Gary Shteyngart: Kleiner Versager - Belletristik

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Gary Shteyngart: Kleiner Versager - Belletristik
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Kleiner Versager
Gary Shteyngart
Originalausgabe erschienen 2014 unter dem Titel "Little Failure. A Memoir", deutsche Ausgabe erstmals erschienen 2015, 420 Seiten.ISBN: 3-498-06432-0.
Übersetzung ins Deutsche von Mayela Gerhardt.
In Kürze:
Igor, ein asthmatischer kleiner Junge, der mit seinen Eltern in Leningrad lebt, wächst mit Sehnsüchten auf:
nach Essen, nach Bestätigung, nach Wörtern. Als er fünf ist, schreibt er unter dem Einfluss seines
Lieblingsbuchs Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen - seinen ersten
Roman,Lenins wunderbare Wildgänse, und seine Großmutter gibt ihm für jede Seite eine Scheibe Käse.
Damit er weiter zu Kräften kommt und auch seine Höhenangst überwindet, bringt sein Vater im Wohnzimmer
eine Sprossenwand an, und trotz Schwindel und Schweißausbrüchen träumt Igor hoch droben, er werde
Kosmonaut. Zwei Jahre später, 1979, wandert die jüdische Familie nach Amerika aus, aber erst unterwegs
erfährt er mit Schrecken, wohin die Reise geht: Zum Feind.Und doch findet Igor, der sich nun Gary nennt, in
New York seine erste Spielkameradin überhaupt, ein Mädchen, dem ein Auge fehlt. Ich bin Einwanderer, und
sie hat nur ein Auge, also sind wir gleich.Diese Geschichte eines Jungen, der von seinen Eltern zärtlich kleiner
Versager genannt wird, weil man ihn zwar abgöttisch liebt, aber nicht so recht an sein Glück und seinen
Erfolg im Leben glaubt, ist ein an Menschenkenntnis und Emotionen beglückend reiches Buch voller Humor,
obwohl die Familie wegen Hitler und Stalin nicht viel zu lachen hat und Alltagsnöte sich auftürmen wie
Berge. Eine berührende und zugleich komische Kindheitsgeschichte: fesselnd, meisterhaft und da sie Gary
Shteyngarts eigene Geschichte ist auch wahr.
Das meint Belletristik-Couch.de:
"Kindheit: Eine Prägung fürs Leben"
von
Eltern, Familie, Wohnort, Umfeld, entscheidende Faktoren, die das Leben eines Menschen maßgeblich
prägen. Ob man als Einzelkind aufwächst und der Mittelpunkt der Familie ist oder ob man sich schon früh
zwischen vielen Geschwistern behaupten und um die elterliche Aufmerksamkeit kämpfen muss, wirkt sich
nicht selten auf das spätere Verhalten aus. Besonders schwierig wird es dann, wenn man als Kind in ein
fremdes Land, eine völlig andere Kultur eintaucht und mit einem Leben konfrontiert wird, das mit dem Leben
in der alten Heimat nur wenige Gemeinsamkeiten hat. Erziehungs-, Kleidungs- und Zukunftsvorstellungen der
Eltern können dann ziemlich unangenehm für das Kind werden und es zum Außenseiter machen, wenn es
immer wieder durch seine Andersartigkeit in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerät...
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Igor ist sieben, als er mit seinen Eltern von Leningrad zum "Feind" in die USA auswandert. Um nicht direkt
durch seinen Namen als Ausländer aufzufallen, bekommt er von seinen Eltern fortan den Namen Gary
verpasst, da sich dieser amerikanische Vorname noch am ehesten aus den Buchstaben seines eigenen Namens
umformen ließ. Schon bald merkt Gary, der von seinen Eltern aufgrund seiner ständig laufenden Nase
entweder "Rotznase" oder durch seine kränkliche Gestalt, sein starkes Asthma und die vielen Ängste, die er
mit sich trägt, "Kleiner Versager" genannt wird, dass das Leben in Amerika kein Zuckerschlecken ist. Mit
seinem russischen Pelzmantel, den abgetragenen Klamotten aus Kleidersäcken seiner Mitschüler und seinem
zunächst schlechten Englisch wird er zur Zielscheibe seiner Mitschüler, was sich auch nicht bessert, als er das
erste Schuljahr wiederholen muss. Auch zuhause läuft es nicht viel besser. Die Eltern leben ihre
Schwierigkeiten in Amerika in ständigen Streitereien aus, die anfangs durch Geldprobleme und die
Enttäuschungen über ihren Kleinen Versager verstärkt werden. Als Gary dann nicht die erwartete Juristen
Laufbahn einschlägt sondern Schriftsteller wird, ist die Begeisterung dementsprechend groß.
Gary Shteyngart wurde 1972 als Sohn jüdischer Eltern in Leningrad (St. Petersburg) geboren und emigrierte
im Alter von sieben Jahren in die USA. Er veröffentlichte die Romane Handbuch für den russischen
Debütanten, ausgezeichnet u.a. mit dem National Jewish Book Award for Fiction, Snack Daddys
abenteuerliche Reise und Super Sad True Love Story dieser dritte Roman wurde in mehr als vierzig Sprachen
übersetzt. Gary Shteyngart lebt in New York.
In seinem autobiografischen Roman erzählt Gary Shteyngart seine Geschichte. Beginnend mit seiner Geburt
berichtet er von seinem russischen Kleinkindleben in Leningrad, welches vor allem durch Atemnot,
unwirksame Behandlungen wie Schröpfen (der Schleim sollte so aus der Lunge gezogen werden) und seine
ersten schriftstellerischen Versuche unter den Augen seiner Großmutter, die ihn für seine Sätze mit
Käsewürfeln belohnte, geprägt waren. Als sein Vater die Ausreisegenehmigung bekam (die Sowjetunion
benötigte Getreide, welches sie im Austausch für Ingenieure erhielt), ging es über Österreich und Italien
schließlich nach New York, wo er von nun an die jüdische Schule besuchte. Voller Selbstironie und mit viel
Humor erzählt der Autor, wie es ihm dort ergeht, wie er von den anderen Schülern gesehen wird und wie sich
sein Leben zwischen russischer Tradition und amerikanischer Moderne gestaltet. Denn seine Eltern sind nicht
nur strenge Gegner des Fernsehers, sondern halten auch nichts von amerikanischem Essen, sodass es zuhause
weiterhin vor allem Buchweizen und Hüttenkäse mit Dosenpfirsichen gibt. Zum Glück gibt es da noch seine
Großmutter, die immerhin kulinarisch weiß, wie sie die Bedürfnisse ihres Enkels stillen kann:
"Bei Großmutter ist das Leben anders. Während ich mich wie ein Pascha auf dem Diwan aale,
werden mir eilig drei Hamburger mit Krautsalat, Senf und einem Furz Ketchup serviert. Mit
zitternden Händen schlinge ich sie hinunter, während Großmutters Kopf schildkrötenartig
hinter der Küchentür hervorlugt, die Augen von nervöser Unruhe geweitet. [...] Nach drei
Stunden Fernsehen und Essen bin ich augenscheinlich so amerikanisch wie alle anderen auch.
In der Küche bereitet meine Großmutter noch mehr Essen für die Enkelfütterung am
kommenden Tag vor, und ich frage mich, wie es möglich ist, dass ich sie so sehr liebe, bloß
weil sie mir gegeben hat, was alle anderen mir verweigert haben."
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Gary Shteyngart zeigt mit seinem Roman einmal mehr, dass er kein Kleiner Versager geblieben ist, wie seine
Eltern ihn liebevoll, aber dennoch prägend, immer betitelt haben. Der Autor versteht es, seine Worte mit
Gefühlen zu füllen, er nimmt sich selbst aufs Korn und macht auch vor seiner Familie keinen Halt, wobei
Respekt und Liebe jedoch nicht verloren gehen. Ein gelungener Roman!
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