darüber im Text zur Epoche 2002-2014 - conTAKT

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darüber im Text zur Epoche 2002-2014 - conTAKT
2002 – 2014:
Personenfreizügigkeit
Die Zahl der Ausländerinnen und Ausländer, wie auch ihr Anteil in der Gesamtbevölkerung,
steigen seit dem Jahr 2002 weiter an. Es kommen vor allem immer mehr Menschen aus den
Mitgliedländern der Europäischen Union in die Schweiz. Besonders viele kommen aus dem
Nachbarland Deutschland.
Diese Entwicklung kann einerseits auf ein starkes Wirtschaftswachstum zurückgeführt werden.
Andererseits tritt im Juni 2002 ein Vertrag der Schweiz mit der Europäischen Union in Kraft, das
Personenfreizügigkeitsabkommen. Das Abkommen regelt den Aufenthalt aller von einem EULand eingewanderten Menschen in der Schweiz (Erster Kreis im ehemaligen Zwei-KreiseModell). Die Einwanderung von Ausländerinnen und Ausländer von ausserhalb der EU/EFTA in
die Schweiz wird erschwert und nur noch gut ausgebildeten Personen gestattet. Sie fallen unter
das neue Ausländergesetz (AuG), welches 2008 in Kraft tritt.
Von 2002 bis 2012 werden mehrere Volksinitiativen eingereicht. Diese betreffen vor allem
Migrierende des 2. Kreises. Die einzige Volksinitiative, welche positive Auswirkungen für die
hier lebenden Ausländerinnen und Ausländer gehabt hätte – Die Initiative «Für erleichterte
Einbürgerung von Jugendlichen der 2. Generation und Bürgerrechtserwerb von Jugendlichen
der 3. Generation» – wird 2004 von Volk und Ständen (Kantone) abgelehnt. Am 9. Februar 2014
wird jedoch die «Initiative gegen die Masseneinwanderung» der Schweizerischen Volkspartei
(SVP) knapp angenommen. Dieser Entscheid erschwert die Beziehungen der Schweiz zur
Europäischen Union (EU), weil diese auf dem Prinzip der Personenfreizügigkeit beharrt.
2002 – 2014
Migrationspolitik: wichtige Ereignisse
2002: Personenfreizügigkeit
Das Freizügigkeitsabkommen ermöglicht die Personenfreizügigkeit zwischen der Europäischen
Union (EU) und der Schweiz. Dies bedeutet, dass Menschen aus der EU oder einem EFTA-Land
in die Schweiz kommen und hier den Arbeitsplatz und Aufenthaltsort frei wählen können. Sie
können auch ihre Familie zu sich in die Schweiz holen. Sie haben mit Ausnahme der politischen
Rechte die gleichen Rechte wie Schweizerinnen und Schweizer. Die gleichen Rechte gelten für
Schweizer im EU-Raum.
2002 – 2012: Personenfreizügigkeit
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Die Personenfreizügigkeit wird seit 1999 schrittweise eingeführt: im Juni 1999 unterzeichnet
der Bundesrat die bilateralen Verträge mit der EU, im Mai 2000 werden diese in einer Volksabstimmung angenommen. Die Personenfreizügigkeit gilt dann seit dem 1. Juni 2002 und zwar
für die damals 17 EU-Staaten, sowie für die EFTA-Länder. Weil 2004 weitere Staaten der EU
beitreten, muss das Abkommen zwischen der Schweiz und ihren Partnern erweitert werden.
Das Schweizer Stimmvolk genehmigt 2005 diese Erweiterung. Weil Rumänien und Bulgarien
2007 der EU beitreten, muss das schweizerische Stimmvolk 2009 erneut über eine Erweiterung
des Abkommens abstimmen. Gleichzeitig muss es entscheiden ob es die Weiterführung des
bisherigen Abkommens befürwortet. Dieses Abkommen war nur auf einen Zeitraum von
7 Jahren abgeschlossen worden, nämlich von 2002 bis 2009. Beide Vorlagen werden
angenommen.
Die Personenfreizügigkeit betrifft nur Immigranten des 1. Kreises, also all diejenigen, die aus
aus den EU oder EFTA-Ländern kommen. Die Zuwanderung aus dem zweiten Kreis ist
ausschliesslich im neuen Ausländergesetz (AuG) geregelt und auf qualifizierte Einwanderer
beschränkt. Allgemein haben Schweizer und Bürger der EU und der EFTA immer Vorrang auf
dem Arbeitsmarkt. Das bedeutet, falls ein Schweizer, eine Schweizerin oder eine EU-Bürgerin
gefunden werden kann, welche(r) die gleiche Ausbildung und Erfahrung hat wie der Ausländer
oder die Ausländerin ausserhalb der EU, dann bekommt Erstere den Job. Die Zuwanderer aus
dem 2. Kreis können auch nicht immer ihre Familie nachziehen und es gibt nur eine
beschränkte Anzahl von Aufenthaltsbewilligungen pro Jahr.
Hinweis: Die EFTA – European Free Trade Association oder Europäische Freihandelsassoziation – erleichtert den Handel unter den Mitgliedsländern. Seit 1995 gehören nur noch Island,
Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz dazu. Mit Ausnahme der Schweiz bilden diese Länder
heute zusammen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union den Europäischen
Wirtschaftsraum (EWR), während die EU und die Schweiz ihr Verhältnis durch bilaterale
Verträge regeln
2002 – 2014: Volksabstimmungen
Zwischen 2002 und 2014 gibt es mehrere Volksabstimmungen, die vor allem Migrierende des
2. Kreises betreffen:
November 2002: «Gegen Asylrechtsmissbrauch»
1999 stellen viele Menschen aus dem Kosovo ein Asylgesuch in der Schweiz. Sie wollen als
Flüchtlinge aufgenommen werden, weil in ihrer Heimat Krieg herrscht. Um die Zahl der
Asylgesuche zu vermindern, lanciert die SVP 1999 eine Volkinitiative. Das Ziel ist es, nicht mehr
auf Asylgesuche von Personen einzutreten, die von einem sicheren Drittstaat in die Schweiz
kommen, also aus einem unserer Nachbarländer zum Beispiel. Zudem sollen
Fluggesellschaften, welche Asylsuchende ohne gültigen Pass in die Schweiz fliegen, gebüsst
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werden. Schlussendlich will die Volksinitiative, dass Asylsuchende und vorläufig Aufgenommene weniger Sozialhilfe bekommen.
Der Bundesrat und das Parlament sind gegen diese Volksinitiative und das Volk lehnt sie dann
am 24. November 2004 ganz knapp mit 50,1% Nein-Stimmen ab.
September 2004: «Erleichterte Einbürgerung von Jugendlichen der 2. Generation
und Bürgerrechtserwerb für die dritte Generation»
Oft dauert eine Einbürgerung sehr lange, kostet viel Geld und man muss strenge Kriterien
erfüllen, um einen Antrag stellen zu können. Zwei Vorlagen stehen zur Abstimmung: Bei der
ersten Vorlage geht es darum, dass Kinder der zweiten Ausländergeneration, deren Eltern also
in die Schweiz eingewandert sind, einfacher eingebürgert werden können. Bei der zweiten
Vorlage geht es darum, Kindern der dritten Ausländergeneration, deren Grosseltern also in die
Schweiz eingewandert sind, das Schweizer Bürgerrecht bei ihrer Geburt in der Schweiz
automatisch auszustellen.
Der Bundesrat und das Parlament befürworten die Änderungen in der Bundesverfassung.
Trotzdem lehnt sie das Stimmvolk ab.
2006: Revision des Asylgesetzes und neues Ausländergesetz
Im September 2006 stimmt das Schweizer Stimmvolk der Überarbeitung des Asylgesetzes und
dem neuen Ausländergesetz (AuG) zu: Asylbewerber, deren Asylgesuch abgelehnt wurde,
bekommen nun keine Sozialhilfe mehr, wenn sie trotzdem in der Schweiz bleiben. Asylsuchende, die keine Ausweispapiere, wie einen Pass, haben, können jetzt auch schneller
weggeschickt werden.
Das neue Ausländergesetz regelt vor allem den Aufenthalt von Ausländern von ausserhalb des
EU/EFTA Raumes. Dabei wird die Zuwanderung auf besonders gut ausgebildete Migranten von
ausserhalb der EU/EFTA eingeschränkt.
Eine markante Neuerung ist, dass zum ersten Mal das Ziel der Integration von Ausländern
festgehalten ist. Das hat zum Zweck, dass sich Zuwanderer auch in der Schweiz einleben und
die Sprache lernen sollen.
November 2008: «Für demokratische Einbürgerung»
Das Ziel der Volksinitiative der SVP ist, dass Gemeinden selber entscheiden können, wie
Einbürgerungsgesuche von Ausländern behandelt werden. Sie sollen festlegen, ob zum Beispiel
das Volk mit einer Abstimmung an der Urne oder eine spezielle Kommission die Einbürgerung
vornimmt. Zudem sollen Rekursmöglichkeiten bei einem negativen Einbürgerungsentscheid
abgeschafft werden. Wenn Gesuchsteller unbegründet abgelehnt werden, dürfen sie sich nicht
wehren dürfen.
Der Bundesrat und das Parlament lehnen die Initiative ab und das Schweizer Stimmvolk spricht
sich dann ebenfalls klar gegen die Initiative aus.
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November 2009: «Gegen den Bau von Minaretten»
Eine Gruppe von Einzelpersonen reicht im Juli 2008 die Volksinitiative «Gegen den Bau von
Minaretten» (auch Minarettinitiative genannt) ein. Ihrer Meinung nach habe das Minarett nichts
mit Religion zu tun, sondern sei Symbol eines politisch-gesellschaftlichen Machtanspruchs des
Islams. Gemäss Bundesrat und Parlament steht die Initiative jedoch im Widerspruch zu den
Grundrechten der Bundesverfassung und verstösst gegen wichtige Prinzipien der
Menschenrechte, nämlich die freie Ausübung der Religion. Aus diesem Grund lehnen der
Bundesrat und das Parlament die Initiative ab.
Trotzdem nimmt das Schweizer Stimmvolk die Volksinitiative «Gegen den Bau von Minaretten»
an. Seither dürfen in der Schweiz keine neuen islamischen Kirchtürme mehr gebaut werden –
die vier bestehenden dürfen aber stehen bleiben!
November 2010: «Für die Ausschaffung krimineller Ausländer»
Die SVP reicht eine Volksinitiative «Für die Ausschaffung krimineller Ausländer» ein. Dabei
sollen alle Ausländerinnen und Ausländer automatisch ihr Aufenthaltsrecht verlieren und in ihr
Heimatland zurück geschickt werden, wenn sie wegen bestimmter Delikte verurteilt werden
oder wenn sie Sozialleistungen beziehen ohne ein Recht darauf zu haben.
Am 28. November 2010 nimmt das Schweizer Stimmvolk die «Ausschaffungsinitiative» an.
2014: Initiative gegen Masseneinwanderung
Am 9. Februar 2014 stimmt das Schweizer Volk mit 50,3% der Stimmen sehr knapp der
Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung» der SVP zu.. Gemäss Initiative soll die Schweiz
die Zuwanderung von Ausländerinnen und Ausländern eigenständig steuern und begrenzen.
Damit ist das Freizügigkeitsabkommen mit der EU in Frage gestellt. Konflikte mit der EU sowie
interne Verteilkämpfe zwischen Wirtschafsbranchen und Kantonen um die Kontingente sind
absehbar.
2014: Initiative «Stopp der Überbevölkerung – zur Sicherung der natürlichen
Lebensgrundlagen» (Ecopop)
Am 2. November 2012 wird eine weitere Volksinitiative «Stopp der Überbevölkerung – zur
Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen» (Ecopop-Initiative) eingereicht. Diese verlangt,
dass die jährliche Zuwanderung nicht mehr als 0,2% der Wohnbevölkerung, also rund 16'000
Personen beträgt. Gleichzeitig soll der Bund im Rahmen der Entwicklungshilfe die freiwillige
Familienplanung fördern, um so das Bevölkerungswachstum zu bremsen. Diese weitere
radikale Verschärfung der Migrationspolitik wird in der Volksabstimmung vom 30. November
2014 sehr deutlich mit 74,1% Nein-Stimmen abgelehnt.
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2008: Anerkennung des Kosovo durch die Schweiz
2008 anerkennen die Schweiz und die EU das Gebiet des Kosovo als eigenständiges Land. Für
die Kosovaren ist dies ein sehr wichtiger Entscheid, da sie über eine sehr lange Zeit nicht
selbständig waren: Seit 1912 zählte der Kosovo zu Serbien, das zwischen 1945 und 1991 eine
Teilrepublik Jugoslawiens war. Eigentlich hätte sich der Kosovo selbst versorgen können und
selbständig regieren können, also autonom handeln können, doch besonders seit 1981 kommt
es zwischen den albanisch-sprechenden Kosovaren und dem serbischen Staat zu ersten
Konflikten. Serbien versucht die Autonomie des Kosovo einzuschränken. Bis 1997 ist der
Widerstand friedlich, dann geht doch dieser in eine bewaffnete Auseinandersetzung über.
Im März 1999 kommt es zu einem dreimonatigen Krieg zwischen Serbien und der NATO, (einem
militärischen Bündnis zwischen Europa, den USA und Kanada). Dieser dreimonatige Krieg treibt
viele Menschen in die Flucht. Als Folge des Krieges ziehen sich die serbischen Truppen aus
dem Kosovo zurück. Der Kosovo wird danach unter UNO-Verwaltung gestellt. Dies bedeutet,
dass die UNO, die Organisation der Vereinten Nationen, zu denen auch die EU-Länder zählen,
das Gebiet des Kosovo beschützt.
Am 17. Februar 2008 erklärt der Kosovo seine Unabhängigkeit. Der Grossteil der EU-Staaten
und die Schweiz anerkennen Kosovo als unabhängigen Staat. Dies hat auch einen Einfluss auf
die Ausländerstatistik in der Schweiz: Ab 2008 registriert man viele Menschen, die vorher als
Serben galten, nun als Kosovaren. In der Statistik sieht es so aus, als ob viele Serben und
Serbinnen ausgewandert und viele Kosovaren eingewandert sind. Es handelte sich dabei aber
nur um eine «Umregistrierung».
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2002 – 2014
Migration: wichtige Ereignisse
Entwicklungen
Die Zahl der Ausländerinnen und Ausländer steigt seit dem Jahr 2002 weiter an. Dasselbe gilt
für ihren Anteil an der Gesamtbevölkerung. Es kommen vor allem immer mehr Staatsangehörige aus den 27 Ländern der Europäischen Union in die Schweiz. Besonders viele
Menschen kommen dabei aus dem Nachbarland Deutschland. Diese Entwicklung kann auf das
Abkommen der Schweiz mit der Europäischen Union, das Personenfreizügigkeitsabkommen
vom Juni 2002, zurückgeführt werden.
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2002 – 2014
Wirtschaft: wichtige Ereignisse
2002 – 2003: Stagnation
Nachdem die Wirtschaft ab dem Jahr 2000 gewachsen ist, verlangsamt sich das Wirtschaftswachstum in den Jahren 2002 und 2003 unerwartet. Einerseits geht es den Banken
wirtschaftlich nicht sehr gut, andererseits geht die Inlandnachfrage insgesamt zurück. Die
Familien versuchen zu sparen und geben somit weniger Geld aus. Es gibt auch weniger
Arbeitsstellen und die Angst vor der Arbeitslosigkeit wächst in der Bevölkerung.
2004 – 2007: Aufschwung
Seit 2004 geht es der Schweizer Wirtschaft von Jahr zu Jahr immer besser. Das hat vor allem
damit zu tun, dass die Familien wieder mehr Geld ausgeben, insbesondere für den Bau von
Häusern und Wohnungen.
Aber auch die Maschinenindustrie, die Banken, die chemische Industrie und die Uhrenindustrie
investieren mehr Geld in den Ausbau ihrer Fabriken als noch in den Jahren zuvor. 2005 wächst
die Wirtschaft weiter, und in den Jahren 2006 und 2007 erreicht die Schweiz einen neuen
Wachstumsrekord. Dieses Wachstum ist möglich, weil mit der Einführung der Personenfreizügigeit viele gut ausgebildete Migranten in die Schweiz zum Arbeiten kommen.
Krise in Europa
Im Jahr 2008 bricht zunächst in den USA eine Finanz- und Bankenkriste aus, welche sich bald
auf Europa ausweitet. Die Schweizer Wirtschaft spürt die Auswirkungen der Banken- und
Finanzkrise: Das Wachstum der Wirtschaft verlangsamt sich. Viele Menschen verlieren ihre
Arbeitsstelle. Auch Zuwanderer sind betroffen, von denen einige wieder in ihr Herkunftsland
zurückgehen. Im Vergleich zum restlichen Europa erholt sich die Schweizer Wirtschaft eher
wieder und kann vom Wachstum der Weltwirtschaft profitieren. Die Arbeitslosigkeit ist im
Vergleich zu den meisten Ländern Europas gering, sodass die Schweiz für Zuwanderer attraktiv
bleibt.
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