Contras, 2016-01-23, jW - Normalisierung geht anders

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Contras, 2016-01-23, jW - Normalisierung geht anders
Quelle:
, 23./24.01.2016 / Ausland / Seite 7
Normalisierung geht anders
Regionalpolitiker in Florida wollen Eröffnung von kubanischem Konsulat
verhindern
Volker Hermsdorf
Am Mittwoch verabschiedete die Bezirksregierung des Miami-Dade County von
Florida mit großer Mehrheit eine Resolution, in der Washington »mit Nachdruck« aufgefordert wird, »keine Genehmigung zur Eröffnung eines kubanischen Konsulats in
der Metropolregion Miami« zu erteilen. Während US-Präsident Barack Obama
gegenüber dem sozialistischen Nachbarn im Süden weiter den »guten Onkel« spielt
und sogar mit einer baldigen Stippvisite in Havanna liebäugelt, setzen die Contras
weiter auf Konfrontation.
Esteban Bovo, der Vertreter eines der 13 Distrikte des County, hatte den von ihm
eingebrachten Antrag in großer Erregung und mit der Ankündigung vorgestellt, er
wolle Obama die deutliche Botschaft übermitteln, »dass Miami-Dade kein Ort ist, der
die Einrichtung eines Konsulats gestattet, solange es in Kuba keine Freiheit gibt«.
Darunter, so war der örtlichen Tageszeitung Nuevo Herald zu entnehmen, versteht
der Politiker, »dass Systemgegner wie Guillermo Fariñas dem Präsidenten seines
Landes sagen können, wenn sie nicht mit ihm einverstanden sind, ohne Angst haben
zu müssen, dafür verprügelt zu werden«. Nur drei County-Vertreter stimmten gegen
die Resolution. Sie argumentierten, dass es den kubanischstämmigen Familien nicht
länger zugemutet werden könne, für jede konsularische Angelegenheit aufwendige
Reisen unternehmen zu müssen. Zu der rund 2,7 Millionen Einwohner zählenden
Verwaltungseinheit Miami-Dade gehören 34 Städte, darunter Miami, Hialeah, Miami
Gardens und Miami Beach. Doch obwohl in seinem Bezirk rund die Hälfte der zwei
Millionen Kubaner in den USA lebt, machte der zum rechten Flügel der Republikaner
gehörende Politiker den Hardliner. Bovo schlug vor, wenn es im Süden überhaupt ein
Konsulat geben solle, dieses dann 470 Kilometer weiter nordwestlich, in Tampa
(Florida) oder noch besser im rund 1.400 Kilometer entfernten New Orleans
(Louisiana) einzurichten. Eine offizielle diplomatische Vertretung Havannas in MiamiDade, so begründete er, würde die Gemüter im County erhitzen und stelle deshalb
»ein Sicherheitsrisiko« dar.
Die Bürger sehen das anders, wie eine vom Nuevo Herald am Donnerstag
veröffentlichte Umfrage beweist. Danach sind selbst von den meist
rechtskonservativen Lesern des Blatts mehr als 50 Prozent nicht mit der von Bovo
durchgesetzten Resolution einverstanden. In den USA löste der Vorstoß sofort
heftige Diskussionen aus. Auf der Homepage des Nuevo Herald kommentierte ein
Leser, dass »die Terroristen des IS wohl kaum ein kubanisches Konsulat in Miami
angreifen« würden. Er wertete Bovos Argumentation deshalb als Eingeständnis
dafür, dass die von ihm befürchteten Gewaltaktionen »von anticastristischen
Extremisten in Miami« ausgehen könnten. Ein anderer fragte kurz und treffend: »Seit
wann entscheiden Provinzpolitiker über unsere Außenpolitik?« Auch das kubanische
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Onlineportal Cubadebate berichtete am Donnerstag über die Resolution. Diese
repräsentiere »nicht die Mehrheitsmeinung der Kubanoamerikaner« hieß es dort in
einem Kommentar. »Die Ultrarechten in Miami schaufeln sich ihr eigenes Grab, wenn
sie die kubanischen Wähler zwingen wollen, für jede konsularische Frage nach
Tampa zu fahren.«
Miamis republikanischer Bürgermeister Tomás Regalado stärkte seinem Parteifreund
Esteban Bovo derweil den Rücken. Er kündigte juristische Schritte an, um »jeden
Versuch«, in »seiner Stadt« ein kubanisches Konsulat zu eröffnen, zu blockieren.
Regalado gehört wie Bovo zum harten Kern der Contras, beide sind erbitterte
Gegner des neuen Obama-Kurses. Der 1962 in Queens (New York) geborene
stramme Antikommunist Bovo weist in seinem Lebenslauf sogar stolz darauf hin,
dass sein Vater ein Kämpfer der berüchtigten Söldnertruppe »Brigada de Asalto
2506« (Brigade des Sturmangriffs 2506) war. Diese von Havanna als terroristisch
eingestufte Organisation war von der CIA aufgebaut und trainiert worden und führte
am 17. April 1961 die Landung der US-Söldner in der Schweinebucht an. Bei der
gescheiterten Invasion waren auf kubanischer Seite 176 Menschen getötet und über
300 verletzt worden. Bovo rechtfertigt die Invasion und pflegt bis heute enge
Kontakte zu der Terrorgruppe. Gemeinsam mit Vertretern der »Brigada de Asalto
2506« erklärte er im Jahr 2009 den 17. April zum »Bay of Pigs Memorial Day«
(Schweinebucht-Gedenktag).