zunehmende »Gefahr
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zunehmende »Gefahr
3. Aktuelle und potenzielle Gefahren für die Gesundheit 3.2.9 Klimawandel, Zugvögel und ihre Rolle bei der Verbreitung von Infektionskrankheiten – zunehmende »Gefahr« in Zeiten klimatischer Veränderung? Franz Bairlein & Benjamin Metzger Klimawandel, Zugvögel und ihre Rolle bei der Verbreitung von Infektionskrankheiten – zunehmende »Gefahr« in Zeiten klimatischer Veränderung? Vögel sind vom Klimawandel betroffen. Zugvögel kommen im Frühjahr früher zurück und zeigen entweder früheren oder auch späteren Abzug im Herbst. Viele Arten brüten früher und dabei gibt es eine zunehmende klimabedingte Asynchronität zwischen Brutbeginn und Verfügbarkeit der Nahrung für die Jungenaufzucht mit erheblichen Auswirkungen auf den Bruterfolg. Klimawandel verringert die Zugbereitschaft bei Kurz- und Mittelstreckenziehern, wodurch sich Vogelgemeinschaften ändern mit einer zunehmenden Dominanz von Standvögeln und kurz- bis mittelweit ziehenden Arten. Auch wird eine Zunahme der Artenvielfalt in gemäßigten, borealen und arktischen Regionen erwartet, wogegen sie in trockeneren Regionen als Folge von höheren Temperaturen und geringeren Niederschlägen abnehmen wird. Vögel sind Träger von Infektionskrankheiten und es gibt Hinweise, dass Zugvögel bei der Verbreitung von Infektionskrankheiten beteiligt sein können. Mögliche Pathogene für Vogelverbreitung sind West Nil Virus, USUTU Virus, Vogelmalaria, bakterielle Krankheiten und Blutparasiten. Wahrscheinlicher als die Verbreitung humanpathogener Krankheiten als Folge des Klimawandels ist die Verbreitung von Vogelkrankheiten in Regionen, die bisher davon frei waren und folglich koevolutive Anpassungen fehlen, so dass das Auftreten eines neuen Pathogens fatale Folgen für die residenten Vogelarten haben kann, wie dies für das West Nil Virus in Nordamerika oder die Vogelmalaria auf Hawaii gezeigt wurde. Climate change, migratory birds and their role in spreading infectious diseases – increasing risk in times of climate change? Birds are affected by global warming. Migratory birds arrive earlier at breeding grounds in spring, and do have an either advanced or delayed autumn departure. Many species breed earlier today, and there are cases of climate driven mis-timing between onset of breeding and peak abundance of prey, with considerable impacts on the fitness of the birds. Global warming is likely to reduce the predisposition to migrate in short to medium distance migrants which will result in bird communities that will be increasingly dominated by non-migrating and short to medium distant migratory species. It is also expected an increase in species richness in temperate, boreal and arctic regions, while species richness is suggested to decline in more arid regions due to increased temperature and decreased precipitation. Birds can carry pathogens and there are a few hints that migratory birds take a role in spreading a disease, although very much speculative. Pathogens likely for avian spread are West Nile Virus, USUTU virus, avian influenza, bacterial diseases, and blood parasites. More likely than spreading human pathogens due to climate warming is the spread of avian diseases into regions where long-term co-evolutionary processes were missing so that a new emerging disease could be fatal for resident birds, as it is the case with West Nile Virus in North America, or avian malaria on Hawaii. Z ugvögel verbinden Kontinente und entfernte Re gionen. Vögel können Überträger von humanen Erkrankungen, sein und so ist die Rolle von Zugvögeln bei der weltweiten Verbreitung von Zoonosen schon oft diskutiert worden (Altizer et al. 2011), insbesondere bei der Verbreitung von West Nil Virus (WNV; Rappole et al. 2000) und aviärer Influenza (z.B. Gauthier-Clerc et al. 2007). Zoonotische Infektionskrankheiten machen 58% der menschlichen Erkrankungen aus (Woolhouse & Gowtage-Sequeria 2005), sie sind global gesehen viel stärker auf bestimmte Regionen konzentriert als humanspezifische Pathogene und sie kommen über proportional häufig in tropischen Regionen vor (Smith et al. 2007). Zugvögel, die ihre Winterquartiere in den Tropen haben, stehen deshalb im Besonderen im Fo kus als mögliche Überträger von Zoonosen für Mensch und Tier. Welche Rolle Zugvögel in der Verbreitung von Infektionskrankheiten für Mensch und Tiere haben können und in wie weit die globale Klimaveränderung hierbei eine (zusätzliche) Bedeutung hat (Dobson & Foufopoulos 2009, Laferty 2009, Pascual & Bouma 2009, Benavides et al. 2012), soll hier kurz zusammen gefasst werden. Das europäisch-afrikanische Vogelzugsystem Für die Frage, in wie weit die globale Klimaerwärmung mit ihren vielfältigen Auswirkungen auf die Zugvögel auch die Möglichkeit erhöht, dass in tropischen Regio nen überwinternde Vögel dortige Pathogene verbreiten können, ist wichtig zu wissen, wo die Zugvögel im We sentlichen überwintern. Von den europäischen Brutvo gelarten überwintern etwa 200 in Afrika südlich der Sa hara. Die Mehrzahl der Arten zieht in Gebiete südlich der Sahara, insbesondere in die Savannengebiete (Bairlein 1998, Salewski 2013). Nach Schätzungen ziehen etwa 3.2.9 Bairlein & Metzger 2,1 Milliarden europäische Zugvögel nach Afrika (Hahn et al. 2009). Die hauptsächlichen »Zugstraßen« (flyways) zwischen Europa und Afrika sind der »westeuropäische« und der »osteuropäische« Zugweg (Abb. 3.2.9-1). Über das zentrale Mittelmeer ziehen vergleichsweise wenige Arten, allerdings im Frühjahr mehr als im Herbst. Die meisten paläarktischen Zugvogelarten überwin tern in Afrika in den Savannen und nur wenige dringen in die Regenwälder ein. Somit überwintert die große Mehrzahl der in die Tropen ziehenden paläarktischen Vögel in Habitaten mit vergleichsweise sehr geringem Pathogenvorkommen. Lediglich die an Wasser gebun denen Arten, wie Enten, Reiher, Störche, Limikolen oder Rallen überwintern in potenziell pathogen-reichen Lebensräumen (Moreau 1972). Vögel und Klimawandel Zahlreiche Arbeiten zeigen, dass der derzeitige globale Klimawandel vielfältige Auswirkungen und Konse quenzen für die Vogelwelt hat und haben kann (z.B. Walther et al. 2002, Møller et al. 2010, Wormworth & Sekercioglu 2011). Auswirkungen des Klimawan Abb. 3.2.9-1: Winterverbreitung von in Deutschland zur Brutzeit beringten Weißstörchen als Beispiel der etwa 200 europäischen Zugvogelarten, die im tropischen Afrika südlich der Sahara überwintern (dargestellt sind Funde im Dezember bis Februar mit einer Entfernung von mehr als 1.000 km vom Beringungsort; nach: Bairlein et al. 2014). 3. Aktuelle und potenzielle Gefahren für die Gesundheit dels auf Vögel lassen sich im Wesentlichen vier Berei chen zuordnen: Veränderungen in der Phänologie von Ziehen und Brüten, Veränderungen im Ausmaß des Zugverhaltens, Veränderungen in der geografischen und altitudinalen Verbreitung und demographische Veränderungen. Für die Ausbreitung von Infektions krankheiten durch Zugvögel sind dabei vornehmlich Veränderungen im Zugverhalten und Änderungen von Arealgrenzen von Relevanz. Veränderungen im Zugverhalten Abgesehen von phänologischen Veränderungen im Zugverhalten, wie frühere Rückkehr von Zugvögeln im Frühjahr und späterer Abzug im Herbst (Lehikoinen & Sparks 2010), sind andere Veränderungen im Zugverhalten bisher nur wenig quantitativ untersucht. Von Verkürzungen der Zugstrecken bei Kurz- und Mit telstreckenziehern berichten z.B. Fiedler et al. (2004) und Visser et al. (2009). Für Zugvögel, die südlich der Sahara überwintern, sind solche Veränderungen derzeit unbedeutend. Zwar scheinen bei mancher dieser Arten in jüngerer Zeit vermehrt einzelne Vögel auch nörd lich der Sahara in z.B. Marokko oder Südspanien zu überwintern, von einer wirklichen nordwärts Verlage rung des Überwinterungsgebietes und damit einer Ver kürzung der Zugwege ist bei diesen tropischen Über winterern jedoch nicht zu sprechen und angesichts der Unwirtlichkeit der Regionen dazwischen auch nicht zu erwarten (Coppack et al. 2008). Erwartet wird auch eine fortschreitende Abnahme der Zugbereitschaft bei Kurz- und Mittelstreckenzie hern sowie ein zukünftig höherer Anteil an Kurzstre ckenziehern und Standvögeln, da das Zugverhalten von Langsteckenziehern stärker im genetischen Programm fixiert ist, im Gegensatz zu Standvögeln und Kurz- und Mittelstreckenziehern, die in ihrem Verhalten plasti scher auf Witterungs- und Klimaveränderungen reagie ren. Dadurch können sich Vogelgemeinschaften erheb lich verändern. Beispielsweise hat auf Helgoland der Anteil durchziehender Langstreckenzieher ab- und der der Kurzstreckenzieher seit 1960 kontinuierlich zuge nommen (Hüppop & Hüppop 2007). Zunehmende Sess haftigkeit zeigt sich auch in den mittlerweile unzähli gen Winternachweisen von Arten wie Hausrotschwanz Phoenicurus ochruros oder Mönchsgrasmücke Sylvia atricapilla im Brutgebiet. Zugwegverkürzungen und zunehmende Sesshaf tigkeit spiegeln sich darüber hinaus in Veränderungen zugbezogener Morphometrie wider. Bei mehreren Ar ten zeigen sich Verringerungen der durchschnittlichen Flügellänge (Salewski et al. 2010, van Buskirk et al. 2010, Goodman et al. 2012), die ein Maß für Zugweg länge ist (Förschler & Bairlein 2011). Arealveränderungen Bei 45% der Landvogelarten und Arten der Binnenge wässer bestehen besonders enge Beziehungen zwischen ihrer Verbreitung und den Temperaturbedingungen im Sommer (Böhning-Gaese & Lemoin 2004). Somit ist davon auszugehen, dass der Klimawandel auch Konse quenzen für die Verbreitung dieser Arten haben wird. Eine Modellierung der geografischen Verbreitung der Brutvögel Europas im Lichte des erwarteten Kli mawandels zeigt, dass sich die potenziellen geogra phischen Vorkommen bis zu mehr als 1.000 km ver lagern könnten (Huntley et al. 2006, 2008). Es wird zudem erwartet, dass insbesondere Arten mit einge schränkter Verbreitung und auf besondere Biome spezia lisierte Arten erhebliche Kontraktionen in der Brutver breitung erfahren werden. Besonders betroffen dürften Zugvögel sein, da bei diesen sowohl Brutgebiete und Winterquartiere als auch Rastgebiete beeinflusst sein könnten (Huntley et al. 2006). Für die mehr als 400 betrachteten europäischen Brutvogelarten ergibt sich im Mittel eine Reduktion ihrer Brutverbreitung von etwa 19% und eine Reduktion der Vogelartendiversi tät von etwa 9% (Huntley et al. 2006). Für 29 Arten beträgt die erwartete Reduktion der Brutverbreitung in Europa sogar mehr als 90%. Dies betrifft insbesondere arktische und hoch montane Arten, aber auch Arten der borealen und subalpinen Wälder. Bei vielen Arten südlicher und gemäßigter Breiten zeigt sich eine nordwärts gerichtete Ausbreitung ihrer Brut- bzw. Winterareale (z.B. Thomas & Lennon 1999, La Sorte & Thompson 2007, Brommer 2008, MacLean et al. 2008, Zuckerberg et al. 2009, Brommer & Møller 2010, Chen et al. 2011, Brommer et al. 2012, La Sorte & Jetz 2012, Lehikoinen et al. 2013) mit durchschnitt lich etwa 2 km/Jahr aber bis zu mehr als 20 km/Jahr Ausbreitung der nördlichen Arealgrenze. In Ausbrei tung nach Zentraleuropa sind derzeit beispielsweise Bienenfresser Merops apiaster, Schwarzkopfmöwe Larus melanocephalus oder Silberreiher Casmerodius albus. Somit dringen Arten in Gebiete vor, die sie vor her nicht besiedelt hatten. Dadurch kommt es zu neuen Kontaktzonen und Veränderungen der lokalen Vogel gemeinschaften (Brotons & Jiguet 2010) mit derzeit unbekannten Auswirkungen auf Ökosystemfunktionen (Sekercioglu et al. 2004, Crowl et al. 2008). Dies gilt auch für die derzeitige, klimabedingte Höhenausbrei tung von Arten (Sekercioglu et al. 2008, Popy et al. 2010, Chen et al. 2011). Solche Arealverschiebungen sind nicht nur in den nördlichen gemäßigten Breiten zu beobachten, auch wenn sie dort viel zahlreicher dokumentiert und be schrieben sind, sondern finden sich auch in tropischen Regionen (Marini et al. 2009). Für die mögliche Rolle 3.2.9 Bairlein & Metzger von Zugvögeln als Vehikel für Infektionskrankheiten sind dabei die nutzungs- und klimabedingten Verände rungen in der Sahelzone Afrikas (Zwarts et al. 2009) von besonderer Relevanz. Nachlassende Niederschläge bei gleichzeitig ansteigender durchschnittlicher Luft temperatur, vor allem aber zunehmende Nutzung von Oberflächengewässer für z.B. Landwirtschaft, führen zu einem zunehmenden Verlust von Feuchtgebieten für überwinternde oder rastende Zugvögel. Dadurch kommt es zu steigenden Konzentration von Vögeln an den weniger und kleiner werdenden Feuchtgebieten mit einer daraus resultierenden unweigerlich höheren Transmissionsrate von Pathogenen an solchen »hot spots« (Benavides et al. 2012). Vogelarten, Krankheitserregern und deren Vektoren können neue Kontaktmöglichkeiten zwischen Krank heitserregern und potenziellen Wirten entstehen und so die Ausbreitung und Neu-Etablierung von Endemiege bieten zur Folge haben. Das Einschleppungsrisiko mit einer Übertragung auf den Menschen gilt besonders hoch bei pathogenen Viren, die an Zugvögel assoziiert sind und auf dem Zug mit Vektoren Kontakte haben, die im Siedlungsgebiet heimisch sind. Dies gilt für von Vektoren übertragene pathogene Viren wie z.B. das Sindbis-, das Usutu- und das Westnil-Virus. Viren zeichnen sich durch extrem hohe Mutationsraten und das Potenzial zu horizonta lem Gentransfer aus, was ihnen den Sprung auf neue Wirtsarten erleichtert. Im Folgenden sollen einige an Zugvögel als mögliche mobile (Zug)Vögel assoziierte Zoonosen mit potenzieller bis Krankheits-Reservoire tatsächlicher Relevanz für den Menschen näher be Weltweit gelten 58% aller human relevanten Infektions trachtet und ihr Ausbreitungspotential gerade vor dem krankheiten als zoonotisch, und 13% der von Vektoren Hintergrund der Klimaveränderung diskutiert werden. übertragenen humanen Erreger befinden sich derzeit in Ausbreitung. 75% von diesen sind zoonotischen Ur Virosen sprungs, d.h. Tiere sind das Reservoir, von dem sie auf Westnil-Virus den Menschen übertragen werden können. In Deutschland sind 24 humane Infektionskrank Das Westnil-Virus (WNV) ist ein Flavovirus. Die vek heiten endemisch, die von Schildzecken, Stechmücken torvermittelte Zoonose hat ihr Reservoir in diversen oder Nagern übertragen werden. In neuerer Zeit finden Vogelarten, Vektoren sind vor allem ornithophile Stech zunehmend auch Wildvögel bei der Suche nach den po mücken aus der Gattung Culex (Hayes et al 2005), au tenziellen Reservoiren von Zoonosen mit humanpatho ßerdem spielen auch Schildzecken (Ixodidae) und an gener Relevanz Beachtung. So sind nachweislich bei dere Blut saugende Ektoparasiten eine Rolle. Das Virus mindestens fünf Erregern Vögel als Wirte für ihre Ver ist über Afrika, Südeuropa und den mittleren Osten bis mehrung bekannt (Reed et al. 2003). Darüber hinaus weit nach Asien verbreitet und hat in jüngerer Zeit Nor gibt es einige mit Vögeln assoziierte Krankheitserreger, damerika erreicht. Neben Menschen gelten vor allem die, wenngleich sie nicht humanpathogen sind, in der Pferdeartige als häufig betroffene Fehlwirte. Der erste Nachweis des Virus erfolgte 1937 bei Geflügelhaltung mit ihren sehr hohen Individuendich ten erheblichen wirtschaftlichen Schaden verursachen einer Frau aus Uganda. In den fünfziger Jahren des können. Nicht zuletzt kommt auch der Verbreitung von vorigen Jahrhunderts kam es in Israel im Zuge einer Krankheiten innerhalb der Bestände von Vögeln und Epidemie zu Todesfällen. In den Jahren 1996 bis 2000 ihrer Bedeutung für Bestandsänderungen eine wach erfolgten diverse Ausbrüche in Südeuropa und im nah sende Rolle zu (Smith et al. 2007, LaDeau et al. 2007, en Osten (Zeller & Schuffenecker 2004). Dabei wur de von einzelnen Todesfällen bei Menschen berichtet. Robinson et al. 2010). Krankheitserreger beeinträchtigen bei Wildvögeln Das Virus konnte sich in Europa allerdings bisher nicht die Überlebensrate, die Fitness und den Bruterfolg, etablieren, sondern wurde vermutlich jeweils aufs Neue und sie können zu Änderungen im Verhalten und bei von Zugvögeln eingeschleppt. Allerdings gibt es Nach für den Lebenslauf wichtigen Entscheidungen führen. weise, dass eine Überwinterung in den Vektoren oder Insgesamt ist über das Ausmaß von Krankheiten und eine Persistenz in den Wirten möglich ist (Cernescu et die Folgen chronischer Infektion bei Vögeln im Frei al. 2000, Vázquez et al. 2011). Da viele europäische land jedoch erst wenig bekannt, wenngleich sich Vögel Zugvogelarten als potenzielle Wirte in Frage kommen auf Grund ihrer Omnipräsenz, ihrer Auffälligkeit und und als Langstreckenzieher in den zentralafrikanischen Mobilität hervorragend als Modellsysteme beim Ver Endemiegebieten überwintern, scheint es nur eine Fra ständnis der Ausbreitungsmechanismen von Zoonosen ge der Zeit, wann die ersten Epidemien auch Mittel europa erreichen, zumal ornithophile Stechmücken der eignen. Mit dem globalen Klimawandel und ihren Konse entsprechenden Arten auch in Mitteleuropa zumindest quenzen für die räumliche und zeitliche Verteilung von im Sommerhalbjahr stellenweise sehr häufig sind. Vor 3. Aktuelle und potenzielle Gefahren für die Gesundheit allem vor dem Hintergrund der mit der Klimaverän derung verbundenen milderen Winter und feuchten, heißen Sommer und stärker und häufiger werdender Überflutungsereignisse, die eine Massenvermehrung der Vektoren ermöglichen, sollten räumlich begrenzte Ausbrüche, analog zur Situation in Südeuropa, auch in Deutschland zunehmend wahrscheinlicher werden. Deshalb erfolgten in jüngerer Zeit auch mehrere groß angelegte Studien. Linke et al. (2007) untersuchten zwischen 2000 und 2005 3.400 Vögel aus 87 Arten und fanden je nach Vogelart eine Antikörperprävalenz (IFA, NT) von 0% bis 20%. Lediglich in 5 der 87 Ar ten konnten Antikörper nachgewiesen werden, bei drei von ihnen handelt es sich dabei um stark an Feucht gebiete gebundene Arten (Weißstorch Ciconia ciconia, Fischadler Pandion haliaetus und Höckerschwan Cygnus olor), was die Vektorendichte in diesen Habitaten widerspiegelt. Weiterhin wurde festgestellt, dass die Prävalenz von Antikörpern im Blut von großen Vogel arten höher lag als in dem von kleineren Arten und dass sie in Mitteleuropa bei juvenilen Individuen deutlich niedriger ausfiel als bei adulten. Letzteres legt nahe, dass sich das WNV in Deutschland noch nicht etabliert hat und die Antikörper durch eine transovarielle Über tragung in das Blut der Jungvögel gelangen. Wichtig scheint, dass bei keinem der 3.400 untersuchten Vögel die Isolation des Virus gelang, was ebenfalls darauf hinweist, dass die Infektion der Vögel mit dem Virus lediglich im Winterquartier oder in Rastgebieten auf dem Zug erfolgte. Komar et al. (2003) konnten nach weisen, dass nach einer experimentellen Infektion eine Übertragungswahrscheinlichkeit des Virus von Vögeln auf Mücken lediglich in den ersten vier Tagen nach In fektion hoch ist, was ein Einschleppen des Virus durch Zugvögel nach Mitteleuropa nicht allzu wahrscheinlich macht. Auch Seidowski et al. (2010) fanden in mehr als 2.700 Blutproben von 72 Arten aus 2005–2009 keine Hinweise auf eine Etablierung des WNV in Mitteleu ropa. Lediglich in 11 Arten, allesamt Zugvögel, ließen sich WNV-Antikörper nachweisen. Von 364 von 20092011 gesammelten Blutproben von 40 Wildvogelarten waren 17 Fälle WNV-positiv, mit Ausnahme der Nebel krähe nur Zugvögel (Ziegler et al. 2012). Die geringe Virulenz und Letalität des Virus bei afrikanischen wie europäischen Vogelarten ebenso wie auch bei Menschen aus diesen Regionen deutet darauf hin, dass die Ent wicklung der Beziehungen zwischen Virus und Wirten über einen längeren Zeitraum mit der daraus resultie renden Möglichkeit der Ko-Adaptation erfolgte. Eine Ausnahme bildet der Ausbruch einer WNV-Epidemie in Israel 1998, dem damals zahlreiche Weißstörche und Hausgänse zum Opfer fielen (Malkinson et al. 2002). Ein zur Alten Welt stark kontrastierendes Bild, das einen Eindruck davon vermittelt, was passieren kann, wenn Zoonosen neue Regionen erreichen, zeigt sich auf dem Nordamerikanischen Kontinent (Komar 2003, Allan et al. 2009). Hier kam es im Jahr 1999 ausgehend vom New Yorker Zoo zum Ausbruch einer Epidemie. Wie das Virus, das fast identisch mit einem Stamm aus Israel ist (Lanciotti et al. 1999), in die USA gelangte, lässt sich nicht belegen (Rappole et al. 2000). Dafür in Frage kommen sowohl infizierte Menschen wie auch Haus- oder Zootiere oder im Flugzeug mitgereiste in fektiöse Mücken. Da es keinerlei transatlantische Zug wege von Vögeln aus dem Nahen Osten an die Ostküs te Nordamerikas gibt, das erste Auftreten in New York auch nicht in eine Zugperiode fiel, erscheint die Ein führung auf einem Zugvogel als extrem unwahrschein lich. Erste Opfer in den USA waren Amerikanerkrähen Corvus brachyrhynchos, die auch in der Folge beson ders stark betroffen waren (Koenig et al. 2010). Auf Grund fehlender Ko-Evolution kam es in der Vogelwelt bei vielen weiteren Arten zu einer hohen Mortalität, auch bei Menschen gab es viele Todesfälle (Allan et al. 2009). In wenigen Jahren hat sich das Virus vermut lich mit in Amerika heimischen Zugvögeln über weite Teile Nordamerikas und bis in die Karibik ausgebreitet. Es gilt inzwischen als fest in Amerika etabliert und hat speziell auf Vogelgemeinschaften in anthropogen über formten Habitaten, in denen beispielsweise künstliche Bewässerung hohe Stechmückenpopulationen zur Fol ge hat, einen starken Einfluss auf die Vogelbestände. Usutu-Virus Das Usutu-Virus (USUV) ist wie das WNV ein durch Stechmücken übertragenes Flavivirus, als Wirte gelten Vögel verschiedener Arten. 1959 in Südafrika entdeckt und mittlerweile vielerorts in Afrika nachgewiesen (Nikolay et al. 2011) wurde das Virus außerhalb Afrikas zum ersten Mal 2001 in Österreich festgestellt, wo es in Wien in der Zeit zwischen Juli und September zu einer Epidemie mit hohen Mortalitätsraten in der dortigen Population der Amsel Turdus merula kam (Weissenböck et al. 2002). Wie das Virus nach Wien gelangte, lässt sich nicht eindeutig belegen, ein Eintrag auf Zugvögel kann jedoch nicht ausgeschlossen werden. Nachträglich konnte nachgewiesen werden, dass das Virus bereits im Jahr 2000 in Amseln in Wien vorkam, wenngleich aus diesem Jahr kein auffälliges Amselster ben bekannt geworden war. Eine Persistenz des Virus in überwinternden Stechmückenweibchen wird postu liert. Fast alle tot gefundenen Amseln aus Gebieten, in denen im Vorjahr ein Amselsterben stattgefunden hatte, wurden auch im Folgejahr positiv getestet. Auffällig ist, dass neben Amseln kaum andere Vogelarten betrof fen scheinen. Ab 2006 wurde das Virus auch in Zürich 3.2.9 Bairlein & Metzger festgestellt, wo es ebenfalls in Amseln, darüber hin aus jedoch auch in Haussperlingen Passer domesticus festgestellt wurde (Schweizer Zoonosebericht 2006 im BVET-Magazin3/2007), 2008 erstmals in Italien (Tamba et al. 2011, Calzolari et al. 2013) und 2011 auch in der Tschechischen Republik (Hubálek et al. 2014) . Eine umfassende Untersuchung an unterschied lichen Vogelarten in Großbritannien in den Jahren 2001–2002 ergab bei einigen Arten teilweise hohe Prävalenzen von Antikörpern, wenngleich die Suche nach dem Virus selbst negativ blieb (Buckley et al. 2003). Von in Deutschland zwischen 2000 und 2005 untersuchten 3400 Vögeln aus 87 Arten wurden in 8 Vögeln von drei Arten (Weißstorch, Fischadler, Gar tenrotschwanz Phoenicurus phoenicurus) Antikörper gegen USUV gefunden und zwar mit einer Gesamtprä valenz von 0,2% (Linke et al. 2007). USUV in Deutsch land wurde erstmals im August 2010 in Culex-Mücken nachgewiesen (Jöst et al. 2011), im Sommer 2011 kam es in SW-Deutschland erstmalig in Deutschland zu einem USUV-bedingten Vogelsterben (Jöst et al. 2011, Becker et al. 2012, Bosch et al. 2012). Auch für dieses Virus fällt die Prävalenz in den Vogelpopulationen in die Sommermonate. Es fällt auf, dass das Virus überwiegend auf Standvögel lethal wirkt. In den Epidemiegebieten tot gefundene Vögel anderer Arten wurden auf Usutu fast immer negativ getestet. Eine weitere Manifestation von USUV in Mitteleu ropa und eine Ausbreitung durch Zugvögel gilt jedoch gerade bei steigenden durchschnittlichen Sommertem peraturen als wahrscheinlich (Brugger & Rubel 2009, Vásquez et al. 2011). Wenngleich in Einzelfällen nach weislich auch Menschen an USUV erkrankten (Pecorari et al. 2009), kommt dem Virus aber offenbar keine große humanpathogene Relevanz zu. Aviäre Influenza (Vogelgrippe) Keine Zoonose rückte in den letzten Jahren weltweit stärker in das Interesse der Öffentlichkeit und wurde bezüglich ihres Gefahrenpotenzials und ihrer Ausbrei tungsmechanismen kontroverser diskutiert als die Avi äre Influenza (AI). Der Erreger ist ein Subtyp der Influ enza-A-Viren, von denen seit langem bekannt ist, dass sie ihr natürliches Reservoir als schwach pathogene Influenza-Stämme (LPAI) in Wildvögeln haben (Fiedler et al. 2005, Bahl et al. 2013, Barton et al. 2014). Die meisten Subtypen wurden in verschiedenen Was servogelarten nachgewiesen, in denen sie in der Regel asymptomatisch bleiben. Mehrere Untersuchungen in wilden Wasservogelgemeinschaften zeigten zum Teil hohe Antikörperprävalenzen gegen einen oder auch mehrere dieser Subtypen (bis 50%; De Marco et al. 2003). Über die Inkubationszeiten und die Pathogenität für die Vögel sowie über die Reservoire der einzelnen LPAI-Stämme ist nach wie vor wenig bekannt (Kalthoff et al. 2008, Breithaupt et al. 2010). Als gesichert gilt jedoch, dass in Geflügel-Inten sivhaltung die Vorraussetzungen gegeben sind, dass in die Haltung gelangte, primär schwach pathogene AIErreger zu hoch pathogenen Formen (HPAI) mutieren können (Fereidouni et al 2009). Auf Grund mangelnder hygienischer Bedingungen und der Verwendung von nicht sterilisierten Schlachtab fällen, Futterresten und Geflügelkot als Dünger in der Landwirtschaft oder als Futter in der Aquakultur kön nen diese HPAI-Erreger ins Freie gelangen, wo sie in der Lage sind, Wildvögel zu infizieren. Solche HPAIAusbruchsereignisse werden in der Regel dadurch er kannt, dass es zu erhöhter Mortalität bis zu Massen sterben bei bestimmten Wasservogelarten kommt. Da selbst während Ausbruchsgeschehen die Prävalenz des Virus in Wildvogelpopulationen offensichtlich sehr ge ring ist, sind die Infektiösität und die Inkubationszeit sowie die Pathogenität und Mortalität von HPAI auf bestimmte Vogelarten noch immer recht unzureichend geklärt. Auch über die Persistenz des Virus in einzel nen Vogelarten im Freiland ist wenig bekannt. Darüber hinaus ist unklar, wie lange ein Vogel Virus-Ausschei der bleibt und in wie weit er eventuell in der Lage ist, trotz einer Infektion mit HPAI auf dem Zug noch weite Strecken zurückzulegen. Mit Sicherheit wirken auf den Krankheitsverlauf neben der Artzugehörigkeit diverse Umweltparameter wie Dichte der Population und Nah rungsverfügbarkeit aber auch intrinsische Faktoren wie einerseits Immunstress oder andererseits eine Teilim munisierung auf Grund vorheriger Exposition zu LPAIStämmen. Immer wieder wurden und werden Zugvögel zur Erklärung für die Ausbreitung der HPAI herangezogen, kritisch betrachtet halten diese Erklärungsversuche in der Regel aber den Tatsachen nicht stand (Kilpatrick et al. 2006, Peterson et al. 2007, Weber & Stilianakis 2007, Globig et al. 2009, Tsan-Yuk Lam et al. 2011, Bahl et al. 2013). Die große Ausbreitungswelle nach Westen in 2005 und auch die im Hochsommer 2007 fielen nicht in eine Vogelzugperiode (Gauthier-Clerc et al. 2007). Wenngleich es beispielsweise Entenarten gibt, die von Sibirien nach Südosteuropa ziehen, voll zog sich die Ausbreitung von Ostasien nach Europa entlang wichtiger Handelsrouten, wie der transsibi rischen Eisenbahn, und nicht entlang etablierter Vo gelzugrouten (Gauthier-Clerc et al. 2007). Des Wei teren fällt auf, dass die Ausbruchsherde im Einzelnen meist räumlich eng umgrenzt bleiben. Wären ziehende Vögel an der Verschleppung beteiligt, sollte sich das Virus ausgehend von diesen Epizentren flächenartig 3. Aktuelle und potenzielle Gefahren für die Gesundheit ausbreiten. Es verschwand jedoch in der Regel nach wenigen Wochen wieder aus den lokalen Populationen. Von Bedeutung erscheint außerdem die Tatsache, dass beispielsweise in Südostasien Länder mit restriktiven Einfuhrbeschränkungen für Geflügel und –produkte bisher frei von HPAI Ausbrüchen blieben, selbst dann, wenn sie auf den Korridoren und Drehscheiben des asiatischen Vogelzugsystems liegen. Gleiches gilt auch für das Auftreten der Vogelgrippe in einzelnen afrika nischen Ländern, deren Nachbarländer und die meisten Länder auf den Zugrouten keine Epidemien verzeich neten. Nicht zuletzt sind die klinischen Symptome von mit HPAI infizierten Vögeln meist schwer, weshalb eine Verfrachtung des Virus über weite Strecken in einem für HPAI positiven Vogel als unwahrscheinlich angesehen werden kann. Auch für den angenommenen Transport des Virus in Folge einer durch einen Kälte einbruch ausgelösten Winterflucht von Höckerschwä nen vom Schwarzen Meer nach Sizilien fehlt jeglicher Beleg, dass ein kranker Vogel wirklich diese Strecke geflogen ist. Festzuhalten bleibt, dass die räumlichen wie zeit lichen Muster im Auftreten von HPAI in Populationen wilder Vögel viel besser durch den internationalen Handel mit Vögeln, Geflügel und Geflügelprodukten erklärbar sind, als mit Vogelzugmustern. Ob und in wiefern eine Klimaveränderung die Ausbreitung der HPAI begünstigt, ist kaum abschätzbar, wenngleich beispielsweise die Zunahme von extremen Wetterer eignissen bei Vögeln vermehrt physiologischen und damit auch Immunstress auslösen kann, was sie auch für AI-Viren anfälliger werden ließe. Allerdings redu ziert sich bei höheren Temperaturen und zunehmender Trockenheit die Überlebenswahrscheinlichkeit des Vi rus außerhalb des Körpers (Fiedler et al. 2005). Zudem dürften mildere Winter die Fälle reduzieren, in denen es auf Grund von anhaltenden Eislagen zu einer Ver dichtung von Wasservögeln an wenigen »Eislöchern« kommt, so wie dies im Februar 2006 auf Rügen der Fall war (Fiedler 2006). Für den Menschen besteht die Ge fahr einer Ansteckung mit starken Symptomen bis zur Todesfolge vor allem bei intensivem und unzureichend geschütztem Kontakt zu infiziertem Nutzgeflügel. Er krankungen nach Exposition mit infizierten Wildvö geln sind bisher nicht bekannt. Weitere Virosen Neben vielen weiteren auf Vögel als Wirte beschränkten Virosen, wie Newcastle-Krankheit und Vogelpocken, gibt es auch noch eine ganze Reihe zur Zeit recht sel tener viraler Zoonosen mit humanpathogener Relevanz, die ihre Reservoire in Zugvogelpopulationen haben. Zu diesen zählen z.B. das Sindbis- und das Bahig-Virus, sowie das Hämorrhagische Omsk- und Krim-Fieber. Sie alle besitzen theoretisch das Potential, sich im Zuge des Klimawandels aus ihren momentan räumlich be grenzten Endemiegebieten mit Zugvögeln auszubreiten. Das von der Zecke Hyalomma marginatum verbreitete Krim-Kongo Hämorrhagische Fieber (CCHF) ist hier für ein Beispiel. H. marginatum ist endemisch in Afri ka, im Mittleren Osten und in Südeuropa, hat diese Ze cke mittlerweile auch Deutschland erreicht (Metzger 2003, Stern 2005), höchstwahrscheinlich eingetragen von Vögeln auf dem Heimzug (Metzger 2003) (Abb. 3.2.9-2). In einer Pilotstudie, in der im Frühjahr 2009 durch ziehende Vögel zwischen der italiensichen Insel Vento tene und Norddeutschland untersucht wurden, fanden sich auf etwa 5% H. marginatum mit einer Dichte von durchschnittlich 1,9 Zecken je infiziertem Vogel (n = 2031), wobei aber ausschließlich Fernzieher befallen waren. Auf der Ostseeinsel Greifswalder Oie zeigte Abb. 3.2.9-2: BraunkehlchenWeibchen, gefangen und beringt am 9. Mai 2014 auf Comino, Malta, von dem insgesamt 82 Hyalomma marginatum Nymphen abgesammelt werden konnnten (Foto: B. Metzger). 3.2.9 Bairlein & Metzger sich eine Prävalenz von 4,9% mit einer mittleren Dichte von 3,7 Zecken je infiziertem Vogel (n = 123; Metzger & Bairlein, unveröff.). Bei einer geschätzten Zahl von 2,1 Milliarden Zugvögeln zwischen Europa und Afri ka (Hahn et al. 2009) kann der Import von Hyalomma durch Zugvögel ganz erheblich werden. Hyalomma ist bisher in Mitteluropa noch nicht etabliert, doch wur de in Süddeutschland bereits ein Adulttier gefunden (Kampen et al. 2007). Es ist also nicht unwahrschein lich, dass sich Hyalomma im Zuge des Klimawandels mit vor allem milderen Wintern in den wärmeren Regio nen Ost- und Süddeutschlands etabliert. Die derzeitige Nordgrenze der Verbreitung von Hyalomma in Osteur opa liegt bei etwa 50°N (Ergonul & Whitehouse 2007) und in Russland breitet sie sich derzeit nordwestwärts aus (Butenko & Karganova 2007). Auch steigt die An zahl von CCHF Infektionen in den Endemismusgebie ten, wie z.B. Türkei (Ylmaz et al. 2008). Hyalomma marginatum ist möglicherweise auch der Vektor für eine ganze Reihe weiterer Zoonosen, wie beispielsweise für das Sindbis-, das West-Nile- und das Bahig-Virus, sowie für das Hämorrhagisches Omskund Krim-Fieber (Hillyard 1996). Bakteriosen Borreliose Borrelien gehören innerhalb der Bakterien zu den Spi rochaeten. Als Wirte kommen viele landlebende Wirbel tiere in Frage, Vektoren sind in der Regel Schildzecken (Ixodidae). Unter dem Artnamen Borrelia burgdorferi senso latu sind eine Reihe Genospezies zusammenge fasst, die z.T. fast weltweit verbreitet sind. In Mitteleu ropa ist die Borreliose die mit Abstand häufigste von Vektoren übertragene Krankheit und erlebte seit 1980 einen dramatischen Anstieg (Randolph 2001). Dieser lässt sich vor allem durch eine Bestandszunahme der Vektoren erklären, die regional extrem hohe Präva lenzen von bis zu 50% aufweisen können (Rauter et al. 2002). Die gesundheitliche Gefahr für den Fehl wirt Menschen liegt in der Langzeitmanifestation der Erreger in den Gelenken, in Nervengewebe, Haut und Muskeln, wenn die Borreliose im akuten Stadium nicht erkannt und rechtzeitig mit Antibiotika behandelt wird. In den natürlichen Wirten scheint die Borreliose hinge gen weitgehend asymptomatisch zu verlaufen. Die Reservoire der Borrelien liegen vor allem in Kleinsäugerpopulationen, doch auch Vögel spielen eine Rolle (Tsao et al. 2004, Staszewski et al. 2008, Brinkerhoff et al. 2011), besonders solche Vogelarten, die überwiegend in Bodennähe nach Nahrung suchen und damit besonders häufig und stark von Ixodes-Ze cken parasitiert werden. Von B. burgdorferi s.l. ha ben sich mindestens zwei Genospezies auf Vögel als Wirte spezialsiert. Ein weltweiter Übertragungsweg mit transhemisphärischem Austausch von B. garinii findet sich beispielsweise zwischen der Seevogelzecke I. uriae und koloniebrütenden marinen Zugvogelarten (Olsen et al. 1995). Die Verbreitung eines einzigen Ri botyps (20047) von B. garinii über ganz Europa weist ebenfalls auf eine Verbreitung durch Vögel hin (Kurtenbach et al. 2002). In Schweden trugen 1,4% der von Zugvögeln abgelesenen Holzböcke (Ixodes ricinus) Borrelien (Comstedt et al. 2006). Ein Hinweis auf die große Bedeutung ziehender Vögel bei der Verbreitung bestimmter Borrelien-Genospezies ist der experimen telle Befund, dass latent mit Borrelien infizierte Rot drosseln Turdus iliacus bei Induktion von Zugunruhe verstärkt rezidive Borellien entwickelten, was bedeutet, dass diese Tiere gerade in Rastgebieten auf dem Zug die Erreger weitergeben und damit zu einer vermehrten Ausbreitung beitragen können (Gylfe et al. 2000). Eine weitere an Vögel assozierte Genospezies Borrelia valaisiana (Kurtenbach et al. 2002) besitzt eben falls potenziell humanpathogene Relevanz. Begünstigt werden die Transmissionszyklen durch hohe Wirtsdich ten für die Vektoren (z.B. Piesman 2002). Habitate mit geringer Biodiversität und hohen Individuendichten an Reservoir-Arten fördern die Zoonose zudem (Logiudice et al. 2003). Zudem dürften feuchtwarme Sommer und milde Winter die Vermehrung und Überlebens wahrscheinlichkeit der als Vektoren relevanten Zecken begünstigen (Gilbert 2010). Damit können Zugvögel vermehrt Reservoire und Transportsysteme auch für andere, von Zecken übertra gende Krankheiten werden, wie Frühsommer-Menin goenzephalitis, Erlichiose (Bjöersdorff et al. 2001) und möglicherweise besonders Rickettsiose (Mukherjee et al. 2014). Rickettsiosen kommen bevorzugt in milden Klimazonen, z.B. Mittelmeerraum oder Südafrika, vor. Krankheitsfälle nach Zeckenstich sind in Deutschland bisher nicht zweifelsfrei belegt. Deutschlandweit sind etwa 10% der Zecken mit humanpathogenen Rickett sien infiziert (http://www.jenagen.de/index.php/hu mandiagnostik/Borreliose/rickettsiose; 11. Mai 2014). Es ist davon auszugehen, dass die Gefahr von Rickett siosen bisher stark unterschätzt wird, und es wird ver mutet, dass Rickettsiose-Infektionen in Deutschland mit der Klimaerwärmung zunehmen werden. Botulismus Botulismus wird durch das Bakterium Clostridium botulinum verursacht, ist jedoch keine Zoonose im klas sischen Sinn (Westphal 1991). Der gegen Kälte, Hitze und Austrocknung extrem resistente Dauerstadien bil dende Erreger tritt ubiquitär auf, ist häufig in Kadavern 3. Aktuelle und potenzielle Gefahren für die Gesundheit zu finden und spielt unter anderem in der Lebensmit telhygiene eine Rolle. Das Bakterium produziert ein hoch wirksames, aus der Schönheitsindustrie unter dem Namen Botox bekanntes Toxin (Botulin), das nach star ker Vermehrung des Erregers in warmen, hypertrophen Gewässern zur Vergiftung und zum Massensterben von Wasservögeln führen kann. Ein vermehrtes Auftreten in Deutschland auf Grund wärmerer Sommer ist sehr wahrscheinlich. Ein Botulismus-Ausbruch in Süd schweden von 2000–2004, dem mehr als 10.000 See vögel zum Opfer fielen, wird auf wärmere Tempera turen zurückgeführt (Neimanis et al. 2007). Auf Grund der Omnipräsenz des Erregers spielt eine Verbreitung durch Zugvögel keine Rolle, bei Wasservögeln kann es aber insofern zu einer synergistischen Wirkung kom men, als mit hohen Botulinwerten konfrontierte Tiere immunologisch gestresst und dadurch ein leichteres Ziel für Zoonosen werden. Eine weitere, vor allem in der Geflügelhaltung häu fige Bakteriose, ist die Konjunktivitis (Mycoplasma gallisepticum), die sich in Nordamerika auch in wilden Hausgimpeln (Carpodacus mexicanus) etablieren und über den Zug dieser Art ausbreiten konnte (Fischer et al. 1997). Mit Hilfe eines einzigartigen Citizen-Sci ence-Projekts wurden die Ausbreitungsmechanismen und der Rückgang der Population detailliert untersucht, wodurch der Konjunktivitis beim Verständnis der Zo onoseausbreitung durch Vögel Modellcharakter zu kommt (Hosseini et al. 2006). Darüber hinaus spielen in der Vogelhaltung die Or nithose oder Psittacose, die selten auch den Menschen befallen kann, und die Vogel-Cholera eine Rolle. Für beide sind ziehende Vögel nach momentanem Kennt nisstand aus epidemiologischer Sicht aber unbedeu tend. von Blutprotozoen in nördlicher verbreiteten Wildvö geln, und Greiner et al. (1975) berichten von höheren Prävalenzen von Leucocytozoon im Gebirge und in borealen Habitaten. Dies wird mit dem dort häufigeren Vorkommen von Simuliiden erklärt. Bei spanischen Greifvögeln war die Prävalenz von Haematozoa in Waldarten höher als in Vögeln der offenen Landschaft (Tella et al. 1999). Im kontinentalen Bereich spielt also der Groß lebensraum eine wichtige Rolle im Vorkommen von Vektoren, die ihrerseits die Prävalenz von Parasiten bestimmen. Dies gilt auch für das Vorkommen von Parasiten auf Inseln. Auf Hawaii hat das unfreiwillige Einschleppen von gebietsfremden Malaria-Spezies in die autochthone Avifauna, die vormals keine Malaria kannte, dramatische Konsequenzen (Warner 1968). In vom Menschen eingeführten Vogelarten auf die Inseln gebracht, sprangen die Parasiten mittels vorhandener Vektoren in kurzer Zeit auf etliche heimische Arten über, die wegen fehlender Möglichkeit zur Ko-Adapta tion keinerlei Resistenzen aufwiesen und in vielen Fäl len extrem zurückgingen oder gar ausstarben (Warner 1968, Atkinson & Samuel 2010). Scheuerlein & Ricklefs (2004) fanden darüber hinaus einen Zusammenhang zwischen Körpergröße (Körpermasse) und Prävalenz von Blutprotozoen. Die Körpermasse erklärte allein 20% der Variation in der Parasitenprävalenz. Ursache dafür könnte sein, dass größere Vögel mehr CO2 abgeben, ein Anlockungs signal für dipteroide Vektoren. Auch könnten größere Vögel mehr Oberfläche für Vektorenbefall anbieten. Die prognostizierte Klimaerwärmung erhöht das Risiko von Vogelmalariaausbrüchen bei Wild- wie Hausgeflügel, wobei insbesondere Europa und Afrika betroffen sind (Garamszegi 2011). Protozoonosen Fazit und Ausblick Wenngleich unter den Protozoen wegen einer weitge henden Wirtsspezialisierung auf bestimmte Tiergruppen eine Übertragung vom Vogel auf den Menschen in der Regel nicht anzunehmen ist, kommt beispielsweise der Aviären Malaria im Verständnis der Ausbreitungs- und Etablierungsmechanismen von Zoonosen durch Zug vögel aus mehreren Gründen eine Schlüsselrolle zu. In diversen phylogenetischen Linien von Aviärer Malaria (Haemoproteus, Plasmodium) in Zugvögeln hat sich mehrfach unabhängig die Eigenschaft entwickelt, nicht nur während einer bestimmten Jahreszeit, sondern das ganze Jahr über in ihren Wirten infektiös zu sein, was ihnen eine gewaltige Ausweitung ihres Areals ermög lichte und damit einen evolutiven Vorteil verschaffte (Valkiunas 1997, Perez-Tris & Bensch 2005). Scheuerlein & Ricklefs (2004) fanden höhere Prävalenzen Die globale Klimaerwärmung wird erhebliche Auswir kungen auch auf die Vogelwelt haben. Dabei werden manche Arten negative Beeinträchtigungen erfahren, andere werden durch die geänderten ökologischen Be dingungen Vorteile haben. Für die gemäßigten Breiten ist zu erwarten, dass sich das Gefüge an Arten erheb lich verändert. Reduzierter Zugumfang, Zugwegver kürzungen, Veränderungen der Zugzeiten, vermehrtes Überwintern im Brutgebiet sowie die Einrichtung nä her am Brutgebiet liegender Winterquartiere sind gera de bei den weniger ausgeprägten Zugvögeln schon jetzt sichtbar. Der Klimawandel ist dabei nicht homogen in Raum und Zeit, sondern verschieden in verschiedenen Regionen und verschieden zwischen Brut-, Rast- und Überwinterungsgebieten, so dass eine große Heteroge nität erwartet werden darf. 3.2.9 Bairlein & Metzger Vögel, und hier insbesondere ziehende, sind prinzipiell in der Lage, Pathogene sehr schnell und weiträumig auszubreiten (Hosseini et al. 2006). Zum Teil können sie nicht nur die Erreger selbst, sondern auch die Vektoren über weite Distanzen verfrachten. Häufig erzeugt erst der Mensch durch Massentierhal tung hochpathogene Stämme (HPAI, Mycoplasma gallisepticum) oder führt unbewusst Pathogene, Vektoren oder Wirte in Regionen ein, in denen sie ursprünglich nicht vorkamen und deshalb keine Möglichkeit für eine gemeinsame Ko-Evolution hatten. Auf Grund klima tischer Veränderungen werden sich in den kommenden Jahren geographische Vorkommen und Wanderwege vieler Wirtsvogelarten weiter verändern, Vektoren und Pathogene werden ebenso mit Arealveränderungen re agieren, was insgesamt neue Kontaktzonen von poten ziellen Wirten und Zoonosen nach sich zieht. So ist die Ausbreitung von Erregern in bisher natürlicherweise pathogenarme Regionen (z.B. arktische Tundra) mög lich, mit möglicherweise fatalen Auswirkungen. Zugvögel könnten also in seltenen Ausnahmefäl len eine Rolle bei der Verbreitung humanpathogener Infektionskrankheiten spielen. Ihre wirkliche Rolle ist derzeit nicht bekannt und sehr spekulativ und sollte deshalb stärker untersucht werden. Ihre Rolle dürfte aber insgesamt gesehen recht gering sein, auch, weil viele tropische Zugvögel in trockenen Lebensräumen überwintern mit geringem Pathogenvorkommen. Als viel bedeutsamer für die rasche Verbreitung von Pa thogenen wird die Globalisierung gesehen (Smith et al. 2007), die ehemals regional vorkommende Pathogene heute in rasanter Geschwindigkeit weltweit verbreitet (vgl. Japanische Buschmücke Hulecoeteomyia japonica; Werner et al. 2012, oder Asiatische Tigermücke Stegomyia albopicta; Scholte & Schaffner 2007, Krüger 2008 (s. auch Kap. 3.2.4 - Krüger - in diesem Band), die sich dann in Folge des Klimawandels auch in Regi onen etablieren können, in denen sie bisher klimatisch bedingt nicht vorkamen (Caminade et al. 2012). Dank: Wir bedanken uns bei Wolfgang Fiedler und Ommo Hüppop für Kommentare zu Teilen einer früheren Version des Manuskripts. Literatur ALLAN, B. 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