Studienkompass als Orientierungshilfe für

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Studienkompass als Orientierungshilfe für
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Perspektiven_STUDIENKOMPASS
Deutsche Bank_r e s u l t s
77 %
der Kinder aus Akademikerfamilien
studieren, aber nur 23 Prozent der Kinder
von Eltern ohne Hochschulabschluss
Lernen für Aufsteiger
Kinder aus Nichtakademiker-Familien studieren immer noch besonders selten.
Die Deutsche Bank Stiftung engagiert sich deshalb für den STUDIENKOMPASS
und unterstützt begabte Schüler bei ihrer Entscheidung für ein Studium
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1,8×
Die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder von
Akademikern auf die gymnasiale Oberstufe kommen, ist 1,8-mal so hoch wie die
der Kinder von Nichtakademikern
Der STUDIENKOMPASS hat mir gezeigt, dass es wichtig ist,
seine eigenen Stärken und Schwächen zu kennen und in seine
eigenen Fähigkeiten zu vertrauen
Alena L. studiert Ökotrophologie
FOTOS: ROLF SCHULTEN (2), ANNE CLAUSING, THOMAS HÖRNER/STUDIENKOMPASS (4)
M
adelaine Gräf-Roos war immer gut in der
Schule, vor allem Mathematik lag der
Frankfurterin. Doch trotz der Einsen und
Zweien auf ihren Zeugnissen und obwohl ihre Mitschüler mit viel schlechteren Noten ein Studium
planten, hätte sich Gräf-Roos wohl mit einer kaufmännischen Lehre begnügt: „Meine Mutter wollte
eigentlich nicht, dass ich studiere“, erinnert sich
die heute 24-Jährige. „Sie hielt es irgendwie für unnötig.“ Der Grund ist simpel: Gräf-Roos’ alleinerziehende Mutter, die mit 20 Jahren von Uruguay nach
Deutschland ausgewandert ist , hat selbst nicht
studiert – und deshalb konnte sie es sich auch für
ihre Tochter nicht vorstellen.
Doch als Gräf-Roos in der neunten Klasse war,
stellte ein Lehrer ihr den STUDIENKOMPASS vor,
ein Programm der drei Initiativpartner Deutsche
Bank Stiftung, Stiftung der Deutschen Wirtschaft
und Accenture-Stiftung. Coaches und Mentoren begleiten Jugendliche aus nichtakademischen Elternhäusern dabei durch die letzten
Schuljahre und den Anfang des St udiums. Die
Schüler sollen ermutigt und motiviert werden,
sich ein Studium zuzutrauen, auch wenn ihre
Eltern sich damit nicht auskennen. „Der STUDIENKOMPASS hat mir geholfen, mir die P erspektiven
von Studium und Lehre klarzumachen“, sagt GräfRoos heute. Sie schrieb sich nach dem Abitur für
ein Studium der Betriebswirtschaftslehre ein,
sattelte an der renommierten Cass Business
School in London einen Master obendr auf. Und
wird in diesem Jahr bei der Europäischen Zentralbank anfangen.
Den STUDIENKOMPASS gibt es seit 2007, im Jahr
2014 sind wieder 300 Jugendliche neu in das Programm aufgenommen worden – insgesamt gibt es
aktuell 1600 Teilnehmer an bundesweit 30 Standorten. Die Durchführung ermöglicht neben dem
Engagement der Initiativpartner die Beteiligung einer Reihe weiterer Förderer, zu denen insbesondere
Stiftungen und Unternehmen zählen. Der STUDIENKOMPASS trägt zu dem Programm Born to Be der
Deutschen Bank und ihrer Stiftungen bei, mit dem
Ziel, die Zukunftsperspektiven junger Menschen zu
verbessern. Er fördert gezielt Schüler, die zwar studieren könnten, es aber statistisch betrachtet seltener tun als ihre Altersgenossen. Bewerben können
sich Jugendliche, deren Eltern keine akademische
Ausbildung haben oder die zum Beispiel wegen ihres
Migrationshintergrunds benachteiligt sind.
Fast jeder wählt das Studium
In einem zweistufi gen Test müssen die Bewerber
ihre mathematischen und sprachlichen Fertigkeiten unter Beweis stellen sowie zeigen, wie realistisch sie sich selbst einschätzen und wie motiviert
sie sind. In fünf Seminaren über drei Jahre bauen
die Jugendlichen dann Selbstbewusstsein auf, prüfen, welche Studienfächer zu ihnen passen, üben
Zeit- und Selbstmanagement und planen ihre
Karriere. Mit Erfolg: Mehr als 90 Prozent der STUDIENKOMPASS-Teilnehmer entscheiden sich
Ein echter Kompass soll den Weg in der
Uni weisen: Stipendiaten bei ihrer
Aufnahme in den STUDIENKOMPASS in
Baden-Württemberg
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Schon das erste Jahr hat mich meinem
Wunschstudium sehr viel näher gebracht,
denn die Workshops haben mir dabei
geholfen, meine eigenen Stärken zu
entdecken und meinem Studienwunsch
eine konkrete Richtung zu geben
Teresa F. macht im nächsten Jahr Abitur
60 %
aller Studenten haben Eltern mit Abitur, nur
weniger als jeder zehnte stammt von
Eltern mit Volks- oder Hauptschulabschluss
zu studieren. Von sich aus scheuen viele Abiturienten diesen Weg, wenn ihre Eltern nicht selbst
Akademiker sind. Die Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks zeigt: Je geringer der Bildungsgrad der Eltern ist, desto seltener studieren
die Kinder. Nicht einmal jeder zehnte Student hat
Eltern mit Hauptschulabschluss, fast 60 Prozent
kommen dagegen aus Familien, in denen mindestens ein Elternteil Abitur hat . Bei rund der Hälfte
der Studenten waren Vater oder Mutter an einer
Universität, Kunst- oder Fachhochschule. Besonders alarmierend: Der Anteil von Studenten mit
Eltern, die nur über einen niedrigen Bildungsabschluss verfügen, wird nicht etwa größer, sondern
er sinkt seit Jahren.
FOTOS: ROLF SCHULTEN (2), DIRK MATHESIUS/STUDIENKOMPASS (4)
Chancengleichheit schaffen
Die Gründe sind vielfältig: Es gelinge dem Schulsystem immer noch nicht, die ungleichen Voraussetzungen auszubalancieren, die ein Kind aus einem weniger gebildeten Elternhaus mitbringt, kritisiert Klaus
Hurrelmann, einer der bekanntesten Erziehungswissenschaftler Deutschlands. „Oft verstärkt die Schule
die Ungleichheiten sogar.“ Erstens stünden Kinder
aus Akademikerhaushalten oft unter dem Druck,
nicht weit unter den sozialen Status der Eltern zu
fallen. Gleichzeitig können Eltern, die selbst Abitur
gemacht und studiert haben, ihren Kindern auf dem
Weg durch die Schule und ins Studium besser helfen. „Der Übergang zwischen Schule, Studium und
Beruf ist besonders kritisch“, sagt Michael Münch,
Vorstand der Deutsche Bank Stiftung. „Wir meinen,
dass jedes Kind die gleichen Chancen haben sollte,
zu weiterführenden Abschlüssen zu kommen.“
Das sei nicht zuletzt deshalb wichtig, weil ein
rohstoffarmes Land wie die Bundesrepublik auf
möglichst gut ausgebildete Fachkräfte angewiesen ist, betont Münch. „In den kommenden Jahren
werden aufgrund der demografischen Entwicklung
immer weniger junge Menschen auf den Arbeitsmarkt kommen.“ Die Deutsche Bank Stiftung ist als
Initiativpartner einer der wichtigsten Unterstützer
des Projekts. Corporate Volunteers der Bank engagieren sich zusätzlich als V ertrauenspersonen in
den Regionalgruppen; sie sind dabei direkte Ansprechpartner der Jugendlichen und organisieren
Workshops und Exkursionen. Organisiert wird der
STUDIENKOMPASS von der Stiftung der Deutschen
Wirtschaft (sdw) in Berlin, die auch zuständig für
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Soziologie, BWL oder Lehramt?
Das richtige Studienfach
zu finden ist nicht leicht. Dank
STUDIENKOMPASS ist es
mir gelungen! Carolin G. studiert Gymnasiallehramt
QUELLE FÜR STATISTIKEN: DEUTSCHES STUDENTENWERK/ HIS-INSTITUT FÜR HOCHSCHULFORSCHUNG; 20. SOZIALERHEBUNG, 2012
Bei jedem dritten Doktoranden
in Deutschland haben sowohl
der Vater als auch die Mutter einen
Hochschulabschluss
Werbung, Auswahltests, Workshops und Betreuung der Programmteilnehmer ist. Längst geht die
Initiative über die Begleitung von Schülern und
Studierenden hinaus, erklärt Ulrich Hinz, der als
Bereichsleiter Schülerförderung der sdw für den
STUDIENKOMPASS zuständig ist. Etwa mit dem „Elternkompass“, mit dem sich Eltern über die Vorteile
und Herausforderungen eines Studiums informieren können und Tipps zu Finanzierungsmöglichkeiten erhalten. Besonders stolz ist Hinz dar auf, dass
die Schulbehörden von Bayern und Berlin nach
dem Vorbild der STUDIENKOMPASS-Seminare inzwischen auf breiter Front Schüler über die Chancen
eines Studiums aufklären. Weil aber noch längst
nicht jeder Jugendliche in der Schule zum Studium
ermutigt wird, sucht Hinz weitere Unternehmen,
die sich als Förderer und Partner für den STUDIENKOMPASS engagieren.
Frühe Planung sichert Abschluss
Die Stipendiatin Madelaine Gräf-Roos ist froh, dass
sie vor dem Abitur an den STUDIENKOMPASS-Seminaren teilnehmen konnte. „Es hat mir sehr geholfen,
mal ein Wochenende lang mich selbst und meine
Fähigkeiten zu refl ektieren“, erinnert sie sich. „ Zu
überlegen, was mir liegt und welche Ausbildung
dazu passen könnte.“ Sie stellte schließlich fest ,
dass sie ihre Begabung in Mathematik gern mit dem
Thema Wirtschaft verbinden würde – und landete
bei BWL mit Schwerpunkt Finance and Accounting.
Beim letzten STUDIENKOMPASS-Seminar zur per-
sönlichen Karriereplanung – da war sie längst im
Studium – legte Gräf-Roos dann die weiteren Schritte fest: ein Master in „mathematical trading and
finance“, drei Monate als Trainee bei einer international tätigen Bank in New York, schließlich der Einstieg
in den Bereich „ Open Market Operations“ der EZB.
„Die Teilnahme am STUDIENKOMPASS hat sich
für mich wirklich gelohnt“, sagt Gräf-Roos. Viele ihrer früheren Mitschüler aus Akademiker-Elternhäusern, für die schon mit 16 feststand, dass sie studieren, hätten dann nach dem Abi nicht gewusst ,
was sie mit sich anfangen sollten. „Die haben zum
Teil länger gewartet, bis sie sich irgendwo eingeschrieben haben, haben dann oft abgebrochen und
doch etwas anderes studiert“, sagt Gräf-Roos. Sie
dagegen hat dank STUDIENKOMPASS früh begonnen, ihre Ausbildung und die Karriere zu planen.
Inzwischen engagiert sie sich im Alumni-V erein
ehemaliger STUDIENKOMPASS-Teilnehmer. „Ich
finde, das ist ein wunderbares Projekt.“
D AV ID S EL BACH
WEITERE INFORMATIONEN
Deutsche Bank Stiftung
www.deutsche-bank-stiftung.de/
bildung studienkompass.html
Website des STUDIENKOMPASS
www.studienkompass.de
Initiative Born to Be
www.deutsche-bank.de/borntobe
64 %
aller Studenten aus einem
Elternhaus mit niedrigen
Bildungsabschlüssen arbeiten
während des Studiums
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