Schülergerichte Konfliktschlichtung unter Jugendlichen

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Schülergerichte Konfliktschlichtung unter Jugendlichen
Dr. Verena Sabaß
Evaluation des Pilotprojekts in Aschaffenburg
Konfliktschlichtung unter Jugendlichen – Teen Courts
Evaluation des Pilotprojekts in Aschaffenburg
Gliederung
1.
Konzeption und gesetzliche Grundlage
2.
Verfahrensablauf
am
Beispiel
des
Pilotprojektes
in
Aschaffenburg
3.
Ergebnisse
der
Evaluation
des
Pilotprojektes
nach
zweieinhalb Jahren Laufzeit (Juli `03)
4.
Konzepte und Entwicklungen der Projekte in Aschaffenburg,
Ingolstadt und Ansbach im Vergleich (Dezember `05)
5.
Bewertung
der
„Schülergerichten“
bisherigen
Erfahrungen
mit
Dr. Verena Sabaß
Evaluation des Pilotprojekts in Aschaffenburg
Konzeption und gesetzliche Grundlage
I. Grundgedanke: Nutzung der spezifischen Einflussmöglichkeiten
Jugendlicher auf ihre Altersgenossen zu spezialpräventiven Zwecken
(Positiver „Peer-Einfluss“)
II. Das US amerikanische teen court – Modell als Ideengeber
Dessen Leitlinien:
• Positiver Peer-Einfluss
• Justizförmiges Verfahren
• Frühe Intervention und harte Sanktion
III. Ausgestaltung in Deutschland als Diversionsmaßnahme:
• Freiwillige Teilnahme an einem Gespräch mit Gleichaltrigen über
die Tat und deren Hintergründe +
• Vereinbarung einer (weiteren) erzieherischen Maßnahme
IV. Gesetzliche Grundlage: § 45 II JGG
• Anregung
der
Teilnahme
am
„Kriminalpädagogischen
Schülerprojekt“ durch die Staatsanwaltschaft
• Begrenzung der Eingriffsintensität durch § 45 III JGG
V. Verfahrensvoraussetzungen:
•
Beschuldigte 14-17 Jahre alt
•
leichte / mittlere Kriminalität (§§ 45 III / 76 JGG)
•
Sachverhalt geklärt
•
Geständnis
Dr. Verena Sabaß
Evaluation des Pilotprojekts in Aschaffenburg
Verfahrensablauf
am Beispiel des Pilotprojektes in Aschaffenburg
I.
Fallauswahl durch die Polizei
II.
Einverständnis des Beschuldigten und seiner Eltern
III.
Einleitung des KPS-Verfahrens durch die StA
IV.
Vorgespräch
zwischen
einem
Mitglied
des
Schülergremiums und dem Beschuldigten
(1 Woche Überlegungsfrist)
V.
Gremiumssitzung (Gespräch mit dem Beschuldigten,
Beratung, schriftliche Maßnahmenvereinbarung)
VI.
Erfüllung der Vereinbarung durch den Beschuldigten
VII.
Einstellung des Verfahrens durch die StA gemäß
§ 45 II JGG
Dr. Verena Sabaß
Evaluation des Pilotprojekts in Aschaffenburg
Ergebnisse der Evaluation des Pilotprojektes
nach zweieinhalb Jahren Laufzeit (Juli `03)
Grundlagen:
• Meldebögen von Polizei und StA
• Protokollbögen der Schülergremien
• Beobachtung von Gremiumssitzungen
• Befragung der Gremiumsmitglieder in 2000 und 2002
• Verfahrensakten der StA, Vergleichsuntersuchung, Rückfalluntersuchung und Beschuldigtenbefragung zu den ersten 61 KPS-Fällen
Ergebnisse:
• Fallaufkommen:
¾ 228 von der Polizei ausgewählte Fälle
¾ davon 13 Ablehnungen durch den Beschuldigten und 53
Ablehnungen durch die StA aus anderen Gründen
¾ 150 abgeschlossene Schülerverfahren
• Durchschnittsalter der Beschuldigten im KPS-Verfahren: 15 Jahre
• Frauenanteil bei den Beschuldigten: 60 % im Juli `02, 42% im Juli `03,
bei den Gremiumsmitgliedern : 82 % Im Juli `02, 66% im Juli `03
• Deliktsspektrum:
¾ 63% (Laden-)Diebstähle (davon 45 % geringfügig)
¾ 18 % Fahren ohne Fahrerlaubnis
¾ 5 % Körperverletzungsdelikte
Vergleichsuntersuchung: 1/3 der Fälle folgenlos nach § 45 I JGG
eingestellt
Dr. Verena Sabaß
Evaluation des Pilotprojekts in Aschaffenburg
• Sitzungen:
¾ Dauer: 30-90 min
¾ Eingreifen der Sozialpädagogin i.d.R. nicht erforderlich
¾ Einigung mit den Beschuldigten in 97%
¾ Unrechtseinsicht der Beschuldigten nach Einschätzung des
Gremiums i.d.R. von Beginn an vorhanden
• Vereinbarte Maßnahmen:
¾ 41% Arbeitsleistungen (durchschnittlich 7 Std.)
¾ 29% Reflexion (Aufsätze, Comics, Kollagen, usw.)
¾ 18% Verkehrsunterricht
¾ 16 % Entschuldigung
¾ 40%
Sonstiges
(CD-Sammlung
für
eine
Woche
abgeben,
Geschädigten ins Kino einladen, Interview mit Unfallarzt führen,
usw.)
Insgesamt: Bemühen um Tatbezug; zum Teil hohe Anforderungen an
Kreativität, Eigeninitiative und Zivilcourage der Beschuldigten
• Rückfallquote: 5% nach 8 ½ Monaten (n= 3, davon 1 einschlägig)
Vergleichsgruppe: 14,6% gegenüber 2,4% in der entsprechenden
KPS-Gruppe (Unterschied statistisch nicht signifikant)
• Resonanz der Beschuldigten: überwiegend positiv; Resonanz der
Gremiumsmitglieder: hohe Motivation, Wunsch nach größerem
Deliktsspektrum
Dr. Verena Sabaß
Evaluation des Pilotprojekts in Aschaffenburg
Konzepte und Entwicklungen der Projekte in Aschaffenburg,
Ingolstadt und Ansbach im Vergleich (Stand Ende ´05) 1
Aschaffenburg
Ingolstadt
Ansbach
Beginn
2000
2003
2003
Fallzahl Ende `05
286
260
95
Fallauswahl durch
Polizei
StA
Polizei + StA
(StA:10-20%)
vereinfachtes
„Konkurrenz“-Modelle
Deliktsspektrum
TOA
TOA
zuletzt wieder 80%
40%
Ladendiebstahl
Ladendiebstahl und
(davon über 50%
FoF
geringfügige Fälle)
(Vielfalt nimmt zu)
Ladendiebstahlsverfahren
33% FoF + Pflichtversicherung
28% Diebstahl
je 10% Sb., KV.,
Beleidigung
14- 17 Jahre +
Alter der Beschuldigten
14-15 Jahre
14-17 Jahre
50%
27%
ca. 30 %
50% Hauptschule
Schulbildung der
Hauptschule
je ca. 10 %
Beschuldigten
ca. 50% Realschule
Realschule und
+ Gymnasium
Gymnasium
Heranwachsende
bei § 105 JGG
Frauenanteil bei den
Beschuldigten
vorbelastete
(kürzlich bis zu)
Beschuldigte
20 %
-
1
Viele Azubis
75%
Treffen mit anony-
Bes. Maßnahmen
Verfahrensdauer
21%
men Alkoholikern
33 Tage
50 Tage
53 Tage
Vgl. Schöch/Traulsen „Kriminalpädagogische Schülerprojekte in Bayern“ in Festschrift für Böttcher, 2007.
Dr. Verena Sabaß
Evaluation des Pilotprojekts in Aschaffenburg
Bewertung
der bisherigen Erfahrungen mit „Schülergerichten“
Chancen
•
Ausführliche
Gremiumsgespräche
und
breites
Spektrum
erzieherischer, individuell abgestimmter Maßnahmen bei
•
Ungefähr
gleich
bleibender
Verfahrensdauer
gegenüber
dem
förmlichen Verfahren
•
Positiver Peereinfluss (?)
•
Soziale und kommunikative Lerneffekte bei den Gremiumsmitgliedern
Risiken
•
Net – widening – Effekt
in Abhängigkeit von polizeilicher bzw. staatsanwaltlicher Fallauswahl
und sozialpädagogischer Begleitung der Schülergremien