Die Umgebung verhält sich seltsam: Was nun?

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Die Umgebung verhält sich seltsam: Was nun?
Die Umgebung verhält sich seltsam: Was nun?
Der Arzt stellte nach einer ausführlichen Untersuchung die Diagnose:
Alzheimer. Meine Frau fragt mich regelmäßig, was der Arzt genau
gesagt hat, ich traue mich aber nicht mehr, mit ihr darüber zu reden.
Wenn sie wissen würde, welche Krankheit sie hat, wäre das eine
Tragödie.
Die Diagnose „Demenz“ trifft sowohl die Patienten als auch die Umgebung
hart. Die Erkenntnis kommt einer Tragödie gleich. Wenn man die Krankheit
jedoch enttabuisiert und sie bespricht, kann das die Tragödie erträglicher
machen. Ehrlichkeit kann schmerzhaft sein, festigt jedoch auch das
gegenseitige Vertrauen. So können beide Parteien einige Vereinbarungen
treffen, Gefühle zum Ausdruck bringen oder die Zukunft planen. Wenn man
über die Krankheit spricht, kann man sie besser einordnen: Eine Diagnose
bedeutet noch nicht das Ende, sondern es kann noch eine lange Zeit mit
vielen sinnvollen, schönen Momenten folgen.
Wie soll ich reagieren, wenn meine Frau fragt, was der Arzt genau
gesagt hat?
Seitdem der Arzt die Diagnose „Demenz“ bei meinem Ehemann
gestellt hat, verhalten sich alle in meiner Umgebung seltsam. Unsere
Nachbarn und Familienmitglieder sprechen über ihn, als ob er nichts
mehr verstehen würde – und das, während er dabei ist. Ich sehe dann,
dass er sehr traurig wird.
Viele Menschen wissen nicht, wie man am besten mit Demenzbetroffenen
umgeht. Obwohl sie es nicht böse meinen, fangen sie an, sie wie ein
kleines Kind zu behandeln.
Wir müssen nicht nur herausfinden, wie wir selbst am besten mit der
dementen Person umgehen, sondern müssen auch die Umgebung
„umerziehen“. So kann man Besuchern zeigen, dass es auch anders geht,
indem man den Ehepartner immer wieder am Gespräch beteiligt und die
Fragen, die man Ihnen stellt, an ihn weiterleitet. Fragen Sie ihn deutlich
nach seiner Meinung und hören Sie sich an, was er zu sagen hat. Dies
www.liewematdemenz.lu | Webanwendung des „Ministerium für Familie, Integration und die Großregion“,
Luxemburg, in Zusammenarbeit mit dem Expertisecentrum Dementie Vlaanderen VoG | 3 „Umgang mit
Demenz“ | Seniorentelefon 24786000 | [email protected]
führt zu einer offenen Kommunikation, und auch andere Menschen werden
ihn wieder ansprechen.
Ich kann nichts mehr richtig machen ...
„Ich kann nichts mehr richtig machen ... Was ich auch tue, meine
Mutter ist mir immer böse.“
Vor allem in der Anfangsphase einer Demenz sind Wut und aggressives
Verhalten häufig. Dies ist oft ein Ausdruck der Ohnmacht: Menschen mit
Demenz spüren, dass sie die Kontrolle über ihr Leben verlieren und sich ihr
Zustand verschlimmert. Sie haben Angst vor dem, was mit ihnen passiert
und noch passieren wird. Ihre Wut ist eine emotionale Reaktion auf die
Verschlechterung ihres psychischen Zustands. Das ist auch der Grund,
weshalb Personen mit Demenz schnell sehr ungehalten werden, häufig
wenn man es nicht erwartet. Der Anlass ist meistens eine Nichtigkeit: eine
Behauptung, eine gut gemeinte Bemerkung, eine Handlung des Pflegers ...
Sie müssen diese Ausbrüche nicht sofort eindämmen.
Geben Sie dem Menschen mit Demenz ruhig Zeit, seine Wut
herauszulassen. Wenn man beginnt, mit ihm zu diskutieren und mit
Konsequenzen zu drohen, wie: „Wenn Du nicht gleich aufhörst zu schreien,
schicke ich Dich ins Altenheim!“, wird sein Vertrauen in Sie erschüttert.
Versuchen Sie herauszufinden, warum die Person mit Demenz wütend ist.
Häufig ist ihre Wut auf Trauer, Angst oder Unsicherheit zurückzuführen,
weil sie merkt, dass sie zunehmend die Kontrolle verliert.
Personen mit einer beginnenden Demenz können beispielsweise wütend
und aggressiv werden, wenn man sie etwas machen lässt, dass sie nicht
mehr können, oder wenn man ihnen etwas verbietet, wovon sie denken,
dass sie es noch schaffen. Auch Scham während der Körperpflege kann
aggressives Verhalten auslösen. Setzen Sie sich dann neben den
Betroffenen und sagen Sie ihm, dass Sie verstehen können, dass er
wütend ist, dass Sie an seiner Stelle auch wütend oder traurig wären.
Hören Sie sich an, was die Person zu sagen hat und versuchen Sie, das
Problem zu enttabuisieren und darüber zu sprechen.
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Ich werde zu Unrecht beschuldigt
„Mein Partner schikaniert mich ständig und beschuldigt mich zu
Unrecht.“
Sehr schmerzhaft und häufig frustrierend für die unmittelbare Umgebung ist
das Misstrauen der Menschen mit Demenz. Dieses Misstrauen ist auf
Gedächtnisversagen zurückzuführen. So hat der Betroffene vergessen, wo
er etwas hingelegt hat, und findet es nicht mehr. Dann liegt der Gedanke
an Diebstahl nahe.
Auf diese Weise schützt die Person mit Demenz ihr Selbstwertgefühl: Nicht
sie hat etwas vergessen, sondern jemand anders hat es weggenommen!
Misstrauen kann jedoch auch die Folge des beängstigenden Gefühls sein,
dass man die Kontrolle über sein Leben verliert.
Wenn ein Mensch mit Demenz Sie beschuldigt, tut er dies nicht, um Sie zu
verdächtigen oder zu schikanieren. Die Verdächtigungen sind seine Art, die
Zweifel, das Gefühl von Ohnmacht und Bedrohung zum Ausdruck zu
bringen. Versuchen Sie, sich die Beschuldigungen aufmerksam anzuhören
und darüber nachzudenken, um die Hintergründe und Beweggründe zu
ermitteln. Wenn man der Person mit Demenz ein Suchverbot auferlegt,
wird sie sich nur noch mehr Sorgen machen. Es kann helfen, die
„gestohlenen“ Gegenstände gemeinsam zu suchen oder die Zweifel und
das Gefühl der Ohnmacht anzuerkennen, indem Sie die Person direkt
darauf ansprechen: „Ich merke, dass Du Dich nicht sicher fühlst, Du hast
das Gefühl, dass Du bestohlen wirst ...“
Das Misstrauen kann auch auf Schwerhörigkeit zurückzuführen sein.
Situationen oder Gespräche werden falsch interpretiert, weil sie nur zur
Hälfte verstanden werden. Regelmäßige Hörkontrollen sind deshalb
wichtig. Wenn geflüstert oder „über den Kopf des Betroffenen hinweg“
geredet wird, führt dies häufig zu Misstrauen.
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Demenz: eine Herausforderung ...
Der Arzt hat uns die Diagnose für das seltsame Verhalten meines
Vaters mitgeteilt: „Demenz“. Ich habe keine Ahnung, was mich jetzt
erwartet. Ich weiß jedoch, dass wir die Herausforderung gemeinsam
angehen werden. So sind wir nun einmal. Ich werde ihn täglich einige
Übungen machen lassen, seinen Geist anregen und so vermeiden,
dass diese Krankheit unser Leben beherrscht.
Es ist gut, positiv zu denken. Was Ihnen bevorsteht, kann niemand
vorhersagen. Fakt ist, dass Demenz ein unumkehrbarer Prozess ist und
Sie schrittweise mit Verlusterfahrungen konfrontiert werden. Diesen Verlust
können Sie auf jeden Fall in der Anfangsphase beschränken, indem Sie die
noch vorhandenen Möglichkeiten nutzen: Beteiligen Sie Ihren Vater an
allem, was um ihn herum passiert, laden Sie Angehörige ein, gehen Sie mit
ihm einkaufen, lassen ihn die Zeitung lesen ...
Lassen Sie ihn in seinem Tempo einige Aufgaben selbstständig erledigen.
Dennoch müssen Sie auch einsehen, dass diesen „Übungen“ Grenzen
gesetzt sind. Zu einem bestimmten Zeitpunkt wird er einiges nicht mehr
schaffen, und dann ist es gut, dies zu akzeptieren. Sie müssen allmählich
seine Aufgaben übernehmen, ohne ihn zu sehr damit zu konfrontieren.
Dies vermittelt dem Patienten ein Gefühl von Sicherheit: „Wenn ich es nicht
mehr schaffe, dann wird für mich gesorgt.“
Personen mit Demenz strengen sich immer bis zum Äußersten an, sie
kämpfen gegen die Verschlechterung ihres körperlichen und geistigen
Zustands. Wenn sie bestimmte Aufgaben nicht mehr erledigen können, ist
es für sie sehr frustrierend, wenn die Umgebung sie weiterhin bedrängt.
Die Betroffenen können darauf reagieren, indem sie trotzig oder depressiv
werden.
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