PP 04/2015 - Stefan King, Color Grading

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PP 04/2015 - Stefan King, Color Grading
WWW.PROFESSIONAL-PRODUCTION.DE – D 7700 E ISSN 0932-0393
NR. 275 – PP 04-05/15 – 29. JAHRGANG
APRIL/MAI 2015 | 6,90 EURO
TECHNOLOGIE UND MEDIENREALISATION IN FILM UND VIDEO
Anwenderbericht
ARRI Alexa Mini
Workshop KLT
Objektive testen
Wim Wenders
Everything WBF
Grading-Workflow
Die Himmelsleiter
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PR ODUK TIONSBER ICHT
Von der Idee zum Look
Ende Februar lief in der ARD ein großer Fernseh-Zweiteiler, der in der Nachkriegszeit 1947 spielt:
»Die Himmelsleiter – Sehnsucht nach Morgen«. Colorist Stefan King beschreibt den hier genutzten GradingWorkflow, bei dem Regisseur Carlo Rola und Chef-Kameramann Nicolay Gutscher BVK
den angestrebten Film-Look bereits am Set sehen und darauf auch reagieren konnten.
Köln ist komplett zerstört. Der Tausend-Bomber-Angriff
hat die Stadt zu einem Trümmerfeld gemacht. Nichts
steht mehr. Für die Menschen bedeutet das Ende des
Krieges noch lange nicht das Ende des Überlebenskampfes. Im Gegenteil, der Winter 1946/47 ist der härteste des Jahrhunderts und die Zuteilung lautet: nur
drei Kohle-Briketts pro Tag. Schmuggeln, Stehlen,
Schwarzmarkt: »In schlechten Zeiten ist dies alles erlaubt« sagt Kardinal Frings. Wenn man es extrem verkürzt. Genauer: »Wir leben in Zeiten, da in der Not auch
der Einzelne das wird nehmen dürfen, was er zur
Erhaltung seines Lebens und seiner Gesundheit not-
wendig hat, wenn er es auf andere Weise, durch seine
Arbeit oder durch Bitten, nicht erlangen kann.« Das
klingt schon anders. »Fringsen« wird von nun an zur
Überlebensstrategie. Den Satz danach haben schon
damals nur wenige gekannt: Dass viel zu viel darüber
hinaus geklaut wurde, und man unrechtes Gut gefälligst zurückgeben solle. Sonst gäbe es keine Verzeihung bei Gott.
Der Karneval wird jedenfalls zur willkommenen
Ablenkung von der täglichen Not. Und die Menschen
geben nicht auf. Wie die dreifache Mutter Anna Roth
(Christiane Paul), verheiratet mit dem litauischen
Juden Adam Roth. Sie wartet auf seine Rückkehr, ohne
zu wissen, ob er noch lebt. Rund um sie gibt es anständige Menschen, aber auch unanständige haben
überlebt...
Die besondere Leidenschaft aller Beteiligten, die
dem Film seit Beginn der Vorproduktion zuteil wurde,
zog sich durch alle Bereiche der Produktion – sie spiegelt sich im ganzheitlichen Ergebnis wider. Besonders
hervorzuheben ist die hervorragende Arbeit von Jerome Latour, der für den gesamten Setbau verantwortlich zeichnete, sowie von VFX-Supervisor Thomas
Tannenberger, UPP Prag (http://www.upp.cz) und das
Kostümbild von Mirjam Muschel.
Stefan King beim Grading am DaVinci Resolve und
dem Dolby-Referenz-Monitor im Studio bei Ambient Recording Postproduktion in Berlin
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P RO DUKTIO NS BERICHT
Regisseur Carlo Rola und Chef-Kameramann
Nicolay Gutscher hatten sich für den TV-Zweiteiler
einen besonderen Filmlook gewünscht. Diesen wollte
Nicolay am Set live darstellen können, weil das die
Arbeit am Set positiv beeinflussen kann – z.B. bei der
Einrichtung der Szene. Die Überlegung war, wenn man
das bereits farbkorrigierte Bild auf dem Regiemonitor
sähe, hätten nicht allein Kameramann und Regisseur
eine sehr präzise Vorstellung, wie die Szene ausschauen wird, auch Oberbeleuchter Uli Klotz könnte z.B. sein
Licht im farbkorrigierten Zustand bewerten und ebenso optimieren. Dabei ist durchaus nicht ausgeschlossen, dass der Kameramann darauf wieder mit der
Gestaltung seines Bildes reagiert.
Die LUT als kreativer Weg
Der analoge Film lebt von seinem einzigartigen Charakter. Für mich sind das u.a. der Filmkontrast, die
Farbwelt und die Körnigkeit. Das Color Grading sollte
den analogen Filmcharakter authentisch widerspiegeln
und den Zuschauer in die Zeit von 1947 zurückführen.
Wir hatten uns das Ziel gesetzt, mit modernen Gestaltungsmöglichkeiten einen Look zu kreieren, welcher
der analogen Welt am nächsten kommt.
Durch die frühe Entwicklung des Looks am Set
sollte ich im Final Grading mehr Gestaltungsmöglichkeiten haben, die Musterphase würde stark aufgewertet, denn im Offline-Schnitt wären bereits im Look bestimmte Bilder verfügbar.
Während eines Drehtests in Prag spielten wir den
Workflow durch und erprobten ihn für die Drehphase.
In enger Zusammenarbeit mit Nicolay, Carlo und Oberbeleuchter Uli Klotz erstellten wir eine 3D-LUT für
DaVinci Resolve sowie eine XML-Look-Datei für die
Alexa. Diese wird direkt in die Kamera geladen und
dient dazu, dem Kameramann und dem Regisseur
einen Eindruck von der Farbigkeit und den Helligkeiten
der Szene zu ermöglichen. Die Bildausgabe wurde auf
den Kamera- sowie auf den Regiemonitor geroutet und
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DIE HIMME L S L E IT E R
ließ sich gegen das unbehandelte Log C (oder
Rec.709) vergleichen. Dazwischen stand als Schnittstelle ein mobiler DaVinci Resolve und ein PomfortLiveGrade-System, mit dem wir die Bilder aus der
Kamera in Echtzeit in Farbe und Helligkeit bestimmten.
Somit konnten wir Optimierungen an der Look-Datei
vornehmen und erneut testen.
Nach dem Kostümtest in Prag war ich während
der gesamten Drehzeit bei Ambient Recording in Berlin, um technische Angelegenheiten für den Workflow
zu klären und Gradingtests zu machen. Ich stand allerdings im intensiven Austausch mit Nicolay. Die entsprechende Look-Datei für die Alexa wurde für jede
Einstellung auf die Filmklappe geschrieben. So hatten
wir eine Relation zu der DaVinci LUT. Muster-Coloristin
Christine Hiam konnte so die entsprechende LUT für
die Szene anwenden.
Im zweiten Schritt erstellten wir eine 3D-LUT für
DaVinci Resolve, um das Log-C-Material zu behandeln.
Mit den optimierten Aufnahmen generierten wir dann
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Thomas Bader, Nicolay Gutscher, Henning Baum © Bavaria / Stephanie Kulbach
im DaVinci Resolve die eigentliche Farbwelt mit Hilfe
von Vignettierungen, HSL-Keys und Trackings. Wir hatten eine abgestimmte LUT für den Primary Grade, LUTVariationen je Setlocation von Innen und Außen, Tag
und Nacht – und damit eine solide Basis für die spätere Mustererstellung. Mit diesem Setup wurde über
die gesamte Drehzeit in Prag erfolgreich gearbeitet.
Final Grading
Das Color Grading und die Endfertigung fand in den
Räumen von Ambient Recording in Berlin statt. Zur
Verfügung stand uns ein Dolby-Referenzmonitor
PRM-4200 und ein großes DaVinci-Resolve-GradingPanel, was uns die Arbeit um einiges erleichterte. Hier
benutzten wir die 3D LUTs, die wir zuvor während des
Tests in Prag erstellt hatten. Sie bildeten unsere Basis,
wodurch die Einstellung schon sehr nah am »Final«
war. Wir haben anschließend noch nuanciert mit
Vignettierung und natürlich mit Secondary Gradings
Christiane Paul, Axel Prahl, Nicolay Gutscher
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Nicolay Gutscher, Luis Vorbach
gearbeitet, also Bildbereiche separat angefasst und
verändert bzw. optimiert. Die 3D LUT liefert die Farbwelt und die Kontraste, mit Vignetten kann man die
Aufmerksamkeit zusätzlich auf bestimmte Bildbereiche lenken. Manche wurden auch etwas geschärft,
andere ein wenig unscharf gemacht. Die PictureLocked-Timeline wurde aus dem AVID zu DaVinci
Resolve conformt. Alle Schnitte, Blenden und Videospuren lagen an. Wir konnten also direkt anfangen, den
Look umzusetzen.
Filmkorn
Neben der Farbwelt und dem Kontrast war das Filmkorn der wichtigste Faktor für einen authentischen
Filmlook. Die Alexa lieferte erstaunliche Bilder, ganz
besonders in dunklen Szenen. Jedoch empfanden wir
die Bilder für dieses Projekt immer noch zu klar und
aufgeräumt. Wir hatten zwar die Farbwelt definiert, die
technische Komponente jedoch fehlte noch. Ein dezen-
© Bavaria Fernsehproduktion
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© Bavaria Fernsehproduktion
tes Filmgrain würde helfen, das Material etwas aufzubrechen und organischer zeichnen zu lassen.
So probierten wir bereits während der Musterphase mehrere Korn-Varianten aus – für 16mm, Super
16mm, 35mm und auch unterschiedliches Filmmaterial, von Fuji, Kodak, etc. Wir empfanden das 35mmKodak-Korn als das homogenste. Um es ins Bild zu
bringen, haben wir ein Plugin für DaVinci Resolve in
Kombination mit 35mm-Grain-Plates verwendet – in
4K abgetastete Quicktime-Clips mit der präzisen
Struktur des echten Filmkorns. Dann haben wir für
jede Einstellung entschieden, wie stark wir dieses wirken lassen. Im Fernsehen soll das Korn ja die starke
Komprimierung nicht stören und zu Artefakten führen,
aber auch selbst nicht zu aufdringlich sein.
Ich habe dabei ziemlich viel ausprobiert, Nicolay
Gutscher kam schon frühzeitig immer wieder dazu, sodass wir Regisseur Carlo Rola eine klare Auswahl präsentieren konnten. Zusammen entschieden wir dann,
was für den Film am besten funktioniert. Bewertet
Nicolay Gutscher, Carlo Rola, Uli Klotz
© Bavaria / Stephanie Kulbach
haben wir das Filmkorn auf dem Dolby Monitor und
zuletzt auf der großen Leinwand im Kino.
Der Workflow ist in Deutschland zwar nicht unbekannt, allerdings recht unüblich. Er erfordert viel Zeit
im Vorfeld und eine enge Absprache mit dem Coloristen schon während der Vorproduktion. Der Kameramann arbeitet hier sehr eng mit dem Coloristen
zusammen, was im Rahmen von TV-Produktionen in
Deutschland nicht immer der Fall ist. Wir haben den
Workflow dann für unsere Bedürfnisse optimiert.
Natürlich arbeiteten wir auch budgetorientiert. In der
Bavaria war man sich jedoch über den Mehrwert im
Klaren und hat den kompletten Prozess sehr unterstützt. Ich war praktisch vom Anfang an im Boot, bis
zum Final Delivery. Im Rahmen einer TV-Produktion ist
das sogar sehr selten in Deutschland.
Wir hatten also eine Alexa-Look-Datei zur Stilisierung der Farb- und Helligkeitswerte on Set, individuelle 3D-LUTs für DaVinci Resolve als Basis für das
Pre- und Final Grading, sowie Beispiele von unterschiedlichen Looks auf Basis der 3D-LUTs als Richtwert. Diese entstanden allerdings alle auf Basis von
digitalen LogC-Aufnahmen – schließlich wurde der
Film ja auf der Alexa gedreht. Wenn man aber den Charakter von Film emulieren möchte, muss es auch nach
einem echten analogen Stock aussehen. Ich benötige
eine Film-Emulation, die Farbton und Sättigung des
gesamten Farbspektrums gemäß des Filmmaterials
abgleicht. Wir haben deshalb auf unserem Final Grade
einen dezenten Anteil einer 3D-LUT für den Kodak
Vision 3 250D 5207 hinzuaddiert und bekamen damit
den Bildeindruck, den wir gesucht hatten.
Auslieferung als DCP
Für die beiden Teile von »Himmelsleiter« plante die
ARD/Degeto eine große Filmpremiere im ResidenzTheater in Köln, für die ein verschlüsseltes DCP erstellt
werden sollte. Diese Aufgabe übernahm Detlev Fichtner von Ambient Recording in Berlin, der eigens für
diese Anforderung kurzfristig ein lokales Kino in der
Nähe des Studios einmessen ließ. Die Idee war schon
während der Produktion entstanden – man wollte das
großartige Ergebnis auch auf der großen Leinwand
präsentieren. Wenn man mit dem Dolby-Referenzmonitor arbeitet, hat man zwar die Qualität, aber der
Eindruck des großen Bildes ist doch ein anderer! Detlev hat einen professionellen Techniker von Dolby bestellt, um die Einmessung im Kino vorzunehmen. Dazu
wurde extra eine neue Lampe für den Projektor gekauft,
die auch in Zukunft nur für die Qualitätskontrollen von
Ambient Recording verwendet wird – mit dem Kino ist
dadurch eine intensive Kooperation entstanden.
So konnten wir vor der Premiere in Köln das DCP
mehrmals im Kino prüfen und haben sogar Änderungen vorgenommen. Damit der Bildeindruck, auf einem
im Verhältnis kleinen Monitor, der großen Leinwand
etwas näher kommt, haben wir z.B. dezente Anpassungen bei den Vignettierungen gemacht.
Dieses Bild befindet sich zum Vergleich auf der PPHomepage im Artikel in drei Versionen: mit Standard-LUT, mit Custom-LUT und mit Custom-LUT
mit Filmgrain.
Fernsehen und Kino arbeiten auch mit unterschiedlichen Farbräumen. Wenn man ein Bild für das
TV erstellt, sieht es auf der Leinwand anders aus.
Diese Korrekturen konnten wir frühzeitig in Angriff
nehmen. Wir haben praktisch ein Master für die Leinwand erstellt, nur für die Filmpremiere. Das finale DCP
wurde anschließend inkl. KDM an das Premierenkino
ausgeliefert.
Die Himmelsleiter ist übrigens eine über lange
Strecken schnurgerade, steile Straße, die mit Steigungen von bis zu zehn Prozent den Automassen trotzt.
Auch wenn es zwischen Monschau und Roetgen sogar
rund drei Kilometer durch Belgien geht, gibt es von der
Himmelsleiter, wie die Bundesstraße 258 auch genannt wird, keinen Anschluss an das belgische
Verkehrsnetz. Nach dem Zweiten Weltkrieg schleppten
dort Schmuggler, auch viele Kinderbanden, mit den
abenteuerlichsten Gefährten Ware nach Deutschland.
So erfolgreich, dass wegen der hohen Steuerausfälle
ein regelrechter Krieg zwischen Zöllnern und
Schmugglern ausbrach, mit massenhaften Inhaftierungen.
W PP
Drehort ........................................................Prag und Umgebung
Produktion .....................Bavaria Fernsehproduktion, MIA Film (CZ)
Auftraggeber.............................................................ARD Degeto
Redaktion .......................................Sascha Schwingel, Birgit Titze
Produzenten ..............Doris Zander, Michal Pokorny, Zbynek Pippal
Producerin ..............................................................Elnas Isrusch
Produktionsleitung ........................................................Petr Bilek
Herstellungsleitung ......Kirsten Frehse, Sandra Moll, Gilbert Möhler
Aufnahmeleitung .........................................Denisa Weisbauerová
Produktionssupervisor ................................................Udo Happel
Filmgeschäftsführung........................Petra Hartinger, Jiri Tichácek
Drehbuch ...............Peter Zingler, Christian Schnalke (Bearbeitung)
Regie ..........................................................................Carlo Rola
Kamera ......................................................Nicolay Gutscher BVK
Beleuchtung ...................................................................Uli Klotz
Ton .........................................................................Miroslav Pibil
Musik ...........................................................Christian Brandauer
Schnitt ....................................................Friederike von Normann
Szenenbild ............................................................Jerome Latour
Kostümbild .........................................................Mirjam Muschel
Maske ......................................................Jeanette Latzelsberger
Casting .............................................................Anna-Lena Slater
Kindercasting D .......................................................Rietz Casting
Casting CZ ...........................................................Mirka Hyžíková
Darsteller ....................Christiane Paul, Axel Prahl, Henning Baum,
............Lucas Prisor, Sarah Horvath, Ernst Stötzner, Teresa Harder,
............Muriel Wimmer, Lucas Reiber, Lucas Reiber, Sina Tkotsch,
.....................................Sina Tkotsch, Luis Vorbach, Petr Šimcák,
..............Jürgen Schornagel, Ilse Strambowski, Thomas Bestvater,
........................................Adam Vacula, Nicolai Kinski, Jiri Roskot
www.himmelsleiter-film.de
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