Acela-Express - fern

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Acela-Express - fern
Acela-Express
Fern-Express 2/2009
Thomas Estler
Acela-Express
Am 11. Dezember 2000 nahm AMTRAK mit dem Acela-Express den ersten
fahrplanmäßigen Hochgeschwindigkeitsverkehr in den USA auf. Die schnellen Züge
verkehrten von nun an zwischen Washington DC, New York und Boston.
Allerdings setzte AMTRAK keine neue Idee
um. Schon seit dem 19. Jahrhundert war
es ein Ziel von Verkehrsplanern und
Bahngesellschaften, die Geschwindigkeiten im Reisezugverkehr in der am dichtesten bevölkerten Region des Landes signifikant anzuheben. Ende des 19. und Anfang
des 20. Jahrhunderts nahmen die USA eine Führungsrolle bei Bau und beim Betrieb
von Eisenbahnen ein. Eine Zeit lang war
die US-Bahnindustrie der größte Unternehmensbereich im Land mit dem
schnellsten Wirtschaftswachstum der Welt.
Zu ihrer Blütezeit beschäftigte sie mehr als
eine Million Menschen und umfasste
400.000 km an Strecken. Es ist keine
Übertreibung zu sagen, dass die USBahnen entscheidend dabei halfen, die
neue Nation aufzubauen und ihre Kultur zu
definieren. Zwar erhielten die Bahngesellschaften für den Bau neuer Strecken von
der Regierung Land und Steuererleichterungen, doch damit erschöpfte sich dann
in der Regel schon der staatliche Einfluss.
Die Bahngesellschaften blieben private
Wirtschaftsunternehmen, welche nicht von
der Regierung finanziert wurden.
Zu höheren Geschwindigkeiten
Die Pennsylvania Railroad gehörte zu einer der großen und leistungsfähigen Gesellschaften, die sich während des USamerikanischen Bahnboom gebildet hatten. Eine Zeit lang stellte sie sich in ihrer
Werbung mit dem Slogan als die »Standard Railroad of the World« dar, was
nichts anderes bedeutete, dass sie die
beste Bahn der Welt wäre und alle anderen ihr nacheifern sollten. Ob sie nun die
beste war oder auch nicht, die auch kurz
als »Pennsy« bezeichnete Bahngesellschaft war auf jeden Fall innovativ und mit
unternehmerischem Weitblick gesegnet. In
den 1930er Jahren setzte sie eines der
ehrgeizigsten Projekte jener Zeit um, nämlich die Elektrifizierung ihrer Strecke zwischen New York und der Bundeshauptstadt Washington. Dies kann als erster
Grundstein für den 60 Jahre später begonnenen Betrieb des Acela-Express betrachtet werden.
Die Elektrifizierung der PennsylvaniaHauptstrecke sowie einiger Vorortstrecken
um Philadelphia herum erlaubte nun kürzere Fahrzeiten und höhere Zugfolgen im
Reise- und im Güterzugdienst in der am
höchsten vom Zugverkehr belasteten Region der nordöstlichen USA. Zwar waren in
New York schon 1910 die vielen Tunnelzufahrten unter dem Hudson und dem East
River hindurch zur monumentalen »Pennsylvania Station« in Manhattan (New York)
mit Stromschiene (650 V=) elektrifiziert
worden. Doch keine zehn Kilometer weg
von der Pennsylvania Station übernahmen
wieder Dampfloks die Züge. Dies änderte
sich erst, als die mit 11 kV Wechselspannung gespeiste Oberleitung in den 1930er
Jahren errichtet wurde.
Bis Mitte der 1960er Jahre erfolgten keine
bedeutenden Änderungen im Reisezugverkehr mehr. Erst dann ließen die großen
Fortschritte beim Schienenverkehr vor allem in Japan und in Frankreich in den USA
Politiker und Unternehmen aufhorchen.
Vor allem der schnittige Shinkansen mit
seiner zeitfressenden Geschwindigkeit von
über 200 km/h zwischen Tokio und Osaka
sorgte für große Schlagzeilen. Hingegen
schlichen die Züge auf der einzigen elektrifizierten US-Hauptstrecke gerade mal mit
höchstens 144 km/h dahin, wurden von 30
Jahre alten Lokomotiven gezogen und
mussten mehr und mehr Fahrzeitverlängerungen auf Grund der sich zunehmend
mangels Wartung verschlechternden Infrastruktur hinnehmen.
Das HG-Verkehrsgesetz
Als Antwort auf diese internationalen Entwicklungen beschloss der amerikanische
Kongress 1965 das Gesetz über den bodennahen Hochgeschwindigkeitsverkehr
(High Speed Ground Transportation Act),
welches u.a. zum Aufbau einer Abteilung
»Schnellverkehr« führte und 90 Mio. US-$
für Forschung und Entwicklung auf dem
Gebiet des schnellen Transports am Boden zur Verfügung stellte. Ein Teil der Finanzmittel wurde in ein neues EisenbahnTestzentrum in Pueblo (Colorado) investiert, das immer noch existiert und heute
als »Transportation Technology Center
Inc.« (TTCI) von der Vereinigung der amerikanischen Eisenbahnen (Association of
American Railways) betrieben wird. Als
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einziges Zentrum seiner Art auf dem amerikanischen Kontinent wird das TTCI von
vielen fremden Bahnunternehmen und
Herstellern genutzt, um Geschwindigkeitsund Zuverlässigkeitstests für Reisezugund Güterwagen durchführen zu lassen.
Aber in den 1960er Jahren hatten bedeutende Fortschritte in der US-Bahntechnologie noch einen langen Weg vor sich.
Beispielsweise wurde 1966 im Rahmen eines Experiments eine Zwillings-Flugzeugturbine auf dem Dach eines alten BuddDieseltriebwagens vom Typ RDC3 installiert. Kaum begonnen wurde das Projekt
schon wieder beendet. Es glich mehr einem Stunt-Experiment als einem Testprogramm. Immerhin erreichte das als M-497
bezeichnete Fahrzeug bei einer seiner
Versuchsfahrten auf der New York Central-Strecke im nördlichen Ohio die beachtliche Geschwindigkeit von 293 km/h. Obwohl der M-497 nie wieder lief und bald
darauf verschrottet wurde, hielt er lange
Jahre den nordamerikanischen Geschwindigkeitsrekord für Schienenfahrzeuge.
Der Metroliner
Währenddessen arbeitete das amerikanische Verkehrsministerium auf eine praktikablere Umsetzung hin - einen Zug, der
als »Metroliner« bekannt werden sollte.
Ein Konsortium mit Westinghouse, General Electric, der Budd Company und der
Pennsylvania Railroad kreierte mit vereinten Kräften eine Flotte von 50 TriebwagenEinheiten aus rostfreiem Stahl. Eine leicht
modifizierte Einheit dieser Triebwagen erreichte eine Geschwindigkeit von 267 km/h
bei Testfahrten auf einem besonders präparierten Streckenabschnitt in New Jersey.
Bei ihren planmäßigen MetrolinerEinsätzen ab Januar 1969 fuhren diese
Triebwagen mit Geschwindigkeiten von
bis zu 176 km/h. Ab 1983 knackten die
Metroliner-Züge sogar die 200-km/hMarke, als sie auf lokbespannte Züge
mit eher konventionellen Wagen umgestellt worden waren.
In den 1960er Jahren befand sich der Reisezugverkehr in USA im freien Fall und so
wollten die privaten US-Bahngesellschaften vor allem von ihrem verlustbringenden
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Reisezugverkehr entbunden werden. Um diesem Wunsch zu genügen, rief der Kongress mit dem
Gesetz über den Reisezugverkehr
von 1970 die National Railroad
Passenger Corporation ins Leben.
Die neue staatliche Bahngesellschaft
erhielt
den
Namen
AMTRAK, eine Kontraktion von
»American travel on track«. Sie
nahm am 1. Mai 1971 den Betrieb
auf.
Die Metroliner gehörten zu den
Zügen, welche den gerade flügge
werdenden Vogel AMTRAK vom
ersten Tag an begleiteten. Sie
galten als die erfolgreichsten USReisezüge, weil sie relativ schnell
unterwegs waren, entsprechend
häufig fuhren und eine Marktnische zwischen ihren Endpunkten
New York und Washington DC
besetzten. Die Hauptkonkurrenz
für die aus vorwiegend Geschäfts- Der Budd-Triebwagen M-497 der New York Central mit seiner Zwillings-Flugzeugturbine
reisenden bestehende Kund- brachte immerhin 293 km/h auf die Schiene. (Sammlung Thomas Estler)
schaft waren die »Shuttle-«Flüge zwischen de schließlich durch das Umsetzen des schleunigungsvermögen und Bremssystem besitzen sowie die Fähigkeit, die zahldem damaligen National Airport in Washing- NEHRIP erfüllt.
reichen Kurven des NEC mit höheren Geton und New Yorks La Guardia-Flughafen.
In den frühen 1990er Jahren drängte der schwindigkeiten als herkömmliche Züge zu
Schon damals litt der Nordostkorridor damalige AMTRAK-Chef, W. Graham durchfahren. Dies erforderte somit zwin(North-East-Corridor - NEC) zwischen Wa- Claytor jr., die Mitglieder des Kongresses, gend die Ausrüstung mit Neigetechnik.
shington DC, New York und Boston als die AMTRAK die nötigen Finanzmittel zu ge- Aber eine Anforderung an die neuen Züge
am dichtesten bevölkerte Region in den ben, um Elektrifizierung von New Haven war so noch nie da gewesen: Einen AufUSA unter schnell zunehmenden Ver- nach Boston fortzuführen und um gleich- prallwiderstand zu gewährleisten, der weit
kehrsproblemen sowohl am Boden als zeitig Gleise, Signale und die übrige Infra- über dem damals weltweit Üblichen lag.
auch in der Luft. Offensichtlich bestand ein struktur zu modernisieren. 1992 hielt er Der Führerstand des neuen Zuges sollte
Bedarf an mehr und besseren Transport- zusammen mit US-Senator Frank Lauten- noch einen Längsdruck von 544.310 kg
möglichkeiten in diesem Nadelöhr. Um hier berg, Vorsitzender des Senatbewilligungs- aushalten können, mehr als doppelt so viel
signifikante Verbesserungen zu erreichen, ausschuss, eine Pressekonferenz in New wie der internationale Standard vorschrieb.
wurde das so genannte »Northeast High Yorks Pennsylvania Station. Sie gaben
Speed
Rail
Improvement
Project« den NEHRIP-Plan bekannt, der 1,2 Mrd. Am 15. März 1996 gab AMTRAKs Präsi(NEHRIP) ins Leben gerufen. Der NEC ist US-$ an Bundesmitteln für Infrastruktur- dent Thomas M. Downs bekannt: Das Kondie am dichtesten mit Fernreisezügen verbesserungen an der Strecke New York - sortium von Alstom und Bombardier war als
belegte Strecke Amerikas. Während der Boston zur Verfügung stellen würde. Aber Hersteller von AMTRAKs neuem Hochgeseit den 1930er Jahren mit Wechsel- noch mehr als die Infrastrukturverbesse- schwindigkeitszug ausgewählt worden. Das
strom elektrifizierten Südabschnitt Wa- rungen wollten Lautenberg und Claytor ei- Konsortium erhielt den Auftrag, 18 Einheishington - New York der PRR gehörte, ne technische Studie über einen Hochge- ten (später erhöht auf 20) von Hochwar die New York, New Haven & Hart- schwindigkeitszug für Amerika. Diese Un- geschwindigkeits-Triebzügen und 15 exford Railroad (kurz: New Haven) auf dem tersuchung führte sieben Jahre später tat- trem leistungsstarke herkömmliche elektriihr eigenen Nordabschnitt New York - sächlich zur Einführung des Acela- sche Lokomotiven zu bauen. Die AusliefeBoston schon 20 Jahre früher mit elektri- Express, doch leider starb Claytor schon rung der neuen Fahrzeuge sollte ab Anfang
scher Zugförderung aktiv geworden. Ihr 1994, lange bevor sein Traum verwirklicht 1999 erfolgen. Im Paket inbegriffen war ferFahrdraht endete allerdings schon in werden konnte.
ner der Bau von drei neuen Wartungs- und
Servicezentren für die neuen Züge, je eines
New Haven, Connecticut, wo von Elektro- auf Dampf- und später Diesellok
in Washington DC, in New York und in Bosumgespannt werden musste. Damit blie- Neue Spezifikationen
ton. Insgesamt war es ein sehr umfangreicher Auftrag, welcher den Entwurf, den Bau
ben mehr als zwei Drittel des eher ungünstig trassierten, aus dem 19. Jahrhundert Als AMTRAK 1993 zur Abgabe von Ange- und die Erprobung von neuen Hochgestammenden Streckenverlaufs zwischen boten zum Bau des neuen, noch namenlo- schwindigkeitszügen ausschließlich für die
New York und Boston ohne Fahrdraht. sen Hochgeschwindigkeitszuges aufforder- Bahninfrastruktur der USA beinhaltete. Der
Dieser Streckenabschnitt war dann zwar te, kristallisierten sich schnell drei qualifi- Handel wurde durch ein Darlehen an
häufig als Anwärter für das Installieren ei- zierte Bieter heraus: ABB, Siemens sowie AMTRAK besiegelt, welches die rund 850
ner Fahrleitung im Gespräch, aber die feh- ein Konsortium von Bombardier und Mio. US-$ zur Verfügung stellte, die benölende Finanzierung hatte dieses Vorhaben Alstom. Obwohl in der Ausschreibung tigt wurden, um den Bau der Züge und der
immer wieder verhindert. Um die Ge- durchaus Ähnlichkeiten mit schon existie- Wartungsanlagen zu finanzieren.
schwindigkeiten zu erhöhen, die Fahrzei- renden Zügen vorhanden waren, gab es
ten zu verkürzen und einen leistungsfähi- doch Spezifikationen, die so noch nirgends AMTRAKs Acela war vor allem als erhebligen Betrieb zu ermöglichen, musste aber auf der Welt gefordert worden waren. Die che Verbesserung zu vorhandenen herdie Elektrifizierung über New Haven hin- Züge sollten als Zweirichtungsfahrzeuge kömmlichen Zügen auf herkömmlichen
ausgeführt werden. Diese Forderung wur- ausgelegt sein, ein hervorragendes Be- Strecken gedacht. Im Gegensatz zu Eu-
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Überholung in Newark/NJ Intl. Airport 06.07.08. (beide Aufnahme: Chr. Grimm, Aufnahme oben: Juli 2008, unten: September 2007)
ACELA 2004 erreicht am 19.09.07 Washington Union Station. Dies Foto ist nur in Begleitung der AMTRAK Police möglich!
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vember 2000 in die Top-News, als er
seine Jungfernfahrt von Washington DC
nach Boston unternahm. Schließlich besaßen nun auch die USA einen Hochgeschwindigkeitszug, auf den sie stolz
sein konnten, und in den AMTRAK große Hoffnung setzte als eine »Wunderwaffe« in einem der betriebsamsten und
von harter Konkurrenz umkämpftesten
Reisemärkte der Welt.
Die Züge
Acela 2021 bei der Wartung im Betriebswerk. (xxx)
ropa und Japan sowie ohne eine klare politische Linie zum Hochgeschwindigkeitsverkehr auf der Schiene mussten in den
USA vor allem wirtschaftliche und praktische Erwägungen berücksichtigt werden.
Daher musste der Acela-Express in der
Lage, eine Trasse zu nutzen, die im 19.
Jahrhundert gebaut worden war und nicht
eine Neubaustrecke, wie sie dem französischen TGV oder dem japanischen Shinkansen zur Verfügung stand. Gleise, Signaleinrichtungen und Stromversorgung
mussten modernisiert und in einen guten
Unterhaltungszustand versetzt werden, um
den neuen leistungsstarken Fähigkeiten
des Zuges zu genügen. Betonschwellen
und geschweißte Gleise waren bereits in
den 1980er Jahren auf einigen Abschnitten
des NEC installiert worden, aber eine
Menge Lücken mussten noch gestopft
werden. Das NEHRIP-Projekt zur Elektrifizierung und Modernisierung des Abschnitts New Haven - Boston machte
schnelle Fortschritte, während das Konsortium mit der Fertigung des wagenbaulichen Teils des Acela-Express in La Pocatiere, Kanada begann. Die Endmontage
der Triebzüge erfolgte in Barre, Vermont,
während die neuen Lokomotiven in Plattsburgh, New York, Gestalt annahmen. Es
war ein Rennen gegen die Uhr, die Trasse
zu modernisieren und genügend Triebzüge
zu liefern, um den Start des Acela im Jahr
1999 halten zu können.
Anfang 1999 gab es eine kleine Kontroverse über die Ausführung der wagenbaulichen Teile, die angeblich 10 Zentimeter
(4 Zoll) breiter als vorgegeben hergestellt
wurden. In einigen Abschnitten des NEC
musste daher aufgrund des Lichtraumprofils die maximal zulässige Neigung von 6,5
auf 4,2 Grad verringert werden. Bombardier und AMTRAK führten aus, dass dies
keine spürbaren Auswirkungen auf die
Fahrplangestaltung hätte. Die erste fertig
gestellte Einheit unternahm ab Mitte 1999
ihre ersten Gehversuche im Transportation
Test Center in Pueblo (Colorado). Eine
zweite Einheit hingegen führte Testfahrten
auf dem NEC durch. Eigentlich sollten die
ersten Züge Ende 1999 den fahrplanmäßigen Betrieb aufnehmen. Diverse technische Probleme wie
u.a. übermäßige Radreifenabnutzung, defekte Schrauben und
Bolzen sowie viele
andere »Kleinigkeiten« verzögerten die
Inbetriebnahme ein
um das andere Mal.
Die wenigen unregelmäßigen AcelaDienste zwischen Washington DC, New
York und Boston zogen ab 11. Dezember 2000 trotz allem große Menschenmengen in ihrem Bann. Mit den beiden
schnittigen, 4.474 kW starken Triebköpfen und sechs Sitzwagen dazwischen
waren dies Züge, die man so nie zuvor
in den USA gesehen hatte. Vier Wagen
der »Business«-Klasse (2. Klasse), ein
Wagen der 1. Klasse und ein CafeteriaWagen boten insgesamt 304 Sitzplätze.
Die großen Fenster, die hervorragende
Innenbeleuchtung, geräumige, attraktive
Toiletten, elektrische Anschlüsse an jedem
Sitz, Sitzplatzservice in der 1. Klasse und
die ruhige, fast schwebende Fahrt bei Geschwindigkeiten von bis zu 240 km/h beeindruckten die Fahrgäste sofort über alle
Maßen.
Schon am 9. März
1999 hatte der Chef
von
AMTRAK,
George Warrington,
einer
auserlesen
Gruppe von Angestellter in New York
City verkündet, dass
die neuen Züge »Acela« heißen sollten.
Dieses Kunstwort basierte auf einer Kombination der Wörter
»acceleration« (Beschleunigung)
und
»excellence«
(herausragende
Leistung). Ein großer
Bildschirm zeigte den
ersten neuen Triebzug, wie er langsam
aus der Werkshalle in
Vermont rollte. Die
Medien
erwähnten
zwar das Ereignis,
aber der Acela gelangte erst im No- Acela 2020 überquert eine sehenswerte Brücke
(Aufnahme Bombardier Transportation)
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Die Triebköpfe basieren auf der TGVTechnologie der dritten Generation. Der
Haupttransformator ist unterflur angebracht. In jedem Triebdrehgestell ruht ein
Inverter
mit
wassergekühlter
GTOTechnologie. Die Inverter liefern den Drehstrom für die asynchron arbeitenden Induktionsmotoren. Mit den regenerativen
Bremsen kann jeder Triebkopf 3.000 kW
Bremsenergie entwickeln. Die sechs Mittelwagen sind mit aktiver Neigetechnik
ausgerüstet, die auf dem bewährten System der LRC-Züge von Bombardier basiert. Das Neigesystem erreicht seine volle
Funktionalität bei Geschwindigkeiten ab
100 km/h. Die Drehgestelle entsprechen in
etwa der TGV-Standardausführung mit geschweißtem H-förmigem Stahlrahmen. Im
Gegensatz zum TGV sitzen auf jedem
Radsatz nur drei Bremsscheiben (TGV:
vier). Wie beim TGV üblich ist die Primärfederung mit Schraubenfedern und die Sekundärfederung pneumatisch ausgeführt.
Die hydraulische Neigeeinrichtung wird bei
jedem Mittelwagen durch eine unterflur
angebrachte Steuereinheit aktiviert, welche unabhängig von den anderen Wagen
arbeitet. Die Neigefunktionen selbst werden durch Hauptneigeregler in den Triebköpfen gesteuert. Die Triebköpfe besitzen
keine Neigeeinrichtung.
Die Wagenkastenkonstruktion besteht aus
rostfreiem Stahl und wurde so konzipiert,
um auch einen extrem heftigen Aufprall zu
überstehen. Neben den beim TGV üblichen Knautschzonen entspricht der AcelaExpress zusätzlich den neuesten amerikanischen Festigkeitsbestimmungen, welche
als die weltweit härtesten angesehen werden. Unter dem Wagenboden wird die
Ausrüstung durch verstärkte Verkleidungen geschützt, womit vor allem in städtischen Bereichen die Gefahr durch auf den
Schienen herumliegende Einkaufswagen,
Autoreifen oder ähnliche Dinge minimiert
ist. Der Nachteil dieser extremen passiven
Sicherheitsstandards liegt im erheblich höheren Gewicht des Zuges verglichen mit
der weltweit üblichen Praxis im Hochgeschwindigkeitsverkehr. Der Acela ist über
45 % schwerer als ein normaler TGV.
Gleich drei Stromsysteme muss der AcelaExpress auf einer Fahrt von Washington
nach Boston bewältigten:
12 kV / 25 Hz von Washington nach
New York
12 kV / 60 Hz von New York City nach
New Haven
25 kV / 60 Hz von New Haven nach
Boston
Der Stromsystemwechsel erfolgt automatisch ohne Verringerung der Geschwindigkeit und ohne Unterbrechungen im Sekundärstromkreis, welcher Licht, Klimaanlage
usw. versorgt. Eine Änderung beim Stromsystem wird dem Zug rechtzeitig durch an
der Strecke installierte Transponder signalisiert, um den Haupttransformator auf das
neue System einzuregeln.
Der Betrieb
Der Acela-Express verkürzte die Reisezeit
zwischen Boston und New York von vier
bis fünf Stunden auf 3 Std. und 23 Min. Eine
Viertelstunde Ersparnis war zwischen New
York und Washington drin, von seither drei
Stunden auf 2 Std. und 45 Minuten.
Als höchste Geschwindigkeit erreicht der
Acela-Express auf zwei insgesamt 29 km
langen Abschnitten in Rhode Island und in
Massachusetts 241 km/h. Nördlich von
New Haven sind auf den zahlreichen modernisierten Abschnitten Geschwindigkeiten von 177 km/h bzw. 201 km/h möglich.
Südlich von New York darf der AcelaExpress maximal mit 217 km/h fahren,
wobei viele Abschnitte auf 201 km/h begrenzt sind. Obgleich hier die Gleise in einigen Bereichen für 241 km/h gerade genug wären, lässt die während der großen
Depression erbaute Oberleitung keine Geschwindigkeit über 217 km/h zu. Diese ist
nicht so gleichmäßig straff gespannt wie die
neue Oberleitung östlich von New Haven.
Das langsamste Teilstück des elektrifizierten NEC ist der Abschnitt zwischen New
Haven und New Rochelle, der sich im Besitz der Metro-North Railroad und des
Connecticut Department of Transportation
befindet. Die Züge dürfen hier auf einem
sechs Kilometer langen Abschnitt nur
145 km/h fahren und werden an der Bundesstaatsgrenze New York/Connecticut
sogar auf 109 km/h heruntergebremst.
Wie viele andere neuen Triebfahrzeuge
plagten auch den Acela-Express in der Anfangsphase viele kleine und größere Probleme. So mussten schon im August 2002
alle Einheiten kurzzeitig aus dem Betrieb
genommen werden, da bei den Triebköpfen an den Aufhängungen zwischen Drehgestell und Wagenkasten Anrisse festgestellt wurden. Nach einer intensiven Überprüfung und Reparatur gingen die Einheiten sukzessive wieder in Betrieb. Gleichzeitig wurden die Untersuchungsintervalle
zur Kontrolle drastisch verkürzt. In der Folge wurden die Aufhängungen neu konstruiert und ersetzten die zu Anrissen neigenden alten Teile.
Unter AMTRAKs neuem Präsidenten David L. Gunn nahm die Bahngesellschaft ab
Ende 2002 diverse aufgeschobene größere Infrastrukturverbesserungen in Angriff,
deren Verzögerung die zuverlässige Einhaltung der Acela-Fahrpläne behindert hatte. Neue Betonschwellen, geschweißte
Gleise, neue Brücken und Signale sowie
Verbesserungen bei der Stromversorgung
wurden zusätzlich an der am dichtesten
belegten und mit hoher Geschwindigkeit
befahrenen Trasse im NEC installiert, wo
mehr als 1.000 Züge pro Tag verkehren.
Mit verbesserter Verfügbarkeit und kürzeren Reisezeiten konnte AMTRAK die Zahl
der Acela-Einheiten im Regelbetrieb deut-
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lich erhöhen. 2004 brachten es die 15
planmäßig eingesetzten Acelas an Werktagen auf 46 Abfahrten in Washington DC,
New York und Boston. Die restlichen fünf
Triebzüge standen als Reserve bei Ausfällen oder Wartungsarbeiten bereit.
Trotz des nicht gerade reibungslosen
Starts stürmten die Fahrgäste geradezu
den Acela-Express, als mehr Einheiten in
Betrieb standen. Dies war im Reiseverkehrsmarkt so spürbar, dass die fliegende
Konkurrenz kritische Werbeanzeigen in
Zeitungen veröffentlichen ließ - der ultimative Ausdruck von blank liegenden Nerven
einer jeden Marketing-Abteilung. Dank der
neuen populären Züge stieg der Marktanteil AMTRAKs zwischen Washington DC
und New York von 36 auf 53 % an, während sich der Anteil der Fluglinien von 64
auf 47 % verringerte. Eine noch drastischere Steigerung von 18 auf 40 % verzeichnete AMTRAK auf dem Abschnitt
New York - Bostons. Im ersten Quartal
2004 benutzten von den insgesamt rund
4.767.000 Bahn- und Flugreisenden im
Bereich des NEC allein rund 2.928.000
(61 %) die Züge von AMTRAK.
Somit hat es die bundesstaatliche AMTRAK mit ihren neuen Superzügen geschafft, mehr als Hälfte des kombinierten
Luft- und Schienenverkehrsmarkt zwischen Washington DC und New York unter
ihre Fittiche zu bringen. Rechnet man noch
dazwischen liegende Städte wie Baltimore
und Philadelphia mit dazu, steigt AMTRAKs Anteil am Luft- und Schienenverkehrsmarkt auf ungefähr 75 %. Zwischen
New York und Boston hat der AcelaExpress AMTRAKs Marktanteil von 18 auf
40 % erhöht. Die populären Züge befördern deutlich mehr als zwei Millionen
Fahrgäste im Jahr oder mehr als 10 % von
AMTRAKs insgesamt 24 Millionen Fahrgästen. Sie tragen aber vor allem mit rund
25 % zu AMTRAKs Jahreseinnahmen aus
dem Fahrkartenverkauf bei, welche ungefähr eine Mrd. US-$ betragen.
Ein herber Rückschlag ereignete sich im
Frühjahr 2005, als AMTRAK am 15. April
seine komplette Flotte der Acela-ExpressZüge aus dem Verkehr ziehen musste,
nachdem Haarrisse an den Bremsscheiben einiger Wagen festgestellt worden waren. Verursacht wurden die Haarrisse
durch Vibration und Materialermüdung.
Langsamere Metroliner und weitere Regionalzüge verkehrten als Ersatz. Mit neuen
Bremsscheiben gingen die ersten beiden
Acelas am 11. Juli wieder in Betrieb. Die
übrigen Einheiten folgten sukzessive. Am
21. September 2005 konnte AMTRAK
schließlich verkünden, dass alle 20 Einheiten wieder dem Betrieb zur Verfügung stehen. Nach diesem Vorfall wurden in der
Fachwelt Spekulationen angestellt, ob die
Kombination von TGV-ähnlichen Hochgeschwindigkeitszügen und amerikanischen
Gleisen besonders glücklich sei.