Das politische Buch im Gespräch - Landeszentrale für politische
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Das politische Buch im Gespräch - Landeszentrale für politische
Das Zweites Halbjahr 2016 politische Buch im Gespräch Mit dem vorliegenden Programm setzt die Landeszentrale für politische Bildung Thüringen die erfolgreiche Reihe „Das politische Buch im Gespräch“ fort. Die vorgestellten Bücher und die von uns eingeladenen Autorinnen und Autoren widmen sich der Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur bzw. dem DDR-Alltag, der Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Diktatur und deren Folgen, dem politischen Widerstand, aber auch aktuellen gesellschaftlichen bzw. politischen Themen sowie zeitgeschichtlichen Jubiläen. Gemäß dem Selbstverständnis der Landeszentrale für politische Bildung repräsentieren die von uns eingeladenen Autorinnen und Autoren unterschiedliche politische Positionen. Mit unserer Lesereihe wollen wir Neuerscheinungen und Autorinnen sowie Autoren vorstellen und zum Dialog bzw. kontroversen Gespräch einladen. fb.me/LandeszentraleThueringen Ansprechpartner: Leiter: Franz-Josef Schlichting, 37 92 700 [email protected] Referat 1, stellvertretender Leiter: Peter Reif-Spirek, 37 92 710, [email protected] Referat 2: Antonio Peter, 37 92 720, [email protected] Referat 3: Ursula Nirsberger, 37 92 730, [email protected] Referat 4: Wieland Koch, 37 92 740, [email protected] Landeszentrale für politische Bildung Thüringen Regierungsstraße 73, 99084 Erfurt Telefon 0361-37 92 701 Fax 0361-37 92 702 www.lzt-thueringen.de Lars-Broder Keil / Sven Felix Kellerhoff Mord an der Mauer. Der Fall Peter Fechter 1962 gehen die Bilder von Peter Fechters Sterben an der Berliner Mauer um die Welt. Der 18-jährige Bauarbeiter hat einen Fluchtversuch gewagt – und wird von DDRGrenzposten niedergeschossen. Fast eine Stunde dauert es, bis sie den tödlich Verletzten bergen. Weil dieser Mord am helllichten Tag und mitten in Berlin stattfindet, gibt es viele Zeugen, zahlreiche Fotos und sogar bewegte Bilder. Gestützt auf bisher teilweise unveröffentlichte Akten und Ermittlungsergebnisse ebenso wie auf Interviews mit Verwandten und Augenzeugen erzählen Lars-Broder Keil und Sven Felix Kellerhoff in einer ersten zusammenfassenden Darstellung die dramatische Geschichte dieser gescheiterten Flucht. Sie erinnern an die die tödliche Alltäglichkeit der innerstädtischen Grenze, beschreiben das Gedenken an Peter Fechter sowie das Leid seiner Familie und analysieren ebenso die juristische Aufarbeitung dieses Verbrechens. Sven Felix Kellerhoff, geboren 1971 in Stuttgart, studierte Geschichte und Medienrecht. Seit 1997 ist er für die Axel Springer AG tätig, derzeit als Leitender Redakteur für Zeitgeschichte der Welt-Gruppe. Er ist Autor zahlreicher zeithistorischer Bücher. Veranstaltungen anlässlich des 55. Jahrestages des Mauerbaus. Donnerstag, 11. August 2016, 18:30 Uhr Ilmenau, Evang.-Luth. Gemeindehaus, Kirchplatz 1 Freitag, 12. August 2016, 18:00 Uhr Asbach-Sickenberg, Grenzmuseum Schifflersgrund, Platz der Wiedervereinigung 1 Weitere Informationen gibt das Leitungsreferat. 1 Daniel Bax Angst ums Abendland. Warum wir uns nicht vor Muslimen, sondern vor den Islamfeinden fürchten sollten „Haben Sie auch Angst vor dem Islam? Wenn ja, dann sind sie nicht alleine. Mehr als jeder Zweite in Deutschland empfindet den Islam als bedrohlich. Auch ich fürchte mich manchmal vor dem Islam. Zumindest vor dem Islam, der mir im Fernsehen und anderen Medien begegnet – dem Islam der Fanatiker, die Attentate gegen Andersdenkende begehen, oder dem barbarischen Islam der sektiererischen Bürgerkriegsmilizen, die sich Islamischer Staat oder Boko Haram nennen. Ich kenne viele Menschen, die selbst oder deren Eltern aus muslimischen Ländern stammen, und weiß, dass sie sich – egal, ob gläubig oder nicht – vor diesem Islam genauso fürchten wie ich“, schreibt Daniel Bax im Vorwort. Gehört der Islam zu Europa? Diese Frage erhitzt die Gemüter, aber die Debatte ist von viel Unwissen und Klischees geprägt. Kommt die Gewalt aus dem Koran? Braucht der Islam einen Martin Luther? Ist das Kopftuch ein Zeichen der Unterdrückung? Zeugen Moscheebauten von Eroberungswillen? Und müssen wir heute alle „Charlie“ sein, um unsere Werte zu verteidigen? Rechtspopulistische Parteien geben heute vor, sogenannte westliche Werte wie Aufklärung, Demokratie, Meinungsfreiheit und Frauenrechte zu verteidigen und haben damit in vielen europäischen Ländern beachtliche Erfolge erzielt. Aber nicht rationale Religionskritik, sondern das Ressentiment ist ihr Geschäft. Daniel Bax zeigt, wie eine übersteigerte Angst vor Muslimen die Grundlagen dessen zerstört, wofür Europa steht. Daniel Bax ist Redakteur bei der taz, die tageszeitung. Er ist in Freiburg und Berlin aufgewachsen und hat an der Freien Universität Berlin studiert – unter anderem Islamwissenschaften, bevor es in Mode kam. Er schreibt hauptsächlich über Einwanderung, Religion, Außenpolitik und Musik für die taz und andere Medien. Donnerstag, 1. September 2016, 19:00 Uhr Erfurt, Landeskirchenamt der Evangelischen Kirche, Großer Saal, Michaelisstr. 39 Weitere Informationen gibt Referat 1. 2 Çiğdem Akyol Erdoğan. Die Biografie Ob Flüchtlingskrise, Syrienkonflikt oder, eng damit verbunden, die Auseinandersetzung mit dem „Islamischen Staat“ – in jüngster Zeit steht die Türkei vermehrt im Mittelpunkt aktueller politischer Ereignisse. Und mit ihr der türkische Präsident Recep Tyyip Erdoğan, dessen rigider autoritärer Führungsstil nicht nur im Westen Besorgnis erweckt, der aber gerade in der europäischen Flüchtlingspolitik eine zunehmend zentrale Position einnimmt. Wer ist dieser Mann? Wo kommt er her? Welche Politik vertritt er? Ist er noch immer der Islamist, als der er seine politische Laufbahn angetreten hat? Oder der Reformer, der nahe daran war, den Jahrzehnte währenden Kurdenkonflikt zu lösen? Oder ein durchtriebener Machtpolitiker? Mit ihrem Buch legt Çiğdem Akyol die erste fundierte Erdoğan-Biografie in deutscher Sprache vor. Kenntnisreich und kritisch, dabei aber immer um Fairness bemüht, zeichnet Akyol den außergewöhnlichen Lebensweg eines Mannes nach, der aus dem Nichts der Istanbuler Elendsviertel gekommen ist, um an der Spitze des türkischen Staates anzukommen. Eines Politikers, dessen Stimme gerade in Teilen der türkischstämmigen Community in Deutschland von größtem Gewicht ist. Çiğdem Akyol, geboren 1978, studierte Osteuropakunde und Völkerrecht an der Universität in Köln und der Lomonossow-Universität in Moskau. Anschließend Ausbildung an der Berliner Journalisten-Schule. 2006 begann sie als Redakteurin bei der taz in Berlin, zunächst im Inlandressort, später Wechsel zu den Gesellschaftsseiten. Nach beruflichen Stationen im Nahen Osten, in Zentralafrika, China und Südostasien ging sie 2014 als Korrespondentin nach Istanbul. Sie schreibt u.a. für die APA, die NZZ, die WOZ, die taz, die Zeit online und die FAZ. Dienstag, 13. September 2016, 18.00 Uhr Erfurt, Europäisches Informationszentrum, Regierungsstraße 72 Weitere Informationen gibt das Leitungsreferat. 3 Minka Wolters Besonders NORMAL. Wie Inklusion gelebt werden kann Inklusion bedeutet, dass jeder Mensch – behindert oder nicht behindert – selbstbestimmt am gesellschaftlichen Leben teilhaben kann. Nur welche Strukturen müssen dafür geschaffen werden? Wie viel Kampf, Mut und Unterstützung gehören dazu? Wo muss der Einzelne umdenken? Dazu hat Minka Wolters viele Betroffene, Menschen aus ihrem Umfeld und Fachleute befragt. Sie alle erzählen von ihren Erfahrungen mit Inklusion im Kindergarten, in der Schule, an der Universität und am Arbeitsplatz. Von den täglichen Herausforderungen: mit Behörden, mit dem Partner und mit den Geschwistern. Es geht um Wut, um Verzweiflung und um die große Freude über winzige Erfolge. Ein einfühlsam geschriebenes Buch, das zahlreiche neue Impulse liefert – für ein vielfältiges gemeinsames Miteinander. Minka Wolters, Jahrgang 1976, in Frankfurt am Main geboren; studierte Komparatistik, Amerikanistik und Arbeitsrecht in Bonn; Stipendiatin der Zeitspiegel-Reportageschule. Tätigkeit als freie Journalistin. Minka Wolters lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Berlin. Donnerstag, 15. September 2016, 19.00 Uhr Weimar, Begegnungsstätte des Lebenshilfe-Werks Weimar/ Apolda „LebensArt am Palais“, Marktstraße 22 Weitere Informationen gibt Referat 3. 4 Frank Wilhelm RAF im Osten. Terroristen unter dem Schutz der Stasi 62 Tote. Hunderte Verletzte. 250 Millionen Euro Sachsachen. Das ist die Schreckensbilanz der Roten Armee Fraktion, die ab 1970 mit grausigen Attentaten die Schlagzeilen bestimmte. Dabei konnte sich die RAF der Unterstützung aus der DDR gewiss sein, wie das Buch „RAF im Osten“ zeigt. Die Dokumentation enthüllt den geheimen Deal zwischen Stasi und RAF. Zehn Aussteiger fanden Unterschlupf in Ostdeutschland. Die Stasi-RAF-Connection galt als größtes Staatsgeheimnis der DDR. Autor Frank Wilhelm, Journalist bei der Tageszeitung Nordkurier, hat unzählige Stasiakten gewälzt und eine Vielzahl von Originaldokumenten aufgespürt. Im Mittelpunkt der deutsch-deutschen Agentenstory stehen zwei in Neubrandenburg abgetauchte RAF-Terroristen. Die Geschichte von Silke Maier-Witt und Henning Beer liest sich wie ein Thriller, der höchst real war. Silke Maier-Witt lebte als „Angelika Gerlach“ einige Jahre in Erfurt. Frank Wilhelm, Jahren 1963, ist in Seelow an der Oder geboren und in Bochow (bei Werder) Neuhaus (Thüringen), Guinea (Afrika) und Potsdam aufgewachsen. Er studierte Pädagogik in Güstrow (1985 – 1990) und promoviere anschließend (1990 – 1993) mit einer Arbeit zur literarischen Satire in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und der frühen DDR. Seit 1993 arbeitet er als Redakteur beim Nordkurier. In mehreren Serien hat er im Nordkurier die DDR-Geschichte unter regionalen Aspekten beleuchtet, u.a. zum 17. Juni 1953, zu den Kommunalwahlen im Frühjahr 1989 sowie zur Wende 1989. Frank Wilhelm hat an der Herausgabe der beiden Bände „1945. Zwischen Krieg und Frieden. Erinnerungen aus Mecklenburg-Vorpommern und der Uckermark“ mitgewirkt, die bei mecklenbook.de erschienen sind. Donnerstag, 15. September 2016, 19.00 Uhr Erfurt, Begegnungsstätte Kleine Synagoge, An der Stadtmünze 4 Weitere Informationen gibt das Leitungsreferat. 5 Jens Mühling Schwarze Erde. Eine Reise durch die Ukraine Als Staat existiert die Ukraine erst seit 1991; was sie vorher war, ist unter ihren Bewohnern so umstritten wie unter ihren europäischen Nachbarn. Gerade diese Uneinigkeit ist es, die den gegenwärtigen politischen Konflikt ermöglicht, wenn nicht ausgelöst hat. Aber die Ukrainer lassen sich nicht aus der Geschichte verbannen, wie es Putin versucht. Schwarze Erde reduziert die Ukraine nicht auf den zufälligen Schauplatz einer geopolitischen Auseinandersetzung zwischen Russland und dem Westen. Stattdessen stellt Jens Mühling das Land selbst in den Mittelpunkt. Sein Buch ist die Beschreibung einer Reise, die durch die gesamte Ukraine führt: von den polnischen Grenzgebieten im äußersten Westen des Landes zu den Gebirgszügen der Karpaten, von der südlichen Schwarzmeerküste in die zentralukrainischen Steppengebiete, von den Ufern des Dnjepr stromaufwärts bis nach Kiew, aus der Reaktorsperrzone von Tschernobyl bis in die umkämpften Gebiete der östlichen Donbass-Region. Mühling macht die Hintergründe des Konflikts spürbar, besucht dafür Orte und begegnet Menschen, deren Schicksal prägnant für die historische und bis heute anhaltende Identitätssuche des Landes ist – und lässt so Geschichte lebendig werden. Jens Mühling, geboren 1976 in Siegen, arbeitete zwei Jahre lang für die «Moskauer Deutsche Zeitung», seit 2005 ist er Redakteur beim Berliner «Tagesspiegel». Seine Reportagen und Essays über Osteuropa wurden mehrfach ausgezeichnet und sein erstes Buch «Mein russisches Abenteuer» war in Großbritannien für den renommierten Dolman Travel Book Award nominiert. 19. September 2016, 19:00 Uhr, Stadtbibliothek Hermsdorf (Stadthaus), Am Alten Versuchsfeld 1 4. November 2016, 18:00 Uhr Bücherstube Zeulenroda, Markt 11 Weitere Informationen gibt Referat 4. 6 Wolfgang Benz Nach dem Untergang. Die ersten Zeugnisse der Shoah in Polen 1944 – 1947 Überlebende der Ghettos und Lager auf polnischem Boden fanden sich im Sommer 1944 in Lublin zur Zentralen Jüdischen Historischen Kommission zusammen. Sie begaben sich auf Spurensuche des Judenmords, sicherten Beweise für den Untergang der Ghettos in Warschau, Bialystok und Wilna, für die Vernichtung der jüdischen Stetl, das Geschehen in den Vernichtungslagern Belzec, Sobibór und Treblinka. In 39 Büchern und Broschüren dokumentierten die jüdischen Historiker die Berichte der Überlebenden in polnischer und jiddischer Sprache. Eine Auswahl von zwölf Texten wird jetzt zum ersten Mal in deutscher Sprache veröffentlicht. Die Berichte dieser Zeitzeugen der frühen Stunde sind einmalige Dokumente des Holocausts, ebenso authentisch wie ergreifend. Prof. Dr. Wolfgang Benz war von 1990 bis 2011 Leiter des renommierten Zentrums für Antisemitismusforschung (TU Berlin). Er ist Herausgeber des Jahrbuchs für Antisemitismusforschung und der Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Zahlreiche Veröffentlichungen zu den Themen Nationalsozialismus, Antisemitismus und vergleichender Vorurteilsforschung, u. a. „Was ist Antisemitismus?“ (2005); „Die Feinde aus dem Morgenland. Wie die Angst vor Muslimen unsere Demokratie gefährdet“ (2013); „Sinti und Roma. Die unerwünschte Minderheit. Über das Vorurteil Antiziganismus“ (2014). Dienstag, 20. September 2016, 19:00 Uhr Erfurt, Erinnerungsort Topf & Söhne, Sorbenweg 7 Weitere Informationen gibt Referat 1. 7 Uwe Krüger Mainstream. Warum wir den Medien nicht mehr trauen „Der Meinungskorridor war schon mal breiter. Es gibt eine erstaunliche Homogenität in deutschen Redaktionen, wenn sie Informationen gewichten und einordnen.“ Nicht nur Außenminister Frank-Walter Steinmeier wundert sich über den „Konformitätsdruck in den Köpfen von Journalisten“. Glaubt man einer Meinungsumfrage für ZEIT Online vom Dezember 2014, dann finden 47 Prozent der Deutschen, dass ihre Medien einseitig berichten. Viele haben inzwischen den Eindruck, dass sie überall dasselbe lesen. Uwe Krüger geht dem Mainstream-Effekt auf den Grund und zeigt, wie Lobbynetzwerke, vertrauliche Hintergrundkreise, die soziale Herkunft der Journalisten sowie die dramatisch verschlechterten Arbeitsbedingungen der Branche das Meinungsspektrum einengen. Uwe Krüger, geboren 1978 in Leipzig. Hier studierte er 1998 bis 2006 Diplom-Journalistik und Politikwissenschaft, unterbrochen von Studien- und Forschungsaufenthalten in der südrussischen Provinzhauptstadt Rostow am Don (DAAD-Stipendiat) und einem Volontariat bei der Leipziger Volkszeitung. Von 2007 bis 2010 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Praktische Journalismusforschung in Leipzig sowie Redakteur und Autor des Journalismus-Fachmagazins „Message“. Nach freiberuflicher Tätigkeit als Journalist, Sozialwissenschaftlicher und PR-Texter und nach abgeschlossener Promotion zum Thema „Netzwerke deutscher Journalismus-Eliten in Politik und Wirtschaft“ startete er im Oktober 2012 als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Journalistik. Mittwoch, 21. September 2016, 19:30 Uhr Gera, Stadt- und Regionalbibliothek, Puschkinplatz 7 Weitere Informationen gibt das Leitungsreferat. 8 Sabine Rennefanz Die Mutter meiner Mutter Als der Krieg zu Ende war, fing für die vierzehnjährige Anna der Kampf erst an. Ihre Mutter war lange tot, ihr Vater von den Russen verhaftet worden, ihre Heimat verloren. Als Flüchtling machte sie sich mit ihren kleinen Brüdern allein auf den Weg nach Westen und fand in Kosakenberg, einem Dorf in der sowjetischen Besatzungszone, Unterschlupf. Am Hof der Familie Wendler kann sie als Magd härteste körperliche Arbeit leisten. 1949 kehrt Friedrich Stein aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft nach Kosakenberg zurück. Das Deutschland, das er verlassen hat, gibt es nicht mehr: seine Familie ist tot, sein Anwesen von Flüchtlingen besetzt, das Dorf voller Sowjet-Propaganda. Ein gebrochener Mann, zwanzig Jahre älter als Anna. Anna macht die Traurigkeit in seinen Augen vom ersten Tag an Angst. Trotzdem muss sie Friedrich heiraten. Über die Umstände wissen die drei Töchter, die aus der Ehe hervorgehen werden, lange nichts. Sie wundern sich über ihre Mutter, die so anders als andere Mütter ist. Erst zwanzig Jahre nach dem Tod des Vaters kommt ein Geheimnis ans Licht … Sabine Rennefanz, 1974 in Beeskow geboren, studierte Politologie in Berlin und Hamburg. Sie arbeitet seit 1993 als Journalistin, seit 2001 als Redakteurin für die Berliner Zeitung, für die sie mehrere Jahre aus London schrieb. Für ihre journalistische Arbeit wurde sie mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Theodor-Wolff-Preis und dem Deutschen Reporterpreis. Ihr erstes Buch „Eisenkinder“ erschien 2013 und stand mehrere Wochen auf der SPIEGEL-Bestsellerliste. Freitag, 23. September 2016, 19:00 Uhr Bad Salzungen, Stadt- und Kreisbibliothek, Kurhausstraße 12 Weitere Informationen gibt Referat 3. 9 Ulli Blobel Sketsches of Spain. Über Künstler und anderes aus El Andaluz Vor nunmehr 80 Jahren begann der Spanische Bürgerkrieg, der mit einer Niederlage der Republik enden sollte. Unmittelbar nach dem Putsch – am 19. August 1936 - wurde der spanische Lyriker und Dramatiker Federico García Lorca von Handlangern des späteren Diktators Franco festgenommen und mit drei anderen Gefangenen nahe Granada erschossen. Der Mord an Garcia Lorca war ein Verbrechen, von dem sich das Spanien Francos nie ganz reinwaschen konnte. Er wurde zum Symbol der Kulturbarbarei, zu einem Schandmal in der Geschichte des spanischen Bürgerkrieges. Wir wollen mit dieser Veranstaltung an die Ermordung von Garcia Lorca und den Spanischen Bürgerkrieg erinnern. Garcia Lorca stammte wie Pablo Picasso und viele der bekanntesten Künstler Spaniens aus Andalusien. Pablo Picassos „Guernica“, entstanden als Reaktion auf die Zerstörung der gleichnamigen spanischen Stadt durch den Luftangriff der deutschen Legion Condor gehört bis heute zu den bedeutendsten Kunstwerken, die im Kampf gegen den Faschismus entstanden sind. Aber auch andere Künstler wie Manuel de Falla, Andres Segovia und Paco de Lucia kommen aus der Region. Ulli Blobel erzählt in Sketches of Spain über Künstler und Geschichten aus El Andaluz. Die Geschichten über Andalusien, die Geschichte an sich und was Miles Davis damit zu tun hat, sind weit gespannte Themen. Die Veranstaltung ist eingebettet in zwei Konzerte während der Jazzmeile Thüringen. Im Anschluss an die Buchvorstellung gibt es ein Konzert mit den bekannten Gitarristen Joe Sachse und Uwe Kropinski, die dabei über spanische Musik improvisieren. Ulli Blobel gründete 1973 mit Peter Jimi Metag die jazzwerkstatt Peitz, die 1982 vom SED-Regime verboten wurde. 1984 verließ er die DDR. Seit 2007 Neugründung der jazzwerkstatt mit vielen Berliner Jazzmusikern, Labelbetreiber und Organisator zahlreicher Reihen und Festivals, seit 2011 auch Leiter des wiedergegründeten Festivals in Peitz. Freitag, 23. September 2016, 20:00 Uhr Altenburg, ehem. Thüringer Hof, Gabelentzstraße 15 Sonnabend, 24. September 2016, 20:00 Uhr Jena, Rathaus, Rathausdiele, Plenarsaal, Markt 1 Weitere Informationen gibt Referat 1. 10 Gert Möbius Halt dich an deiner Liebe fest. Rio Reiser In diesem sehr persönlichen Buch beschreibt Gert Möbius das Leben seines Bruders, des Musikers und Exzentrikers Rio Reiser. Sichtbar werden eine überraschende Persönlichkeit mit all ihren Brüchen und Verzweiflungen und zugleich ein Panorama deutscher Musikund Politikgeschichte. Nie zuvor konnte man Rio Reiser so nah erleben, denn dieses Buch enthält neben zahlreichen persönlichen Dokumenten, aus denen Gert Möbius erstmals zitiert, auch Auszüge eines Tagebuches, das Rio Reiser in den Jahren 1972 bis 1974 führte, sowie zahlreiche bislang unveröffentlichte Fotos. Mit den Anarchohymnen »Keine Macht für Niemand« und »Macht kaputt, was euch kaputt macht« wurde die Band Ton Steine Scherben zum Sprachrohr der linken Szene, wo sich Alternative, Hausbesetzer und Wehrdienstverweigerer sammelten und neue Daseinskonzepte ausprobierten. Gert Möbius schildert in diesem Buch anhand von persönlichen Aufzeichnungen und Tagebüchern Rio Reisers die wilden Jahre, in denen die Welt auf den Kopf und wieder zurückgestellt wurde. Er zeigt aber auch die sensible und verletzliche Seite des Künstlers. Denn Rio Reiser litt an der Liebe und deren Vergehen und stürzte sich in immer neue erotische Abenteuer, deren Scheitern wir seine schönsten Liebeslieder verdanken. Gert Möbius, geboren 1943. Kaufmannslehre, Studium der Malerei, viele gemeinsame Theaterproduktionen mit seinen Brüdern Peter und Ralph (Rio Reiser), Hausbesetzer in Kreuzberg, Manager für Ton Steine Scherben, Drehbuchautor für Film-und Fernsehproduktionen (z. B. Polizeiruf 110), Mitbegründer des Berliner Tempodrom. Nach dem Tod von Rio Reiser baute er das „Rio Reiser Archiv“ auf. 25. September 2016, 19:00 Uhr, Stadt- und Kreisbibliothek Greiz, Kirchplatz 4 26. September 2016, 19:30 Uhr, Hildburghausen, Historisches Rathaus, Bürgersaal, Markt 25 Weitere Informationen gibt Referat 4. 11 Sineb El Masrar Emanzipation im Islam. Eine Abrechnung mit ihren Feinden Wie selbstbestimmt leben Muslimas heute in Deutschland? Mit welchen Herausforderungen und mit welchem Islamverständnis sind sie konfrontiert? Faktenreich und leidenschaftlich zeigt Sineb El Masrar: Furchtlose muslimische Mädchen und Frauen kämpfen mit großen Widerständen – und mit Feinden, die sich einer ganzen Generation manipulativ in den Weg stellen. Damit muss Schluss sein. „Habt endlich den Mut, eure Rechte für ein gleichberechtigtes Leben einzufordern“, ruft El Masrar ihren Glaubensschwestern und uns allen zu. Ohne Kompromisse – jetzt! Sineb El Masrar ist freie Autorin und Herausgeberin des multikulturellen Frauenmagazins Gazelle. 2006 wirkte sie in der Arbeitsgruppe „Medien und Integration“ im Bundeskanzleramt mit. Von 2010 bis 2013 engagierte sie sich zudem in der Deutschen Islam Konferenz. Bei Herder erschien zuletzt „Muslim Girls. Wer sie sind, wie sie leben.“ Mittwoch, 28. September 2016, 18:00 Uhr Erfurt, Haus Dacheröden, Anger 37 Donnerstag, 29. September 2016, 19:30 Uhr Rudolstadt, Stadtbibliothek, Schulplatz 13 Weitere Informationen gibt Referat 3. 12 Rasso Knoller Schweden. Ein Länderportrait Wann immer eine Rangliste der Guten erstellt wird, steht Schweden ganz oben: Wer nimmt die meisten Flüchtlinge auf? Wer hat die meisten weiblichen Parlamentsabgeordneten und war über 200 Jahre in keinen Krieg mehr verwickelt? Die Heimat von Pippi Langstrumpf und den roten Holzhäuschen sorgt weltweit für eine Art Kuschelfaktor. Krank sollte man hier allerdings nicht werden. Auf einen Arzttermin hat schon mancher so lange warten müssen, dass sich die Therapie erübrigt hat. Staatliche Überwachung ist in Schweden in weiten Bereichen normal und rechte Parteien gewinnen immer mehr Anhänger. Das Vorzeigeland Schweden ist ein Land voller Gegensätze – was seine Bewohner energisch bestreiten würden. Denn die hervorstechendste Eigenschaft der Schweden ist ihr unstillbares Bedürfnis nach Harmonie. Rasso Knoller, Jahrgang 1959, Studium der Politikwissenschaften und Skandinavistik u.a. in Stockholm, arbeitete mehrere Jahre beim Finnischen Rundfunk in Helsinki und als freier Journalist in Oslo, Übersetzer bei den Olympischen Winterspielen in Lillehammer, lebt als Sach- und Reisebuchautor in Berlin und betreibt zusammen mit Kollegen das Internetreisemagazin www.weltreisejournal.de, im Ch. Links Verlag erschienen von ihm die Länderporträts zu Finnland (2011), Norwegen (2013) und das Regionalportrait zu Nordeuropa (2014). Donnerstag, 6. Oktober 2016, 19:00 Uhr Sonneberg, Stadtbibliothek, Bahnhofsplatz 1 Freitag, 7. Oktober 2016, 19:30 Uhr Zella-Mehlis, Stadt- und Kreisbibliothek, Rathausstraße 4 Weitere Informationen gibt Referat 3. 13 Daniela Danz Lange Fluchten Auch wenn es auf den ersten Blick aussieht, als sei alles im Leben von Constantin, genannt Cons, in Ordnung, erweist es sich für ihn immer mehr als aussichtslos. Seitdem der ehemalige Zeitsoldat sich für drei Tage unerlaubt aus der Kaserne entfernt und wegen dieses Disziplinverstoßes den erhofften Kosovo-Einsatz verpasst hat, entgleitet ihm sein Leben. Vor zwei Jahren musste er deshalb schließlich den Dienst quittieren, nun lebt er mit seiner Frau und zwei Jungen auf einem Grundstück zusammen; aber das Wort „zusammen“ beschreibt es nicht ganz: Ein Haus hatten sie einmal bauen wollen, jetzt wohnen sie noch immer in provisorischen Containern in zwei Stockwerken, unten Cons, oben die Frau mit den Kindern. Unfähig, sich von der Fokussierung auf ein Ziel zu lösen, das es nicht mehr gibt, gleitet Cons aus alten Freundschaften und aus dem Leben seiner Familie in eine richtungslose, nächtelange Pirsch. Angelehnt an die Legende des römischen Feldherrn und Jägers Eustachius legt Daniela Danz ein radikales Buch über den Sog des Scheiterns und die vergebliche Tapferkeit eines Mannes, der sich noch einmal mit aller Macht der Fluchtlinie seines Lebens entgegenstemmt, bevor er in eine alptraumhafte Irrealität sich überschlagender Ereignisse gerät. Eine Abenteuergeschichte über die Abgründe des eigenen Ichs, eine moderne Legende – bildmächtig, geheimnisvoll, bezwingend. Daniela Danz wurde 1976 in Eisenach geboren und studierte Kunstgeschichte und Deutsche Literatur in Tübingen, Prag, Berlin und Halle, wo sie über Krankenhauskirchenbau promovierte. Sie arbeitet als Autorin und Leiterin des Schillerhauses in Rudolstadt, lehrt an der Universität Hildesheim und lebt mit ihrer Familie in Kranichfeld. 6. Oktober 2016, 19:30 Uhr, Literatur- und Kunstburg Ranis Weitere Informationen gibt Referat 4. 14 Markus Decker Was ich dir immer schon mal sagen wollte. Ost-West-Gespräche Markus Decker lässt Menschen aus Ost und West miteinander ins Gespräch kommen: unterschiedliche Milieus, unterschiedliche Altersgruppen, unterschiedliche Anschauungen. Herausgekommen sind temperamentvolle Schilderungen und Diskussionen über den aktuellen Stand der deutschen Einheit. Ob Axel Prahl und Andreas Dresen über Ost-West Klischees debattieren, die Musiker Rainald Grebe und Hans-Eckardt Wenzel sich über ihre Konzerterfahrungen vor und nach der Wende austauschen, Anke Domscheit-Berg und Gesine Schwan über Frauenrechte oder Reiner Haseloff und Winfried Kretschmann über die Solidarität in Ost und West philosophieren: Es geht immer um den bilanzierenden Blick und um die Lust am kontroversen Miteinander. Markus Decker, Jahrgang 1964, Studium der Politikwissenschaft, Soziologie und Romantik in Münster und Marburg; ab 1994 Redakteur in der Lutherstadt Wittenberg und Halle, seit 2001 Berliner Parlamentskorrespondent für die Mitteldeutsche Zeitung und den Kölner Stadtanzeiger, seit 2012 auch für die Berliner Zeitung und die Frankfurter Rundschau; 2006 erhielt Decker den Journalistenpreis Münsterland; 2014 erschien seine vielbeachtete Publikation „Zweite Heimat. Westdeutsche im Osten“; er lebt in Berlin. Dienstag, 11. Oktober 2016, 18:00 Uhr Gotha, Klub „Galletti“, Jüdenstraße 44 Weitere Informationen gibt Referat 3. 15 Renate Zöller Was ist eigentlich Heimat? Annäherung an ein Gefühl Immer mehr Menschen verlassen ihre Heimat: aus politischen Gründen, aus wirtschaftlicher Not, für die Arbeit oder für die Liebe. Ihre Hoffnungen und Erwartungen an das neue Zuhause tragen sie mit sich. Wie gestalten sich die Wege zwischen Verlust und Neuanfang? Was macht es mit Menschen, wenn sie ihre Heimat aufgeben müssen? Wenn die Sehnsucht das Ankommen überschattet? Wenn die Integration misslingt? Davon erzählen Heimatlose, Heimatsuchende und Heimatexperten in diesem Buch. Eine vielstimmige Annäherung an ein ambivalentes Gefühl, das heute mehr denn je von Bedeutung ist. Renate Zöller, 1971 geboren, Magisterstudium der Osteuropäischen Geschichte, Germanistik und Slawistik in Köln, St. Petersburg und Prag, lebte mehrere Jahre in Moskau und Prag, arbeitet als freie Journalistin u. a. für taz, Deutsch Perfekt, den Tschechischen Rundfunk und das tschechische Magazin Respekt, für ihre Arbeit über Heimat unterstützte sie das Wiener Institut für die Wissenschaften vom Menschen mit dem Milena Jesenská Stipendium. Mittwoch, 12. Oktober 2016, 19:00 Uhr Schmalkalden, Stadt- und Kreisbibliothek „Heinrich Heine“, Kirchhof 4 Weitere Informationen gibt Referat 3. 16 Oliver Nachtwey Die Abstiegsgesellschaft. Über das Aufbegehren in der regressiven Moderne Die Möglichkeit des sozialen Aufstiegs war eines der zentralen Versprechen der »alten« BRD – und tatsächlich wurde es meistens eingelöst: Aus dem Käfer wurde ein Audi, aus Facharbeiterkindern Akademiker. Mittlerweile ist der gesellschaftliche Fahrstuhl stecken geblieben: Uniabschlüsse bedeuten nicht mehr automatisch Status und Sicherheit, Arbeitnehmer bekommen immer weniger ab vom großen Kuchen. Oliver Nachtwey analysiert die Ursachen dieses Bruchs und befasst sich mit dem Konfliktpotenzial, das dadurch entsteht: Selbst wenn Deutschland bislang relativ glimpflich durch die Krise gekommen sein mag, könnten auch hierzulande bald soziale Auseinandersetzungen auf uns zukommen, die heute bereits die Gesellschaften Südeuropas erschüttern. Oliver Nachtwey, geboren 1975, ist Fellow am Frankfurter Institut für Sozialforschung. Er hat an den Universitäten Jena, Trier, Darmstadt und Frankfurt am Main zu Arbeit, Ungleichheit, Protest und Demokratie gelehrt und geforscht. Montag, 17. Oktober 2016, 18:00 Uhr Jena, Universität Jena, Carl-Zeiß-Str. 3, Seminarraum 274 Weitere Informationen gibt Referat 1. 17 Frank Bajohr /Andrea Löw (Hg.) Der Holocaust. Ergebnisse und neue Fragen der Forschung Zwar gab es schon bald nach 1945 erste Studien über den Nationalsozialismus. Doch blieb der Mord an den europäischen Juden lange ein Randthema in der Geschichtswissenschaft. Seit den 1990er Jahren jedoch ist die Frage, wie es zum Holocaust kommen konnte und wie er ins Werk gesetzt wurde, in zahlreichen Einzelaspekten behandelt worden. International renommierte Historikerinnen und Historiker führen hier die Ergebnisse dieser Forschung zusammen. Behandelt werden alle zentralen Themen: So geht es um die Frage, wie biographische Annäherungen an die Täter aussehen können, aber auch darum, wie verfolgte Juden auf die ungeheuerliche Situation reagierten. Es wird geschildert, wie sich der Holocaust in die Geschichte des Zweiten Weltkriegs vor allem in Osteuropa einfügt. Und es wird gezeigt, welche Rolle materielle Aspekte bei der Durchführung des Holocausts spielten. Ein Standardwerk, das umfassend und auf dem neuesten Stand der Forschung in die Geschichte des Holocausts einführt. PD Dr. Frank Bajohr ist Leiter des Zentrums für Holocaust-Studien am Institut für Zeitgeschichte in München. Veröffentlichungen u. a.: „Parvenüs und Profiteure. Korruption in der NS-Zeit“ (2001) und „‘Unser Hotel ist judenfrei‘. Bäder-Antisemitismus im 19. und 20. Jahrhundert“ (2003). Dr. Andrea Löw ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Zeitgeschichte, seit 2013 dort stellv. Leiterin des Zentrums für HolocaustStudien. 2006 erschien ihr Buch „Juden im Getto Litzmannstadt. Lebensbedingungen, Selbstwahrnehmung, Verhalten“, 2013 publizierte sie zusammen mit Markus Roth „Das Warschauer Getto. Alltag und Widerstand im Angesicht der Vernichtung“. Freitag, 21. Oktober 2016, 18:30 Uhr Erfurt, Erinnerungsort Topf & Söhne, Sorbenweg 7 Weitere Informationen gibt Referat 1. 18 Jürgen Goldstein Georg Forster. Zwischen Freiheit und Naturgewalt Georg Forster (1754–1794) war eine der faszinierendsten Gestalten seiner Zeit: glänzender Schriftsteller, Naturforscher, Entdecker, Zeichner, Übersetzer und entschiedener Revolutionär. Auf seiner Weltumsegelung mit James Cook berührte er Eisberge mit den eigenen Händen, lief den Strand von Tahiti entlang, besuchte fremde Völker, lebte unter »Menschenfressern« und überquerte Ozeane und den Äquator. Und er stand im Zentrum des politischen Geschehens, als er – inspiriert von der Französischen Revolution – 1793 die »Mainzer Republik« ausrief, die erste Republik auf deutschem Boden. Anschaulich und fesselnd portraitiert Jürgen Goldstein dieses Ausnahmeleben, in dem sich »Freiheit« und »Naturgewalt« berührten. Niemand ist auf vergleichbare Weise das erfahrungsgetriebene Experiment eingegangen, die Natur mit dem Politischen kurzzuschließen. Die Funken, die Forster aus seinen Leitvorstellungen schlug, erhellten für einen Weltaugenblick die Aussicht, es könne so etwas wie natürliche Revolutionen geben. Forsters naturwissenschaftliche Zeichnungen lagern zum Teil in der Forschungsbibliothek Gotha, die Veranstaltungsort und Kooperationspartner der Buchvorstellung ist. Goldsteins Buch erhielt 2015 den Gleim-Literaturpreis und wurde als bestes Sachbuch 2016 mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet. Jürgen Goldstein, geboren 1962, lehrt als Professor für Philosophie an der Universität Koblenz-Landau. Maßgeblich von Hans Blumenberg inspiriert, widmen sich seine Studien der Genese und dem Profil der Moderne. Seine Bücher befassen sich mit der Herausbildung der neuzeitlichen Subjektivität und Rationalität, der politischen Philosophie des 20. Jahrhunderts und der Geschichte der Naturwahrnehmung. 28. Oktober 2016, 18:15 Uhr, Gotha, Schloss Friedenstein, Spiegelsaal Weitere Informationen gibt Referat 4. 19 Gerhard Henkel Rettet das Dorf! Was jetzt zu tun ist Ein leidenschaftliches Plädoyer des deutschen »Dorfpapstes«. Die Hälfte der Deutschen lebt auf dem Land und viele Menschen träumen vom Landleben. Landlust boomt. Warum? Das Land steht als Keimzelle des Zusammenlebens auch für eine alternative Lebensform, für eine in Jahrhunderten gewachsene Gemeinschaftskultur. Aber es ist keine ungetrübte Idylle. Die Agonie des Dorfes ist an vielen Orten weit fortgeschritten, nicht nur in wirtschaftsschwachen Regionen. Muss man diese Entwicklung hinnehmen? Nicht, wenn es nach Gerhard Henkel geht. Dörfer und Landgemeinden sind seiner Ansicht nach wesentlicher Bestandteil der deutschen Kultur und Gesellschaft, haben eine Zukunft und auch einen Anspruch auf ordnungspolitische und staatliche Unterstützung statt der üblichen urbanen Arroganz in den Zentralen. Er appelliert jedoch nicht nur an die Entscheider, sondern auch an Lokalpolitiker und Dorfbewohner. Denn man kann ein Dorf nur retten und lebendig halten, wenn die Betroffenen vor Ort dies ernsthaft wollen. Prof. Dr. Gerhard Henkel ist Humangeograph. Seit 45 Jahren befasst er sich mit unterschiedlichen Themen der historischen und aktuellen Entwicklung des ländlichen Raumes. Begründer und Leiter des Bleiwäscher Kreises für Dorfentwicklung von 1978–2008. In den Medien vielfach als „Anwalt des Dorfes“ bezeichnet. Verfasser mehrerer Standardwerke zur Dorf- und Landentwicklung. Bisher u.a. über 300 Publikationen und 500 öffentliche Vorträge. Mittwoch, 2. November 2016, 19:00 Uhr Rhönblick, OT Helmershausen, Kulturhaus, Marktgasse 106 Weitere Informationen gibt Referat 3. 20 Martin Morgner Thüringen 1949 – 1989. Ein historischer Reiseführer. Der historische Führer folgt den Spuren, die 40 Jahre »Realsozialismus« in den drei ehemaligen Bezirken Erfurt, Gera und Suhl hinterlassen haben. Dabei fördert der Autor Erstaunliches zutage: zeittypische Bauten und spannende Biografien, erregende Ereignisse und poetische Hinterlassenschaften eines untergegangenen Gesellschaftssystems. Mit diesem Reiseführer können heutige Zeitgenossen aus nah und fern in Wort und Bild entdecken, was von vier Jahrzehnten DDR-Sozialismus in Thüringen geblieben ist. Unter dem Motto „Grünes Herz unter roten Fahnen“ wird der Autor sein Buch vorstellen, die Historikerin Katharina Kempken das Dargestellte aus ihrer Sicht kommentieren. Martin Morgner, geb. 1948 in Stollberg/Erzgeb., studierte Ökonomie in Berlin und Theaterwissenschaften in Leipzig; arbeitete als Puppenspieler, Regisseur und Journalist u.a. in Dessau, Gera und Berlin. Von 2005 an wissenschaftlicher Mitarbeiter, Ergänzungsstudium der Geschichte, Lehrauftrag und Promotion an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Mehrere Veröffentlichungen zur Zeitgeschichte. Katharina Kempken hat in Saarbrücken „Interkulturelle Kommunikation mit Schwerpunkt Frankreich“ studiert und anschließend den Masterstudiengang „Geschichte und Politik im 20. Jahrhundert“ an der FriedrichSchiller-Universität Jena absolviert. Zurzeit verantwortet sie die Bereiche Bildung sowie Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im Thüringer Archiv für Zeitgeschichte „Matthias Domaschk“ in Jena. 2. November, 19:30 Uhr, Camburg, Rathaussaal, Rathausgasse 1 8. November, 19:00 Uhr, Suhl, Stadtbücherei Suhl, Bahnhofstr. 10 Weitere Informationen gibt Referat 4. 21 Sergej Lochthofen Grau. Eine Lebensgesichte aus einem untergegangenen Land „Nichts war, nichts ist selbstverständlich. Dass ich im Gulag auf die Welt kam und doch eine behütete Kindheit hatte, dass ich von dort nach Deutschland kam und nicht irgendwohin in die Steppe, dass es der Osten war und nicht der Westen, Gotha und nicht Berlin, dass ich in eine russische und nicht die deutsche Schule ging, einen sowjetischen Pass und nicht einen Ausweis der DDR besaß. Nichts davon ist selbstverständlich. Vermutlich auch nicht, dass ich keine Heimat habe.“ Der Norden Russlands: Drei Jungen kämpfen in einem schadhaften Boot mitten im eisigen Fluss um ihr Leben. Es ist die Workuta, die einer ganzen Schreckensregion den Namen gibt. Jahrzehnte später steht einer von ihnen auf den Domstufen, dass seine Zeitungsredaktion sich gerade von der allmächtigen Partei unabhängig gemacht hat. Es ist die Geburtsstunde der ersten Reformzeitung in der DDR. Nun blickt Sergej Lochthofen zurück auf ein Leben als Deutscher unter Russen und als Russe unter Deutschen: erlebte Geschichte, spannend erzählt. Sergej Lochthofen, Jahrgang 1953, ist Journalist. Geboren als Sohn eines deutschen Emigranten und Gulag-Häftlings und der Tochter eines verbannten Revolutionskommissars in Workuta, siedelte er als Kind in die DDR über. Er studierte Kunst auf der Krim und Journalismus in Leipzig. Von 1990 bis Ende 2009 verantwortete er die Zeitung „Thüringer Allgemeine“. Das „Medium-Magazin“ wählte ihn zum „Chefredakteur des Jahres“ (Regionales). Fernsehzuschauer kennen ihn aus dem „ARD-Presseclub“ oder der „Phoenix-Runde“. Bei Rowohlt ist sein Buch „Schwarzes Eis. Der Lebensroman meines Vaters“ erschienen. Mittwoch, 9. November 2016, 15:00 Uhr Gera, Seniorenheim „Grüner Weg“, Berliner Straße 210 Weitere Informationen gibt das Leitungsreferat. 22 Michael Rauhut Ein Klang zwei Welten. Blues im geteilten Deutschland, 1945 – 1990 Der Blues wird gern auf eine Handvoll Klischees und zwölf Takte reduziert. Doch tatsächlich verbergen sich hinter der scheinbar standardisierten Klangoberfläche mannigfaltige Formen des kulturellen Gebrauchs. Anhand umfangreicher Archivrecherchen illustriert Michael Rauhuts Vergleich der Entwicklung des Blues in Ost- und Westdeutschland, wie soziale und politische Verhältnisse den Sinn von Musik formen. In der DDR stand der Blues im Zentrum der langlebigsten Jugendbewegung der DDR. Sie nannten sich Kunden und suchten Alternativen zum bürgerlichen Leben und der sozialistischen Propaganda. Diese Szene war insbesondere in Thüringen verankert. Die neue Studie zeigt: Wenn auch die Sounds weltweit gültigen Mustern folgen und kaum Unterschiede erkennen lassen, sind doch die Bedeutungszusammenhänge, in denen sich der Blues realisiert, durchaus verschieden. Die Studie bietet nicht nur ein geschichtliches Resümee des Blues, sondern leistet auch einen Beitrag zur Globalisierungsdebatte. Michael Rauhut (Dr. phil.), geb. 1963, Musikwissenschaftler, Rundfunkjournalist und Filmautor, gehörte zu den Gründungsmitgliedern des Forschungszentrums Populäre Musik der Humboldt-Universität zu Berlin. Seit 2008 lehrt er als Professor für Populäre Musik an der University of Agder in Kristiansand/Norwegen. Zahlreiche Veröffentlichungen zur DDR-Rockmusik und Autor des LZT-Bestsellers „Das KundenBuch. Blues in Thüringen“. Mittwoch, 9. November 2016, 19:00 Uhr Neustadt a. d. Orla, Stadtbibliothek, Gerberstraße 2 Donnerstag, 10. November 2016, 19:30 Uhr Weimar, mon ami, Saalcafé, Goetheplatz 11 Weitere Informationen gibt Referat 1. 23 Jens Schley Thüringen 1945. Januar bis Juni. Kriegsende und amerikanische Besatzung Im April 1945 endete in Thüringen der Zweite Weltkrieg. Es folgten knapp zwei Monate amerikanische Besatzung, bevor Anfang Juli sow jetische Truppen das Land übernahmen. Im Rückblick steht das Jahr 1945 zunächst für den Krieg auch in Thüringen mit all seinen Zerstörungen und der Gewalt eines untergehenden Regimes und den anschließend sehr unterschiedlichen Erfahrungen und Haltungen der Thüringer, die vom Empfinden einer Niederlage und des Zusammenbruchs bis hin zur Freude über Befreiung und Hoffnung auf einen Neuanfang reichen. Jens Schley, geb. 1971, ist Historiker und Journalist. Seit den Neunzigerjahren forscht und schreibt er zur Zeitgeschichte, hier besonders zur Geschichte der NS-Konzentrationslager, der NS-Zwangsarbeit und der Nachkriegsgeschichte. Dienstag, 15. November 2016, 18:00 Uhr Hildburghausen, Kreisvolkshochschule Joseph Meyer Obere Marktstraße 44 Weitere Informationen gibt Referat 2. 24 Toni Krahl Rocklegenden Mit einer Beatles-Platte fängt alles an. Als Dreizehnjähriger hört Toni Krahl sie. Die Musik packt ihn und lässt ihn nicht mehr los. Auch in der DDR ist der Siegeszug des »Yeah, yeah, yeah« nicht aufzuhalten, entstehen Gruppen, die nicht nur Hits covern, sondern mit eigenen Titeln ihre Fans begeistern. Als Frontmann von CITY spielt Toni bald in der ersten Riege - und kann Geschichten von unerhörten Freiheiten und absurden Grenzen erzählen, von unvergessenen Songs und Auftritten, von legendären Musikerkollegen und auch solchen, die im Westen »abhanden« kamen. Mit Verve präsentiert Toni Krahl in seiner Autobiografie Rockgeschichten aus dem Osten und wie sie sich seit nunmehr 25 Jahren fortschreiben. Toni Krahl, 1949 in Berlin geboren, mit seinen Eltern lebte er zeitweise in Moskau, besuchte dann in Berlin die Schule, die er verlassen musste, als er 1968 gegen den Einmarsch in Prag protestierte. Nach seiner Haftentlassung „Bewährung in der Produktion“ und als Musiker unterwegs, ab 1975 Sänger bei CITY, einer der erfolgreichsten Rockbands, die mit „Am Fenster“ den größten Hit des DDR-Rocks lieferten. Goldene Schallplatten in Griechenland und der Bundesrepublik. 1989 Mitini tiator der Resolution der Rockmusiker. 1990 Gründung der ersten unabhängigen DDR-Schallplattenfirma „K&P Musik“. Bis heute als charismatischer Frontmann von CITY auf großen Musikevents und Bandtourneen der Publikumsmagnet. Mittwoch, 16. November 2016, 19:00 Uhr Greiz, Vogtlandhalle Carolinenstraße 15 Weitere Informationen gibt Referat 2. 25 Kristina Vaillandt Die verratenen Mütter. Wie die Rentenpolitik Frauen in die Armut treibt Sieben Millionen Frauen aus den geburtenstarken Jahrgängen gehen in den nächsten Jahren in Rente. Zwei Drittel von ihnen werden nicht mehr als 600 Euro Rente bekommen und brauchen Unterstützung vom Sozialamt – obwohl sie gut ausgebildet sind und berufstätig waren. Kristina Vaillant beschreibt das Ausmaß dieses Skandals und nennt die Ursachen: eine Rentenpolitik, die die Unterschiede zwischen den Geschlechtern nicht verringert, sondern systematisch vergrößert. Dabei gibt es erfolgreiche Alternativen, wie Beispiele aus den Niederlanden, Großbritannien und Skandinavien zeigen. Dort wird die Lebensleistung von Frauen auch bei der Rentenberechnung gewürdigt. Kristina Vaillant, Jahrgang 1964, studierte Publizistik und Kunstgeschichte. Von 1999 bis 2005 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Deutschen Bundestag. Heute arbeitet sie als freie Journalistin in Berlin und schreibt über Themen aus Wissenschaft und Forschung. 2010 erschien ihr Reportageband „Ideen täglich. Wissenschaft in Berlin“. Donnerstag, 24. November 2016, 19:00 Uhr Heiligenstadt, Frauenbildungs- und Begegnungsstätte ko-ra-le e.V., Auf der Rinne 1a Weitere Informationen gibt Referat 3. 26 Maria Kurz-Adam Kinder auf der Flucht. Die Soziale Arbeit muss umdenken Kinder in den Schlangen von Geflüchteten vor den Grenzen, in den Zügen, in den Erstaufnahmelagern – das ferne Geschehen der Flucht ist spätestens seit dem Sommer 2015 in Deutschland angekommen. Wer verteidigt den Anspruch dieser Kinder auf Hilfe und Zukunft? Die professionelle Soziale Arbeit bleibt bisher häufig stumm und scheint dem Ausmaß der Flucht nicht gewachsen zu sein. Die Autorin plädiert für ein Umdenken in der Sozialen Arbeit, die sich auf ihre Traditionen engagierter Hilfe besinnen muss, um Kindern auf der Flucht zu ihrem Recht zu verhelfen. Dr. Maria Kurz-Adam ist Leiterin des Stadtjugendamtes München. Donnerstag, 24. November 2016, 18:00 Uhr Erfurt, Fachhochschule, Altonaer Str. 25 Weitere Informationen gibt Referat 1. 27 Siegfried Bräuer/Günter Vogler Thomas Müntzer. Neu Ordnung machen in der Welt. Eine Biographie Thomas Müntzer ist eine der umstrittensten Persönlichkeiten der deutschen Geschichte. Schon während seines kurzen Lebens als Verkörperung des Teufels angefeindet, prägten über Jahrhunderte Ablehnung und Legenden das Bild. War er nur ein hitzköpfiger Sozialrevolutionär, der die Endzeit angebrochen wähnte und darum mit geballter Faust für die Rechte des „kleinen Mannes“ kämpfte? Oder lassen sich Züge einer eigenständigen, neuen Theologie erkennen, mit der er auf der Krisenerscheinung in Kirche und Gesellschaft reagierte? Mit Siegfried Bräuer und Günter Vogler verfolgen erstmals ein Theologe und ein Historiker gemeinsam Leben und Wirken des Predigers, Seelsorgers und Mitstreiters im deutschen Bauernkrieg. Quellennah zeichnen sie seinen Weg nach und arbeiten die Wurzeln und Schwerpunkte seiner Theologie heraus. „Neu Ordnung machen in der Welt“ – dafür sah Müntzer die Stunde gekommen, und darum vertrat er eine radikale Alternative im reformatorischen Prozess. Günter Vogler, geboren 1933, Studium der Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin, anschließend wissenschaftlicher Assistent und Dozent am Institut für deutsche Geschichte; von 1969 bis 1996 Professor für deutsche Geschichte. Zahlreiche wissenschaftliche Aktivitäten an der City University of New York. Die brandenburgische und preußische Geschichte war ein früher Arbeitsschwerpunkt, dann folgten Forschungen zu unterschiedlichen Aspekten der Frühen Neuzeit. Vogler ist Autor und Herausgeber zahlreicher Publikationen über diese Epoche, darunter Überblicksdarstellungen zur deutschen und europäischen Geschichte, Untersuchungen zu Reformationen und Bauernkrieg sowie zur Täufergeschichte. Sein Interesse gilt weiterhin dem radikalen Reformator Thomas Müntzer sowie seiner Rezeption in Historiographie und Kunst. 1989 veröffentliche er eine vielbeachtete Biographie Müntzers. Als 2001 die Thomas Müntzer-Gesellschaft e.V. gegründet wurde, prägte er als Vorsitzender bis 2008 deren Arbeit. November 2016 (genauer Termin wird noch bekannt gegeben) Mühlhausen, Mühlhäuser Museen, Kristanplatz 7 Weitere Informationen gibt das Leitungsreferat. 28 Siegfried Suckut Volkes Stimmen. Privatbriefe an die DDR-Regierung Welche politischen Ansichten DDRBürger vertraten, wie sie zu den Machtträgern in ihrem Land standen, welche Sorgen und Probleme sie im Beruf und im Alltagsleben umtrieben, ist noch ein wenig erforschtes Gebiet. Gefestigte empirische Daten dazu sind rar. Umso bedeutender ist die hier vorliegende Auswahl aus einem ehemaligen Quellenbestand: Zu Wort melden sich entschiedene Gegner der SED-Politik ebenso wie besorgte Parteimitglieder, Arbeiter aus den Betrieben wie Privatleute, die Versorgungsengpässe und Ungerechtigkeiten schildern, Jugendliche und Rentner. All diesen Briefen gemeinsam ist, dass sie ihre Adressaten nicht erreichten. Schon beim geringsten Anflug von Kritik landeten sie bei der Hauptabteilung XX der Staatssicherheitsbehörde, die über die weitere „Bearbeitung“ entschied und sie zu den Akten nahm. Ebenso wurden Zuschriften an Medien und Politiker im Westen wie auch Briefe aus dem Westen regelmäßig abgefangen. Doch auf diese Weise blieben sie erhalten und bieten eine sozialhistorisch und alltagsgeschichtlich höchst aufschlussreiche Chronik der DDR-Entwicklung von den frühen Sechzigerjahren bis 1989. Siegfried Suckut, geb. 1945, ist promovierter Politikwissenschaftler und war von 1978 bis 1992 als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Arbeitsbereich Geschichte und Politik der DDR an der Universität Mannheim tätig, 1992 war er Mitbegründer der Abteilung Bildung und Forschung in der Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der DDR in Berlin, Fachbereichsleiter, stellvertretender Abteilungsleiter und von 1997 bis 2005 Leiter der Abteilung. Donnerstag, 8. Dezember 2016, 19:30 Uhr Sömmerda, Stadt- und Kreisbibliothek im Dreyse-Haus, Weißenseer Straße 15 Weitere Informationen gibt das Leitungsreferat. 29