Totem Forest Signature Testbericht LP2013 - High

Transcription

Totem Forest Signature Testbericht LP2013 - High
60 Test
Standbox Totem Acoustic Forest Signature
Magische
Beziehungen
Ein Totem ist ein Objekt, zu dem ein Mensch oder
eine Gruppe von Menschen eine besondere, ja magische Beziehung pflegt. Passt irgendwie, denn die
meisten Audiophilen dürften eine ganz besondere
Beziehung zu ihrer HiFi Anlage pflegen. Und dass
einem der Musikgenuss über eine gute Anlage magische Momente bereiten kann, wird auch kein engagierter Musikhörer bestreiten. Ob das aber letztendlich der Grund ist, warum Vince Bruzzese seine 1987
in Montreal, Kanada gegründete Lautsprecherfirma
„Totem Acoustic“ genannt hat?
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Standbox
Die Anschlussklemmen sind
mit „CE-Stöpseln“ versehen,
schlichte Drahtbrücken verbinden
Tief- und Mittelhochtoneingang
V
ince fühlt sich bei der Entwicklung
seiner Lautsprecher in besonderer
Weise der Musik verpflichtet und beschreitet zum Erreichen seines Klangideals meist
eigene, unorthodoxe Wege. So betrachtet
er Frequenzweichen als notwendiges Übel
und beschränkt sich hier auf das Notwendigste. Irgendwelche unerwünschten
Macken seiner Lautsprecher mithilfe der
Frequenzweiche aufzufangen ist sein Ding
nicht. Dahinter steht der Gedanke, dass ein
Chassis das Musiksignal möglichst unmittelbar in Schall umsetzen sollte und dass
jedes vorgeschaltete Filter das Chassis nur
bremst. Gleiches gilt auch für Dämmmaterial im Lautsprechergehäuse, dass er so
sparsam wie irgend möglich einsetzt. Damit ist klar, dass Lebendigkeit und Dynamik ganz vorne im Pflichtenheft von Totem Lautsprechern stehen.
Dafür ist Bruzzese gerne bereit, in anderen Bereichen Kompromisse einzugehen.
Lehrbuchmäßige Messwerte darf man bei
einem Totem-Lautsprecher nicht erwarten.
Dafür aber einen ganz vorzüglichen Klang,
wovon wir uns schon mehrfach überzeugen konnten. Zuletzt anhand der kleinen
Dreamcatcher, die wir in der Ausgabe
6/2012 der LP vorgestellt haben. Diesmal
geht es nicht um eine zierliche Kompaktbox, sondern um einen Standlautsprecher,
allerdings einen der eher schlanken Sorte.
Die neue „Signature“-Version des seit 17
Jahren gebauten und immer wieder behutsam modellgepflegten Modells „Forest“ hat
den Weg in unsere Redaktion gefunden.
Die Forest Signature ist eine gut 90 Zen-
timeter hohe, schlanke, rechteckige Säule,
die auf drei Alu-Füßen steht. Der mittig
angeordnete vordere Fuß beherbergt einen Spike. Dadurch, dass sich der Spike in
seinem Gewinde mehr oder weniger weit
eindrehen lässt, kann man die Neigung der
Lautsprecher variieren. Sie sollte so eingestellt werden, dass die Hochtöner auf die
Ohren zielen. So gleicht Totem elegant die
geringe Bauhöhe der Forest aus. In den hinteren Füßen befinden sich Aussparungen,
in denen je eine kleine Gummikugel steckt.
Ansonsten empfiehlt Totem die Forest für
kleinere bis mittlere Räume. Sie darf gerne
etwas näher an der Wand stehen – so ab 1,5
bis maximal 0,5 Meter. Als idealen Hörabstand empfiehlt Totem 2 bis 3 Meter.
Bei der Forest Signature handelt es sich um
eine Zweiwege-Bassreflexbox. Was auf den
ersten Blick wie eine recht edel gemachte,
aber letztendlich wenig aufregende Box
aussieht, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als das genaue Gegenteil. Das
fängt bei den Treibern an. Der 6,5-ZollTiefmitteltöner mit 3-Zoll-Unterhangschwingspule hat während der 17-jährigen
Evolutionsgeschichte der Forest diverse
Modifikationen erfahren. Er wurde nach
Vorgaben von Totem von einem kanadischen Chassishersteller entwickelt. Auch
die Alu/Titan-Hochtonkalotte ist alles andere als Stangenware. Natürlich werden
alle Chassis streng selektiert. Nach Angaben von Totem erfüllen nur zehn Prozent
der gelieferten Treiber die strengen Anforderungen, die sie für den Einbau in die
Forest qualifizieren. Das Gehäuse arbeitet nach dem
Bassreflex-Prinzip.
Allerdings setzt
man bei Totem
Test 61
Mitspieler
Plattenspieler:
· Transrotor Zet 1 mit SME 5012
und Transrotor Merlo Reference
Phonovorstufe:
· Pure Sound P10, Übertrager T10
Vorverstärker:
· Rogue Audio 99
Endstufe:
· Rogue Audio Stereo 90
Vollverstärker:
· Symphonic Line RG14
· Krell S-550i
Zubehör:
· Netzsynthesizer PS Audio P10
· NF-Kabel von van den Hul
und Transparent
· Phonokabel Transparent
· Lautsprecherkabel von Transparent
· Plattenwaschmaschine von Clearau
Gegenspieler
Lautsprecher:
· Audio Physic Avantera
· Klang+Ton Nada
Der Tiefmitteltöner wird eigens für Totem
bei einem kanadischen Zulieferer gefertigt
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Standbox Totem Acoustic Forest Signature
Lisa Bassenge - Wolke 8
62 Test
Gemessenes
Messtechnik-Kommentar
Gespieltes
Lisa Bassenge
Wolke 8
Al Di Meola
Silent World
Tom Waits
Bas As Me
So
hat sich bisher kein Lautsprecher von Totem bei uns gemessen. Der Frequenzgang verläuft bis auf die Resonanz der
Hochtöners glatt, das Klirrverhalten ist mustergültig und auch das Ausschwingverhalten
zeigt nur eine kleine
bei 700
Hz. Aufgrund ihres recht geringen Wirkungsgrades und der Tatsache, dass der Impedanzverlauf nicht linearisiert ist, sollte man bei der
Verwendung eines Röhrenverstärkers ausprobieren, ob die Kombination passt.
Beethoven/Solti
Symphonie No. 3/Eroi
nicht auf die gängige Abstimmung nach
Thiele/Small, sondern hat eigene Formeln
und Tabellen zur Gehäuseberechnung entwickelt. Bei der Forest kommt ein spezielles Doppelkammersystem zum Einsatz.
Aus diesem Grund sitzen auf
der Rückseite der Totem zwei
Bassrefle
nungen.
Die
beiden Rohre sind übrigens
aus Alu gedreht und schwarz
anodisiert – so viel nur zur
Detailversessenheit der Kanadier.
Das Gehäuse selbst enthält
wenig Dämmmaterial. Dafür ist es sorgfältig versteift
und bis ins Detail optimiert.
Das geht so weit, dass selbst
die Einflüsse der Innenbeschichtung aus Borsilikat
im Zusammenhang mit
dem außen auf das Furnier (wahlweise Mahagoni
oder Kirsche) aufgetragenen
Hochglanz-Polyersterlack
auf das Resonanzverhalten
des Gehäuses berücksichtigt
wurde.
Die Neigung der schlichten,
aber formschönen Box ist
über die Füße verstellbar
gut versteiftes Gehäuse
Die beiden Treiber werden von einer Frequenzweiche zweiter Ordnung bei 2500 Hz
getrennt. Die Bestückung Frequenzeiche
liest sich wie ein „Who is who“ der Premium-Hersteller des Weltmarkes. Auch hier
setzt Vincent Bruzzese auf eine selbst entwickelte Filtertopologie. Das Bi-WiringTerminal auf der Rückseite besteht aus vier
Totem Aciustic
Forest Signature
· Paarpreis
· Vertrieb
· Telefon
· Internet
· G a r a nt i e
·BxHxT
CHF 8‘000.High End Company,
Fra uenf eld, CH
+41 71 9118690
www.highendcompany.ch
3 Ja hre
197 x 913 x 293 mm
Unterm Strich …
» Ob es nun Magie ist oder ob Vincent Bruzzese
irgendetwas verdammt richtig macht: Unabhängig von ihrer Baugröße gehören die Totem
Forest Signature zu den musikalischsten Lautsprechern, die mir je zu Ohren gekommen sind. Für alle, die in normal
großen Hörräumen hören und auf
Discopegel verzichten können, eine
unbedingte Empfehlung!
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Beim Hochtöner
handelt es sich um eine
Metallkalotte mit sehr
„gesittetem“ Klang
WBT- Klemmen. Die sind für europäische Verhältnisse sehr dicht beieinander angeordnet, kommen aber damit der amerikanischen Praxis, fertig konfektionierte,
zweipolige Stecker zum Anschluss der Lautsprecher zu verwenden, entgegen.
Im Messlabor erlebten wir die ersten Überraschungen mit der Totem Forest Signature. Zum einen kann man die von Totem angegebenen 30 Hz untere Grenzfrequenz nachvollziehen, sofern man die Grenze mit -10 dB bezogen auf den Durchschnittspegel ansetzt. Das ist durchaus zulässig wenn man berücksichtigt, dass die
Lautsprecher ja in einem Raum, und nicht unter Freifeldbedingungnen eingesetzt
werden. Zum anderen ist sie die Totem mit den saubersten Messwerten, die wir bisher im Messraum hatten. Der Frequenzschrieb zeigt neben der beeindruckenden
Basstauglichkeit als einzig weitere erwähnenswerte Auffälligkeit noch eine Resonanz der Metallkalotte. Die liegt aber bei rund 30.000 Hz und damit außerhalb des
bewusst wahrnehmbaren Bereichs. Bis auf eine kleine Störung bei 700 Hz zeigt das
Wasserfalldiagramm ein schnelles Ausschwingen.
Die nächste Überraschung folgte dann im Hörraum, wo die optisch eher unscheinbaren Lautsprecher mit einer ungeheuren Souveränität und Spielfreude loslegten.
Ihre zierliche, optisch eher unauffällige Erscheinung machten sie sofort vergessen. So wenig, wie man den Totem messtechnisch auf die Schliche kommt, kann
man ihre Qualitäten an den üblichen Hörkriterien messen. Tiefe saubere Bässe
– ja! Tendenziell eher auf der etwas runderen als der pulvertrockenen Seite, dafür aber mit ordentlich Substanz. Ausdrucksstarke, fein aufgelöste Mitten? Sicher!
Ein spritziger Hochtonbereich, der sich trotzdem jeder Härte oder Schärfe enthält?
Nahe am Ideal! Grob wie feindynamische Qualitäten? Kein Anlass zur Kritik! Präzise Klangfarben, Details in Hülle und Fülle? Alles da, alles auf sehr hohem Niveau.
Eine sehr plastische, wunderbar authentische Räumlichkeit ... Muss ich weitermachen? Und trotzdem ist das alles keine wirkliche Erklärung dafür, warum die
Totems so für die Musik begeistern, die man gerade hört. Kleine Jazz-Besetzugen,
etwa das Lisa Bassenge Trio, reproduzieren die Forest Signature dynamisch, stellen
die Stimme klar in den Raum, machen alles richtig. Aber noch viel entscheidender
ist, dass einfach der Funke überspringt. Man spürt die Leidenschaft der Sängerin,
den Spaß der Musiker am Interagieren. Auch großes Orchester bringen die Totem
mit livehaftiger Größe und Energie rüber, dass man sich schwer entziehen kann. Ja,
was die „formalen“ Qualitäten betrifft, gibt es sicher auch andere Lautsprecher, die
mit den Totem Forest Signature mithalten können. Wenn es aber um die Aspekte
von Musik geht, die man nicht so objektiv fassen kann, dann sind die kanadischen
Lautsprecher ziemlich einmalig.
Martin Mertens
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