rückkehr nach vietnam – hilfe für den neuanfang

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rückkehr nach vietnam – hilfe für den neuanfang
RÜCKKEHR NACH VIETNAM –
HILFE FÜR DEN NEUANFANG
IOM International Organization for Migration
IOM Internationale Organisation für Migration
Europäischer
Rückkehrfonds
IOM International Organization for Migration
IOM Internationale Organisation für Migration
INTEGRIERTE RÜCKKEHRPLANUNG
VIETNAM
Seit Ende 2006 berät die IOM Informations- und Rückkehrberatungsstelle in der
Ausländerbehörde Berlin Migrantinnen und Migranten, die eine freiwillige Rückkehr
in Betracht ziehen. Mittlerweile haben über 1.000 Menschen die Beratungsstelle
aufgesucht, um sich über die Möglichkeit einer freiwilligen Rückkehr in ihre Herkunftsländer zu informieren.
Obwohl jeder vierte freiwillige Rückkehrer aus dem Land Berlin vietnamesischer
Herkunft ist, war diese Gruppe in der Rückkehrberatung lange Zeit unterrepräsentiert. Vor diesem Hintergrund wurde im Januar 2012 in Erweiterung des bisherigen
Aufgabenspektrums der Informations- und Rückkehrberatungsstelle das Projekt
„Integrierte Rückkehrplanung Vietnam“ gestartet. Ziel ist es, Vietnamesinnen und
Vietnamesen, die freiwillig in ihre Heimat zurückkehren möchten, durch Sachleistungen bei ihrer Reintegration zu unterstützen. Dafür ist eine Summe von maximal
2.000 Euro pro Person vorgesehen. Mit Hilfe eines auf individuelle Bedürfnisse
zugeschnittenen Reintegrationsplans, der maßgeschneiderte Unterstützung in den
Bereichen Aktivitäten zur Erzielung von Einkommen, formelle Bildung oder Ausbildung, medizinische Unterstützung oder Verbesserung der Wohnsituation bietet,
soll Rückkehrinteressenten ein erfolgreicher Neustart in Vietnam erleichtert werden.
Im Zuge des Projekts wurde auch eine vietnamesischsprachige Sozialarbeiterin in
der IOM-Rückkehrberatungsstelle eingestellt, damit rückkehrwillige Vietnamesinnen und Vietnamesen in ihrer Muttersprache beraten werden können.
GEFÖRDERTE RÜCKKEHRER
NACH RÜCKKEHRORT (PROVINZ)
01.01.2012 - 01.11.2013
Hanoi
3
Seit Beginn des Projekts konnten insgesamt 30 Rückkehrerinnen und
Rückkehrer unterstützt werden, elf davon waren Frauen. Die überwiegende Mehrzahl der Geförderten entschied sich dafür, die Reintegrationsunterstützung für einkommensgenerierende Maßnahmen
zu verwenden. Mittlerweile hat sich die Zahl an ratsuchenden
Vietnamesinnen und Vietnamesen fast verdreifacht. Das zeigt,
dass dieses Angebot von vietnamesischen Migrantinnen
und Migranten in Berlin gut angenommen wird.
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1Hai Duong
Hung Yen1
Da die Umsetzung der Reintegrationsmaßnah1Thai Binh
men erst nach der Ankunft in Vietnam beginnen
2 Nam Dinh
kann, sind die Strukturen vor Ort von zentraler
Bedeutung. IOM verfügt über zwei Büros in Hanoi
11Nghe An
und Ho-Chi-Minh-Stadt. Die Mitarbeiter dort beraten
und begleiten die Rückkehrerinnen und Rückkehrer bei
4 Ha Thin
der Umsetzung ihrer geförderten Vorhaben. Das erhöht
5 Quang Binh
die Chancen auf eine nachhaltige soziale und ökonomische
Wiedereingliederung ganz entscheidend. Die vietnamesischen
Kolleginnen besuchen jeden geförderten Rückkehrer zweimal in einem Abstand von ungefähr sechs Monaten und befragen ihn zu dem
2 Danang
Verlauf seiner Reintegration und seiner Zufriedenheit mit der Förderung
und der Betreuung durch IOM. So können der Erfolg der Reintegrationsunterstützung überprüft und mögliche Fehlerquellen ermittelt werden.
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IOM International Organization for Migration
IOM Internationale Organisation für Migration
14 Rückkehrerinnen und Rückkehrer wurden bereits im
Rahmen des Monitorings von IOM Vietnam besucht.
Aus diesen Berichten stammen die folgenden Beispiele.
RESTAURANTBESITZER IN HUNG YEN
Herr P. ist Sportlehrer von Beruf. Um in Vietnam eine Festanstellung als Lehrer zu
finden, muss man entweder gute Beziehungen haben oder große Summen an die
Beamten der Schulbehörde zahlen. Deswegen konnte Herr P. immer nur kurze Zeit
als Aushilfslehrer tätig sein. Um seine Frau und seinen Sohn zu ernähren, war er
als Kellner und Küchenhilfe in Restaurants beschäftigt. Seit 2009 hielt er sich
in Deutschland auf, wo er schwarz in vietnamesischen Restaurants arbeitete.
Aufgrund seiner Berufserfahrung in der Gastronomie wollte sich Herr P. mit einem
eigenen Restaurant in seiner Heimatstadt selbstständig machen.
Herr P.
vor seinem Restaurant
(Foto: IOM)
Nach seiner Rückkehr im März 2013 entschied er sich in Absprache mit IOM,
in ein bereits existierendes Restaurant als Teilhaber einzusteigen. Er erwarb von
seiner Reintegrationsunterstützung eine Tiefkühltruhe, eine Werbetafel und feuerfeste Ziegel für den Ofenbau und kaufte sich so in den Betrieb ein. Herr P. ist dort
für den Lieferservice zuständig. Er konnte mit Büros in der Umgebung Verträge
für die Verköstigung der Angestellten in der Mittagspause abschließen. Insgesamt
beliefert er jeden Tag 200 Kunden.
Der Gastraum
(Foto: IOM)
Herr P. ist sehr zufrieden mit dem Erfolg seines Restaurants. Der Betrieb hat mittlerweile fünf festangestellte Mitarbeiter und Herr P. hofft auf weiteres Wachstum.
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IOM International Organization for Migration
IOM Internationale Organisation für Migration
NAGELSTUDIO IN DANANG
Herr V. und Frau H. lernten sich in Deutschland kennen. Sie arbeiteten schwarz in
einem Nagelstudio in Berlin. Beide waren zu dem Zeitpunkt, als sie die Rückkehrberatungsstelle aufsuchten, ohne gültige Papiere. Die Lebensumstände waren
schwierig, da die Entlohnung so niedrig war, dass oft noch nicht einmal genug
Lebensmittel gekauft werden konnten. Das junge Paar wollte sich in Danang, einer
wirtschaftlich prosperierenden Stadt im Süden des Landes, eine Zukunft aufbauen.
Herr V. bekam eine Förderung für die Eröffnung eines Nagelstudios und Frau H. für
die Einrichtung der gemeinsamen Wohnung und die ersten sechs Monatsmieten.
GESCHÄFTSMANN IN NAM DINH
Herr L. kehrte im Mai 2013 nach Nam Dinh zu seiner Frau und seinen drei Söhnen
zurück. Herr L. hatte sich vom Maurer zum Besitzer einer kleinen Baufirma hochgearbeitet. Er musste sein Unternehmen jedoch schließen, als ein großer Auftraggeber seine Rechnungen nicht mehr bezahlte. Herr L. verschuldete sich, um
Schlepper zu bezahlen, die ihn zuerst nach Tschechien und dann nach Deutschland brachten. In Tschechien arbeitete Herr L. schwarz auf dem Bau. Er und seine
Kollegen wussten oft noch nicht, wo sie sich genau aufhielten, da die Schlepper
ihnen dies verschwiegen. Jeden Morgen wurden sie von Bussen abgeholt und zu
verschiedenen Baustellen gefahren.
Herr V. bei der Arbeit
(Foto: IOM)
Herr L. vor seinem
ersten Großauftrag
(Foto: IOM)
Herr V. und Frau H.
in ihrer neuen Wohnung
(Foto: IOM)
Nach der Rückkehr stießen sie jedoch auf einige Probleme. Das Nagelstudio hatte
zu wenig Kunden, da es in Vietnam üblich ist, Maniküre auch in Friseursalons anzubieten. Außerdem erwies sich die Lage als wenig vorteilhaft. Kurzentschlossen
zogen Herr V. und Frau H. mit ihrem Nagelstudio in ein neu eröffnetes Einkaufszentrum um. Das erwies sich als die richtige Entscheidung. Seitdem läuft das
Geschäft so gut, dass das Paar seinen Lebensunterhalt erwirtschaften kann.
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Aufgrund seiner Vorkenntnisse wollte Herr L. nach seiner Rückkehr wieder ins
Baugeschäft einsteigen. Er verwendete seine Reintegrationshilfe für den Ankauf
eines Beton- und eines Mörtelmischers. Nach seiner Rückkehr begann Herr L.
umgehend mit einem Großauftrag für Bauarbeiten an einer Kirche. Bei diesem
Projekt arbeiteten 20 Bauarbeiter unter seiner Führung.
Zusätzlich zu seiner Tätigkeit als Bauunternehmer unterstützt Herr L. seinen
Schwager, der eine Werkstatt für Metallarbeiten betreibt. Herr L. verdient durch
beide Tätigkeiten sehr gut und ist als Unternehmer wieder in seinem Element.
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IOM International Organization for Migration
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OBST- UND GEMÜSEHÄNDLER IN HAI DUONG
Herr N. entschied sich im Frühjahr 2013 für eine Rückkehr nach Vietnam. Ohne
die Reintegrationshilfe wäre dies nicht möglich gewesen, da er noch Schulden bei
Schleppern hatte. Herr N. lebt mit seiner Frau und seinen zwei kleinen Kindern auf
dem Land in der Provinz Hai Duong im Norden des Landes. Seine Frau verdient als
Näherin in einer Textilfabrik nicht genug, um die Familie allein zu ernähren.
Herr N. und
sein Motorrad
(Foto: IOM)
FISCHHÄNDLERIN IN QUANG BINH
Frau T. kommt aus einem kleinen Fischerdorf in der Nähe der Hafenstadt Song
Gianh. In Deutschland hat sie als Hausmädchen für eine vietnamesischstämmige
Familie gearbeitet. Die meiste Zeit musste sie mit den Kindern in der Wohnung
verbringen. Im Winter 2012 entschied sie sich nach knapp eineinhalb Jahren für
die Rückkehr.
Frau T. vor ihrem Haus
(Foto: IOM)
Herr N. hatte vor seiner Zeit in Deutschland erfolgreich einen mobilen Gemüsehandel betrieben. Er kaufte von den Bauern in seiner Umgebung Gemüse und
transportierte es mit seinem Motorrad zu Märkten, wo er es verkaufte. Aufgrund
seiner guten Erfahrungen in diesem Bereich wollte er nach seiner Rückkehr diese
Tätigkeit wieder aufnehmen. Er erwarb von seiner Reintegrationshilfe ein Motorrad
und von dem restlichen Geld Obst und Gemüse. Herr N. verkauft seine Ware vor
allem an Großhändler auf städtischen Märkten. Wenn er nicht Obst und Gemüse
transportiert, bietet er seine Dienste als Motorradtaxifahrer an. Sein Einkommen
und das seiner Frau reichen für den Lebensunterhalt seiner Familie aus. Herr N. ist
sehr froh darüber, so schnell nach seiner Rückkehr beruflich Fuß gefasst zu haben.
Frau T. hatte vor ihrer Zeit in Deutschland bereits zehn Jahre als Fischhändlerin
gearbeitet. Sie kaufte morgens Fisch direkt von den Fischerbooten und belieferte
damit Läden und Restaurants in der Umgebung. Um wieder in diesem Bereich tätig
sein zu können, benötigte sie ein Motorrad und eine Summe für den ersten Fischkauf. Nach der Rückkehr hatte Frau T. zuerst mit persönlichen Schicksalsschlägen
zu kämpfen. Ihr Mann reichte die Scheidung ein und ihre Tochter erkrankte an
Depressionen und verließ die Universität ohne Abschluss.
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Frau T. hat sich von all dem nicht entmutigen lassen. Zusätzlich zu ihrem Fischhandel betreibt sie jetzt ein kleines Café in ihrem Haus. An sonnigen Tagen verkauft sie
am späten Nachmittag Säfte und Bier. Eine Verwandte hilft im Café aus, wenn Frau
T. verhindert ist. Mit beiden Tätigkeiten erzielt sie ein stabiles Einkommen.
IOM International Organization for Migration
IOM Internationale Organisation für Migration
SANITÄR- UND ELEKTROINSTALLATEUR IN HANOI
Die Familie von Herrn B. lebt in Hanoi. Er hat eine dreizehnjährige Tochter und
einen gehörlosen neunjährigen Sohn. Herr B. ging 2007 nach Deutschland, in der
Hoffnung hier besser verdienen zu können. Vorher arbeitete er mit seinem Onkel
auf Baustellen. So lernte er einiges über Sanitär- und Elektroinstallationen.
Herr B. ist wieder
im Baugewerbe tätig
(Foto: IOM)
Nach seiner Rückkehr machte er sich als Handwerker in diesem Bereich selbstständig. Mit der Rückkehrhilfe finanzierte er ein Motorrad und die nötigen Werkzeuge. So kann er seine Dienste auf verschiedene Baustellen anbieten. Sein
Onkel, der immer noch im Baugeschäft tätig ist, half ihm beim Wiedereinstig.
Herr B. behielt mit seiner Einschätzung Recht, dass ihm der Bauboom in Hanoi
viele Verdienstmöglichkeiten bieten werde. Mittlerweile plant er langfristig zwei
bis drei Hilfsarbeiter anzustellen, um in der Hochsaison die Aufträge bewältigen
zu können.
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AUSBLICK
Mit dem Projekt wird eine Alternative zum oft als perspektivlos empfundenen
Aufenthalt in Deutschland eröffnet. Zugleich werden die Betroffenen in die Lage
versetzt, selbstbestimmt – und nicht im Wege der zwangsweisen Durchsetzung
der Ausreiseverpflichtung – in ihr Heimatland zurückzukehren. Darüber hinaus
ermöglicht dieses Projekt einen engen Kontakt mit der vietnamesischen community in Berlin und vietnamesischen Migrantinnen und Migranten. Die so gewonnen
Erfahrungen halfen dabei, die Qualität der Rückkehrberatung für diese Gruppe zu
verbessern und werden auch in Zukunft Eingang in die tägliche Beratungsarbeit
finden.
Nach zwei Jahren lässt sich eine gute Zwischenbilanz hinsichtlich des Erfolgs der
Rückkehrförderung ziehen. Die Rückmeldungen der geförderten Vietnamesinnen
und Vietnamesen in den Monitoringberichten sind sehr positiv. Neben der gründlichen Vorbereitung der Rückkehr in Berlin, der Betreuung durch IOM Vietnam und
dem Engagement der Geförderten selbst ist dafür auch die gute wirtschaftliche
Entwicklung Vietnams in den letzten Jahren verantwortlich. In diesem Umfeld
können die geförderten Projekte gedeihen und zu einer Verbesserung der Lebensumstände der Rückkehrerinnen und Rückkehrer beitragen.
Für die Zukunft ist angedacht, die Förderquote von Frauen zu erhöhen. Ebenso
wird eine Diversifizierung der Geschäftsideen angestrebt, um so die Chancen auf
nachhaltigen Erfolg am Markt zu erhöhen. Darüber hinaus ist angedacht, langfristig Partnerschaften mit anderen Bundesländern einzugehen, um künftig auch die
Rückkehr von Vietnamesinnen und Vietnamesen, die ihren Wohnsitz außerhalb
Berlins haben, fördern zu können.
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IMPRESSUM
Gestaltung: 3DeSIGN GmbH
Herausgeber:
Internationale Organisation für Migration
Wallstraße 69
10179 Berlin
Tel: 030 27 87 78 14
E-Mail: [email protected]
Internet: http://www.iom.int/germany
Verantwortlich: Argentina Szabados
Autorin: Dr. Sarah Tietze
Diese Broschüre wurde im Rahmen des Projekts
„IOM Informations- und Rückkehrberatungsstelle
Berlin – Integrierte Rückkehrplanung Vietnam“
erstellt. Das Projekt wird je zur Hälfte vom Europäischen
Rückkehrfonds und von der Senatsverwaltung für
Inneres und Sport Berlin gefördert.
Dezember 2013