Schlaganfall und Fahreignung

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Schlaganfall und Fahreignung
Schlaganfall und Fahreignung
Das Fahren von Kraftfahrzeugen ist oft eine notwendige Voraussetzung, um selbständig
und unabhängig leben zu können. Nach jedem Schlaganfall stellt der Gesetzgeber aber die
Frage, ob der Erkrankte weiterhin wie bisher Kraftfahrzeuge fahren kann oder fahren darf
(§§ 11 und 46 der Fahrerlaubnisverordnung = FeV).
Die Fahrerlaubnisbehörde erhält in der Regel keine Meldung über einen Schlaganfall, so
dass man seinen Führerschein erst einmal behalten kann. Nach § 2 Abs.1 der FeV ist aber
jeder verpflichtet, eigenverantwortlich zu überprüfen, ob er nach einer Erkrankung
weiterhin ein Kraftfahrzeug fahren kann, ohne andere Verkehrsteilnehmer zu gefährden.
Dies bedeutet, jeder muss sich nach einem Schlaganfall selbst darum kümmern, ob er
noch fahren kann. Tut man nichts, und es passiert etwas (z.B. ein Unfall), gilt der
Grundsatz:
Unwissenheit schützt vor Strafe nicht!
Die gesetzlichen Regelungen zur Fahreignung nach Schlaganfall werden durch die
Fahrerlaubnisverordnung und die “Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrereignung” näher
beschrieben. Dort steht (sinngemäß): Wer an den Folgen eines Schlaganfalles leidet, ist
bei Vorliegen relevanter neurologischer oder neuropsychologischer Ausfälle (z.B.
Lähmungen, Sehstörungen, Konzentrationsstörungen) nicht in der Lage, den gestellten
Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen gerecht zu werden. Nach erfolgreicher
Therapie kann, abhängig von den besonderen Umständen des Einzelfalles, angenommen
werden, dass der Betreffende bedingt wieder in der Lage ist, Kraftfahrzeuge der Klassen A,
B, M, L und T (= Motorrad, Pkw, Kleinkrafträder bis 45 km/h, Traktoren) zu fahren. Das
Fahren von Lkw und Bussen der Klassen C und D ist nach einem Schlaganfall dagegen
nicht mehr gestattet. Auch eine Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung (z.B. für ein Taxi)
darf nicht mehr ausgeübt werden.
Eine risikolose Teilnahme am Straßenverkehr ist nur dann gegeben, wenn keine erhöhte
Rückfallgefahr mehr besteht. Die Beurteilung der Fahreignung setzt in der Regel eine
eingehende Untersuchung voraus.
Nach einem Schlaganfall darf man also nicht einfach weiter ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr
führen. Der Gesundheitszustand muss sich gut gebessert und stabilisiert haben. Es dürfen keine
fahrrelevanten körperlichen oder psychischen Einschränkungen zurückgeblieben sein. Es darf
auch keine erhöhte Rückfallgefahr bestehen.
Wer nach einem Schlaganfall wieder fahren will, muss im Zweifelsfall nachweisen können, dass
er jetzt auch noch fahren kann. Dieser Nachweis ist z.B. dann notwendig, wenn nach einer
Anzeige, Verkehrskontrolle oder einem Unfall Nachforschungen über den Gesundheitszustand
angestellt werden. Ein solcher Nachweis erfordert eine befürwortende Beurteilung der Fahreignung
nach einer entsprechenden Untersuchung. Darum muss man sich selbst kümmern! Ohne einen
Nachweis, dass auch nach dem Schlaganfall eine Fahreignung besteht, muss man mit
versicherungsrechtlichen und strafrechtlichen Konsequenzen (nach § 315c Strafgesetzbuch)
rechnen.
Wie kann man nach einem Schlaganfall seine Fahreignung nachweisen?
Wer nach einem Schlaganfall weiterhin ein Kraftfahrzeug fahren will, muss durch eine
Untersuchung seine Fahreignung abklären lassen. In jedem Fall sollte ein Nachweis der
Fahreignung in Form einer schriftlichen befürwortenden Beurteilung erworben werden.
Eine befürwortende Beurteilung, die auch rechtsverbindlich ist, kann nur über die
Fahrerlaubnisbehörde erworben werden. Dieser Weg ist in jedem Fall dann erforderlich,
wenn
durch
einen
Schlaganfall
fahrrelevante
Bewegungsbehinderungen
zurückgeblieben sind, weil dafür Eintragungen in den Führerschein vorgenommen werden
müssen.
Der erste Schritt dafür ist eine eigenständige Benachrichtigung der zuständigen
Fahrerlaubnisbehörde (z.B. Führerscheinstelle) über den Schlaganfall mit der Bitte um
Abklärung der Fahreignung. Die Fahrerlaubnisbehörde ordnet dann eine Prüfung der
Fahreignung an und setzt dafür eine Frist (ca. 6-12 Wochen). Diese Prüfung kann folgende
Untersuchungen beinhalten:
? ? ein Gutachten von einem “Facharzt mit Verkehrsmedizinischer Qualifikation” (Kosten:
ca. 300 €).
? ? eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU; Kosten: ca. 350 €).
? ? eine praktische Eignungsprüfung oder eine Fahrverhaltensprobe durch einen
Fahrprüfer (Kosten: ca. 150 €).
Fällt die Überprüfung der Fahreignung zufriedenstellend aus, erhält man von der Behörde
eine Bescheinigung, darf weiterhin fahren und ist rechtlich voll abgesichert. Es können
aber auch bestimmte Auflagen oder Beschränkungen erteilt werden. Es kann z.B. sein,
dass man wegen einer Bewegungsbehinderung nur noch ein behindertengerechtes
Fahrzeug fahren darf. Manche Fahrer müssen eine Brille tragen oder bekommen eine
Geschwindigkeitsbegrenzung in den Führerschein eingetragen.
Hat die Fahrerlaubnisbehörde erhebliche Bedenken gegen die weitere Fahreignung, kann
der Führerschein entzogen werden.
Ein weiterer Weg zur Überprüfung besteht in einer informellen Abklärung der
Fahreignung. Dabei kann man (ohne im ersten Schritt gleich die Fahrerlaubnisbehörde
einzuschalten) eine fachliche Einschätzung über die nach einem Schlaganfall bestehende
Fahreignung erhalten. Der Vorteil ist, dass diese Form der Überprüfung bei Bedenken
gegen die Fahreignung nicht unmittelbar zu einer Entziehung des Führerscheins durch die
Fahrerlaubnisbehörde führt.
Hierfür gibt es folgende Möglichkeiten:
? ? die Untersuchung der Fahreignung im Rahmen einer ambulanten oder stationären
neuropsychologischen Behandlung durch einen Klinischen Neuropsychologen
? ? die Erstellung eines Privatgutachtens durch einen “Facharzt mit der
Verkehrsmedizinischen Qualifikation”
? ? die Erstellung eines Privatgutachtens durch eine amtlich anerkannte medizinischpsychologische Untersuchungs-stelle (z.B. TÜV, DEKRA)
? ? eine Fahrverhaltensprobe und/oder ein Fahrtraining mit einem Fahrlehrer.
Auch hier kann durch einen Neuropsychologen, einen Arzt, eine Begutachtungsstelle oder
einen Fahrlehrer eine befürwortende Beurteilung der Fahreignung ausgesprochen und auf
Wunsch auch schriftlich bescheinigt werden. Ein solcher “privater” Nachweis ist im
Zweifelsfall sicher besser als gar keiner und kann es ermöglichen, sich des drohenden
Vorwurfs einer fahrlässigen Handlungsweise zu entheben. Eine informelle Abklärung
kann auch der Vorbereitung auf eine Überprüfung durch die Behörde dienen. Eine
rechtsverbindliche Abklärung der Fahreignung darf in jedem Fall aber nur durch die
Fahrerlaubnisbehörde vorgenommen werden!
DP Andreas Schale, September 2003
Klinischer Neuropsychologe GNP, Psychologischer Psychotherapeut
Krankenhaus Bethel Welzheim
Schorndorfer Straße 81, 73642 Welzheim