Dr. Jekyll and Mr. Hyde - Das Dokument des Grauens
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Dr. Jekyll and Mr. Hyde - Das Dokument des Grauens
Ba n dI I I :1 9 3 0-1 9 3 2 I t ’ sAl i v e !-Di eSt u n d ed e rUn t o t e n Das Dokument des Grauens Eine Chronik des Horrorfilms Band 3 It’s Alive! - Die Stunde der Untoten Ralf Ramge Vollausgabe, Version 1.01, Stand: 27. Dezember 2014 Im Vertrieb von: Freshpics Studios Ramge, Postfach 66, 3123 Belp, Schweiz [email protected], http://retro-park.ch Das Dokument des Grauens Eine Chronik des Horrorfilms Band 3: It’s Alive! - Die Stunde der Untoten von Ralf Ramge Mit Bibliografie und Index Zur Verfügung gestellt für nichtkommerzielle Veröffentlichung und Verwendung c 2004 - 2015 Freshpics Studios Ramge, alle Rechte vorbehalten Umschlagfoto vorne: Boris Karloff und Marylin Harris, „Frankenstein“, c 1931 Universal Pictures Umschlagfoto hinten: „Island of Lost Souls“, c 1932 Paramount Inhaltsverzeichnis 1 Einführung 1 2 1930 9 3 Le sang d’un poète (1930) 45 4 The Bat Whispers (1930) 59 5 Dracula (1930) 81 6 Drácula (1931) 123 7 Eine kurze Reise durch die Zeit 145 Grant Wood: American Gothic (1930) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 Peter Kürten, der Vampir von Düsseldorf (1883 - 1931) . . . . . . . . . . . 149 8 M (1931) 171 9 Svengali (1931) 205 10 Die Mythen: Im Labor des Wahnsinns Die Anfänge . . . . . . . . . . . . . . . . . Curriculum Vitae: Victor Frankenstein . . . Dr. Frankensteins weiterer Werdegang . . . Arzt und Dämon: Dr. Jekyll und Mr. Hyde . Das verbrecherische Genie: Jack Griffin . . Unfreiwillige Mutationen: André Delambre Facetten des Irrsinns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 222 229 255 290 312 323 333 11 Frankenstein (1931) 351 12 Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1931) 393 13 1931 437 i Das Dokument des Grauens 14 Freaks (1932) 453 15 Murders in the Rue Morgue (1932) 511 16 Vampyr: Der Traum des Allan Grey (1932) 541 17 Die Mythen: Im Bann des Voodoo Der Vodun Westafrikas . . . . . . . Der haitianische Vodou . . . . . . . Voodoo in New Orleans . . . . . . . Der Zombie . . . . . . . . . . . . . Voodoo auf der Leinwand . . . . . . 579 580 582 584 588 594 ii . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Frankenstein (1931) 387 Das Dokument des Grauens Abbildung 11.33: Filmplakat, USA 1931 388 Kapitel 12 Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1931) Universal hatte mit Dracula (1930) gezeigt, dass man mit Horrorfilmen auch in der Zeit schwerster wirtschaftlicher Depression Geld verdienen konnte. Man musste nur genug Mut vorweisen oder auch verzweifelt genug sein; da nahezu jedes Filmstudio um das Überleben kämpfte und sich auch bei renommierten Filmstudios wie RKO abzeichnete, dass sie diesen Kampf verloren könnten, war Verzweiflung ein naheliegender Antrieb. Auch in der Finanzabteilung Paramounts schrillten die Alarmglocken und als Adolph Zukor, der Chef des Studios, den Erfolg von Universals Erfolgsfilm beobachtete, festigte sich in ihm die Absicht, auf den Zug gruseliger Literaturverfilmungen aufzuspringen. Doch Zukor war sich bewusst, dass sich ein großer Erfolg nur selten wiederholen lässt, idem man einfach nur Ideen kopiert. Daher würde es nicht ausreichen, einfach einen weiteren Klassiker zu verfilmen und mehr von den gleichen Ingredienzen zu bieten. Nein, Zukors Wunschprojekt Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1931)1 musste schauriger, brutaler, entsetzlicher und provokanter werden als alles bisher Dagewesene. Aber der Film musste auch zu Paramount passen und hier hatte Zukor ganz eigene Vorstellungen. Horrorfilme waren bislang in Zukors Portfolio unbedeutend, eigentlich sogar unpassend. Paramount produzierte vornehmlich bodenständige Werke. Filme aus dem Bereich der Phantastik waren nichts, womit Zukor weder sich noch seine Firma identifizieren konnte. Paramounts Welt waren Filme von Ernst Lubitsch oder Josef von Sternberg. Und daher war es für Zukor selbstverständlich, dass ein Horrorfilm aus seinem Hause keineswegs auch nur einen Hauch von Schmuddeligkeit suggerieren durfte, obwohl gerade dieser Hauch der verruchten Sensationsgier bei Universal die Kassen klingeln ließ. 1 Dr. Jekyll and Mr. Hyde, aka Dr. Jekyll und Mr. Hyde (Paramount Publix Corporation, USA 1931, Regie: Rouben Mamoulian, Drehbuch: Samuel Hoffenstein, Percy Heath (basierend auf dem gleichnamigen Roman von Robert Louis Stevenson), Kamera: Karl Struss, Musik: Johann Sebastian Bach, Robert Schumann, Maske: Wally Westmore, Spezialeffekte: Rouben Mamoulian, Darsteller: Fredric March, Miriam Hopkins, Rose Hobart, Holmes Herbert, Halliwell Hobbes, Edward Everett Norton, Tempe Pigott, Bildformat: 1.33:1, Tonformat: Western Electric Noiseless Recording, Laufzeit: ca. 96 Minuten) 389 Das Dokument des Grauens Dementsprechend war die Herausforderung, mit Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1931) einen radikalen Horrorfilm im Gewand eines intellektuell angestrichenen Dramas im Stile Paramounts zu drehen, welches sowohl die Kritiker als auch das Publikum begeistern würde. Zukor beauftragte die Autoren Samuel Hoffenstein und Percy Heath damit, das Remake des Barrymore-Klassikers Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1920) zu verfassen. Beide Autoren genossen ein hohes Ansehen bei Paramount und gehörten zur ersten Garde des Studios. Gleiches galt für den designierten Regisseur des Films, Rouben Mamoulian. Mamoulian war jedoch bei weitem kein Routinier, sondern vielmehr ein äußerst vielversprechendes Talent. Der 1897 in Tiflis geborene Georgier studierte zuerst Jura an der Universität von Moskau, doch er vernachlässigte sein Studium zunehmend zugunsten seiner Leidenschaft für das Theater. Zuerst nahm er Schauspielunterricht, wandte sich dann jedoch der Regie zu und feierte schließlich regelmäßige Erfolge, welche ihn auch nach London und späterhin nach New York führten. Am Broadway erreichte er seinen Höhepunkt als TheaterAbbildung 12.1: Filmplakat, USA 1931 schaffender mit seiner gefeierten Aufführung von Porgy und Bess im Jahr 1926, im für dieses Geschäft unglaublich jungen Alter von lediglich 30 Jahren. Dieser Erfolg ermöglichte ihm seine erste Filmarbeit. Paramount nahm ihn für Applause (1929) unter Vertrag, ein Drama aus der Welt hinter den Theaterkulissen. Applause (1929) war bereits ein Tonfilm und Mamoulian unterlag so nie den Einschränkungen des Stummfilms - dafür aber den noch rudimentären technischen Möglichkeiten des jungen Tonfilms und Mamoulian ließ nichts unversucht, um aus dieser Restriktion mit Hilfe phantasievoller Techniken auszubrechen. In seinem zweiten Film, dem Kriminalfilm City Streets (1931) mit Gary Cooper in der Hauptrolle, produzierte Mamoulian dann auch prompt den ersten akustischen Flashback der Kinogeschichte: Mamoulian nahm einen Close-up des tränenüberströmten Gesichtes seiner Darstellerin Sylvia Sidney auf und anstelle seine Darstellerin in lautes Lamentieren und Jammern ausbrechen zu lassen, ließ Mamoulian bereits stattgefunde390 12. Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1931) ne Dialoge geisterhaft wiederholen, was seitdem eine gängige Erzähltechnik in Filmen ist. Mit City Streets (1931) war Mamoulian neben Josef von Sternberg, Ernst Lubitsch und Cecil B. DeMille zu einem der wichtigsten Regisseure Paramounts gereift und wurde daher mit der Regie von Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1931) beauftragt. Wenn man kurz darüber nachdenkt, erscheint die Wahl als logisch. Zukor musste einen todsicheren Trumpf ausspielen, denn auch Paramount stand kurz vor der Pleite und brauchte dringendst einen weiteren Kassenschlager. DeMille, von Sternberg und Lubitsch hingegen konnte man das Projekt nicht zumuten, denn ein Horrorfilm passte zu diesen Männern wie die Faust aufs Auge, zumal sie sich dem Stoff sicherlich nicht mit Begeisterung genähert hätten. Mamoulian war noch jung, formbar, hatte nichts zu verlieren und tat, was ihm aufgetragen wurde. Und aus Sicht von Mamoulian konnte er selbst dabei nur gewinnen. Wenn er das Kind in trockene Tücher brächte, wäre ein Kassenerfolg wahrscheinlich und seiner Karriere würde dies einen entsprechenden Vortrieb leisten. Zukor versuchte, Mamoulian jenen Darsteller zur Seite zu stellen, welcher einen Erfolg praktisch garantiert hätte: er bot John Barrymore für eine Wiederholung seiner klassischen Filmrolle die damals unerhörte Traumgage von über $12.000 - pro Woche. Abbildung 12.2: Filmplakat, USA 1931 MGM gab jedoch ein noch besseres Angebot als Zukor für die Hauptrollen in den Produktionen Arsène Lupin (1932) und Grand Hotel (1932) ab, sodass Barrymore bei MGM unterschrieb. 391 Das Dokument des Grauens Daraufhin beschloss Zukor, stattdessen den Charakterdarsteller Irving Pichel für die Doppelrolle von Dr. Jekyll und Mr. Hyde zu verpflichten. Pichel hatte gerade für Paramount eine kleinere Horrorproduktion namens Murder by the Clock (1931) abgedreht, in welcher er einen prügelnden Sadisten spielte und sich in Zukors Augen somit für Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1931) empfahl. Nachdem Pichel bereits zwei Sitzungen mit Testaufnahmen hinter sich gebracht hatte, legte Mamoulian dann jedoch ein Veto ein. Er sagte zu Zukor, er brauche jemanden, der auch Dr. Jekyll spielen könne und nicht nur Mr. Hyde. Dies beendete dann Irving Pichels Aussichten auf eine prestigeträchtige Hauptrolle umgehend. Doch dieser Verlust sollte sich nicht sonderlich nachhaltig auf Pichels Karriere auswirken. Im Laufe der nächsten Monate drehte er drei andere Filme bei Paramount. Dann verschlug es ihn zu RKO und er nahm dort für die Inszenierung des SurvivalHorrorklassikers The Most Dangerous Game (1932) erstmals auf dem Regiestuhl Platz. Seine berühmteste Regiearbeit entstand fast 20 Jahre später mit Destination Moon (1950), einem der wichtigsten Filme der Science Fiction. Pichel blieb aber auch als Darsteller aktiv; wir werden ihm noch in der Rolle des finsteren Butlers Sandor in Dracula’s Daughter (1936) begegnen. Der Darsteller, welchen Rouben MaAbbildung 12.3: Filmplakat, Schweden moulian für die Hauptrolle in seinem 1932 Film haben wollte (und den er letztlich auch erhielt) war Frederick Ernest McIntyre Bickel, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Fredric March. March war ebenso wie Pichel bereits ein Darsteller aus Paramounts Stall und dementsprechend auch im Vergleich zu extern eingekauften Stars wie John Barrymore preiswert zu haben. Mamoulian sah in Fredric March den idealen Darsteller von Dr. Jekyll. March hatte bereits 10 Jahre Bühnenerfahrung vorzuweisen, bevor er 1930 zu Paramount kam, er war galant, attraktiv und auch talentiert. Zukor war anfangs jedoch sehr zurückhaltend und skeptisch, denn bei allem vorhandenen Talent konnte er sich March beim besten Willen nicht als diabolischen Mr. Hyde vorstellen. Und Zukor glaubte auch nicht, dass Marchs Publikum dies ohne weiteres akzeptieren würde, denn March war bereits ein bekannter Darsteller in vorwiegend romantischen Komödien und hatte für The Royal 392 12. Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1931) Family of Broadway (1930) auch gerade eine Oscarnominierung erhalten. Gegensätzlicher könnte die Hauptrolle in Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1931), in welchem er eine Frau zu Tode prügeln sollte, wohl kaum sein. Zukor gab jedoch schnell nach. Er hatte Mamoulian zur Realisierung dieses Projekts ein gigantisches Budget von $500.000 zur Verfügung gestellt, mehr als das Doppelte dessen, was A-Pictures normalerweise kosteten. Daher war es nur logisch, dass er Mamoulian auch bei der Wahl seines Personals blind vertraute. Mamoulian verpflichtete insgesamt 81 Darsteller für Sprechrollen und weitere 500 Statisten. Fredric March war nicht der einzige interessante Darsteller der Besetzung. Auf die anderen Darsteller werden wir eingehen, sobald diese ihren Auftritt auf der Leinwand haben, denn jetzt sehen wir uns den Film häppchenweise an und gehen auf interessante Dinge dann ein, wenn sie über die Leinwand flimmern. Der Film beginnt erwartungsgemäß mit einer Titelkarte, welche den Filmtitel sowie die Namen des Produzenten, der Hauptdarsteller sowie des Regisseurs zeigt. Aber am unteren Bildrand lauert bereits ein Detail, welches der genaueren Erläuterung bedarf: Der Schriftzug „Copyright MCMXXXI by Paramount Publix Corporation“. Was zum Henker ist Paramount Publix? Von Paramount haben Sie wohl bereits gehört, aber der Zusatz Publix ist nicht jedermann geläufig. Verschaffen Abbildung 12.4: Die Titelkarte des Films wir uns Klarheit, indem wir einen Blick auf die turbulente und umstrittene Firmengeschichte werfen. Aufmerksame Leser erinnern sich vielleicht noch an unseren Abriss über die Filmwirtschaft und den Zusammenbruch der alten Filmlabels, welche sich unter dem Dach der MPCC zusammengeschlossen hatten2 . Dort sprachen wir davon, wie um das Jahr 1914 kleinere Produktionsfirmen das Ruder auf dem amerikanischen Markt an sich rissen und einer der aufstrebenden Kleinmogule war Adolph Zukor gewesen, damals Kopf der Famous Players Company. Diese fusionierte mit der Lasky’s Feature Play Company zur Famous Players - Lasky Corporation. Im Jahr 1916 übernahm Zukor Mehrheitsanteile an Paramount. Paramount wurde jedoch nicht von der Famous Players - Lasky Corporation absorbiert, sondern firmierte weiterhin unter eigenem Namen. Paramount hatte in den folgenden Jahren ebenso wie die Famous Players - Lasky Corporation nur sehr selten Kontakt mit dem Horrorgenre, aber lassen Sie sich hiervon nicht in die Irre leiten. Zukor hatte einfach kein Interesse an phantastischen Filmen, er strebte nach höherem - und hier vor allem nach höheren Umsätzen. Paramount verzeichnete hier auch prompt als hauptsächliche In2 Dies können Sie bei Bedarf in dem Band Als der Horror laufen lernte nachlesen. 393 Das Dokument des Grauens novation während der Stummfilmzeit, im Jahr 1921 wegen seiner Marketingstrategien eine ausgewachsene Antitrust-Klage am Hals gehabt zu haben. Paramount hatte nämlich das Block Booking erfunden. Dies war ein Verfahren, welches die Kinobetreiber zwang, sich vertraglich an Paramount zu binden. Paramount verlieh keine einzelnen Filme mehr, sondern nur noch Pakete. Diese bestanden aus einem oder mehreren großen Kassenschlagern mit Mary Pickford, welche die Kinobesitzer unbedingt zeigen wollten. Diese erhielten sie nur zusammen mit bis zu 20 kleinen (und oftmals auch unattraktiven) Filmen, welche zu zeigen sich die Kinos verpflichten mussten. Viele dieser minderwertigen Filme waren zum Zeitpunkt der Buchung auch noch gar nicht produziert. Somit brachte Paramount den hauseigenen Schrott unter das Volk und blockierte die Kinosäle; Paramount erzwang teilweise sogar Exklusivverträge mit einer Laufzeit von über einem Jahr. Verweigerte sich ein Kinobetreiber dieser Marktpolitik, versuchte Paramount, ihn gezielt vom Markt zu drängen. Höhepunkt dieser Entwicklung war hier der Kampf um Marktanteile in dem Städtchen Middletown des Staates New York, als Paramount von dem hiesigen Betreiber des einzigen Lichtspielhauses eine exklusive vertragliche Bindung über einen Zeitraum von fünf Jahren verlangte und, als dieser nicht einlenkte, seinem Kino gegenüber einen großen Filmpalast aus dem Boden stampfte und ihn mit Kampfpreisen vom Markt drängte[5]. Der Antitrust-Prozess begann im August 1921 und zog sich bis ins Jahr 1927 Abbildung 12.5: Filmplakat, USA 1931 hin. Paramount unterlag. Während der Jahre hatte Paramount jedoch nicht nur das beanstandete Geschäftsgebaren weiterhin praktiziert, sondern ähnliche Vorgehens394 12. Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1931) weisen seiner schärfsten Konkurrenten provoziert. Weiterhin war Paramount kontinuierlich gewachsen und wagte es nach der Urteilsverkündung, sich gegen die Auflagen zu stemmen. Zukor benannte seine Firma um und gliederte Paramount mit ein, Paramount Famous Lasky entstand. Nun wurde das Justizministerium hellhörig und klagte Paramount erneut an - und die größten Mitbewerber, mit welchen sich Zukor den Markt durch Blockbuchungen aufteilte, gleich noch mit. Paramount, RKO, Universal, MGM, First National Pictures, Vitagraph und noch einige kleinere Labels wurden 1929 wegen Monopolbildung verurteilt, die Blockbuchungen sofort aufzuheben. Doch dann kam die große Depression und Hollywood drohte, in den finanziellen Abgrund zu stürzen. Die betroffenen Studios nahmen sofort Kontakt zur Regierung auf und in einem umstrittenen Handel wurde das Urteil von Roosevelt wieder annulliert und erst im Jahr 1948 in einem erneuten Prozess des Staates gegen Paramount erneut mühsam erstritten. Das Block Booking gilt noch bis heute als die Wurzel allen Übels in der Filmindustrie. Mit dem verlorenen Prozess des Jahres 1929 reagierte Zukor erneut mit einer Umstrukturierung Paramounts. Paramount wurde 1930 in Paramount Publix Corporation umbenannt. Der Name stammt von einem 1924 gegründeten Tochterunternehmen, unter dessen Dach die Filmtheater Paramounts firmierten und die Umbenennung war ein erneuter politischer Schachzug, um die marktwirtschaftliche und juristische Lage Paramounts weiterhin zu festigen. Diese Umbenennung erwies sich jedoch schnell als Eigentor, denn durch die große Depression war das Geschäft der ursprünglichen Paramount Publix stark rückläufig. Einige der gigantischen Filmpaläste wurden wegen der ausbleibenden Zuschauer sogar zu Parkhäusern umfunktioniert, damit sie wenigstens noch etwas Geld einbrachten. Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1931) war schließlich für Lasky nicht minder wichtig wie es Dracula (1930) für die Laemmles gewesen war. Doch im Gegensatz zu Universal hatte Paramount Publix es zu stark übertrieben und der Film konnte das Studio nicht retten. Ein knappes Jahr nach der Premiere von Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1931) musste Paramount Publix Konkurs anmelden. Das Label war somit recht kurzlebig und daher ist es kein Wunder, dass der durchschnittliche Filmliebhaber Paramount Publix nicht mehr kennt. Doch nun weiter im Programm. Es folgt eine Titelkarte, auf welcher der Name Rouben Mamoulians prangt und welcher nichts Besonderes anhaftet. Bei der dritten Titelkarte werden wir auf unserer Suche nach Details erneut fündig. Hier werden nun die Autoren genannt, Robert Louis Stevensons Vorlage und der Kameramann Karl Struss. Das interessante Detail finden wir in der rechten unteren Ecke. Dort steht „Western Electric Noiseless Recording“ geschrieben. Mit einem Tonformat dieses Namens hatten wir es bislang noch nicht zu tun. Was steckt dahinter? Wir kennen bisher zwei vorherrschende Prinzipien der Tonaufzeichnung in den frühen 30er Jahren: Lichtton mittels des Movietone-Formates, welches das Bildformat auf 1.20:1 reduzierte und Vitaphone, bei welchem der Ton auf Schallplatten aufgezeichnet war. Western Electric Noiseless Recording ist ebenfalls wie Movietone ein Lichttonformat. Der Verdacht liegt nahe, dass es sich nur um ein weiteres Plagiat han395 Das Dokument des Grauens deln könnte, aber ein Blick auf ein Negativ von Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1931) zeigt, dass dem nicht so ist, denn der Film kommt in 1.37:1 daher. Also musste etwas anderes dahinterstecken. Die Bezeichnung „Western Electric Noiseless Recording“ suggeriert leicht, es habe sich hierbei um eine Technik zur Rauschunterdrückung gehandelt. Dem ist nicht so. Hier kam ein Effekt zum Tragen, welchen Sie vielleicht bereits kennen. Haben Sie sich nicht auch schon über Aufbereitungen älterer Filme gewundert, bei welchen die Dialoge völlig verrauscht sind, aber nicht etwa in den Sprechpausen, sondern nur im Hintergrund bei gesprochenen Worten? In den Abbildung 12.6: Weitere interessante De- Pausen zwischen Sätzen wurde hier die originale Tonspur einfach ausgeblendet. tails folgen auf der dritten Titelkarte Nichts anderes machte Western Electric Noiseless Recording bereits während der Tonaufzeichnung auf den Filmstreifen3 . Die Musik, welche wir während des Vorspanns hören, ist eine orchestrale Fassung mit klar erkennbaren Streichern und Bläsern von Johann Sebastian Bachs berühmter Komposition Toccata d-Moll. Doch diese Musik läuft nur während die Texttafeln zu sehen sind; mit der ersten Einstellung des Films wechselt die Musik zu Bachs Choralvorspiel Ich rufe zu Dir, Herr Jesus Christus, gespielt auf einer Kirchenorgel. Mit den ersten Takten der Orgelmusik öffnet sich eine Irisblende und gibt den Blick frei auf Orgelpfeifen. Der Film beginnt nun sofort mit einem dreieinhalb Minuten währenden Paukenschlag: der ersten subjektiven Kamerafahrt der Filmgeschichte. 3 Diese erfolgte logischerweise mit einer Lampe und immer dann, wenn keine Geräusche moduliert werden sollten, brannte die Lampe nicht einfach durch, sondern durch eine mechanische Klappe wurde das Licht unterbrochen. Hierdurch wurde die Tonspur nicht dauerbelichtet, sondern in tonfreien Passagen überhaupt nicht dem Licht ausgesetzt. Dementsprechend konnten hier auch kein Grundrauschen durch leichte Oszillationen der Lichtquelle, Körnung des Filmmaterials oder andere äußere Einflüsse entstehen - die Tonspur war völlig schwarz und somit auch völlig leise. Hierdurch änderte sich jedoch der Aufbau der Tonspur völlig, denn beim Movietone-Verfahren war es genau andersrum, dort wurde „leise“ durch „vollständig durchsichtig“ signalisiert und schwarz bedeutete „laut“. Daher waren Movietone und dieses neue Verfahren nicht zueinander kompatibel. Gegenüber Vitaphone war Movietone qualitativ bisher deutlich unterlegen. Vitaphone schaffte inzwischen Frequenzen von etwa 50 Hz bis 10 kHz, Movietone bewegte sich im Bereich von 63 Hz bis 4,5 kHz. Western Electric hatte den 1A Optical Reproducer, welcher mittels lichtempfindlicher Zellen die Spur des Lichttons in elektrischen Strom umwandelte, jedoch mittlerweile überarbeitet und die Schlitzmaske der optischen Zelle auf etwa einen Millimeter verkleinert, wodurch auch hier 10 kHz erreicht werden konnten. 396 12. Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1931) Rouben Mamoulian genoss den Ruf eines wegweisenden Technikers. Beim Umgang mit Ton war er stets brillant, bei Kameraarbeiten revolutionär. Manche Kritiker werfen ihm vor, er sei mehr Techniker als Erzähler, ähnlich wie es auch anderen Regisseuren vorgehalten wird, welche in Mamoulians Geiste arbeiten, allen voran Mario Bava, Stanley Kubrick und Brian de Palma. Doch Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1931) macht diese Kritik nur schwer nachvollziehbar, denn technische Spielereien stehen hier stets im Dienste der erzählten Geschichte und haben vorrangig die Funktion, die Geschichte möglichst effizient in die Köpfe seiner Zuschauer zu transportieren. So lässt Mamoulian den Film sofort mit der Anforderung beginnen, dass sich der Zuschauer mit Dr. Jekyll identifizieren müsse, um dessen Horror selbst zu erleben. Bis zu einem gewissen Maße ist dies eine selbstverständliche Sache, denn ohne Identifikation mit den Hauptfiguren eines Films wird sich das Publikum kaum gruseln. Analog benötigen Horrorfilme jedoch auch eine gewisse Distanzierung des Zuschauers zu dem Grauen auf der Leinwand, denn ansonsten wird sich der angenehme Grusel in unangenehme Verstörung verwandeln4 . Mamoulian wählte hier den riskanten Weg und befördert bereits in der ersten Szene von Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1931) den Zuschauer mit Hilfe des Stilmittels der subjektiven Kamera direkt in Dr. Jekyll hinein. Wir sehen, was Dr. Jekyll sieht. Eine Distanz zu Dr. Jekyll ist nicht mehr möglich, wir sind Dr. Jekyll und sein Grauen wird unser Grauen sein. Wie sieht die Kamerafahrt auf der Leinwand aus, welche uns die Welt mit Dr. Jekylls Augen sehen lassen soll? Jekylls Blick gleitet die Orgelpfeifen hinab, verharrt kurz über den Notenblättern und schaut dann auf die Orgelmanuale hinab, über deren Tasten seine Hände hinweggleiten. Ein kurzer Blick nach links, als er ein Register zieht, dann wieder zurück zu seinen Händen. Sein Butler Poole betritt die Szenerie. Poole wird von Edgar Norton dargestellt, einem Stevenson-Darsteller alter Garde. Norton spielte bereits 1898 in den Theateraufführungen von Dr. Jekyll and Mr. Hyde mit. Er ist der typische Darsteller eines Butlers: alt, liebenswürdig, etwas zerknittert und unendlich galant. Wir werden ihm in seiner Paraderolle in Son of Frankenstein (1939) erneut begegnen. Poole kommt, um seinen Chef daran zu erinnern, dass er in 15 Minuten einen Termin in der Universität wahrnehmen müsse. Nach einem kurzen Dialog, in welchem Dr. Jekyll Pooles Hartnäckigkeit bei seiner Diensterfüllung lobt, erhebt sich Jekyll von seinem Stuhl. Er dreht sich um. Sein Blick verharrt einige Sekunden auf zwei Sträußen frischer Rosen. Achten Sie hier auf die Statue, wir werden solchen noch des Öfteren begegnen - und nehmen Sie auch zur Kenntnis, dass die Statue nackt ist. Nacktheit ist eines der versteckten Leitmotive in Mamoulians Film. Dr. Jekyll (bzw. die Kamera) folgt dem Butler hinaus in das Treppenhaus des Anwesens. Auch hier ist wieder flüchtig eine Statue zu sehen (sie befindet sich gegenüber der Tür unter einem Wandgemälde). Poole durchschreitet die Halle. Auf halbem Wege 4 Siehe hierzu auch das Kapitel Das Wesen des Grauens in Band 1. 397 Das Dokument des Grauens Subjektive Kamerafahrten, Teil I Abbildung 12.7: Dr. Jekylls Hände spielen die Orgel... Abbildung 12.8: ...er spricht mit seinem Butler Poole... Abbildung 12.9: ...dann läuft Dr. Jekyll durch das Zimmer... Abbildung 12.10: ...er folgt Poole durch die Eingangshalle... Abbildung 12.11: ...zur Garderobe (Spiegelung beachten!)... Abbildung 12.12: dort an... 398 ...und zieht sich 12. Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1931) macht er kurz Halt und erkundigt sich, ob Dr. Jekyll einen Übermantel oder seinen Umhang wünscht. Jekyll entscheidet sich für den Umhang, Poole läuft weiter. Schauen Sie jetzt genau hin, wenn Sie den nun bald folgenden Spezialeffekt auf Anhieb durchschauen möchten. Die Kamera wird nämlich in Kürze senkrecht in einen Spiegel hineinschauen und in diesem sehen wir dann nur uns selbst, also Dr. Jekyll. Wir sehen jedoch keine Kamera. Wie dies gedreht wurde, wird klar, als Poole vor uns laufend den Spiegel passiert. In diesem sehen wir deutlich die Spiegelung der vor dem Spiegel stehenden Kerze. Bei Poole hingegen reicht es jedoch nur für eine halbdurchsichtige Reflektion. Schauen Sie genau hin und Sie werden erkennen, dass es sich bei dem vermeintlichen Spiegel um eine normale Glasscheibe handelt. Hier liegt ein Kamerafehler vor, denn die kurze, geisterhafte Reflektion Pooles hätte man vermeiden können. Dr. Jekyll kleidet sich an. Hier blicken wir durch die Glasscheibe hindurch und sehen erstmals Fredric March auf der Leinwand. Der Eindruck, dass wir in einen Spiegel schauen würden, ist nahezu perfekt; nur hin und wieder sind schemenhaft undeutliche Bewegungen im Glas zu erkennen, welche von Mitarbeitern des Filmteams stammen, welche hinter der Kamera arbeiteten. Eine solche Reflektion ist recht gut zu erkennen, als Poole seinem Chef den Umhang reicht, links oben neben der Kerze. Die Reflektionsfehler gelten als Grund dafür, dass die komplette Eingangssequenz bis zur Einfahrt in die Universität bei der Wiederaufführung im Jahre 1935 aus dem Film herausgeschnitten wurde - angeblich stufte hier ein Mitarbeiter die Fehler als so gewichtig ein, dass er die erste Hälfte der Kamerafahrt aus dem Film entfernte. Nachdem sich Dr. Jekyll fertig angekleidet hat, bewegt sich die Kamera hinaus ins Freie. Dr. Jekylls Kutsche wartet bereits. Jekyll begrüßt den Kutscher und der Kutscher begrüßt Jekyll, doch dieser kurze Dialog ist vornehmlich ein Ablenkungsmanöver, damit wir nicht bemerken, dass die Kutsche plötzlich wackelt. Das Wackeln kommt daher, dass in diesem Moment die Vorbereitungen getroffen wurden, die Kamera in die Kutsche einsteigen zu lassen. Nun waren die Kameras auch schon damals sehr klobige Geräte, welche unmöglich unauffällig in eine Kutsche gesetzt werden können. Daher wurde der komplette hintere Aufbau der Kutsche vor Beginn der Dreharbeiten abgesägt, sodass lediglich die tragenden Bretter als eine Plattform für die Kamera bereitstanden, wie bei einem Pritschenwagen. Als die Kamera das Haus verlässt, ist die Kutsche mit ihren vollständigen Aufbauten zu sehen und das Wackeln bei der Begrüßung Jekylls durch den Kutscher entsteht durch das Abnehmen des hinteren Kutschenaufbaus. Nach einigen Sekunden gut getarnter Umbauarbeiten steigt Dr. Jekyll dann auch in die Kutsche ein und die Fahrt kann beginnen. Nach einigen Metern kommt eine Überblendung mit der Ankunft der Kutsche vor den Torbögen der Universität, immer noch aus der subjektiven Perspektive gefilmt. Die gekürzte Fassung des Films aus dem Jahr 1935 beginnt erst mit dieser Einstellung. Dr. Jekyll fährt in den Hof des Gebäudes ein. Er begrüßt den vor der Einfahrt stehenden Constable und den Pförtner, dann entlässt er seinen Kutscher Jasper mit dem Hinweis, dass er nicht mehr benötigt werde, da er den Rest des Tages mit einem gewis399 Das Dokument des Grauens Subjektive Kamerafahrten, Teil I (Forts.) Abbildung 12.13: ...bevor er die Kutsche besteigt... Abbildung 12.14: ...und diese schließlich losfährt. Abbildung 12.15: Die Kutsche trifft an der Universität ein... Abbildung 12.16: ...Dr. Jekyll verabschiedet sich vom Kutscher... Abbildung 12.17: ...und wird von drei Studenten begrüßt... Abbildung 12.18: ...bevor ihm ein Wächter die Tür öffnet... 400 12. Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1931) Subjektive Kamerafahrten, Teil I (Forts.) Abbildung 12.19: ...und er den Hörsaal betritt... Abbildung 12.20: ... wo sein Blick über sein Publikum schweift. sen Dr. Lanyon verbringe. Hier kann man erneut ein Wackeln der Kutsche feststellen, welches durch das Herunterheben der Kamera von der Plattform entstand. Wieder dient der kurze Dialog mit dem Kutscher als Ablenkungsmanöver. Die Kamera bewegt sich auf drei Studenten zu, welche sich mit den Worten „Wie geht es Ihnen, Dr. Jekyll?“ vor uns verneigen. Der mittlere der drei Darsteller, jener mit den auffallend blonden Haaren, ist Douglas Walton. Wir werden ihn in The Picture of Dorian Gray (1945) und Bride of Frankenstein (1935) wiedersehen. Die Kamera schwenkt nach links; Dr. Jekyll läuft zu einer geschlossenen Tür, vor welcher der Bedienstete Hampton auf ihn wartet. Hampton nimmt Mantel und Hut entgegen, er verweist auf das mit Zuhörern gut gefüllten Auditorium und öffnet Dr. Jekyll die Tür. Dr. Jekyll tritt in den Hörsaal ein. Sein Blick schweift über die besetzten Bänke, kurz nach links zu seinem Freund Dr. Lanyon, dann wieder zurück in die Mitte. Schnitt, die einleitende Fahrt der subjektiven Kamera ist hier zu Ende. Es ist eine alte Weisheit im Filmbusiness, dass die wichtigsten Abschnitte eines Filmes die ersten und die letzten Minuten sind. Das Ende eines Filmes ist jener Teil, welcher den Gesamteindruck des durchschnittlichen Zuschauers maßgeblich beeinflusst. Der Beginn eines Films hingegen ist dafür verantwortlich, dass der Zuschauer den Film überhaupt ansieht. Daher werden die ersten Minuten eines Films oftmals zu einem Highlight des Gesamtwerkes, die eigentliche Einführung in den Stoff erfolgt erst später. 401 Das Dokument des Grauens Ein Paradebeispiel hierfür sind die James Bond-Filme, deren Vorspann eine kleine actiongeladene Ouvertüre vorausgeht, welche in den meisten Fällen in keinem Bezug zu der eigentlichen Handlung steht und lediglich dem Anstacheln des Publikums dient, damit es noch weitere zwei Stunden bei der Stange bleibt. Bei Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1931) ist es nicht anders. Die dreieinhalb Minuten der subjektiven Kamera mögen heutigen Betrachtern vielleicht nicht mehr bewusst auffallen, denn derartiges hat man mittlerweile schon oft gesehen, aber damals war das noch etwas Besonderes und sorgte für Aufsehen. Ob Mamoulians bekundete Absicht, den Zuschauer in die Rolle Dr. Jekylls zu zwingen, überhaupt funktioniert, ist eine rein subjektive Erfahrung und das muss jeder Betrachter selbst mit sich ausmachen. Es ist aber nicht zu bestreiten, dass eine herkömmliche Inszenierung der Anfahrt Jekylls zur Universität wesentlich unspektakulärer, wenn nicht gar langweilig ausgefallen wäre. Somit erfüllt die lange und komplizierte Kamerafahrt genau den gleichen Zweck wie die Anfangsminuten unzähliger Thriller, Action- und Horrorfilme späterer Jahrzehnte. Daher kann man sich darüber streiten, was denn nun innovativer sei, die subjektive Kamerafahrt selbst oder die Art der Eröffnung des Filmes und somit Rouben Mamoulians Erzählweise. Auf einen spektakulären Auftakt folgt normalerweise eine etwas geruhsamere Exposition und auch Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1931) folgt dieser Regel. Nun ist es an der Zeit, Dr. Jekyll seinem Publikum vorzustellen. Zuerst soll der Zuschauer erfahren, dass Jekyll ein respektierter und talentierter Forscher ist. Dies erledigen der von Douglas Walton dargestellte blonde Student und Dr. Lanyon, der die außergewöhnlichen Ideen Jekylls explizit betont. Dr. Lanyon wird übrigens von HolAbbildung 12.21: Holmes Herbert (links) mes Herbert dargestellt. Holmes Herbert spielt Dr. Lanyon hieß eigentlich Edward Sanger, aber er änderte seinen Namen in Anlehnung an den von ihm verehrten Meisterdetektiv Sherlock Holmes. Er ist einer jener omnipräsenten Charakterdarsteller, welche ständig in Minirollen glänzen, aber an die sich niemand konkret erinnert. Holmes Herbert hatte Sprechrollen in über 100 Filmen und darunter befinden sich auch viele Filme aus dem Bereich der Phantastik, darunter die Rolle von Sir Roscoe Crosby sowohl in Tod Brownings The Thirteenth Chair (1929) als auch dem Remake The Thirteenth Chair (1937), er spielte in Mystery of the Wax Museum (1933), The Invisible Man (1933), Tod Brownings Mark of the Vampire (1935), in Tower of London (1939) ist er an der Seite von Basil Rathbone, Vincent Price und Boris Karloff zu sehen und auch in den eher missratenen Ghost of Fran402 12. Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1931) kenstein (1942), The Invisible Agent (1942), The Undying Monster (1942) und The Mummy’s Curse (1944) taucht er auf. Dr. Jekylls Vision wird durch ihn selbst dargelegt. Fredric Marchs abgesehen von der kurzen Einstellung der Ankleideszene erster Auftritt gerät umgehend zu einer ausgeprägten Selbstdarstellung sowohl Dr. Jekylls als auch seiner selbst. Jekyll hält eine Rede. Darin geht er zuerst kurz auf die Motive der Wissenschaft ein und danach auf seine ganz persönliche Vision der in Gut und Böse gespaltenen Seele des Menschen. Offensichtlich wollte Rouben Mamoulian die Ansprache Jekylls so eindringlich wie möglich gestalten. Die Kamera nimmt wiederholt unkonventionelle Positionen ein. Anfangs ist sie noch zurückhaltend, dann wechselt sie in die subjektive Ansicht eines im Publikum sitzenden Studenten. Das Kinopublikum wird also belehrt. Doch ab jenem Moment, in welchem Dr. Jekyll auf die Seele des Menschen zu sprechen kommt, trägt Mamoulian ziemlich dick auf. Die Kamera wechselt in eine Position zu Dr. Jekylls Füßen und dessen lehrmeisterhaft erhobener Zeigefinger scheint Jekylls These in den Zuschauer regelrecht hineinprügeln zu wollen. Diese Einstellung ist intensiv, aber auch völlig pathetisch. Fredric Marchs stark geschminktes Gesicht und sein hart an der Grenze des Übertreibens manövrierendes Schauspiel tragen hierzu noch bei. Die Bilder sind überambitioniert und der Inhalt der gesprochenen Worte verblasst unter ihrer Wucht. Stilistisch ist Jekylls Rede im Auditorium eine starke Szene, im Gesamtkontext schießt sie jedoch weit über ihr Ziel hinaus. Abbildung 12.22: Belehrend: Dr. Jekyll. Beachten Sie den expressionistischen BildZu guter Letzt hat jedoch Mamoulian ein Einsehen und blendet Dr. Jekylls hintergrund Ansprache langsam aus und die aus dem Hörsaal strömenden Zuhörer ein. Diese diskutieren heftig; manche sind von Jekylls Vision beeindruckt, andere empfinden sie als lächerlich. Dr. Jekyll selbst verlässt den Ort seines Vortrags in Begleitung von Dr. Lanyon. Es beginnt der nächste Teil von Dr. Jekylls Einführung in die Geschichte. Bisher wissen wir ungefähr, wer er ist und womit er sich beschäftigt. Nun wird es Zeit, etwas über seinen Charakter zu erfahren. Auch hier wird Mamoulian sich der Übertreibung hingeben und Dr. Jekyll zu einem Heiligen stilisieren. Es beginnt damit, dass Dr. Jekyll seinem Freund Lanyon mitteilt, er werde an diesem Abend nicht an einem Empfang der Herzogin von Densmore teilnehmen. Stattdes403 Das Dokument des Grauens sen wird er in das Krankenhaus eilen, in welchem er die Ärmsten der Armen behandelt - natürlich kostenlos. Die nun folgende Szene wurde bei der Wiederaufführung 1935 aus religiösen Gründen zensiert. Wir sehen ein kleines Mädchen, welches mitleiderregend an Krücken einen Gang entlanghumpelt. Sie kann ohne die Krücken nicht gehen, teilt uns ihre Stimme aus dem Off mit, während sich die Kamera in einem Close-up an ihre hilflos herabbaumelnden Beine heftet. Jekyll nimmt ihr die Gehhilfen ab und befiehlt ihr, zu gehen. Und tatsächlich, sie setzt langAbbildung 12.23: Das durch Jekyll geheilte sam einen Fuß vor den anderen und läuft langsam auf die Kamera zu. „Ich kann und verzückte Mädchen gehen!“ ruft sie, mit in die Höhe gereckten Händen und einem verklärten Gesichtsausdruck religiösen Wahns. Und als wäre das nicht genug, versetzt Dr. Jekyll am Abend dann auch noch Dr. Lanyon, mit welchem er den General Carew und dessen Tochter Muriel besuchen wollte. Muriel ist die wichtigste Frau in Dr. Jekylls Leben, doch heute Abend muss sie einer alten Bettlerin weichen, welche Dr. Jekyll zu operieren plant. Zu diesem Zeitpunkt des Films könnte man den Eindruck entwickeln, dass Mamoulian den brillanten Anfang seines Filmes mit Gewalt entwerten und in süßlichem Pathos ertränken wolle. Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1931) ist ein Film der Extreme, in mancherlei Hinsicht. Wir lernen jetzt Dr. Jekylls Verlobte Muriel und ihren Vater, den General Carew, kennen. Der General wird von Halliwell Hobbes verkörpert, einem ebenfalls vielbeschäftigten Darsteller, dessen Filmografie über 100 Titel umfasst. Ursprünglich war er als Bühnendarsteller sehr erfolgreich; zu seinen bekanntesten Auftritten zählt die Doppelrolle als Richter und als Mörder in der Bühnenfassung von Agatha Christies Ten little Indians. Vor der Abbildung 12.24: Muriel Carew und ihr Kamera erschien Hobbes vorrangig in Nebenrollen. Unter anderem wirkte er in Vater, der General Frank Capras Forbidden (1932), Charlie Chan in Shanghai (1935), William Dieterles The Story of Louis Pasteur (1935), Dra404 12. Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1931) cula’s Daughter (1936), The Undying Monster (1942), dem horrorlastigen Kriminalfilm Sherlock Holmes Faces Death (1943) mit Basil Rathbone und Nigel Bruce, George Cukors berühmtem Horror-Melodrama Gaslight (1944) und The Invisible Man’s Revenge (1944) mit. Aufgrund seines aristokratischen Äußeren war er prädestiniert für die Darstellungen von Butlern, Polizisten und Adligen, was auch erklärt, dass er zumeist nur in kleineren Rollen zu sehen war. Rose Hobarth, die Darstellerin von Muriel Carew, wird uns ebenfalls noch des Öfteren begegnen. Ihre Filmografie beinhaltet Tower of London (1939), The Mad Ghoul (1943), die Hauptrolle in Soul of a Monster (1944) sowie eine weibliche Hauptrolle in The Cat Creeps (1946). Ihre Karriere endete abrupt im Jahr 1949. Der Grund hierfür liegt in ihrem starken Engagement für Gewerkschaften und ihrer eigenen politischen Ausrichtung, weshalb sie im Zuge der Hollywood Witchhunt auf der schwarzen Liste landete. In den 60er Jahren spielte Rose Hobarth noch in der TV-Serie Peyton Place mit. General Carew ist nicht darüber entzückt, dass sein zukünftiger Schwiegersohn die geplante Party sausen lässt, um eine Bettlerin zu behandeln. Seiner Meinung nach wäre es an der Zeit, dass Dr. Jekyll endlich auf dem Boden der Realität lande und sich mehr um die wesentlichen Aspekte seines Lebens kümmere. Muriel hingegen ist stolz auf ihren Verlobten und freut sich, als Dr. Jekyll schließlich doch noch zum Tanz erscheint. Auch hier ist wieder eine kurze, aber dennoch interessante Kamerafahrt zu sehen. Dr. Jekyll und Muriel tanzen miteinander und Karl Struss, der übrigens einst für seine Kameraarbeit an Murnaus Sunrise (1927) einen Oscar erhielt, bewegte die Kamera auf einem Wagen hinter dem quer durch den Raum tanzenden Paar hinterher, stets den gleichen Abstand wahrend und Probleme mit der Bildkomposition und der Beleuchtung vermeidend. Deutlich beeindruckender fällt jedoch die nun folgende Szene aus. Dr. Jekyll und Muriel suchen sich ein lauschiges Plätzchen im abendlichen Garten. Anfangs hat der Zuschauer noch den Eindruck, es handle sich um eine weitere Variante der romantischen Szene voller Liebesgeflüster und Kitsch, doch Dr. Jekylls Liebesgeständnis entwickelt sich schnell zu einem Highlight der Regie und der Kamera. Die Kamera nähert sich dem turtelnden Paar und als Dr. Jekyll zu seiner Liebeserklärung ansetzt, verlässt sie Abbildung 12.25: Der Kuss die Totale und präsentiert uns herrliche, unter Verwendung von Gegenlicht gefilmte Close-ups auf die Gesichter Rose Hobarths und Fredric Marchs. Extreme Close-ups folgen, in welchen nur die Augenpartien der beiden Darsteller auf der Leinwand prangen und uns mit ihrem Blick in ihren Bann 405 Das Dokument des Grauens ziehen. Die Szene wird emotional gesteigert, bis es schließlich zu ihrem Höhepunkt kommt: dem ersten Kuss der Horrorfilmgeschichte! Die Kamera zieht sich langsam zurück, als ob sie die Privatsphäre der beiden Liebenden wahren wolle, doch dann dreht sie sich verschämt zur Seite. Man könnte denken, diese geschähe aufgrund einer peinlichen Berührung, doch die nun folgende Symbolik der Sexualität straft diese Einschätzung Lügen. Die Kamera gleitet einen Springbrunnen hinab, über die Statue einer nackten Frau hinweg, bis hinab zur Wasseroberfläche, auf welcher Seerosen treiben. Zwei dieser Blumen schauen sich gegenseitig an, ebenfalls wie Liebende, zum Kuss bereit. Die Kamera verharrt kurz, dann gleitet sie weiter, die Steinfließen auf dem Boden entlang. Dann naht ein bedrohlich wirkender Schatten. Jemand wird die beiden erwischen! Die Kamera gleitet am Körper des Zaungastes hinauf, doch es ist dann doch nur Dr. Lanyon, der sich höflich räuspert und so die Aufmerksamkeit Dr. Jekylls auf sich lenkt. Dieser erschrickt zuerst, fühlt sich ertappt und er beschwert sich auch umgehend bei Lanyon, dass er sehr leise Schuhe trage. Dr. Jekyll ist offensichtlich ein ehrenwerter Mann, der selbst in diesem Moment noch von schlechtem Gewissen wegen Nichteinhaltung der Etikette geplagt wird - ganz das Gegenteil von jenem zügellosen Manne, welchen er bald in sich erwecken wird. Seine Ehrenhaftigkeit wird in einer nachfolgenden Szene noch unterstrichen, als er mit General Carew über den Termin der Hochzeit verhandelt. General Carew besteht darauf, dass die Hochzeit an seinem eigenen Hochzeitstag stattfindet, welcher noch 10 Monate in der Zukunft liegt. Jekyll hingegen begehrt Muriel mit Haut und Haaren und er möchte sie haben, sie besitzen, besser heute als morgen. Aber der alte Carew macht ihm unmissverständlich klar, dass er noch warten müsse. Dr. Jekyll ist es leid, Muriel nur anbeten zu dürfen, er will mehr, er will Sex. Doch er ist Ehrenmann genug, um auf den Tag der Hochzeit zu warten. Eine schicksalhafte Begegnung wird ihn jedoch noch am gleichen Abend auf die Probe stellen. Auf dem nächtlichen Nachhauseweg werden Dr. Jekyll und Dr. Lanyon Zeuge, wie die Prostituierte Ivy Pearson von einem ihrer Freier geschlagen wird. Dr. Jekyll nimmt sich ihrer an und trägt sie in ihr Zimmer, um sie ärztlich zu versorgen. Ivy verfällt dem eleganten Gentleman sofort und wartet auch nicht lange, bis sie versucht, ihn zu verführen. Die nun folgende Szene sorgte für einen gewaltigen Skandal, welcher natürlich zum Ziele der Vermarktung fest eingeplant war. Als Dr. Jekyll den blauen Fleck knapp über ihrem Knie untersucht, packt sie seine Hand und schiebt sie zwischen ihre Schenkel. Dr. Jekyll ist irritiert, zieht dann die Hand zurück und ignoriert den Vorfall höflich. Daraufhin behauptet Ivy, ihr Peiniger habe auch eine Rippe getroffen und legt Dr. Jekylls Hand auf die angeblich betroffene Stelle. Doch auch hier verhält er sich korrekt und ist lediglich Arzt, nicht Mann. Also muss Ivy zu härteren Mitteln greifen. Ivy gibt vor, sich zum Zwecke der Heilung ins Bett legen zu wollen, aber in Wahrheit nutzt sie die Chance zu einem Striptease vor Dr. Jekyll - und dem Kinopublikum. Sie hebt ihren Rock, zeigt zuerst ihre Beine und entledigt sich ihrer Strümpfe. Die 406 12. Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1931) Die Anatomie eines Skandals Abbildung 12.26: Erst zwingt Ivy die Hand Jekylls zwischen ihre Schenkel... Abbildung 12.27: ...dann beginnt sie sich zu entkleiden... Abbildung 12.28: ...wirft Jekyll ihre Strumpfbänder zu... Abbildung 12.29: ...legt sich nackt unter die Bettdecke... Abbildung 12.30: ...zieht dann Dr. Jekyll zum Kuss hinab... Abbildung 12.31: ... und zeigt dem Zuschauer noch nackte Haut ... 407 Das Dokument des Grauens Die Anatomie eines Skandals (Forts.) Abbildung 12.32: Erst zwingt Ivy die Hand Jekylls zwischen ihre Schenkel... Abbildung 12.33: ...dass Jekyll und wir nur noch an Ivy denken mögen. Kamera verharrt auf ihren Beinen, der Zuschauer wird zum Voyeur. Um dies noch zu betonen, wirft Ivys Darstellerin Miriam Hopkins noch lächelnd die Strumpfbänder in Richtung der Kamera und vor die Füße Jekylls. Jekyll nimmt eines der Strumpfbänder mit seinem Stock auf und wirft es damit zu Ivy zurück - aus seiner Sicht nach vorne, wodurch klar wird, dass er Ivy beim Entkleiden zusieht. Ivy legt sich völlig entkleidet unter die Bettdecke und ruft Dr. Jekyll zu sich, damit er sie untersuchen möge. Kaum ist er bei ihr, wirft sie ihre Arme um seinen Hals und zieht ihn zu sich herab, um ihn zu küssen. Was ihr auch gelingt und so kommt Dr. Jekyll zu seinem zweiten Kuss innerhalb des gleichen Abends, allerdings von verschiedenen Frauen. In diesem Moment platzt Dr. Lanyon in die Stube und unterbricht die beiden, wieder einmal. Und diesmal er ist gar nicht darüber entzückt, seinen Freund in solch einer prickelnden Situation zu sehen. Dr. Jekyll erhebt sich und nimmt seinen Zylinder und seinen Stock, während Lanyon noch entgeistert auf das Bein starrt, welches das nackte Luder unter der Bettdecke hervorstreckt und lasziv in der Luft pendeln lässt. Als der geschockte Lanyon und Dr. Jekyll das Zimmer verlassen, haucht Ivy ihrem Doktor noch verführerisch hinterher, er möge sie wieder besuchen, und zwar bald. Jekyll steht so nachhaltig unter dem Eindruck Ivys, dass er noch auf dem Nachhauseweg an nichts anderes als sie denken kann, was Rouben Mamoulian durch eine lange Überblendung der Einstellung des Heimwegs mit Ivys nacktem, schwingendem Bein illustriert. Miriam Ellen Hopkins, die freizügige Darstellerin Ivy Pearsons, kam ebenfalls aus der Welt des Theaters. Dort hielt sich ihr Erfolg in Grenzen. Am erwähnenswertesten 408 12. Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1931) ist noch ihr Beinahe-Erfolg im Broadwaystück Gentlemen Prefer Blondes (1927), in welchem sie für die Rolle der Lorelei vorgesehen war, aber dann in letzter Sekunde noch durch June Walker ersetzt wurde, weil sie der Autorin des Stückes, Anita Loos, als nicht rehäugig genug erschien. Ihre nachfolgende Karriere in Hollywood verlief allerdings umso erfolgreicher. Ihre erste Rolle war bereits die Hauptrolle in der romantischen Komödie Fast and Loose (1930), aber dieser Film floppte. Doch schon mit ihrem zweiten Film begann sich ihre spätere Karriere abzuzeichnen, als sie an der Seite von Claudette Colbert und Maurice Chevalier unter der Regie von Ernst Lubitsch eine der tragenden Rollen in The Smiling Lieutenant (1931) innehatte. Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1931) war ihr dritter Film und nach zwei Liebeskomödien und diesem Skandalauftritt wurde sie recht schnell als eine der unwiderstehlichsten Verführerinnen Hollywoods bekannt. Es folgten Hauptrollen in Filmen wie dem ebenfalls unter der Regie von Rouben Mamoulian entstandenen Historiendrama Becky Sharp (1935). Gegen Ende der 30er Jahre zählte Miriam Hopkins zu den großen Hollwooddiven und war auch eine heiße Kandidatin für die Rolle der Scarlett O’Hara in Gone With the Wind (1939), verlor den Wettlauf um das Engagement dann allerdings auf der Zielgeraden noch gegen Vivien Leigh. Ihre härteste Widersacherin jener Tage war jedoch Bette Davis. Miriam Hopkins musste sowohl in The Old Maid (1939) und Old Acquaintance (1943) zugunsten Bette Davis die zweite Geige spielen und der zwischen den beiden Darstellerinnen herrschende und auch entsprechend vermarktete Zickenterror ist noch heute legendär. Zu ihren wichtigen und nicht immer unumstrittenen Spätwerken gehören William Wylers The Heiress (1949), in welchem sie zusammen mit Olivia de Havilland und Montgomery Clift zu sehen ist und für den sie einen Golden Globe erhielt, und Russ Meyers Fanny Hill (1964), in dem auch der spätere Regisseur einiger Splatterfilme Uli Lommel mitspielte. Ihr neben Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1931) einziger Ausflug ins Horrorgenre war Savage Intruder (1969). Dieser krude Exploitationthriller war gleichzeitig auch ihr letzter Film. Neben dem erwähnten Golden Globe und einer Oscarnominierung für Becky Sharp (1935) wurde Miriam Hopkins auch mit einem Stern auf dem Hollywood Walk of Fame geehrt. Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1931) ist letztlich der Film, welcher die Öffentlichkeit auf sie aufmerksam werden ließ, wenngleich sie auch eher als Skandalnudel denn als talentierte Darstellerin gesehen wurde. Dabei wollte Miriam Hopkins anfänglich nicht Ivy Pearson spielen, sondern sie interessierte sich für die Rolle der braven Muriel Carew. Rouben Mamoulian überredete sie schließlich, für Ivys Rolle zu unterschreiben, indem er sie ausdrücklich darauf hinwies, dass Ivy Pearson in diesem Film allen anderen Darstellern die Show stehlen würde. Mamoulian wusste also genau, was er mit dieser Szene anrichten würde und der gewünschte Effekt blieb nicht aus. Ivy Pearsons Striptease wurde berüchtigt und daher wundert es auch nicht, dass die Zensoren Amok liefen. Im Original von 1931 war der Striptease auch wesentlich länger als in der heute erhältlichen restaurierten Fassung. Dort konnte man noch zusehen, wie sich Miriam Hopkins ihres Oberkleides entledigte - ihr Busen war zwar nicht zu erkennen, ihre 409 Das Dokument des Grauens nackten Schultern ragten jedoch noch umso deutlicher unter dem verhüllenden Tuch hervor. Diese Szenen überlebten die Schnitte des Jahres 1935 jedoch nicht. Mehr Informationen zu den Zensurmaßnahmen gegen Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1931) folgen später in diesem Kapitel. Von Lanyon zur Rede gestellt, verteidigt Dr. Jekyll seine Eskapade entsprechend seiner aktuellen wissenschaftlichen Theorie. Der Mensch sei eben in der Lage, sein Handeln zu beherrschen, aber nicht seine angeborenen Instinkte. Es kommt zu einer erregten Diskussion zwischen den beiden Freunden und in Dr. Jekyll reift der Entschluss, die Korrektheit seiner These zu beweisen. Auch die nun folgende Szene in Dr. Jekylls Laboratorium hat es in sich. Diesmal jedoch weniger wegen einer eventuellen Skandalträchtigkeit, sondern wegen ihrer hervorragenden Inszenierung. Die Szene beginnt mit einer Einstellung auf eine Vielzahl von Reagenzgläsern und Gefäßen, in welchen es gefährlich brodelt und köchelt. Die Kamera bewegt sich durch das Labor, hin zu einem Schreibtisch, an welchem Dr. Jekyll konzentriert seinen Chemiebaukasten ausreizt und sein Reagenz mischt. Plötzlich erleben wir erneut den Einsatz einer subjektiven Kamera. Wir sehen mit Jekylls Augen, wie er ein Pulver in ein Reagenzglas hinzufügt und die darin enthaltene Flüssigkeit darauf reagiert. Es klopft an der Tür. Der Butler Poole kommt herein und übergibt Jekyll, oder besser gesagt uns, ein Schreiben aus dem Hause Carew. Jekyll öffnet den Umschlag und nun verlässt die Kamera Jekylls Körper wieder, zeigt ihn und Poole in einer Totalen. Dieses Verlassen der subjektiven Darstellung ist etwas irritierend und erscheint unangebracht. Doch es ist zweckmäßig, denn wir brauchen den Brief nicht in seiner Gänze selbst zu lesen, sondern bekommen von Dr. Jekyll vermittelt, dass Muriel sich ärgert, weil er am vorigen Abend nicht zum Dinner bei den Carews erschien. Außerdem schickt uns Mamoulian damit auf eine falsche Fährte - und er wird dies in den nächsten Minuten noch öfter tun. Dr. Jekyll mischt noch weiterhin Reagenzien und untersucht das Produkt unter dem Mikroskop, bis er schließlich triumphierend ein Glas mit seinem exquisiten Gebräu in den Händen hält. Die Spannung steigt. Doch bevor Dr. Jekyll das Glas leer trinkt, hält er inne. Hat er nicht etwas vergessen? Er läuft durch sein Laboratorium zur Tür und verschließt diese, damit er nicht gestört werden möge. Dann eilt er wieder zu seinem Schreibtisch zurück. Die Spannung steigt weiter. 410 12. Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1931) Subjektive Kamerafahrten, Teil II Abbildung 12.34: Dr. Jekyll bereitet sein Experiment vor... Abbildung 12.35: ... und wir sehen durch seine Augen dabei zu. Abbildung 12.36: ein Schreiben... Poole überbringt Abbildung 12.37: ...und die Kamera wechselt in die Totale. Abbildung 12.38: Jekyll unternimmt einen neuen Anlauf ... Abbildung 12.39: ...doch erst wird der Abschiedsbrief geschrieben. 411 Das Dokument des Grauens Jekyll hält das Glas wieder in die Hand. Er ist sich bewusst, mit welchem Risiko sein Selbstversuch verbunden ist. Sein Blick schweift zur Wand, wo ein Skelett aufgestellt ist. Karl Struss schwenkt die Kamera mit Jekylls Blick mit und zeigt das Skelett als Vorboten des möglichen Todes. Die Kamera verharrt kurz, schwenkt dann zurück auf Dr. Jekyll und wir erkennen, dass der Ausdruck der Besorgnis in Dr. Jekylls Gesicht einem spitzbübischen Grinsen gewichen ist. Dr. Jekyll hat die Absicht, dem Tod ein Schnippchen zu schlagen. Jetzt ist der Augenblick gekommen, das Elixier zu trinken. Doch Mamoulian spannt uns noch weiter auf die Folter. Gerade als wir denken, jetzt würde es passieren, stellt Dr. Jekyll das Glas wieder ab und beginnt, vorsorglich einen Abschiedsbrief an Muriel zu schreiben. Dann hebt er wieder das Glas. Und erneut zögert Jekyll, doch nur um sich zu einem Wandspiegel zu begeben. Dort hebt er erneut das Glas und fixiert dessen Inhalt mit den Augen. In diesem Moment wechselt Mamoulian wieder in die subjektive Kamera und schafft einen eleganten Übergang zu dem, was jetzt folgen wird. Die Linse des Objektivs ist auf das Glas fokussiert, der Bildhintergrund verschwimmt in der Unschärfe. Dann stellt Karl Struss auf die Ferne scharf. Als Folge dessen verschwimmt das Glas im Bildvordergrund zur Unkenntlichkeit. Im Hintergrund ist jedoch noch nichts zu erkennen, weil das Glas diesen größtenteils verdeckt. Das Glas wird entfernt und nun sehen wir erneut senkrecht in einen Spiegel und erkennen darin Jekyll - uns selbst. Die Vorgehensweise ist hier identisch mit jener bei der Eröffnung des Films: der Spiegel ist nur eine Glasscheibe in der Wand, Frederic March steht in Wahrheit dahinter. Dr. Jekyll geht auf den Spiegel zu, hält kurz inne und trinkt dann das Glas mit einem mutigen Zug leer. Mamoulian ließ hier auch ein Glas vor die Kamera halten, damit es unscharf im Bildvordergrund zu sehen ist. Dr. Jekyll setzt das Glas wieder ab und sofort setzt die Verwandlung ein. Er greift sich an seinen Hals, als würde er ersticken. Erst mit einer Hand, dann mit beiden. Sein Gesicht beginnt, sich zu verändern. Für diesen beeindruckenden Effekt bediente sich Mamoulian nicht etwa einer simplen Überblendung, sondern eines optischen Tricks. Für die Lepra-Szenen in Ben Hur (1926) hatte Karl Struss einst einen panchromatischen Film genutzt, der auf wesentlich mehr Farbabstufungen reagierte als das bis dahin weitgehend übliche orthochromatische Filmmaterial. Struss ließ die Leprakranken mit roter Farbe schminken und durch einen Grünfilter gesehen stachen die aufgemalten Merkmale dann überdeutlich hervor. Für Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1931) benutzte Struss das gleiche Verfahren. Das Aussehen Mr. Hydes wurde mit roter Farbe auf Fredric Marchs Gesicht und Arme aufgetragen. Zu Beginn der Verwandlung sehen wir Fredric March durch einen Rotfilter; die rote Farbe wird hierdurch unsichtbar. Dann drehte Struss zunehmend einen Grünfilter in das Bild, wodurch die aufgeschminkten Merkmale Hydes langsam immer 412 12. Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1931) Subjektive Kamerafahrten, Teil II (Forts.) ...dann auf den Abbildung 12.40: Subjektive Kamera auf das Glas... Abbildung 12.41: Spiegel... Abbildung 12.42: ...und hinunter damit! Abbildung 12.43: Das Elixir beginnt zu wirken (Rotfilter) Abbildung 12.44: Die Verwandlung schreitet voran (Grünfilter) Abbildung 12.45: Visionen von Muriel... 413 Das Dokument des Grauens sichtbarer wurden. Am Ende der Einstellung ist Fredric March nur noch durch einen Grünfilter zu sehen, die Verwandlung ging perfekt vonstatten. Jekyll tritt vom Spiegel zurück, knickt ein und beginnt, sich zu drehen. Wir befinden uns noch immer in der subjektiven Kamera. Die Kamera dreht sich immer schneller um die eigene Achse und das gesamte Labor zieht immer wieder vor unseren Augen vorbei. Diese Einstellung war für die damalige Zeit eine technische Glanzleistung, denn man kann natürlich nicht einfach eine Kamera um 360 Grad rotieren lassen, ohne dabei auch das Filmteam zu zeigen. Diese einzelne Einstellung erforderte daher drei Dinge. Als erstes brauchte man einen versteckten Schnitt, um die Bilder von der vorherigen Kamerafahrt abtrennen zu können. Dieser Schnitt kommt etwa eine Sekunde nach dem ersten Schwenk der Kamera nach rechts - wenn Sie genau hinsehen, können Sie ihn entdecken. Zweitens muss man eine Kamera bauen, welche sich überhaupt im Kreis drehen lässt, denn nichts wäre peinlicher als ein plötzlich im Bild zu sehender Kameramann. Hierzu ließ sich Karl Struss kopfüber am oberen Ende der Kamera festbinden. Kopfüber, weil sich unter der Kamera das Rad befand, mittels welchem er die Kamera drehen konnte. Alle anderen Personen mussten den Raum selbstverständlich verlassen. Als dritte Zutat musste Karl Struss den Raum auch perfekt ausleuchten und derartiges hatte vor ihm noch nie jemand versucht. Alle vier Wände des Raumes mussten gleichmäßig beleuchtet werden - und zwar ohne die üblichen, im Raum herumstehenden Scheinwerfer! An der Decke angebrachte Scheinwerfer tendieren jedoch dazu, unrealistische Schatten zu produzieren, weshalb dieser Aspekt der Einstellung zwar der am wenigsten auffällige ist, aber dennoch jener mit dem größten Bastelaufwand. Während die Kamera um die eigene Achse rotiert, erleben wir Visionen Jekylls. Er sieht und hört sich zu Muriel sprechen, er hört die Zurechtweisungen General Carews und Dr. Lanyons, er vernimmt die verführerische Einladung Ivys. Hier werden die Bilder des sich drehenden Raumes mit entsprechenden Einblendungen überlagert. Am Ende verdrängt Ivy die anderen Eindrücke - ihr „Komm zurück!“ ist alles, was von den Dingen, welche Dr. Jekyll bewegen, bei Mr. Hyde hängen bleiben wird. Ein nettes Detail am Rande ist das Geräusch des Herzklopfens, welches in dem Geräuschgewirr beständig im Hintergrund zu hören ist. Hier wurde erstmals das Geräusch eines pochenden Herzens zur Erzeugung einer Stimmung der Angst eingesetzt. Das Herz, welches wir hier hören, gehörte Rouben Mamoulian selbst; er war Treppenstufen hinauf und hinunter gerannt und hielt sich hinterher ein Mikrophon an die Brust, um das Geräusch aufzunehmen. Ivys verlockende Stimme weicht zunehmend dem Keuchen Hydes. Die Kamera hört auf, sich zu drehen, sie hält schließlich inne und dreht sich dann in die entgegengesetzte Richtung, Hydes Blick folgend. Hier ist erneut ein versteckter Schnitt enthalten. Die Kamera eilt zurück zum Spiegel und nun sieht sich Mr. Hyde zum ersten Mal. Die Transformation ist abgeschlossen und die Kamera verlässt wieder die Subjektivität. Jetzt sehen wir Mr. Hyde vor dem Spiegel stehen, wie er sich selbst betrachtet. 414 12. Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1931) Subjektive Kamerafahrten, Teil II (Forts.) Abbildung 12.46: stieren sich. ...und Ivy manife- Abbildung 12.48: Frei!“ „Frei! Endlich Abbildung 12.47: Die Verwandlung ist abgeschlossen. Abbildung 12.49: Nachtleben. Aufbruch in das 415 Das Dokument des Grauens In dieser Einstellung ist der Spiegel natürlich echt. Hyde irrt noch kurz irritiert durch das Zimmer, er reckt sich und streckt sich, doch dann wird ihm klar, was gerade geschehen ist. Er geht zurück zum Spiegel, ballt triumphierend seine Hand zur Faust und ruft „Frei! Endlich frei!“. Diese Szene könnte man heute durchaus als Betteln um den Oscar bezeichnen, aber sie gehört dennoch zu jenen herausragenden Leistungen, für welche Fredric March mit der goldenen Statuette ausgezeichnet wurde. Hyde kleidet sich an, der Ausflug in die Nacht kann beginnen. Doch dann naht Poole und klopft an die Tür. Hyde hat keine andere Wahl, als sich wieder in Dr. Jekyll zurück zu verwandeln. Am nächsten Abend eröffnet Muriel ihrem Verlobten, dass sie mit ihrem Vater nach Bath reisen werde. Dr. Jekyll ist darüber nicht erfreut, eigentlich würde er lieber sofort mit Muriel durchbrennen und sie ohne Einverständnis des Vaters heiraten. Doch er muss sich fügen. Viele Wochen vergehen. Für Dr. Jekyll sind es Wochen der Sehnsucht nach Muriel, welche Mamoulian durch die Darstellung nächtlichen Regens illustriert. Poole rät ihm, er möge sich in die Stadt begeben und sich vergnügen, damit er abgelenkt sei. Das könne er nicht, erwidert Jekyll, denn Männer wie er müssten darauf achten, was sie tun und was sie sagen. Jekyll starrt durch das Fenster seines Laboratoriums hinaus in die regnerische Nacht, als eine Idee in ihm heranreift. Mamoulian verdeutlicht die innere Anspannung Jekylls nun alleine mit der Kraft der Bilder. Jekylls Hand zittert, dann beginnt er mit dem Fuß zu zucken, dann zeigt Mamoulian einen Topf, um welchen Flammen lodern - die Geburt eines teuflischen Gedankens. Schnitt zurück auf Jekylls Gesicht. Er scheint noch abzuwägen, ob er es wirklich tun soll ... doch dann trifft er seine Entscheidung mit einem Gesichtsausdruck, welcher jegliche Bedenken beiseite fegt. Schnitt zurück auf den Topf im Feuer. Dieser kocht in diesem Moment über. Er ist ein Bild für das Innenleben Jekylls, denn dieser kocht innerlich genauso wie der Kessel. Dr. Jekyll schließt sich erneut in seinem Labor ein, mischt sein Elixier und trinkt es. Eine erneute Verwandlung setzt ein. Wieder benutzen Mamoulian und Struss die Technik des Rot/Grün-Filters, jetzt ist die Inszenierung der Verwandlung jedoch ungleich komplizierter. Nun steht die Kamera nicht vor einem fiktiven Spiegel, sondern sie zeigt Jekylls Gesicht in einem Closeup. Dieses Mal zeigt der Film auch die Verwandlung der Hände sowie die zweite Stufe und schließlich die dritte und finale Stufe der Maske. Dies alles sollte ohne sichtbaren Schnitt bewerkstelligt werden. Schauen wir uns an, wie der Effekt realisiert wurde. Die Szene beginnt mit reinem Schauspiel Fredric Marchs. Wie bereits zuvor beginnt er, sein Gesicht zu verzerren, als befände er sich im Kampf mit dem Tod. Nach einiger Zeit setzt der Filtereffekt ein und die Schminke Mr. Hydes tritt hervor. 416 12. Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1931) Jetzt schwenkt die Kamera zu seiner rechten Hand hinab. Während dieser kurzen Kamerabewegung wird wieder der Rotfilter appliziert und ein zweiter Filterwechsel wird mit Fredric Marchs Hand durchgeführt. Dann bewegt sich die Kamera wieder zurück zu Fredric Marchs Gesicht. Geben Sie acht, wenn sich die Kamera in Höhe des Ellenbogens befindet, denn dann können sie einen Bildsprung sehen, einen jump cut. Hier wurde also wieder ein Schnitt versteckt, welcher notwendig war, um Fredric March die zweite Stufe des Make-Ups aufzutragen. Damit der jump cut möglichst unsichtbar blieb, war es erforderlich, Fredric March wieder in exakt der gleichen Position auf den Stuhl zu setzen, in welcher er sich vorher befand. Dies zu gewährleisten, verlangte wieder etwas Fantasie und Bastelarbeit. Struss bediente sich hierfür einer sogenannten Graflex-Kamera. Kameras dieses Typs haben Sie bestimmt schon einmal gesehen. Eine Graflex hat das Aussehen eines Würfels, an dessen Vorderseite das verstellbare Objektiv in einer an einen Blasebalg erinnernden Hülle angebracht ist. Die meisten antiken Kameras, die man heute in Filmen zu sehen bekommt, folgen diesem Grundmuster. Eine Graflex war im Gegensatz zu den großen Holzkisten jedoch handlich und man belichtete damit Filme und nicht nur große Platten. Das wesentliche Merkmal dieser Kameras war jedoch ihr Sucher. An der Oberseite des Kameragehäuses war eine Art Kamin angebracht, in welchen man hineinschaute. Man fotografierte damit also nicht, indem man sich die Kamera vor das Gesicht hielt, sondern man hielt sie sich vor den Bauch und blickte von oben hinein. Hierbei schaute man durch eine Glasscheibe hindurch in das Innere der Kamera - und auf genau dieser Glasscheibe zeichnete Karl Struss die Sitzposition Fredric Marchs ein. Nach dem Schminken musste Struss also lediglich wieder durch die auf einem Stativ befestigte Kamera schauen und Fredric March zurück in die korrekte Sitzposition dirigieren. Abbildung 12.50: Diesmal sehen wir eine zweite Stufe... Abbildung 12.51: ...und dritte Stufe der Verwandlung. 417 Das Dokument des Grauens Nach dem Schnitt zeigt die Kamera nun die zweite Stufe von Fredric Marchs Verwandlung in Mr. Hyde. Das herausragendste Merkmal dieser Maske sind die falschen Zähne. Dann beginnt das Spiel von neuem, diesmal jedoch mit der linken Hand. Die Kamera fährt zu dieser hinab, der Grünfilter wird eingesetzt. Dann fährt die Kamera wieder nach oben zum Ellbogen, jump cut und Aufnahme mit der Graflex, dann das Anbringen der endgültigen Maske. Sobald dies geschehen war, wurde Fredric March wieder richtig positioniert, die Kamerafahrt wurde fortgesetzt und wir sehen schließlich Mr. Hydes Gesicht in all seiner Pracht und in Großaufnahme. Aber irgendwas ist an Mr. Hydes Fratze anders als nach der ersten Verwandlung. Dort erinnerte Mr. Hyde noch an einen zurückgebliebenen Schlägertypen mit pflegebedürftigem Gebiss, aber er erschien deutlich menschlicher als in dieser Einstellung. In der Tat handelt es sich um eine andere Maske als bei der ersten Transformation. Das auffälligste neue Merkmal sind die wolfsähnlichen Reißzähne, welche Mr. Hyde jetzt besitzt. Diese Differenz ist keineswegs Schlamperei, sondern Kalkül. Dr. Jekyll wird sich im Laufe des Films insgesamt fünf Mal in Mr. Hyde verwandeln und jedes Mal wird Mr. Hyde weniger menschlich, sondern animalischer aussehen. Hinsichtlich des Aussehens Mr. Hydes gab es kleinere Meinungsverschiedenheiten zwischen Rouben Mamoulian und Karl Struss. Robert Louis Stevenson beschrieb Mr. Hyde ursprünglich als bleichen, zwergenhaften Mann von gekrümmter Statur. Analog hierzu kam John Barrymore in Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1920) auch mit vergleichsweise wenig Make-Up aus und bewerkstelligte viel mit seiner Körpersprache. Karl Struss befürwortete einen ähnlich subtilen und psychologischen Ansatz. Rouben Mamoulian hingegen wollte einen Affenmenschen zeigen, ein Gedanke, welcher Struss von Grund auf zuwider war. Mamoulian wollte zeigen, dass die animalischen Instinkte, welche Mr. Hyde beherrschen, fernab von jeglicher Zivilisation in den primitiven Urmenschen fundieren und sein Mr. Hyde sollte sich in einen solchen verwandeln. Wie man in dem fertigen Film sehen kann, hat sich Rouben Mamoulian gegenüber seinem preisgekrönten Kameramann durchgesetzt. Hyde eilt umgehend zu Ivy Pearsons Zimmer. Doch sie ist nicht zuhause, wie die über ihr wohnende ältere Dame ihm mitteilt. Er möge es stattdessen in der Variety Music Hall versuchen. Hyde bedankt sich und macht sich von dannen, aber nicht, ohne die alte Frau noch mit seinem Gehstock zu ärgern - ein erstes Aufblitzen Hyde’scher Rüpelhaftigkeit. Kurze Zeit später trifft Hyde in der Musikhalle ein. Beobachten Sie die Szenerie genau, denn hier gibt es wieder einige nette Details zu erkennen. Hierzu gehören die Tänzerinnen auf der Bühne. Im Gegensatz zur Tradition Hollywoods sind diese keine grazilen Schönheiten. Mamoulian wollte möglichst realistische Kulissen und dementsprechend passen die Damen auch zu der Spelunke, in welcher sie auftreten: sie sind billig, plump und fett. Auch interessant ist die Szene, in welcher Hyde zwischen den vollen Tischen hindurchläuft. An einem der Tische sitzt eine Frau in einem Kleid, welches ihren Rücken 418 12. Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1931) offenbart. Sehen Sie genau hin und dann entgeht Ihnen nicht, wie Hyde sie im Vorbeigehen begrapscht. Hyde bestellt dann Champagner und lässt sich an einem Tisch nieder. Wieder steht eine nackte Frauenstatue im Bildhintergrund, wie bereits so oft in diesem Film. Diesmal zeigt sie jedoch ihren nackten Hintern, anstatt ihre Reize zu verbergen. An dem Balken, welcher sich neben Hyde befindet, klebt dazu noch die Zeichnung einer Nackten. Vergessen Sie nicht, dass wir hier einen Film aus dem Jahr 1931 sehen, derartige Freizügigkeit fand man ansonsten nur in Schmuddelfilmchen und Schundheftchen. Der Kellner bedient Mr. Hyde und wartet danach auf ein Trinkgeld. Hyde sagt ihm jedoch, er solle verschwinden. Als der Kellner ihn beim Weggehen als unverschämt bezeichnet, stellt Hyde ihm mit seinem Stock ein Bein, prügelt dann auf den am Boden liegenden Mann ein und beschimpft ihn als Schwein. Dann entdeckt Hyde schließlich doch noch Ivy. Sie sitzt in einer Runde von Männern und singt, mit einem Glas Bier in der Hand, ihr Lied von „Champagne Ivy“. Wieder eine kleine, sexuelle Anspielung am Rande: Einer der Gäste hat seine Hand auf ihren Oberschenkel gelegt, was Ivy jedoch nicht weiter stört. Sie ist eine Frau, welche sich gerne anfassen lässt. Hyde lässt Ivy durch den Kellner auffordern, sich zu seinem Tisch zu begeben und einen Schluck mit ihm zu trinken. Neugierig folgt Ivy der Einladung. Erneut sei ein kleines Detail genannt: die erotische Zeichnung, die bisher an dem Balken neben Hydes Stuhl prangte, ist nun weg, sie wurde anscheinend abgerissen. Ivy ist von ihrem hässlichen Gastgeber alles andere als angetan. Ihre Körpersprache signalisiert völlige Ablehnung. Hier blitzt Miriam Hopkins’ Talent auf. Ivy erscheint als völlig fassungslos, als stünde sie unter Schock. Hyde hingegen ignoriert dies völlig und mustert sie genüsslich von Kopf bis zu den Füßen, er scheint sie mit seinen Blicken auszuziehen. Das nächste schauspielerische Detail folgt kurz danach in Form eines spontanen Duells zwischen den beiden Darstellern, als Ivy versucht, sich wieder von Hyde zu entfernen und behauptet, sie müsse nach Hause. Hyde fragt sie daraufhin, wie sie diesen Saustall ihr Zuhause nennen könne. Bei diesem Satz bekam Fredric March dank der falschen Zähne Probleme bei der Aussprache. Im englischsprachigen Original nennt er Ivys Wohnung einen pigsty und in dem Moment, als er Abbildung 12.52: Hopkins und March beim das Wort ausspricht, fliegt Miriam Hop- spuckedurchtränkten Dialog kins eine kleine Ladung March’schen Speichels entgegen. Auf der Leinwand oder hochauflösenden Medien ist dies recht 419 Das Dokument des Grauens gut zu erkennen, wenn man darauf achtet, bei einem normalen Fernsehbild wird es allerdings schwierig. Aber damit ist noch nicht genug. Einige Sätze später revanchiert sich Miriam Hopkins bei den Worten Buckingham Palace. Hier ist die feuchte Ladung, welche ihren Mund beim Aussprechen des von Palace verlässt, generell gut zu erkennen. Fredric March fand dies belustigend und spuckt umgehend ein weiteres Mal. Ein wahrlich feuchter Höhepunkt darstellerischer Improvisation, könnte man sagen! Der Herr, welcher Ivy während ihrer Gesangseinlage befummelte, kehrt zurück und ist gar nicht erfreut, dass Hyde erpicht ist, ihm das Mädchen auszuspannen. Nun bekommt auch Ivy einen Eindruck von dem Temperament Hydes. Er schlägt den Freier in die Flucht, indem er ihn mit einem abgebrochenen Flaschenhals bedroht. Erneut ist das fassungslose Gesicht der Hopkins sehenswert. Ivy bekommt es mit der Angst zu tun und versucht vor Hyde zu fliehen, doch dieser packt sie und macht ihr eines unmissverständlich klar: Er liebt sie und er wird sie sich nehmen. Durch einen Close-up auf Hydes Gesicht, welcher unterlegt ist mit dem Geräusch von durch die Zähne gezogenem Speichel, wird Ivy und auch dem Filmpublikum klar, dass Mr. Hyde nicht mehr nur ein ungehobelter, Schabernack treibender Unhold ist, über welchen man noch lächeln kann. Vielmehr handelt es sich um ein sadistisches, Frauen misshandelndes Monstrum. Von nun an wird sich Ivys Leben in Horror verwandeln und nicht nur wir ahnen es. Auch Ivy selbst wird sich dessen bewusst, wie die subjektive Kamera es verdeutlicht, als sich Mr. Hydes Gesicht geifernd dem ihren nähert. Szenenwechsel. Dr. Lanyon trifft bei Dr. Jekylls Haus ein. Er hat ein Schreiben von General Carew erhalten, in welchem dieser sich beschwert, dass Jekyll seit geraumer Zeit auf keinen Brief Muriels geantwortet habe. Auch Butler Poole meldet gegenüber Dr. Lanyon Bedenken an und berichtet, dass er Dr. Jekyll manchmal tagelang nicht zu Gesicht bekäme, weil er das Haus nur heimlich durch die Hintertür des Laboratoriums beträte und auch wieder verlasse. Ivy wäre wohl froh, sie hätte dieses Problem. Sie sitzt an ihrem Tisch in ihrer Wohnung, sichtlich nervös und verängstigt. Hier fällt auf, dass es mittlerweile eine andere, eine bessere Unterkunft ist als die Absteige, in welcher sie einst Dr. Jekyll begegnete. Und beachten Sie auch ihr extrem tief ausgeschnittenes Dekolleté; es fehlt nicht mehr viel und ihre beiden Brüste würden herausfallen. Als es an ihrer Tür klopft, schreckt Ivy zusammen, doch es ist nur ihre Vermieterin Mrs. Hawkins. Die Rolle der Mrs. Hawkins wird von Tempe Pigott gespielt. Tempe Pigott war bereits ein Jahrzehnt im Filmgeschäft und ist in vielen kleinen Rollen zu sehen. zu ihrer Filmografie zählen Erich von Strohheims Greed (1924), Murders in the Rue Morgue (1932), Josef von Sternbergs The Devil is a Woman (1935) mit Marlene Dietrich, der Werwolf-Klassiker Werewolf of London (1935) und Becky Sharp (1935). Mrs. Hawkins redet auf Ivy ein, ihr neuer Liebhaber sei ein brutaler Schläger und sie solle ihn endlich verlassen, als dieser plötzlich in der Eingangstür steht. Hyde weist Mrs. Hawkins vor die Tür und möchte von Ivy wissen, was die Alte von ihr wollte. Ivy 420 12. Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1931) antwortet, sie habe nur die Zeitung gebracht. Hyde droht Ivy, dass er sie schlagen würde, wenn sie ihn belöge. Er stopft sich den Mund mit Brot voll, Brotkrumen fallen ihm aus dem Mundwinkel. Dann geht er in Richtung des Bettes und tritt den Bettvorleger gegen den ausgestopften Bärenschädel. Er setzt sich auf das Bett, hinter welchem das Gemälde einer nackten Frau hängt, und beginnt, die Zeitung zu lesen. Dieser Mann ist offensichtlich ein brutaler und lüsterner Schläger. Auch fällt eine weitere Veränderung seines Äußeren auf - inzwischen ist seine Haut dunkler und er noch tierähnlicher geworden. Aus der Zeitung erfährt Hyde, dass Muriel und ihr Vater aus Bath zurückgekehrt sind. Hyde wird klar, dass dies seine derzeitige Lage komplizieren wird. Nun ist es wieder Zeit für eine gran- Abbildung 12.53: Mrs. Hawkins redet Ivy diose Schauspieleinlage der beiden Dar- ins Gewissen steller. Hyde bedrängt Ivy. Er verlangt von ihr zu sagen, dass sie ihn liebe. Sie tut, was er sagt, doch das in ihr Gesicht geschriebene Leid straft ihre Worte Lügen. Hinter dem glücklich grinsenden Hyde können wir das Gemälde der nackten Frau erkennen, es symbolisiert Hydes Trieb zur fleischlichen Lust. Ivy hingegen ist an einen hohen Bettpfosten gelehnt, auf dessen oberem Ende kleine und ebenfalls nackte Engelsfiguren stehen, die ihre Arme flehend gen Himmel recken. Sie symbolisieren Ivy, ihren stummen Schrei nach Hilfe und ihren Drang zur Flucht. Als Hyde Ivy gesteht, sein Gesicht auf ihren Bauch gedrückt, dass er für einige Tage verschwinden müsse, zaubert dies einen Anflug von Lächeln auf Ivys Gesicht Hyde scheint diese Regung zu spüren und schaut schnell zu Ivy auf, aber ihr Gesicht gefriert schnell wieder zu der bisherigen Hoffnungslosigkeit. Doch zu spät - Hyde ahnt, dass sich Ivy in Wirklichkeit darüber freut. Zu der Hoffnungslosigkeit in Ivys Gesicht gesellt sich nun auch noch die nackte Angst hinzu. Sie versucht noch panisch zu leugnen, dass sie sich über Hydes Weggang freue, doch zu spät; Hyde schreit sie an und packt sie an der Gurgel. Ivys Gesichtsausdruck spiegelt nun endgültig ihre Angst wider und die Figur des flehenden Engels wird passend hierzu deutlicher im Bild sichtbar. Voller Angst weicht Ivy vor Hyde zurück, während er ihr droht. Sie wisse nicht, wenn er wieder zurückkommen werde, es könne jederzeit passieren. Aber wenn dann nicht alles in Ordnung wäre, würde er sie spüren lassen, was wahres Grauen bedeute. Dann schubst er Ivy zur Seite und beginnt, sich vor dem Spiegel zu frisieren. 421 Das Dokument des Grauens Ivy fragt ihren Peiniger, ob er sie jetzt alleinlassen werde, noch heute. Hierbei vermeidet sie nur knapp einen Ausdruck der Freude um ihre Mundwinkel, was Miriam Hopkins grandios vermittelt. Zu spät bemerkt sie, dass diese Frage ein Fehler war, denn nun wird Hyde endgültig klar, wie sehr sie sich nach seinem Verschwinden sehnt. An dieser Stelle gibt es einen ersten Schnitt innerhalb dieser Szene. Dieser war notwendig, um Miriam Hopkins’ Augen feuchte Angsttränen zu verleihen, denn nun ist Ivy endgültig in Panik. Hyde beginnt mit ihrer Angst zu spielen und schließlich packt er sie, zieht Ivy zu sich auf einen Stuhl hinunter und küsst ihre Brust, während Ivy gegen Ekel und Tränen kämpft. Dann eröffnet er ihr, dass er heute noch bei ihr bleiben und den Abend mit Abbildung 12.54: Beeindruckend: Schau- ihr verbringen würde. Dies sei doch, was sie sich wünsche, oder? Hyde zwingt Ivy, spiel und Bildsprache dies zu bestätigen, was sie in ihrer Angst auch tut, mit beinahe versagender Stimme. Nu n kann Ivy ihre Tränen nicht mehr zurückhalten. Sie wendet ihr schluchzend ihr Gesicht ab, während Hyde sie festhält und ihr für diesen Abend einen fulminanten Abschied ankündigt. Er spielt wieder mit ihrer Furcht und diesmal zwingt er sie, ihre Vorfreude auf seine Rückkehr zu zeigen, indem sie vor ihm tanzt und ihr Lied, „Champagne Ivy“, singt. Ivy tut, wie ihr geheißen, doch nach einigen Takten bricht sie unter schallendem Gelächter Hydes weiAbbildung 12.55: An diesen beiden Dar- nend auf ihrem Bett zusammen. Der lachende Sexbold läuft zu ihrem stellern kann man sich nicht sattsehen Bett und seine bisherigen Gewaltandrohungen schlagen um in sexuelle Nötigung. Er greift an ihr Bein und in übertriebenem Sarkasmus sagt er, ihr Strumpfband sei zu eng und dies würde ihrem zarten Fleische schaden. Mit diesen Worten endet die Szene - übrigens eine Provokation, den die Bezeichnung des zarten Fleisches war bereits auf Basis des Drehbuches von Colonel Joy, dem gefürchteten Zensor der Filmindustrie, beanstandet worden, aber Mamoulian ließ sie nicht nur in dem Film drin, sondern Fredric March ruft sie auch noch laut hinaus, als Höhepunkt der gesamten eindringlichen Szene. 422 12. Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1931) Diese lange Szene gehört zum Besten, was Hollywood im Jahr 1931 zu bieten hatte. Szenenwechsel. Dr. Jekyll ist in seinem Laboratorium, verständlicherweise von Zweifeln geplagt. Er möchte jetzt Schluss machen mit Mr. Hyde, nie mehr durch die Hintertür ins Haus schleichen. Und gegenüber Ivy plagt ihn sein Gewissen. Er beauftragt Poole, Ivy einen Brief mit Geld zu überbringen. Er erwartet keine Antwort, denn er möchte dieses dunkle Kapitel ein für allemal beenden. Er fährt zu den Carews und schafft es auch tatsächlich, General Carew das Einverständnis für eine baldige Heirat abzuringen. Alles wird gut? Dr. Jekyll glaubt fest daran und der Zuschauer soll dies auch tun. Beschwingt geht Dr. Jekyll nach Hause und Rouben Mamoulian tut alles, damit dieser Funken der guten Laune auf den Zuschauer überspringt. Dr. Jekyll überbringt seinem Butler Poole die gute Nachricht nicht nur, sondern er jubiliert sie hinaus. Das Interieur seines Hauses wird nun aus einer anderen Perspektive gezeigt und das bislang eher räumliche Enge ausstrahlende Gebäude wird nun zu einem Palast mit unglaublich hohen Wänden voller Bücherregale, Marmor, Wandteppichen und anderen Symbolen des Reichtums und eines sorglosen Lebens. Poole freut sich mit Dr. Jekyll und für den Ausdruck der Freude schwenkt Mamoulian wieder kurz in die subjektive Kamera aus Jekylls Sicht um, damit sich Poole auch mit uns freut. Jekyll setzt sich an seine Orgel und beginnt ein fröhliches Lied zu spielen. Ein Close-up auf sein glückliches und zum Himmel gewandtes Gesicht prangt auf der Leinwand und die Musik wird immer beschwingter, während Jekylls Finger über die Manuale der Orgel zu tanzen scheinen. Ein Wandleuchter voller Kerzen wird in Großaufnahme gezeigt, er unterstreicht die festliche Stimmung. Bilder einer Statue und einer lächelnden römischen Büste folgen. Dann erneut das entrückte Lächeln Pooles. Dann zeigt uns Mamoulian das flackernde Kaminfeuer, was ein wenig irritiert - doch bevor wir Zeit haben, darüber nachzudenken, kündigt Poole den Besuch Ivy Pearsons an. Die positive Stimmung, welche Mamoulian während der letzten Minuten kunstvoll aufbaute, wird nun von ihm innerhalb weniger Sekunden wieder zertrümmert. Ivy erkennt in Dr. Jekyll sofort ihren schönen Retter von einst wieder. Jekyll ist peinlich berührt, verhält sich reserviert. Als sich Ivy die Kleider vom Leibe reißt und Jekyll die Spuren von Mr. Hydes Peitsche auf ihrem Rücken zeigt, ihm ihr Leid klagt und auch schildert, dass sie versuchte, sich das Leben zu nehmen, verliert Dr. Jekyll jedoch zunehmend die Fassung. Das Grauen holt nun auch ihn ein - beachten Sie Fredric Marchs verkniffenes Gesicht, als Ivy vor seinen Füßen kniet und er ihren Kopf streichelt, es ist gezeichnet von der auf seinen Schultern ruhenden Last und der Entschlossenheit, dass dies alles ein Ende haben muss. Eine Anekdote am Rande: Es war angedacht, dieser Szene explizite sexuelle Anspielungen zu verleihen. Schließlich war Ivy schon immer verrückt nach Dr. Jekyll gewesen und sie braucht jemand, der sie beschützt und an den sie sich anlehnen kann. Das Skript sah vor, dass Ivy, während ihr Kopf in Jekylls Schoß ruht, ihm unter Tränen 423 Das Dokument des Grauens ein eindeutiges sexuelles Angebot macht: „Nehmt mich! Warum nehmt ihr mich nicht! Ihr wolltet es einst tun und warum nehmt ihr mich nicht jetzt, wenn ihr es wünscht!" Diese Zeilen waren zu viel für Colonel Joy und er verlangte eindringlich und bestimmt, dass die Worte nicht ausgesprochen würden. Im fertigen Film ist Miriam Hopkins dann auch tatsächlich still. Aber achten Sie auf ihre Körpersprache. Sie transportiert die Worte ins Publikum, ohne sie auszusprechen. Sie küsst sogar Jekylls Hand, die in seinem Schoß ruht. Der Rest des anzüglichen Dialogs ist wieder enthalten, verdeckt durch den Abbildung 12.56: Ivy sucht Schutz bei Dr. Mantel der Zweideutigkeit. Ivy schaut Jekyll hier unterwürfig zu Jekyll auf und sagt, sie werde alles tun, was er von ihr verlange. Sie werde arbeiten, sie werde seine Sklavin sein und sie werde ihn lieben. Jekyll nimmt ihr Gesicht in seine Hände, zieht sie zu einem Kuss zu sich empor, doch er verharrt und lässt sie wieder los. Beinahe wäre er der Versuchung erlegen. Er gewinnt wieder seine Fassung und verspricht Ivy, dass Hyde sie nie wieder belästigen werde. Am folgenden Abend hat Dr. Jekyll erneut einen Termin bei den Carews, denn der General möchte die baldige Hochzeit seiner Tochter seinen Freunden bekannt geben. Dr. Jekyll begibt sich zu Fuß zu Carews Haus und hierbei durchquert er einen Park. Dort hört er eine Nachtigall. Jekyll lässt sich auf einer Bank nieder, um die Schönheit des Singvogels und seines Gesangs zu genießen. Er zitiert hierzu einige Zeilen aus Ode to a Nightingale von John Keats: „Du stirbst nicht, Vogel, du lebst ewiglich!“ Doch kaum hat Dr. Jekyll die Worte ausgesprochen, sieht er eine schwarze Katze, welche zu dem Vogel schleicht. Jekyll muss machtlos dabei zuschauen, wie sich die Katze auf die Nachtigall stürzt. Der Gesang des Vogels verstummt. Der Tod des Vogels setzt eine erneute Verwandlung Dr. Jekylls in Gang. Mamoulian und Struss verfahren hierbei nach bewährtem Muster und setzen erneut den Rot/Grünfilter, eine Kamerafahrt zu den Händen Jekylls sowie einen versteckten Schnitt ein. Der Schnitt ist jedoch noch gelungener als jene der letzten Transformation, denn diesmal ist er auch für geübte Augen nur sehr schwer zu entdecken. Mr. Hyde ist wieder zurück. Die Veranstaltung General Carews wird ohne den Bräutigam stattfinden müssen. Ivy begießt indes das vermeintliche Verschwinden Hydes mit einer Flasche Schampus. Sie hebt das Glas und spricht einen Toast auf Dr. Jekyll, den sie ihren Engel nennt. Aber sie hat sich zu früh gefreut, denn hinter ihrem Rücken öffnet bereits der Teufel 424 12. Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1931) leise die Tür. Schockiert fällt Ivy das Glas aus der Hand, als sich Mr. Hyde ihr wortlos nähert. Hier wechselt Mamoulian wieder in die subjektive Kamera und zeigt Hyde, wie er sich langsam, aber beständig, der Kamera nähert, sein schräg von unten beleuchtetes Gesicht gleicht der Fratze eines Dämons. Hyde ist sehr verärgert darüber, dass sich Ivy vor die Füße Dr. Jekylls warf, des Mannes, welchen er hasse wie nichts anderes auf der Welt. Mit den Worten, er würde ihr einen neuen Liebhaber zeigen, legt er seine Hände um Ivys Hals. Dieser Abbildung 12.57: Die dritte Verwandlung Liebhaber ist der Tod. Ivy versucht noch zu fliehen, aber Hyde lässt ihr keine Chance. Er erwürgt sie in ihrem Schlafzimmer. Auch dies ist eine für die Verhältnisse des Jahres 1931 hammerharte Szene, denn es war damals nicht üblich, einen Mord vor der Kamera zu zeigen. Hyde würgt Ivy, bis sie tot zu Boden sinkt. Er lässt nicht von ihr ab, sondern taucht nach unten aus dem Bild und gibt den Blick auf eine weitere Statue frei. Es ist die Statue eines Engels, der eine unbekleidete Frau in seine Arme nimmt, um sie ins Reich Gottes zu geleiten. Hinter der Statue können Sie wieder zwei Aktgemälde erkennen. Sie sind Sinnbilder für das Leben, welches Ivy führte und sie in Hydes Arme trieb. Die Nachbarn wurden auf den Lärm in Ivys Wohnung aufmerksam und ver- Abbildung 12.58: Gemälde und Statue: sammeln sich bereits im Treppenhaus. Ivys Leben und Sterben Hyde tritt die Flucht an und turnt das Treppenhaus über die Geländer hinab. Dies war selbstverständlich nicht Fredric March selbst, sondern ein Stuntman. Wer Hyde im Weg steht, wird von ihm niedergeschlagen. So gelingt ihm die Flucht bis zum Hintereingang von Jekylls Haus. Doch wo ist der Schlüssel zur Hintertür? Den hatte Dr. Jekyll weggeworfen, als er beschloss, dass Hydes Treiben ein Ende haben soll. Bleibt nur der Weg durch die Vordertür, doch Poole knallt sie ihm umgehend wieder vor der Nase zu und weigert sich, Hyde einzulassen. Ein Einbruch ist wegen eines in der Nähe befindlichen Polizisten 425 Das Dokument des Grauens auch nicht möglich. Also verlässt Hyde den Ort wieder. General Carew ist inzwischen sehr ungehalten über das Fernbleiben Jekylls. Er annulliert seine Erlaubnis zur Heirat nicht nur, sondern er verbietet Muriel sogar, Jekyll jemals wiederzusehen. Nach der Rückkehr von Carews misslungener Party erhält Dr. Lanyon einen mysteriösen Brief. Darin bittet ihn Jekyll, sich in sein Laboratorium zu gehen und eine Phiole des geheimnisvollen Elixiers zu suchen. Dies möge er an sich nehmen und sich nach Hause begeben. Im Laufe des späten Abends würde ein Fremder bei ihm erscheinen und diesem möge er das Elixier übergeben. Dr. Lanyon tut, was ihm aufgetragen wurde. Später taucht Hyde bei ihm auf und verlangt die Herausgabe des Paketes. Doch Dr. Lanyon fürchtet, Hyde habe Dr. Jekyll etwas angetan und verweigert die Herausgabe, ohne dass er sich zuvor vom Wohlbefinden Jekylls überzeugen könne. Seiner Forderung verleiht er mit einer Pistole Nachdruck und so sieht sich Hyde gezwungen, das Elixier vor Lanyons Augen zu trinken. Bei Hydes Verwandlung in Dr. Jekyll kommen ausschließlich herkömmliche Überblendungen zum Einsatz. Wir sehen sein Gesicht in einem Close-up, als das Elixier zu wirken beginnt und in mehreren Stufen verwandelt sich Hyde in Dr. Jekyll zurück. Hier war wieder der Einsatz der Graflex-Kamera vonnöten, allerdings sind die Übergänge bei weitem nicht von der Perfektion wie bislang von dem Film gewohnt. Dies ist aber auch nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass diese Verwandlung ungleich komplizierter zu bewerkstelligen war als die vorherigen. Einen Oberkörper und einen Ellbogen in die korrekte Sitzhaltung zu bringen ist eine Sache, aber die Mimik eines Gesichtes ist schwieriger. Außerdem zeigt Mamoulian hier keine Überblendungen von Standbildern, sondern ein bewegtes Gesicht. Die Überblendungen mögen nicht perfekt sein, aber für ihre Zeit gehörten sie mit zu den Besten. Stunden später hat Dr. Jekyll seinem Freund alles erzählt. Auch den Mord an Ivy verschwieg er nicht. Doch Lanyon verzeiht ihm nicht. Jekyll habe die Schlimmste aller Blasphemien begangen und kein Mitleid zu erwarten. Jekyll verspricht, das in ihm schlummernde Ungeheuer zu bekämpfen, nie mehr das Elixier zu mischen und Muriel freizugeben. Diese Szene ist wie eine Verurteilung vor Gericht inszeniert. Mamoulian ließ Lanyons Schreibtisch auf einen Sockel stellen. Auch Dr. Lanyons Stuhl steht auf dem Sockel, doch dieser wurde noch zusätzlich mit Holzlatten unterlegt, damit Holmes Herbert eine noch zusätzlich überhöhte Position einnehmen konnte. Fredric March saß somit zwar auf einem Stuhl vor ihm, aber um einiges tiefer, sodass es den Eindruck erweckt, Holmes blicke wie ein urteilender Richter auf den Delinquenten herab. Am nächsten Abend traut sich Dr. Jekyll zum Hause der Carews. Er bittet Muriel um Verzeihung und sagt, er würde sie freigeben - doch Muriel akzeptiert dies nicht, sie liebt ihn noch immer und möchte ihm helfen. Jekyll sinkt vor ihr auf die Knie und weint in ihren Schoß, so wie es einst Ivy mit ihm tat. In einer langen, melodramatischen 426 12. Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1931) Szene voller Tränen, Liebesgeständnisse und Flehen zu Gott löst Jekyll die Verlobung mit Muriel als Beweis seiner Liebe und Sühne für seine Verbrechen. Am Ende sinkt Muriel geschwächt nieder, ihr Arm sinkt auf die Tasten ihres Pianos und ein dissonanter Akkord erschallt, einem Ausrufezeichen gleich, welches die Szene abschließt und betont. In dieser Szene hat Mamoulian es wieder zu sehr übertrieben, das Pathos trieft und der Herzschmerz überrennt den guten Geschmack. Selbst die Kerzen weinen Tränen geschmolzenen Wachses. Beim Re-Release im Jahr 1935 wurde diese Szene um zwei Minuten gekürzt - leider jedoch auch der Schlussakkord, das einzige wirkliche inszenatorische Glanzlicht dieser schwülstigen Minuten. Seit der letzten Verwandlungsszene sind etliche Minuten der Laufzeit des Films vergangen und das schleichende Gefühl drängt sich auf, dass das Skript inzwischen seine Munition verschossen hat und die Handlung nur noch zu ihrem Ende bringen möchte. Qualitativ baute der bislang mehrheitliche hervorragende Film in den letzten Minuten des epochalen Selbstmitleids und der lautstarken Reue massiv ab. Beim Verlassen des Anwesens übermannen Jekyll erneut die Gefühle - und er weckt somit wieder Mr. Hyde. Jetzt wird der Film wieder gut und belohnt uns dafür, dass wir die letzten Minuten durchgehalten haben. Bei der jetzt einsetzenden Verwandlung, die vor Muriels Terrassenfenster stattfindet, beschreitet Mamoulian einen neuen Weg. Dieses Mal gibt es keine aufwendigen Verwandlungseffekte. Lediglich die Hand Jekylls verfärbt sich durch den mittlerweile gut bekannten Filtertrick. Danach jedoch sieht man den in Umhang und Zylinder gekleideten Jekyll nur noch von hinten, gegen eine Säule gelehnt. Der Umriss Jekylls scheint plötzlich zu wachsen, er wird größer und größer und dann steht plötzlich Hyde vor Abbildung 12.59: Hyde nach der vierten uns. Unspektakulär inszeniert, aber ef- Verwandlung fektiv in der Wirkung. Hyde öffnet die Terrassentür und schleicht zu der weinenden Muriel. Dann packt er sie, sie schreit, er versucht sie zum Kuss zu zwingen. General Carew und sein Diener Hobson eilen zur Hilfe und es kommt zu einem Handgemenge, in dessen Verlauf Hyde durch die Glasscheibe hindurch ins Freie hechtet. Der Fenstersprung wurde selbstverständlich nicht von dem echten Fredric March durchgeführt, sondern auch hier kam ein Stuntman zum Einsatz. Aber dafür war das Glas echt. Im Freien geht das Handgemenge weiter und in dessen Verlauf tötet Mr. Hyde den alten General. Er schlägt ihn mit seinem Spazierstock tot und seine Schläge sind so 427 Das Dokument des Grauens hart, dass der Stock dabei zerbricht. Nachbarn rufen um Hilfe und erneut ist Hyde auf der Flucht. Diesmal ist ihm jedoch die Polizei dicht auf den Fersen. Während der nun folgenden Verfolgungsjagd durch die nächtlichen Straßen Londons ist vor allen eine Einstellung bemerkenswert, in welcher erst Jekyll und danach seine Verfolger vor einer angestrahlten Hauswand vorbeilaufen. Als sie das Bild verlassen, bleiben ihre Schatten an der Hauswand erhalten und wachsen zunehmend in die Höhe. Dies ist ein sehr expressionistischer Effekt, den Rouben Mamoulian einige Jahre zuvor für die Bühneninszenierung von Porgy & Bess entwickelte. Seine Flucht führt Hyde zurück in Dr. Jekylls Laboratorium. Er möchte das Elixier trinken und so seinen Verfolgern entrinnen. Doch er hat die Rechnung ohne Dr. Lanyon gemacht. Dieser trifft am Schauplatz des Mordes ein und identifiziert den abgebrochenen Griff der Mordwaffe als zu Dr. Jekylls Spazierstock zugehörig. Lanyon führt die anwesenden Polizisten zu Dr. Jekyll, der wieder in seiner ursprünglichen Gestalt in seinem Laboratorium weilt. Die Polizisten wollen Lanyon erst nicht glauben, dass es sich bei dem Gesuchten um Dr. Jekyll handelt, doch dann passiert es erneut: Dr. Jekyll verwandelt sich spontan in Mr. Hyde. Dieses Mal ist die Hyde-Maske extrem. Beinahe zu extrem. Jeder Quadratzentimeter von Fredric Marchs Gesicht wurde überklebt oder verformt und dies so sehr, dass Fredric March hierbei deutliche Schmerzen litt. Nach den Aufnahmen des Finales war Fredric March ein Fall für das Krankenhaus, in welchem er drei Wochen verbrachte. Um ein Haar wäre er dauerhaft entstellt und seine Karriere als Darsteller attraktiver Liebhaber hierdurch beendet worden. Im Laufe einer letzten großen KeiAbbildung 12.60: Die fünfte Verwandlung lerei mit einem ganzen Rudel Polizisten zückt Hyde schließlich ein Messer und wird von den Gesetzeshütern erschossen. Beachten Sie hierbei das Skelett, welches dem Todesschützen über die Schulter zu schauen scheint. Hyde fällt auf den Tisch des Laboratoriums und stirbt. Ein letztes Mal setzt die Transformation ein, bis schließlich die Leiche Dr. Jekylls vor den Anwesenden liegt. Die Kamera zieht sich vom Antlitz des Toten zurück, immer weiter, bis hinter Dr. Jekylls Kessel, der wieder von Flammen umlodert wird und in dem die Suppe brodelt. Dies ist die letzte Einstellung des Films, ein Symbol für Jekylls Seele, die fortan in der 428 12. Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1931) Hölle schmoren wird. Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1931) erlebte seine Uraufführung am Abend des 31. Dezembers 1931 im Rivoli, am Broadway von New York. Die Kritiker liebten den Film sogleich und priesen das Schauspiel und die technische Leistung. Vor allem letztere bezeichneten sie als wegweisend. Der Film spielte innerhalb der ersten Woche bereits 67.100 Dollar ein und legte somit den bis dato erfolgreichsten Filmstart aller Zeiten auf das Parkett. Dieser Trend sollte sich 1932 fortsetzen, denn auch hier gehörte er noch zu den erfolgreichsten Filmen des Jahres - und hier bekam er schwere Konkurrenz, wie wir in den nächsten Kapiteln dieses Buches noch erfahren werden. Die New York Times bezeichnete Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1931) als einen der fünf besten Filme, welche Hollywood in diesem Jahr auf die Leinwand gebracht habe. Der Film wurde als bester Film beim Filmfestival von Venedig ausgezeichnet und March als bester Darsteller gekrönt. Fredric March wurde ebenso für den Oscar als bester männlicher Hauptdarsteller nominiert und gewann die Trophäe bei der Preisverleihung am 18. November 1932 schließlich auch. Allerdings musste er sie sich mit Wallace Beery teilen, der für seine Rolle in The Champ (1932) nominiert war und bei den Wahlen nur eine Stimme hinter Fredric March zurücklag, was nach den Regeln der Academy mit einem Unentschieden gleichzusetzen war. Karl Struss wurde ebenso für die beste Kamera nominiert, ging jedoch leer aus. Gleiches gilt für Percy Heath und Samuel Hoffenstein, denen ihr Drehbuch eine Nominierung einbrachte. Abbildung 12.61: Fredric March (rechts) zusammen mit Frank Borzage und Helen Hayes während der Oscar-Zeremonie am 18. November 1932 Kritik und Publikum mögen begeistert gewesen sein, aber auf die Zensoren traf dies noch lange nicht zu. Colonel Joy hatte schon nach Sichtung des vorgelegten Drehbuches Bedenken bei etlichen Dialogen angemeldet. Er beanstandete Teile der Charakterisierung Hydes, vor allem seine Ausdrucksweise. Hyde bezeichnete Ivy im Skript 429 Das Dokument des Grauens wiederholt als „Schlampe“ oder „dreckige Hure“. Auch war im Skript eine Szene vorgesehen, in welcher Hyde eine Katze im Fluss ertränkt und diese Szene musste auf Joys Verlangen aus dem Skript gestrichen werden. Außerdem kritisierte Joy in hohem Maße die Szenen voller Sex und Gewalt, in welchen Ivy von Hyde misshandelt wird. Einwände gegen den Striptease hatte er jedoch keine - was auch nicht verwunderlich ist, denn dieser ist im Skript nicht explizit beschrieben und eine alleinige Idee von Rouben Mamoulian. Colonel Joy wohnte der Vorpremiere des Films am 13. Dezember 1931 bei. Seine Reaktion war nicht so negativ, wie ursprünglich erwartet. Gegen die gezeigten Brutalitäten und die Lüsternheit Hydes hatte er nichts einzuwenden, denn seiner Meinung nach konnten diese Szenen erlaubt werden, da sie auf einem Klassiker der Literatur beruhen. Allerdings zeigte er sich besorgt darüber, wie die lokalen Zensoren der einzelnen Bundesstaaten darauf reagieren könnten, von der Öffentlichkeit ganz zu schweigen. Er beanstandete jedoch Ivys Striptease in hohem Maße. Er sei viel zu lang und man könne bei Dr. Jekyll definitive Vorfreude auf das erkennen, was der Entkleidung der Dame folgen würde. Er verfügte, dass der komplette Striptease massiv gekürzt werde, Dr. Jekyll dürfe nicht hinsehen und schon gar nicht dürfe das Publikum den Eindruck haben, Ivy habe sich völlig vor Dr. Jekyll entblößt. Aber das allerschlimmste an der Szene sei, dass sie augenscheinlich nur gedreht worden wäre, um das Publikum anzusprechen. Paramount ignorierte Colonel Joys Auflagen und Warnungen völlig und brachte die Szene am 31. Dezember ungekürzt in die Kinos. Die Reaktionen der Zensurbehörden der einzelnen amerikanischen Bundesstaaten und im Ausland fielen entsprechend aggressiv aus. In Massachusetts verlangte der Zensor, dass an allen Sonntagsaufführungen sämtliche Einstellungen, in welchen Gemälde nackter Frauen zu sehen waren, gekürzt würden. In Illinois mussten alle Szenen entfernt werden, in denen sich Ivy entkleidet, ebenso durfte ihr lasziv schwingendes Bein nicht zu sehen sein. Der Ausdruck „zartes Fleisch“ durfte nicht zu hören sein, ebenso wenig Ivys Angstschreie in der Szene ihrer Ermordung. Außerdem wurde die Stelle entfernt, in welcher Hyde Ivy auf die Brust küsst sowie die Szene, in welcher er Ivy erwürgt. Für die Veröffentlichung in Großbritannien mussten alle Szenen erotischen Inhalts entfernt werden - also nahezu alle Szenen, in welchen Miriam Hopkins zu sehen war. In Japan wurde die Szene mit Ivys Ermordung fast vollständig entfernt, ebenso Ivys Striptease, der allerdings in fast allen ausländischen Fassungen fehlte. In Deutschland machte man Nägel mit Köpfen und verbot den Film einige Monate nach seinem landesweiten Start gleich ganz. Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1931) war der erste Film, der nach der Machtergreifung Hitlers im Jahre 1933 aus den deutschen Kinos verbannt wurde. In den meisten Teilen der USA wurde der Film jedoch weitgehend unbehelligt gezeigt. Durch Frankenstein (1931) waren die erste Wellen der Hysterie an dem erst 430 12. Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1931) später veröffentlichten Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1931) vorbeigegangen und durch die überragenden Kritiken und den nicht zu leugnenden Kunstgehalt des Filmes waren die Reaktion etwas gemäßigter. Natürlich gab es Proteste gegen den Film, aber sie waren schwächer als noch kurz zuvor bei James Whales Film. Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1931) wurde auch vielerorts zusammen mit Frankenstein (1931) in nächtlichen Horror-Doppelvorstellungen gezeigt, was sich als sehr erfolgreiche Kombination entpuppte. Paramount Publix nutzte dieser Erfolg jedoch nichts mehr. Wenige Monate nach der Premiere des Films war Paramount Publix bankrott. Die deftigsten Zensurmaßnahmen hatte Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1931) jedoch noch vor sich. Der Film sollte 1935 eine flächendeckende Wiederaufführung erleben. Das war soweit kein Problem, doch inzwischen hatten sich die Maßstäbe bei der Zensur geändert und der Film musste erneut vorgelegt werden. Dieses Mal traf es den Film dann jedoch äußerst heftig, was noch dadurch verschlimmert wurde, dass der Film einigen Mitarbeitern Paramounts als zu lang oder auch qualitativ zu schlecht erschien, um ihn ungeschoren davonkommen zu lassen. Insgesamt wurde der Film um ganze 14 Minuten gekürzt. Darunter befanden sich: • 2 Minuten und 25 Sekunden der genialen Eröffnungssequenz, • die inzwischen als blasphemisch gewertete Heilungsszene des gehbehinderten Mädchens, • fast der komplette Striptease sowie die Szenen, in welchen Miriam Hopkins unbekleidet im Bett liegt und Dr. Jekyll verführt, • der komplette sechseinhalb Minuten andauernde Teil zwischen der ersten Transformation Jekylls in Mr. Hyde bis hin zu der Stelle, als Mr. Hyde erstmals das Haus verlässt (was auch zur Folge hatte, dass noch heute viele Rezensenten von lediglich vier Verwandlungen sprechen), • die gleich danach folgende Szene, in welcher Hyde sich den Regen ins Gesicht prasseln lässt, denn dies setzte man mit einer Taufe gleich, • „zartes Fleisch“, • die Szene, in welcher die Katze die Nachtigall fängt, • weite Teile des Dialogs zwischen Hyde und Ivy, kurz bevor er sie tötet, • der größte Teil des Trennungsdialogs zwischen Dr. Jekyll und Muriel, • sowie noch einige kleinere Stellen mehr. 431 Das Dokument des Grauens Dies waren schon keine Einschnitte mehr, sondern es waren Verstümmelungen, die den Film jeglicher Qualität beraubten. Aber es sollte noch schlimmer kommen. Zu Beginn der 40er Jahre plante MGM, ein Remake des Films zu veröffentlichen. Da es als schwierig erschien, den berühmten Vorgänger zu übertrumpfen und MGM eine erneute Vermarktung des Originals vermeiden wollte, kaufte man einfach die Rechte an Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1931), zog alle im Umlauf befindlichen Kopien ein und schloss den Film in den eigenen Archiven weg. Somit war die Bahn frei für den wesentlich schlechteren und teilweise Szene für Szene nachgestellten Abklatsch Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1941). MGM hielt Mamoulians Original bis Mitte der 60er Jahre unter Verschluss. Glücklicherweise überlebten die 1935 aus dem Film herausgeschnittenen Teile bis gegen Ende des Jahrhunderts, einzige Ausnahme sind hier Teile von Ivy Pearsons Striptease. Aber so konnte der Film knapp 70 Jahre nach seiner Premiere schließlich wieder auf 96 Minuten Laufzeit restauriert werden. Wenn Sie die Gelegenheit haben sollten, Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1931) zu sehen, sollten Sie diese nicht versäumen. Sofern es sich um die restaurierte Version handelt, haben Sie hier die Möglichkeit, einen der mutigsten Filme zu sehen, die Hollywood während seiner goldenen Jahre produzierte. Und nicht nur das, er gehört auch zu den besten Filmen jener Zeit. Die Geschichte um Dr. Jekyll und Mr. Hyde mag heute als angestaubt erscheinen und den größten Teil ihres Reizes verloren haben, aber technisch und künstlerisch ist Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1931) den heute populäreren Produktionen Universals Dracula (1930) und Frankenstein (1931) deutlich überlegen. 432 Literaturverzeichnis [1] John T. Soister, Of Gods and Monsters: A Critical Guide to Universal Studios’ Science Fiction, Horror and Mystery Films, 1929-1939, McFarland & Company, Inc., S. 74f. [2] Michael H. Price, George E. Turner, Forgotten Horrors: Early Talkie Chillers from Poverty Row, A.S. 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Mother’s Day (2010), 149 Mummy’s Curse, The (1944), 407 Mummy’s Ghost, The (1944), 92 Mummy’s Hand, The (1940), 471 Mummy’s Tomb, The (1942), 471 Mummy, The (1932), 4, 463, 511, 524 Murder by the Clock (1931), 396, 446 Murders in the Rue Morgie (1932), 512 Filmindex Picture of Dorian Gray, The (1945), 405 Piel que habito, La (2011), 223 Plague of the Zombies, The (1966), 603, 604 Plan 9 from Outer Space (1959), 602 Polish Jew, The, siehe Juif polonais, Le (1931) Poltergeist (1982), 50 Nachts, wenn Dracula erwacht (1969), Princess and the Frog, The (2009), 610 Procureur Hallers, Le (1930), 32 270 Psycho (1960), 173, 310 Narcotic (1932), 501 Nature’s Mistakes, siehe Freaks (1932) New Adventures of Dr. Fu Manchu, siehe Rasputin, Demon with Wives, siehe Rasputin: Dämon der Frauen (1930) Return of Dr. Fu Manchu, The (1930) Night of the Living Dead (1968), 149, Rasputin: Dämon der Frauen (1930), 34 Rasuto Furankenshutain (1991), 286, 287 506, 580, 602, 604 Nosferatu: Eine Symphonie des Grauens Raven, The (1963), 181 (1922), 3, 44, 83, 95, 102, 103, 106, Re-Animator (1986), 345, 346 Reazione a catena (1971), 173 133, 390, 530 Not Against the Flesh, siehe Vampyr: Der Reefer Madness (1936), 503, 506 Return of Chandu, The (1934), 22 Traum des Allan Grey (1932) Return of Dr. Fu Manchu, The (1930), 31, Nutty Professor, The (1963), 300, 301 31, 439 Return of the Fly (1959), 326–329 Offspring, The (1987), 479 Revenge of Frankenstein, The (1958), Old Dark House, The (1932), 366 245, 247 Omega Man, The (1971), 228 Revenge of the Zombies (1943), 92, 597, Orgía del los muertos, La (1973), 303 598 Orlacs Hände (1924), 467 Revolt of the Zombies (1936), 594 Orlaks Hände (1924), 536 Rocky Horror Picture Show, The (1975), Orphée (1950), 54 148, 277–279 Other One, The, siehe Andere, Der (1930) Rojo Sangre (2004), 303 Outward Bound (1930), 30 Roma contro Roma (1964), 603 Peeping Tom (1959), 171, 173 Sang d’un poète, Le (1930), 45, 45, 46, Penalty, The (1920), 4 51, 52, 54, 55 Perfect Alibi, The, siehe Birds of Prey Santo contra la hija de Frankestein (1971), (1930) 268 Pet Sematary (1989), 149, 486 Phantom of Paris, The (1931), 10, 448, Santo contra los zombies (1962), 603 Satan’s Sadists (1969), 266 467, 479 Phantom of the Opera, The (1925), 4, 9, Savage Intruder (1969), 413 Saw (2004), 18 16, 44, 89, 95, 136 Scared Stiff (1953), 595 Phantom, The (1931), 447 Murders in the Rue Morgue (1932), 11, 359, 424, 500, 511–517, 521, 524, 527, 529, 532, 534–537 Mysterious Dr. Fu Manchu, The (1929), 31, 439 Mystery of the Wax Museum (1933), 366, 406, 512 611 Das Dokument des Grauens Scared the Death (1947), 479 Scotland Yard (1930), 37, 37 Sea Bat, The (1930), 29, 29, 30 Secret Witness, The (1931), 448 Sei donne per l’assassino (1964), 173 Seltsame Geschichte des David Gray, Die, siehe Vampyr: Der Traum des Allan Grey (1932) Serpent and the Rainbow, The (1988), 593 Seven (1995), 18 Seven Footprints to Satan (1929), 479 She Freak (1967), 506 Sherlock Holmes Faces Death (1943), 409 Shining, The (1980), 73, 149 Show, The (1927), 455 Silence of the Lambs, The (1991), 173 Skæbnesvangre opfindelse, Den (1909), 290 Something Wicked this Way Comes (1983), 479 Son of Dr. Jekyll, The (1951), 294, 296, 298 Son of Frankenstein (1939), 234, 236, 248, 277, 359, 401 Son of Ingagi (1940), 28 Soul of a Monster (1944), 409 Spanish Dracula, siehe Drácula (1931) Spectre Vert, Le (1930), 38 Spider, The (1931), 449, 449 Spiral Staircase, The (1946), 72 Spooks (1930), 44 Spooks Run Wild (1940), 479 Staatsanwalt Hallers, siehe Andere, Der (1930) Strange Adventure of David Gray, The, siehe Vampyr: Der Traum des Allan Grey (1932) Such Men Are Dangerous (1930), 36, 37 Sugar Hill (1974), 604 Svengali (1931), 125, 205, 206, 210–213, 217, 437, 445, 446, 453 Tarantula (1955), 334 612 Teenage Zombies (1959), 602 Temple Tower (1930), 38, 38 Terror Il castello delle donne maledette (1974), 275 Terror by Night, siehe Secret Witness, The (1931) Terrors (1930), 28, 28, 29 Testament des Dr. Mabuse, Das (1932), 174, 201 Testament du Docteur Cordelier, Le (1959), 298, 299, 311 Texas Chain Saw Massacre, The (1973), 149 Texas Chain Saw Massacre, The (1974), 173 The Bells (1931), 438 The Bride(1985), 283 The Two Faces of Dr. Jekyll (1960), 299, 300 Them (1954), 599 Thirteenth Chair, The (1929), 406, 467 Thirteenth Chair, The (1937), 406 Tirlby (1923), 206 Tomei kaijin (1958), 318 Tomei ningen (1954), 318 Tower of London (1939), 406, 409 Trilby (1915), 206 Twelfth Hour, The, siehe Zwölfte Stunde: Eine Nacht des Grauens, Die (1930) Twilight People, The (1973), 260 Two Faces of Dr. Jekyll, The (1960), 299, 300, 307 Ultimo uomo della Terra (1964), 602 Undying Monster, The (1942), 407, 409 Unholy Night, The (1929), 38 Unholy Three, The (1925), 9, 454, 455 Unholy Three, The (1930), 9, 10–12, 24, 454 Unknown Purple, The (1923), 60, 62 Filmindex Unknown, The (1927), 4, 455, 470, 480, Voodoo Island (1957), 606 Voodoo Man (1944), 92, 606 486, 507 Vredens dag (1943), 576 Vudú sangriento (1974), 607 Valley of the Zombies (1946), 91 Vampire, The, siehe Vampyr: Der Traum Werewolf of London (1935), 424 des Allan Grey (1932) West of Zanzibar (1928), 455, 465, 470, Vampires, Les (1915–16), 62 498 Vampyr, siehe Vampyr: Der Traum des White Zombie (1932), 534, 585, 594, 595, Allan Grey (1932) 605 Vampyr (1932), 54 Vampyr: Der Traum des Allan Grey Wizard of Oz, The (1939), 12 (1932), 541, 542, 546–550, 555, 558, Wolf Man, the (1941), 4 Woman Eater, The (1958), 601 568, 574–576 Vampyr: L’Étrange aventure de David World War Z (2013), 579 Gray, siehe Vampyr: Der Traum des Young Frankenstein (1974), 276, 277, 371 Allan Grey (1932) Young Frankenstein (1975), 277 Vampyros Lesbos (1971), 270 Vertigo (1958), 191 Victor Frankenstein (1976), 279 Zombi Holocaust (1980), 341, 605 Vie amoureuse de l’homme invisible, La Zombies of Mora Tau (1957), 599, 600 Zombies of the Stratosphere (1952), 599 (1970), 319, 320 Zombies on Broadway (1945), 598, 600 Voice from the Sky, The (1930), 43, 43 Voluntad del muerto, La (1930), 16, 16, Zwölfte Stunde: Eine Nacht des Grauens, Die (1930), 44 22, 124 613