Die Entführung des christdemokratischen Parteiführers Aldo Moro

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Die Entführung des christdemokratischen Parteiführers Aldo Moro
Quelle:
, 16.03.2013
Vor 35 Jahren
Die Entführung des christdemokratischen
Parteiführers Aldo Moro
Ein Kommando-Unternehmen der CIA und ihrer Gladio-Truppe in Italien
Am 16. März 1978 wurde der christdemokratische Parteivorsitzende Aldo Moro auf
der Fahrt in die Abgeordnetenkammer kurz nach 9 Uhr in der Via Fani überfallen und
entführt. Bei dem Angriff wurde sein fünfköpfiger Personenschutz liquidiert. Für das
Attentat waren die geheimdienstlich unterwanderten linksextremen »Roten
Brigaden« manipuliert worden.
Die »Brigate Rosse« entstanden Ende der 1960er Jahre als eine Organisation der
sogenannten »Neuen Linken« im Kampf gegen die faschistische Gefahr, führten in
der Tradition der Resistenza gegen den Hitler- und Mussolini-Faschismus, nach dem
Vorbild des Guerillakampfes in der Dritten Welt und besonders inspiriert vom
Befreiungskrieg in Vietnam den bewaffneten Kampf gegen das herrschende
kapitalistische System.
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Es war ein Protest gegen die Tolerierung der Wiedergründung der Mussolini-Partei in
Gestalt des Movimento Sociale Italiano (MSI) im Jahr 1946, deren Ehrenpräsident
Valerio Borghese, Kommodore der zur Partisanenbekämpfung eingesetzten
berüchtigten 10. Torpedobootflotille (Decima MAS) war. Im Februar 1949 wegen 800fachen Mordes als Kriegsverbrecher zu zwölf Jahren Haft verurteilt, kam er dank der
Protektion des damaligen USA-Geheimdienstes OSS umgehend frei.
Entscheidende
Triebkräfte
des
Linksradikalismus
waren
faschistische
Putschversuche 1964 und 1969/70, an deren Spitze zuletzt Borghese stand. Der
zuständige Ausschuß des Repräsentantenhauses der USA orientierte im Rahmen
der von der CIA inszenierten Spannungsstrategie schon 1968 alle Geheimdienste
auf die Nutzung des linksextremen Potentials. Zu dieser Zeit baute die CIA ihre
geheime NATO-Armee »Stay behind« auf, die in Italien vor allem aus früheren
Mussolini-Anhängern rekrutiert wurde und »Gladio« (Schwert) hieß.
Ziel der Entführung und 55 Tage später der Ermordung Moros war, das zwischen ihm
und PCI-Generalsekretär Enrico Berlinguer gegen die faschistische Gefahr
geschlossene Abkommen über eine Regierungszusammenarbeit, den sogenannten
»Compromesso storico«, zum Scheitern zu bringen. Moro war deswegen in den USA
einer regelrechten Mordhetze ausgesetzt, wurde als der »Allende Italiens« und
»gefährlicher als Castro« verketzert. Washington befürchtete, Moro, der für eine
Politik der Entspannung und den Abbau der Blockkonfrontation eintrat, könnte eine
»Finnlandisierung« Italiens herbeiführen, Moskau für eine Herauslösung Polens aus
dem Warschauer Pakt den Austritt Italiens aus der NATO anbieten.
Der damalige Außenminister Henry Kissinger forderte bereits 1975, die CIA habe in
Italien »Realitäten zu schaffen«, was ihr früherer Vizedirektor und Leiter ihres Center
of Strategic and International Studies, Ray Cline, in der »New York Times«
unverblümt so präzisierte, daß »die Situation in Italien durch die Geheimaktivitäten
der CIA gelöst werden wird«. Gemäß dieser Konzeption wurde das Komplott gegen
Moro inszeniert, in dem »Gladio« im Geflecht von NATO, CIA, der von ihr gebildeten
Putschloge P2 und den italienischen Partnerdiensten Regie führte. Während die
Rolle der P2 nach ihrer Aufdeckung schon 1981 ans Licht kam, wurde das
verfassungswidrige Treiben von »Gladio« erst nach den Enthüllungen 1991 bekannt.
Geheimdienstoberst beobachtete die Entführung
Zum Zeitpunkt der Entführung befand sich Colonnello Camillo Guglielmi vom
Militärischen Geheimdienst SISMI vor Ort und beobachtete, ob die Entführung
planmäßig ablief. Er leitete auf dem NATO-Stützpunkt Capo Marrargiu auf Sardinien
die Spezialausbildung von Agenten für Einsätze in den »Brigate Rosse«, die dann
Brigadisten für Kommandounternehmen zur Entführung und Ermordung von
Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Justiz anleiteten. Den Plan zur
geheimdienstlichen Steuerung der »Brigate Rosse« hatte der damalige SISMI-Chef,
General Vito Miceli, persönlich bestätigt.
Die Publizisten Antonio und Gianni Cipriano wiesen in ihrem Buch »Begrenzte
Souveränität. Geschichte der atlantischen Subversion in Italien« (Rom 1991) nach,
daß auf Marrargiu Tausende von »Gladiatoren« ausgebildet wurden, von denen viele
als Undercoveragenten in linksextreme Gruppen eingeschleust wurden, in denen sie
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zu Terrorakten anstachelten. Der langjährige Befehlshaber der »Gladio«-Division,
General Gerardo Serravalle, bestätigte vor der »Gladio«-Kommission des
Parlaments, daß der Schütze, der in der Via Fani das Begleitkommando Moros
liquidierte, ein solcher Spezialagent war.
Nach der Entführung von Aldo Moro lehnte die Regierung Verhandlungen mit den
Entführern, die bis dahin immer geführt wurden, ab und machte die Kommunistische
Partei (PCI) zur Komplizin der Politik, die den DC-Führer der Exekution durch die
geheimdienstlich gesteuerten »Brigate Rosse« auslieferte. In den 55 Tagen bis zur
Ermordung
Moros
wurden
die
Weichen
für
das
Scheitern
der
Regierungszusammenarbeit mit der PCI gestellt.
Sergio Flamigni, Mitglied der Moro-Kommission des Parlaments, hat in seinem Buch
»Das Spinnennetz« (Mailand 1993) nachgewiesen, daß »der tatsächliche Chef der
Brigate Rosse« ein CIA-Agent namens Corrado Simioni war. Nach der Ermordung
Moros wurde er an den vatikanischen Geheimdienst »Pro Deo« ausgeliehen und bei
der polnischen Untergrundgewerkschaft »Solidarnosc« eingesetzt. Nach
erfolgreichem Einsatz wurde der Top-Agent im November 1992 in Rom, begleitet von
dem führenden Pro-Deo-Mann Abbé Pierre, vom polnischen Papst Wojtyla in
Privataudienz empfangen.
2007 bestätigte der achtzigjährige Giovanni Galloni, zur Zeit der Ermordung Moros
dessen Stellvertreter als DC-Vorsitzender, die Infiltration der »Brigate Rosse«, von
denen fünf in mehr oder weniger verantwortlichen Positionen die Kulisse der
geheimdienstlichen Operation bildeten.
Gerhard Feldbauer
Gerhard Feldbauer schrieb u.a. die Kriminalerzählung »Die Recherchen des Kommissario
Pallotta. Warum Aldo Moro sterben mußte«. Erich Weinert-Bibliothek der DKP, Berlin 2011
(Kann gegen eine Spende von 2 Euro in der Redaktion der »Zeitung« bestellt werden).
Sonnabend 16. März 2013