Eine empirische Analyse der Zeitarbeit und der Stellenvermittlung

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Eine empirische Analyse der Zeitarbeit und der Stellenvermittlung
 Fred Henneberger / Alfonso Sousa‐Poza Eine empirische Analyse der Zeitarbeit und der Stellenvermittlung durch ein Temporärbüro in der Schweiz Nr. 84 der Reihe DISKUSSIONSPAPIERE des Forschungsinstituts für Arbeit und Arbeitsrecht an der Universität St. Gallen St. Gallen, September 2002 Fred Henneberger / Alfonso Sousa-Poza
Eine empirische Analyse der Zeitarbeit und der
Stellenvermittlung durch ein Temporärbüro
in der Schweiz
2
1. Ausgangslage, Fragestellung und Zielsetzung der Studie
Der Anteil der Zeitarbeitnehmer an allen Beschäftigten hat sich in den meisten OECD-Ländern
während der 90er Jahre mehr als verdoppelt. Flexible Arbeitsformen gewinnen jedoch auch in
der Schweiz, deren Arbeitsmärkte sich traditionell durch eine vergleichsweise hohe Flexibilität
und Anpassungsfähigkeit an sich ändernde (Umwelt-)Bedingungen auszeichnen, zunehmend an
Bedeutung (vgl. z.B. Birchmeier 2002 sowie auch Graf/Henneberger/Schmid 2000). Hierbei ist
in den vergangenen Jahren gerade die Nachfrage nach Temporärarbeit, als eine spezifische Form
flexibler Beschäftigungsverhältnisse, deutlich angewachsen, so dass die Nachfrage das Angebot
an solchen Arbeitskräften seit geraumer Zeit offenbar systematisch übersteigt (vgl. Braun 2001).
Dies mag nicht zuletzt mit den Erfahrungen der Unternehmen im Kontext der u.a. durch die fortschreitende Globalisierung ausgelösten massiven Umstrukturierungen während der 90er Jahre
zusammenhängen, weswegen sie zur Vermeidung von Personalfixkosten (vgl. Oi 1962) nunmehr
eine weitaus vorsichtigere Einstellungspolitik betreiben.
Der Anstieg der Zeitarbeit verdrängt aber nicht notwendigerweise sog. Normalarbeitsverhältnisse.1 Temporärarbeit wird vielfach sogar als ein Mittel angesehen, den Gesamtbeschäftigtenstand trotz struktureller und konjunktureller Veränderungen zu erhöhen. Flexible, zeitlich befristete Arbeitsverträge können einerseits geeignet sein, den Strukturwandel zu unterstützen sowie
Auftragsschwankungen ohne Festanstellungen zu bewältigen, wenn Unternehmen kostspielige
Neueinstellungen oder die Requalifizierung und Weiterbildung ihrer Belegschaften scheuen. Das
gleiche gilt, wenn Betriebe gar nicht auf entsprechendes Fachpersonal am externen Arbeitsmarkt
zurückgreifen können, da dieses gar nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung steht. Zugleich
kann arbeitslos gewordenen Personen über eine Temporärbeschäftigung wieder Zugang zum regulären, ersten Arbeitsmarkt ermöglicht werden (sog. Brückenfunktion) (vgl. zum Konzept der
Übergangsarbeitsmärkte auch Schmid/Gazier 2001). Andererseits können Unternehmen durch
Fluktuationen oder Absenzzeiten entstandene Personallücken via Einstellung von Temporärarbeitskräften kurzfristig relativ problemlos wieder schließen. Zudem ermöglicht eine flexible
Anpassung des Arbeitskräftebestandes auch eine verstärkte Just-in-Time Produktion und Dienstleistungserstellung (vgl. jedoch zur gewerkschaftsnahen Kritik an der Temporärarbeit im Allgemeinen und der Leiharbeit im Besonderen z.B. Keller 1999: S. 398-399 und S. 478-479 sowie
Keller/Seifert 2002: 102-103).
1
Ein Grund ist in der Zunahme der Vermittlungseffizienz von Zeitarbeitsfirmen im Vergleich zu anderen Intermediären wie beispielsweise den staatlichen Arbeitsämtern zu finden. Die höhere Erfolgsquote bei der Vermittlung
wird u.a. hervorgerufen durch Informationsvorsprünge aufgrund des intensiveren Kontaktes mit (potentiellen) Auftraggebern sowie durch Kostenvorteile via Spezialisierung und Routinisierung und damit der Möglichkeit zur Realisierung von "Economies of Scale" (vgl. Neugart/Storrie 2002).
3
Um die zweifelsohne vorhandenen Wachstumspotentiale auf der Arbeitsangebotsseite in diesem
Bereich auszuschöpfen, ist es notwendig, genauere Kenntnisse über die Eigenschaften der Temporärbeschäftigten sowie der Determinanten, die Temporärbeschäftigung begünstigen, zu erzielen. Denn eine immer größere Zahl von Arbeitnehmern strebt bewußt und durchaus freiwillig,
wenngleich andere eher unfreiwillig und gezwungermaßen eine Aufrechterhaltung und Verbesserung ihrer Beschäftigungsfähigkeit an (vgl. zur Employability-Diskussion überblicksartig z.B.
OECD 1997, Gazier 1999, Blancke/Roth/Schmid 2000; zur Flexi-Employability-Diskussion am
Beispiel älterer Arbeitnehmer auch Henneberger/Sousa-Poza 2001). Zu den benötigten Informationen zählen nicht zuletzt Angaben über die Verteilung von Zeit- und Leiharbeit auf bestimmte
Wirtschaftszweige und Berufe sowie Auskünfte über deren regionale und kantonale Verteilung
der Temporärbeschäftigung in der Schweiz.
Trotz der langfristigen Bedeutungszunahme liegen bislang keine gesicherten und repräsentativen
Ergebnisse über das Ausmaß und die Struktur der Temporärarbeit vor. Mit der neuesten
Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE) des Jahres 2001 wurde erstmals auch diese Beschäftigungsform genauer erfasst, so dass sich dieses Forschungsdefizit nun reduzieren lässt.
Damit besteht das primäre Ziel der vorliegenden Studie darin, diese Forschungs- und Wissenslücke zu reduzieren, wobei im Vordergrund die empirische Ermittlung des Ausmaßes, der
Struktur und der Determinanten von Temporärbeschäftigung unter besonderer Berücksichtigung
branchenspezifischer und regionaler Unterschiede liegen soll. Als zentrale Untersuchungsfragen
lassen sich deshalb formulieren:
•
In welchen Wirtschaftszweigen, Berufen, Regionen und Kantonen der Schweiz konzentriert sich die Temporärbeschäftigung?
•
Sind Männer oder Frauen sowie bestimmte Altersgruppen besonders oft unter den Temporärbeschäftigten zu finden?
•
Welches sind die Hauptdeterminanten für Temporärbeschäftigung?
•
Welche Rolle spielen personen- und familienbezogene Charakteristika beim Wunsch,
einer Temporärbeschäftigung nachzugehen (wie beispielsweise die Ausbildung, das
Alter, das Geschlecht, der Zivilstand oder die familiäre Zusammensetzung)?
•
Tragen arbeitsplatzbezogene Eigenschaften (wie der Beschäftigungsumfang respektive
die Arbeitszeit oder bestimmte Tätigkeiten) etwas zur Erklärung der Vermittlungswahrscheinlichkeit durch ein Temporärarbeitsbüro bei?
•
Welche Rolle spielt die Firmengröße für die Wahrscheinlichkeit der Stellenbesetzung
durch eine Temporärarbeitsfirma?
4
2. Datenbasis und zugrunde liegende Fragen bei der Erfassung von Temporärbeschäftigung durch die amtliche Statistik
Die Daten für diese Untersuchung stammen aus der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung
(SAKE) des Jahres 2001. Die seit 1991 jährlich vom Bundesamt für Statistik (BFS) immer im
Frühjahr durchgeführte Erhebung stellt eine für die gesamtschweizerische Bevölkerung repräsentative, weil zufällig ausgewählte telephonische Befragung von Arbeitnehmerhaushalten zu
ihrem Erwerbsverhalten und ihrer Erwerbsstruktur dar (vgl. Bundesamt für Statistik 1996). Diese
Angaben werden mittels einer ganzen Reihe von sozio-demographischen und sozio-ökonomischen Variablen erfasst. Als erwerbstätig gelten alle Individuen (inkl. Ausländer), die mindestens
sechs Stunden pro Woche arbeiten. Die Stichprobengröße beläuft sich auf immerhin rund 16'000
Personen.
Mit der SAKE-Welle von 2001 wurden erstmals auch neuere Arbeitsformen erfasst (vgl. Bundesamt für Statistik 2001). In diesen Kontext fällt zugleich die klare Unterscheidung zwischen
Anstellungen bei und Vermittlungen durch Temporärarbeitsfirmen. Zudem ist geplant, die
SAKE ab dem Jahr 2002 auf ca. 40'000 befragte Personen aufzustocken. Damit könnten
derartige Beschäftigungsverhältnisse nochmals vertiefter untersucht werden und damit ebenfalls
der Frage nachgegangen werden, ob sich auch in der Schweiz – wie in vielen anderen Industrienationen – tatsächlich eine schleichende Abkehr vom Normalarbeitsverhältnis nachweisen läßt
(vgl. zu dieser Perspektive Caritas Schweiz 2001 und ebenso Birchmeier 2002).
Die beiden Fragen, die der SAKE zur Temporärarbeit zugrunde liegen, lauten: "Haben Sie Ihre
Stelle über ein privates Stellenvermittlungsbüro erhalten?" (Antwortmöglichkeiten: Ja/Nein).
Falls Ja: "Von wem erhalten Sie den Lohn für Ihre Arbeit?" (Antwortmöglichkeiten: 1 –
Temporärbüro; 2 – Unternehmen, wo die Arbeit tatsächlich geleistet wird).
Wird der Lohn des Arbeitnehmers durch ein Temporärbüro ausbezahlt, impliziert dies gleichzeitig, dass der Arbeitgeber, bei dem die Arbeitskraft eingesetzt ist, eine entsprechende Zahlung
an die Vermittlungsfirma leisten muss. Damit liegt ein typisches Leiharbeitsverhältnis mit einem
drei- anstelle eines zweiseitigen Arbeitsvertrages vor.
Wird der Lohn des Arbeitnehmers durch ein Unternehmen ausbezahlt, bedeutet dies, dass der
Arbeitgeber mit der Arbeitskraft ein Beschäftigungsverhältnis eingegangen ist. Hierbei ist allerdings ungewiß, ob die Arbeitskraft beim neuen Arbeitgeber (weiterhin) temporär oder (inzwischen) fest angestellt ist. Da allerdings der Arbeitgeber in der Regel nach drei Monaten seine
Temporärangestellten fest übernehmen kann (vgl. Braun 2001: 6), ist davon auszugehen, dass die
überwiegende Mehrheit der Arbeitnehmer einen festen Arbeitsvertrag eingegangen ist bzw. ein-
5
gehen wird. Dies gilt um so mehr, als es offenbar weit mehr Aufträge als temporär einsetzbare
Arbeitskräfte gibt. Diese Situation wird bei zunehmender Arbeitskräfteknappheit zusätzlich verschärft. Denn in Zeiten allgemein steigender Nachfrage nach Arbeitskräften ist vor allem qualifiziertes Personal immer schwieriger zu finden. Deshalb müssen die Firmen ein um so größeres
Interesse daran haben, den zunächst nur temporär Beschäftigten nach Ablauf der Vertragsfrist
eine feste Anstellung zu offerieren.2
Andererseits ist die gesamtwirtschaftliche zwischenbetriebliche Fluktuationsrate in den gesamten
90er Jahren trendmäßig angestiegen und befindet sich gegenwärtig bei rund 10% pro Jahr. Damit
weist die Schweiz eine auch im internationalen Vergleich überdurchschnittlich hohe Quote an
Stellenwechseln auf (vgl. Henneberger/Sousa-Poza 2002). Die immer häufiger stattfindenden
Arbeitgeberwechsel erzeugen aber geradezu ein neues Flexibilitätspotential am Arbeitsmarkt.
Ein Hinweis hierfür ist zuletzt die Tatsache, dass nicht nur die Anzahl der beim Staatssekretariat
für Wirtschaft (seco) registrierten und bewilligten Vermittlungs- und Verleihbetriebe von 1'900
im Jahr 1993 auf 2'646 im Jahr 2000 zugenommen hat, sondern auch die Zahl der Vermittlungsfälle von rund 145'000 im Jahr 1993 auf über 236'000 im Jahr 1999 gestiegen ist (vgl.
seco).3 Eine Studie für die Situation in den Ländern der Europäischen Union (EU) zeigt zudem,
dass in vier von fünf Fällen Temporärarbeitnehmer eingestellt werden, um Fluktuationen zu
überbrücken (vgl. McKinsey 2000).
3. Empirische Ergebnisse
3.1 Empirisch-deskriptive Analyse für die gesamte Schweiz
Tabelle 1 fasst zunächst die Ergebnisse zu Umfang und Struktur der Zeitarbeit und der Stellenvermittlung durch ein Temporärbüro zusammen. Hierbei ist festzuhalten, dass im Jahr 2001 von
den insgesamt knapp 3,938 Millionen Erwerbstätigen4 immerhin über 190'000 Personen oder
4,8% angegeben haben, ihren Arbeitsplatz durch ein Temporärbüro vermittelt bekommen zu
haben. Die überwiegende Mehrheit dieser Personen (knapp 87%) bezieht aber ihre Entlohnung
nun vom neuen Arbeitgeber. Ob und inwiefern diese Beschäftigten beim neuen Unternehmen
bessere Arbeitsbedingungen vorfinden, weswegen sie der Vermittlungsfirma den Rücken kehr2
Damit wird aber auch deutlich, dass nicht alle durch ein Temporärbüro vermittelten Personen nur befristet beschäftigt sein müssen. Umgekehrt sind nicht alle befristet Beschäftigten gleichzeitig auch Zeitarbeitnehmer, die
durch eine Temporäragentur vermittelt wurden.
3
Den überwiegenden Teil der Stellenvermittlung übernehmen private Agenturen (im Jahr 1999 beispielsweise deckten diese knapp drei Viertel aller Vermittlungsfälle ab).
4
In der SAKE nicht enthalten sind Grenzgänger (164'000), Saisonniers (30'000), Kurzaufenthalter (24'000) und
Asylbewerber (15'000).
6
ten, muss an dieser Stelle offen bleiben. Nicht unplausibel ist dennoch anzunehmen, dass die
Option auf ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis durchaus von einigen Arbeitskräften präferiert werden dürfte.
Sieht man sich die Eigenschaften der vermittelten Personen an, wird ersichtlich, dass von der
Stellenvermittlung durch ein Temporärbüro absolut gesehen zwar mehr Männer als Frauen profitieren konnten, bezogen auf die unterschiedlich hohen Erwerbsquoten beider Geschlechter (57%
bei den Frauen und 76% bei den Männern), ist dieser Unterschied jedoch nicht mehr signifikant.
Bei den verschiedenen Altersgruppen fällt auf, dass insbesondere die jüngste Kohorte (der 15bis 24-Jährigen) überproportional häufig weiterhin beim Temporärbüro beschäftigt bleibt (62%
aller Vermittelten in dieser Alterskategorie) (vgl. hierzu auch Braun 2001: 6). Wenig überraschend dürfte sein, dass die ältere Erwerbsbevölkerung (ab dem 55. Lebensjahr) die Dienste von
Vermittlungsfirmen kaum mehr in Anspruch nehmen.
Nach Wirtschaftszweigen desaggregiert zeigt sich, dass die meisten Stellenvermittlungen durch
Temporärbüros im Bereich "Handelsvermittlung und Großhandel", bei den "Dienstleistungen für
Unternehmen" und im "Kreditgewerbe" zu registrieren sind. Aber auch im "Baugewerbe", im
"Gesundheits- und Sozialwesen", im "Maschinenbau", in der "Chemischen Industrie", im Wirtschaftszweig "Herstellung von medizinischen Geräten, Präzisionsinstrumenten, optischen Geräten und Uhren", im "Versicherungsgewerbe" und bei den "Informatikdiensten" sind noch viele
Vermittlungsfälle zu verzeichnen (vgl. auch Braun 2001: 8). Interessant ist, dass nur im Falle der
Dienstleistungen, die für Unternehmen erbracht werden, eine sichtbare Zahl von Arbeitnehmern
(rund ein Drittel) nach wie vor beim Temporärbüro angestellt ist.5
Sieht man sich die Zugehörigkeit zu Berufen an, so dominieren – wenig überraschend – die
"Berufe der Industrie und des Gewerbes", gefolgt von den "Kaufmännischen und administrativen
Berufen" und den "Handels- und Verkaufsberufen sowie den Dienstleistungskaufleuten". Häufig
greifen noch die "Berufe der Reinigung, Hygiene und Körperpflege sowie Berufe des Gesundheitswesens" wie auch "Führungskräfte" und die "Berufe der Informatik" auf die Dienstleistung
der Personalvermittlung zurück.
Betrachtet man schließlich die regionale Verteilung, so finden fast 50% (genau: 46,5%) aller
Vermittlungsfälle in der Region Nord mit den Kantonen Zürich, Bern, Solothurn, Basel-Land,
Basel-Stadt, Schaffhausen und Aargau statt. Immerhin fast 30% (exakt: 28,9%) der Vermittlun-
5
Von den insgesamt bei den "Dienstleistungen für Unternehmen" (NOGA 74) erfassten ca. 18'500 Personen sind
jeweils etwa 19% den Bereichen "Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung und Treuhand" (NOGA 74.12) sowie der
"Unternehmensberatung" (NOGA 74.14) zuzuordnen. Weitere 18% gehören zur Rubrik "Personal- und Stellenvermittlung" (NOGA 74.50) (zur NOGA-Systematik vgl. Bundesamt für Statistik 1995).
7
gen von Temporärarbeitsfirmen werden in der Region West mit den Kantonen Freiburg, Waadt,
Wallis, Neuenburg, Genf und Jura durchgeführt. In beiden Regionen bleiben eine Reihe von
Personen beim Temporärbüro angestellt (12,7% in der Region Nord und 15,6% in der Westschweiz). Die Vorreiterfunktion, welche die Region Nord übernimmt, läßt sich zumindest zum
Teil mit der Tatsache begründen, dass die konjunkturelle Entwicklung in der Westschweiz derjenigen in der Nordschweiz nicht selten erst mit einer gewissen Verzögerung folgt. In der Zentralschweiz, der Ostschweiz und im Tessin werden hingegen deutlich weniger Vermittlungen als
in den beiden eben genannten Regionen getätigt.
Aufgrund der deutlichen Unterschiede nicht nur zwischen den Regionen, sondern auch aufgrund
der starken Heterogenität der verschiedenen Kantone in den einzelnen Regionen erscheint es
sinnvoll, sich einerseits die beiden wichtigsten Regionen noch etwas genauer anzuschauen (vgl.
weiter unten sowie die Tabellen 2 und 3). Andererseits liefert eine Aufgliederung der Regionen
nach Kantonen einige interessante zusätzliche Erkenntnisse. Der Kanton Zürich alleine weist fast
so viele Vermittlungsfälle auf, wie die drei Regionen Zentralschweiz, Ostschweiz und der Süden
zusammen genommen. Damit bestätigt sich die Bedeutung, die dieser Kanton für die wirtschaftliche Entwicklung in der gesamten Schweiz hat. Erst mit erheblichem Abstand dahinter rangieren die Kantone Waadt, Genf, Aargau und Bern, gefolgt von den Kantonen Luzern, Basel-Land
und St. Gallen.
8
Tabelle 1: Temporärarbeit und Stellenvermittlung durch ein Temporärbüro (Anzahl Personen) –
SAKE 2001
Stellenvermittlung
Lohn wird durch ein Lohn wird durch eine
durch ein Temporär-
Temporärbüro
Unternehmung
büro
bezahlt
bezahlt
190’416
25’686
164’731
Mann
107’342
14’332
93’010
Frau
83’074
11’354
71’720
15-24 Jahre
28’875
11’056
17’819
25-39 Jahre
95’339
8’016
87’323
40-54 Jahre
54’794
5’545
49’249
55+ Jahre
11’409
1’069
10’340
Total
Geschlecht
Altersgruppen
Wirtschaftszweige
Handelsvermittlung und Großhandel
20'175
18'164
Dienstleistungen für Unternehmen
18'451
Kreditgewerbe
16'386
15'643
Baugewerbe
13'154
11'437
Gesundheits- und Sozialwesen
12'467
9'851
Maschinenbau
10'456
10'456
Chemische Industrie
8'948
6'381
Herstellung von medizinischen Geräten,
6'920
5'945
Versicherungsgewerbe
6'166
6'001
Informatikdienste
5'676
5'676
Detailhandel; Reparatur von
3'835
3'690
3'732
3'732
6'215
12'236
Präzisionsinstrumenten, optischen
Geräten und Uhren
Gebrauchsgütern
Herstellung von Metallerzeugnissen
(ohne Maschinenbau)
Berufe
Berufe der Industrie und des Gewerbes
49'482
10'029
39'453
Kaufmännische und administrative
47'266
4'731
42'535
Berufe
9
Handels- und Verkaufsberufe sowie
32’564
30’710
12'040
10'957
Führungskräfte
9'640
8'816
Berufe der Informatik
9'470
9'099
Transport- und Verkehrsberufe sowie
6'185
5'685
Dienstleistungskaufleute
Berufe der Reinigung, Hygiene und
Körperpflege sowie Berufe des Gesundheitswesens
Berufe des Post- und Fernmeldewesens
Berufe des Gastgewerbes und Hauswirt-
5'389
schaftsberufe
Regionen
Nord (ZH, BE, SO, BS, BL, SH, AG)
88'594
11'209
77'384
West (FR, VD, VS, NE, GE, JU)
54'971
8'585
46'385
Zentral (LU, UR, SZ, OW, NW, ZG)
22'947
20'200
Ost (GL, AR, AI, SG, GR, TG)
19'506
17'355
Süden (TI)
4'400
3'406
Zürich
40'713
38'017
Waadt
19'013
16'693
Genf
16'707
13'986
Aargau
16'345
14'742
Bern
12'158
10'213
Luzern
10'911
10'282
Basel-Landschaft
10'061
7'486
St. Gallen
9'684
8'395
Neuenburg
8'324
7'445
Thurgau
6'127
5'265
Freiburg
5'963
5'246
Basel-Stadt
4'965
3'220
Zug
4'462
2'596
Tessin
4'400
3'406
Solothurn
3'814
3'168
Nidwalden
3'526
3'526
Kantone
10
3.2 Empirisch-deskriptive Analyse für die Regionen Nord und West
Eine genauere Aufschlüsselung der Vermittlungsfälle in der Region Nord nach Wirtschaftszweigen und Berufen läßt die folgenden Aussagen zu: Von den knapp 89'000 Vermittlungen durch
ein Temporärbüro entfielen gut 10'000 auf den Bereich "Handelsvermittlung und Großhandel"
und über 8'000 fanden im "Kreditgewerbe" statt. Im "Maschinenbau" und dem "Gesundheitsund Sozialwesen" konnten nochmals mehr als 11'000 Vermittlungen gezählt werden. Danach
folgen das "Versicherungsgewerbe", die "Chemische Industrie" und das "Baugewerbe".
Ein Blick auf die Berufe signalisiert, dass sich die Vermittlungstätigkeit auf "Kaufmännische
und administrative Berufe" konzentriert. Mit deutlichem Abstand dahinter gruppiert sind die
Fallzahlen für "Einkäufer- und Verkäuferberufe", "Führungskräfte", "Ingenieurberufe" und
"Bank- und Versicherungsfachleute".
Tabelle 2: Region Nord – SAKE 2001
Stellenvermittlung durch ein Temporärbüro
Total
88'594
Wirtschaftszweige
Handelsvermittlung und Großhandel
10'010
Kreditgewerbe
8'291
Maschinenbau
5'853
Gesundheits- und Sozialwesen
5'222
Versicherungsgewerbe
4'028
Chemische Industrie
3'983
Baugewerbe
3'938
Herstellung von medizinischen Geräten,
3'447
Präzisionsinstrumenten; optischen Geräten und Uhren
Dienstleistungen für Unternehmen
3'182
Berufe
Kaufmännische und administrative Berufe
23'479
Einkäufer- und Verkäuferberufe
6'077
Führungskräfte
5'513
Ingenieurberufe
5'462
Bank- und Versicherungsfachleute
5'006
Berufe des Maschinenbaus sowie –unterhalts
3'648
Berufe der Informatik
3'151
11
Eine genauere Aufschlüsselung der Vermittlungsfälle in der Region West nach Wirtschaftszweigen und Berufen zeigt schließlich: Das "Kreditgewerbe", die "Handelsvermittlung und der Großhandel" sowie das "Baugewerbe" vereinigten mit leicht unterschiedlichem Gewichtsanteil fast
17'000 aller rund 55'000 Stellenvermittlungen durch ein Temporärbüro auf sich.
Sieht man sich die wichtigsten über Temporärbüros vermittelten Berufsgruppen an, so stellt man
fest, dass auch hier "Kaufmännische und administrative Berufe" deutlich dominieren, gefolgt
von den "Berufen der Informatik" und der "Bank- und Versicherungsfachleute".
Tabelle 3: Region West – SAKE 2001
Stellenvermittlung durch ein Temporärbüro
Total
Wirtschaftszweige
Kreditgewerbe
6'790
Handelsvermittlung und Großhandel
5'079
Baugewerbe
4'954
Berufe
Kaufmännische und administrative Berufe
11'162
Berufe der Informatik
4'359
Bank- und Versicherungsfachleute
3'320
4. Die Hauptdeterminanten einer Vermittlung durch ein Temporärbüro
Die empirisch-deskriptive Analyse hat erste Einblicke in das Ausmaß und die Struktur von
Stellenvermittlungen geliefert. Um jedoch größere Gewissheit über die Determinanten der Vermittlungen durch Temporärbüros zu erreichen, bieten sich multivariate Regressionsanalysen mit
den SAKE-Daten geradezu an, in denen nicht zuletzt für Branchen- und kantonale Unterschiede
kontrolliert werden kann. Da die abhängige Variable dichotom ist (Vermittlung durch ein Temporärbüro ja oder nein), kommt ein sog. Probit-Modell zum Einsatz. Die empirische Spezifikation sieht folgendermaßen aus (vgl. Greene 1997: 873-874):
Yi* =
+ Xi +
Yi = 1{Y > 0}
i ~ N (0,1) ,
*
i
i
12
wobei Y* die zugrunde liegende latente Variable und Y die dazugehörige beobachtbare Variable
ist. Y kann nur zwei Werte annehmen: 0, falls die befragte Person ihren Arbeitsplatz nicht durch
ein privates Stellenvermittlungsbüro erhalten hat und 1 ansonsten. α stellt das Absolutglied dar,
β ist ein Vektor von Koeffizienten, die den geschätzten Einfluss der erklärenden Variablen wiedergeben, und ε ist – wie üblich – der stochastische Fehlerterm, der annahmegemäß normalverteilt ist. X ist ein Vektor von unabhängigen Variablen, die sich in unserem Kontext in drei Kategorien unterteilen lassen: (i) persönliche und familiäre Eigenschaften; (ii) arbeitsplatzbezogene
Eigenschaften; (iii) Firmeneigenschaften.
Zusätzlich zu den geschätzten Koeffizienten werden auch die Marginaleffekte ausgewiesen.6
Diese zeigen den Einfluss, den eine erklärende Variable auf die Wahrscheinlichkeit hat, dass
eine Vermittlung durch ein privates Temporärbüro stattfindet. Damit kann auch die Wichtigkeit
einer Determinante festgestellt werden.7 Je größer (kleiner) der Marginaleffekt ist, desto stärker
(schwächer) ist der Wirkungsgehalt respektive Einfluss dieser Variable auf die zu erklärende
Vermittlungswahrscheinlichkeit durch ein Temporärbüro. Anders ausgedrückt: Die Marginaleffekte geben an, um wie viel Prozent sich die Wahrscheinlichkeit eines Stellenwechsels ändert,
wenn die jeweilige Erklärungsvariable genau um eine Einheit verändert wird.
Die Regressionen werden zudem für Männer und Frauen getrennt durchgeführt, da nicht a priori
auszuschließen ist, dass geschlechtsspezifische Unterschiede zwischen den Determinanten und
deren Einflußstärke existieren (vgl. Tabelle 4).
6
Die Marginaleffekte (berechnet in Referenz zu den Stichprobenmittelwerten) sind wie folgt definiert:
[ ] = φ(β′x )× β ,
∂x
∂E y x
wobei φ die standardnormalverteilte Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion ist (vgl. Greene 1997:
876).
7
Ein geschätzter Koeffizient kann zwar signifikant, seine Bedeutung jedoch gering sein.
13
Tabelle 4: Determinanten einer Vermittlung durch ein Temporärbüro – SAKE 2001
alle
Männer
Koeff.
Konstante
ME
b
-2.404**
Koeff.
Frauen
ME
b
-1.943**
MEb
Koeff.
-2.909**
persönliche und familiäre Eigenschaften
Männlicha
-0.478
-0.004
0.016
0.001
0.014
0.001
0.039
0.003
-0.041*
-0.004
-0.040
-0.004
-0.070**
-0.004
-0.178**
-0.015
-0.088
-0.008
-0.283**
-0.018
0.059
0.005
0.121
0.012
-0.057
-0.004
-0.123
-0.011
0.056
0.005
-0.219*
-0.014
0.096
0.008
0.030
0.003
0.173
0.011
-0.063
-0.005
-0.069
-0.007
-0.108
-0.007
Arbeitszeit (Stunden pro Woche)
0.038**
0.003
0.001
0.000
0.061**
0.004
Arbeitszeit2 x 10-2
-0.050*
-0.004
-0.004
-0.000
-0.086**
-0.006
Alter
2
Alter x 10
-2
Verheiratet
a
Hohes Ausbildungsniveau
a
Niedriges Ausbildungsniveau
Ausländer
a
a
Kind im Schulalter im Haushalt
a
arbeitsplatzbezogene Eigenschaften
Berufe der Industrie und des Gewerbesa
0.032
0.003
0.123
0.012
-0.186
-0.012
Kaufmännische und administrative Berufea
0.471**
0.040
0.326*
0.031
0.467**
0.030
Handels- und Verkaufsberufe sowie Dienst-
0.173
0.015
0.247
0.024
0.080
0.005
0.015
0.001
-0.146
-0.014
0.060
0.004
0.331**
0.028
0.362*
0.035
0.229
0.015
Berufe der Informatik
0.190
0.016
0.233
0.022
0.107
0.007
Transport- und Verkehrsberufe sowie Berufe
-0.161
-0.014
-0.278
-0.027
0.024
0.002
0.066
0.006
0.177
0.017
0.009
0.001
leistungskaufleutea
Berufe der Reinigung, Hygiene und Körperpflege sowie Berufe des Gesundheitswesensa
Führungskräftea
a
des Post- und Fernmeldewesensa
Berufe des Gastgewerbes und Hauswirta
schaftsberufe
Firmeneigenschaften
Firmengröße zw. 1 und 10 MAa
-0.234**
-0.020
-0.204*
-0.020
-0.276**
-0.018
a
-0.465**
-0.040
-0.502**
-0.048
-0.463**
-0.030
a
-0.204**
-0.017
-0.222*
-0.021
-0.221*
-0.014
a
-0.037
-0.003
0.036
0.003
-0.172
-0.011
Firmengröße zw. 11 und 19 MA
Firmengröße zw. 20 und 49 MA
Firmengröße zw. 50 und 99 MA
Anzahl Beobachtungen
8885
4449
4436
log likelihood
-1862
-1001
-827
c
c
pseudo R
2
0.138
0.116
0.194c
Anmerkungen: Die abhängige Variable kann 2 Werte annehmen: 1 – falls die Stelle durch ein Temporärbüro vermittelt wurde, 0
ansonsten. Überdies beinhalten die Regressionen 11 Dummy-Variablen für die verschiedenen Branchen und 21 Dummy-Variablen für die verschiedenen Kantone, die hier der Übersichtlichkeit wegen nicht aufgeführt werden.
a
Dummy-Variablen
b
ME = Marginaleffekt
c
Pseudo R2 von McFadden (1973)
*/** auf dem 5%/1% Signifikanzniveau
14
Sieht man sich die Bestimmungsgründe für eine Stellenvermittlung durch ein Temporärbüro an,
so zeigt sich, dass für die Gruppe der Männer keine der persönlichen und familiären Eigenschaften einen signifikanten Einfluss auf deren Vermittlungswahrscheinlichkeit hat. Dies ändert sich
allerdings, wenn wir die Gruppe der Frauen betrachten. Sowohl Frauen, die verheiratet sind als
auch Frauen mit einer niedrigen Ausbildung weisen eine geringere Vermittlungswahrscheinlichkeit auf.8 Während erstere Eigenschaft aufgrund ihrer Bindungswirkung die Mobilität dieser
Beschäftigtengruppe einschränkt, dürfte letztere auf die Tatsache zurückzuführen sein, dass in
Zeiten des Fachkräftemangels Geringqualifizierte sowohl auf dem primären als auch auf den
sekundären Arbeitsmärkten zunehmend geringere Beschäftigungschancen haben. Zudem nimmt
bei Frauen die Wahrscheinlichkeit einer Vermittlung durch eine Temporärarbeitsfirma mit dem
Lebensalter ab. Da von Temporärbüros nicht nur friktionelle Arbeitseinsätze vermittelt werden,
sondern eine Reihe von Arbeitgebern bestimmten Arbeitskräften offensichtlich auch einen festen
Arbeitsvertrag anbieten, werden hiervon vermutlich eher die jüngeren Beschäftigten profitieren,
bei denen ein genügend langer Beschäftigungszeitraum zu erwarten ist. Diese Tendenz wird verstärkt, wenn die Unternehmen Investitionen in die betriebsspezifische Qualifizierung der Arbeitnehmer tätigen wollen oder bereits getätigt haben. Denn der zur Verfügung stehende Amortisationszeitraum für die Humankapitalinvestitionen sinkt unzweifelhaft mit zunehmendem Alter des
Beschäftigten (vgl. Becker 1993).
Von den arbeitsplatzbezogenen Eigenschaften sind ebenfalls nur wenige Variablen signifikant.
Einerseits impliziert die Ausübung eines "Kaufmännischen oder administrativen Berufes" eine
signifikant höhere Stellenvermittlungswahrscheinlichkeit. Diese Aussage ist für beide Geschlechter gleichermaßen gültig. Bei den Männern wirkt zudem die Eigenschaft, eine "Führungskraft" zu sein, positiv auf die Wahrscheinlichkeit von einem Temporärbüro vermittelt zu werden.
Hierin spiegelt sich die Tatsache wieder, dass der Markt für Temporärbeschäftigte eher zweigeteilt ist. Neben das stark besetzte Segment der un- und angelernten Arbeitskräfte mit einem eher
niedrigen allgemeinen Bildungsniveau tritt zunehmend ein Segment gut bis hoch qualifizierter
Fachkräfte, wie wissenschaftliches Personal (vgl. Birchmeier 2002: 13).9 Für Frauen gilt außerdem, dass ihre Vermittlungschancen – mit abnehmenden Zuwachsraten – positiv mit dem Be-
8
Folgende Bildungsabschlüsse werden als "hohes Ausbildungsniveau" definiert: Universitäten, Technische Hochschulen (Fachhochschulen, Technikum) und Mittelschulen (Maturitätsschulen, Diplommittelschulen). Folgende Bildungsabschlüsse werden als "niedriges Ausbildungsniveau" klassifiziert: Noch in obligatorischer Schulausbildung,
kein Berufsbildungsabschluss (d.h. nur Ableistung der obligatorischen Schulpflicht), Anlehre und Absolvierung des
Haushaltslehrjahres. Die Referenzkategorie ("mittleres Ausbildungsniveau") bildet dabei die Berufslehre und vergleichbare Qualifikationen (wie Abschluss einer Vollzeitberufsschule oder höheren Berufsausbildung).
9
Vor allem die Personalvermittlungsfirma "Manpower" hatte in den vergangenen Jahren ein ausgeprägtes Wachstum bei den sog. Miet-Wissenschaftlern zu verzeichnen gehabt (vgl. Birchmeier 2002: 13)
15
schäftigungsumfang korreliert sind. Die Funktion zeigt also einen parabolischen Verlauf, dessen
Maximum bei 36 Stunden liegt. Dahinter verbirgt sich die Aussage, dass Teilzeitbeschäftigte mit
einer Arbeitszeit von weniger als 36 Stunden pro Woche über geringere Vermittlungschancen
verfügen. Es ist nicht unplausibel anzunehmen, dass potentielle Arbeitgeber davon ausgehen,
dass Beschäftigte, die eine längere Arbeitszeit anstreben in der Tendenz stärker in den Erwerbsprozess und tiefer in den Arbeitsmarkt integriert sein wollen als dies bei Teilzeitbeschäftigten der
Fall ist. Dies mag aus Arbeitgebersicht um so mehr für die Gruppe der Frauen gelten, weil das
traditionelle Rollenverständnis nach wie vor impliziert, dass Frauen den überwiegenden Teil der
Kindererziehung übernehmen, während Männer viel stärker am beruflichen Erfolg orientiert sind
(vgl. Sousa-Poza 1999).
Auffällig ist die hohe Signifikanz der Betriebsgröße. Kleinere Unternehmen mit weniger als 50
Beschäftigten nehmen offensichtlich die Vermittlungstätigkeit von Temporärarbeitsfirmen mit
geringerer Wahrscheinlichkeit in Anspruch. Dies mag daran liegen, dass sie benötigte Arbeitskräfte kostengünstiger über Inserate, Beziehungen oder sonstige Rekrutierungskanäle akquirieren
können. Größere Firmen verfügen hingegen häufiger über einen Personalverantwortlichen, der
die Aufgabe der Selektion von Mitarbeitern an professionalisierte und spezialisierte Dienstleistungsfirmen überträgt.
Im Übrigen weisen die sog. pseudo R2-Werte für diese Art von Regressionen recht ansprechende
Werte auf.
5. Zusammenfassung und Ausblick
Die vorliegende Studie hat anhand der neuesten SAKE-Daten gezeigt, dass im Jahr 2001 mehr
als 190’000 Personen oder fast 5% der Erwerbstätigen angegeben haben, ihren derzeitigen Arbeitsplatz durch ein Temporärbüro vermittelt bekommen zu haben. Die überwiegende Mehrheit
dieser Personen bezieht ihre Salierung allerdings vom neuen Arbeitgeber. Da aus verschiedenen
Gründen davon auszugehen ist, dass es sich bei der Stellenvermittlung durch Temporärarbeitsfirmen um ein wachsendes Arbeitsmarktsegment handelt, müssen, um die Wachstumspotentiale
ausschöpfen zu können, genauere Kenntnisse über die Eigenschaften der Temporärbeschäftigten
und die Determinanten, die Temporärbeschäftigung begünstigen, eruiert werden. Die Ergebnisse
unserer Recherchen zeigen Folgendes:
•
Es fällt zunächst auf, dass jüngere Beschäftigte nicht nur eine starke Gruppe unter den von
einem Temporärbüro Vermittelten stellen, sondern dass diese auch überproportional häufig
bei der Leiharbeitsfirma beschäftigt bleiben.
16
•
Nach Wirtschaftszweigen desaggregiert zeigt sich, dass im Bereich "Handelsvermittlung und
Großhandel", bei den "Dienstleistungen für Unternehmen" und im "Kreditgewerbe" überdurchschnittlich viele Vermittlungsfälle zu registrieren sind. Allerdings bleiben nur im Falle
der Dienstleistungen, die für Unternehmen erbracht werden, eine sichtbare Zahl von Arbeitnehmern beim Temporärbüro angestellt.
•
Sieht man sich die Zugehörigkeit zu Berufen an, so dominieren die "Berufe der Industrie und
des Gewerbes", gefolgt von den "Kaufmännischen und administrativen Berufen" und den
"Handels- und Verkaufsberufen sowie den Dienstleistungskaufleuten".
•
Die regionale Verteilung signalisiert, dass drei Viertel aller Vermittlungsfälle in den Regionen Nord und West stattfinden. Bei den Kantonen dominiert eindeutig Zürich, gefolgt von
den Kantonen Waadt, Genf, Aargau und Bern.
•
Sieht man sich die Determinanten für eine Stellenvermittlung durch ein Temporärbüro an, so
zeigt sich, dass der Verheiratetenstatus, ein niedriges Ausbildungsniveau, das Alter sowie
Teilzeitbeschäftigung die Vermittlungswahrscheinlichkeit von Frauen senken. Hingegen erhöht die Eigenschaft, eine "Führungskraft" zu sein, bei Männern die Wahrscheinlichkeit der
Vermittlung durch ein Temporärbüro. Zudem impliziert die Ausübung eines "Kaufmännischen oder administrativen Berufes" für beide Geschlechter eine signifikant höhere Stellenvermittlungswahrscheinlichkeit, wobei hier auch die Marginaleffekte relativ stark ausgeprägt
sind. Auffällig ist schließlich die hohe Signifikanz der Betriebsgröße und die Stärke des Einflusses dieser Variable. Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten nehmen offensichtlich die Vermittlungstätigkeit von Temporärarbeitsfirmen mit geringerer Wahrscheinlichkeit
in Anspruch.
Die vorliegende Studie stellt die erste gesamtschweizerische Arbeit zum Thema der Vermittlungstätigkeit von Temporärarbeitsfirmen dar. Die gewonnenen, interessanten Einsichten könnten mit der Aufstockung der SAKE auf ca. 40'000 befragte Personen ab dem Jahr 2002 noch
vertieft werden. Insbesondere würde die verbesserte, weil verbreiterte Datengrundlage detailliertere, im Sinne desaggregiertere Analysen zulassen.
Eine Auseinandersetzung mit der Zeit- und Temporärarbeit kann darüber hinaus zur Absicherung
von Konjunkturprognosen dienen, da die Nachfrage nach Temporärbeschäftigten der konjunkturellen Entwicklung jeweils voraus läuft (Vorlaufindikator). Steigen die Auftragseingänge bei
den Unternehmen an, greifen diese häufig zunächst auf die Dienstleistung von Temporärarbeitsfirmen zurück, um drohende Kapazitätsengpässe aufzufangen. Zeichnen sich hingegen Absatzrückgänge ab, werden zunächst die Arbeitsverträge der Temporärbeschäftigten nicht mehr ver-
17
längert werden. Dieser verhältnismäßig hoch sensible Bereich von Beschäftigungsverhältnissen
liefert daneben sehr schnell verläßliche Informationen über Mismatch-Phänomene am Arbeitsmarkt und deren Veränderung, so dass selbst Strukturverschiebungen und daraus resultierende
strukturelle Arbeitslosigkeit viel früher erkannt und kompensiert werden könnten. Gerade hierzu
sind aber entsprechend desaggregierte Analysen unerläßlich.
18
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