung liegen. Die Kosten dieser Lösung nehmen jedoch mit zunehmender
Komplexität von sozialen Situationen und einer sich schnell ändernden sozialen und ökologischen Umwelt zu. Dies geschieht deshalb,
weil immer mehr Signale abgespeichert und
angelegt werden müssen; der Speicherplatzbedarf erhöht sich und verteuert diese Lösung.
Ein durch Lernvorgänge frei programmierbares Signalsystem hat zwar keine Speicherplatzkosten, benötigt aber Rechenzeit
und ist aufwendig zu konstruieren. Ein frei
verfügbares Lernsystem, das lediglich einen
festgelegten Algorithmus besitzt, besticht
durch seine hohe Flexibilität und seine Anpassungsfähigkeit an die unterschiedlichsten
Situationen (vgl. Art. 128). Ein Nachteil ist,
daß ein solches System auf gewisse Art und
Weise nur probabilistisch funktionieren kann,
da es manchmal, wenn Situationen zu komplex werden, auf Schätzungen angewiesen ist.
Es wird also ungenau.
Deshalb ist anzunehmen, daß es auf einem
Kontinuum mit zunehmender sozialer Komplexität einen Punkt gibt, an dem der wachsende Speicherplatzbedarf für festgelegte
Reiz-Antwort-Verschränkungen teurer wird
als ein Lernsystem. Umgekehrt muß es einen
Punkt geben, an dem ein festgelegtes ReizAntwort-System billiger ist als ein komplexes
Lernsystem (vgl. Art. 16). Ab diesem Punkt
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lohnt es sich also, ein sozusagen frei programmierbares Signalsystem zu entwickeln.
Für das Vorhandensein eines solchen frei
programmierbaren Systems beim Menschen
spricht die Vielfalt und die Unterschiedlichkeit der Signale, die sich in den verschiedenen
Kulturen finden lassen. Wir müssen also zumindest ein Lernsystem voraussetzen, das es
zuläßt, daß bestimmte Signale an einen bestimmten Kontext durch Lernvorgänge gebunden werden.
Doch auch ein frei programmierbares Signalsystem unterliegt Beschränkungen, denn
die Art und Weise, wie wir Information verarbeiten, ist ebenso im Laufe der Evolution
entstanden. Dabei hat sich die Informationsverarbeitung an die Lösung von Problemen
des Alltags angepaßt und zu erfolgreichen
angeborenen Problemlösungsstrategien geführt (Barkow 1989). Als begrenzende Faktoren gelten hier die vorhandenen biologischen
Systembedingungen, die sich aus evolutionstheoretischen Grundannahmen, wie den
Prinzipien der natürlichen und der sexuellen
Selektion, ableiten lassen. Erfolgreich programmierbare Signalsysteme sind demnach
Ergebnis und Ausdruck „angepaßten Denkens“.
Beide Auffassungen benötigen aber letztlich den Kontext eines Signals, um seine Bedeutung zu erfassen. Diese Notwendigkeit
bringt ein neues Problem mit sich: auch der
Kontext muß definiert werden. Es stellt sich
die weitere Frage, ob es ein gelerntes oder ein
angeborenes Verständnis für den Kontext
gibt. Damit wird die Situation unerträglich,
denn spinnt man diesen Gedanken weiter,
dann wird klar, daß man nicht nur Regeln
braucht, um den Kontext zu definieren, sondern auch Regeln, um die Regeln, die den
Kontext definieren, zu definieren. Bevor der
Empfänger eine Bedeutung in einem Signal
erkennen kann, muß er Regeln besitzen, die
festlegen, welche Bedeutung im Signal steckt,
und Regeln, die die Regeln definieren. Über
diesen Ansatz gerät man also in einen unendlichen Regreß oder in eine Hierarchie von Regeln, die uns eigentlich daran hindern müßte,
irgendeine Bedeutung eines Signals zu erschließen (Palermo 1983, Hofstadter 1980).
Wir wissen aber aus Erfahrungen wie der,
die wir in unserem einleitenden Beispiel gemacht haben, daß wir die unterschiedlichsten
Signale verstehen können. Wie erklärt sich
das?
Unsere Intelligenz ist nicht körperlos, sondern direkt an die (physischen) informations-
3450
verarbeitenden Strukturen des Gehirns gebunden, die im Laufe eines langen Evolutionsprozesses enstanden sind. Mit solchen
Strukturen ausgerüstete Individuen haben im
Laufe der Zeit möglicherweise reproduktive
Vorteile über Nicht-Besitzer von solchen
Strukturen erlangt. Prinzipiell ist diese Aussage sicher richtig. Wir müssen uns jedoch gewärtig sein, daß nicht alle vorhandenen Verhaltensweisen und Signale auch einen Vorteil
erbracht haben ⫺ alles, was wir sagen können, ist deshalb nur, daß es Signale gibt, deren Träger zumindest keinen reproduktiven
Nachteil in der Evolution erlitten haben.
Nicht jedes Signal ist deshalb auch eine direkte Passung auf evolutive Zwänge. Entgegen der Auffassung der klassischen Ethologie
(vgl. Tinbergen 1952) müssen jedoch nicht
notwendigerweise sowohl Sender als auch
Empfänger vom Signal profitieren. Es reicht
aus, wenn nur der Sender einen Vorteil hat
(Dawkins und Krebs 1978). Nach dieser Definition entsteht Kommunikation aus der
Tendenz der Individuen, auf ihre Umgebung
so zu reagieren, daß es ihnen zum Vorteil gereicht. Andere Individuen können dann anschließend von der Evolution daraufhin selektiert werden, daß sie Signale benutzen, die
die Tendenz zur Reaktion der Empfänger
ausnutzen.
Doch auch damit ist unser Problem noch
nicht ganz gelöst ⫺ wie kommt nun unser
Gehirn mit dieser Aufgabe zurecht? Gehen
wir einmal davon aus, daß wir es, wie eingangs schon angedeutet, mit verschiedenen
Ebenen und Arten der Informationsübertragung zu tun haben.
Eine Art der Informationsübertragung besteht aus statischen Signalen, die Information
über ihren Träger enthalten und die an das
morphologische Erscheinungsbild des Menschen gebunden sind.
Eine zweite Art besteht aus dynamischen
Signalen. Jedes Verhalten ist Bewegung (im
strengsten Sinn dieser Definition gilt das
auch für Sprache, die letztendlich durch Bewegung erzeugt wird). Das schließt auch Zustände mit ein. So wird zum Beispiel der Zustand Sitzen durch die Bewegungen Hinsetzen und Aufstehen eingerahmt. In einem
kontinuierlich ablaufenden Verhaltensstrom
muß es demnach Punkte geben, an denen der
informationsverarbeitende Apparat erkennt,
daß genau zu diesem Zeitpunkt für ihn wichtige Informationen vorliegen, die für die Planung des eigenen Verhaltens relevant sein
könnten. Bis zu diesem Punkt haben wir den
XV. Ausgewählte Gegenstände der Semiotik
Begriff „Signal“ benutzt, ohne ihn zu definieren. Dies ist absichtlich geschehen.
Denn wir müssen davon ausgehen, daß ein
Individuum Regeln besitzt, mit denen es ein
Signal als solches erkennt. Eine Signaldefinition ohne Kenntnis dieser Regeln ist deshalb
überflüssig.
Eine ganz andere Ebene ist der Übergang
vom Signal des Produzenten zum Zeichen.
Ein Zeichen entsteht erst, wenn das Signal im
Empfänger Bedeutung erlangt (Posner 1986).
Der Prozeß, in dem jemand aus dem Auftreten eines Verhaltens bei einem anderen Organismus einen Schluß zieht, ist die eigentliche
interessante Frage bei der Untersuchung von
Signalen. Hofstadter (1980) beschreibt für
diesen Prozeß folgende Ebenen: den Signalrahmen, der die Information „Ich bin ein
Signal, dekodiere mich, falls du kannst“ enthält. Sobald dieser Prozeß im Empfänger
stattgefunden hat, wird die Aufmerksamkeit
auf die äußere Botschaft verlagert. Die
äußere Botschaft enthält, wie ich zeigen
werde, sozusagen die Entzifferungsanleitung
für das Signal. Nach Hofstadter (1980) wäre
es aber nutzlos, Instruktionen darüber zu
senden, wie die äußere Botschaft selbst zu
entziffern sei. Die Entzifferungsanleitung
wäre dann ein Teil der inneren Botschaft,
also der Bedeutung des Signals selbst. Die innere Botschaft kann erst entschlüsselt werden, wenn der Dekodierungsmechanismus
bekannt ist. Aus diesem Grund ist die äußere
Botschaft notwendigerweise eine Folge von
Triggersignalen, d. h. Signalen, deren Bedeutung bekannt sein muß. Damit Signale von
einem Empfänger überhaupt verstanden und
interpretiert werden können, muß ein Satz
von allgemein verständlichen Signalen vorhanden und damit auch angeboren sein. Um
Signalverständnis zu ermöglichen, muß also
eine Grundausstattung an Signalen angeboren sein, da sonst in jedem Falle ein infiniter
Regreß stattfindet. Darüber hinaus können
aber auch Lernmechanismen vorhanden sein,
die es erlauben, aus einem beliebigen Signal
ein Triggersignal zu machen.
Die Rahmenbedingungen eines Signals
sollen eine bestimmte Bewegung, prosodische
Kennzeichen, Körperhaltung oder auch das
Erscheinungsbild einer Person als Signal
kenntlich machen und aus dem kontinuierlichen Verhaltensstrom herausheben. Nur
wenn der Sender sich an Regeln hält, wie er
immer wieder wichtige Information in gleicher Art und Weise verpackt, kann ihn der
Empfänger verstehen (vgl. Art. 128 § 7.1.).
168. Körpersignale in menschlicher Interaktion
Dazu stehen eine Reihe von Möglichkeiten
zur Verfügung, die wir an zwei Beispielen,
dem sogenannten „schnellen Brauenheben“
und dem lauten Lachen, verdeutlichen werden. Triggersignale sind jedoch keine „auslösenden Reize“ im biologischen Sinn, sondern
es handelt sich dabei um reine Dekodieranweisungen. Im Gegensatz zu Auslösern, die
wie Schlüssel bestimmte Verhaltensweisen in
Gang setzen, sind Triggersignale all diejenigen Signale, deren Verständnis von allen Mitgliedern einer Population geteilt wird. Auslöser gehören damit in die allgemeine Klasse
der Triggersignale. Durch paralleles Senden
von beliebigen Signalen und Triggersignalen
legen letztere eine bestimmte Interpretation
des Signals nahe.
Grundprinzip der Erzeugung eines Signals
ist dessen Hervorhebung aus dem allgemeinen Verhaltensstrom: auf eine schnelle
Bewegung folgt Stillhalten und dann langsames Zurückkehren in die Ausgangsposition.
Diese typische Bewegungskonfiguration kennzeichnet die meisten Signale. Dies gilt im interkulturellen Vergleich für das Lächeln
(Woijtenek 1992) ebenso wie für das Drohen
durch Erheben der Faust (Cranach u. a.
1982) oder für das schnelle Brauenheben.
Leonard u. a. (1991) zeigten am Lächeln,
daß durch Muskelbewegungen erzeugte spezifische Änderungen der Informationsdichte,
im Sinne von Shannon und Weaver (1949), in
immer gleicher Weise für die Dekodierung
von Bewegungsmerkmalen als Informationsträgern vorliegen. Die Autoren digitalisierten
Videobilder und bildeten dann die Differenzen aus jeweils zwei aufeinanderfolgenden
Bildern. Hat sich nichts bewegt, sind alle
Bildpunkte schwarz, kommt Bewegung vor,
findet man auch helle Bildpunkte. Das Ausmaß an Bewegung läßt sich dann aus der Anzahl der hellen Bildpunkte ablesen. Ein von
Beobachtern als freundlich beurteiltes Lächeln zeichnet sich durch einen schnellen Anstieg von Änderungen, eine Plateauphase, an
der sich nichts ändert, und ein langsames Abklingen der Änderungen aus.
Beim schnellen Brauenheben handelt es
sich um eine rasche Kontraktion der Muskeln
des Musculus frontalis. Erstmals beschrieben
wurde dieses Signal als Augengruß von EiblEibesfeldt (1968). Bei unseren bisherigen
Analysen (Grammer u. a. 1988) haben wir
255 Filmsequenzen von Filmen aus drei Kulturen bearbeitet, in denen die Augenbrauenbewegungen klar erkennbar sind. Bei den
drei Kulturen handelt es sich um die Yano-
3451
mami, die Eipo und die Trobriander. Die Yanomami leben am Oberlauf des Orinoko in
Venezuela als Jäger, Sammler und Pflanzer
im tropischen Regenwald, wo sie kreisförmige Dörfer bauen, die aus einfachen Pultdachhütten bestehen. Die Eipo sind Bewohner des Hochlands von West-Neuguinea, ihre
Dörfer bestehen aus kleinen Familienhäusern. Die Trobriander leben auf Koralleninseln östlich der Südspitze Neuguineas und
sind Yams-anbauende Pflanzer. Nach der
Methode des Facial Action Coding System
(FACS) von Ekman und Friesen (1978) wurden die Filmsequenzen ausgewertet.
2.1. Das Kontrastprinzip und
die Formkonstanz
Für alle drei untersuchten Kulturen läßt sich
die typische Bewegungskonfiguration nachweisen. Die Sender der drei Kulturen unterscheiden sich nicht im schnellen Anstieg, der
etwa 0.1 Sekunden dauert. Danach wird die
Kontraktion über etwa 0.4 Sekunden aufrechterhalten und klingt dann in 0.12 Sekunden ab. Es handelt sich also um einen schnellen Anstieg, längere Unbeweglichkeit und
langsames Abklingen. Zwischen den Kulturen
finden wir nur im Anhalten der Kontraktion signifikante Unterschiede. Für die Gesamtdauer
des mimischen Signals schnelles Brauenheben
sind die Ergebnisse in Abb. 168.1 dargestellt.
Die typische Bewegungskonfiguration ist
in allen drei Kulturen dieselbe. Der zeitliche
Ablauf im Mikrobereich kann aber bereits
zwischen unterschiedlichen Funktionen desselben Signals trennen.
In einigen Fällen wurden die Augenbrauen
länger als 1 Sekunde angehoben. Methodisch
kann man diese dünne Zone des fließenden
Übergangs zum lang angehaltenen Brauenheben („Frage-Gesicht“) exakt festlegen. Denn
die Form des langandauernden Brauenhebens unterscheidet sich wesentlich vom kurzen: der Anstieg der Kontraktion beginnt nur
langsam und die Kontraktion des Musculus
corrugator supercilii (das Frage-Gesicht) verschwindet nicht.
Zusätzlich zur typischen Bewegungskonfiguration kann ein Signalrahmen auch durch
Kontrastbetonung erzeugt werden, wie es bereits von Darwin (1872) beschrieben wurde.
Kontrastbetonung wird auch beim schnellen
Brauenheben eingesetzt. In den meisten Fällen hat das Gesicht der reagierenden Person
zunächst einen abwartenden oder gar ablehnenden Ausdruck (Kontraktion des Musculus corrugator supercilii). Die Kontraktion
3452
XV. Ausgewählte Gegenstände der Semiotik
Abb. 168.1: Der Kontext des schnellen Brauenhebens (dritte Kopfstellung): Abwärtsbewegungen werden mit
einer schnellen Aufwärtsbewegung kontrastiert. Die dabei ablaufenden Bewegungen der Gesichtsmuskeln
sind mit Hilfe des FACS (von Ekman und Friesen 1978) notiert (aus Grammer u. a. 1988; Fotos von I. EiblEibesfeldt).
dieses Muskels dehnt die Gesichtsoberfläche
in die dem Heben der Brauen entgegengesetzte Richtung, und eine typische Falte zwischen den Augen entsteht. In Abb. 168.2 ist
an einem Einzelbeispiel gezeigt, wie das
schnelle Brauenheben in typischer Weise mit
anderen Aktionseinheiten verknüpft ist. Die
jeweils unter der Zeitleiste vom Computer
angegebenen Kontraktionen der einzelnen
Muskeln zeigen ebenfalls ein einheitliches
Muster, das wir in allen drei Kulturen finden
konnten und das deshalb vermutlich ebenfalls ubiquitäre Verbreitung hat. Man erkennt in diesem Beispiel, daß die in einer
Flirtsituation reagierende Frau zunächst den
Gesichtsausdruck der Ablehnung (Aktionseinheit 4, 2. Zeile von oben) aufweist. Die
Kontraktion des Muskels, der die Augenbrauen in der typischen Weise zusammen und
nach unten zieht, flaut ab, kurz bevor die
Kontraktion des brauenhebenden Stirnmuskels (Aktionseinheit 1 + 2) beginnt. Bis auf
sehr seltene Ausnahmen haben wir stets dieses Muster der alternierenden Kontraktionen
des Musculus corrugator supercilii und des
Musculus frontalis gefunden.
Kontrasterzeugung ist also eines der Mittel,
die ein Signal als solches deutlich machten. An
diesem Beispiel wird jedoch noch ein anderes
Prinzip deutlich. Nicht nur das Vorhandensein
3453
168. Körpersignale in menschlicher Interaktion
Abb. 168.2: Der zeitliche Verlauf des schnellen Brauenhebens (nach Grammer u. a. 1988).
von bestimmten Bewegungen, sondern auch
deren Abwesenheit trägt zur Signalinterpretation bei. Der Vordergrund des Signals (d. h.
seine Bewegungsformen) und sein Hinter-
grund (d. h. das Fehlen von Bewegungen) machen zusammen die Bedeutung aus.
Am gleichen Beispiel lassen sich weitere
Merkmale der Formkonstanz verdeutlichen.
3454
Wie bereits erwähnt, verläuft die Kontraktion der Musculi zygomatici (Aktionseinheit
12 im FACS) häufig parallel zur Kontraktion
des Stirnmuskels; typischerweise überdauert
das Lächeln dabei das ja nur sehr kurze Anheben der Augenbrauen. Auch die Pars orbitalis des Musculus orbicularis oculi (Aktionseinheit 6), derjenige Teil des um die Augenhöhle führenden Ringmuskels, dessen Kontraktion ein deutliches Anheben der Wangen
(erkenntlich am Entstehen der „Krähenfüßchen“) bewirkt, ist häufig beteiligt. Diese
Muskelaktion gehört zum „echten“ Lächeln;
ohne sie wirkt ein Lächeln trotz angehobener
Mundwinkel „aufgesetzt“, künstlich (Ekman
1986; siehe unten).
Die Mikroanalyse der Zeitstruktur der
Kontraktionen der Partes laterales et mediales des Musculus frontalis läßt also erkennen,
daß es sich hier um ein kulturunabhängiges,
formkonstantes mimisches Signal handelt.
Anstieg, Halten und Abflauen der Kontraktion sind ebenso uniform wie die Einbettung
des Signals in andere Muskelkontraktionen.
Für die Dekodierung eines Signals muß
der Signalempfänger mit seinem Wahrnehmungssystem den kontinuierlichen Verhaltensstrom des Senders zunächst nach typischen Bewegungskonfigurationen, die auch
durch Kontraste erzeugt werden können,
durchsuchen. Daran kann er ein Signal erkennen ⫺ aber es noch nicht interpretieren.
2.2. Die Ritualisierung
Kontrastprinzip und Formkonstanz sind die
Voraussetzungen für den Vorgang der Ritualisierung. Die Ritualisierung einer beliebigen
Körperbewegung könnte einen ganzen Satz
von Triggersignalen zur Verfügung stellen.
Ursprünglich definierte Huxley (1966) diesen
Vorgang als die adaptive Formalisierung (im
biologischen Sinne) oder als die Kanalisation
von emotional motiviertem Verhalten unter
dem Druck der Selektion. In diesem Prozeß
sollte ein Signal verdeutlicht werden und als
effektiver Auslöser von Verhalten beim Signalempfänger dienen. Als Nebeneffekt sollte
Ritualisierung dazu führen, daß Lebewesen
der gleichen Art sich nicht gegenseitig angreifen, also daß intraspezifische Beschädigung
vermieden wird. Die Funktion der ritualisierten Signale sollte dann die Herstellung einer
Bindung im sexuellen oder sozialen Bereich
sein. Im Tierreich, wie auch beim Menschen,
sind nun solche phylogenetisch ritualisierten
Signale oft angeboren und arbeiten nach dem
XV. Ausgewählte Gegenstände der Semiotik
Abb. 168.3: Auslöser beim Menschen (nach Reynolds 1982).
Auslöserprinzip (Eibl-Eibesfeldt 1984; vgl.
Art. 25 § 2.2.).
Die Ritualisierung von Signalen auf dem
phylogenetischen Weg hatte den Nebeneffekt,
daß neben Formkonstanz und Kontrastbetonung Regeln zur Erzeugung eines Signals aus
einer beliebigen Bewegung phylogenetisch
verankert wurden. Mit Hilfe dieser Regeln
lassen sich nun aus beliebigen Bewegungen
neue Signale formen (vgl. Abb. 168.3).
Die Definitionen dieser Regeln wurden zunächst von Morris (1966) aufgestellt und
dann von Eibl-Eibesfeldt (1975) erweitert.
Im einzelnen können sich bei der Ritualisierung folgende Veränderungen vollziehen
(Eibl-Eibesfeldt 1975):
(1) Das Verhalten kann einen Funktionswechsel erfahren.
(2) Die ritualisierte Bewegung kann sich
von ihrer ursprünglichen Motivation
völlig lösen und eigene motivierende
Mechanismen entwickeln.
(3) Die beteiligten Bewegungen werden
nach Frequenz und Amplitude oft übertrieben, zugleich aber auch vereinfacht,
indem einzelne Komponenten ausfallen,
während andere betont werden („Vereinfachung und Übertreibung“); dabei
3455
168. Körpersignale in menschlicher Interaktion
(4)
(5)
(6)
(7)
(8)
(9)
kommt es häufig zu „rhythmischen Wiederholungen“.
Die Schwellenwerte für auslösende Reize
ändern sich oft derart, daß die höher ritualisierte Verhaltensweise im allgemeinen auch leichter auszulösen ist.
Bewegungen „frieren“ häufig zu Stellungen „ein“.
Es ändern sich die Orientierungskomponenten. Normalerweise wird ein Signal
direkt auf den Empfänger ausgerichtet.
Ritualisierte Signale sind aber oft vom
Empfänger weg orientiert ⫺ sie zeigen
sozusagen ins Leere.
Eine zuvor in ihrer Intensität nach
Trieb- und Reizstärke variable Verhaltensweise kann dahingehend verändert
werden, daß sie stereotyp in stets gleichbleibender Intensität (Frequenz und
Amplitude) abläuft („typische Intensität“).
Variable Bewegungsfolgen können zu
starren, vereinfachten zusammengefaßt
werden („typische Bewegungskonfiguration“).
Hand in Hand mit diesen Veränderungen entwickeln sich oft besonders auffällige körperliche Strukturen.
Obwohl es sich hier um recht klare und empirisch umsetzbare Regeln handelt, gibt es
kaum Untersuchungen von nicht-sprachli-
chen Signalen beim Menschen in diesem Bereich. Grammer und Eibl-Eibesfeldt (1989)
versuchten am Beispiel des lauten Lachens
die Mechanismen der Ritualisierung aufzudecken. Die Hypothese dieser Untersuchung
war, daß in potentiell gefährlichen Situationen die Informationsübertragung deutlicher
ausfallen müßte als in ungefährlichen Situationen, d. h. daß das Ausmaß der Ritualisierung in ersteren größer werden müßte.
Der Kontext der Untersuchung waren gemischt-geschlechtliche Dyaden von Personen,
die einander nie zuvor gesehen hatten ⫺ in
solchen Situationen ist die Gefahr eines Gesichtsverlustes besonders hoch, vor allem,
wenn einer der Beteiligten beginnt, am anderen Interesse zu entwickeln, also Werbeverhalten zeigt.
Lachen folgt den Grundbedingungen,
denn es ist ein formkonstantes Signal, das
aus einer Kontraktion des Musculus zygomaticus major besteht und von Lautäußerungen
begleitet wird.
Betrachtet man den Frequenzverlauf des
lauten Lachens, dann fällt auf, daß es in mindestens drei Phasen zerfällt: die erste Phase
ist eine Atmungsphase; sie ist von einer Lachphase gefolgt, in der Luft in kurzen Abständen etwa 3 mal ausgestoßen wird; die dritte
Phase ist dann wiederum eine Atmungsphase.
Alle drei Phasen sind in ihrem Zeitverlauf
konstant und zeigen keine Geschlechtsunter-
Abb. 168.4: Frequenzverlauf des Lachens (nach Provine 1991).
3456
XV. Ausgewählte Gegenstände der Semiotik
5.0
4.5
4.0
3.5
Z 3.0
S
C
O
R
E
S
2.5
2.0
1.5
1.0
0.5
0.0
-0.5
-1.0
8
7
6
5
4
3
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0
1
2
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4
5
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5.0
4.5
4.0
3.5
Z 3.0
S 2.5
C
O 2.0
R 1.5
E
S 1.0
0.5
0.0
-0.5
-1.0
BEWEGUNGSSEQUENZEN BEIM LACHEN: FRAUEN
5.0
4.5
4.0
3.5
Z 3.0
S 2.5
C
O 2.0
R 1.5
E
S 1.0
0.5
0.0
-0.5
-1.0
8
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5
4
3
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0
1
2
3
BEWEGUNGSSEQUENZEN BEIM LACHEN: FRAUEN
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4.0
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Z 3.0
S
C
O
R
E
S
2.5
2.0
1.5
1.0
0.5
0.0
den, in anderen kann diese Phase wegfallen.
Wird intensiver gelacht, dann werden die drei
Phasen zyklisch wiederholt. Man findet wiederum keine Unterschiede im Verlauf und in
der Dauer der einzelnen Phasen.
Provine und Young (1991) konnten diese
Stereotypien an Hand von sonographischen
Analysen bestätigen. Lachen ist stereotyp in
Bezug auf bestimmte Merkmale in der Lachtonstruktur, der Lachdauer, den einzelnen
„ha“ (75 ms), dem Intervall zwischen den einzelnen „ha“ (210⫺218 ms) und einem Decrescendo, das den charakteristischen Ton des
Lachens ausmacht. Lachtöne und Intervalle
haben ausreichende zeitliche Symmetrie und
Regularität, um den Umkehr-Test zu bestehen. Tonaufnahmen von Lachen klingen wie
Lachen, auch wenn man sie rückwärts abspielt (vgl. Abb. 168.4).
Darüber hinaus lassen sich im Lachen alle
oben angegebenen Bedingungen der Ritualisierung wiederfinden. Lachen wird rhythmisch wiederholt, und es zeigt eine typische
Intensität, d. h. es ändert seine Intensität
nicht mit zunehmender Häufigkeit. Ebenso
ist das Lachen in typische Bewegungskonfigurationen eingebettet. Illustrierende Handbewegungen und Kopfbewegungen erscheinen in immer denselben Sequenzen (vgl.
Abb. 168.5).
Auch eine Umorientierung des Signals erfolgt ⫺ der Partner wird nicht an- (und damit
aus-)gelacht, sondern man dreht seinen Kopf
beim Lachen vom Partner weg. Das Hauptergebnis findet man jedoch in der mit zunehmendem Interesse der Frau zunehmenden
Formkonstanz ⫺ je höher ihr (am Ende des
Versuches erfragtes) Interesse am Mann ist,
um so stereotyper wird ihr Lachen. Als Ergebnis dieser Analysen kann Lachen als ritualisiertes „Display“ bezeichnet werden.
Man findet so tatsächlich Regeln der Ritualisierung innerhalb des menschlichen nichtsprachlichen Verhaltens (ein weiteres Beispiel
liefert die Untersuchung zum Handschlenkern in Posner 2002).
-0.5
-1.0
8
7
6
5
4
3
2
1
0
1
2
3
Abb. 168.5: Der Bewegungsverlauf beim Lachen
(nach Grammer und Eibl-Eibesfeldt 1989).
schiede. Es ist jedoch interessant, daß in einer
Episode des Lachens nicht unbedingt alle
drei Phasen vorkommen müssen. In manchen
Episoden ist oft nur die erste Phase vorhan-
3.
Die äußere Botschaft: optische
Signale
Die äußere Botschaft besteht aus einer Reihe
von Triggersignalen, die Information darüber
enthalten, wie ein bestimmtes Signal entschlüsselt werden soll. Voraussetzung für diesen Prozeß sind, wie bereits erwähnt, genetisch festgelegte Voranpassungen in der
Wahrnehmung des Empfängers.
168. Körpersignale in menschlicher Interaktion
3.1. Beziehungsparameter
Eine erste mögliche Informationsquelle ist
natürlich die Frage: Wer ist mein Interaktionspartner, und welche Beziehung hat er zu
mir und habe ich zu ihm? Mit der Beantwortung dieser Frage wird dann auch festgelegt,
wie bestimmte Signale zu interpretieren sind,
wobei wir der Einfachheit halber annehmen,
daß Beziehungen in zwei Grunddimensionen
variieren: freundlich/feindlich und dominant/
submissiv. Dabei spielt jedoch nicht nur der
tatsächliche Stand der Beziehung eine Rolle,
sondern auch der Wunschzustand, d. h. die
Richtung, in der die Beziehung verändert
werden soll (Grammer 1988, 1989).
3.1.1. Das Alter
Als Triggersignale für die Ableitung von
Alter liegen zunächst Körpergröße, Körperform und die relativen Körperproportionen
vor. Die Bedeutung der relativen Proportionen wird vor allem am Kindchenschema
deutlich. Lorenz (1943) wies darauf hin, daß
wir auf bestimmte kindliche Signale mit Betreuungshandlungen reagieren. Säuglinge haben im Verhältnis zum Rumpf relativ kurze
Extremitäten und einen großen Kopf mit relativ großen Augen. Hückstedt (1965) ließ
männliche und weibliche Versuchspersonen
verschiedener Altersgruppen verschiedene
schematisierte Zeichnungen mit Kinderköpfen bewerten, bei denen sie Stirnwölbung
und Oberkopflänge variierte. Die Hirnschädelbetonung wurde von Mädchen im Alter
von 10⫺13 und von 18⫺21 Jahre alten Män-
Abb. 168.6: Das Kindchenschema (nach Hückstedt
1965).
3457
nern bevorzugt. Frauen bevorzugten jedoch
die supranormale Attrappe mit übertriebenem Oberkopf. Das Kindchenschema ist also
ein Triggersignal, das aussagt: „Ich bin ein
Kind“ und angeborenermaßen Betreuung auslöst (Eibl-Eibesfeldt 1984; vgl. Abb. 168.6).
Die Wirkung des Kindchenschemas ist
aber stark geschlechtsspezifisch. Frauen reagieren darauf stärker (Friedlund und Loftis
1990). Der Grund dafür könnte in einer größeren Verantwortlichkeit der Frauen für elterliche Fürsorge liegen (Trivers 1972).
3.1.2. Männlich/weiblich
Ob der Interaktionspartner männlich oder
weiblich ist, wird in der Regel aus der Körperform abgeleitet, die als Prototyp im Sinne
von Rosch (1977) im Gehirn gespeichert ist.
Für die Wahrnehmung solcher Schemata
scheint es sogar angeborene Strukturen zu
geben (Skrizpek 1981, 1982). Bis zur Pubertät
bevorzugen Jungen und Mädchen Attrappen
des eigenen Geschlechts ⫺ dann aber solche
des anderen Geschlechts. Variiert man das
Verhältnis der Schulterbreite zu Taille und
Hüften in einem Experiment systematisch,
dann kann man feststellen, daß das Verhältnis dieser Parameter zueinander für die Einschätzung einer Figur als männlich oder weiblich verantwortlich ist (Horvath 1979, 1981).
Dabei wird bei Männern der Vergleich von
Schulterbreite zu Taille (Schulterindex) und bei
Frauen der Vergleich von Taille zu Hüftumfang (Kurvenindex) als Entscheidungskriterium herangezogen (vgl. Abb. 168.7).
Wenn Schulterbreite nun „Männlichkeit“
signalisiert, könnte sie auch ein Triggersignal
für mögliche Dominanz oder Dominanzstreben sein ⫺ dafür liegen jedoch keine empirischen Belege vor. Nach Christiansen u. a.
(1989) korreliert Schulterbreite jedoch signifikant mit der Maskulinitätsskala des Freiburger Persönlichkeitsinventars. In dieser Untersuchung korreliert die männliche Geschlechtsrollen-Identifikation positiv vor
allem mit einem großen massigen Erscheinungsbild.
Für die Geschlechtererkennung spielt auch
das Gesicht eine Rolle. Ein Gesicht ist in erster Linie eine Verteilung von räumlichen Abständen. Solche Verteilungen lassen sich auch
mathematisch bearbeiten. Filtert man alle
kurzen Abstände heraus, dann bekommt ein
Gesicht Konfigurationscharakter. Sergent
(1986; vgl. Abb. 168.8) zeigte, daß bei solchen
tiefpaßgefilterten Gesichtern die Geschlechtszugehörigkeit besonders schnell erkannt
3458
XV. Ausgewählte Gegenstände der Semiotik
Abb. 168.7: Horvath-Schemata verdeutlichen geschlechtsspezifische Körperformen (nach Horvath 1979 und
1981).
Abb. 168.8: Tiefpaßgefilterte Gesichter verdeutlichen geschlechtsspezifische Gesichtsformen (nach Grammer
1993).
wird. Die hochfrequenten Einzelmerkmale
enthalten demnach die Information über die
Persönlichkeit, die niederfrequenten Merkmale enthalten prototypische Information
über das Geschlecht.
Die Wahrnehmung von männlich/weiblich
beschränkt sich nicht auf Formunterschiede,
sondern es wird auch Bewegungsinformation
herangezogen. Johansson (1973, 1976) befe-
stigte kleine Lichtpunkte an den Gelenken
von Personen und filmte sie dann im Dunkeln. Die so entstandenen Filme zeigten sich
bewegende Lichtpunkte, ohne daß die Person
zu erkennen ist. Mit dieser Methode kann
man Leute beim Gehen filmen. Cutting und
Proffitt (1981) haben gezeigt, daß aus dieser
reinen Bewegungsinformation auch das Geschlecht der sich bewegenden Person abgele-
168. Körpersignale in menschlicher Interaktion
sen werden kann. Dieses Ergebnis wurde von
Berry u. a. (1991) mit einer Tiefpaßfilterung
von Videoaufnahmen bestätigt.
Insgesamt scheint die Qualität von Bewegungssignalen einen wesentlichen Einfluß auf
die Dekodierung von Signalen zu besitzen.
Grammer u. a. (1997) zeigen zum Beispiel mit
Hilfe digitaler Filmanalysen, daß Frauen in
Gegenwart von Männern spezifische Veränderungen in ihren Bewegungsabläufen aufweisen, die auch vom Zyklusstand abhängig
sind. Zum Zeitpunkt der maximalen Empfängniswahrscheinlichkeit werden die Bewegungen langsamer und zeigen einen höheren
Informationsgehalt.
Die Geschlechtererkennung ist demnach
über mehrere parallel ablaufende Wahrnehmungsprozesse gut abgesichert und stellt damit vielleicht den wichtigsten Bereich der
Triggersignale dar.
3.1.3. Dominant/submissiv und
freundlich/feindlich
Die Feststellung, ob ein Gegenüber nun vielleicht dominant über mich sein könnte, oder
ob es mir unterlegen ist, beruht ebenfalls auf
einfachen Triggersignalen. In der Tat können
bereits 4⫺7jährige Kinder den Ausgang von
Konflikten auf der Basis von Veränderungen
im Gesichtsausdruck entscheiden (Keating
und Bai 1986), erzählt man ihnen eine Geschichte der Art: „Schau dir diese beiden
Leute an. Sie gehen zusammen auf eine
Reise. Welche der beiden Personen könnte
der Reiseführer sein und den anderen sagen,
was sie zu tun haben?“. Oder: „Schau dir
diese beiden Leute an, sie wollen ein Auto
kaufen. Der eine will ein grünes, der andere
will ein gelbes Auto haben. Sie streiten deshalb. Welcher der beiden, glaubst du, zwingt
den anderen dazu nachzugeben?“ Zeigt man
ihnen dazu Bilder, die die unterschiedlichsten
Gesichtsausdrücke zeigen, dann wählen die
Kinder folgendermaßen aus: Der Gewinner
hat nach Meinung der Kinder nach unten gezogene Augenbrauen, er lächelt nicht und hat
den Mund leicht angespannt. Interessant ist
vor allem auch, daß die Relationen der Gesichtsteile zueinander ebenfalls in Betracht
gezogen werden. Breite Gesichter mit großem
Kiefer und zurückgesetztem Haaransatz werden von den Kindern konstant als Gewinnergesichter bezeichnet. Kinder scheinen aus
Gesichtern, wenn sie keine weitere Information haben, recht genau den Ausgang eines
Streites vorhersagen zu können.
3459
Zivin (1977) beschreibt ein Signal, das
Plus-Gesicht, das direkt diesen morphologischen Unterschieden entspricht. Dabei wird
das Gesicht gehoben, der Unterkiefer tritt
prominent hervor. Die Brauen sind gehoben,
und der Blick ist direkt auf den Partner ausgerichtet. Der Oberkörper ist gestreckt und
der Hals aufrecht. Durch diese Kombination
wird vor allem der morphologische Unterschied betont (vgl. Abb. 168.9).
Keating u. a. (1981) zeigten ähnliche Bilder auch Erwachsenen aus 6 Kulturen und
fragten, wer nun möglicherweise der dominantere von zweien sei. Es ergab sich, daß
dann Gesichter mit dünnen Lippen, hohem
Haaransatz (Glatze), relativ großem Unterkiefer und breitem Gesicht interkulturell als
dominant bezeichnet werden. Guthrie (1976)
stellte dazu die Hypothese auf, daß Glatzenbildung in der Evolution entstanden sei, um
den Altersstatus anzuzeigen ⫺ wobei „alt
sein“ und „überlebt haben“ auf optimalen
Lebensstrategien beruhe.
Interessant ist aber hier die anscheinend
universelle Zuordnung von geschlechtsspezifischen somatischen Unterschieden, wobei
weiblich als submissiv und männlich als dominant interpretiert wird.
Mueller und Mazur (1997) haben festgestellt, daß die Ausprägung des Kinnes hauptsächlich von männlichen Geschlechtshormonen bestimmt wird, und daß breite Kinne tatsächlich sozialen Erfolg vorhersagen können.
Aus der Kinnbreite von Kadetten der amerikanischen Militärakademie West-Point läßt
sich deren späterer Erfolg in der militärischen
Hierarchie vorhersagen. In weiteren Arbeiten
zeigen Mazur u. a. (1994), daß neben sozialem auch sexueller Erfolg an die Kinnbreite
geknüpft ist.
Ist nun ein dominantes Gesicht aber auch
attraktiv? Ein dominanter Interaktionspartner könnte ja auch automatisch attraktiv
sein, da er in der Lage ist, einem zu helfen
und Zugang zu bestimmten Ressourcen zu
verschaffen.
3.2. Attraktivität und Erscheinungsbild
Etwa 6⫺8 Sekunden genügen einer Person,
um relevante Information aus dem äußeren
Erscheinungsbild einer anderen Person abzuklären (Halla 1980). Frauen betrachten das
Gesicht des Mannes, Männer dagegen mehr
die Figur der Frau. Diese schnellen Einschätzungsprozesse führen letztlich auch zu dem,
was wir als „Attraktivitätsbeurteilungen“ bezeichnen. Obwohl dieser Begriff auf den er-
3460
XV. Ausgewählte Gegenstände der Semiotik
Abb. 168.9: Dominanz versus Submissivität im Gesicht: Die Abbildung zeigt ein als dominant (links) einzuschätzendes und ein als submissiv (rechts) einzuschätzendes Gesicht. Beide Gesichter gingen durch Computermanipulationen aus dem Standardgesicht in der Mitte hervor (nach Keating u. a. 1981).
sten Blick sehr heterogen erscheint, stimmen
Personen in der Beurteilung anderer Personen sehr hoch überein (Henss 1988, 1991). In
solchen Beurteilungen wird „attraktiv“ mit
„sexy“ gleichgesetzt. Es ist jedoch unklar,
welche Informationen exakt zur Beurteilung
herangezogen werden.
Rensch (1963) zeigte seinen Versuchspersonen unterschiedliche Gesichtsattrappen,
um festzustellen, was als „anziehend“ bezeichnet wird. Jugendmerkmale wie Schlankheit, Fettlosigkeit des Gesichts, Bartlosigkeit
und weibliche Stupsnase werden als attraktiv
bewertet. Einen ähnlichen Ansatz verfolgte
Cunningham (1986), der Gesichter von
Frauen metrisch vermaß und dann deren Attraktivität beurteilen ließ. Nach dieser Arbeit
werden Zeichen der Reife (hohe, breite Wangenknochen) vermischt mit kindlichen Zügen
(große Augen und hohe Stirn) als attraktiv
bewertet.
Attraktivitätsbeurteilungen sollten einen
biologischen Sinn ergeben. Die proximate Erklärung ist bekannt (vgl. § 6.). Attraktive Personen haben im täglichen Leben viele Vorteile
und werden als Heirats- und Sexualpartner
geschätzt (Grammer 1993). Einen ultimaten
Sinn in breiten Wangenknochen zu suchen ist
jedoch ein müßiges Unterfangen. Wenn Attraktivitätsbeurteilungen eine Rolle auf ultimater Ebene spielen, dann muß eine attraktiv
bewertete Person einen höheren Fortpflanzungserfolg vorweisen können. Jugendlichkeit könnte demnach eine hohen reproduktiven Wert signalisieren.
Dieser Ansatz führt auf eine ganz andere
Ebene, die verschiedene Erklärungsprinzipien
verknüpft. Viele kognitive Prozesse arbeiten
mit Prototypen (Rosch 1977; vgl. Art. 105
§ 9.), die idealisierte Mittelwerte einer Population darstellen. Man kann deshalb davon
ausgehen, daß jeder Mensch über einen Prototyp des attraktiven Gesichtes verfügt.
Andererseits ist der Mittelwert einer Population auch weniger durch seltene Gene gefährdet. Seltene Gene können zwar Vorteile
erbringen, Mutationen geraten aber häufig
eher zum Nachteil ihres Trägers. Der Mittelwert wäre demnach attraktiv, weil er ein hohes, ungefährdetes genetisches Potential besitzt, das Vorteile in der Fortpflanzung erbringen kann (Symons 1979).
Solche Prototypen lassen sich sehr leicht
durch Aufeinanderlegen von Photos verschiedener Personen des gleichen Geschlechts erzeugen (Galton 1883). Dabei zeigt es sich,
3461
168. Körpersignale in menschlicher Interaktion
daß der so erzeugte Prototyp immer „attraktiver“ als das einzelne Gesicht ist (Langlois
und Roggman 1990).
Im Gegensatz zu metrischen Analysen ist
dieser Effekt weitgehend replizierbar. Grammer (1993) zeigte, daß dies für Frauengesichter, aber nicht für Männergesichter gilt. Die
Extremwerte der kantigen Gesichtsform bei
Männern verschwinden, wenn man photographische Durchschnitte aus Männergesichtern bildet. Entgegen den oben zitierten Ergebnissen spielt das Kindchenschema keine
Rolle in der Attraktivitätsbeurteilung. Die
kantige Gesichtsform der Männer wird als
attraktiv empfunden ⫺ sie läßt sich auch
(siehe oben) an sozialen Erfolg binden. Diskutiert wird dabei ein sogenanntes HandicapPrinzip (Zahavi und Zahavi 1997). Männliche Geschlechtshormone tragen zur Breite
des Kinnes bei, diese Hormone haben aber
auch eine negative Auswirkung auf das Immunsystem (Fölstad u. a. 1992). Breite Kinne
lassen demnach einen Rückschluß auf die
Qualität des Immunsystems zu und signalisieren damit dessen Güte.
Ebenso deutlich wird, daß manche Einzelgesichter immer noch attraktiver als das
Durchschnittsgesicht sind. Der Prototypisierungseffekt verschwindet ebenfalls, verwendet man Fotomodelle.
Die Symmetrie eines Gesichtes spielt
ebenso eine herausragende Rolle. Grammer
und Thornhill (1994) schlagen vor, daß bilaterale Symmetrie genetische Heterozygotie
und damit auch Parasitenresistenz anzeigen
kann. Dies ist deshalb der Fall, weil es Parasiten schwer fällt, sich an ständig wechselnde
physiologische Umgebungen anzupassen, die
bei heterozygoten Individuen häufiger zu erwarten sind. Grammer (1993) zeigte, daß
prototypische Gesichter symmetrischer sind
als Normalgesichter und daß es einen direkten Zusammenhang zwischen Attraktivitätsbeurteilung und Gesichtssymmetrie gibt. Je
symmetrischer ein Gesicht ist, als um so attraktiver wird es beurteilt (vgl. Abb. 168.10).
Interessanterweise entsprechen diese Gesichter dem sogenannten attraktiven Normgesicht (Riedl 1989). Um dieses Normgesicht zu
ermitteln, wurden Personen beiderlei Geschlechts gebeten, auf einem FahndungsComputer Abbildungen von Gesichtern zu
erstellen, die sie als besonders attraktiv empfanden. Das Normgesicht setzt sich aus den
Abb. 168.10: Gesichtssymmetrie (nach Grammer und Thornhill 1994).
3462
XV. Ausgewählte Gegenstände der Semiotik
Abb. 168.11: Gesichtsprototypen, hergestellt durch Überlagerung von 16 Bildern männlicher bzw. weiblicher
Mitteleuropäer auf dem Computer.
168. Körpersignale in menschlicher Interaktion
Abb. 168.12: Normgesichter (nach Riedl 1989):
Während das normierte weibliche Idealgesicht
(links oben) sich deutlich vom normierten weiblichen Realgesicht (rechts oben) unterscheidet, gleichen sich das männliche Ideal- und Realgesicht
(links bzw. rechts unten).
am häufigsten gewählten Merkmalen zusammen (vgl. Abb. 168.11 und 168.12).
Ein weiterer Punkt, der zur Attraktivität
beitragen könnte, ist die Darstellung und die
Betonung der sekundären Geschlechtsmerkmale. Alexander (1971) oder auch Low u. a.
(1987) nehmen an, daß sich Brüste und Hintern im Kontext der Partnersuche zu Signalen
entwickelt haben. Für diese Entwicklung soll
der Wettbewerb der Frauen untereinander
um hochrangige Männer, die in der Lage
sind, Nachwuchs ausreichend zu versorgen,
ausschlaggebend gewesen sein. Diese Art der
Argumentation wird aber sehr problematisch,
da die Größe der Brust nicht in direktem Zusammenhang steht mit den biologischen Fähigkeiten der Frau, Nachwuchs aufzuziehen;
d. h. Brustvolumen und Laktation müssen
nicht korrelieren. Es besteht aber die Möglichkeit, daß dadurch ein kritischer Fettgehalt
des weiblichen Körpers angezeigt wird (Gallup 1982, Frisch 1975), der in direktem Zusammenhang mit der Wahrscheinlichkeit einer Ovulation steht, und daß damit die Reproduktionsfähigkeit der Frau und deren Ernährungsstatus signalisiert wird. In der Tat
gibt es einen kritischen Fettgehalt, der für
den Eintritt einer Frau in den reproduktionsfähigen Zustand verantwortlich ist.
3463
Es bleibt aber die Frage, weshalb diese
Fettanlagerungen spezifisch an bestimmten
Orten geschehen. Hier könnte wie bei den
Gesichtern wiederum die Symmetrie eine
Rolle spielen. Bilateral aufgebaute Körperanhänge eignen sich äußerst gut dazu, Symmetrie zu demonstrieren. In der Tat geht auch
die Laktationsfähigkeit mit Brustsymmetrie
einher (Neifert u. a. 1985).
Attraktivitätsbewertungen werden deshalb
nicht nur auf der Basis des aktuellen Gesundheitszustands, sondern auch auf der Grundlage der genetischen Ausstattung ihrer Träger
durchgeführt. Bei Frauen scheinen solche Bewertungen eher auf geschlechtsspezifische
Prototypen hin zu geschehen, bei Männern
eher auf Extremmerkmale (Grammer 1993).
Durchschnittlichkeit scheint eine genetische
Heterozygotie zu signalisieren, Extremmerkmale deuten auf Vorteile im interindividuellen Wettbewerb hin, dem Männer stärker als
Frauen ausgesetzt sind. Die Bewertungsdimension „Gesundheit“ ist in allen Kulturen
zu finden und vor allem an solche Faktoren
gebunden, die den aktuellen Gesundheitszustand und damit die Fortpflanzungsqualitäten eines möglichen Partners reflektieren.
Reine Haut, hoher Körpertonus, glänzende
Haare, flüssiger und lebendiger Bewegungsablauf sind diejenigen Parameter, die interkulturell als attraktiv bezeichnet werden
(Symons 1979).
Attraktivitätsbeurteilungen sind vor allem
in der Partnerwahl von Bedeutung. Männer
stellen bei ihrer Wahl die physische Attraktivität der Frau mit an die erste Stelle.
Für Frauen spielt die körperliche Attraktivität des Mannes eine geringere Rolle. Frauen
scheinen eher Wert auf den Status des Mannes zu legen (Buss 1989) und variieren deshalb ihre Ansprüche an die körperliche Erscheinung des Mannes. Dies gilt übrigens für
alle 37 von Buss untersuchten Kulturen.
Zeitgeschmack und Moden können unsere
Entscheidung, was nun direkt als attraktiv
bezeichnet wird, jedoch wesentlich beeinflussen.
Polhemus (1988) geht davon aus, daß die
Attraktivitätsvorstellungen sich mit der Zeit
und zwischen den Kulturen wandeln. Obwohl es offensichtlich scheint, daß ein Eskimo einen anderen Attraktivitätsbegriff besitzt als ein Mitteleuropäer, gibt es dazu keine
empirischen Untersuchungen, sondern lediglich anekdotische ethnographische Beschreibungen. Vine (1989) führt die kulturelle Wandelbarkeit des Attraktivitätsbegriffes auf kulturelle Abgrenzungsphänomene und biologi-
3464
sche Anpassungsprozesse an bestimmte Umwelten zurück. Die Tatsache, daß für Attraktivitätseinschätzungen Prototypen vorliegen,
spricht für diese Annahme. Der jeweilige
Durchschnitt einer Population ist damit der
Schönheitsbegriff, den alle Mitglieder dieser
Population teilen. Falls der Attraktivitätsbegriff so wandelbar ist, wie angenommen wird,
dann ist dieser Begriff ein Beispiel für GenKultur-Koevolution (vgl. Art. 27 § 2.). Denn
letztlich muß sich auch eine kulturell geformte Attraktivitätsbeurteilung in der Partnerwahl, und damit auch im Reproduktionserfolg, niederschlagen. Demnach wäre die
Art und Weise, wie Schönheitsideale kognitiv
konstruiert werden, durch biologische Systemzwänge bestimmt, ihr Inhalt aber nicht.
Der Inhalt eines Schönheitsideals wird durch
das bestimmt, was der einzelne erfahren hat.
Diese Tatsache erlaubt es einerseits, sehr unterschiedliche Ideale zu erzeugen, andererseits aber auch, Ideale in anderen Kulturen
zu verstehen und als schön zu empfinden.
Damit wird gewährleistet, daß das Partnerideal in einer bestimmten Population Geltung erlangt.
Die Wirksamkeit der auf diesem Weg definierten Triggersignale bleibt auch über zeitliche und gesellschaftliche Veränderungen hinweg stabil. Kinsey u. a. (1953) stellten fest,
daß es eine enorme Anzahl von Magazinen
gibt, die spärlich bekleidete oder ganz nackte
Frauen darstellen. Die Zielgruppe solcher
Darstellungen sind heterosexuelle Männer.
(Die Zielgruppe für die Darstellung nackter
Männer sind in der Regel homosexuelle
Männer und keine Frauen.) Stauffer und
Frost (1976) untersuchten die Reaktionen
von 50 männlichen und 50 weiblichen Studenten im Alter von 19⫺23 Jahren auf Bilder
in den Magazinen Playboy (nackte Frauen)
und Playgirl (nackte Männer). 88% der Männer und 46% der Frauen gaben an, daß das
Centerfold (Ausklappmädchen bzw. Ausklappjunge) und die Bildergeschichten mit
unbekleideten Figuren sie interessierten. Kein
Mann bewertete das „Ausklappmädchen“ als
von geringem Interesse, während 14% der
Frauen nackte Männer ablehnten. Auf einer
10-Punkte Skala, auf der angegeben werden
mußte, wie stark sie von dem Bild sexuell erregt würden, antworteten 74% der Frauen
auf der unteren Hälfte und 75% der Männer
auf der oberen Hälfte der Skala.
Obwohl in einigen Studien gezeigt wird,
daß Männer und Frauen in gleicher Weise
auf erotische Stimuli ansprechen (Heiman
XV. Ausgewählte Gegenstände der Semiotik
1975), so scheinen sie das aber aus ganz verschiedenen Gründen zu tun. Money und Erhardt (1972) nehmen an, daß eine nackt dargestellte Frau für einen Mann ein Sexobjekt
ist, er stellt sich vor, daß sie aus dem Bild
tritt, und er mit ihr kopuliert. Eine Frau wird
von dem gleichen Bild erregt, weil sie sich in
ihrer Vorstellung mit dem Sexobjekt selbst
identifiziert. Die Darstellung von Nacktheit
und damit die der sexuellen Auslöser ist also
eher Frauensache. Der Wunsch von Männern, sich weibliche Genitalien anzuschauen,
vor allem solche, die sie zuvor noch nie gesehen
haben, ist ein Teil des motivationalen Prozesses, der die männlichen Reproduktionsmöglichkeiten maximiert.
Andererseits gibt es keinen entsprechenden
biologischen Nutzen daraus, daß Frauen den
Wunsch besitzen sollten, sich männliche Genitalien anzuschauen, da die Selektion eine
solche Motivation nicht gefördert hätte.
Wenn Frauen von der Darstellung männlicher Sexualität erregt würden, dann würden
Männer versuchen, mit genitalem Präsentieren Frauen zu erregen. Würden Frauen darauf mit Erregung antworten, würde eine solche Erregung Zufallspaarungen Vorschub leisten und damit den weiblichen Fortpflanzungserfolg gefährden (Symons 1979).
In den Massenmedien werden auf Grund
der universellen Wirksamkeit Körperformen
mit hohem Kurvenindex zum Verkauf von
Produkten und zur Auflagesteigerung eingesetzt. Mit der Zeit werden dann die jeweiligen
Triggersignale (gemessen an den Verkaufszahlen) optimiert. Analysiert man den Kurvenindex (Brustumfang/Taille und Hüftumfang/Taille) der sogenannten „Ausklappmädchen“ eines der bekanntesten Vertreters der
Männermagazine, dann läßt sich zwischen
1979 und 1991 ein kontinuierlicher Trend zu
höheren Indices feststellen (vgl. Abb. 168.13).
Die Ausklappmädchen wurden also kurvenreicher (Grammer 1993).
Die Betonung solcher Körperstrukturen
wird tatsächlich als Signal eingesetzt; besonders deutlich wird das bei von Moore (1985)
in Diskotheken beobachteten Frauen am Beispiel des „Paradierens“: die Frau geht mit erhöhtem Körpertonus aufrecht durch den
Raum, schwenkt die Hüften, zieht den Bauch
ein und drückt den Rücken durch, so daß
Brüste und Hintern betont werden. In Moores Untersuchungen korrelierte das Zeigen
dieser Verhaltensweisen tatsächlich mit der
Anzahl der Annäherungen von Männern an
die beobachteten Frauen.
168. Körpersignale in menschlicher Interaktion
3465
Abb. 168.13: Kurvenindices von Titel- und Ausklappmädchen aus einem sogenannten Männermagazin, das
1972 zum erstenmal in Deutschland erschien: Der obere Kurvenindex (Brustumfang/Taille) und der untere
Kurvenindex (Hüftumfang/Taille) haben zwischen 1979 und 1991 kontinuierlich zugenommen, bis ein Maximalwert erreicht war, mit dem die Optimierung abgeschlossen wurde.
Diese Art von Triggersignalen erlaubt es,
relativ schnell sehr wichtige Entscheidungen
und Vorhersagen zu treffen. In erster Linie
dienen sie jedoch dazu, andere Signale und
deren Bedeutung zu erschließen: sie bilden
den Dekodierungsrahmen von Bedeutungen
innerhalb einer Interaktion.
Solche Beurteilungen sind aber nicht konstant, sondern ändern sich mit der Stimmung, in der sich die Versuchsperson befindet. Forgas (1992) zeigt, daß eine traurig gestimmte Person nach einem globalen Eindruck, den die andere Person auf sie macht,
entscheidet. Glückliche Leute dagegen vergleichen die Einzelmerkmale der Personen,
die sie als Partner wählen. Traurige Personen
entscheiden sich deshalb auch schneller, da
sie nur nach selektiver, spezifischer Information suchen. Glückliche Personen kommen
aber in der Regel auch zu besseren Beurteilungen. Emotionen spielen demnach mit eine
Hauptrolle bei Beurteilungen anderer Personen.
3.3. Die Emotionen
Den Ausdruck von Emotionen im nichtsprachlichen Verhalten kann man ebenfalls in
die Reihe der Triggersignale aufnehmen.
Bei interkulturellen Untersuchungen des
Gesichtsausdrucks fanden Ekman und Friesen (1978) insgesamt sechs in allen Kulturen gleiche Grundemotionen: Überraschung,
Angst, Freude, Trauer, Ekel, Ärger zeichnen
sich durch bestimmte, konstante Kombinationen von Gesichtsmuskelkontraktionen aus.
Einen wesentlichen Schritt zum Nachweis
biologischer Programme für verschiedene mimische Ausdrucksmuster brachte die von
Eibl-Eibesfeldt (1977) vorgenommene und
ausgewertete filmische Dokumentation einiger Kinder, die durch Störungen während der
Fötalzeit von Geburt an weder sehen noch
hören konnten. Obwohl diese Säuglinge in
ewiger Nacht und Stille leben, bilden sich Mimik und andere Verhaltensweisen der sozialen Kommunikation bei ihnen in derselben
Weise aus wie bei sehenden und hörenden
Kindern.
In Abb. 168.14 ist ein taubblind geborenes
Mädchen zu sehen, dessen mimische Verhaltensweisen besonders ausführlich dokumentiert wurden. Lächeln und Freude sind ganz
eindeutig zu erkennen, obwohl dieses Mädchen ja niemals das lächelnde Gesicht seiner
Mutter oder einer anderen Person hat wahr-
3466
XV. Ausgewählte Gegenstände der Semiotik
Abb. 168.14: Taubblindes Mädchen: Lächeln und Freude (links oben), Trauer (rechts oben) und Wut (unten).
168. Körpersignale in menschlicher Interaktion
nehmen können. Bestimmte Emotionen wie
Freude und Trauer führen zu einer ganz spezifischen muskulären Antwort im mimischen
System des Gesichtes und erzeugen dann den
jeweiligen typischen Ausdruck, ohne daß es
der Modifikation durch vorherige Erfahrung
bedarf.
Interessant an diesen Grundemotionen ist,
daß sie eine automatisierte Wirkung auf den
Betrachter besitzen. Zeigt man Personen Bilder von Grundemotionen, oder läßt man die
Personen diese Grundemotionen nachspielen,
dann stellt sich bei ihnen der gleiche physiologische Zustand ein, der auch die echten
Grundemotionen begleitet (Ekman u. a.
1983). Über diesen Automatismus leiten
Grundemotionen die entsprechenden Interpretationen von anderen nicht-sprachlichen
Signalen wiederum dadurch, daß sie eine Dekodierung im Rahmen der betreffenden
Emotion nahelegen.
Emotionen selbst sind nun auch an den
prosodischen Signalen in der Stimme des
Empfängers zu erkennen. Die Tonhöhe der
Stimme ändert sich, falls Emotionen auftreten: sie wird höher bei Angst oder Ärger, und
sie fällt, wenn die Person traurig ist (Ekman
u. a. 1976).
Auch der Atemrhythmus folgt dem emotionalen Empfinden. Im Atemrhythmus und
in der Atemtiefe lassen sich die sechs Grundemotionen ebenfalls nachweisen (Block u. a.
1991).
Emotionssignale liefern demnach eine Botschaft über den physiologischen Zustand des
Senders.
Der ganze Vorgang wird jedoch dadurch
kompliziert, daß Emotionen in der Regel selten als „reine“ Emotionen vorliegen, sondern
durchmischt werden. Die Gesamtsituation ist
also wesentlich komplexer als hier dargestellt.
4.
Die äußere Botschaft: akustische
Signale
Folgt man den Definitionen von Posner
(1986), dann läßt sich sprachbezogenes Verhalten nach seinen Funktionen in vier
Grundkomponenten unterteilen.
Die verbale Komponente besteht aus den
Wortformen und der grammatischen Struktur des Ausdrucks.
Eine prosodische Komponente umfaßt die
Intonation, und im Falle geschriebener Sprache die Interpunktion, die es dem Empfänger
erlaubt, konventionalisierte Satztypen zu erkennen. Parasprachliche Aspekte betreffen
3467
die Lautung wie zum Beispiel die personenspezifische Stimmqualität oder die emotionale Stimmung des Sprechers. Letztlich, und
um Sprache als Zeichen zu verstehen, müssen
auch die außersprachlichen Komponenten
der Körperhaltungen und Körperbewegungen dazu kommen (dies zur Ergänzung der in
Art. 131 § 3.1.2. postulierten Verstehensstufen).
Außersprachliche, parasprachliche und
prosodische Elemente werden dann unter
dem Begriff „nonverbal“ zusammengefaßt,
nicht-sprachliche Phänomene umfassen lediglich außersprachliche und parasprachliche
Phänomene.
Zur physikalischen Beschreibung der akustischen Phänomene bieten sich nach Argyle
(1982) folgende Eigenheiten von Lautäußerungen an:
(1) die Sprechdauer und Sprechgeschwindigkeit
(2) die Amplitude (Lautstärke)
(3) F0, die Grundfrequenz, die als Tonhöhe
wahrgenommen wird, und der Tonhöhenbereich
(4) das Spektrum der Frequenz und die Amplitude, was als Stimmqualität wahrgenommen wird (wie robust, hohl oder
schrill)
(5) der Tonhöhenverlauf, d. h. die Frequenzänderung über die Zeit (Scherer
1982)
Einige dieser Parameter signalisieren dem
Empfänger den emotionalen Zustand des
Sprechers. Sedlácek und Sychra (1963, 1969)
ließen 23 verschiedene Schauspielerinnen den
Satz „Tozuzmám ustlané“ (‘Das Bett ist
schon gerichtet’) aus dem „Tagebuch eines
Verschollenen“ von Leos Janaček verschieden interpretieren. Diese Rezitationsbeispiele
wurden Bewertern aus den verschiedensten
Kulturen vorgespielt. Es zeigte sich, daß der
emotionale Gehalt der Aussage unabhängig
vom sprachlichen Inhalt kommuniziert wird.
Tonhöhe, Tonintensität und Klangspektrum
zeichnen in spezifischer Weise unterschiedliche Emotionen aus. Freudige Emotionen
weisen eine Verbindung von höherer Stimmlage und belebtem melodischen Verlauf auf,
für Trauer ist der monotone absinkende Melodienverlauf charakteristisch.
Scherer (1986) wies in einer Literaturübersicht nach, daß sich fünf Emotionen
durch spezifische Charakteristika ausweisen:
Freude, Depression, Angst, Furcht und Wut.
Es zeigte sich aber auch, daß es sich dabei um
eine sehr komplexe Mischung der verschie-
3468
densten Parameter handelt. Hohe Tonhöhen
zum Beispiel treten bei Freude, Angst, Furcht
und Wut auf.
Der Tonhöhenverlauf ermöglicht dabei die
feinsten Unterscheidungsmöglichkeiten (Frick
1985):
⫺
⫺
⫺
⫺
⫺
Glück: sanfte Konturen
Ärger: plötzliche Anstiege der Tonhöhe
Überraschung: zunehmende Tonhöhe
Verachtung: Abfall am Satzende
Koketterie: sanftes Ansteigen auf der letzten Silbe
⫺ Frage: Ansteigen am Ende einer Aussage
Die Veränderungen des Tonhöhenverlaufs
in Zusammenhang mit der Enkodierung
grammatischer Strukturen, wie zum Beispiel
Fragen, zeigen, daß sich prosodische und
parasprachliche Signale überlappen können.
Ähnliche Verhältnisse finden wir bei
Sprechpausen. Lalleje (1971) sowie Lalleje
und Cook (1973) zeigten, daß Personen, die
viele gefüllte Sprechpausen (d. h. eine
Sprechpause mit „hm“ oder „äh“) machen,
als ängstlich oder gelangweilt bezeichnet werden. Personen, die viele ungefüllte Pausen
machen, werden als ängstlich, ärgerlich oder
verachtend bewertet.
Parasprachliche Signale eignen sich auch
dazu, Beziehungsparameter zu übermitteln.
So kann Dominanz durch eine laute tiefe
Stimme, ein breites Frequenzspektrum und
langsames Sprechen mitgeteilt werden. Submissivität dagegen ist durch eine hohe
Stimmlage mit geringer Resonanz und einem
Anheben der Tonhöhe am Satzende gekennzeichnet (Frick 1985).
Parasprachliche Signale geben auch Information über die Persönlichkeit des Sprechers;
Alter, Geschlecht und sogar Extravertiertheit
und Introvertiertheit sind an parasprachlichen Parametern erkennbar (Addington
1968, Scherer 1978).
Es gibt zudem prosodische Merkmale, die
dem Kindchenschema entsprechen. Montepare und Zebrowitz-McArthur (1987) fanden, daß Stimmen von Erwachsenen, die
Kinderstimmen sehr ähnlich klangen, übereinstimmend als „kindlich“ bezeichnet wurden. Personen mit solchen Stimmen werden
als weniger dominant, emotional wärmer und
weniger abweisend beurteilt.
Angehobene Tonhöhe bei Männern und
Unterdrückung von Sprechpausen bei
Frauen werden von Beobachtern als Extrovertiertheit interpretiert (Scherer 1978). Die
Tonhöhe hat dabei zwei Effekte: Wird der
XV. Ausgewählte Gegenstände der Semiotik
Ton angehoben, wird die Person als extravertiert, aber auch als gespannt und nervös beschrieben. Es könnte sein, daß angehobene
Tonhöhe ein Signal für emotionale Erregung
ist, die dann als Persönlichkeitszug generalisiert wird (Scherer 1979).
Wie solche Prototypisierungseffekte entstehen, ist weitgehend unbekannt. Die Effekte haben aber weitreichende Konsequenzen, denn es ist zum Beispiel möglich, in den
ersten 10⫺15 Sekunden einer Interaktion aus
der Sprache genaue Schlüsse auf die soziale
Herkunft des Sprechers zu ziehen (Harms
1961).
5.
Die innere Botschaft
Wozu dient nun ein solch komplexes System
von Signalen, Triggersignalen und Bedeutungen? Im Grunde wäre es doch einfacher, nur
wenige, einfache Signale mit festgelegten Bedeutungen zu benutzen. Das würde die Kommunikation wesentlich vereinfachen und
Mißverständnisse vermeiden.
Der Mensch hat durch seine Fähigkeit,
komplexe soziale Strukturen zu entwickeln,
einen wesentlichen Selektionsvorteil erreicht.
Komplexe soziale Strukturen sind nicht mit
einfachen inflexiblen Signalsystemen aufrechtzuerhalten und zu steuern, vor allem
dann nicht, wenn es in Interaktionen nicht
nur darum geht, einfache Information zu
übertragen, sondern auch darum, Beziehungen aufzubauen, zu steuern und letztlich auch
zu ändern. In Interaktionen stehen also auch
Beziehungen auf dem Spiel: soziale Probleme
tauchen auf.
Die meisten Interaktionen, in denen nichtsprachliche Signale eingesetzt werden, können damit als Versuch betrachtet werden, ein
„soziales Problem“ zu lösen. Es geht darum,
ein anderes Individuum dahin zu bringen, die
Zielvorstellungen des jeweiligen Handelnden
zu akzeptieren, wobei die verfolgten Ziele
letztlich auch den Einsatz von bestimmten Signalen aus ganz bestimmten Bereichen definieren. An dieser Stelle kommt dann auch
wieder der Reproduktionserfolg zum Tragen.
Das Ziel einer Interaktion und der damit verbundene potentielle Reproduktionserfolg von
Sender und Empfänger bestimmt die Form
des Signals. Zum Beispiel werden, wenn das
Ziel der Werbung um einen Partner vorliegt,
in erster Linie Signale auftreten, deren Bedeutung Partnerqualitäten betrifft. Nach Trivers (1972) werden Frauen in solchen Situationen deshalb Gesundheit und Reproduk-
3469
168. Körpersignale in menschlicher Interaktion
Abb. 168.15: Das Präsentieren der Achseln.
tionsfähigkeit, Männer hingegen ihren Status, und damit die Fähigkeit, Nachwuchs zu
versorgen, signalisieren. Die „innere Botschaft“ eines Signals ist also zunächst an ein
direktes Ziel gebunden. Mit Hilfe dieser Annahme könnten wir nun versuchen, die „innere Botschaft“ einiger Signale zu erschließen.
Ein nicht besonders bekanntes nichtsprachliches Signal ist das „Axilla-Präsentieren“. Bei dieser Körperhaltung werden die
Hände im Nacken verschränkt, wobei die
Oberarme in eine waagrechte Stellung kommen und die Achselhöhlen freigelegt werden.
Diese Körperhaltung wird, wenn sie von einer Frau eingenommen wird, von Goffmann
(1979: 31) als „conveying a sense of one’s
body being a delicate and precious thing“ interpretiert. Damit würde dieses Signal dem
Werbeverhalten und den sexuellen Signalen
zugeordnet. Das Signal als solches würde
Körperformen zur Schau stellen, die mit dem
Reproduktionserfolg zu tun haben (vgl.
Abb. 168.15).
Die Interpretation des Signals sieht ganz
anders aus, sobald ein Mann dieselbe Stellung einnimmt. Scheflen (1972) interpretiert
dieselbe Haltung, diesmal von einem Mann
eingenommen, als charakteristisches Signal
der Dominanz.
Die Bedeutungen „sexuelles Interesse“ und
„Dominanz“ wurden von Grammer (1990)
beide in gemischtgeschlechtlichen Dyaden
nachgewiesen. Interessanterweise können
Frauen jedoch beide Bedeutungen benutzen:
sie zeigen dieses Signal, wenn sie völlig uninteressiert an einem Mann sind (solange er sie
nicht anschaut), und ebenso im anderen Ex-
tremfall, wenn sie hohes Interesse an einem
Mann haben. Es wäre jetzt zu überprüfen,
welche Triggersignale welche Bedeutung hervorrufen. Sicherlich spielen dabei Geschlecht,
Alter und Reproduktionsstatus des Interaktionspartners die wichtige Rolle.
Die innere Botschaft, oder die Bedeutung
von Signalen, ist also direkt an den wichtigsten Begriff der biologischen Betrachtung
von Signalen gebunden, den der Funktion.
6.
Die Funktion von Signalen
In der Verhaltensforschung haben sich eine
Reihe von Bedingungen herausgeschält, an
Hand derer die Funktion eines Verhaltens erschlossen werden kann (Hinde 1975). Die
proximate Funktion eines Verhaltens liegt
meist in einem direkten Effekt auf einen Interaktionspartner. Die ultimate Funktion eines Verhaltens betrifft dessen evolutiven
Sinn, d. h. den Vorteil, den es seinen Trägern
erbracht haben könnte.
Proximate Funktionen können bestimmt
werden durch:
(1) Evidenz aus dem Kontext
In unseren bisherigen Ausführungen haben
wir den „Kontext“ als ungeeignet für den
Schluß auf die Bedeutung eines Signals erachtet. Deshalb sollte dieser Punkt durch die
Forderung nach der konstanten An- oder Abwesenheit von bestimmten Triggersignalen
ersetzt werden. Wenn nun ein Signal immer
mit bestimmten Triggersignalen gepaart vorkommt, dann kann man davon ausgehen,
daß die vorhandenen Triggersignale die
Funktion des beobachteten Verhaltens be-
3470
stimmen, zum Beispiel das Zeigen von Dominanz oder sexuelles Präsentieren. Kennt man
die Bedeutung der Triggersignale nicht, dann
muß die Funktion durch
(2) Evidenz aus den Konsequenzen
erschlossen werden. In diesem Falle heißt
dies, daß ein Signal immer wieder den gleichen Effekt bei der Zielperson hervorrufen
sollte (vgl. den Kommutationstest in der von
Hjelmslev und Prieto entwickelten Form;
siehe Art. 4 § 4.1.).
Diese beiden Bedingungen lassen sich nun
auch auf die Untersuchung der Triggersignale selbst anwenden.
6.1. Weinen als Beispiel
Es kommt in Konflikten zwischen Kindern
öfter vor, daß eines der Kinder weint. Wir
beobachteten, daß in 35 von 36 Fällen, in denen ein Kind weinte, ein Kind die Partei des
weinenden Kindes ergriff (Grammer 1988).
Es half ihm dann gegen die anderen Kinder.
Also kann man davon ausgehen, daß das weinende Kind in jedem Fall, unabhängig vom
Stand des Konflikts, Hilfe bekommt. Weinen
ist also ein starkes, Betreuung auslösendes Signal. Es hat einen emotionalen Hintergrund,
und seine Signalwirkung ist festgelegt. Sagi
und Hoffmann (1976) nehmen an, daß Weinen, welches nach Eibl-Eibesfeldt (1979)
stark aggressionshemmend wirkt, Empathie
induziert. Sie wiesen nämlich bei einen Tag
alten Kindern nach, daß diese auf einen
Säuglingsschrei mit Weinen reagierten, was
auf angeborene Mechanismen schließen läßt.
Nach Landreth (1941) gibt es unter 3⫺5
Jahre alten Kindern keine altersabhängigen
Häufigkeiten des Weinens in einer Gruppe.
In 75% aller von ihr beobachteten Fälle waren Konflikte mit einem anderen Kind der
auslösende Faktor, seltener waren zufällige
Verletzungen bzw. Frustration durch Objekte
im Spiel (etwas funktionierte nicht), und erst
an letzter Stelle stand Unsicherheit. Mädchen
weinen zwar öfter in Konflikten als Jungen,
es gibt aber eine starke individuelle Variation;
manche Kinder weinen nie. Die Antworten
auf Weinen sind stark selektiv: ihre Anzahl
hängt von der Häufigkeit ab, mit der das
Kind weint. Weint ein Kind oft, erhält es
zwar viele Antworten, es wird aber nicht jedes
Weinen beantwortet. Weint ein Kind dagegen
selten, dann erhält es auf fast jedes Weinen
eine Antwort. Antworten bestehen im Beruhigen und im Gewähren von Hilfe; das Kind,
das das Weinen ausgelöst hat, wird gerügt
oder bestraft. Es gilt aber auch, daß Kinder,
XV. Ausgewählte Gegenstände der Semiotik
die viel weinen, dann für ihr Weinen verspottet werden.
Nach Vaughn und Waters (1980) ist unprovoziertes Ärgern und Necken der Hauptauslöser für Weinen. Nur Weinen verändert
oder beendet das Angriffsverhalten des Angreifers, Weinen ruft also Hilfe herbei und
manipuliert den Angreifer.
Dies ist möglich, weil Weinen unsere Aufmerksamkeit erregt. Wir blicken in die Richtung, aus welcher die Lautäußerungen kommen, nehmen an, daß jemand in Schwierigkeiten ist, fühlen uns irgendwie irritiert und
versuchen zu helfen. Das Weinen eines Kindes löst in fast jedem Fall Betreuung aus. In
westlichen Kulturen reagieren 50⫺80% der
Mütter mit Annähern, Reden, Aufnehmen,
Halten (Bell und Ainsworth 1972, Bernal
1972). Konner (1972) stellt fest, daß Buschmannfrauen das Weinen eines Kindes im ersten Lebensjahr nie ignorieren, und Schiefenhövel (1984) berichtet, daß das Weinen eines
Kindes bei den Eipo unmittelbare Reaktionen
der Mutter und anderer Personen auslöst.
Ähnliche Beobachtungen über hilfeauslösende Signale machte Ginsburg (1977 und
1980) für das „Sich-kleiner-Machen“ bei der
Beobachtung von Konflikten auf einem
Schulhof. Dem dort äußerst rüden Angriffsverhalten: Schlagen, Boxen, Anspringen,
Schwitzkasten, Stoßen, Ziehen und Treten
setzen die Kinder spezifische Mittel entgegen.
Wegrennen ist kein effektives Mittel, um einen Angriff zu beenden, denn es löst Jagen
aus. Die Aggressionen werden aber gestoppt
durch Kopf-Senken, Schultern-Senken, Knien
mit Blickvermeidung, bewegungslos auf dem
Rücken Liegen mit ausgestreckten Extremitäten und passives Hingeben (d. h. der Aggressor könnte den anderen bewegen, wie er
wollte). Beim Knien kommt oft auch eine
Übersprungshandlung vor: die Kinder binden dann ihre Schuhe zu. Das könnte auch
ein Appell an den Aggressor sein: „Greif
nicht einen gehandicapten Gegner an!“ Auch
eine andere Interpretation liegt nahe: „Wenn
mein Schuh nicht offen gewesen wäre, hätt’
ich dich verprügelt“, also Gesicht-Wahren.
All diese Verhaltensweisen haben einen signifikanten Effekt auf die Beendigung des Angriffs. Hörte der Angreifer in einem solchen
Fall nicht auf, dann griff meist ein drittes
Kind ein und half dem unterlegenen.
6.2. Brauenheben als Beispiel
Das schnelle Brauenheben ist ein interkulturell formkonstantes Signal. Grammer u. a.
(1988) zeigten zudem, daß es in konstante
168. Körpersignale in menschlicher Interaktion
Muster mit anderen Gesichtsmuskelbewegungen eingeht. Der Beweis dafür ist die zeitliche Beziehung von Starts und Stops von anderen Gesichtsmuskelbewegungen relativ
zum Brauenheben. Kurz bevor das Brauenheben beginnt, werden die meisten anderen
Gesichtsmuskelbewegungen beendet. Zusammen mit dem Brauenheben beginnen viele andere Bewegungen, und während des Brauenhebens beginnen keine neuen Bewegungen.
Betrachtet man aber die verschiedenen anderen Gesichtsmuskelbewegungen, so findet
man mit Ausnahme der Kontraktion des
Musculus zygomaticus major keine konstanten, in allen Kulturen vorkommenden Kombinationen. Deshalb kann man hier zunächst
einmal von einer Grundfunktion des Brauenhebens als „Ausrufezeichen“ und Markierung
von anderen Muskelbewegungen ausgehen.
Eibl-Eibesfeldt (1984) schreibt dem
Brauenheben unter anderem die Bedeutung
des Ausdrucks freudiger Überraschung zu.
Moore (1985) beschreibt es als „Flirtsignal“
mit Aufforderungscharakter.
Betrachtet man die parallel gesendeten
Triggersignale Alter und Geschlecht in verschiedenen Kulturen (denen der Yanomami,
der Eipo und der Trobriander; siehe oben
§ 2.), dann zeigt sich Überraschendes: Männer senden dieses Signal in allen drei untersuchten Kulturen. Mit Ausnahme einer Kultur, nämlich der der Trobriandinsulaner, sind
Männer jedoch selten Empfänger. Männer
richten dieses Signal in allen Kulturen häufig
an Frauen. In allen drei Kulturen senden
Frauen das Signal selten an Männer, sondern
meist an Frauen. Aber auch Kinder sind Sender. Sie senden das Signal in zwei Kulturen
am häufigsten an Männer. Nur bei den Eipo
ist der häufigste Empfänger eines von einem
Kind gesendeten Signals eine Frau.
Bei einer Interpretation als Flirtsignal
müßten Männer auf Trobriand am häufigsten mit Männern flirten, bei den Eipo und
den Yanomami Frauen mit Frauen.
Aus diesem Beispiel wird ersichtlich, daß
tatsächlich die Triggersignale die Bedeutung
bestimmen. Ein Signal allein kann seine Bedeutung ändern ⫺ erst das Ausrufezeichen in
Kombination mit sexuellen Signalen könnte
Aufforderungscharakter bekommen.
Die Interpretation und damit die Zuschreibung von Bedeutung liegt also beim Empfänger. Interessanterweise entsteht dadurch eine
gewisse Ambiguität beim Senden von Signalen. Der Empfänger kann sich nicht unbedingt sicher sein, daß die Bedeutung, die der
3471
Sender in das Signal legt, auch die ist, die er
dekodiert hat. War es nun ein einfaches Ausrufezeichen, oder war es eine Aufforderung?
In dieser Zweideutigkeit liegt die hohe Wirksamkeit nicht-sprachlicher Signale begründet. Sie sind unverbindlich und erlauben es,
andere Personen und deren Verhaltenstendenzen auszutesten, ohne eine Interaktionsverpflichtung einzugehen. Dies ist auch ihr
prinzipieller Vorteil gegenüber dem Einsatz
von Sprache.
6.3. Lachen als Beispiel
Für das Lächeln und das laute Lachen werden eine Reihe von Funktionen diskutiert.
Van Hooff (1972) beschreibt das Lächeln als
eines der ältesten Verhaltensmuster der Primaten, und nach ihm hat es zumindest zwei
mögliche Wurzeln. Zuerst findet sich das
„vocalized bared-teeth display“, bei dem Lippen und Mundwinkel zurückgezogen sind
und der Mund geöffnet ist. Das Signal
kommt meistens dann vor, wenn die Tiere bedroht werden. Es entwickelt sich dann in ein
generelles Signal der Frustration und der Erregung, es wird „display“. Bis zum Menschen
verbreitert sich die Bedeutung, und das „vocalized bared-teeth display“ wird allmählich
zum Signal der Submission und Freundlichkeit ⫺ zum Lächeln.
Doch nimmt man an, daß das laute Lachen seine Wurzeln im sogenannten „relaxed
open mouth display“ hat, einem weit verbreiteten Muster, das von fast allen Primaten
während des Spiels gezeigt, und auch dort
von typischen Lautäußerungen begleitet
wird. Damit wird es zum metakommunikativen Signal, das mitteilt: „Beachte, das was ich
tue, ist Spiel“.
Beim Menschen werden dann beide Muster gemischt und Lächeln und Lachen verwirklichen zwei Extremfälle eines Kontinuums zwischen aversivem und freundlichem
Verhalten, wobei in beiden Fällen die metakommunikative Mitteilung ,Spiel‘ hinzutritt.
Eibl-Eibesfeldt (1984) schreibt dem von
ihm als aggressiv bewerteten lauten Lachen
eine bindende Funktion zu: das „Hassen“
(englisch: „mobbing“); es verbindet die, die
zusammen über einen Dritten lachen.
Grammer und Eibl-Eibesfeldt (1989)
konnten nachweisen, daß all diese Funktionen beim Lachen vorliegen ⫺ und daß die
jeweilige Bedeutung erst durch die Anwesenheit bestimmter Triggersignale entsteht (vgl.
Abb. 168.16).
3472
XV. Ausgewählte Gegenstände der Semiotik
Abb. 168.16: Funktionen des Lachens.
Diese Triggersignale sind zum einen in der
Körperhaltung, die die/der Lachende einnimmt, zu finden. Die Präsentation der Körperlinie durch die Frau bei hohem Interesse
kann als sexuelles Signal bezeichnet werden.
Lachen hätte hier demnach einen sexuellen
Aufforderungscharakter. Parallel gesendete
offene Körperhaltungen werden von Männern und (vor allem) von Frauen eingenommen, die hohes Interesse am jeweiligen Partner haben. Offene Körperhaltungen verraten
demnach als Triggersignale allgemeines Interesse. Geschlossene Körperhaltungen dagegen
zeigen Ablehnung an. Die Signalfunktion des
Lachens wird jedoch durch die metakommunikative Funktion, die es einnehmen kann,
kompliziert, indem es die parallel ablaufenden Handlungen als Spielmodus definiert
(vgl. Abb. 168.17).
Lachen signalisiert dann im einen Fall herablassende Dominanz oder Unsicherheit, im
anderen Fall (vor allem in gemischtgeschlechtlichen Dyaden, und dann im Spielmodus) sexuelle Herausforderung. Damit erleichtert Lachen auch die Kommunikation in
einer potentiell gefährlichen Situation.
6.4. Sprachliche und nicht-sprachliche
Kommunikation
Besonders interessant ist das Verhältnis der
verbalen Komponente zu den übrigen Komponenten (vgl. Art. 13 § 2.). Mehrabian (zu-
sammengefaßt in Mehrabian 1972) untersuchte, welche Wirkung visuelles Verhalten
(vor allem der Gesichtsausdruck), vokales
Verhalten (in diesem Fall Stimmklang und
Stimmqualität) und verbales Verhalten auf
die Beurteilung von Personen haben. In den
Untersuchungen von Rollenspielen wurde jeweils eine positive oder eine negative Einstellung zu einer anderen Person dargestellt. Dabei wurden auch diskrepante Kombinationen, zum Beispiel positive verbale Darstellung kombiniert mit negativer visueller Darstellung, untersucht. Aus dieser Arbeit entstand die generelle Aussage, daß Beobachter
den nicht-sprachlichen Kanälen ein größeres
Gewicht geben als dem verbalen Kanal. Obwohl dies generell gilt, wird dieser Unterschied bei inkonsistenten oder diskrepanten
Mitteilungen noch verstärkt. Wendet man regressionsstatistische Analysen an, dann findet
man, daß sich die Wirkung einer Botschaft
zu etwa 55% aus visuellen Signalen, hier der
Mimik, zu 38% aus der vokalen und lediglich
zu 7% aus der verbalen Mitteilung zusammensetzt. Siddiqi u. a. (1973) haben diese Angaben weitgehend repliziert. In einem Übersichtsartikel zeigen Posner u. a. (1976), daß
die visuelle Information in den verschiedensten Reaktionsaufgaben über kinästhetische
oder akustische Information dominiert.
168. Körpersignale in menschlicher Interaktion
3473
Abb. 168.17: Körperhaltungen beim Lachen: Die Bedeutung des Lachens wird durch Körperhaltungen modifiziert. Das Bild oben zeigt die am häufigsten vorkommenden Haltungen. Das Bild in der Mitte zeigt die
Konfigurationen, die entstehen, wenn beide Personen hohes Interesse aneinander zeigen (weibliche Figur
links: sexuelle Präsentation; männliche Figur rechts: Dominanz). Bei geringem Interesse nehmen die Personen
die unten dargestellten Körperhaltungen ein (weibliche Figur: Dominanz; männliche Figur: Aversion).
3474
Die Kommunikationskanäle scheinen damit unterschiedlicher Gewichtung zu unterliegen. Vor allem bei inkonsistenten Botschaften, in denen die verbale Aussage nicht
mit den visuell empfangenen Signalen übereinstimmt, legen die Empfänger mehr Wert
auf den visuellen Kanal (Bugental u. a. 1970).
Auf Grund der universellen Verbreitung
sind diese parasprachlichen und prosodischen Signale auch als Triggersignale zu bezeichnen, da in vielen Fällen erst ihre Anwesenheit die Dekodierung des sprachlichen Inhalts zuläßt. Noller (1984) ließ Ehepaare
durch Äußerung des Satzes „Mir ist es kalt,
dir nicht?“ mit wechselnden prosodischen
und parasprachlichen Signalen drei Mitteilungen erzeugen: „Bitte, mach die Tür zu“,
„Ist es dir nicht auch kalt?“ und „Bitte
komm, und wärme mich mit deinem Körper“. Unglücklich verheiratete Ehepaare waren dabei schlechte Dekodierer der Botschaften. Jede Sprache scheint darüberhinaus
Standardmuster des Tonhöhenverlaufs für
bestimmte grammatische Strukturen zu besitzen.
Außersprachliche Phänomene finden wir
in Gesten wieder (Argyle 1982, McNeill 1992,
Müller 1998, Schmauser und Noll 1999, Müller und Posner 2002). Sprachbegleitend finden wir „Batons“, die bestimmte Aussagen
unterstreichen, ebenso wie Illustratoren, die
Objekte umschreiben oder physische Formen
darstellen. Auch Blickkontakt spielt in Interaktionen eine wesentliche sprachbegleitende
Rolle. Kendon (1967) zeigte, daß Personen
am Ende einer Aussage häufiger den Partner
anschauen als am Beginn. Das schnelle
Brauenheben hat, in seiner kurzen Form, eine
sprachunterstreichende Wirkung. Es kommt
hauptsächlich in Zusammenhang mit Adjektiven vor (Walker und Trimboli 1983).
Nicht-sprachliche Zeichen haben deshalb
in Interaktionen auch Kontrollfunktionen.
Langes Anschauen am Ende einer sprachlichen Äußerung scheint vom Partner als
Sprechaufforderung interpretiert zu werden
(Kendon 1967). Eine ähnliche Funktion hat
eine absinkende Tonhöhe (Duncan 1972) und
ein Zurückführen der Hände und Arme in
ihre Ausgangsposition. Geschieht dies nicht,
so wird das vom Partner als Zeichen dafür
interpretiert, daß der Sprecher weitersprechen will.
Das Entschlüsseln von sprachlichen Inhalten im weitesten Sinne ist aus diesen Gründen
von parallel gesendeten nicht-sprachlichen
Signalen abhängig (zur Rolle der relativen
XV. Ausgewählte Gegenstände der Semiotik
Dauer dieser Signale siehe Posner 1994).
Sprachliche Zeichen in Interaktionen entstehen also nur aus dem Zusammenspiel und
der Verschränkung von nicht-sprachlichen
und verbalen Teilen der Botschaft.
7.
Manipulation und Kommunikation
Wenn Menschen bei der Entschlüsselung von
Botschaften in Interaktionen mit anderen
Menschen primär nicht-sprachliche Signale
heranziehen, dann eignen sich diese Signale
auch in besonderem Maße zur Manipulation
(vgl. Art. 4 § 1.3.).
Signale stehen in erster Linie im Dienst
von Zielen des Senders. Diese Ziele werden
jedoch nicht immer auch von Interaktionspartnern akzeptiert.
Es geht mithin auch darum, möglichst zu
vermeiden, daß der Partner „Verhaltensblokkierungen“ schafft, die den Weg zum Ziel
verlegen (Charlesworth 1978, Grammer
1988). Als Verhaltensblockierungen fungieren
all diejenigen Handlungen einer Person oder
die äußeren Umstände, die eine andere davon
abhalten, ihr Ziel zu erreichen. Ein Handelnder muß folglich vorausschauend versuchen,
mögliche Verhaltensblockierungen zu erkennen, und sie bereits im Vorfeld beseitigen.
Das Risiko einer möglichen Ablehnung oder
einer Blockierung gefährdet schließlich nicht
nur das „Gesicht“ des jeweiligen Handelnden, sondern kann auch dessen bereits getätigte Investitionen zunichte machen.
Erste Voraussetzung für die Lösung eines
sozialen Problems ist das Vorhandensein kognitiver Strukturen, die es erlauben, Vorhersagen über mögliche Reaktionen des Partners
zu machen. Solche Strukturen finden wir zunächst in den Konzepten über zwischenmenschliche Beziehungen und in der Bewertung sozialer Ziele. Beziehungsparameter wie
soziale Distanz (Freundschaft) oder relative
Macht (Dominanz) sind Konzepte, die den
Grad der Nachgiebigkeit beim Gegenüber
voraussagen. Deshalb eignen sie sich in erster
Linie dazu, die mögliche Akzeptanz der eigenen Ziele durch den Partner zu bestimmen.
Große soziale Distanz und große relative
Macht auf der Seite des Handelnden mindern
das Risiko, das Ziel nicht zu erreichen. Ein
weiteres Erfordernis ist die präzise Bewertung
des geplanten Zieles selbst, das entstehendes
Risiko verringern kann.
Die zweite Voraussetzung ist die Existenz
eines Verhaltensrepertoires, das vorhersag-
168. Körpersignale in menschlicher Interaktion
bare Änderungen im Verhalten des Partners
hervorruft. Dadurch wird ein instrumenteller
Einsatz von Verhaltensweisen möglich, mit
deren Hilfe vorhersagbare Verhaltensänderungen beim Partner hervorgerufen werden
können. Damit ist aber auch der Manipulation von anderen Personen durch Signale Tür
und Tor geöffnet: sobald ein Signal, auch
wenn es nicht in den akuten Zielbereich gehört, einen Vorteil für die Zielerreichung verspricht, kann es eingesetzt werden. Damit
wird der Vorteil, der aus der Existenz flexibler Signalsysteme entsteht, deutlich: sie erlauben die direkte Manipulation von anderen.
Freilich ist dieses System nicht völlig frei
nutzbar. Die Beschränkungen für den Einsatz
von Verhalten auf instrumenteller Ebene liegen in der Wahrnehmung der Zielperson.
Diese tendiert dazu, das Verhalten des Handelnden als zielgerichtet ⫺ nämlich auf sich
bezogen ⫺ und kausal zu interpretieren. Deshalb werden bei hohem Risiko „Umwege“ im
Verhalten notwendig, die für das Erreichen
des Ziels den Boden bereiten, dabei die Investitionen anfänglich gering lassen und zugleich die Handlungsfähigkeit aufrechterhalten. Umwege erfordern hohen Zeit- und Kostenaufwand. Die Länge der Umwege wird
außerdem durch die Zeit, die zum Erreichen
des Ziels zur Verfügung steht, begrenzt. Der
Handelnde wird mithin gezwungen, seine Absichten irgendwann einmal zu offenbaren.
Dadurch entsteht nun ein risikobezogenes
Einplanen von Umwegen, deren System sich
im sequentiellen Ablauf der Handlungsschritte, die zur Erreichung eines Zieles eingesetzt werden, ausdrückt (vgl. Art. 113 § 4.4.).
Aus diesen Überlegungen ergeben sich
mindestens vier Grundfunktionen der Signalbedeutung:
(1)
(2)
(3)
(4)
Demonstration von Dominanz,
Demonstration von Submissivität,
Demonstration von Freundschaft,
Instrumenteller Einsatz (z. B. Hilferufe
an Dritte oder das Verbergen von Absichten).
Dazu kommen vier Typen von Funktionsbereichen, in denen diese Grundfunktionen
vollzogen werden können (Argyle 1988): der
Ausdruck von Emotionen, die Darstellung
von Haltungen und Werten in Interaktionen,
die Begleitung und Unterstützung von Sprache und die Selbstdarstellung.
Wenn zwischenmenschliche Beziehungen
Strukturen der Vorhersagbarkeit von Verhal-
3475
ten sind, dann muß das Zur-Schau-Stellen
von Dominanz auch den Ausgang eines Konfliktes beeinflussen. In Konflikten zwischen
Vorschulkindern kann man aus dem Verhalten der Kinder, das sie zeigen, bevor der
Konflikt offensichtlich wird, in manchen Fällen bereits den Sieger vorhersagen. Eine dieser Markierungen ist das „Plus-Minus-Gesicht“ (Zivin 1977).
Stellt ein an einem Konflikt beteiligtes
Kind das Plus-Gesicht zur Schau, so läßt sich
mit hoher Wahrscheinlichkeit vorhersagen,
daß es den Konflikt gewinnen wird. Zeigt eines der Kinder hingegen ein Minus-Gesicht,
wird es sicherlich den Konflikt verlieren (vgl.
Abb. 168.18).
Genauso wichtig wie Signale der Dominanz sind solche, die entweder Dominanzverzicht oder Submission anzeigen. Eines der Signale des Dominanzverzichtes ist das Zeigen
von Ambivalenz, bei der Zuwendung und
Abwendung vom Interaktionspartner oszillieren (Eibl-Eibesfeldt 1984). Interaktionen
zwischen Fremden zeigen diese Ambivalenz
aus Blickvermeidung und Blickkontakt besonders deutlich (vgl. Abb. 168.19; siehe auch
Abb. 168.5 zum Bewegungsverlauf beim Lachen).
In der Tat können auch bestimmte submissive Stellungen tätliche Angriffe blockieren.
Diese Stellungen erinnern oft an Darwins
Prinzip der Antithese. Dabei vergrößern aggressiv gestimmte Tiere ihre Körperumrisse,
während unterlegene Tiere sich kleiner machen. Darwin (1872) stellte auch fest, daß Bewegungslosigkeit oder Totstellen (falls eine
Beute von einem Jäger angegriffen wird) die
Wahrscheinlichkeit eines weiteren Angriffes
senkt. Submissive Stellungen sind aber nicht
nur ein Verbergen aggressionsauslösender
Reize, sondern rufen direkte Aggressionshemmung hervor. Elemente der submissiven
Stellungen aktivieren neurale Systeme, welche mit dem neuralen System für Aggression
unvereinbar sind. Aggressionen können auch
durch Signale beschwichtigt werden, welche
nicht oder nicht ursprünglich dem Verhaltensinventar des agonistischen Systems zugehörig sind. Sie zeichnen sich im Gegenteil dadurch aus, daß sie an ein Verhaltenssystem
appellieren, welches als unvereinbar mit dem
Angriffssystem gilt. Eibl-Eibesfeldt (1970) beschreibt solche beschwichtigenden Signale.
Neben dem Sich-kleiner-Machen, d. h. KopfSenken, wirkt kindliches Verhalten als Auslöser für Brutpflegeverhalten, auch wenn es in
Form von Infantilismen von Erwachsenen
eingesetzt wird. Auch als körperliches Merk-
3476
Abb. 168.18: Das Plus-Gesicht: 1. S (links; mit PlusGesicht) verbietet V (rechts), weiterhin Grimassen zu
schneiden. 2. Da V nicht sofort auf die Schlagandrohung von S eingeht, droht S ihm einen weiteren
Schlag an. 3. Diese Drohung wird sofort ausgeführt,
und V macht sich kleiner und schützt sich. 4. Auch
ein Gegenangriff von V kann an der Situation nichts
mehr ändern. S ist sich seines Sieges gewiß.
XV. Ausgewählte Gegenstände der Semiotik
mal wirkt das Kindchenschema; außerdem
können sexuelle Signale zur Beschwichtigung
eingesetzt werden (vgl. Art. 27 § 4., Abb.
27.15).
Ein ähnlicher Effekt wird dem Schräghalten des Kopfes zugesprochen (Montagner
1978). Damit soll erreicht werden, daß die
drohende Wirkung, die von den Augen ausgeht, durch Verschiebung in die Vertikale
aufgehoben wird. Doch auch bei diesem Verhalten kommt Bewegungslosigkeit dazu. Der
Körper wird still gehalten, der Kopf wird zudem gesenkt.
Signale der Submission arbeiten also meist
mit einer Winkelkonfiguration als Grundprinzip. Entweder wird der Kopf schräg gehalten und gesenkt, oder der Körper selbst
wird abgewinkelt. Das Triggersignal in diesem Fall ist einfach das Abwinkeln aus der
senkrechten Körperlinie (vgl. Abb. 168.20).
Wenn ein Signal nun einmal eine bestimmte Bedeutung besitzt, sei sie als Auslöser oder Triggersignal im Laufe der Evolution entstanden oder eine eigenständige kulturelle Entwicklung, dann ist dieses Signal
außerhalb seines normalen Funktionskreises
als eine Art Werkzeug einsetzbar.
Besonders deutlich wird dies am Beispiel
des Weinens. Weinen kann nicht nur einfach
Dritte herbeirufen und den Störenfried von
seinem weiteren Tun abhalten, es kann auch
helfen, einen Streit zu gewinnen, da es doch
quasi als Werkzeug benutzt werden kann.
Sein Einsatz ist ganz unabhängig von seinem
emotionalen Hintergrund in den unterschiedlichsten Situationen möglich, wenn es darum
geht, bestimmte Ziele zu erreichen. Ein so
wirksames Signal bietet sich aber auch dazu
an, ausgebeutet zu werden. Die Kinder in unserer Gruppe wissen um diese Möglichkeit
und schieben dem einen Riegel vor: Bezeichnungen wie „Heulsuse“ und Verspottung des
Weinenden sind nicht selten. Auch der Einsatz von Signalen wird also durch Regeln geleitet.
Eine andere Art des instrumentellen Einsatzes von nicht-sprachlichem Verhalten
wurde von Salter dokumentiert (1989; persönliche Mitteilung). Die Situationen, die
Salter filmte, waren Interaktionen von Diskothekbesuchern mit Türstehern, die ihnen
den Eintritt verwehrten (vgl. Abb. 168.21). In
dieser Situation setzen Frauen Verhaltensweisen und Triggersignale aus dem Bereich des
Werbeverhaltens ein, um den Türsteher zu
überreden. Sexuelle Präsentation und nichtsprachliches Flirtverhalten sind dabei offensichtlich. Zunächst zeigen die Frauen sehr
168. Körpersignale in menschlicher Interaktion
3477
Abb. 168.19: Ambivalenz kommuniziert den Verzicht darauf, den anderen dominieren zu wollen. Die junge
Inderin reagiert auf ein Kompliment mit einem ambivalenten Lächeln, bei dem sie die untere Gesichtshälfte
verdeckt und dann den Kopf abdreht (Filmbilder von I. Eibl-Eibesfeldt).
3478
XV. Ausgewählte Gegenstände der Semiotik
Abb. 168.20: Winkelpositionen: Die rechts abgebildete Person bezeugt Unterwerfung durch Abwinkelung von
Kopf und Körper aus der Senkrechten (Fotos aus Goffman 1979).
häufig Signale der Submission: sie schauen
den Türsteher nicht direkt an, nähern sich
und ziehen sich wieder zurück. Weibliches
Flirtverhalten mischt in der Tat affiliative
und submissive Signale, wozu häufig sexuelle
Attribute (wie Brüste, Körperform u. dgl.) als
Triggersignale eingesetzt werden. Männer dagegen zeigen freundliche Verhaltensweisen,
gemischt mit denen der Dominanz (Grammer
1989, Salter 1989).
Salter beobachtete wiederholt, daß die
oben erwähnten sexuellen Triggersignale besonders betont werden. Arm und Handbewegungen erscheinen zusammen mit der Körperorientierung als regelrechte Präsentationssignale. Die Bewegungen, die in dieser
Situation ausgeführt werden, wie zum Beispiel
über die Haare oder über die Brüste streichen,
sind verlangsamt, werden rhythmisch wiederholt, und am maximalen Flexionspunkt wird
jeweils eine Pause eingelegt (3.5⫺4.5 Sek.), so
daß sie tatsächlich als Signale und nicht als
zufällige Selbstberührungen oder Unsicherheit gedeutet werden können. Vor allem die
Darstellung der Brüste wird übertrieben: die
Kleider werden vorne glatt gezogen und die
Hände können sogar die Brüste umfassen.
Die Aufmerksamkeit des Mannes wird damit direkt auf die Triggersignale gelenkt.
Scheflen (1965) spricht in einem solchen Fall,
in dem sexuelle Präsentation außerhalb des
Bereichs Flirt oder Werbung eingesetzt wird,
von „Quasi-Werbeverhalten“. In der Tat handelt es sich um den Einsatz eines Werkzeuges,
des sprichwörtlichen „Dietrich“, der das Tor
zur Diskothek öffnen soll (und es hier auch
tat).
Vom instrumentellen Einsatz von nichtsprachlichem Verhalten zu Täuschungsmanövern (wenn der Interaktionspartner über die
tatsächlichen Ziele des Handelnden entweder
im Unklaren gelassen wird oder wenn ihm
andere als die tatsächlich verfolgten Ziele
vorgespielt werden) ist es nur ein kleiner
Schritt.
Bei Täuschungsmanövern kennen wir folgende Grundtypen:
(1) das absichtliche (besser: an Ziele gebundene) Versorgen mit Falschinformation
und
(2) das Zurückhalten von Information.
Nach Dawkins und Krebs (1978) sind Täuschungsmanöver Strategien, die sich im interindividuellen Wettbewerb auszahlen. Aber
168. Körpersignale in menschlicher Interaktion
3479
Abb. 168.21: Vor der Diskothek.
Täuschungsmanöver werden dadurch eingeschränkt, daß man in der Lage sein muß, unter Umständen die Richtigkeit seiner Mitteilung nachzuweisen, weil der Signalempfänger
versuchen wird, sie zu überprüfen. Die Häufigkeit von Täuschungen wird nach Dawkins
und Krebs (1978) vor allem aber auch dadurch eingeschränkt, daß sich die angestrebte
Reaktion des Empfängers auch für diesen im
Durchschnitt auszahlen muß. Die Wirksamkeit von Täuschungsmanövern hängt in erster Linie davon ab, daß sie nicht zu häufig
auftreten (Wallace 1973).
Harper (1992) nimmt an, daß es im Bereich der Signale eine sogenannte Batessche
Mimikry gibt. Diese Signalmimikry besteht
in erster Linie aus dem Senden von qualitativ
inkorrekter Information, sie wurde in der
Evolution ursprünglich für die Vortäuschung
der Zugehörigkeit zu einer gefährlichen Art
durch Tiere einer ungefährlichen entwickelt.
Sobald jedoch Täuschung vorkommen
kann, ergibt sich eine Konsequenz: die Empfänger werden mißtrauisch, und Selektion
auf Mißtrauen tritt ein, da derjenige, der die
Täuschung besser entlarven kann, anderen
gegenüber im Vorteil ist.
Falls die Möglichkeit zur Täuschung besteht, entsteht ein kommunikatives Paradoxon (Grammer u. a. 1997). Einerseits müssen
Intentionen in der Kommunikation dargestellt werden, um die eigenen Ziele verwirklichen zu können, andererseits steigt beim Erkennen der Intentionen durch den Empfänger dessen Möglichkeit, Täuschung anzuwenden. Es sollte also kommuniziert werden,
ohne die eigenen Intentionen zu verraten
(vgl. Art. 4 § 1.4.). Für diese Aufgabe eignen
sich diejenigen Signale am besten, die der kognitiven Verarbeitung des Empfängers nicht
direkt und bewußt zugänglich sind. Grammer
u. a. (1998) demonstrierten dies am sogenannten Werbetanz. In einer Interaktion mit
ihnen unbekannten Männern schaffen
Frauen durch ihre Bewegungen sogenannte
versteckte hierarchische Muster. Diese Muster zeichnen sich durch hohe Rhythmizität
und einen hohen Grad an Idiosynkrasie aus.
Von 10 000 beobachteten Mustern konnten
nur wenige mehrfach beobachtet werden.
Entstehen solche Muster, fühlen sich Männer
besser und angenehmer, wissen aber nicht,
auf was dies zurückzuführen ist. Diese Art
der subliminalen Kommunikation führt
dazu, daß Männer bereitwillig Information
über sich preisgeben, aber ohne zu wissen,
daß die Frau Interesse an ihnen hat.
Was kann nun der Empfänger tun, um zu
verhindern, daß er Nachteile aus geglückten
Täuschungen erlebt? Er sollte das Signal
3480
ignorieren, wenn er nicht zwischen wahrer
und täuschender Botschaft unterscheiden
kann. Die Formel
m>N/(N+K)
beschreibt die Kosten- und Nutzen-Verhältnisse in Täuschungsmanövern. In dieser Formel steht m für den proportionalen Anteil an
Täuschungen in einer Population, N steht für
den Nutzen, der normalerweise aus der Antwort auf das echte Signal gewonnen wird,
und K für die Kosten, die aus der Antwort
auf das mimetische Signal entstehen.
Damit erhalten wir drei Bedingungen für
die Entstehung von Täuschung:
a. Täuschung muß selten sein, m sollte also
klein bleiben;
b. Täuschung darf dem Empfänger keine zu
großen Kosten verursachen, d. h. auch die
Kosten K sollten klein bleiben;
c. das echte Signal, das als Täuschung geschickt wird, muß sehr wichtig sein, der
Nutzen N sollte also hoch sein.
Nur unter diesen Bedingungen kann sich
Täuschung entwickeln und für denjenigen,
der sie einsetzt, auszahlen (vgl. Art. 172).
Was kann der Empfänger nun unternehmen? Ignorieren kann er das Signal nicht immer, da der potentielle Nutzen aus dem echten Signal wichtig sein könnte. Es bleibt ihm
nur übrig, das Signal selbst abzuwerten. Ein
solches Vorgehen schafft Kosten für den Sender, der mehr Energie zum Senden aufwenden muß. Das wird der Sender aber nur so
lange tun, bis die neuen Kosten aus dem Senden den Gewinn aus der falschen Signalgebung aufheben. Eine weitere Möglichkeit, der
Täuschung zu entgehen, ist die, daß die Täuschung selbst besser diskriminierende Empfänger selektiert. Als Resultat erhalten wir einen generellen Ehrlichkeitsfaktor in der
Kommunikation. Den mit hohen Kosten signalisierenden Sendern stehen eher unbeteiligte Empfänger gegenüber.
Ebenso einschränkend wirkt die Fähigkeit
des Empfängers, zwischen Lüge und Wahrheit zu unterscheiden. In einem nicht-sprachlichen Täuschungsmanöver lassen sich vom
„Lügner“ nicht alle Kanäle so kontrollieren,
daß die Täuschung perfekt wird: Lecks entstehen. Nach Ekman (1986) werden bei Täuschungsmanövern eher Gesicht und Sprache
kontrolliert ⫺ die Zonen, auf die sich der
Hörer konzentriert. Stimme und Körper dagegen verraten oft noch die Wahrheit, vor
allem wenn es darum geht, Emotionen zu
verbergen.
XV. Ausgewählte Gegenstände der Semiotik
Dabei spielen vor allem in der „Überredung“ die parasprachlichen und prosodischen Parameter mit eine Hauptrolle. So fanden zum Beispiel Mehrabian und Williams
(1969), daß Sprecher, die schnell, laut und
mit Betonung sprachen, von Bewertern als
überzeugend beurteilt wurden. Auch die
Glaubwürdigkeit eines Sprechers hängt von
parasprachlichen Parametern ab. Pearce und
Conklin (1971) fanden, daß ernste Stimmen
mit niedriger Tonhöhe und Lautstärke und
mit geringer Variation in diesen Dimensionen
als glaubwürdiger bezeichnet werden als
emotional gefärbte Stimmen. Mehrabian
(1972) zeigte, daß sich Überredungsversuche
durch häufiges Anschauen des Partners, viele
Gesten, häufiges Nicken, erhöhte Gesichtsmuskelaktivität sowie schnelles, lautes und
promptes Sprechen auszeichnen.
Wenn Täuschungsmanöver ablaufen, kommt
es häufig dazu, daß die Anzahl der Illustratoren,
d. h. der sprachbegleitenden Hand- und Armbewegungen, abnimmt. Die Abnahme der Illustratoren kommt dadurch zustande, daß die gefühlsmäßige Beteiligung bei Täuschungsmanövern fehlt oder unterdrückt werden muß.
Gewöhnlich illustrieren Leute weniger, wenn
sie nicht engagiert, traurig, gelangweilt oder
einfach uninteressiert sind. Täuschungsmanöver sind jedoch auch im Gesicht zu erkennen. Der Zeitverlauf, die Asymmetrie von beginnenden Bewegungen und das Auftauchen
von bestimmten Gesichtsmuskelbewegungen
an der „falschen“ Stelle in einer ablaufenden
Unterhaltung können Hinweise dafür sein.
Da willentliche Gesichtsmuskelbewegungen
im Gegensatz zur Darstellung echter Emotionen direkt vom Großhirn kontrolliert werden, wird die Kontraktion (bei einem Rechtshänder) auf der linken Gesichtshälfte stärker
ausgeprägt sein. Tritt eine Gesichtsmuskelkontraktion also verstärkt auf der linken
Seite auf, dann ist die Kontraktion höchstwahrscheinlich willentlich, also nicht echt
(Ekman und Friesen 1982). Ebenso spielt die
Dauer, mit der die Emotion auf dem Gesicht
auftritt, eine Rolle. Wenn die Darstellung der
Emotion länger als 5 Sek. dauert, ist sie normalerweise gespielt. Doch muß sie nicht unbedingt ein Täuschungsmanöver sein, es kann
sich auch um ein Sich-lustig-Machen handeln, ein Emblem, in dem die Person sich auf
ihre eigene Überraschung bezieht.
Ekman (1986) beschreibt diese Mechanismen vor allem am Lächeln. Demnach gibt es
eine ganze Reihe unterschiedlicher Formen
des Lächelns. An erster Stelle steht das echte
3481
168. Körpersignale in menschlicher Interaktion
Abb. 168.22: Marlboro Mann und Palmers-Girl: Links sieht man ein Plus-Gesicht und die Körpermerkmale
der Dominanz, rechts wirken Kindchenschema, sexuelle Auslöser und Präsentieren zusammen mit den Winkelkonfigurationen der Submission (Fotos: Marlboro, Palmers).
Lächeln, dabei wird nur der Musculus zygomaticus major kontrahiert, dazu können die
sogenannten Krähenfüßchen um die Augen
kommen. Walsh und Hewitt (1985) zeigten in
einer Untersuchung, daß das echte Lächeln
(vor allem im gemischt-geschlechtlichen Kontext) als ein freundliches Signal der Annäherung und Gesprächsaufforderung verstanden
wird. Ein verächtliches Lächeln dagegen teilt
mit dem echten Lächeln nur die nach oben
gezogenen Mundwinkel und die entstehenden
Grübchen ⫺ es werden zusätzlich die Winkel
der Lippen kontrahiert. Das unechte Lächeln
zeichnet sich durch einen hohen Grad an
Asymmetrie, das Fehlen der Krähenfüßchen
und durch sein abruptes Erscheinen oder Verschwinden aus.
Derjenige, der versucht, einen anderen zu
täuschen, hat große Chancen, damit unerkannt durchzukommen, falls zum Beispiel
der Empfänger einen Vorteil von der Lüge
hat. Das reduziert nämlich das Schuldgefühl
des Lügners und bringt den Empfänger dazu,
eventuelle Triggersignale, die eine Lüge anzeigen würden, zu ignorieren (vgl. Art. 172
§ 4. und Art. 173). Der Lügner hat jedoch
schlechte Chancen, sobald Emotionen in die
Lüge verwickelt sind (außer er ist ein Schau-
spieler), denn vorgespielte Emotionen sind
relativ leicht zu erkennen (Ekman 1986). Täuschungsmanöver werden auch schwierig, wenn
sich Sender und Empfänger gut kennen.
Perfekte Täuschungen werden uns aber
von der Werbeindustrie vorgespielt. Dort
wird keine neue Information übertragen ⫺
Werbung soll nur gewinnen. Die Erhöhung
des Kurvenindex im Lauf der Jahre bei den
Ausklappmädchen ist eines der besten Beispiele dafür. In der Regel setzt die Werbeindustrie jedoch Triggersignale ein, die den
Empfänger dazu zwingen, ein Produkt in einer bestimmten Art und Weise zu dekodieren.
An Hand der Verkaufszahlen werden die jeweiligen Triggersignale dann im Laufe der
Zeit optimiert (vgl. Abb. 168.22).
8.
Programmierte Bedeutung und
programmierte Wahrnehmung
Bei der Informationsübertragung durch
nicht-sprachliche Signale werden eine ganze
Reihe von Verhaltenssystemen wirksam. Es
gibt ein Signalsystem, das auf einer evolutiv
entstandenen Grundlage basiert. Dieses Signalsystem benutzt vor allem solche Information, die den Reproduktionserfolg des Sig-
3482
XV. Ausgewählte Gegenstände der Semiotik
nalsenders sichert und den des Empfängers
nach Möglichkeit nicht schmälert.
In diesem Signalsystem enthalten ist ein
System, das den Signalrahmen definiert, und
ein komplexes System von Triggersignalen,
das die jeweilige Interpretation des Signals
reguliert. Bedeutung von Signalen entsteht
also tatsächlich erst im Empfänger.
Ein zweites Verhaltenssystem besteht aus
Zwängen, die sich im Laufe der Evolution
entwickelt haben. Dieses System bindet bestimmte Signale an ganz bestimmte Ziele,
zum Beispiel aggressives Verhalten an Konflikte, Displays und sexuelle Präsentation an
Werbung.
Diese Verhaltenssysteme treffen schließlich
auf ein drittes, kognitives System, das versucht, mögliche Verhaltensblockierungen im
Vorfeld zu erkennen und diese zu vermeiden.
Dieses System benutzt Signale, um ganz spezielle Ziele zu erreichen und leitet Täuschungsmanöver mit Hilfe von Signalen ein.
Schließlich treffen all diese Systeme auf ein
regulatives System, das den Einsatz von Signalen reguliert und beschränkt.
Die Möglichkeit des instrumentellen Einsatzes von nicht-sprachlichem Verhalten und
von dadurch nahegelegten Täuschungsmanövern führt letztlich zwingend zur Entwicklung von Regeln, die den Einsatz von nichtsprachlichem Verhalten begrenzen. Diese
„Display-Regeln“ haben wir bereits unter den
Kindergartenkindern angetroffen: Die betreuungsauslösende Wirkung des Weinens
wird von den Kindern selbst reglementiert.
Daraus wird ersichtlich, daß es sich bei
nicht-sprachlichen Signalen nicht um ein einfaches Reiz-Antwort-Wirkungsgefüge handelt, sondern um ein vielschichtiges System,
das die verschiedensten Ebenen benutzt und
deshalb mit relativer Übertragungssicherheit
auch komplexe soziale Situationen bewältigen kann. Dies wird vor allem daran deutlich, daß sich Signale wie Werkzeuge einsetzen lassen, die dann analog zum Werkzeuggebrauch den Wirkungsgrad des vorhandenen
Verhaltensrepertoires erhöhen (vgl. Art. 113
§ 4.4.).
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169. Multimediale Kommunikation
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
1.
Problemaufriß: Motive und Ausgangsfragen
Begriff: Medium und Kommunikation
Analyse: Empirie und Methodologie
Theorie: Kode-Verhältnisse und intermediale
Relationen
Praxis: Anwendungsbereiche und Entwicklungsperspektiven
Aktuelle Entwicklungen: Medienkultur und
Medienökologie im Wandel
Ausblick
Literatur (in Auswahl)
Problemaufriß: Motive und
Ausgangsfragen
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts erscheint in
semiotischem Zusammenhang das Thema
„Multimediale Kommunikation“ in mehreren Hinsichten von besonderem Interesse: a)
es ist ein aktuelles und kontroverses Thema
in der öffentlichen Diskussion; b) es ist ein
zukunftsweisendes Thema, dessen Auswirkungen unseren Alltag und unsere kommunikativen Gepflogenheiten in den letzten Jahren bereits tiefgreifend verändert haben und
weiter verändern werden; c) es ist ein
facettenreiches Thema, dessen Vielfalt in damit erschlossenen Anwendungsfeldern unerschöpflich erscheint. Es ist zudem ein innovatives Thema, dessen Entwicklung noch unübersichtlich ist und das sich disziplinsystematischer Rubrizierung zu entziehen scheint.
Es ist damit genuine Aufgabe einer Angewandten Semiotik, die sich zugleich auf die
zeichen-, kommunikations- und kulturtheoretische Reflexion ihrer Verfahren und ihres
Gegenstandes besinnt. Bereits Anfang der
1990er Jahre wurde ein „Umbruch in der Medienlandschaft“ (Ross und Wilke 1991) konstatiert, dessen Konsequenzen sich erst jetzt
allmählich abzuzeichnen beginnen (Hess-Lüttich, Holly und Püschel 1996). Dies gilt verschärft für eine Semiotik der multimedialen
Kommunikation, die noch keine Forschungsgeschichte hat, deren Gegenstand sich aufgrund technischer Fortschritte ständig wandelt und die intensiver Begleitforschung bedürfte angesichts der durch sie aufgeworfenen offenen Fragen (vgl. Art. 14 und Art.
159).
Aus semiotischer Sicht gehören dazu
schon die terminologisch ungesicherten Konzepte des ‘Mediums’, des ‘Kanals’, des
‘Kodes’ (vgl. dazu die Art. 5⫺17), die Fragen,
ob Multimedialität Kodevielfalt impliziert
oder nicht; ob es medieninvariante oder kanalinvariante Kodes gibt; wie das Verhältnis
von Multimedialität und Mehrkanaligkeit zu
bestimmen wäre (vgl. Art. 12); ob und inwieweit multimediale Semiosen klassifizierbar
und typologisierbar sind; wie sie von ‘unimedialen’ Semiosen abzugrenzen sind, sofern es
solche im strengen Sinne überhaupt gibt. ⫺
Es gehören dazu die methodischen Fragen
der Analyse multimedialer Kommunikation,
also ihrer empirischen Beobachtung und Aufzeichnung, ihrer Notation und Rezeption
(vgl. Art. 29); die Fragen, wie man Handlungsmittel in solchen Prozessen identifiziert
und segmentiert, wie man Notationspartituren paralleler Handlungssequenzen erstellt;