Totem Testbericht Dreamcatcher CH - High

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Totem Testbericht Dreamcatcher CH - High
38 Test
Lautsprecher Totem Acoustic Dreamcatcher
1,44 Sonnenmassen
Rote Riesen sind Sterne einer gewissen Größe kurz vor dem Ende ihrer
Existenz. Unter bestimmten Bedingungen stoßen sie irgendwann die sie
umgebende Gashülle ab und übrig bleibt ein interessantes kosmisches
Gebilde: ein weißer Zwerg. Um einen solchen geht’s hier – wenn auch in
weniger kosmischen Dimensionen
Nr_6-2012
Laut s precher
D
as mit dem weißen Zwerg im All funktioniert dann, wenn der Rest des roten
Riesen nach dem Abstoßen seiner Hülle
weniger als das 1,44-Fache unserer Sonne
wiegt. Wenn der Rest deutlich schwerer
wird, dann entstehen noch spektakulärere
Gebilde als weiße Zwerge. Genug der Astrophysik, hier geht’s um Lautsprecher. Auf
unser mit dem schönen Namen „Dreamcatcher“ geschmückte Testexemplar des kanadischen Herstellers Totem Acoustic passt
das mit dem weißen Zwerg ausgezeichnet.
Die niedliche kleine „Schachtel“ ist keine
30 Zentimeter hoch und die einzig lieferbare Lackversion ist – weiß. Wer mehr auf
ein Furnierkleid steht: Zur Auswahl stehen
Esche schwarz, Mahagoni und Kirsche. Das
Pärchen kostet Fr. 990.-, die Kirsche-Version derer 1‘990.-.
Das ist ob der Preisregionen, in denen wir
uns hier üblicherweise tummeln, relativ zivilisiert, beim ersten Blick aufs Produkt allerdings ambitioniert; Lautsprecher, die auf
Anhieb deutlich mehr hermachen, gibt’s andernorts für einen Bruchteil dieses Preises.
Ich warne jedoch ausdrücklich vor zu
schneller „Aburteilung“ der Konstruktion.
In dem Böxchen steckt weit mehr Grips, als
rt. Das wundert
der erste Anschein
beim Hintergrund der Konstruktion kaum:
Der kanadische Hersteller Totem Acoustic
baut bereits seit 25 Jahren Lautsprecher,
wagte jedoch erst in jüngerer Vergangenheit den Schritt nach Europa. Dass die Idee
letztlich eine gute war, bewies vor einiger
Zeit bei und bereits das Totem-Spitzenmodell „Element Metal“: eine furios spielende
große Standbox auf Basis von jeder Menge
Lautsprecher-Hochtechnologie.
Die „Dreamcatcher“ bedient deutlich geerdetere Interessen: Die Box verdrängt gerade
mal 6,7 Liter Wohnzimmerluft. Wir haben
es mit einem klassischen Zweiwegesystem
zu tun, bei dem ein vier Zoll durchmessender Tiefmitteltöner unter Zuhilfenahme eines rückwärtigen Bassrefl exrohres für
tiefe und mittlere Frequenzen zuständig ist,
eine 25-mm-Metallkalotte bedient das obere Ende des Spektrums. Auf der Rückseite
gibt’s ein großzügig dimensioniertes BiWiring-Terminal, bei dem man, so man mit
Bananensteckern arbeiten will, erst einmal
die unsäglichen CE-Konformitätsstöpsel
aus den Buchsen pulen muss. Die Verbindung zwischen beiden Klemmenpaaren
besorgen dünne vergoldete Blechstreifen –
dazu kommen wir noch.
So richtig interessant wird’s, wenn man
der Dreamcatcher ins Eingemachte schaut:
Der Tiefmitteltöner ist beileibe kein Billigchassis von der Stange, sondern eine
Sonderanfertigung des dänischen Spezialisten Scan-Speak. Im Blechkorb sitzt eine
beschichtete Membran, innen eine große
inverse Dustcap, wie es scheint aus Metall.
Den Antrieb besorgt ein ordentlich dimensioniertes Doppelmagnetsystem, der Raum
hinter der Dustcap ist großzügig hinterlüftet – augenscheinlich ein durchaus potenter Treiber.
Den Hersteller des Hochtöners kann ich
nicht entschlüsseln, jedenfalls prangt der
Aufdruck „Made In Germany“ auf dem
Magneten, was den Verdacht nahelegt, dass
die Einzoll-Titankalotte bei LPG Neuulm
vom Band fällt. A
ist die Sickenkonstruktion: Eine spezielle Prägung der
Membran übernimmt diese Funktion, zusätzlich zur eigentlichen Aufhängung am
Rande der Kalotte.
Rückseitig im Gehäuse sitzt die frei verdrahtete Weiche. Die Filterung bei zweieinhalb Kilohertz ist von der flachen Sorte, den Hauptjob übernehmen in der Tat
nur ein einziger Kondensator (Folie, gute
Qualität) und eine Luftspule (aus mehreren verdrillten Drähten gewickelt – „TritecSpule“). Ein paar kleine Widerstände
haben Pegelanpassungs- und Kompensationsfunktionen – das war’s. Augenscheinlich steckt auch in der Verkabelung System:
Der Tiefmitteltonzweig ist mit Litze größeren Querschnitts verdrahtet, der Hochtonbereich mit einem dünnen Massivleiter.
Im blitzsauber aus MDF gefertigten Gehäuse steckt übrigens kein
Krümel Dämmmaterial, auch
das ist etwas Besonderes: Man
nimmt bewusst die eine oder
andere resonanzbedingte Un-
Die Titankalotte verfügt über
konzentrische Prägungen, die die
Funktion einer Sicke übernehmen
Tes t 39
Mitspieler
Plattenspieler:
· TW Acustic Raven GT /
Raven 10.5 / Lyra Atlas
· Clearaudio Master Innovation /
Universal / Goldfi nger
Phonovorstufen:
· MalValve preamp three phono
Vorstufen:
· Lindemann 830S
Endverstärker:
· Lindemann 858
Vollverstärker:
· Lindemann 885
· Quad Elite INT
Zubehör:
· Netzsynthesizer PS Audio P10
· NF-Kabel von van den Hul
und Transparent
· Phonokabel van den Hul
· Lautsprecherkabel von Transparent
· Plattenwaschmaschine
von Clearaudio
Gegenspieler
Lautsprecher:
· Audio Physic Avantera
· Klang+Ton „Nada“
Lautsprecher Totem Acoustic Dreamcatcher
Ella Fitzgerald – Ella Swings Lightly
40 Test
Gespieltes
Ella Fitzgerald
Ella Swings Lightly
Esbjörn Svensson Trio
301
VA
Witches’ Brew
Bruce Springsteen
Wrecking Ball
sauberkeit im Frequenzgang in Kauf, spart
sich jedoch jegliche durch die Dämmung
bedingten Energieverluste.
Schrauben wir die Dreamcatcher wieder zu
und gönnen ihr ein paar Tage Einspielzeit,
der Hersteller empfiehlt 40 bis 50 Stunden.
Die hat sie bekommen.
Nein, die kleine Totem versetzt keine Berge und ist von der Neuerfindung der Physik genauso weit entfernt, wie man es von
einem Lautsprecher dieser Größe erwarten
darf. Will sagen: In Sachen Bassdynamik
und Tiefgang hat die Darbietung selbstverständlich Grenzen. Nun war ich allerdings gemein genug, dem Dreamcatcher
einen 64 Quadratmeter großen, gut bedämpften Raum und eine Aufstellung mit
drei Metern Basisbreite zuzumuten – das
bevorzugte Terrain für so einen Lautsprecher sieht zweifellos anders aus. Partys der
härteren Gangart lassen sich so nur schwer
veranstalten, Musikhören geht trotzdem
ausgezeichnet, die kleine Kanadierin hat
nämlich einiges an Qualitäten in die Waagschale zu werfen: Wie bei einem so kleinen
Zweiwegesystem mit eng beieinander angeordneten Treibern fast zu erwarten, gelingt
ihr eine fantastische Raumabbildung. Und
auch die breite Aufstellung stört dabei kein
bisschen, der Lautsprecher generiert eine
perfekt umrissene und stabile Mitte, keinerlei Spur von einer Lücke. So aufgestellt,
produziert sie ein sehr tiefes und fein aufgefächertes Geschehen, das hervorragend
zu dem feinen und präzisen Gesamtcharakter passt. Ich bin fest davon überzeugt,
dass diese Box den Geschmack ganz vieler
Musikhörer ganz genau trifft, weil sie nicht
versucht mehr zu leisten, als sie tatsächlich
imstande zu zeigen ist. Das Kunststück, das
der Hersteller hier fertiggebracht hat ist
das Erzeugen eines sehr stimmigen Ganzen
mit ganz feinen Manieren. Die beiden
Dreamcatcher verleihen der Stimme einer
Ella Fitzgerald erstaunlich viel Kraft und
Ausdruck und brillieren beim Ausarbeiten
feiner Nuancierungen und stimmlicher
Details. Der Hochtöner ist eine Metallkalotte, daran gibt es keine Zweifel: Er hat die
Energie, das Auflösungsvermögen und die
Luft nach oben, die mit solchen MembraEin bisschen Reflexrohr und ganz viel
Terminal: die Rückseite der Dreamcatcher
Gemessenes
Messtechnik-Kommentar
Der Frequenzgangschrieb offenbart eine erstaunlich tiefe Abstimmung des Bassreflexgehäuses, die Box spielt bis deutlich unter 60
Hertz. Zu hohen Frequenzen steigt der Pegel
leicht an, was durch entsprechende Anwinkelung leicht kompensiert werden kann. Der Ausreißer bei 1,5 Kilohertz dürfte der fehlenden
Gehäusedämmung geschuldet sein. Die Totem
ist eine unkritische Vier-Ohm-Box mit einem
Wirkungsgrad von knapp 85 Dezibel. Bei moderaten Pegeln (85 Dezibel) klirrt sie sehr wenig, ab dem Mitteltonbereich bleiben die Verzerrungen unterhalb eines halben Prozents.
Totem Acoustic Dreamcatcher
Vertrieb
Telefon
Internet
Garantie
BxHxT
Gewicht
High End Company,
Frauenfeld, Schweiz
0041 7191186 90
www.highendcompany.ch
2 Jahre
130 x 287 x 180 mm
3,2 kg
Unterm Strich …
» Keine Angst vor kleinen Boxen – die kleine
Totem zeigt sehr deutlich, weshalb Vorbehalte
gegen derart kompakte Lautsprecher unbegründet sind. Die Box musiziert
zauberhaft; sie spielt stimmig, fein
aufl ösend und bei „artgerechtem“
Einsatz mehr als laut und dynamisch genug.
Nr_6-2012
Zweimal 6,7 Liter, die Erstaunliches zu leisten imstande sind
nen möglich sind. Einen metallischen Eigenklang spart er
sich praktisch zur Gänze, der Anschluss an den Vierzöller
gelang perfekt: Ich höre absolut keinen Bruch zwischen den
beiden Treibern.
Wer noch mehr von diesem äußerst angenehmen Wandler
will, der muss ihm optimierte Arbeitsbedingungen bieten.
Das beginnt bei der Anschlussvariante: Wer kein Bi-Wiring
fahren will und die Blechbrücken auf den Terminals nicht
gegen gescheite Kabelbrücken austauschen will, der sollte
die Box „diagonal“ anschließen. Will sagen: ein Ende des
Lautsprecherkabels aufs untere Terminal, das andere aufs
obere. Nein, das ist keine Spinnerei, das hört man recht
deutlich und liefert das ausgewogenste Ergebnis. Und zweifellos profitiert die ganze Angelegenheit dynamisch davon,
wenn das zu beschallende Areal Grenzen hat: So ein Lautsprecher gehört eigentlich in 10 – 20 Quadratmeter große
Räume. Dann „knackt“ es merklich druckvoller, und auch
die Raumabbildung verändert sich: Das Geschehen rückt
weiter in den Vordergrund, involviert den Zuhörer mehr
und wirkt im besten Sinn des Wortes hitziger. Was hüben
wie drüben hilft ist ein bisschen Verstärkerleistung, ich persönlich würde Halbleiter bevorzugen. Der andernorts in
diesem Heft getestete Quad-Vollverstärker ist so ein übrigens auch optisch hervorragend zu diesen Lautsprechern
passendes Kraftpaket. Damit geht dann auch so etwas wie
Saint-Saens „Danse Macabre“ mit ordentlich Autorität und
Authentizität. Klasse Lautsprecher und eine perfekte Problemlösung für ganz viele Situationen – ziemlich gut für
einen weißen Zwerg.
Holger Barske