Deutsches Institut für Ernährungsforschung

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Deutsches Institut für Ernährungsforschung
Deutsches Institut für Ernährungsforschung
Potsdam-Rehbrücke (DIfE)
Wissenschaftlicher Direktor
Prof. Dr. Dr. Hans-Georg Joost
Mitarbeiter
ca. 270,
davon 60 Wissenschaftler und
57 Doktoranden
Mitglied der
Am 10. Juni 1946 begannen deutsche
Wissenschaftler in Potsdam-Rehbrücke
ein Institut für Ernährung und Verpflegungswissenschaften aufzubauen. Damit
war der Grundstein für 60 Jahre erfolgreiche Forschung auf dem Gebiet der Ernährung gelegt, eine Tradition, die seit 1992
vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) fortgesetzt wird. Gemäß seinem Gründungsauftrag untersucht das DIfE die Zusammenhänge zwischen Ernährung und Krankheitsentstehung in einer für Deutschland
einzigartigen Kombination von molekularer, klinischer und epidemiologischer Ernährungsforschung, womit es die Grundlagen für wissenschaftlich basierte Ernährungsempfehlungen legt.
In den 15 Jahren seines Bestehens ist es
dem DIfE gelungen, sich als nationales
Kompetenzzentrum auf dem Gebiet der
Ernährungsforschung zu etablieren. Dieses wurde auch durch eine unabhängige,
internationale Expertenkommission bestätigt, die das DIfE während des Berichtszeitraums im Auftrag der LeibnizGemeinschaft evaluierte.
DIfE-Hauptgebäude, Gelände E
Forschungsprofil
Seit 2002 hat das DIfE ein spezifisches Forschungsprofil ausgebildet. Es untersucht
vorrangig die Ursachen und Folgen des
Metabolischen Syndroms sowie die Rolle
der Ernährung in der Krebsentstehung. Beide Forschungsschwerpunkte können als
Hauptherausforderungen der modernen Ernährungsmedizin betrachtet werden.
Als Metabolisches Syndrom bezeichnet
man den Symptomenkomplex aus Adipositas (Fettsucht), Bluthochdruck, Insulinresistenz und Fettstoffwechselstörung.
Das Syndrom hat eine genetische Grundlage, wird aber erst durch die in Ländern
mit „westlichem Lebensstil“ häufige positive Energiebilanz (hohe Kalorienaufnahme bei geringer körperlicher Aktivität)
ausgelöst. Häufigkeit und Schweregrad
des Syndroms nehmen ebenso wie seine
wichtigste Folgekomplikation, der Typ-2Diabetes (Alterszucker), in allen westlichen Ländern dramatisch zu.
Der Typ-2-Diabetes zählt zu den häufigsten und teuersten chronischen ErkrankunBlick auf die Stoffwechselambulanz, Gelände V
Deutsches Institut für
Ernährungsforschung
Potsdam-Rehbrücke
Arthur-Scheunert-Allee 114–116
14558 Nuthetal
Telefon +49 (0)33 200-88-0
Telefax +49 (0)33 200-88-44
[email protected]
www.dife.de
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Forschen für den ländlichen Raum
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ausgaben. Allein diese Daten zeigen, wie
wichtig präventive Maßnahmen sind,
denn sie verhindern nicht nur Leid, sondern entlasten auch das Gesundheitswesen.
Foto:DIfE
DIFE
Foto:
New-Zealand obese Maus (links) mit polygener Adipositas
im Vergleich zum normalgewichtigen Kontrolltier (rechts)
gen. Derzeit sind mehr als sieben Prozent
der Menschen in Deutschland an einem
Typ-2-Diabetes erkrankt. Für das Jahr
2010 ist mit einem weiteren Anstieg auf
zehn Prozent zu rechnen. Ein Trend, der
sich auch in der von der Abteilung Epidemiologie des DIfE durchgeführten Potsdamer EPIC (European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition)-Studie
beobachten lässt.
Der Typ-2-Diabetes entwickelt sich schleichend über Jahre hinweg, wobei Gefäße
und Augen bereits sehr frühzeitig geschädigt werden können. Schwere Folgeschäden
sind
Herz-KreislaufErkrankungen, Blindheit, Nierenversagen oder der Verlust von Gliedmaßen aufgrund von Durchblutungsstörungen. Nach
Auswertung der CoDiM (Costs of
Diabetes Mellitus)-Studie beliefen
sich die direkten Kosten für diabetische Patienten im Jahr 2001 in
der Bundesrepublik Deutschland
auf 30,6 Milliarden Euro. Dies entspricht einem Anteil von 14,2 Prozent an den nationalen Gesundheits-
Forschen für den ländlichen Raum
Ähnlich wie das Metabolische Syndrom
entsteht auch Krebs durch das Zusammenwirken einer genetischen Anlage mit
äußeren Faktoren wie beispielsweise der
Ernährung. Dies ist durch zahlreiche epidemiologische Daten belegt. Auch das
DIfE hat zu dieser Erkenntnis durch seine
Teilnahme an der multizentrischen europaweiten EPIC-Studie beigetragen. Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass eine
an Ballaststoffen arme Ernährung ebenso
wie eine Ernährung mit viel rotem Fleisch
und Fleischprodukten mit einem häufigeren Auftreten von Dickdarmkrebs verbunden ist. Das DIfE hat zudem den Einfluss
des Obst- und Gemüseverzehrs auf verschiedene Krebsformen untersucht und
Hinweise für eine risikosenkende Wirkung
bei Lungenkrebs und Krebsformen des
oberen Verdauungstraktes gefunden.
Ebenso zeigt die Studie, dass neben einzelnen Lebensmittelgruppen auch Über-
Forschende Abteilungen
Molekulare Genetik (MOGE)
Prof. Dr. Wolfgang Meyerhof
Pharmakologie (PHA)
Prof. Dr. Dr. Hans-Georg Joost
Klinische Ernährung (KLE)
Prof. Dr. Andreas F. H. Pfeiffer
Epidemiologie (EPI)
Prof. Dr. Heiner Boeing
Ernährungstoxikologie (ETOX)
Prof. Dr. Hans-Rudolf Glatt
Gastrointestinale
Mikrobiologie (GAMI)
Prof. Dr. Michael Blaut
Biochemie
der Mikronährstoffe (BIM)
Prof. Dr. Regina Brigelius-Flohé
Arbeitsgruppen
Physiologie des
Energiestoffwechsels (EST)
Prof. Dr. Susanne Klaus
Endokrine Pharmakologie (EPH)
Prof. Dr. Annette Schürmann
Biomarker (BMK)
PD Dr. Tobias Pischon
Nachwuchsgruppe MikrobiotaWirt-Interaktionen (MWI)
Dr. Gunnar Loh
Zentrale Einrichtungen
Ernährungsberatungszentrum (EBZ)
Dr. Christiana Gerbracht
Max-Rubner-Laboratorium (MRL)
Dr. Reinhart Kluge
Studienzentren der European
Prospective Investigation into
Cancer and Nutrition (EPIC)
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Auf internationaler Ebene hat sich das
DIfE zwei von der Europäischen Union
geförderten Kompetenz-Netzwerken angeschlossen (NuGO und EUGENE2). Auf
nationaler Ebene ist es zudem mit
zwei Projekten Mitglied des Nationalen
Genomforschungs-Netzwerks (NGFN).
Ebenso ist das DIfE wie die Universität
Potsdam an der Fördermaßnahme
„Funktionelle Ernährungsforschung“ und
am „BioProfil Nutrigenomforschung Berlin-Brandenburg“ beteiligt. Diese Verbundprojekte werden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung
(BMBF) gefördert. Ziel der Verbundprojekte ist es unter anderem, die technologische Basis für die Nutzung der Biowissenschaften auszudehnen und generierte
Forschungsergebnisse Wirtschaft und
Wissenschaft gleichermaßen zugänglich
zu machen. Daneben sollen Forschungsergebnisse so rasch wie möglich in Technologien und Produkte umgesetzt werden.
Abteilung Molekulare Genetik
Prof. Dr. Wolfgang Meyerhof
Identifizierung von
Salzgeschmacksverstärkern
zur Entwicklung
kochsalzarmer Lebensmittel
Technische Mitarbeiterin bei molekularbiologischen
Arbeiten zur Geschmackswahrnehmung
gewicht ein wesentlicher Risikofaktor für
Krebs ist. Übergewicht erhöht bei Frauen
und Männern das Darmkrebsrisiko. Zudem haben übergewichtige Frauen ein erhöhtes Risiko, an Nieren- und Brustkrebs
zu erkranken. Aus diesen Daten und denen anderer Arbeitsgruppen lassen sich
bereits jetzt allgemeine Empfehlungen ableiten: Durch die Normalisierung des Körpergewichts – in Verbindung mit einer ballaststoffreichen Ernährung, die fettarm
und reich an Obst und Gemüse ist – lässt
sich nicht nur das Diabetes-Risiko, sondern auch das Risiko für mehrere Krebsarten senken.
Vernetzung des DIfE mit
anderen Institutionen
Viele der heutigen Fragestellungen auf
dem Gebiet der Ernährungsforschung
können nicht mehr von einem einzelnen
Institut allein bearbeitet werden. Um den
gestiegenen Anforderungen gewachsen
zu sein, hat das DIfE seine Aktivitäten mit
denen anderer europäischer Forschungsinstitute vernetzt.
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Ausgewählte
Forschungsprojekte zur
Entwicklung neuer
funktioneller Lebensmittel
Identifizierung von
Salzgeschmacksverstärkern
zur Entwicklung
kochsalzarmer Lebensmittel
Unser Geschmackssinn spielt bei der
Auswahl von Lebensmitteln eine wichtige Rolle. Meist bevorzugen wir Nahrung,
die gut schmeckt, die aber nicht unbedingt gesund ist. Beispielsweise steht
bei würzigen Speisen der Kochsalzgehalt in direkter Beziehung zur Geschmacksqualität.
Aber auch Brot schmeckt den meisten
Menschen besser, wenn es relativ viel
Salz enthält. Dabei sind 20 bis 30 Prozent aller Menschen mit normalem Blutdruck und etwa 50 Prozent aller Bluthochdruckpatienten kochsalzempfindlich.
Das heißt, sie reagieren auf einen erhöhten Kochsalzverzehr mit einem Blut-
Forschen für den ländlichen Raum
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Potsdam-Rehbrücke (DIfE)
Abteilung Pharmakologie
Prof. Dr. Dr. Hans-Georg Joost
Optimierte Pflanzenöle und
Omega-3-Fettsäuren in der
Prävention von Hyperlipidämie,
Insulinresistenz und Typ-2Diabetes
Abteilung
Klinische Ernährung
Dr. Martin O. Weickert,
Prof. Dr. Andreas F. H. Pfeiffer
Profimet (Protein, fibre,
metabolic syndrome) – Studie
Doktorandin der Abteilung Molekulare Genetik bei der Analyse von Gewebeschnitten am konfokalen Mikroskop
druckanstieg. Eine verminderte Kochsalzaufnahme kann daher dazu beitragen, den Blutdruck dieser Menschen zu
senken. Speisen mit einem geringen
Kochsalzgehalt, die dennoch gut schmecken, könnten es Bluthochdruckpatienten erleichtern, ihren Salzkonsum einzuschränken.
Professor Meyerhof und sein Team suchen daher nach Salzgeschmacksverstärkern, die im Rahmen des Forschungsprojektes näher charakterisiert
werden sollen. Eine erfolgreiche Charakterisierung
solcher
Substanzen
könnte die wissenschaftliche Basis für
die Produktion kochsalzarmer Lebensmittel und somit der zukünftigen diätetischen Prävention von Bluthochdruck
bilden.
Optimierte Pflanzenöle und
Omega-3-Fettsäuren in der Prävention
von Hyperlipidämie, Insulinresistenz
und Typ-2-Diabetes
Wie zahlreiche epidemiologische Studien
belegen, spielt die Fettqualität für die Entstehung von Stoffwechselerkrankungen
Forschen für den ländlichen Raum
wie den Typ-2-Diabetes eine größere Rolle
als die mit der Nahrung aufgenommene
Fettmenge. Im Rahmen des Projektes untersucht daher ein Wissenschaftlerteam um
Professor Joost die Wirkung verschiedener
Pflanzenöle und Fettsäuren auf den Stoffwechsel eines Mausstammes, der ein Modellsystem für das menschliche Metabolische Syndrom darstellt. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der antidiabetischen und lipidsenkenden Wirkung der einzelnen Öle und Fettsäuren. Wissenschaftliches Ziel der Studie ist es, die Wechselwirkungen bestimmter Fettsäuren mit physiologischen, metabolischen und molekularen
Prozessen in vivo zu untersuchen. Die Studienergebnisse sollen auf diese Weise eine
Basis für die Entwicklung neuer funktioneller Lebensmittel schaffen, die zur Prävention chronischer Stoffwechselerkrankungen
eingesetzt werden können.
Profimet (Protein, fibre,
metabolic syndrome) – Studie
Im Rahmen der Profimet (Protein, fibre,
metabolic syndrome)-Studie untersuchen
Mediziner und Wissenschaftler die Bedeutung eines erhöhten Ballaststoff- und/oder
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Studie zum Einfluss
von Kartoffelstärke
auf den menschlichen Organismus
Abteilung
Klinische Ernährung
Prof. Dr. J. Spranger,
Prof. Dr. Andreas F. H. Pfeiffer
Viele Studien weisen darauf hin, dass ein
Zusammenhang zwischen der Aufnahme
komplexer Kohlenhydrate und dem Typ2-Diabetesrisiko besteht.
Studie zum Einfluss
von Kartoffelstärke
auf den menschlichen
Organismus
Wissenschaftler der Abteilung Klinische
Ernährung wollen nun untersuchen, ob
und wie komplexe Kohlenhydrate den
menschlichen Stoffwechsel beeinflussen.
Hierzu sollen die Effekte von gentechnisch oder konventionell veränderten
Kartoffeln, die qualitativ und quantitativ
unterschiedliche Stärken beinhalten, auf
den Stoffwechsel untersucht werden.
Blutentnahme bei einer Teilnehmerin der ProfimetStudie
Eiweißgehalts in der Nahrung auf Stoffwechselparameter, die mit Übergewicht
und Adipositas in Verbindung stehen.
Mit Hilfe von Interventionsstudien wollen
die DIfE-Forscher beispielsweise testen,
inwieweit sich die unterschiedlichen
Kartoffelstärkesorten positiv auf die
Körpermasse eines Menschen auswirken. Die Züchtung und Vermarktung einer optimierten Kartoffelsorte könnte zur
Prävention des menschlichen Metabolischen Syndroms beitragen.
Forschungslabor
Während der Studie erhalten Probanden
für 18 Wochen verschiedene Test-Getränke oder Test-Mahlzeiten, die mit unlöslichen Ballaststoffen und/oder Eiweißen
angereichert sind. Die Entwicklung von
Test-Getränken erfolgt dabei in enger Zusammenarbeit mit dem Institut für Getreideverarbeitung (IGV).
Vor, während und nach der Interventionsphase werden die Probanden hinsichtlich veränderter Stoffwechselparameter
oder anthropometrischer Werte untersucht.
Ziel der Studie ist es, ein gesundheitsförderndes, kostengünstiges und einfach zu
nutzendes Lebensmittelprodukt zu entwickeln, das die Insulinempfindlichkeit der
Körperzellen bei Übergewichtigen verbessern kann. Gleichzeitig soll dieses Produkt einer Gewichtszunahme und
einer Leberverfettung entgegenwirken.
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Forschen für den ländlichen Raum
Deutsches Institut für Ernährungsforschung
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Abteilung Gastrointestinale
Mikrobiologie
Dr. Annett Braune,
Prof. Dr. Michael Blaut
Wechselwirkung sekundärer
Pflanzenstoffe mit
menschlichen Darmbakterien
Doktorandin der Abteilung Gastrointestinale Mikrobiologie bei der Durchführung mikrobiologischer Arbeiten
Wechselwirkung sekundärer
Pflanzenstoffe mit
menschlichen Darmbakterien
Die Aroniabeere sowie der aus ihr gewonnene Saft enthalten eine beachtliche
Menge sekundärer Pflanzenstoffe aus
der Gruppe der Polyphenole. Ihr Gehalt
ist etwa fünfmal höher als der in anderen
Beerenfrüchten.
Hervorzuheben sind unter anderem die
Procyanidine, die dem Aroniasaft eine
leicht herbe Note geben.
Verschiedene Studien weisen auf gesundheitsfördernde Eigenschaften dieser
Pflanzenstoffe hin. Dies hat dazu geführt,
dass solche Substanzen als Nahrungsergänzungsmittel oder als wertgebende
Komponenten in funktionellen Lebensmitteln angeboten werden.
Unklar ist bislang, über welche Mechanismen der Körper diese Pflanzenstoffe
aufnimmt, wie die Substanzen im Stoffwechsel wirken und welche Parameter
die Bioverfügbarkeit solcher Stoffe beeinflussen.
Forschen für den ländlichen Raum
Ohne eine Beantwortung dieser Fragen
ist eine Beurteilung der vermuteten gesundheitsfördernden Effekte und eine
fundierte Sicherheitsbewertung nicht
möglich.
Im Rahmen eines Verbundprojektes, an
dem auch die Universität Potsdam beteiligt ist, untersuchen DIfE-Wissenschaftler
die Wechselwirkungen zwischen Procyanidinen und menschlichen Darmbakterien.
Einerseits wollen die Forscher herausfinden, ob Darmbakterien diese sekundären
Pflanzenstoffe in andere Substanzen umwandeln und wenn ja, in welche. Andererseits soll geklärt werden, ob Procyanidine die Zusammensetzung der Darmflora (Mikrobiota) beeinflussen.
Die Studienergebnisse sollen zu einem
besseren Verständnis der Bioverfügbarkeit und der biologischen Wirkungen der
Procyanidine beitragen und eine Grundlage für die Entwicklung funktioneller Lebensmittel mit optimiertem Procyanidingehalt bilden.
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