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Werner Abraham . .. . Universität Groningen. Der Elefant i s t bekannt für sein enormes Gedächtnis: .Wem der mal auf den Fuß tritt, der vergißt das nie.' EINLEITUNG 1. Zur Begründung des Themas Die Frage, wie •Satzgliedrelationen zu begründen seien, mag aufs erste nicht so wohlbegründet erscheinen. Subjekte etwa sind im Deutschen (wie in den alten klassischen Sprachen) durch Kasusmorphologie und Kongruenzbedingungen eindeutig erkennbar; es gibt nur eine sehr begrenzte Zahl von Satzgliedtypen, so daß ihre Differenzierung keine sonderlichen Schwierigkeiten bereitet; und ihre Bewährung bei der Grammatikanalyse einer Fremdsprache steht außer Zweifel, jedenfalls unter den praktischen Gesichtspunkten einer solchen Analyse beim Zweitsprachenerwerb. Welche Gründe kann die Linguistik also dafür formulieren, daß dieser Frage Bedeutung zukommt? Ich möchte mit zwei praktischen Beispielen beginnen. Der dieser Einleitung vorangestellte Witz hat in einer Sprache wie dem Niederländischen, also einer Sprache mit noch weitergehendem Kasussynkretismus als dem Deutschen • die folgende Form: 1. 2. 3. 4. 5. 6. De olifant is bekend om z 'n enorm geheugen: Wie die eens op de voet treedt, die 7. vergeet dat nooit! (Die deutsche Version stammt aus einer Nummer des HörZu.) Wie in der 5. Zeile kann Nominativ ("wer") wie Obliquus ("wem") sein, ebenso die ("der" oder "dem") unmittelbar danach. Die im Deutschen nur thematisch (über die unrichtige Verallgemeinerung "Diskursthema = grammatisches Subjekt"), nicht aber grammatisch begründbare Witzpointe ist niederländisch auch grammatisch denkbar und dann nur mehr semantisch-enzyklopädisch aufdeckbar und korrigierbar. Die Pointenleistung ist im Niederländischen größer, da auf der diskurspragmatischen Analyseebene die falsche Interpretation eingeleitet wird und auf der morphogrammatischen diese Analyse - 2 (zum Unterschied vom Deutschen) nicht korrigiert werden kann. Eine ähnliche diskurspragmatische Strategie ist beim folgenden Beispiel auch für die erste mögliche (und wahrscheinliche) Fehlinterpretation bzw. die Notwendigkeit eines zweiten Interpretationsschrittes zur Korrektur des ersten verantwortlich (Schlagzeile aus dem Algemeen Dagblad): Marokkaan ontdekt na vondst fiets ["Marokkaner•: èntdeckt-nachAuffinden-(eines) Fahrrad(s)"] Der Interpretätionsansatz im ersten Schritt ist (dies ließ sich bei verschiedenen Versuchspersonen bestätigen). Marokkaner entdeckt (1) - Aktivsatz, entdeckt also 3. sg. präs., nicht 2. Partizip : Marokkaner entdeckt nach Fund (ein) Fahrrad Erst im 2. Schritt wird die homonyme Passivstruktur gelesen, die dann auch die sinnreichere Interpretation liefert. (2) Marokkaner (nämlich seine Leiche) entdeckt nach (dem) Fund (eines) Fahrrads [wurde] Diese beiden Beispiele reichen für sich alleine noch nicht zu einer Erklärung dessen, was die Anfangsfrage gemünzt auf das Niederländische war. Nun unterscheidet sich aber das Niederländische z.B. vom Deutschen dadurch, daß es das Subjekt stärker in Erststellung verwendet (bzw. daß,einen Obliquus in der Stellung vor dem Verb womöglich mit einer Präposition markiert). Dies erklärt das Interpretationsdilemma im ersten Beispiel -'das natürlich durch die absichtliche Referenzverwirrung, die ja die Witzpointe ausmacht, erhöht wird. Die Unsicherheit im zweiten Beispiel hängt wohl mit einer allgemeinen, nicht auf das Niederländische beschränkten Interpretationsstrategie zusammen: Bei. Ausbleiben einer eigenen Passivmorphologie beim Verb wird in erster Linie die Interpretation eines Aktivsatzes auf ihren Erfolg hin geprüft; dazu ermutigt in unserem Beispiel offenbar auch das Glied nach dem Prädikat [fi'ets "Fahrrad"), dem Objektstatus zuerkannt wird (dies wegen des fehlendes Genetivsignals bei fiets3 was im Schlagzeilen- und Telegrammniederländisch durchaus regelhaft ist!). - 3 So gesehen sind also die Beispiele, obwohl grammatikalisch richtig, markiert: um FehlInterpretationen wie den angedeuteten zu entkommen, werden jedenfalls bei sauberem Stil morphosyntaktische Verdeutlichungen vorgenommen. Die beiden Beispiele lenken die Aufmerksamkeit vor allem auf die Tatsache, daß die beschriebenen Interpretationsschwierigkeiten bei der D e u t u n g der vorliegenden Äußerung (gleichgültig ob innerhalb oder außerhalb eines weiteren Kontexts), also beim E r k e n n u n g s p r o z e ß entstehen. Bei der Erkennung ist der Hörer auf identifizierende Signale auf verschiedenen grammatischen und bzw. pragmatischen Ebenen angewiesen, um die Bedeutung des Satzes (hinfort vereinfachend für Äußerung) zu eruieren. Zu solchen Signalen gehört nun aber gerade nicht die grammatische Struktur nach irgendeiner der gängigen Grammatiktheorien: etwa eine Konstituentenstrukturregel (PSRegel) , ein kategorialer Baumgraph mit den verschiedenen stillschweigend gemachten Voraussetzungen zu seiner Interpretation, eine lineare sZ-as?z-Konvention der Kategorialgrammatik (welcher Interpretation auch immer), ein dependentielles Stemma oder eine Reihe von transformationeilen Distributionseigenschaften (Kontrolleigenschaften), die bestimmte Strukturtypen von anderen unterscheiden. Alle diese Abgrenzungseigenschaften sind nicht nur in hohem Maße theorieabhängig (vgl. Eisenberg 1980) und werden folglich der oberflächlichen sprachlichen Erscheinung nur mehr oder weniger annähernd gerecht, sondern sie leisten vor allem wenig, wenn überhaupt etwas im Sinne einer Erklärung der grammatischen Struktur. Distributionen, syntaktische Regeln erklären nichts in einem interessanten Sinne des Wortes; sie beschreiben nur und zwar wohl in Abhängigkeit von empirisch gemachten Beobachtungen über sprachliche Erscheinungen und Verallgemeinerungen daraus. Erklärungen dagegen sind von anderer Art: Beispiele dafür sind etwa Behaghels Gesetz von der wachsenden Zahl der Glieder (Behaghel 1908) oder der von Hopper und Thompson (1980) beobachtete Zusammenhang zwischen Transitivitätsmerkmalen und der Informationsstruktur von Erzähltexten. Ich beschränke mich hier auf diese illustrative Rechtfertigung dieser Feststellung. Was bei der Deutung der beiden Beispiele oben zu den beschriebenen Schwierigkeiten führte, war einmal, daß eindeutige Zeichen für die Zuordnung von Form und Deutung fehlten. Morphosyntax und Wortstellung lassen Eindeutigkeit dort vermissen, wo im allgemeinen in der Zeichenstruktur noch mehr, nämlich redundante Information diese Zuordnung von Form und Bedeutung sichert: im Deutschen etwa - 4 Nominativmarkierung und Verbkongruenz beim Subjekt. In Weiterführung einer Unterscheidung bei Eisenberg (1980: 190 f.) kann man in diesem Zusammenhang von qualitativen und quantitativen Signalen dieser FormBedeutungszuordnung sprechen. Ein solches qualitatives Signal ist das eben besprochene zur Subjektkennzeichnung. Nicht alle grammatischen Relationen haben eindeutige oder ähnlich redundante Signaltypen: Das direkte Objekt wird nur durch Nichtnominativ (der einen Terminologie) oder Akkusativ (anderer grammatischer Begriffsbildungen) sowie die Verbmorphologie (im Passivsatz gibt es kein DO) charakterisiert; Wortstellung zeichnet es nicht eindeutig aus, ebensowenig die Zahl noch anderer verbabhängiger Konstituenten; und schließlich steht Akkusativ in keiner 1-zu-1-Beziehung zum DO: Es gibt auch verbabhängige Akkusativkonstituenten, die nicht DO sind. Was wir aus diesem Beispiel fürs erste schließen dürfen, ist zumindest, daß bei allen solchen FormBedeutungs-Beziehungen keine zu weitreichenden Verballgemeinerungen getroffen werden dürfen: Welcher Akkusativ als transitives Objekt fungiert, hängt sicher von einer Eigenschaft wie "Verbtransitivität" oder "Satztransitivität" ab, und in die Prozesur der Form-Bedeutungszuordnung hat in diesem konkreten Fall auch die Zugehörigkeit des aktuellen Verbs zu einer Klasse transitiver Verben einzugehen. Die zweite Signaltypik nach Eisenberg ist die der Quantität. Wir haben sie im zweiten Beispiel aus dem Niederländischen angesprochen. Beim ersten (unrichtigen) Analyseschritt haben offenbar folgende, nur als Wahrscheinlichkeiten zu formulierende Prinzipien eine Rolle gespielt: (a) beim Fehlen einer eindeutigen Passivmorphologie beim Verb wird die Aktivinterpretation probiert; und (b) bei der Serialkonfiguration "Nomen(Nominativ)-Verb-(X-)Nomen" probiert der Leser/ Hörer die zweiwertige Aktivsatzstruktur. In der modernen Universalgrammatik und Sprachtypologie werden ganz regelmäßig solche Prinzipien der quantitativen Form-Bedeutungszuordnung formuliert (vgl. Bechert 1978 (1980); Abraham 1978; Givón 1976). In der traditionellen Germanistik gilt z.B., daß "der Typus Dat. der Person + Akk. der Sache [...] im Neuhochdeutschen als der einzige normale empfunden [wird], wo das Verb zwei Objektergänzungen verlangt" (Dal 1966: 35). Es ist ganz klar, daß es zu diesem Prinzip Ausnahmen gibt (etwa die Verben mit doppeltem Akkusativ); die Geschichte der deutschen Sprache zeigt jedoch, daß dieses Prinzip zu verschiedenen Zeiten der diachronischen Entwicklung allgemeiner als heute galt (Dal 1966: 36), - 5 also möglicherweise auf dem Wege zu einer qualitativen Charakteristik war. Mit anderen Worten: Signale dieser Art werden bei Ausbleiben eindeutiger, oberflächenformaler Signale sicher beim Interpretationsgang ausgenützt und zwar schrittweise im Sinne von Übergangswahrscheinlichkeiten (bis bei einem Folgeschritt eine wahrscheinlichere Analyse versucht wird). In der noch nicht so alten Grammatiktheorie unterscheidet man u.a. prinzipiell zwischen Produktionsgrammatiken und Erkennungsgrammatiken. Die bisher erörterten Fragen, also wie grammatische Relationen vom Hörer/Leser in die Frage nach der Zuordnung von Form und Bedeutung eingeordnet werden können, sind Probleme des zweiten Grammatiktyps. Grammatiken des Produktionstyps haben bis Chomsky 1980 (Pisa Vorträge); vgl. Bennis und Groos 1980) von Fragen nach dem Status der Rektions- und Kongruenzmorphologie in der syntaktischen Beschreibung völlig abgesehen; genauer gesagt, solche Fragen wurden dem Apparat jener "polierenden" Transformationen zugewiesen, die nach Festlegung der bedeutungstragenden syntaktischen Strukturen die morphologisch diversifizierten Oberflächenformen der Sätze von Einzelsprachen herstellten (vgl. etwa Klimas caseattachment-Regel (1964)). Diese Grammatikcharakteristik ist nicht auf den generativen Ansatz beschränkt; Abraham (1978) sichtet die wesentlichen modernen Sprachbeschreibungsmodelle danach, ob und wie sie aufgrund von morphosyntaktischer Information Identifikationen sichern, die zur Bedeutungszuweisung unumgänglich sind. Dazu gehört wesentlich die Unterscheidung der verschiedenen Satzfunktionen aller in einem Satz vorkommenden Substantive (Comries Funktionsprinzip; Comrie 1975; vgl. Abraham 1978; 704ff.) Ich zeige kurz an 3 Beispielen, welche Aussagekraft von Grammatikmodellen dabei zum Vorschein kommt. Relativ explizit äußert sich Fillmore zu dieser Frage. In seiner Kasusgrammatik (1968; dt. 1971) verwirft er den Gedanken, syntaktische Relationen wie Subjekt und Objekt in der semantischsyntaktischen Tiefenstruktur zu bestimmen; sie seien vielmehr nach spezifisch einzelsprachlichen Bedingungen abzuleiten. Die semantischen Relationen der Tiefenstruktur erlauben nur bestimmte tendentielle, typologische Aussagen zur Unterscheidung von grammatischen Relationen, keinesfalls jedoch eindeutige Beziehungen zwischen Be- - 6 deutung und Beschreibungsstrukturen dieser Art. Es ist zwar mit den semantischen Relationstypen (Tiefenkasus) schon in der Tiefenstruktur eine solche Bedeutungstransparenz gesichert. Dies hängt mit der Definition der Rollen zusammen. Doch vereitelt die üngenauigkeit der begrifflichen Fassung der Tiefenkasus die ausreichende BedeutungsunterScheidung. Die Kategorialgrammatik macht entscheidend von der Begriffsopposition "untergeordnet/übergeordnet" in der syntaktischen Struktur Gebrauch. Eine Kategorie ist einer anderen Kategorie syntaktisch übergeordnet, wenn sich bei der syntaktisch strukturellen Verbindung von A und B wiederum ein Ausdruck der Kategorie A ergibt. Objekte werden nun z.B. dadurch voneinander strukturell unterschieden, wie sich die übergeordneten Kategorien beim Analyseprozeß strukturell voneinander unterscheiden: geben etwa ist dreiwertig mit (V/N)/N)/N; nach Günther (1978: 138) bindet das Verb zuerst das 10, womit sich die Kategorie (V/N)/N als übergeordnet zum N des 10 ergibt; diese Kategorie bindet dann das DO, wodurch eine stärker N-gesättigte, aber noch stets V-enthaltende Kategorie entsteht, nämlich V/N. Als Subjekt wird schließlich jene Kategorie definierbar, die bei der kategorialen Abstrichmethode zur völligen Sättigung der höchsten Kategorie "Verb" führt: das Subjekt-N abgebildet auf V/N ("geben-dem-N„-den N") ergibt V ("Nj-gibt-dem N2~den ff ") (Günther 1978; Vennemann 1977). Dieser "Analysevorgang" ist unter dem Gesichtspunkt unserer Aufgabenstellung ein Beispiel für eine petitio principii: Einer bestimmten syntaktischen Relation wird aufgrund von nicht weiter hinterfragten Kenntnissen ein struktureller Status zugewiesen, der wohl empirisch über den Valenzgedanken vage und allgemein gerechtfertigt ist, der jedoch theorieunabhängige Charakterisierungen z.B. von Subj, DO und 10 nicht einbezieht. So gesehen ist undeutlich, was erklärt wird: die grammatische Relation durch die Theorie oder die Theorie durch die grammtische Relation. Klar bleibt jedenfalls, daß die Kategorialgrammatik keine der Satzoberflächenstruktur abzulesenden Signale in ihrer Analyse verwendet. Die Argumentation zur Beurteilung der PS-Grammatik verläuft identisch. Es ist unklar, was die Charakterisierung S NP (NP direkt dominiert von S) für Subjekt und VP NP (NP direkt dominiert von VP) - 7 für das Objekt (wobei die Scheidung zwischen 10 und DO undeutlich bleibt) bietet, was wir nicht schon wissen mußten, bevor wir diese strukturelle Zuordnung unternehmen. Und genau was wir an grammatischsystematischem und pragmatischem Wissen dazu benutzen, soll Gegenstand der Untersuchungen dieses Buches sein. 2. Grammatische Relationen zwischen Ausdrucks- und Inhaltsstruktur Was haben Satzglieder ("grammatische Relationen" nach der englischen Terminologie mit grammatical relations) überhaupt mit der Beziehung zwischen Form und Bedeutung zu tun? Oder anders und spezifischer gefragt: Wo zwischen Elementen der Ausdrucksstruktur und solchen der Inhaltsstruktur liegen die Satzgliedfunktionen, und welche Mittlerrolle genau haben sie? Dabei gehe ich nicht weiter auf die Frage ein, was genau die Unterschiede zwischen Ausdrucksund Inhaltsstruktur sind, sondern differenziere nur grob einerseits zwischen Elementen der Objektspräche, die sprachspezifisch zur Unterscheidung der Bedeutungsfunktionen der verschiedenen Nominalausdrücke (vor allem der bloß durch Flexion gekennzeichneten) beitragen - dies seien die Ausdruckselemente, in strukturalistischer Terminologie grammatische Morpheme sowie Wortstellung und Intonation - und anderseits zwischen Kategorien und Strukturen der Theoriesprache. Zu den letzteren gehören Symbole wie "/, //, ( ) , \ ] , s s -*, =>", Kanten von Graphen, Relationsausdrücke wie "Subjazenz, Kommandierung, A-über-A" etc. und weiter Terme wie "NP, N, NP, V, CN, S, Adnominal, Ad-Adverb" usw.. Daß Symbole vor allem theoriegebunden und nur in seltenen Fällen direkt verständliche Korrelate von objektsprachlichen Eigenschaften sind, ist evident; daß auch Terme dies sein können, zeigt etwa die Verwendung von "V" in der Kategorialsyntax Vennemanns und Günthers (Vennemann 1977; Günther 1978): Hier steht V für die valenzmäßig vollgesättigte Satzstruktur (s. oben). Ähnliches läßt sich für eine Reihe von Kategorien der Montaguesemantik sagen - was sicherlich daher rührt, daß hinter Montagues Sprachbeschreibungskonzeption gar nicht das Interesse steht, eine Grammatik nach direkten Korrelierungseigen- - 8 schaften mit Objektsprachen zu zu entwickeln, sondern in der die Objektspräche über bestimmte der Logik abgelauschte Transformationsprozesse so verändert wird, daß sie mittels des Jargons der höheren Mengenalgebra, der Relationen- und Quantorenlogik manipulierbar wird. Direkt Inhaltsbezüge signalisierende Elemente der Theoriesprache (Korrelatsprache zur Objektsprache) sind Ausdrücke wie Agens, Aktor, Patiens, Instrument, Experiencer, Source, Goal usw... Sie bieten wohl manchmal Schwierigkeiten einer diskreten Festlegung - möglicherweise weil hierzu noch gar keine geeignete semantisch-syntaktische Theorie mit befriedigender Trennschärfe entwickelt wurde (zu einem vielversprechenden Ansatz vgl. Koch 1978) -, sind aber bei syntagmatisch und paradigmatisch nicht zu hoch gespannten Qualitätsforderungen zur Unterscheidung absolut brauchbar. Es ist bisher bei aller Betonung der unzureichenden definitorischen Trennschärfe und damit der unzureichenden Theoriefähigkeit der semantischen Rollenbegriffe übersehen worden, daß rein praktisch orientierte Linguistikzweige wie die Dokumentationsforschung, die künstliche Intelligenzforschung, die mit automatischen Rechenanlagen arbeitende Forschung zur Textanalyse und Textsimulatton sowie die Übersetzungsforschung mit praktischem Erfolg auf solche semantische Relationstypen zurückgreifen (zu einer knappen Übersicht vgl. Abraham 1978: 696-700). Ob die Fokussierung und z.T. auch Topikalisierung im Assertionsausdruck stets begleitende Intonationsmarkierung ein ebenso direktes Korrelat zu objektsprachlicher Informationsstruktur darstellt, ist wohl im Moment nicht zu entscheiden. Überlegungen zu dieser Fragestellung sind mir nicht bekannt. Wie dies auch entscheidbar ist - d.h. ob suprasegmentale Signale unsystematische Korrelate zu systematischer fundierenden grammatischen oder diskurspragmatischen Gesetzmäßigkeiten sind oder aber diese eigentlich erst fundieren, also ob sie bei aller Ausdruckshaftigkeit ein abhängiges oder selbst fundierendes systematisches Korrelat zur Inhaltsstruktur sind -, so haben wir zu entscheiden, wie grammatische Relationen (a) durch objektsprachliche Elemente identifiziert werden (welcher Grad von Diskretheit oder Ambiguität - 9 zwischen diesen Indikatoren besteht; ob diese Indikatoren direkt identifizierende Elemente sind oder durch Kontrolleigenschaften (Distributionseigenschaften hinsichtlich transformationeller Umordnungsprozesse)»festgelegt werden) und (b) welche Parallen oder Ähnlichkeiten zu jenen Elementen bestehen, die wie Agens und Patiens Inhaltsbezüge direkt signalisieren. Dieser Fragekomplex läßt sich also folgendermaßen in eine Gestaltskizze bringen: INHALTSBEZUG DURCH PARADIGMAT. OPPOSITION U. SYNTAGMAT. KONTRAST Kasusmorphologie Subj ekt-Verb-Kongruenz Verb-Nomen-Rektion l Wortstellung / Intonation (?) Vërbgenus «- •» fgrammatische "\ Strukturen; / •» i grammatische ^ « / Relationen ) DIREKTER INHALTSBEZUG j semantische "[_ (Rollen-) Relationen Hieran sind einige Bemerkungen zu knüpfen. Einmal sind grammatische Strukturen (GSn) und grammatische Relationen (GRn) nicht gleichzusetzen. GRn sind vielmehr Sonderfälle, besonders ausgezeichnete Elemente von GSn. Sie sind möglicherweise unter allen denkbaren GSn als Maximum solcher Strukturen zu betrachten, die zur syntagmatischen und paradigmatischen Unterscheidung von Nominalkonstituenten sinnvoll sind (oder mit einer Einschränkung ex negativo: GRn füllen jenen Bereich an GSn, der nach Ausklammerung jener .Formationsregeln übrigbleibt, die sich heuristisch nicht bewähren: etwa Regeln der Form S -> Det + Aux) . GRn können also als sinnvolle, heuristisch bewährte Einschränkung der Menge der GSn verstanden werden. Daß hierbei allerdings ein ganz bestimmtes typologisches Vorverständnis zugrundeliegt, zeigen Sprachen wie etwa das Koreanische, dessen grammatischen Struktur nur sehr teilweise und mit geringerer Tragweite GRn definiert: Sofern es im Koreanischen überhaupt einen paradigmatisch definierbaren DO-Begriff gibt,' wird dieser nicht im Rahmen jenes syntaktischen Prozesses bestimmt, der den DO-Begriff als Kontrolleigenschaft wesentlich mitcharakterisiert, nämlich der Wechsel zum Subjekt bei Passivierung. Im Koreanischen gibt es nämlich keinen syntaktisch relevanten Passivbegriff, und es fehlt entsprechend eine echte Passivmorphologie beim Verb. Die zweite Bemerkung berührt die spezifische Aufgabe der - 10 grammatischen Beschreibung im Zusammenhang mit dem Status der GRn. In vielen Flexionssprachen mit GR-Prominenz (in denen also die GRn flektiv identifizert werden) sind GRn als Nomenunterscheider überflüssig. Im Deutschen etwa ebenso wie in einer Reihe von anderen lebenden und toten Sprachen ist "Subjekt" das Subsummat für "Nominativnomen, das Verbkongruenz auslöst"; "DO? ist ähnlich durch Nomen unter Verbrektion, meist mit Akkusativ definiert. Das gilt in dieser Spezifik für Einzelsprachen. Wenn jedoch die Zielstellung der grammatischen Beschreibung eine universale ist, wo ja Flexion, Kongruenz und Rektion nicht ausreichen, überhaupt keine (Teil-)Identifikationsrolle unter den Satznomina spielen oder wo schließlich verschiedene, einander nicht überlappende derartige Subsummate diese Rolle übernehmen, wird der GR-Begriff sinnvoll (vgl. Perlmutter und Postal 1977). So gesehen sind GRn Basisbegriffe (Terme), die wohl aus einem Inventar an objektsprachlichen Zeichen einzelsprachlich weiter fundierbar sind, in Ermanglung durchgehend verwendbarer, eindeutig identifizierender Merkmale für alle natürlicher Sprachen jedoch notwendig sind. Von solchen Überlungen gehen die Relationsgrammatiker aus (vgl. den Beitrag von Edmondson in diesem Band). - 11 3. Grammatische Relationen in der neueren Linguistik Über die grammatik- und philosophiegeschichtliche Entwicklung der Satzglieder und ihren Status in der neueren deutschen Grammatik und der Linguistik allgemein liegt gerade auch aus jüngerer Literatur einiges an Zusammenstellungen vor (vor allem grundlegend und nach origineller Forschung (Glinz 1947; Bechert 1977; Perlmutter und Postal 1977; Abraham 1978; Heibig 1978; Suchsland 1978; Hiersche 1979). Ich kann mich inbezug auf das Inventar an Satzgliedern und deren Zugehörigkeitskriterien mit dem Verweis auf diese Situation begnügen (hervorzuheben vielleicht speziell dafür Hiersche 1979). Wenn im folgenden die Identifikationsfrage nur über Subjekt und direktes bzw. indirektes Objekt angeschnitten wird, so geschieht dies mit gutem Grund: einmal weil die Identifikation der Nomina recta und obliqua hinsichtlich ihres Beitrags zur Satzbedeutuna von Anfang an die vorliegenden Erörterungen begleitet hat, da ich sie also als bedeutsamste für die Satsglieddiskussion betrachte, und zum anderen weil sich zeigen läßt, daß in der Begriffsbildung hier trotz aller monolithischer Festigkeit in der Diskussion um die Satzgliedeigenschaften gerade hierzu seltsame Lücken und Ungereimtheiten bestehen. 3.1. Subjekt Die Definition des Subjekts in der Konstituentenstrukturgrammatik als direkt von S dominierte Nominalkonstituente (symbolisiert "NP S" im Unterschied etwa zur Objektskonstituente "NP VP") ist nach mehreren Gesichtspunkten nicht dem herkömlichen Subjektbegriff gleichzusetzen. Einmal setzt er einen theoretischen Apparat voraus, den das herkömliche Satzgliedverständnis nicht verwendet und welches den Satzgliedbegriff zwar erheblich schärft (nämlich auf die Erfassungsmöglichkeit auf der syntaktischen Begriffsebene einschränkt), gleichzeitig aber auch jener Charakteristika beraubt, die in der traditionellen Satzgliedanalyse wohl analytisch voneinander getrennt wurden, die aber gleichwohl anders als in der Konstituentenstrukturgrammatik oder der dependenzstrukturellen Grammatik in der schulgrammatischen Satzgliedanalyse immer mit- - 12 schwangen: etwa der "logische" Subjektsbegriff, der "psychologische" sowie verschiedene morphologische Identifikatoren (Koni gruenz, Rektion, Verbgenus) . Mit dieser traditionellen Begriffsbildung wurden die im Satz auftauchenden Nomina in jene Oppositionsrelationen zueinander gesetzt, die zu ihrer Differenzierung und damit Identifikation beitragen und die die Sprachtypologie heute wiederentdeckt hat (vgl. Bechert 1977; Abraham 1978): Die morphosyntaktischen GP.-Begrif f e (Kongruenz , Rektion) stehen je nach einzelsprachlichem Kodierungssystem in verschiedenen Relationen zu den logischen (Agens, Patiens, Experiencer etc.) bzw. psychologischen (thematische bzw. rhematische Funktion) RelationsBegriffen. Eine Konstituentenstrukturgrammatik liefert kurzgesagt bisher keine Entscheidungsprozeduren für die Erkennung von 2 Satzgliedern . Wir können wohl ein Subjekt, ein Objekt in einem Satz generieren, müssen dabei aber sozusagen immer schon wissen, was das Subjekt werden soll. Einen Mechanismus, der die schulische Satzanalysepraktik simuliert, liefert die generative Grammatik nicht. Zudem hat die generative Syntax auch hinsichtlicht der syntaktischen Differenzierung besonders in dem Bereich der Adverbialien einen erheblichen Nachholbedarf (inder Theorie wie in der empirischen Rechtfertigung) im Vergleich zu Analysen, die in der formalen Semantik, der Kategorialgrammatik bzw. auf prädikatenlogischer Basis von Bartsch (1972) bisher geliefert wurden. (Für die deutsche Adverbialsyntax ist hier entscheidend mehr geleistet worden als für die englische; vgl. Steinitz 1969). Ebenso ist bisher in der generativen Syntax (übrigens übernommen ohne jedes kritische Weiterdenken in den modernen deutschen Grammatiken mit generativem Anstrich: kritiklos deswegen weil die Unterscheidung zwischen direktem und indirektem Objekt bzw. transitivem und intransitivem Objekt in der traditionellen Grammatik immer eine Rolle gespielt hat) eine funktional begründete und formale Trennung zwischen direktem und indirektem Objekt bei dreiwertigen Sätzen unterblieben. Dies mag damit zusammenhängen, daß im Englischen, der Sprache, an der sich die moderne Linguistik im wesentlichen orientiert, eine solche Trennung nach den fürs Deutsche bekannten transformationellen Eigenschaften nicht gerechtfertigt, ja überflüssig erscheint. Man denke etwa an die Passivtransformation, die im Englischen jedes Objekt zum Subjekt - 13 machen kann. Eine genauere Prüfung zeigt jedoch auch für das Englische, daß eine solche ditransitive Beurteilung an wesentlichen syntaktischen Erscheinungen vorbeigeht (Ziv und Sheintuch 1979) und erst recht für Flexionssprachen wie das Deutsche deskriptiv und explanativ völlig inadäquat ist. Zusammenhänge zwischen Satzgliedern und semantischen Rollenrelationen sind verschiedentlich beobachtet worden. Eine beschränkte Übersicht zu typologischen sowie streng bindenden einzelsprachlichen Untersuchungen findet sich bei Abraham 1978. Fürs Deutsche sind derartige Korrelationen m.W. zum ersten Mal bei Abraham 1972 (und zwar beschränkt auf zweiwertige Sätze) gemacht worden. Das Folgende versteht sich als Reihe von Einzelbeobachtungen, deren Konsequenzen für eine grammatische Sprachbeschreibung des Deutschen noch nicht absehbar sind. Bei praktischen Untersuchungen zum Hörverständnis (listening capacity) fremdsprachiger Deutschstudenten findet sich verschiedentlich bei Testleistungen eine intakte syntaktische Struktur der vorgesprochenen Äußerung, aber die Vertauschung von Agens und Patiens. Das folgende Beispiel findet sich bei Latour 1980: Vorlage: Neuerdings spricht man davon, daß durch den akutisohen Schock teilweise die Erinnerung ausgelöscht wird. Fehlerhafter Nachvollzug 1: In den letzten Zeit spricht man von akustischen Schock, der teilweise aus der Erinnerung ausgelöscht wird. Fehlerhafter Nachvollzug 2: Neuerdings spricht man davon, daß der akustische Schock teilweise ausgelöscht wird. Die Fehlerbeispiele zeigen einen unangetastetes Passivsatzrahmen, aber das Agens der akustische Schock erscheint als effiziertes Objekt. Der für das Hörverständnis kritische Bereich ist also im diesem zweiwertigen Satz durch die Opposition Agens:Patiens markiert. Sowohl Fillmore (1968, dt. 1971) wie neuerdings Dik (1978; 1981) haben bestimmte Prioritätsbeziehungen zwischen semantischen Rollenrelationen und Hauptsatzgliedern wie Subjekt DO und 10 formuliert und zwar fürs Englische wie allgemein typologisch. In Abraham (1972) wurde eine methodische Variante dazu gewählt: Es wurde gefragt, welche semantischen Rollen in zweiwertigen Sätzen - 14 nie in bestimmten grammatischen Relationen auftauchen. Die folgenden Beobachtungen gehören zur derartigen Korrelationsbeschränkungen. Das Englische z.B. ist in der Subjektfestlegung von semantischen Rollen in dem beschriebenen Bereich weniger restriktiv als das Deutsche (nach Kirkwood 1970: 44f.). (1) This question aroused a lively discussion. Das Subjekt in (1) hat zwei Interpretationen, nämlich LOKATIV oder INSTRUMENTAL. Im Deutschen werden dafür (2) oder (3) formuliert (2) Durch diese Frage wurde eine lebhafte 'Diskussion entzündet, (unspezifiziertes Agens) (3) Mit dieser Frage entzündete A eine lebhafte Diskussion . (spezifiziertes Agens) Die Instrumentallesart in (3) wird verdeutlicht durch den Kontext in (4). (4) (A stellte eine Frage). Diese Frage entzündete eine lebhafte Diskussion. Der Instrumental ist subjektsfähig, der Lokativ in (5) hingegen nicht (zum gleichen Schluß kann aufgrund eines größeren Beobachtungsmaterials Abraham 1972). (5) (Man sprach über die Wiedervereinigung). *Diese Problem) entzündete eine lebhafte Frage (dieser Diskussion. Bestimmte derartige Einschränkungen können plausibel mit typologischen Eigenschaften des Englischen und Deutschen korreliert werden. Schliefen hat ebenso wie close primär die semantische Re— dundanzbeschreibung L+Ag +G0]; das engl, close kann aber i.U. zum Deutschen den fakultativen INSTR zum Subjekt machen (wieder nach Kirkwood 1970: 45). (6) The order closes drinks (7) in public houses and prohibits the sale of restaurants, *Die Anordnung schliefet die Gaststätten Verkauf von Getränken in Restaurants3 und verbietet den - 15 (8) Durch die Anordnung ~\ werden die Gaststätten geschlossen Auf Grund der Anordnung ? undl wird der Verkauf vot von Getränken ) in Restaurants Die Metaphorisierung (+Ag -v { g verboten, }) wird im Englischen sicher durch die starke Tendenz Thema = Subjekt mitverursacht. Daß semantische Rollen wegen starker und einsichtiger Generalisierbarkeit in der lexikalischen Beschreibung unmißbar sind, zeigen auch die folgenden Beispiele aus dem Deutschen und Niederländischen, vergessen hat im Deutschen wie eine Reihe anderer verba sentiendi den Kasusrahmen [ REZIP GOAL], das Niederländische dagegen kennt in umgangssprachlichen Wendungen eine Agensvariante (die das Englische ebenfalls hat): [{ R E Z } GO]. XAVJ (9) Das darfst du nicht vergessen! DAT MAG J E NIET VERGETENj OK (10) *Das mußt du vergessen! ( zu vergessen versuchen) DIT MOET J E VERGETENJ ( Daran sollst (11) * Vergift es! du nicht denken!) VERGEET HET MAAR! ( Denk nicht daran!) Eine ähnliche Variante zeigt das Ndl. bei weten (12) DAT MOET JE ZELF WETEN. Das mußt du selbst *Das mußt du selbst [AG entscheiden. "wissen". GO] (neben ['REZ ., r GO]) -> wissen. 2.2. Direktes (.transitives) und indirektes (intransitives) Objekt. Gehen wir einmal von der bisher natürlich noch nicht gerechtfertigten Annahme aus, daß ähnlich/wie das im Englischen scheinbar gerechtfertigt werden kann, die Unterscheidung im Deutschen zwischen direktem und indirektem Objekt bei dreiwertigen Verben nicht nur verzichtbar und durch den syntaktisch noch nachzufundierenden Begriff des ditransitiven Satzes zu ersetzen ist, sondern daß diese Unterscheidung außerdem durch eine bessere Bezeichnung abzulösen - 16 ist, da sie sonst zu Verwirrungen führt. Diese letzte Position nehmen moderne deutsche Grammatiken wie Bünting/Eichler 1978 oder Flänaig 1972 ein. Die Begründung, die ich hier allerdings fingiere, da sie in den genannten Grammatiken nicht geführt wird, könnte etwa so lauten: Der funktional fundierende und erklärende Begriff des direkten Objekts ist zu ersetzen durch den morphologisch fundierenden Begriff Akkusativobjekt, weil ein Objekt mit dem Merkmal [-Akkusativ] nie ein direktes Objekt sein kann. Danach ist die Akkusativmarkierung ein notwendiges (aber nicht hinreichendes) Erkennungszeichen für dasjenige, was wir in der traditionellen Grammatik ein direktes (oder transitives) Objekt genannt haben. Diese Argumentation setzt natürlich voraus, daß der Unterscheidung von Akkusativ- und Dativobjekt auch semantische und syntaktische Bedeutung zugesprochen wird - was wiederum eine Annahme von mir ist. Womit aber sind nun auch die hinreichenden Erkennungsmerkmale kodifiziert? Offenbar neben (a)/dem Akkusativmerkmale,durch weitere Bedingungen, die aber außerhalb der morphologischen Beschreibungsebene liegen: durch (b) Kontrolleigenschaften (ausführlich beschrieben fürs Englische durch Ziv und Sheintuch 19791, fürs Niederländische durch Hoekstra 1978), und (c) durch semantische Kohäsion (s.v.w. größere syntaktische Nähe des DO zum Prädikat). Die Argumente, die hier in ihrer Gesamtheit nicht dargestellt werden können, liegen allesamt im Bereiche semantischer Parallelen und Oppositionen (wä.hrend z.B. Inhaltsobjekte wie transitive "dummy-Objekte" fungieren (einen tiefen Schlaf schlafen) und den entsprechenden intransitiven Verben ohne Objekt voll entsprechen (tief schlafen), gibt es keine Inhaltsobjekte mit Dativ- (intransitiver) Kodierung). Nun kann man jedenfalls sagen, daß die Begriffe direktes und indirektes Objekt in den übrigen germanischen Sprachen (dem Niederländischen, dem Englischen und den skandinavischen Sprachen) wegen der morphologischen Uneindeutigkeit nicht verzichtbar ist. Andererseits weisen aber auch die Eigenschaftsgruppen unter (c) und (d) oben für das Deutsche aus, daß mit einer etwaigen Unterscheidung zwischen Dativ- und Akkusativobjekten zum einen nicht alle Phänomene, die mit den Begriffen direktes und indirektes Objekt erfaßt werden, beschreibbar sind (etwa die doppelten Akkusative, - 17 die sich vor allem hinsichtlich ihrer Kontrolleigenschaften wesentlich voneinander unterscheiden). Und zum anderen ist mit der kasusindizierenden Trennung nicht nur nichts Wesentliches, d.h. Funktionales zum Ausdruck gebracht, sondern es wird auch eine falsche Generalisierung hergestellt (Dativobjekte bei zweiwertigen Verben sind funktional anders einzustufen als Dativobjekte neben Akksativobjekten bei dreiwertigen Verben). Das erneute Interesse, das die generative Grammatik Kongruenzund Rektionsproblemen und damit auch der Oberflächenkasuszuordnung zuwendet, geht in seiner Begründung für den kasuszuweisenden Regelapparat wiederum von einer Annahme aus, deren Rechtfertigung sie selbst nicht liefert: van Riemsdijk 1980 verbessert wohl den chomskyschen Ansatz zur Kasuszuweisung für das Deutsche entscheidend, macht aber dabei Gebrauch von dem Begriff "dosest argument to the verb" (van Riemsdijk 1980: 12). Dieses "verbnächste Argument" wird zirkulär bestimmt: nämlich durch sein Rektionsverhältnis mit einem transitiven Verb (van Riemsdijk 1980: 13). Es ist vielleicht nicht überflüssig darauf hinzuweisen, daß dieses Thema in den auf dem Valenzbegriff aufbauenden deutschen Grammatiken nicht einmal thematisiert wird (etwa bei Heringer 1970; Engel 1976; Engel und Schumacher 1976; Heibig und Schenkel 1978). - 18 4. Wortstellung und pragmatische Korrelate 4.1. Thema und Rhema Daß Probleme des Satsgliedstatus wie etwa der Transitivität bzw. Intransitivität in fundierten Zusammenhang mit textverbindenden Elementen und Strategien gebracht werden können, haben neuerdings Hopper und Thompson (1980) gezeigt. Ihre These ist etwas grob formuliert die, da1? transitive Satzkonstituenten, sofern überhaupt topologische und grammatische Optionen bestehen, in einer textbezogenen Satzwortstellung in den Vordergrund gerückt werden, intransitive Elemente hingegen in den Hintergrund treten. Dabei umfassen die Begriffe "in den Vordergrund treten" und "im Hintergrund stehen" eine Reihe von primitiveren Konzepten, die wir hier etwas näher beleuchten wollen. Zu den bisher am besten untersuchten textverbindenden bzw. vertextenden Kräften gehören jene Elemente der Informationsstruktur, die wir seit den ersten Schriften der Prager Schule unter der Terminologie Thema und Rhema kennen. Die lineare Verteilung zwischen alter Coder beim Hörer als alt vorausgesetzter) Information in Satzspitzenstellung bzw. neuer Information in Endstellung ist u.a. mit folaenden Mitteln manifestierbar: auf lexikalischer Ebene durch Konversen; auf syntaktischer Ebene durch Verschiebung: Extraposition, Passivierung; Topikalisierungsoperationen wie die englische tough-VerSchiebung, Fokussierung wie etwa clefting markierte im Englischen; und schließlich in- tonatorischen Mittel, nämlich Stark-Schwachdruck im Satz bzw. Tonverlauf. - 19 4.2. Salienz Salienz (engl, salience oder salienoy) bezeichnet jenes psycho- logische Kriterium, nach dem bestimmte Satzelemente (Konstituenten, Einzelwörter) bei der Produktion eines Satzes eine bevorzugte Position (Topikalisierung, Verbnähe, links-recht-Ordnuna zum Verb etc.) erhalten bzw. nach welchen Kriterien, ein bestimmter Alternant bevorzugt wird sofern eine lexikalische oder konstruktive Alternativmöglichkeit besteht. Soweit ich sehe, umfaßt Salienz auch den neuerdings in der Linguistik verwendenten Terminus des "foregrounding" (Hopper und Thompson 1980), ist aber weiter zu verstehen als dieser (vgl. Osgood und Bock 1977). Nach Osgood und Bock ist es z.B. eine universelle Eigenschaft von Sätzen, die Tätigkeitsereignisse beschreiben, daß der Ausführende der Tätigkeit (Täter, Aktor) im Satzvorderfeld genannt wird und-nicht nach dem Rezipienten oder dem Patiens. Nach diesem Salienzkriterium ist Satz (1) natürlicher als Satz (2). (1) Bans aß sein Butterbrot. C2) Das Butterbrot wurde von Hans gegessen. Bei einer Lagebeschreibung, die im einem Satz zum Ausdruck gebracht wird, ist die Nennreihenfolge "Figur—Lageprädikat-lagerelatierendes Element" natürlicher (.unmarkierter im Sinne der Salienzeigenschaft) als eine andere Reihenfolge (vgl. Ertl 1974; 1977). C3) Der Teller (4) Der Tisch steht ist auf unter dem dem Tisch. Teller. Natürlich kann eine Tätigkeit gleichermaßen durch transformationeile Alternanten beschrieben werden, zum Beispiel durch eine Aktiv- oder eine Passivstruktur. Sofern aber in dieser Beschreibung - 20 Merkmale wie die Schnelligkeit und die Potenz zum Ausdruck kommen sollen, mit der der Täter die Handlung ausführte, so muß dieser Täter wie in Satz (5) in den Vordergrund geschoben werden. (5) Eine Schlange biß mich. Soll das Ereignis hinsichtlich der Merkmale der Schnelligkeit und der Potenz jedoch unmarkiert bleiben, dann wird die sprechende Person in den Vordergrund gerückt. (6) Ich wurde von einer Schlange gebissen. (6) ist also hinsichtlich des Salienzkriteriums der unmarkierte Fall, der Fall nämlich in dem Egozentrik das kontext- und ausdrucksneutrale, inhärente Salienzmerkmal determiniert (vgl.Ertl 1974; 1977; Zubin (in diesem Band); Cooper und Ross 197 5; Osgood und Bock 1977). Dieses letzte Beispiel zeigt auch deutlich, daß Prinzip 1 der Wörtstellungsstruktur, die Informationsstruktur, und Prinzip 2, Salienz, nicht in einem Abhängigkeitsverhältnis zueinander stehen und somit Ausdruck ein und desselben Prinzips sind. Das zweite Prinzip schränkt vielmehr das Prinzip der Informationsstruktur in relevanter, textunabhängiger Weise ein. Diese Unterschiedlichkeit der Bedingungskomplexe macht die Beschreibung und Erklärung der Topologie für Einzelsprachen erst interessant und bedeutsam: Die Eigenschaften der Salienz sind stärker universeller Natur, die der Informationsstruktur zu einem weitaus größeren Teil, wenn auch nicht vollständig durch einzelsprachliche, grammatische Gegebenheiten bestimmt. Das Salienzprinzip zeigt Ähnlichleit mit einer Reihe von Begriffen, die zum Teil in der Linguistik, zum Teil in der Erzählforschung eine Rolle spielen. Im Tempussystem des Französischen korreliert das -passe simple mit der vordergrundbezogenen Erzähl- - 21 struktur, das imparfait hingegen mit jener Struktur, die den Hinter- grund zu den aktuellen Ereignissen bildet. Dieser Unterschied findet sich in der englischen Begriffsbilderung wieder in der Opposi- tion zwischen on-line narrative und off-line vordergrundbezogene Struktur {on-line) narrative, wobei die die Kette der Hauptereig- nisse beschreibt (Genette 19 80). 4.3. Transitivität Transitivität wird durch Hopper und Thompson (1980) als Eigenschaft eines Satzes betrachtet (als Eigenschaft von Verben hingegen, durchaus im Einklang mit der traditionellen Sicht, bei Mel'cuk 1979). Sie gilt nicht als diskrete, kategoriale Eigenschaft, sondern ist vielmehr von gradueller Gültigkeit, angesiedelt auf einem Transitivitä.tskontinuum und zusammengesetzt aus insgesamt 10 Transitivitätsmerkmalen, und wird im wesentlichen durch das grundlegendere, pragmatische Diskursprinzip der Vordergrundstrukturierung ("foregrounding", im Gegensatz zur Hintergrundstrukturierung "backgrounding") erklärt (Hopper und Thompson 1980: 283ff.). Ebenso wie Transitivität ist die Vordergrundstruktur keine absolute, diskrete Eigenschaft, sondern sie wird vielmehr in Sprachen wie dem Englischen durch ein Zusammenwirken verschiedener Kriterien bestimmt und vom jeweiligen Leser in einer Art von Wahrscheinlichkeitsinduktion über das Zutreffen einer Reihe von verschiedenen Kriterien festgelegt. Dabei gilt, daß die Wahrscheinlichkeit, daß ein Teil- bzw. oder eine bestimmte Konstituenteninterpretation vordergrundstrukturiert wird, der Höhe entspricht, die diese Konstituente auf der Transitivitätsskala einnimmt (Hopper - 22 und Thompson 1980: 284). Eine Zählung von höhen Transitivitätseigenschaf ten in Texten des Gegenwartsenglisch ergab, daß das durch die zehn Merkmale konstituierte Gesamtbild der Transitivität hoch mit der Vordergrundstruktur der untersuchten Textsätze (also den aktuellen, serialisierten Ereignissen, die unmittelbar und wesentlich zu dem Erzählziel des Erzählers beitragen) korrelieren (Hopper und Thompson 1980: 288). Die Korrelationsfunktionen zwischen den Transitivitätseigenschaften im einzelnen und der Vordergrund- bzw. Hintergrundstruktur sind die folgenden: 1. Diskursteilnehmer. Tendentiell korrelieren Hintergrundstruktur mit einem einwertigen Satz, Vordergrundstruktur mit einem mehrwertigen Satz. Dies hat offenbar mit der semantischen Struktur des Verbs und den daraus folgenden grammatischen Konsequenzen zu tun: Die Hintergrundstruktur wird im allgemeinen mit Prädikaten zur Lage- und Zustandsbeschreibung oder durch bewertende Kommentare bezeichnet, die Vordergrundstruktur hingegen übernimmt die Referenz zu Änderungen bei den ereignistragenden Personen und Gegenständen. Man denke in diesem Zusammenhang besonders an den Nominalstil im Deutschen und seine Funktion: Nominalisierungen sind im allgemeinen hochgradig nicht-agentiv, nichtassertiv und nicht-referentiell; die Prädikate darin bringen im allgemeinen nicht aktuelle, sondern generische oder irreale Ereignisbezüge zum Ausdruck. 2. Kinese. Im Zusammenhang mit der ersten Feststellung oben folgt schon, daß Vordergrundstrukturen von Erzählungen Veränderungen mit oder an den Ereignisteilnehmern indizieren. Dies prägt die Referenzsemantik der betroffenen Satzprädikate: - 23 in vordergrundstrukturierenden Sätzen hoch kinetische Prädikate, in hintergrundsetzenden Sätzen hochgradig Nichttätigkeitsverben. Aspekt (Telik). Die telische Struktur einer Äußerung betrifft vor allem die grammatischen Eigenschaften der verschiedenen Objekte (direktes gegenüber indirektem Objekt) sowie die semantischen Mitspieler Objektiv (Patiens/Experiences) im Unterschied zu Rezipient sowie innerhalb bestimmter Beschränkungen die Opposition zwischen Akkusativ und Dativ (in Sprachen, die einen solchen Unterschied machen) . Telische Prädikate sind solche, deren Ereignisreferenz deutlich den Endpunkt oder 'die .Grenze eines Ereignisses indiziert. Dieses Merkmal zeigt Affinität zu dem der Zahl der Diskursteilnehmer insofern, als im allgemeinen das teilnehmerreichere Ereignis mit deutlich abgrenzbaren, möglicherweise auch hintereinander geschalteten (ikonisch seriali-s sierten) Teilhandlungen korreliert. Punktualität. Punktuelle Verben eignen sich im Unterschied zu durativen Verben besser dazu, eine Handlunsstruktur mit kinetischen Qualitäten wiederzugeben. Sie können im allgemeinen Handlungskomplexitäten leichter zum Ausdruck bringen, da sie jedenfalls unter Normalinterpretation auch iterative Interpretationen zulassen. Intentionalität und Agentivität. Beide Eigenschaften betreffen die Tatsache, daß das Agens planmäßig an der durch das Verb zum Ausdruck gebrachten Handlung beteiligt ist. Zudem korrelieren diese Eigenschaften sowie die von Hopper und Thompson beobachteten - 24 Vordergrund- bzw. Hintergrundstrukturen mit der Agentivitätshierarchie (Silverstein 1976, Hopper-Thompson 1980: 273): (7) 1. Pers. > belebt > 3. Pers. > unbelebt. > Eigenname > menschlich > Hopper und Thompson verbinden diese Agentivitätshierarchie von Silverstein auf die folaende Weise mit ihrem Transitivitätsbegriff: Die Transitivit9t eines Satzgliedes oder eines Gliedsatzes nimmt ab mit stielendem Anomaliegrad der AgensObjektiv-Pelation, d.h. in dem Maße, wie der Objektiv in der beschriebenen Hierarchie einen höheren Platz einnimmt als das Agens. Die Agentivitätshierarchie zeigt darüber hinaus starke Affinität zu den Oppositionen definit:indefinit und referentiell: nicht-referentiell (Givón 1979).: Definitheit und Referentialität zeigen hohe Affinität zum linken Ende der Agentivitätshierarchie. Dies ist erklärlich daraus, daß die Vordergrundstruktur eines Textes bzw. deren Sätze im allgemeinen über ein und dieselbe Person als Teilnehmer in einer Episode referieren, nicht jedoch einen neuen Teilnehmer einführen. 7. Modus und 8. Affirmation. Auf der Modusebene korreliert mit der Vordergrundstruktur der Realis im Unterschied zum Irrealis, auf der Affirmationsstruktur positive Sätze im Unterschied zu negativen Sätzen. Die morphologischen Realisierungen auf der Modusebene sind im Indikativ (im Unterschied zum Konjunktiv oder Optativ); Eigenschaften von Handlungen werden im allgemeinen nicht über das charakterisiert, was die betroffenen Personen und Dinge nicht tun bzw. nicht sind. - 25 Affiziertheit und Individuierung. Die letzten beiden Eigenschaften betreffen wieder die Objekte. Ein hochtransitives Objekt (direktes Objekt) ist nach diesen Merkmalen total vom Ereignis, das das Verb zum Ausdruck bringt, affiziert, ein nicht-transitives Objekt hingegen ist nicht oder nur teilweise affiziert. Äffiziertheit scheint abhängig zu sein von semantischer Perfektivität des Satzprädikats; somit eraibt sich ein Zusammenhang zwischen dem Merkmal der Äffiziertheit und dem Status des Vordergrunds eines Satzes. Wird das Ereignis als noch im Gange, also noch nicht abgeschlossen entstanden, so ist das Objekt im allgemeinen nicht völlig affiziert, sondern nur teilweise von der durch das Verb ausgedrückten Handlung betroffen. Individuierung. Dieses Merkmal korreliert nach Hopper und Thompson (280:'287) hoch mit den Merkmalen der Definitheit und Referentialität von Objekten. Der empirisch beobachtete Individuationsgrad von Sätzen mit Vordergrundstatus ist nach Hopper und Thompson eindeutig höher als der von Sätzen mit Hintergrundstatus. Zu der Brücke mit der grammatischen Struktur steht wiederum die typologische Beobachtung, daß Objekte mit indefiniter Markierung häufiger als umgekehrt Affinität mit intransitiven Satz strukturen zeigen. Das bedeutet, daß ein indirektes indefinites Objekt nicht eigentlich den Status eines Objekts besitzt, sondern sich einem adverbiellen Begleiter des Verbs nähert. Individuierung in diesem Sinne ist eine Eigenschaft, die sich möglicherweise auf grundlegendere wie die der Referentialität, der Definitheit und der Belebtheit zurückführen läßt. - 26 Zu all diesen Merkmalen stimmen eine Reihe von Beobachtungen außerhalb der systematischen Linguistik bzw. der Linguistik überhaupt. Der in der traditionellen Grammatik schon länger diskutierte Begriff der stärkeren Inhärenz des direkten Objekts im Prädikat (stärker inhärent als das indirekte Objekt) ist wohl in den Zusammenhang damit zu stellen, daß es unter allen möglichen, durch Verb ausdrückbaren Ereignissen es Prototypen von transitiven Ereignissen gibt. Darauf bezieht sich auch eine Beobachtung von Slobin (1979), auf die Hopper und Thompson (1980: 292) verweisen: nämlich daß deutlich gekennzeichnete transitiven Akkusativobjekt im Russischen in der Spracherwerbsphase des Kindes zuerst auf Verben beschränkt blieb, die eine direkte körperliche Tätigkeit bezogen auf Dinge zum Ausdruck brachte. Die anderswo gemachten Beobachtungen, daß man sowohl beim Spracherwerb wie auch im ungangssprachlichen Deutsch bzw. in Dialekten in einer Art von Kasussystemvereinfachung umfehlbar beim Akkusativ landet - bzw. wie in dem kindlichen Spracherwerb die schwieriger zu behaltenden verschiedenen Präpositionalobjekte ablöst durch einfache Akkusativobjekte, daß man in einer Art von Telegrammoder Allegrostruktur derartige Akkusativtendenzen auch in der Erwachsenensprache findet (Gehen nachmittag wollen wir nichts wir anderes Fußball als schauen1. gartensitzen) - Beute stehen wohl nicht im Widerspruch dazu, sondern sind entweder als Übergeneralisierung zu einer vertrauten, in der Mehrzahl der Fälle unmarkierten Struktur zu sehen, oder aber sie geben Zeugnis von einer "Akkusativierungstendenz" (Weisgerber 1958), die nicht nur für die Informationsstruktur von Texten gewisse Vorteile zeitigt, sondern die auch nach Weisgerber mit einer Konzeptionsänderung - 27 Sinne einer totaleren Bewältigung der Dinge, die durch das Objekt referiert werden, einhergeht (Weisgerber 1958; Kolb 1960). Dies alles läßt uns nicht nur das Desiderat sehen, die prädikatsfähigen Wörter des Deutschen hinsichtlich grammatischer Merkmale wie Transitivität auf ihre semantischen Eigenschaften hin zu untersuchen, sondern auch darfauf, daß der Valenzbegriff mit einiger struktureller Fruchtbarkeit nicht über den Parameter der syntaktischen Wertigkeit, sondern über den der semantischen Wertigkeit zu prüfen ist. Der syntaktische Valenzbegriff trägt nur zur Charakterisierung des Verblexikons bei. Verfahren wir innerhalb einer Valenztheorie auch Aussagen über die syntaktische Satzstruktur in einem generativgrammatischen Sinne, vermag dieser Valenzbegriff wenig Sicheres zu leisten und bleibt somit ohne fundierende Bedeutung. Es wäre nicht überraschend, wenn man in empirischen Unter- suchungen der Sprechsprache feststellen könnte, daß (alle?) Grenzziehungen zwischen Erzählstrukturen mit vorwiegend Vordergrundstatus und solchen mit vorwiegend Hintergrundstatus mit Hilfe linguistischer Zeichen signalisiert würden. Enkvist (Vortrag Groningen 1980) hat die in diesen Zusammenhang zu stellen Beobachtung gemacht, daß pa im altenglischen Beowulf ein Signal hoher Aktivität ist. Es häuft sich dort, wo der Höhepunkt der dramatischen Schilderung erreicht wird (etwa bei Beowulfs Kampf mit Grendl). Die nächsten beiden Wortstellungsprinzipien für eine Textstruktur lassen sich unter dem Begriff des Ikonismus zusammenfassen. - 28 4.4. Erfahrungsikonismus. Dieser Begriff bezeichnet die Strategie, daß die Abfolgestruktur eines Satzes unsere Erfahrung der Welt spiegelt. Wenn möglich wird also der Text so produziert, daß er ein Abbild des linearen Ablaufs der Ereignisse ist (Enkvist 1980; Genette 1980; Posner 1980). Die unmarkierte Abfolge der Mitteilungsschwerpunkte demnach z.B. den Unfall vor dem Abtransport ins Krankenhaus serialisieren und nicht umgekehrt. Dieses Prinzip ist übrigens in der Psycholinguistik schon früher im Zusammenhang mit Spracherwerbsprioritäten bei der Erlernung von fernsprachen und lokalen Präpositionen, Adverbien und Konjunktionen formuliert worden (Clark 1970; Bever 1970). Ein anderes Prinzip sieht die Serialisierung im Raum beginnend vom Kleinen, Spezifischten hin zum Großen, Allgemeinen vor: (8) sich auf einer im Rathauspark Bank unter der Laterne beim Teich, niedersetzen wird hinsichtlich der Lokaladverbien normalerweise keine andere Reihung erlaubt. Andere Ikonismen schließlich scheinen sozial bedingt zu sein. Sie sind nicht nur rein sprachliche Idiome, sondern spiegeln gesellschaftliche Übereinkünfte. So wird man in einem Text im allgemeinen verheiratet sein vor Kinder kriegen reihen und in der Anrede Damen vor den Herren und nicht umgekehrt. 5. Textueller Ikonismus. Ich beschränke mich hier auf Andeutungen der Scheidung tex- - 29 tikonischer Charakteristika (zu einer ausführlicheren Einführung, vor allem auf der Schreibungsebene der Syntax, der Semantik und der Pragmatik vgl. Posner 1980). Zu diesem Prinzip zählt Behaghels Gesetz der wachsenden Glieder (Behaghel 1909), dem die neue enprinciple glische Grammatik von Quirk et al. das Äquivalent des of end-weight ("heavy and fat things last") nach formuliert, bzw. das 1. Gesetz von Behaghel, "daß das geistig eng Zusammengehörige auch eng zusammengestellt wird" (Behaghel 1923-1932, Bd. 4: 4 ) . Ein anderes derartiges Prinzip scheint mit der Verbvalenz zu tun haben: Verben des Legens, Setzens und Stellens binden besonders eng (inhärent) Lokalergänzungen an sich, die nur in besonders motivierten Fällen topikalisiert und damit aus der rhemaindizierenden Positiven entfernt werden können. Bei den folgenden Beispielen ist zu beachten, daß es sich um Rezepttexte handelt! (9) Schäle, fülle entkerne sie in und zerteile eine Kuchenform. genügend * Zur Seite Apfel stelle und sie dann. ?? In einen spalten Topf fülle zu bedecken, genügend ... Wasser, um die Apfel- - 30 5. Kontrolleiqenschaften von Satzcrliedern in der (Kevised) extended Standard Theory. In Chomsky (1980)- werden für das Encrlische eine Reihe von Kontroll- eiaenschaften diskutiert, die sich in abgeleiteter Form auf grammatische Relationen beziehen. Es handelt sich um die soaenannten mitverstandenen Subjektformen in Objekt- und Subjektinfinitiven. Hierfür sind folaende Zusammenh^.nae für eine Satzarammatik nostuliert worden: (a) In finiten Nebensätzen kommen keine RRO^Subjekte vor; dies wird crerechtferticrt durch die "Nominativinselbeschr^nkuna" (nominative island constraint) . (b) Es kommen keine PRO^Objekte vor, für die es Antezedente im Matrixsatz aibt; dies>"-wird aerechtfertiat durch die Opaz it '"it sbed incrung. (c) Ein PRO-Subjekt ist in der überwieaenden Zahl der FM,lle gebunden durch ein MP im Matrixsatz; dies folat aus der Beschränkung, nach der ungebundene Anaphern unmöqlich sind. Dazu nimmt Chomsky an, da" PRO-Elemente den Status von Anaphern (also von Reflexiven, Reziproken, nicht jedoch von Pronomina!) haben. Chomsky selbst hat die emnirisch unerwünschten Konsequenzen dieser seiner vor allem theoriegebundenen Annahmen erkannt und in Chomsky (.1981a) eine Modellannassuna vorgenommen, die den folaenden sprachlichen Erscheinunqen besser crerecht wird: (d) PRO-Subjekte können im Geqensatz zu anderen anaphorischen Flementen ohne Antezedens vorkommen. (e) Im Reaensatz zur Festleguncr des Antezedens anderer anaohorischer Formen wird das Antezedens für das PRO-Subjekt auch lexikalisch durch das .Matrixverb zusammen mit Verben in der Infinitvkonstruktion selbst bestimmt. (_f) Das- Antezedens für das PRO-Subjekt braucht das PRO-Subjekt selbst nicht zu c-kommandieren - dies im Gegensatz zu allen anderen anaphorischen Elementen, (g) Bei PRO-Subjekten sind "gespaltene" Antezedenten möglich, nicht so jedoch bei anderen anaphorischen Elementen, (h) Im Gegensatz zu anderen anaphorischen Elementen können PRO-Objekte kein Antezedens im eigenen Gliedsatz haben. - 31 Auch diese auf bestimmten empirischen Beobachtungen fußenden theoretischen Annahmen haben Konsequenzen, die mit bestimmten sprachlichen Erscheinungen unverträglich sind (van Haaften 1980). Ich gehe hier nicht weiter darauf ein, da es am Status "Satzglied" der Elemente, die in diesen Kontrollbeziehungen fungieren, nichts ändert. Hinzuweisen freilich ist auf den vor allem durch Wortstellungseigenschaften ausgezeichneten grammatischen Status des Subjekts im Englischen, der sich dadurch grundlegend von dem im Deutschen unterscheidet. D.H. auch Cgerade wegen?) so stark theorieabhängiger Kontrolleigenschaften der diskutierten Art sind satzgliedtypologische Unterschiede deutlich, d.h. mit großer Präzision und großem Unterscheidungsgewicht auszumachen. Eine weitere Kontrolleigenschaft von Konstituenten mit Satzgliedstatus kann anhand der folgenden Beispielsätze abgeleitet werden. (1) JPaul. hat Sonja, ein Hündchen versprochen Jmit dem PRO. , spielen kannl1 Paul hat Sonja ein Hündchen zum Spielen versprochen. (2) JPaul. hat Sonja versprochen JPRO. zu kommenll Van Haaften (1980) hat darauf aufmerksam gemacht, daß in (1) eine Nominalkonstituente wie Sonja nicht notwendigerweise kore- ferentiell mit dem Infinitivsubjekt verstanden werden muß. In (2) hingegen gibt es keine andere Interpretation: Paul muß ko- referent mit dem Infinitivsubjekt sein. Wenn diese Beobachtung generalisierbar ist, so gilt, daß die Interpretation von PRO in Gerundialkonstruktionen wie in (1), die mit gutem Grund im Deutschen als "Relativinfinitive" bezeichnet werden können, frei ist, die in Objektinfinitiven wie in (2) jedoch gebunden ist. Und dies erlaubt möglicherweise den Schluß, daß diese freie PROInterpretation mit dem Attributstatus des Gerundiums in der Basisstruktur) zu tun hat, die gebundene (Infinitivs Interpretation von PRO jedoch mit dem DO-Status des Infinitivs: In (1) ist der Infinitiv nur Struktur t e i l des DO Hündchen, in (2) deckt er die grammatische Relation DO zur Gänze ab. Je nachdem ob wir für PRO in (1) freie oder gebundene Inter- - 32 pretation annehmen, ändert sich mit der Antezedensfestlegung auch die Kontrollrelation. Das Verb versprechen legt sein Subjekt auf die Ausführung des Versprechens fest. Dies bedeutet, daß in (2) das NP Paul, das Subjekt von versprechen, PRO kontrollieren muß. In (1) dagegen ist das Subjekt Paul verantwortlich dafür, daß Sonja (10, das Hündchen \L'mit , .. dem ," sie . spielen ., , f d ' Rezipient) * kannj zukommt. In dieser gebundenen Interpretation von (1) soll nicht Paul, sondern Sonja mit dem Hund spielen; d.h. es liegt keine derartige Kontrolle wie in (2) vor. Die Beispiele scheinen über den Unterschied von Attributinfinitiv (Relativinfinitiv) und D0Infinitiv hinaus zu zeigen, daß auch die Bedeutung des Matrixprädikats entscheidend zur Interpretation des PRO-Subjekts (jedenfalls in den besprochenen Konstruktionen) beiträgt. Diese Art, über die Distribution von Kontrolleigenschaften den Subjekt- und^.Objektstatus zu umreißen, läßt sich im Infinitivvereich mit adverbial aufzufassenden Infinitiven fortsetzen. (3) Paul stellte Horst ein Bein, um ihn zu Fall zu bringen. rm der Absicht PR0J ihn. Paul,1 stellte Horst,1 ein Bein Jin /.mIT. ( it•,••)- der Erwartung zu Fall zu bringen. Diese Infinitivkonstruktion mit kausaler Bedeutung (herkömmlich auch "Finalsatz mit um-Einleitung") läßt sich als Adverbialkonstituente zum Subjekt deuten. Für das mitverstandene, unausgedrückte Subjekt des Adverbialinfinitivs gilt hier wie in einer Reihe von anderen Beispielen, daß es koreferentiell mit dem Subjekt des Matrixsatzes sein muß. Sätze wie (4) zeigen jedoch ebenso Koreferenz zum Objekt des Matrixsatzes. (4) Ich trieb die Klasse, an PRO- ihre 0 3 Ubunqen besser zu machen. Die beiden Interpretationen können auch gemeinsam in einer Satzform vorliegen. (5) Cäsar schickte Legaten aus, um die Ordnung wiederherzustellen. C. schickte Legaten, aus PRO C. schickte Legaten, aus in/mit der Absicht, daß er./sie. ... - 33 Derartige Satzgliedbezüge scheinen aber auf die Subjekt- und DO-Relati,on beschränkt zu s.ein. D.h. die koreferentiellen Zusammenhänge sind (im Anschluß an (e) oben) wohl u.a. von der Semantik des Matrixverbs abhängig, aber auf eine spezifische Weise: Definiert das Verb in seinen Selektionsregeln ein Dativobjekt ein oder ein 10 (was möglicherweise mit der Verbeigenschaft [-Tätigkeit] zu tun hat), dann ist Koreferenz zu diesen Satzgliedern ausgeschlossen. (6) Er übergab ihr den Eunuchen, um für zu ihre Sicherheit sorgen. (7) Er vertraute Sicherheit (8) Er lieft, nicht sie zu sie dem Eunuchen an, um für ihre sorgen. durch den Mann begleiten, um ihrem Ruf zu schaden. Die jeweiligen-Matrixdative können in'der Interpretation des Adverbialinfinitivs nicht als Subjekte auftauchen. Daß dies wie gesagt stark mit dem morphologischen Rektionssignal (Rektionskasus) zusammenhängt und nicht allein von der semantischen Verbklassenzugehörigkeit abhängt, zeigt das Niederländische. (9) Hij heeft haar aan de Haremswächter toevertrouwd,• om voor haar veiligheid (10) Hij liet niet te (11) Hij liet haar zijn te v.- zorgen. man volgen,om haar goede naam schaden. haar door de man begeleideniom in diskrediet te haar niet brengen. Im Unterschied zum Deutschen können die mitverstandenen Subjekte in den ndl. Infinitivsätzen jeweils auch koreferent mit den 10s der Matrixsätze gelesen werden. - 34 6. Die Beiträge in diesem Band. In der Universalienforschung keenanscher Prägung bzw. in der Relationsgramitiatik (1977 Perlmutter und Postal) geht man in Anbetracht der stark unterschiedlichen syntaktischen Strukturen sowie der Tatsache, daß Verallgemeinerungen über oberflächliche Kodierungseigenschaften wie Kongruenz, Rektion und verbales Genus in den verschiedenen Sprachen nur sehr begrenzt möglich sind, von Funktionen wie den Satzgliedern als Basiselementen aus. Diese erhalten bei Postal und Perlmutter sogar primitiven (Term-) Charakter (vgl. Abraham 1978). Ausgangsüberlegung ist (Perlmutter und Postal 1977), daß es keine strukturelle Eigenschaft oder oberflächliche Kodierungseigenschaft gibt, die Satzglieder wie Subjekt, indirektes Objekt oder direktes Objekt über alle Sprachen hin in einheitlicher Weise auszeichnet. Damit ist freilich noch nichts über den Primitivenstatus einzelner Satzglieder (oder aller gleichermaßen) in den Einzelsprachen ausgesagt: Reis (in diesem Band) weist ausdrücklich auf den Sonderstatus des Subjekts im Deutschen hin. Und die einzelnen Aufsätze in diesem Band fundieren ihre Ergebnisse ausschließlich auf deutschem Material ohne Rückbezug auf universell-typologisch gemeinsame Nenner (i.U. also etwa zum abstrakten Subjektbegriff Keenans (1976))'. Bechert allerdings entwickelt in seinem diesen Band eröffnenden Aufsatz eine solche allgemeine Typologie. Dabei handelt es sich um die Beobachtung, daß bestimmte Eigenschaften kategorialer Art (wie Belebtheit :Unbelebthe it , Subj.:DO:IO, Agens:Patiens, definite NP:indefinite NP, perfektischer:imperfektischer Aspekt, Präsens Präteritum, statische:dynamische Verben, Thema:Rhema) über eine große Zahl von Sprachen hin typische Anteile an diesen Oppositionspaaren erkennen lassen und zwar nach Maßgabe der funktionstypologischen Unterscheidung von Nominativ- und Ergativsprachen. Bechert spricht dabei von Affinitäten. Die Gemeinsamkeiten der Nominativsystemaffinitäten sieht Bechert nur im pragmatischen Bezug auf den Sprecher (belebt, Subjekt, definit, Thema usw.), die des Ergativsystems auf den Nichtsprecher (unbelebt, Objekt, Rhema, indefinit). In Bezug auf die Sprechsituation und die logische Unterscheidung zwischen Identifikation und Prädikation ist die erste Affinität unmarkiert (egozentrisch, "ich-zuerst"), die zweite markiert. Dazu situiert Bechert ein drittes System: das Dativsystem (mit den kategorialen Eigenschaften 10, Experiencer, verba sentiendi, Perfekt und dem verbalen Genus Medium). - 35 Die diskurspragmatischen Oppositionen zwischen diesen 3 Systemen, die sich auch in den historischen Sprachstufen verfolgen lassen, manifestieren sich etwas vergröbert in dem Bezugssystem "Sprecher : Interaktion Sprecher/Hörer : Kontext der Sprechsituation". In diesem Sinne betreffen Becherts Überlegungen einmal dasjenige, was bei Zubin diskurspragmatisch speziell fürs Deutsche ausgedeutet erscheint, indirekt aber natürlich die Grundannahmen schlechthin, die zu diesem Band führten: nämlich die Frage nach den einzelsprachlich differenzierten, aber allgemeintypologisch begründeten Zusammenhängen kategorialer Information auf allen Ebenen der sprachlichen Beschreibung. Wo das Deutsche - ihm ähnlich übrigens das Spanische im Unterschied zu den anderen romanischen Sprachen - zwischen Sprachen mit weitgehend freier Wortstellung (wie den slawischen) und solchen mit relativ stark eingeschränkter Wortstellung genau steht, versucht Sgall in seinem Beitrag näher, vor allem im Vergleich zum Tschechischen und Englischen zu bestimmen. Die Kriterien, die beim Vergleich eine Rolle spielen, sind Topikalisierung (Voranstellung), Thematisierung (Themawiederaufnahme), Fokus (Aufmerksamkeitszentrum) und damit zusammenhängend Intonations- und Akzenteigenschaften des Satzes sowie semantische Valenzeigenschaften (semantische Rollen oder Tiefenkasus) . An die Stelle der bislang nicht schlüssigen und immer wieder unkorrekten syntaktischen Transformationsproben zur Valenzerhebung setzt Sgall das Prinzip des Fragetests: eines Fragetests nach den Aktanten des Prädikats, in dem zwischen Sprecher- und Hörerinformation bzw. äußerungsunabhängigem Sprachwissen (Wissen um die allgemeine Bedeutung des Verbs) und diskurskontrolliertem Wissen (das u.U. teilweise in Äußerungen unterdrückt werden kann) unterschieden wird. Der Frage, was bei strukturellen Bewertungen von Sätzen im allgemeinen und der Wortstellung im besonderen Betonung für eine Rolle spielt, ist in der linguistischen Literatur mit seltener Einmütigkeit besondere Bedeutung zugemessen worden; wo jedoch neben der impliziten Rolle bei Akzeptabilitätsurteilen auch explizite Hinweise zum Ort des Betonungsverlaufs im deutschen Satz gemacht wurden (etwa auf die letzte Nominaleinheit im Satz), lassen sich, wie Höhle zeigt, leicht Gegenbeispiele finden, deren "Normalität" nicht geringer ist als die der definierenden Beispiele. Lenerz hat 1977 dazu in einer Arbeit, deren empirische Bedeutung für die deutsche Grammatik seit Behaghels Wortstellungsforschung noch gar nicht richtig abgeschätzt worden ist, fundamentale Zusammenhänge zwischen der Wortstellung von Nominalein- - 36 heiten im Satz und nominalen Eigenschaften bzw. Funktionen wie Satzgliedstatus, semantischer Rolle, Betonung, pronominalem oder vollnominalem Status, Thema und Rhema u.a. gefunden. Hohles Arbeit versteht sich zum einen als Kritik der bisherigen Verwendung des heuristischen Begriffs von "normaler" gegenüber "nichtnormaler" Betonung bzw. "normaler" im Unterschied zu "nichtnormaler" Wortstellung - und somit implizit auch als Schärfung der Ergebnisse zur topologischen Grammatik des Deutschen von Lenerz (1977). In dieser Kritik der bisherigen Literatur kommt Höhle zur Unterscheidung von stilistischer (heuristischintuitiv begründeter) normaler Wortstellung und strukturell (von einer festen, tiefenstrukturellen Abfolge ausgehender) normaler Wortfolge. Er verwirft den strukturellen als empirisch uninteressanten Begriff und fundiert den der stilistisch normalen Abfolge kontextpragmatisch: d.h. als .Äußerung, die unter der größten Anzahl von Kontexttypen gemacht werden kann. Auch Gadler bezieht sich auf die topologische Arbeit von Lenerz 1977 und zwar zentral.Gegenstand seiner Arbeit ist die Überprüfung des Beispielapparats von Lenerz unter stärker objektivierten Akzeptabilitätserhebungen. Zu z.T. anders lautenden Resultaten versucht Gadler funktionale Erklärungen. In einem zweiten Teil prüft der Autor anhand von Zeitungstexten den Anteil von Voranstellung bei stark rhematischen Satzteilen. Von den traditionell verbindlichen Satzgliedern ist in diesem Buch der des Subjekts einer besonders genauen Prüfung unterzogen worden. Reis diskutiert die das Subjekt fundierenden Eigenschaften auf den wesentlichen Beschreibungsebenen und gelangt aufgrund der gesichteten Distributiohseigenschaften des Funktionsbegriffs zu dem Schluß, daß "Subjekt" eine verzichtbare Beschreibungskategorie für das Deutsche ist. Der Begriff des Subjekts sei wegen seiner uneindeutigen Bestimmbarkeit auf semantischer und syntaktischer Ebene durch das morphologische Identifikat "Nominativ"nomen zu ersetzen. Bei der Erkennungsprozedur spielt aber offenbar folgende Strategie noch eine Rolle: (a) Sprich einem Nominativ die syntaktische Subjektrolle zu, außer (b) es handelt sich um einen Gleichsetzungsnominativ (Prädikatsnomen) ! - 37 Von anderen, noch eigens gekennzeichneten Nominativkonstituenten wie dem Identifikationsnominativ {Ich begleite dich als dein bester Freund) sehe ich hier ab - hier liegen j.a keine Dekodierdilemmen vor. Bei Reis kommt aber offenbar ein semantisch-referentielles Entscheidungskriterium ins Spiel, das sich anhand der folgenden Beispiele erklären läßt. (1) Peter ist (der) Anführer. (Ver) Anführer ist (der) Veter. Hierfür kann nun gelten, daß Anführer, nicht jedoch Veter schaftszuerkennende Qualitäten hat.D.h. eigen- es ist möglich, daß: Peter 3 Anführer es ist nicht möglich, daß: Anführer ^ Peter Erst bei gleichermaßen eigenschaftszusprechenden Nomina entsteht ein Dekodierdilemma. Dies ist natürlich nur der Fall bei freier Wortstellung wie im Deutschen, wo also das Subjekt nicht durch Wortstellung erkennbar wird. (2) Der Direktor ist der Anführer. Der Anführer ist der Direktor. Auch hier ist die Artikelwahl noch dekodierend: (3) ist im Vergleich zu (2) eindeutig. (3) Der Direktor ist (Ein) Anführer ist (ein) der Anführer. Direktor. Auch diese Argumente, die im Beitrag von Johansen zur Sprache kommen, sind nicht zwingend für den Termstatus von "Subjekt" als grammatischer Relation. Johansen kommt über eine Aufarbeitung verschiedener Definitionen des Begriffs "Subjekt" vor allem in der englischen und skandinavischen Literatur zu genau demselben Ergebnis für das Dänische wie Reis für das Deutsche, obwohl das Dänische in der Wortstellung eingeschränkter ist als das Deutsche und in der Kasusmorphologie weniger Differenzierungs- und damit Identifikationsmittel besitzt. Zubins Untersuchung (aus dem Jahre 1976) ergänzt die Überlegungen von Reis und Johansen zum Subjekt, weitet den Untersuchungs- •rl CU X! (0 p i tn c 0 T) ß CU 5 M CU > SH CU -P ß 3 TS ß 3 CO 03 •rl CU & XI U 1 co ro 1 m ß N ß CU 3 O1 CU SH Pu SH CD £1 •0 03 tn ß •rl T) SH CU rH rH (0 1 0 -P 3 m ß •H (U -p 03 •rl g :c0 ß ». 03 A; o :0 rl XI rH CO P (0 g 0) X! 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Die Arbeit ist vom Typ der kategorialen (typologischen, funktionalen und eben nicht transformationell-generativen) Linguistik und bietet aufgrund ihrer Materialorientierung eine gute Einführung in die Hauptgedanken der Relationsgrammatik (d.h. jener Grammatiktheorie, die von Satzgliedern als primitiven Begriffen ausgeht) . Lerot nimmt sich der (auch in der typologischen Grammatik) etwas vernachlässigten Präpositionalobjekte an: von Objekten also, deren Abhängigkeit vom Prädikat in erster Linie über die Rektion des Verbs inbezug auf eine bestimmte Präposition konstituiert wird, eventuell aber auch inbezug auf eine Entscheidung zur Kasusalternative mit der die Präposition die folgende Nominalkonstituente regiert. (Verb)n (Präp) (NP) Dabei stellt sich Lerot die anspruchsvolle Frage, weshalb gewisse Objekte gerade in Form von Präpositionalkomplexen, andere als rein kasusindizierte Objekte erscheinen, er versucht dazu systematische Antworten auf syntaktischer und semantischer Ebene und kommt aufgrund dieser Sichtung der Verbeigenschaften zu vor allem semantisch begründeten Verbalklassen. Ein in der deutschen Grammatikliteratur weithin kontrolversielles und in der modernen Syntax bisher ausgelassenes Thema untersucht Pütz mit den "Objektprädikaten". Es handelt sich dabei, wie der Name sagt, um Konstruktionen, die semantische Prädikationen zum Objekt sind, die sich syntaktisch jedoch als Adverbien oder postponierte Attribute darstellen. (1) Er bezeichnete (2) Er fühlte dies at's 'B'el'e'idigung. si'ah' gekränkt. Pütz kommt aufgrund syntaktischer Kontrollparaphrasen zum Schluß, daß sich diese Erscheinungen in zwei komplementäre Gruppen trennen lassen: eine, die sich durch Subjekthebung erklären läßt, und eine zweite, die durch eine •- qleiche'-NP-Tilgung entsteht. - 40 ANMERKUNGEN 1) Die letzten Charakteristika spielen ja in der generativen Grammatik erst eine Rolle, seit der Flexionsbegriff konstituentenstrukturell (über einen speziellen Dominanzbegriff, nämlich den der "Kommandierung" sowie eines Distanzbegriffs) definiert wurde (in Chomskys bisher unveröffentlichen, doch vielfältig kolportierten Vorträgen vom April 1980 in Pisa. Vergleiche dazu Hans Bennis und Anneke Groos 1980. In einer noch nicht so weit ausgearbeiteten Form erscheinen die Kasuszuordnungsregeln auch in Chomsky 1980, 1981a sowie 1981b.) 2) Chomskys Prinzip der C-Kommandierung (Chomsky 1980; 1981a; 1981b; Bennis und Groos 1980: 15f. ) reicht in flexionsreicheren Sprachen wie dem Deutschen bei weitem nicht für alle Fälle der verb-, adjektiv- und substantivabhängigen Kasuszuweisung aus. Eine Verfeinerung des Regelapparats innerhalb des chomskyschen Ansatzes bieten Reuland (1981) (zur Unterscheidung von reinen und präpositionalen Objekten) sowie v. Riemsdijk (1980) zur Adjektivrektion in komplexen Nominalattributen des Deutschen. Hiermit ist die KasusSystematik des Deutschen jedoch noch nicht abgedeckt: insbesonders fehlte ein Mechanismus zur Kasusverteilung zwischen direkten und indirekten Objekten. - All diese morphosyntaktischen Identifikatoren, wären sie einmal in die Revised Extended Standard Theory (REST) empirisch befriedigend eingebaut, erschöpfen natürlich noch nicht jene Strategien, derer sich die natürlichen Sprachen unter der Forderung der funktionalen Substantivdifferenzierung bedienen. Aber sie bedeuten einen ganz wesentlichen Schritt in Richtung einer empirisch befriedigenderen Syntaxtheorie. - 41 Literaturverweise "Tiefenstrukturkasus und ihre Oberflächenrealisation bei zweiwertigen Sätzen des Deutschen. Eine Skizze." Leuvense Bijdragen 61: 1-12. "Valence and case: Remarks on their contribution to the identification of grammatical relations." In: W. Abraham (hg.) 1978: 695-729. Abraham, W. (1972) (1978) (hg.) (1978) Valence 3 Semantic Case and Grammatical Relations. 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