Schiffsbeschreibungen - Seeschiffe WILHELM GUSTLOFF

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Schiffsbeschreibungen - Seeschiffe WILHELM GUSTLOFF
Schiffsbeschreibungen - Seeschiffe
WILHELM GUSTLOFF, Dieselmotor-Fahrgastschiff
(Schwesterschiffe: keine, aber ähnlich ROBERT LEY)
Autor: Dipl.-Ing.Rudolf Brenke
Die WILHELM GUSTLOFF an der Überseebrücke, ihrem Stammliegeplatz im Hamburger Hafen.
Foto: Hans Hartz / © DSM
Technische Daten der WILHELM GUSTLOFF
Bauwerft
Blohm & Voss, Hamburg
Bau-Nummer
511
Kiellegung
4. August 1936
Stapellauf
5. Mai 1937
Indienststellung
15. März 1938
Reederei
Deutsche Arbeitsfront / Hamburg-Südamerikanische D.G.
Einsatzgebiet
Kreuzfahrten (Kraft durch Freude)
Klassifikation
+ 100 A4 (E) „mit Freibord“
Vermessung
25484 BRT, 17350 NRT
Tragfähigkeit
5750 tdw
Länge über alles
208,50 m
Länge zw. den Loten
195,00 m
Breite auf Spanten
23,50 m (auf Promenadendeck 25,00 m)
Seitenhöhe
17,25 m bis Promenadendeck, 12,00 m bis Hauptdeck
Schottentiefgang
6,50 m (vorn 6,00 m, hinten 7,00 m)
Maschinenanlage
2 x 2 8-Zyl.-Dieselmotoren mit Getrieben
Maschinenhersteller
M.A.N / B & V
1
Maschinenleistung
insgesamt 9500 PSe
Propeller
2
Geschwindigkeit
15,5 kn
Ruderanlage
Elektr. Quadrant-Rudermaschine mit 2 unabhängigen Antrieben
Schlingerdämpfung
Frahm‘sche Schlingerdämpfungsanlage mit 415 t Seewasser
Anzahl der Laderäume
keine
Ladegeschirr
keines
Passagiere
1465, nur Touristenklasse
Ballastwassertanks
max. 1500 t Seewasser
Frischwassertanks
3700 t
Heizöltanks
max. 1580 t Dieselkraftstoff
Reichweite
ca. 12000 Seemeilen
Rettungseinrichtungen
20 Motorboote, 2 Ruderboote
Besatzung
426
Geschichte
Die Nationalsozialisten hatten schon kurz nach 1933 die Freizeitorganisation „Kraft durch Freude“ als Unterorganisation
der Deutschen Arbeitsfront mit dem propagierten Ziel gegründet, deutschen Arbeitern eine geruhsame Ferienerholung zu
bieten. Dazu gehörten vor allem Seereisen ins Ausland, wobei man zugleich auf einen Propagandaeffekt für die soziale
Komponente des Nationalsozialismus hoffen konnte. Zu diesem Zweck wurden ab 1934 zunächst einige vorhandene,
zudem durch die allgemeine wirtschaftliche Situation unterbeschäftigte Fahrgastschiffe gechartert, so zum Beispiel die
SIERRA CORDOBA, SIERRA MORENA (ab 1934 DER DEUTSCHE), ST. LOUIS, STUTTGART, MONTE OLIVIA, und OCEANA. Weil immer
mehr Menschen von einer Seereise träumten und zudem Mehrklassenschiffe nicht ganz den Vorstellungen der NSGemeinschaft „Kraft durch Freude“ von Gleichbehandlung entsprachen, wurde 1936 beschlossen, zwei eigene
Einklassenschiffe in Auftrag zu geben. Den Zuschlag für den ersten Neubau erhielt die im Bau von Fahrgastschiffen sehr
erfahrene Werft Blohm & Voss. Am 4. August 1936 fand in Hamburg die Kiellegung statt und bereits am 5. Mai 1937
folgte anlässlich des Stapellaufs die Taufe durch die Witwe eines in der Schweiz ermordeten Nationalsozialisten auf
dessen Namen WILHELM GUSTLOFF. Nach dem Stapellauf fand auf der Elbe eine Parade ausfahrender „KdF“-Schiffe statt,
die von Adolf Hitler an Bord des Aviso GRILLE abgenommen wurde.
Auf der Elbe. Foto: Hans Hartz / © DSM
Nach der Ausrüstung und Ablieferung am 15. März 1938 unternahm die WILHELM GUSTLOFF zunächst einige Kreuzfahrten in
die Nordsee, wobei auf einer dieser Fahrten 19 Besatzungsmitglieder eines in Seenot geratenen britischen Kohlefrachters
gerettet werden konnten. Am 10. April 1938 diente das Schiff vor Englands Küste für Deutsche und Österreicher als
schwimmendes Wahllokal. Am 20. April starteten die offizielle Jungfernreise sowie zwei weitere nach Madeira, gefolgt von
elf Kreuzfahrten in die norwegischen Fjorde und zehn „Rund um Italien“-Fahrten von Genua nach Venedig und zurück.
Im Mai 1939 holte die WILHELM GUSTLOFF einen großen Teil der sog. Legion Condor von Vigo in Spanien (Vigo) nach
Deutschland zurück.
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Nach weiteren Reisen in die norwegischen Fjorde und einem zwischenzeitlichen Einsatz als Wohnschiff für deutsche
Sportler bei einem Turnfest in Stockholm, wurde das Schiff nach Kriegsbeginn von der Kriegsmarine übernommen, als
Lazarettschiff hergerichtet und für mehrere Verwundetentransporte (Polen, Norwegen) eingesetzt. Ab November 1940
diente die WILHELM GUSTLOFF als Wohnschiff für die U-Boot-Lehrdivision in Gotenhafen.
Anfang Januar 1945 übernahm das Schiff tausende Flüchtlinge, aber auch verwundete Soldaten, BdM-Mädchen und
Lehrgangsteilnehmer der U-Boote, lief am 30. Januar 1945 aus Gotenhafen aus und wurde am späten Abend von dem
sowjetischen U-Boot S-13 mit drei Torpedos versenkt.
Es ist bis heute unmöglich, die genaue Zahl der Todesopfer festzustellen, die Schätzungen gehen von 9000 Menschen
aus, die bei einer der größten Schiffskatastrophen der Geschichte ihr Leben ließen.
Besonderheiten
Bei der WILHELM GUSTLOFF handelt es sich um den ersten Kreuzfahrtschiff-Neubau der Welt, der ausschließlich einer
großen Zahl von Fahrgästen zu Erholungsreisen dienen sollte. Zwar wurde bereits 1900 für die HAPAG die „Lustyacht“
PRINZESSIN VICTORIA LUISE gebaut, doch war dieses Schiff klein und diente nur der Beförderung relativ weniger, sehr
reicher Gäste. Charakteristisch für die WILHELM GUSTLOFF war unter anderem, dass es nur eine Klasse an Bord gab, der
Verzicht auf jegliche Nebenaufgaben, wie zum Beispiel den Transport von Ladung, Autos etc., außerdem die relativ kleine
Antriebsleistung, da die Geschwindigkeit (hier 15,5 Knoten) bei Kreuzfahrtschiffen nur eine untergeordnete Rolle spielt.
In vielerlei Hinsicht war die WILHELM GUSTLOFF - zusammen mit der ihr ähnlichen ROBERT LEY - Vorbild für die heutigen
Kreuzfahrtschiff-Neubauten.
Neu war für Fahrgastschiffe dieser Größe, dass alle Kammern Außenfenster mit Tageslicht hatten. Eine weitere
Besonderheit war – entsprechend der damaligen Ideologie - die gleichwertige Unterbringung von Fahrgästen und
Besatzung. Die Kammern der Besatzung waren grundsätzlich in gleicher Größe und Ausstattung wie die
Fahrgastkammern gebaut. Das wird wohl kaum bei den heutigen Kreuzfahrtschiffen der Fall sein.
Am Fockmast war auf einer besonderen Plattform ein Scheinwerfer angeordnet, mit dem des Nachts landschaftlich schöne
Küstenpunkte – insbesondere in den norwegischen Fjorden – angestrahlt werden konnten.
WILHELM GUSTLOFF an der Überseebrücke. Im Hintergrund die CAP ARCONA der Hamburg-Süd und die
ehemalige Bark HEIN GODENWIND, damals eine schwimmende Jugendherberge.
Links am Bildrand das bekannte Gebäude des Kaispeichers A. Foto: Hans Hartz / © DSM
Schiff und Raumaufteilung
Die WILHELM GUSTLOFF entsprach den Anforderungen des Schiffs-Sicherheitsvertrages von 1929, hatte einen
Doppelboden über die ganze Schiffslänge, einen ausfallenden Vorsteven, ein Kreuzerheck, zwei Wellenhosen für
Doppelschraubenantrieb, drei durchlaufende und sechs teilweise durchlaufende Decks.
Das Schiff wurde entwurfsmäßig mit einem Meter Hecklastigkeit gebaut, um die bei Schiffen mit hohen Aufbauten häufige
Luvgierigkeit klein zu halten und die Propeller möglichst tief anordnen zu können.
Die innere Aufteilung diente vor allem der Erhaltung der Schwimmfähigkeit des Schiffes bei Leckschäden durch
entsprechend verteilte zwölf wasserdichte Schotte, die bis zum durchlaufenden Schottendeck reichten. Durch eine
verhältnismäßig enge Querschottstellung konnte das Schottendeck relativ niedrig angeordnet werden mit entsprechend
weniger wasserdichten Türen und Schottdurchbrüchen. Nach Schottenrechnung konnten zwei benachbarte wasserdichte
Abteilungen volllaufen, ohne die Schwimmfähigkeit zu gefährden. Oberhalb des Schottendecks wurde jedes zweite
Querschott als Feuerschott hochgeführt.
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Generalplan der WILHELM GUSTLOFF.
Aus: Zeitschrift des Vereins Deutscher Ingenieure, Band 82, Heft Nr. 49, 1938, S. 1386
Aus nautischen Gründen wurden die Lateralflächen von Unterwasserschiff und Überwasserschiff in einem gesunden
Verhältnis gehalten, da die Antriebsleistung bei der Größe des Schiffes relativ klein war.
In den Unterräumen des Mittelschiffes waren, wie damals üblich, die Antriebsanlage und die zugehörigen Bunkerräume
für Treibstoff untergebracht.
Stahlschiffskörper
Die WILHELM GUSTLOFF wurde als Fahrgastschiff nach den Vorschriften und unter Aufsicht des Germanischen Lloyd für
dessen höchste Klasse + 100 A4 (E) „mit Freibord“ erbaut.
Das Schiff war in Querspant-Bauweise konstruiert. Der Spantabstand von 900 mm wurde mit Rücksicht auf die
Anordnung der Querwände und Fenster der Kammern gewählt.
Die kalt gebogenen Platten des ausfallenden Vorstevens waren untereinander und mit den angrenzenden
Außenhautplatten elektrisch stumpf und damit glatt verschweißt. Hintersteven und Ruderpfosten bestanden aus
Stahlguss. Das Ruder war aus zusammengeschweißten Platten konstruiert.
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Oberhalb des über die gesamte Schiffslänge geführten A-Decks erstreckte sich als oberster Abschluss des gesamten
Aufbaus das untere Promenadendeck fast bis zum Heck des Schiffes und ragte im Mittelteil im Bereich der geschlossenen
Promenade beiderseits um 750 mm über die Schiffsseitenwand hinaus. Die Stahldecks im Inneren des Schiffes waren
eben ausgeführt, nur die mit Holz belegten Außendecksteile einschließlich Kommandobrücke und Hausdecken erhielten
eine geringe Decksbucht.
Die Nähte des Flachkiels, der Außenhaut sowie Schergänge und Deckstringer wurden genietet. Auch die Spanten waren
mit der Außenhaut durch Nieten verbunden. Sonst aber wurde in großem Umfang von der Schweißtechnik Gebrauch
gemacht. So wurden u. a. sämtliche Plattenstöße der Außenhaut, der Schotte, der Decksbeplattungen und Tankdecken
sowie der Bodenwrangen und Längsträger geschweißt. Dadurch ergab sich durch den Fortfall von Überlappungen eine
beträchtliche Gewichtsersparnis.
Einrichtungen für Passagiere und Besatzung
Kammerblock. Aus: Zeitschrift des Vereins Deutscher Ingenieure, Band 82, Heft Nr. 49, 1938, S. 1387
Basis für den Schiffsentwurf war die Gestaltung der Kabinen in Kammerblocks von jeweils vier Kabinen, nämlich zwei
Zweibett- und zwei Vierbett-Kabinen. Da es nur Außenkabinen mit Tageslicht geben sollte, hatten die Zweibettkabinen
einen mehr oder weniger rechteckigen Grundriss, während die mehr innenliegenden Vierbett-Kabinen die Außenkabinen
mit einem etwa L-förmigen Grundriss umfassten. Der Lichtgang zum Bullauge in der Außenhaut war mit 1,25 m Breite
relativ großzügig festgelegt und endete mit einer kleinen Sitzecke am Tageslicht. Zum Schlafen waren Etagenbetten
vorgesehen. Alle Kammern hatten Waschtische mit fließendem kalten und warmen Wasser, jedoch keine eigenen
Toiletten oder Duschen. Das war zu jener Zeit auch noch nicht Standard auf Fahrgastschiffen. Für die Fahrgäste waren
stattdessen 127 Bad-/Duschräume sowie 150 WC-Abteile vorgesehen.
Insgesamt gab es 221 zweibettige und 239 vierbettige Kabinen.
Für Jugendgruppen waren – entsprechend ihren geringeren Ansprüchen – sechs größere Schlafräume getrennt für
Mädchen (BdM) und Jungen (HJ) vorhanden. Außerdem gab es einige Räume für den „Führer“ und seine Begleitung, die
er aber nie selbst genutzt hat.
Wie schon erwähnt, waren die Kammern für die Besatzungsmitglieder gleichwertig zu den Kabinen der Fahrgäste
gestaltet. Der Besatzung standen 51 Bad-/Duschräume und 50 WC-Abteile zur Verfügung. Auf dem A-Deck gab es für sie
achtern einen großen Gemeinschafts-Aufenthaltsraum mit anschließender freier Decksfläche bis zum Heck und vorn eine
gedeckte, seitlich offene Promenade.
Von den beiden Haupteingängen für die Fahrgäste auf dem B-Deck führten zwei Haupttreppenaufgänge zu den Kabinenund Salondecks.
Die mittschiffs auf dem A-Deck angeordneten beiden Speisesäle - jeweils vor und hinter den Küchenräumen – konnten je
ein Viertel der Fahrgäste zum Speisen aufnehmen, so dass in zwei Gruppen gegessen werden musste. Der Speiseraum
für die Besatzung befand sich drei Decks tiefer auf dem D-Deck.
Das untere Promenadendeck stand in voller Länge für diverse Gesellschaftsräume zur Verfügung. Es gab fünf Säle für
unterschiedliche Zwecke – wie Rauchsalon, Theatersaal, Trachtensaal in der Großen Halle, Musikhalle und Hintere Halle.
Vielfach waren Tanzparkettflächen vorgesehen. Die Gesellschaftsräume mit insges. 1066 Sitzplätzen (ohne Speisesäle)
wurden umgeben von einer insgesamt über 300 m langen, geschlossenen Wandelpromenade mit Schiebefenstern. Eine
weitere Promenade befand sich offen auf dem oberen Promenadendeck. Auch von hier aus war eine ungestörte Fernsicht
möglich, da die Rettungsboote mit ihren Davits in voller Stehhöhe über dem Deck angeordnet waren.
Die sehr umfangreichen freien Decks wurden nicht durch die auf Schiffen der damaligen Zeit zumeist üblichen zahlreichen
Lüfterköpfe, Lüftungsmaschinen, Winden oder sonstigen Decksausrüstungen gestört, so dass ausreichend Platz für
Liegestühle aller Fahrgäste, Sport und Spiele vorhanden war.
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Speisesaal. Foto: Archiv DSM
Auf dem offenen Sonnendeck im Bereich des Sportplatzes von gut 1000 m2 Fläche war eine aus entfernbaren
Regendüsen bestehende Berieselungsanlage vorgesehen, die an die Feuerlöschleitung angeschlossen war. Mit ihr konnten
Festsaal und Halle auf dem unteren Promenadendeck. Fotos: Archiv DSM
in heißen Klimazonen erfrischende Brausebäder im Freien geboten und gleichzeitig die darunter liegenden Fahrgasträume
gekühlt werden. Auf dem Sonnendeck gab es außerdem vorn eine Laube zum Tanzen mit freier Aussicht nach vorn und
zu den Seiten sowie eine Turnhalle mit Spiel- und Sportgeräten. Im Schiffsinneren, zugänglich vom D-Deck, gab es ein
kleines, gekacheltes Schwimmbad in der Größe 10 x 5 m.
Schwimmhalle. Foto: Archiv DSM
Insgesamt gesehen war die WILHELM GUSTLOFF zu damaliger Zeit für Kurzweil und Vergnügen bestens ausgestattet.
Für die Krankenfürsorge an Bord waren vorn auf dem A-Deck ein Hospital und Kabinen für zwei Ärzte vorgesehen.
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Ausrüstung für Schiffsbetrieb und Sicherheit
Die Anzahl der Deckshilfsmaschinen war wegen der fehlenden Ladung sehr klein. Auf dem unteren Promenadendeck
waren vor und hinter dem Deckshaus je zwei elektrisch betriebene Drehkräne von je 1000 kg Tragkraft für die Bedienung
der vorderen Proviantluke bzw. der hinteren Gepäckluke installiert.
Zum Ankern standen drei Buganker zur Verfügung, von denen einer als Reserveanker ebenfalls in einer Klüse mit
Ankertasche gefahren wurde. Die Ankerwinden hatten senkrechte Spillwellen mit Antrieben unter Deck. Zu
Verholzwecken dienten ein Verholspill auf der Back mit elektrischem Antrieb unter Deck sowie zwei weitere auf dem ADeck am Heck.
Zur Vermeidung allzu großer Rollwinkel war im Schiff unterhalb des E-Decks eine Frahm‘sche Schlingerdämpfungsanlage
vorgesehen, deren Schlingertanks im Betriebszustand etwa 415 Tonnen Seewasser aufnahmen, was rund zwei Prozent
der größtmöglichen Verdrängung des Schiffes entsprach.
Für die Sicherheit für Schiff, Fahrgäste und Besatzung wurden mindestens die Unfallverhütungsvorschriften der See-BG
erfüllt. Für die Besatzung waren auch die Richtlinien des Amtes „Schönheit der Arbeit“ für die Unterbringung von
Mannschaften auf deutschen Seeschiffen einzuhalten.
Unterhalb des Schottendecks gab es nur wenige Türen, die bei Wassereinbruch geschlossen werden mussten. Sie dienten
lediglich der Verbindung zwischen Wellentunnel, Maschinenraum und Hilfsmaschinenraum. Auch sonst waren
Schottdurchbrüche weitestgehend vermieden worden.
Schlingertank.
Aus: Werft-Reederei-Hafen“, 19.Jg., Heft 16, 15. August 1938, S.244, Tafel II.
Zur Feuermeldung wurden in sämtlichen Kammern für Fahrgäste und Besatzung Schmelzlotmelder an der Decke
angebracht, die bei Überschreiten einer Raumtemperatur von 70 0 C auf der Brücke Alarm auslösten.
Seltener betretene Räume, wie Gepäck- oder Vorratsräume, waren durch eine Rauchmeldeanlage und eine CO2Löschanlage gesichert. Letztere diente auch der Feuerbekämpfung in den Maschinenräumen.
Bei Feuermeldung wurden sämtliche Schotttüren der Feuerschotte sowie der jeweils zwischen zwei Feuerschotten
angeordneten Rauchschotte elektromagnetisch automatisch geschlossen und konnten nach Beseitigung der Gefahr nur
manuell wieder geöffnet werden. Außerdem wurde die Lüftungsanlage mit Zu- bzw. Abluft automatisch abgeschaltet.
Bootsdavit.
Aus: Werft-Reederei-Hafen“, 19.Jg., Heft 16, 15. August 1938, S.244, Tafel II.
Als Rettungsmittel standen - außer Schwimmwesten - 22 Rettungsboote zur Verfügung, und zwar 18 Motorboote für je
96 Personen, zwei Ruderboote für je 65 Personen und zwei Motorboote für je 39 Personen. Die Boote – alle gefertigt
aus Stahl mit fest eingebauten Luftkästen - hingen unter Schwerkraftdavits und konnten bei aufrechter Schiffslage
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(keine Schlagseite) ohne Ausschwingen der Davitarme zu Wasser gelassen werden. Bei Schräglage des Schiffes war ein
Fieren nach entsprechendem Auskurbeln der Davitarme sicher möglich. Die hohe Aufstellung der Boote über dem oberen
Promenadendeck ermöglichte einen freien Blick aus den Fenstern der Bootsdeckskammern des oberen Promenadendecks.
Maschinenanlage
Für die Wahl der Hauptmaschinenanlage waren entscheidend: Betriebssicherheit, schnelle Bereitschaft, Geräuscharmut
und leichte Überholbarkeit. Ferner war eine möglichst geringe Bauhöhe erwünscht.
So wurde eine von der Bauwerft bereits mit Erfolg ausgeführte Getriebemotorenanlage gewählt. Hier wirkten je zwei
Motoren über ein starr gekuppeltes Zahnradgetriebe auf jeweils eine Schraubenwelle. Die Anlage bestand also aus vier
von der Bauwerft erbauten Zweitakt-Tauchkolbenmotoren mit je 8 Zylindern, deren Drehzahl durch die Getriebe von 220
U/min auf 105 U/min für die Schraubenwellen herabgesetzt wurde.
Zylinderstation im Maschinenraum.
Aus: Werft-Reederei-Hafen“, 19.Jg., Heft 16, 15. August 1938, S.250
Die beiden Schiffsschrauben hatten einen Durchmesser von 5 m bei 14 t Gewicht, wobei die Propellernaben aus
Gusseisen und die jeweils 4 Propellerflügel aus Bronze gefertigt wurden.
Die Stromerzeugungsanlage bestand aus fünf einfachwirkenden Viertaktmotoren von je 570 PSe, gekuppelt mit jeweils
einem Gleichstromerzeuger von 380 kW. Das Stromnetz war einpolig für 220 V Gleichstrom verlegt. Die Schalttafeln
befanden sich aus Sicherheitsgründen in unterschiedlichen Abteilungen.
Dem Wirtschaftsbetrieb, der Warmwasserheizung, der Wäscherei und der Erwärmung von See-/Frischwasser dienten
zwei ölgefeuerte Wasserrohrkessel.
Für die Lüftungsanlage wurden insgesamt 109 Lüftungsmaschinen mit einem Gesamtbedarf von 500 PS eingebaut.
Ausschließlich Zuluft erhielten alle Kammern, Gänge, Speisesäle, die Turnhalle, Funkräume und die Maschinenräume.
Ausschließlich abgesogen wurde die Luft aus den Gesellschaftsräumen auf dem unteren Promenadendeck sowie aus allen
Toiletten, Bädern und den Waschräumen der Besatzung. Sowohl Zu- wie auch Abluft hatten Küchenräume, Wäscherei
und Plätterei, Krankenräume, Vorrats- und Stauräume sowie die im Schiffsinneren gelegenen Aufenthaltsräume und die
Schwimmhalle. Bei letzterer konnte die Zuluft bei Bedarf vorgewärmt werden.
Literatur
Das Zweischrauben-Fahrgast-Motorschiff „Wilhelm Gustloff“ – In: Werft-Reederei-Hafen“, 19.Jg., Heft 16, 15. August
1938, S. 239-253
KLINDWORT, E.: Motorschiff "Wilhelm Gustloff" : das Flaggschiff der Kdf-Flotte ; gebaut bei Blohm & Voss, Hamburg. In:
Zeitschrift des Vereins Deutscher Ingenieure, Band 82, Heft Nr. 49, 1938, S. 1385-1392
KIENE, R.: „Robert Ley“ – VDI-Zeitschrift 1939, Bd. 83, Heft 34, S. 973-976
KLUDAS, Arnold: Die Geschichte der deutschen Passagierschiffahrt. Bd. V: Eine Ära geht zu Ende. 1930 bis 1939. (=
Schriften des Deutschen Schiffahrtsmuseums, Bd. 22). Hamburg: Ernst Kabel, 1990, S. 125-140.
KLUDAS, Arnold: Vergnügungsreisen zur See. Eine Geschichte der deutschen Kreuzfahrt. Bd. I: 1889-1939 (=Schriften
des Deutschen Schiffahrtsmuseums, Bd. 55). Hamburg: Convent, 2001, S. 149170
http://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Gustloff_(Schiff)
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