das Magazin - Hamburger Theater Festival
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das Magazin - Hamburger Theater Festival
CHRONOVOYAGER UTC : H a m b u r g e r T h e at e r f e s t i va l MONTBLANC TIMEWALKER das Magazin Eine zweite, mit der koordinierten Weltzeit (UTC) synchronisierte Zeitzone macht diesen automatischen Chronographen zum perfekten Begleiter für alle Vielreisenden. Der Chronograph verfügt über eine zweite Zeitzone mit Tages- und Nachtanzeige. Gefertigt in der Montblanc Manufaktur im schweizerischen Le Locle. d a s m a g a z i n N o 4 o k t o b e r – n o v e m b e r 2 0 1 3 : Hamburger Theater fe stival _ Da s fünf te Jahr _ ok tober | November 2013 _ w w w.hamburgerthe aterfe stival .de DER KÖNIG DER BÜHNE: Gert Voss in Hamburg LE AR IM SAUS TALL Die Leiden des André Jung TAR TUFFE Johanna Wokalek in Bestform CAROLINE PE TER S Theaterschauspielerin aus Leidenschaft EIN KOMIS CHER ONKEL WANJA Matthias Hartmann im Gespräch Gert Voss fotografiert von Georg Soulek © Karin Rocholl Liebe Leser, Z um fünften Mal eröffnen wir nun das Ham burger Theater Festival als private Bürgeriniti ative, die ohne staatliche Hilfe herausragende Produk tionen des deutschsprachigen Theaters nach Hamburg holt. In kaum einer Stadt ist Theater so lebendig wie in Hamburg, das Publikum so wach, neugierig, kritisch und begeisterungsfähig. Aus dem traditionell hambur gischen Engagement für die Schauspielkunst ist vor fünf Jahren die Idee für dieses Festival entstanden. Bürger, Stifter, Mäzene und Unternehmen haben ei ne Menge Geld in die Hand genommen, um die Idee zu verwirklichen: Bisher haben wir 39 Produktionen eingeladen, rund 75 000 Zuschauer sind in 68 Vor stellungen gekommen, sehr viel mehr, als im Volks parkstadion Platz hätten. Ich danke allen, die dieses wunderbare Theaterfest mit ins Leben gerufen haben. Sie haben mit ihrer Unterstützung eine große Erfolgs geschichte geschrieben. Wir freuen uns, dass wieder das Burgtheater (mit drei Produktionen) und das Deutsche Theater Berlin (mit zwei Produktionen) zu uns kommen, dass die Münchner Kammerspiele, das Schauspiel Frankfurt und zum ersten Mal auch ein Juwel der Brechtfesti val in Augsburg dabei sind, und Bühnenautoren wie Aischylos, Shakespeare und Molière, Tschechow, Ödön von Hor váth, Hans Fallada und Bertolt Brecht. Wir begrüßen Schauspie lerinnen wie Sarah Viktoria Frick, Caroline Peters, Catrin Striebeck oder Johanna Wokalek, und Schauspieler wie André Jung, Tho mas Thieme und Gert Voss, den wir in unserem Magazin mit ei nem Bilderbogen porträtieren. Im Magazin finden Sie das vollständige Programm, Porträts und Reportagen. Das Deutsche Theater Berlin gestattet u nserem Reporter tiefe Blicke hinter den Eisernen Vorhang. Außerdem er fahren Sie, warum Burgtheater-Intendant Matthias Hartmann so gern nach Hamburg kommt, wie aktuell Ödön von Horváths vor mehr als 80 Jahren geschriebene Geschichten aus dem Wiener Wald heute noch sind und was die Schauspielerin Caroline Peters an ihrer Kollegin Johanna Wokalek bewundert. Viel Spaß beim Lesen und viel Freude beim Hamburger Theater Festival 2013! Herzlich Ihr Nikolaus Besch Niko l au s Besch ist Intendant des Hamburger Theater Festivals 3 FÜNF JAHRe HAMBuRgeR THeATeR FesTIVAL DANKE den Schauspielerinnen und Schauspielern, den Bühnenautoren, den Intendanten und regisseuren, den Bühnenbildnern und Dramaturgen, den gastierenden Theatern aus Augsburg, Berlin, Frankfurt und Köln, aus Mannheim, München, recklinghausen, Wien und Zürich, den gastgebenen Theatern in Hamburg, dem Intendanten und den Machern unseres Festivals, den Autoren und Fotografen unseres Magazins, den Spendern und Sponsoren, der Anstifterin, dem Stif tungsverwalter, den Mitgliedern des Vorstandes und des Kuratoriums der Stiftung Hamburger Theater Festival: aBschieDsBriefe: lieBesBriefe, adolf Weber kg, Therese affolter, air Berlin Plc & co. luftverkehrs kg, aischylos, mieczyslav antoniak, elias arens, aug. Bolten Wm. miller’s Nachfolger, elisabeth augustin, Thomas aurin, Baal, Peter Bandl, isabelle Barth, susanne Barth, silvia Bauer, christian Baumbach, frank Baumbauer, harald Baumgartner, Peter Baur, sven-erik Bechtolf, constanze Becker, samuel Beckett, lina Beckmann, karin Beier, hermann Beil, michael Benthin, Prof. carl Bergengruen, BerliNer eNsemBle, BerNarDa alBas haus, Thomas Bernhard, Nikolaus Besch, marlis und franz-hartwig Betz, ole von Beust, gábor Biedermann, calixto Bieito, Bernd Birkhahn, frank Bittermann, sebastian Blomberg, Jan Bluthardt, BmW Niederlassung hamburg, ludwig Boettger, sebastian Bolesch, luc Bondy, Prof. michael Börgerding, David Bösch, Jan Bosse, kristof van Boven, Johannes Brahms, klaus maria Brandauer, Bertolt Brecht, BrechTfesTival augsBurg, gottfried Breitfuss, margarita Broich, Peter Brombacher, klaus Brömmelmeier, ingoh Brux, annegret und claus-g. Budelmann, matthias Bundschuh, BurgTheaTer WieN, abdul candao, capital intermodal gmbh, margit carstensen, gerda cerne, rahul chakraborty, Jappe claes, christine claussen, edith clever, Thomas collien, christoph corazolla, creatives at work, edwin crossley-mercer, franz csencsits, Das iNTervieW, Das WeiTe laND, Das Werk / im Bus / eiN sTurz, Thomas Dashuber, arno Declair, kirsten Dene, Diana Deniz, Der ParasiT, Der Prozess, Der WeiBsTeufel, Der zerBrochNe krug, amelie Deuflhard, DeuTsches schausPielhaus, DeuTsches TheaTer BerliN, Prof. sabina Dhein, heribert Diehl, Die leiDeN Des JuNgeN WerThers, Die möWe, andreas Döhler, Dr. klaus von Dohnanyi, sven Dolinski, ursula Doll, Dr. karl-Joachim Dreyer, meike Droste, sibylle Dudek, stefanie Dvorak, Nikolai eberth, gunther eckes, emanuel eckardt, Detlef eckstein, edelweiß publish, adrian ehrat, stefanie eidt, elBPhilharmoNie koNzerTe, eNDsPiel, Tina engel, anke engelsmann, iris erdmann, euripides, exspect gmbh, fabricius, hans fallada, fritz fenne, silvia fenz, Prof. Jürgen flimm, alfons flores, Nora frank, christoph franken, iko freese / Drama BerliN, christine frenzl, freundeskreis elbphilharmonie + laeiszhalle e. v., Barbara frey, sarah viktoria frick, susanne frömel, larissa fuchs, Brigitta furgler, sabine fürst, federico garcía lorca, gebr. heinemann se & co. kg, michael gempart, Wolfgang georgsdorf, michael gerber, geschichTeN aus Dem WieNer WalD, Toni gisler, lydia gless, felix goeser, Johann Wolfgang von goethe, Theo van gogh, Jörg gollasch, Jürgen gosch, markus graf, graf von Westphalen, christian grashof, claus grasmeder, Thomas gräßle, lucas gregorowicz, greTcheNs fausT, moritz grewenig, inge und Dr. gerhard groh, groothuis. gesellschaft der ideen und Passionen mbh hamburg Berlin, moritz grove, amelie und Dr. Thomas guth, amely Joana haag, fritzi haberlandt, katja hagedorn, simon halsey, hamBurg Team gesellschaft für Projektentwicklung mbh, hamburger abendblatt, hamburger sparkasse, hamBurgische sTaaTsoPer, lambert hamel, Britta hammelstein, maria happel, sachiko hara, rosemary hardy, corinna harfouch, friederike harmsen, matthias hartmann, Jens harzer, sabine haupt, Philipp hauß, Nicole heesters, gunnar heinemann, oliver heissner, hartmut hellner, herBsTakaDemie, markus hering, irm hermann, falko herold, cornelia herz, Walter hess, matthias heyde, Thorsten hierse, hochschule fÜr musik uND TheaTer hamBurg, hochtief, friedhelm hoffmann, Nico holonics, lukas holzhausen, helge hopp, Bettina hoppe, matthias horn, clemens horvath, ödön von horváth, Nina hoss, sebastian huber, Thomas huber, humaN reQuiem, stefan hunstein, Birgit hupfeld, Jürgen huth, iPhigeNie auf Tauris, carina-roxana isima, Jonica Jahr-goedhart und Jan P. goedhart, markus Jans, gerrit Jansen, yvon Jansen, elfriede Jelinek, Daniel Jesch, Dr. kay Jeß, Thomas Jonigk, Peter Jordan, henrike Johanna Jörissen, andré Jung, marie Jung, franz kafka, kamPNagel, roman kanonik, Jürgen kapitein, Barbara und ian k. karan, heide kastler, ursula keller, alexander khuon, ulrich khuon, lynne kieran, stephan kimmig, kiNDer Der soNNe, michael kinke, ignaz kirchner, simon kirsch, Prof. Barbara kisseler, michaela klamminger, katrin klein, kleiNer maNN – Was NuN?, heinrich von kleist, Peter knaack, Joachim knuth, roland koberg, Wolfram koch, Walter kogler, karin kohlberg, Juliane köhler, Niklas kohrt, ernst P. komrowski, köNig lear, Burkhard kosminski, sylvana krappatsch, Jan krause, Julia kreusch, krieg uND frieDeN, andreas kriegenburg, Johannes krisch, franz xaver kroetz, fabian krüger, ronald kukulies, rainer küng, Jack kurfess, martin kušej, Birgit lahann, Prof. Dr. manfred lahnstein, Brigitte landes, sabine und Dr. klaus landry, langebartels Druck, georgia lautner, lena lauzemis, monika lawrenz, klaus lefebvre, sven lehmann, christoph lieben-seutter, Dr. cornelius liedtke, marie löcker, Thomas loibl, katharina lorenz, hans löw, inka löwen- 4 dorf, Joachim lux, Dörte lyssewski, franziska machens, felicitas madl, michael maertens, miriam maertens, Thomas magold, oliver mallison, Paulus manker, max milan marsalek, iN maskeN gehT Die zeiT, michael masula, martha Pulvermacher stiftung, oliver masucci, eva mattes, ulrich matthes, Juergen maurer, maxim gorki TheaTer BerliN, Philip mayers, mea culPa eine readymadeoper, meDea, Detlef meierjohann, rudolf melichar, sunnyi melles, Barbara melzl, andré meyer, Bettina meyer, Joachim meyerhoff, Wolfgang michal, anja michalke, hans Jörg michel, myorah B. middleton, Birgit minichmayr, molière, Phillip moll, freya von moltke, helmuth James von moltke, Peter moltzen, Tobias moretti, kathleen morgeneyer, Bernd moss, heiner müller, charlotte müller Perrier, mÜNchNer kammersPiele, Bettina munzer, museum fÜr kuNsT uND geWerBe, lasse myhr, NaTioNalTheaTer maNNheim, NDr 90,3, NDr hamburg Journal, NDr kultur, monika Nellissen, michael Neuenschwander, Dirk Nocker, öDiPus sTaDT, Johann adam oest, Nicholas ofczarek, oNkel WaNJa, elisabeth orth, Joseph Damian ortiz garcia, ludwig von otting, otto Wulff Bauunternehmung gmbh, Peter Pagel, agnes Palmisano, mercè Paloma, christina Papst, mira Partecke, annette Paulmann, gerhard Peilstein, stepan Persch, caroline Peters, armin Petras, Barbara Petritsch, claus Peymann, Julia Pfaller, PhÄDra, katharina Pichler, Jörg Pilawa, ragna Pitoll, PlaToNoW, Josefin Platt, christiane von Poelnitz, klaus Pohl, ulrike Posche, Wolfgang Pregler, max Pulver, QuarTeTT, Jean racine, krzysztof raczkowski, radialsystem v, guido radschiner, susanne-marie rage, Jim rakete, ewa rataj, Prof. Dr. hermann rauhe, reederei Blue star, oliver reese, hans-michael rehberg, martin rentzsch, gitte reppin, resiDeNzTheaTer mÜNcheN, elfriede rezabek, richarD iii, Bertram rickmers, rickmers reederei gmbh & cie. kg, karsten riedel, Peter rigaud, gudrun ritter, riTTer, DeNe, voss, andré rival, valentí rocamora i Torà, karin rocholl, Julian roeder, sylvie rohrer, Nicolas rosat, Janina rudenska, ruhrfesTsPiele reckliNghauseN, rundfunkchor Berlin, andreas salzbrunn, Branko samarovski, udo samel, Jochen sandig, erik santer, schausPiel fraNkfurT, schausPiel kölN, schausPielhaus zÜrich, hermann scheidleder, markus scheumann, gisela und georg schiefler, friedrich schiller, christiane schindler, anne schirmacher, friedrich schirmer, christoph schlingensief, Wolfgang schlögl, Tomas schmauser, Petra schnitt, arthur schnitzler, Barbara schnitzler, olaf scholz, stefan schomann, karl schönherr, christian schoppe, christine schorn, Peter schröder, anke schubert, katharina marie schubert, christa und Nikolaus W. schües, marc oliver schulze, hans-Dieter schütt, katharina schüttler, Johannes schütz, gabriele schwartzkopff, Johanna schwertfeger, yohanna schwertfeger, siggi schwientek, edgar selge, William shakespeare, Johan simons, sophokles, georg soulek, susanne spahn, ulf spethmann, Dr. Bernd-georg spies, sT. Pauli TheaTer, luisa stachowiak, sTallerhof, Ninja stangenberg, Jette steckel, Peter stein, gesa steinrück, Bernd stempel, anna stöcher, oliver stokowski, Bettina stöß, ernst stötzner, catrin striebeck, studio hamburg gmbh, sTurm, Barbara sukowa, laura sundermann, yuko suzuki, TarTuffe, hamid reza Tavakoli, Pudel Taxi, edmund Telgenkämper, michael Thalheimer, Thalia TheaTer, TheaTer NeumarkT zÜrich, Theaterakademie hamburg, rita Thiele, arthur Thieme, Thomas Thieme, leo Tolstoi, alfred Toepfer stiftung f.v.s., alex Trebus, viktor Tremmel, harald Trittner, TroJa, anton Tschechow, elke Twiesselmann, Peter uhan, andreas uhse, Wolfgang utzt, Dr. Jörg vestl, adina vetter, moritz vierboom, florian vogel, Dr. harald vogelsang, henning vogt, eva-maria voigtländer, gesine völlm, gert voss, friederike Wagner, ulrich Waller, franziska Walser, sasha Waltz & guests, ruth Walz, Was ihr WollT, arno Waschk, merle Wasmuth, margot Weber, michael Weber, kathrin Wehlisch, Thomas Weinhappel, Till Weinheimer, Wim Wenders, cornelia Werner, reinhard Werner, katrin Wichmann, WieNer fesTWocheN, Julia Wieninger, elisabeth Wies-campagner, Jeroen Willems, Dr. martin Willich, angela Winkler, karin Witt, susanne und Dirk martin Wogart, Johanna Wokalek, Werner Wölbern, hildegard und franz-günter Wolf, susanne Wolff, stefan Wulff, carsten Wüster, martin Wuttke, kathrin younes, simone young, Bernd zander, sarah zangeneh, manfred zapatka, zauberflöten e. v., martin zehetgruber, zeit-stiftung ebelin und gerd Bucerius, Jirka zett, simone von zglinicki, almut zilcher, rebekka zimlich, august zirner, leonard zubler und ganz besonders: dANke ihnen, unserem großartigen und treuen Theaterpublikum! PeTer schWarTzkoPff Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung Hamburger Theater Festival INHALT Seite 3 Seite 20 Seite 36 : eD iTorial : caroliNe PeTers LI EBE LE SEr DEr HELL STE STErN DEr KÖNIG I M SAUSTALL Von Nikolaus Besch I N JEDEr NACHT Die Münchner Kammerspiele zeigen Lear auf dem Bauernhof. regie: Johan Simons Von Margot Weber Seite 5 Im Fernsehen ist sie Kommissarin, aber ihre Leidenschaft gilt dem Theater Von Emanuel Eckardt : aNDré J uNg : DaNke 5 JAHrE HAMBUrGEr T HE ATEr FE ST I VAL Seite 20 Von Peter Schwartzkopff Seite 9 : hiNTer D eN kulisseN Seite 22 : Joha NNa Wo ka le k BA AL HU T AB, JOHANNA! Brechts Meisterwerk als konzertante Aufführung von Vater und Sohn Von Monika Nellissen Caroline Peters über ihre Kollegin als Elmire in Molières Tartuffe. regie: Luc Bondy Von Caroline Peters EI N TAG I M DEU T SCHEN T HE ATEr Die im Dunkeln sieht man nicht. Aus der Arbeitswelt der Hauptstadtbühne Von Stefan Schomann Seite 15 Seite 24 Seite 38 Seite 15 : gerT voss Seite 38 : Thom as Thiem e Seite 24 : öD öN voN horv áTh Seite 40 PANIK I M MI T TEL STAND : Das P ro g ra mm Geschichten aus dem Wiener Wald und aus der Weltwirtschaftskrise Von Wolfgang Michal DA S HAMBUrGEr T HE ATEr FE ST I VAL 2013 Acht Produktionen im Überblick DEr KÖNIG DEr BÜHNE Der Meister aller Klassen in Tschechows Onkel Wanja und Molières Tartuffe Von Ursula Keller Klartext. Der Intendant des Wiener Burgtheaters im Gespräch Seite 40 Seite 22 6 Seite 34 Seite 44 FÖrDErEr UND SPONSOrEN DEr HErr DEr BUrG Seite 29 Seite 36 Seite 29 : m aTThias harTm aNN Linke Seite: Katrin Wichmann; Foto Arno Declair. Caroline Peters mit Zigarre; Foto Jim Rakete. Johanna Wokalek; Foto Peter Rigaud. gert Voss als Shylock 1988; Foto Gisela Scheidler. susanne Wolff als Kreon; Foto Arno Declair. Ländliche szene aus König Lear; Foto Julian Roeder. Intendant Matthias Hartmann; Foto Burgtheater. Thomas und Arthur Thieme; Foto Diana Deniz. Henrike Johanna Jörissen und Nico Holonics; Foto Birgit Hupfeld Seite 45 : fesT iva la ka D e mie WA S KANN T HE ATEr ? Seite 34 : kleiNer m aNN – Was NuN? BLOSS NICHT ArBEI T SLOS Seite 46 WErDEN! K UrATOr IUM UND ST I F TUNG Das Schauspiel Frankfurt bringt Fallada nach Hamburg. regie: Michael Thalheimer Von Ursula Keller Impressum Bild und CopyrightNachweis 7 Ein Tag im Deutschen Theater Das Leben – eine Bühne. »Sie ist schön, weil sie von innen schön ist. Sie strahlt eine wahnsinnige Freiheit und Gelassenheit aus.« lena meyer-landrut über eveline hall E VELINE HALL MIT KIRS TEN GLEINIG U N D H I LT R U D B O N T R U P MEINE LEBEN »Die Piaf – ein Wunder.« »Jürgen schnitt uns die Haare, und so entstand die Beatlesfrisur.« »Nein, kein Wirbelsturm war da über die Bühne gefegt. Da waren Menschen aufgetreten, die sich anders bewegten, und die mich anders bewegten.« charles aznavour paul mccartney wim wenders über pina bausch CHARLES DUMONT ÉDITH PIAF 352 Seiten, Hardcover mit Bildteil Format 13,5 × 21 cm, € 19,95 ISBN 978-3-944296-18-0 256 Seiten, Halbleinen Format 24 × 31 cm, € 36,– ISBN 978-3-8419-0230-6 JÜRGEN VOLLMER WIE ICH JOHN LENNON D I E H A A R E S C H N I T T, VOR ROMY SCHNEIDER D AV O N L I E F U N D C ATHERINE DENEU V E ZUM L ACHEN BR ACHTE Das Deutsche Theater Berlin kommt nun schon zum vierten Mal mit gefeierten Produk tionen zum Hamburger Theater Festival. Anlass genug für einen neugierigen Hausbesuch bei den Theatermachern in Berlin Mitte. Was ist das Geheimnis dieser Ideenschmiede? Spukt da etwa noch der Geist des großen Max Reinhardt? : Text_Stefan Schom ann | Fotos_Arno D eclair ANNE LINSEL PINA BAUSCH BILDER EINES LEBENS 256 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag, über 50 Abbildungen Format 17 × 23,8 cm, 29,95 € ISBN 978-3-8419-0182-8 Mehr über die Edel-Kulturwelt erfahren Sie unter www.edel.com 8 GROOTHUIS.DE 216 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag, über 80 Abbildungen Format 17 × 23,8 cm, 29,95 € ISBN 978-3-8419-0193-4 7:00: Mit dem Abbau von Demokratie kann man nicht früh genug beginnen. Was weg ist, ist weg, sagt sich der Bühnenarbeiter. Rollt die Teppiche zusam men, hängt die Vorhänge ab, alles, was eben zur Deko ration der Demokratie gehört, eines Politstücks über den Sturz von Willy Brandt. Bühnenarbeiter wissen, wie schnell man in der Versenkung verschwinden kann. Vielleicht tragen sie deshalb diese verwegene Gelassenheit zur Schau und stapfen wie Revolver helden über die Bretter, den Akkuschrauber in der Rechten, Hammer und Zange am Gürtel. Wie eine Arena rahmt der Rundhorizont drei Viertel der Drehbühne ein. Max Reinhardt hat ihn einst einbauen lassen, um das Kulissentheater alten Stils zu überwinden. Diese gipserne Ringmauer konn te nach Belieben bemalt oder bestrahlt werden. Sie steht unter Denkmalschutz, mitsamt den Löchlein für die Glühlampen, mit denen der Meister den Sternen himmel funkeln ließ. 9:00: Zwei Stücke müssen aneinander vorbei. Während sie hinten noch Demokratie demontieren, steht vorne schon die Bauprobe fürs nächste Stück an. Der Entwurf wird in groben Zügen auf die Bühne übertragen. Es bimmelt wie an einem Bahnübergang, der Eiserne Vorhang senkt sich, um als Rückwand ei nes Metallkäfigs auf der Vorbühne zu dienen. Die Aus statter rascheln mit den Konstruktionszeichnungen und zücken ihre Meterstäbe. Alle Gewerke sind vertre ten – ein Mischwort aus Handwerk und Gewerbe, das Metiers vom Schlosser bis zur Requisite umfasst. Theater ist Gesamtkunstwerk, und mehr noch Ge samthandwerk. Nicht nur Autoren und Schauspieler sind schließlich Meister ihres Fachs – ihnen stehen Malermeister, Bühnenmeister, Tonmeister zur Seite. Und oben im Steuerraum noch die Beleuchtungs meister. Sechs Rechner fungieren dort als Schaltstellen eines Su perhirns aus Datenleitungen und Regelkreisen. Ich steuere das Licht, sagt sich der Beleuchter. Doch eigentlich steuert das Licht ihn. »Computer haben unsere Arbeit revolutioniert. Wer nur mal Verfolgungsfahrer beim Weihnachtsspiel war, wird sich hier wun dern.« Daran verwundert allein schon, dass selbst zu Weihnach ten Verfolger unterwegs sind. Kommt die Welt denn nie zur Ruhe? Aber das mit den Computern lässt sich nicht leugnen. Schalter und Schieberegler gibt es kaum noch, dafür umso mehr Tastfelder auf den Bildschirmen. Nur das Saallicht und die Not fallscheinwerfer werden noch per Knopfdruck aktiviert. Wenn etwa der Quasar versagt, diese Atombombe im Arsenal der Licht artillerie, dann zündet im Nu ein Ersatzgerät. Der Meister nennt das eine »Havarie«. Überhaupt kursiert allerhand Seemanns sprache, so ein Theater ist organisiert wie ein Schiff. Maßschuhe im Kostümfundus. Sie hatten alle schon ihren großen Auftritt Eine skurrile Welt: Matratzen schweben im Bühnenhaus. Nummerierte Kleiderbügel schaffen Ordnung im Chaos rascher Kostümwechsel. Und bei der Regiebesprechung mit Dimiter Gotscheff am Bühnenrand sind auch die Scheinwerfer nah am Geschehen »ICH DANKE DEN VI ELEN UNSICHTBArEN I N DEN VEr SENK UNGEN, AUF DEM SCHNÜrBODEN, I N DEN MA 11:00: Kaum schließt die Kassendame auf, schrillt auch schon das Telefon. Je weniger Karten übrig sind, desto mehr Leute rufen an, desto früher formiert sich die Schlange. »Ich freue mich, Geld einzunehmen, auch wenn es nicht für mich bestimmt ist.« Das rech nen übernimmt der Computer, sie selbst hat eher be ratende Funktion. Unentschlossene warten gern auf einen Wink des Schicksals, und so winkt sie eben. Das Vorwissen hat allgemein abgenommen, die Ausdauer auch. »Früher waren drei Stunden fast Pflicht. Heute ziehen sie ein Gesicht, wenn sie zwei Stunden absit zen müssen.« Das Deutsche Theater galt als National theater der DDR. Künstler wie Publikum verstanden sich als Elite. Es sei »ein schlaues Theater« gewesen, lobt die Kassendame, aufmüpfig und hintersinnig. Die Schlaubühne als eine moralische Anstalt betrachtet. Das Ensemble war enorm, selbst kleine rollen wur den mit ganz großen Schauspielern besetzt. Auch wenn das Haus noch von diesem Mythos zehrt, es hat sich »ins Normale verschoben«. 10 SCH I NENrÄUMEN, WErK STÄT TEN, SCHNEI DErEI EN UND GArDErOBEN, DEN MALErN, MUSIKErN UND DENEN, DI E SONNE , MOND UND STErNE AUF UND NI EDErGEHEN LI E SSEN NACH UNSErEM GEHEISS . SI E TATEN E S NICHT, WEIL SI E DAFÜr BE Z AHLT WUrDEN, SONDErN WEIL SI E VEr STr ICK T WArEN I N DI E SE VI ELGE STALT IGE UND SO WUNDErVOLL ÜBErFLÜSSI GE WELT.« Max reinhardt 12:00: Die hausgemachten Bouletten sind wieder da. »Die kriegen wir nicht weg von der Karte«, feixen die Wirtsleute, die einfach mal was anderes anbieten wollten. So, wie der Intendant den Spielplan festlegt, so bestimmen sie zu Beginn der Saison die Standardgerichte – Klassiker wie Spaghetti Bolognese oder Gu lasch mit Spirelli laufen dann en suite. Im Kasino herrscht Arbei ter und Bauernessen vor, im restaurant labt sich die Bourgeoisie: gratinierter Ziegenkäse im Pumpernickelmantel, Duo vom Zan der und rotbarsch. Die Arbeit im Kasino verlangt Feingefühl. Schauspieler sind die dankbarsten Gäste, und die schwierigsten zugleich. Wenn einer Frust schiebt, weil ein Kritiker ihn gerade zerfleischt hat, dann geben sie ihm schon mal ein Bier aus. So gesehen ist die Theaterkantine eine humanitäre Einrichtung. 15:00: Der Letzte macht das Licht aus, meist also der regieassistent. Sechs Stunden zuvor hat er es ein geschaltet und die Probebühne vorbereitet. Sie ver birgt sich im dritten Untergeschoss eines Hotels visàvis. An glei cher Stelle stand sie schon zu reinhardts Zeiten, nur damals oberirdisch, mit Stallungen für seinen Zirkus. Fest am Haus engagiert, ist der Assistent der ruhende Pol jeder Produktion. Er disponiert die Termine von der ersten Leseprobe bis zu letzten Endprobe und hält alle per SMS auf dem Laufenden. Jede Aktion, jede Bewegung, jeden Blick vermerkt er im regie buch. Am Abend überprüft er dann die Vorstellung. Er fängt die Schauspieler auf, wenn sie nach einem Hänger zerknirscht sind, aber er heizt ihnen auch ein, wenn sie das Tempo schleifen lassen. Wir müssen immer wieder die Magie herstellen, sagt er sich. Sein Zauberwort lautet: »Premierentreue«. 18:00: Vorbei die Zeiten, als die Theaterpolizei noch für Ord nung sorgte. Heute müssen die Einlassdamen selbst mit dem Pu blikum fertigwerden. Die Lenkung ist nicht weiter schwer, sie we deln tüchtig mit den Armen, Toilette hier lang, zweiter rang da lang. Die Exekutive aber verlangt Autorität. Jüngeren Besuchern ist der Unterschied zum Kino nicht bewusst, sie laufen mit Chips und Getränken in den Saal. Sie verstehen auch nicht, warum sie nicht eingelassen werden, wenn sie zu spät kommen. Die meisten Mitarbeiter im Abenddienst sind selbst junge Leute. Sie verdienen nicht übermäßig viel, haben dafür aber ei 11 Rüstkammer und Märchenschlafsaal. Im Kostümfundus gibt es Brustpanzer, ein weißes Kamel und Garderobe von der Stange. Strahlend hell: der Saal vor Beginn der Vorstellung und die Bühne beim Aufbau für die Produktion stallerhof/3D nen glamourösen Arbeitsplatz und zwischendurch Zeit zum Lesen. Fast täglich gehen Bewerbungen ein, für jede Spielzeit findet dann ein regelrechtes Casting statt. Die Kandidaten sollten freundlich und gedul dig sein; Arroganz gilt als Ausschlusskriterium. Auch wenn jemand unbedingt Schauspieler werden will, schicken sie ihn weg. Mit zu viel Ambition kommt man sich selbst nur in die Quere. In einer Nische breitet der Buchhändler seine Schätze aus: die Werke der gespielten Autoren, Mate rialien, Memoiren, DVDs. Und zwischendrin ein paar Bücher seiner Wahl. »Ich war begeistert, vielleicht sind Sie es auch.« Noch stärker wirkt: »Das ist das Lieb lingsbuch von Ulrich Matthes.« Aus Sicht der Welt literatur ist es bedauerlich, dass Ulrich Matthes nicht gleich tausend Lieblingstitel hat. An regentagen stö bern die Besucher gerne in den Büchern. Im Sommer aber bleiben sie bis zur letzten Minute draußen auf dem lauschigen Vorplatz, bevor sie dann ins Haus hineingesogen werden wie Eisenfeilspäne von einem mächtigen Magneten. 18:30: »Frau Doktor, mir is schwummrig.« Ob ein Besucher Kreislaufschwäche hat oder ein Bühnenar beiter sich einen Finger einzwickt – die Theaterärztin 12 ist zur Stelle. Vom Amtsarzt eingeteilt, kommt sie etwa achtmal im Monat ins Haus, öfter als manche Kritiker. Den Notfallkoffer deponiert sie an der Gar derobe und begibt sich dann zu ihrem Platz im ersten rang. Außen, versteht sich. Wenn Unruhe aufkommt oder sich mittendrin eine Tür öffnet, dann geht sie in Habachtstellung. Doch gottlob passiert aus ihrer Sicht nicht allzu viel Dramatisches im Theater. 19:00: Das Wichtigste am Inspizienten ist die Dose mit den Pfefferminzbonbons. Fast jeder Schau spieler klaubt im Vorbeigehen eines raus. Es sind die Hostien des Theaterkults, und der Inspizient ist des sen Zeremoniar. Es hängt ja alles zusammen, sagt er sich. Weshalb sein Metier, wiewohl seit 1779 verbürgt, eher eine Berufung als einen Beruf darstellt. Man kann es nicht lernen, aber man lernt, es zu können. Eine hal be Stunde vor Beginn ertönt die erste Durchsage: »Ich begrüße die Damen und Herren zur zehnten Vorstel lung von Hedda Gabler. Sie ist ausverkauft.« Überall im rückgebäude sind Lautsprecher installiert, auch in den Toiletten. Dennoch muss er gelegentlich einen Schauspieler aus der Kantine holen, weil der sich ver quatscht hat. Vor Beginn geht er noch einmal alles durch. Wo sitzt die Feuerwehr, wo die Souffleuse? War der Klavierstimmer da? Er vergewissert sich, dass keine Schrauben auf der Bühne liegen und keine ver fänglichen Kabel in der Auftrittsgasse. »Ich bitte die Damen und Herren zur Bühne und wünsche eine störungsfreie Vorstellung.« Der Inspi zient ist Diener und Dirigent zugleich. Obwohl er in seinem Verschlag unmittelbar am Geschehen teilhat, verfolgt er es nicht mit eigenen Augen, sondern auf zwei Monitoren. Er ist die Verkörperung des Brecht’schen Verfremdungseffektes. Er durch schaut die Maschinerie und ist gegen jegliches Illusionstheater immun. Oben auf dem Schnürboden werkeln die Maschinisten. Ur sprünglich handelte es sich dabei um Seeleute, weil die am besten Seile spleißen und Knoten knüpfen konnten. Noch vor ein paar Jahren tummelten sich acht Mann auf dem Schnürboden. Heute steht einer am Steuerpult und einer in reserve. Den rest hat auch hier Kollege Computer übernommen. »Noch fünf Minuten bis zum Stückschluss«, gibt der Inspi zient nach draußen durch. Dann fällt der Vorhang. raus für den Gruppenapplaus, raus für den Einzelapplaus. Abschließend wie der Gruppenapplaus, dann letzter Gruppenapplaus, dann endgül tig letzter Gruppenapplaus. Hinterher trägt er besondere Vor kommnisse noch in den Spielbericht ein. Er ist der Einzige, der kein Pfefferminzbonbon genommen hat. 22:30: Der Barmann überlegt einen Moment, dann kommt es ihm: »Die Brezen! Die Brezen machen uns zur Theaterbar. Und der starke Kaffee.« Ansonsten aber will und soll es eine richtige Bar sein. Dafür kann man auch nach Vorstellungsbeginn ins Haus kommen. Hinterher geht das Theater hier noch weiter, und manchmal legen die Schauspieler Musik auf. Auch vor dem Haus herrscht lange noch Hochbetrieb, mit Grill, Bierausschank und Laternenschein. Erlebnisgastronomie mit rückwärtigem Theater betrieb. Tatsächlich hat das Haus anno 1842 so angefangen – als Kasino mit Possentheater und Lustspielen. Köstliches Wort übri gens: Lustspiele. Damit kann man gar nicht spät genug aufhören. 13 Mehr gesundheit thomas Bernhard: einfach kompliziert (2011). Burgschauspieler Gert Voss im Selbstgespräch auf der Bühne DEr KÖNIG DEr BÜHNE tartuffe unD onkel WanJa. Der Burgschauspieler Gert Voss kommt dieses Jahr gleich in zwei Produktionen zum Theaterfestival nach Hamburg. Anlass für ein Porträt dieses großen, von der Kritik und vom Publikum gefeierten Verwandlungskünstlers – und für die Zwischenbilanz einer königlichen Bühnenlaufbahn. : TexT_ursula keller E r hat sie alle gespielt, Bösewichte und tragische Helden, Krieger und Könige, charmante Zyni ker und sperrige Melancholiker, all die Verliebten, Ver rückten und Vereinsamten, die wir seit langem zu kennen glauben. Doch wenn Gert Voss sich ihrer annimmt, dann begegnen wir ihnen, als sähen wir sie zum ersten Mal – staunend, verzaubert, hingerissen. Als hätte er seinen Lear und seinen Othello, seinen Mephisto und seinen Iwanov, Macbeth und Wallen stein, die an der Grenze zur Verrücktheit balancie renden Altersnarren Thomas Bernhards und die ko mischverzweifelten Geschöpfe Becketts noch einmal ganz neu erfunden. Als hätte er sie zu einem reiche ren Leben erweckt, sie einer rücksichtsloseren Wahr haftigkeit ausgesetzt und mit neuer Verführungskraft ausgestattet, wagt er sich vor in das unwegsame Ge lände der menschlichen Seele, um in waghalsigen Ver suchen die Abgründe, Paradoxien und Widersprüche www.hansemerkur.de seiner Figuren freizulegen, ohne ihnen ihr Geheimnis zu nehmen. Dieser geniale Menschendarsteller ist ein Geheimnisträger von rang, einer, der uns neugierig macht auf uns selbst. Was ihn antreibt, ist leidenschaftliche Lust an der Verwand lung, die Lust, seine Figuren neu zu erfinden, sie kraft seiner Phan tasie gleichsam von innen heraus zu modellieren, einen eigenen Körper, einen Gang, Gesten und Tonfälle, ja sogar eine eigene Stimme zu entwickeln. Für jede Figur kreiert er einen Gesamtlook mit spezieller Frisur (Perücken lehnt er ab) und Schminke. Sein Einfallsreichtum bei den Proben, heißt es, sei beeindruckend. Doch bevor er probiert, hält er seine rolle bewusst auf Dis tanz. Er will nicht, dass sie »an ihm klebt«; weil er davon über zeugt ist, dass »man nur etwas spielen kann, was man nicht ist«, muss seine Figur zuerst zu »etwas Fremdem« werden. Erst dann kann er sie sich ganz zu eigen machen, zu einem Geschöpf seiner Phantasie. Seinem liebeskranken Othello, »dem abgründigsten, verrück testen und unvergesslichsten aller Othellos« (FAZ) hat er eine dunkle, raue, beschädigte Stimme gegeben und den Gang »eines 15 © Herwig Prammer Fit bleiben – mit der besten Krankenversicherung für mich 10 1 2 4 9 11 3 5 8 6 7 Gert Voss als Verwandlungskünstler: 1 Macbeth 1992; Foto: Deutsches Theatermuseum München, Archiv Abisag Tüllmann. 2 Richard III. 1987; Foto: Burgtheater Wien. 3 König Lear 2007; Foto: Ruth Walz. 4 Jedermann 1995; Foto: Oskar Anrather. 5 Mephisto 2009; Foto: Hans Klaus Techt. 6 Othello 1990; Video Still. 7 Porträt 1975; Foto Peter Gauhe. 8 gert Voss (rechts) mit Ignaz Kirchner (links) und Regisseur George Tabori (1990); Foto: Oliver Herrmann. 9 Porträt Foto: Peter Rigaud. 10 Wallenstein 2010; Foto: Georg Soulek. 11 einfach kompliziert 2011; Foto: Herwig Prammer. 12 Wallenstein 2010; Foto: Georg Soulek 16 12 17 Anton Tschechow: Onkel Wanja (2013). Gert Voss als Professor Serebrjakow in der Inszenierung von Matthias Hartmann sehr schönen Tiers«. Hermann der Cherusker, mit an den Seiten soldatisch hoch rasiertem Kopf und schwarzer CheGuevaraMütze, wird zum Intellektu ellen, ein zynischer Machtmensch, der mit Menschen spielt, ein elegantes Monster. Für den verkrüppelten richard III., ein böses, ver zogenes Kind von eiskaltem Charme, hat er sich einen Stein in den Schuh gesteckt, um das Humpeln nicht spielen zu müssen. In Onkel Wanja ist sein Profes sor Serebrjakow ein hypochondrischer Tyrann, der alle anderen an seinen Fäden zappeln lässt. Sein Lear hat ein Vogelnest im wirren weißen Greisenhaar. Nackt unter dem königlich wallenden Nachtgewand geistert er über die Bühne, eine von ihrer Eigenliebe zerstörte Kreatur, der am Ende nichts geblieben ist als die ele mentare Sprache des Schmerzes. Sein Shylock ist ein smarter Geschäftsmann mit gegeltem Haar im coolen Look der Vierziger, kein Op fer, ein angriffslustiger Gegner von boxerhafter Leich tigkeit. Sein Mephisto, für Voss ein »gefallener Engel«, schwankt als dark knight mit rot geschminktem Mund über die Bühne. Ein Kritiker hat gleich vier Teufel in einem ausgemacht: die »cholerische Tunte, den tölpe ligen Clown, den melancholisch am Lolli lutschenden Schöngeist und den charmanten Wahlkämpfer«. Als Wallenstein gibt er sich abwechselnd »bezaubernd zynisch, unangenehm jovial, berückend selbstgerecht und mit Dämonie sympathisch«. Was Voss auf der Bühne macht, ist subtile, wag halsige Verkörperungskunst. Und doch ist dieser vir tuose Verwandler immer auch ganz unverkennbar er selbst, zu klug und zu wahrhaftig, um seine Figuren zu erklären oder auszudeuten. Einer, der es vorzieht, uns unvermittelt mit ihnen zu konfrontieren. Ob ihm, dem »Einsamkeitsvirtuosen«, die Bühne einen Abend lang allein gehört, ob er lässig auf ihr herumstreunt, schlurft oder tänzelt, ob er finster brütet oder dem Wahn verfällt – er kann sicher sein, dass ihn das Pu blikum nicht aus den Augen lässt. Und doch sagt der Bühnenmagier, der uns so mühelos zu verführen und zu verzaubern vermag: »Man soll sich mit dem Publikum nicht ge mein machen. Das Publikum ist kein Partner, sondern ein Gegner, ich darf mich und meine Phantasie durch das Publikum nie kor rumpieren lassen.« So groß wie seine Lust an der Verwandlung ist wohl die an der Herausforderung. An jeder neuen rolle arbeitet der große, inzwi schen siebzigjährige Voss mit einer für seine Kollegen oft strapa ziösen Intensität und risikobereitschaft, oft auch mit großer Här te gegen sich selbst. »Kein Theaterschauspieler, ein Theatermensch« war er für Peter Zadek, einen seiner beiden regie»Leuchttürme«. Der andere war George Tabori. Bei ihm hat er gelernt zu fliegen, völlig frei zu probieren und waghalsig zu spielen. Was er spielt, soll aussehen, als sei es »nicht gespielt« – sondern völlig natürlich, wie absichtslos, als sei es eben erfunden. Das gibt selbst den dun kelsten und sperrigsten seiner Figuren eine gewisse Anmut. Seine geschmeidige, federnde, sprunghafte Spielweise erlaubt diesem Bühnenproteus schnelle Verwandlung. Dieser leichtfüßige Schau spieler ist ein Virtuose der Gleichzeitigkeit. Mühelos entfacht er ein atemberaubendes Neben und Nacheinander der verschie densten Tonfälle und Gefühlslagen und überrascht mit abrupten Stimmungswechseln. Subtil spielt er auf der Klaviatur der Ambi valenzen, der Brüche und Widersprüche einer Figur. Er kann dem Ungeheuerlichen ein menschliches Antlitz geben und dem Bösen Charme; er kann dem Gebrechen Grazie verleihen und der Ver führung eisige Kälte; er kann aus der Schwäche Überlebenskraft destillieren und aus der Macht pure Angst; er kann die Lebensgier im Moralisten durchscheinen lassen und die Mordlust im Welt verbesserer. Die wohl größte Herausforderung sind für ihn die großen, un ergründlichen ShakespeareFiguren. »Man müsste versuchen«, sagt er, »ihren Schatten gewachsen zu sein.« Und spielt sie im mer wieder. Wie die Verrückten unter seinen Figuren: den Voss in Thomas Bernhards Ritter, Dene, Voss als an den Grenzen des Irrsinns agierenden Philosophen Ludwig (Wittgenstein) oder den vereinsamten greisen Schauspielkönig in Bernhards einfach kom pliziert, so mitreißend, als beträte er vertrautes Gelände. Sind die se Figuren doch in ebendem Maße verrückt, »wie alle guten Schau spieler und regisseure verrückt sind, weil man sie nicht abmessen kann« (Voss). Am Ende seines grandiosen Solos blickt der Schauspielkönig zufrieden ins Publikum und sagt: »Begeistert sie offensichtlich.« Der Satz könnte von Voss sein. Tragende Rollen werden oft auch hinter den Kulissen gespielt. gerT voss geboren am 10. Oktober 1941 in Schanghai, nahm privat Schauspielunterricht, spielte in Konstanz, Braunschweig, im Residenztheater München und in Stuttgart. Er ging zu Claus Peymann nach Bochum und spielt seit 1986 am Burgtheater (abgesehen von den Jahren 1994–1996 beim Berliner Ensemble und an der Schaubühne Berlin). Gert Voss spielte praktisch alle großen männlichen Rollen der Theaterliteratur. Thomas Bernhard widmete ihm und seinen Kolleginnen Ilse Ritter und Kirsten Dene das Stück Ritter, Dene, Voss. In Hamburg und Wien war er in vielen Inszenierungen Peter Zadeks zu sehen. In Salzburg spielte er vier Sommer lang den Jedermann. 1995 ernannte ihn die Times zum besten Schauspieler Europas. www.jungheinrich.de 18 1 19 Burgschauspielerin Caroline Peters als gedemütigte Gattin Jeléna in Onkel Wanja (Foto Reinhard Werner / Burgtheater) und in dramatischem Schwarz (Foto: Jim Rakete) : TexT_em aNuel eckarDT W ir treffen uns im Café Schmitz in der Aachener Straße in Köln. Caroline Peters hat viel zu erzählen. Onkel Wanja, das Stück ist für sie so schrecklich wie Weihnachten bei der Familie zu Hause, purer Komödienstoff. »Alle haben kein Geld und müssen sich das Haus teilen. Das ist doch der Horror. Ich finde es super, wie die miteinander umge hen.« Auch wenn Gert Voss als Professor sie mit dem Gesicht brutal auf den Boden drückt? »Na klar. Der Professor behandelt mich als Elena, seine Frau, wie einen Putzlappen. Ein alter Zausel, der seine Frau er niedrigt, damit er irgendwie klarkommt. Das hat echt Größe und Komik.« Sie hatte Tschechow noch nie gespielt und hat es mit großem Spaß getan. »Der hat viele Spielfilme, die ich liebe, vorweggenommen. Kein Wunder, dass Fass binder, Haneke, Woody Allen und Ingmar Bergman zugeben, beim ihm abgeschrieben zu haben. Tsche chow ist gefundenes Schauspielertheaterfressen.« Gibt es einen Trend zum Schauspielertheater? »Es wäre schön. Wir hatten zwanzig Jahre lang regiethea ter und jetzt den PerformerTrend. Der Schauspieler kommt mir immer vor wie der Letzte in der Futter kette. Aber Zuschauer lieben Schauspieler! Sie lieben Leute, die sich für sie zum Affen machen. Die stehen da drauf! Deshalb frage ich mich immer, was spricht gegen Schauspieler?« Hamburg ist ihr aus ihrer Zeit am Schauspielhaus vertraut. »Die Hamburger waren begeisterungsfähig und rückenstärkend! Die haben uns mit den frühen PolleschStücken mit offenen Armen empfangen. Ich hab Hamburg als meine schönste Theaterzeit abge bucht.« Als sie 2004 zum Wiener Burgtheater wech selte, sorgte die Hamburger Punkband TempEau für eine solidarische Bugwelle: »Hier kommt Caroline Pe ters! Der hellste Stern in jeder Nacht! Ein Superstar mit SexAppeal, jeder will ein Kind von ihr, Wodka trinken, tanzen gehen, mit ihr um die Häuser ziehn.« »Dass sich Hamburg jetzt dieses Theater Festival leistet, ist eine enorme Leistung des Bürgertums, wie aus einer anderen Zeit kommt mir das vor«, findet sie. DEr HELLSTE STErN IN JEDEr NACHT Die Burgschauspielerin Caroline Peters hat gerade die Dreharbeiten zu einer neuen Staffel der Fernsehserie Mord mit Aussicht hinter sich, die pro Folge bis zu 6 Millionen Menschen Tschechows Onkel Wanja nach Hamburg. 20 © Georg Soulek vor dem Bildschirm versammelte. Aber ihr Herz gehört dem Theater. Jetzt kommt sie mit »Es ist längst eine veritable Konkurrenz zum Theatertreffen in Berlin, die mir jedenfalls viel mehr Spaß macht.« Warum das? »Weil es nicht so eine verklemmte Leistungsschau ist, die alle nur stresst. Weil die Auswahl der Produktionen nach persönlichem, subjektivem Urteil besser funktioniert als die Gremienentschei dung einer Jury, die in scheinbarer Objektivität urteilt. Und weil Hamburg trotz der hohen Qualitätsmaßstäbe immer auch das Publikum im Blick hat.« Sie redet sich in Brass, die Augen schleudern gefährliche Blit ze. Was regt sie auf? »Die Zukunft des Theaters, wie ich es kenne, ist so gefährdet, weil die Mittel immer mehr gekürzt werden. Es interessiert sich in Deutschland natürlich auch nur ein verschwin dend geringer Teil der Bevölkerung dafür. Hat sich das Theater zu weit vom Publikum entfernt? Oder das Publikum vom Theater? Wir predigen von oben herab: ›Wir haben das beste Sprechthea ter in der Welt.‹« Stimmt das denn nicht? »Doch! Damit haben wir sogar recht. Aber welche Haltung steht dahinter? Oft erscheint Theater als auf eine Ebene gehoben, die eher intellektuelle Distanzierung zeigt: Theater als hoch ange siedelte Kunst, vor der wir uns alle verneigen müssen. Auch das beste Theater der Welt ist gefährdet, wenn niemand Lust hat, hin einzugehen. Kunst, die sich für niemanden interessiert, interes siert niemanden. Und warum soll sie gerade dann besonders wert voll sein?« caroliNe PeTers Caroline Peters, geboren am 7. September 1971 in Mainz, hatte nach ihrer Schauspielausbildung an der Hochschule für Musik und Theater Saarbrücken 1995 ihr erstes Engagement an der Berliner Schaubühne am Lehniner Platz. Seit 1999 spielte sie im Deutschen Schauspielhaus in Hamburg, an der Volksbühne Berlin und am Schauspielhaus Zürich. Seit 2004 gehört sie zum Ensemble des Burgtheaters Wien. Seit 1998 steht sie auch im Fernsehen vor der Kamera. Sie wurde mit dem Adolf-Grimme-Preis (2007), dem Ulrich-Wildgruber-Preis (2012) und dem Bayerischen Fernsehpreis (2013) ausgezeichnet. Seit 2008 spielt sie als Kriminalkommissarin Sophie Haas die Hauptrolle in der Krimiserie Mord mit Aussicht, von der bisher 26 Folgen produziert wurden. 21 BAAL bekannt durch Kinofilme, Fernsehserien und ungezählte Theaterereignisse. Und immer wieder als Baal, den er jetzt beim Hamburger Theater Festival präsentiert, als Schauspieler und Regisseur einer konzertanten Aufführung an der Seite seines Sohnes Arthur (Bassgitarre). thomas thieme ist ein grosser schausPieler, : T e xT _m oN i k a N elli ss eN | foTo _ D i aN a D eN i z B aal, groß, dick und fett in der Mitte, und drum herum Figuren.« So schnörkellos führt Schauspieler Thomas Thieme, selbst ein körperliches Schwergewicht, das Publikum in seine Version von Bert Brechts Drama Baal ein. Es sei nicht das, was die Zuschauer jeden Tag zu sehen bekämen, klärt er auf. Nein, es ist eine kongenial von seinem Sohn Arthur auf der Bassgitarre begleitete und kommentierte kon zertante Aufführung. Baal sei »ein Stationendrama, in dem diese hochemotionale Figur durch ihr Leben wandert«, erläutert Thieme. Er ist das Kraftzentrum, das lesend, tänzelnd und singend, mit erstaunlich zar ten Händen den massigen Schädel umflatternd, schnau bend, tobend, wimmernd und flüsternd dem Lebens kannibalen Baal, dem Mörder, Dichter, Zuchthäusler und Liebhaber, nebst allen Personen um ihn herum Stimmen gibt, ohne die seine wesentlich zu verstellen. Damit wiederholt er eigentlich, was einst der schmächtige Bert Brecht tat: Der las seiner Jugendlie be Bi seinen noch unveröffentlichten Dramenerstling mit allen rollen komplett vor. Dieser UrBaal des Zwanzigjährigen – er entstand 1918 in Brechts Ge 22 burtsstadt Augsburg – wurde vom Dramatiker allerdings noch fünfmal umgearbeitet, weil er meinte, es fehle ihm an Weisheit. Thieme aber wählte aus allen Fassungen in Personalunion als Dramaturg, regisseur und Schauspieler die, wie er sagt, »geilsten Szenen« aus, um diese sehr persönliche Version erstmals im rahmen des Augsburger Brechtfestivals im Februar dieses Jahres aufzuführen. LEBENSKANNI BALE , MÖrDEr , DICHTEr , ZUCHT HÄUSLEr UND LI EBHABEr Doch noch ist Thieme während der Einführung, auf dem run den Schädel eine rote Baseballmütze, er selbst. Und er wird es blei ben, auch ohne Mütze, als Baal und seine Wegbegleiter. Er sei kein Verwandlungskünstler, hat er einmal gesagt, er spiele immer nur sich selbst. Was nichts mit dem Egotrip eines manisch um sich selbst Kreisenden zu tun hat, sondern mit einer großen Ehrlich keit und der Selbsteinschätzung, dass diejenigen Momente, die ei nen Schauspieler buchstäblich aus sich selbst heraustreten lassen, äußerst selten sind. Thieme bleibt, selbst wenn er sich eine Figur wie den Baal mit geradezu verschwenderischer Intensität einver leibt, Thieme. »Meine künstlerische Heimat bin ich selbst«, sagte er in einem Interview. Die freilich ist groß, reich und vielfältig. LEISE GI TArrEN TÖNE TrANSFOrMI ErEN DEN HÖLLENSTUrZ ZUr HI MMELFAHrT In Baal sind es Stimmungen, Emotionen, rhyth men, Farben, Poesie und explosive Spannungen, die der Schauspieler und sein Sohn erzeugen, bis zum Schluss. Leise Gitarrentöne haben im zarten Ausklang den Höllensturz des berserkerhaften Baal in eine Him melfahrt transformiert. »Und sie ritten in die junge Heide«, endet Thomas Thieme. Nicht mit jenem pa thetischen Ton, der Helden in Mythen verklärt. Baal verreckt, aber er wird erlöst. Es ist nicht die erste Auseinandersetzung des Schauspielers mit Brechts Baal. Thieme und Brecht sind nicht nur Brüder im Geiste, Baal könnte als Le bensbegleiter des Schauspielers bezeichnet werden. Schon 1991 hat er unter der regie von Manfred Karge den Baal am Wiener Burgtheater gespielt. Zehn Jahre später hat er ihn selbst in Weimar inszeniert, mit Ben Becker in der Titelrolle. Doch die ersten Begegnungen zwischen Baal und Thieme rei chen bis in dessen Anfängerjahre als Schauspieler zurück. Baal habe ihn sein Leben lang begleitet, erinnert er sich, er sei mit Baal erwachsen geworden. Weil er physisch diesem Typ entsprochen habe, sei er sogar als Schauspielschüler in Berlin an der Staatlichen Hochschule für Schauspiel Ernst Busch in diese rolle getrieben worden. Thieme hat an allen großen deutschsprachigen Bühnen und im Film mit wuchtigen, vielschichtigen Charakteren brilliert, die er nicht selten mit wundersamer Leichtigkeit verkörperte. Wie Baal. Thomas Thieme Thomas Thieme, am 29. Oktober 1948 in Weimar geboren, studierte an der Staatlichen Schauspielschule in Ostberlin, und spielte in Magdeburg und Halle, ehe es ihm 1984 gelang, mit einem Ausreiseantrag die DDR zu verlassen. Er spielte am Schauspiel Frankfurt, am Burgtheater in Wien, an der Schaubühne am Lehniner Platz, im Kasino am Schwartzenbergplatz und am Deutschen Nationaltheater in Weimar. Für seine Rolle als Richard III. in dem Stück schlachten! am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg wurde er im Jahr 2000 Schauspieler des Jahres. Er spielte in Kinofilmen und im Fernsehen in Serien wie Tatort oder Wolffs Revier. In der ZDF-Produktion Der Mann aus der Pfalz gab er den Kanzler Helmut Kohl. 23 Schlussbild mit Pappmasken und Konfetti: Michael Gerber, Zauberkönig, und Moritz Grove als Erich, der Nazi-Jurist von morgen Panik im Mittelstand Wie aktuell ist Ödön von Horváth? Eine Antwort darauf gibt das Deutsche Theater Berlin mit seiner Inszenierung der Geschichten aus dem Wiener Wald, dem inzwischen 80 Jahre alten Stück, das in einer Zeit der Weltwirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit entstanden ist. Regie führt Michael Thalheimer. : T e xt _Wo lfga n g M i cha l | Foto _A rn o D ecla i r A nfang Juli veröffentlichte die Süddeutsche Zeitung eine Reportage über die prekäre Lage der vermeintlich Gutsituierten: »Sie arbeiten, zahlen Steuern und stützen das Land. Nur: Sie können es sich kaum noch leisten.« Der Kassensturz der Befragten ergab, dass sie am Monatsende keinen Euro mehr üb rig haben. Darunter ein geschiedener Lehrer mit fünf K indern, ein Marketing-Direktor eines IT-Unterneh mens, ein Hochschulprofessor, dessen Frau zur Auf besserung der Haushaltskasse Musikunterricht erteilt, und ein Lehrer-Architekten-Ehepaar. Trotz guter Ge hälter müssen sie auf Fernreisen, neue Autos, eigene Häuser verzichten. Was ist da los? Kurz zuvor, im Dezember 2012, hatte das Deut sche Institut für Wirtschaftsforschung gemeinsam mit der Bertelsmann-Stiftung eine Studie publiziert, die ein gewaltiges Presseecho auslöste: »Die Mittel schicht schrumpft«, lautete die Alarm-Schlagzeile. Seit 1997 sei der Anteil der Mittelschicht an der Gesamtbe völkerung um fünfeinhalb Millionen Menschen zu rückgegangen. Vier Millionen waren in die Gruppe der Geringverdiener abgerutscht. Selbst gute Ausbildung konnte sie nicht vor dem Absturz bewahren. Heute befürchtet jeder Vierte aus der Mittelschicht, den eige nen Status nicht mehr lange halten zu können. Es herrscht »Panik im Mittelstand«. Achtzig Jahre zuvor, auf dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise, hatte die gleiche Schlagzeile die Mittelschichten in Angst und Schrecken versetzt. 1932 erschien das Buch Die soziale Schichtung des deutschen Volkes, in dem der Soziologe Theodor Geiger nüch tern vorrechnete, dass Weltkrieg, Inflation und Wirt schaftskrise weite Teile der alten und neuen Mittel schichten in »proletaroide« Existenzen verwandelt 24 hätten. Handwerksmeister, selbstständige Gewerbetreibende und Einzelhändler, die alten Mittelschichten, seien davon stärker be troffen als die Angestellten, die den Kern des »neuen Mittelstan des« ausmachten. Der Abstiegskampf dieser Schichten – auch das stellte Geiger damals schon fest – verschärfe sich noch durch die Dynamik von Globalisierung und Modernisierung, durch die ge burtenstarken Jahrgänge der nach 1900 Geborenen und die erst mals in großer Zahl in den Arbeitsmarkt drängenden Frauen. Allein von 1929 bis 1932 fielen die Löhne und Gehälter um 30 bis 40 Prozent, die Zahl der Arbeitslosen schnellte auf sechs Millio nen. Ödön von Horváth, 1901 geboren, hätte also – in der Lesart des Sozialhistorikers Hans-Ulrich Wehler – zu jenen »überflüssigen Jahrgängen« gehören müssen, die »das Weimarer System« als »ab weisend, spröde, unzugänglich, ja feindlich« empfanden. Horváth war unmittelbar betroffen vom Absturz der Mittelschichten – und stenographierte als »treuer Chronist seiner Zeit« (Horváth über T HALHEI MER S SPAR SAMKEI T: KEI N PLÜSCH, KEI NE WAL ZER SELIGKEI T Horváth) den Alltag zwischen Wien und Berlin, München und Murnau gewissenhaft wie ein Reporter mit. Nicht selten verarbei tete er authentische Fälle, doch meist ging seiner dramatischen Ar beit eine soziologische Gesellschaftsanalyse voraus. Er konnte sich quasi ausrechnen, was passieren würde. Im Herbst 1930, als die NSDAP in den Reichstagswahlen von zwei auf 18 Prozent hochschnellte, skizzierte Horváth ein neues Romanprojekt, Arbeitstitel: »Der Mittelstand«. Das lediglich vier Seiten umfassende Notizenfragment, das sich im Nachlass des Schriftstellers fand, zeigt Horváth als hellsichtigen Analytiker, der chronologisch und stichpunktartig die Statusveränderungen seiner Protagonisten festhielt, bevor er ihnen Leben einhauchte. Horváth wollte den Abstieg der Familie Qu. über vier Generatio 25 Zauberkönig Michael Gerber und Almut Zilcher als Valerie nen verfolgen. Daraus wäre wohl die Fortsetzungs geschichte der Buddenbrooks geworden, freilich nicht als Tragödie, sondern als Farce. Der Zeitkritiker Horváth arbeitete wie ein Kon strukteur. Er entwickelte seine Geschichten am reiß brett. Montierte Bilder, Bilderbögen, Skizzen und Geschichten zu reigen und Totentänzen. Sein Stamm personal arrangierte er dabei immer wieder neu, nahm Figuren aus älteren Stücken oder Entwürfen, benann te sie um, wechselte die Schauplätze, variierte die Handlung. An den 1931 erschienenen Geschichten aus dem Wiener Wald arbeitete er schon seit 1928, doch noch im Frühjahr 1931 sah Marianne, die Tochter des Zauberkönigs, unter dem Titel Die Schönheit aus der Schellingstraße ganz anders aus. Die Handlung spielte nicht in Wien, sondern in München, und sie themati sierte den Mädchenhandel. Das »ProduktionsStudio Horváth« verfügte über ein festes Ensemble, dessen flexibel einsetzbare Mit 26 glieder der Konstrukteur auf immer neue Stücke durchpausen konnte. Seine Figuren – von regisseur Michael Thalheimer auf ei ner leeren Bühne kongenial zur Geltung gebracht – fungieren als reine Sprachrohre und Sprechwerkzeuge. Ihre Texte verkörpern die Bewusstseins und Unterbewusstseinszustände des Volkes. Dieses Volk besteht nach Horváth »zu 90 Prozent aus vollendeten oder verhinderten Kleinbürgern«, nämlich a) aus dem abgestiege nen Bürgertum, »das in seinem Seelenleben ausgelaugt, in seiner Moral korrumpiert ist«, und b) aus den aufstiegswilligen Schich ten, die partout in das Kleinbürgerleben hineinwollen. Als äußere Form benutzte Horváth das Genre des Volksstücks, das ebenfalls festes Personal bevorzugte, aber hoffnungslos ver logen war. Das alte Volksstück, so Horváth, »zerstörte ich … mit vollem Bewusstsein … formal und ethisch – und versuchte als dramatischer Chronist die neue Form des Volksstücks zu finden«. Welche Gratwanderung das war, vermittelt die Laudatio zur Verleihung des KleistPreises, die der Schriftsteller Carl Zuckmay er am 30. Oktober 1931, nur drei Tage vor der Uraufführung der Geschichten aus dem Wiener Wald, auf Horváth hielt: »Horváth«, so Zuckmayer, »scheint mir unter den jüngeren Dramatikern die stärkste Begabung, darüber hinaus der hellste Kopf und die präg nanteste Persönlichkeit zu sein. Seine Stücke sind ungleichwertig, manchmal sprunghaft und ohne Schwerpunkt. Aber niemals wird sein Ausdruck mittelmäßig, was er macht, hat Format, und sein Blick ist eigenwillig, ehrlich, rücksichtslos … Es wäre ein Missver ständnis, ihn für einen Satiriker zu halten …« Horváths komplizierte Doppelbödigkeit, seine gleichzeitige Zertrümmerungs und Erneuerungsarbeit, analysierte der Satiri ker Erich Kästner am Beispiel der Berliner Uraufführung: Zwar habe Horváth »ein Wiener Volksstück gegen das Wiener Volks stück« verfasst. »Er übernahm die aus Filmen, Operetten und Dra men bekannten pensionierten rittmeister, die süßen Mädel, die nichtsnutzigen Hallodri, die familiensüchtigen Kleinbürger; er übernahm den Plüsch, aber er klopfte ihn aus, dass die Motten aufflogen und die zerfressenen Stellen sichtbar wurden …« Trotz dem, so Kästner, sei es »sehr schwer, eine derartige Komödie mit HOrVÁT HS MOT I V: DI E UNENDLICHE DUMMHEI T ANSCHAULICH MACHEN doppeltem Boden sinngemäß zu inszenieren und dem Publikum, soweit es einfältig ist, den Doppelcharakter des Ganzen anschau lich zu machen.« Kästner hatte erkannt, dass die Zerstörung der Erwartungs haltungen durch die Malträtierung der gewohnten Gestaltungs elemente – Liebe, Schmerz, Versöhnung, Idylle, Feste, Walzermu sik – bei einem ungeschulten Publikum auch nach hinten losgehen kann oder von übereifrigen regisseuren durch üppigen Einsatz von Bühnen und Walzerkitsch ins Groteske übersteigert wird. Thalheimer entgeht dieser Gefahr durch äußerste Sparsamkeit: Kein Plüsch, aber auch kein ausgeklopf ter Plüsch. Keine Walzerseligkeit, aber auch keine Kontrapunkte. 2013, nach Stromberg und Mad Men, muss niemand mehr »in der alten Form die Ideologie des Inhalts zerfetzen« oder, um Adorno abzuwandeln: Die alten Volksstückfiguren müssen nicht mehr in Salz gelegt und gebeizt werden, »bis die Zunge schmerzt«. Die »Kleinhölle des Kleinbürgertums« ist so über reichlich karikiert und entlarvt worden wie keine an dere Schicht. Thalheimer vermeidet daher das Naheliegende: die Satire, die Parodie, die Posse, den Klamauk (nur Os kars Clownsnummer mit der Bonbonschachtel erlaubt er sich). Thalheimer macht weder eine hundsgemeine »Wiener Stimmungssoubrette« aus Horváths Stück noch eine QualtingerNummer oder einen Georg KreislerSong. Er verzichtet auf Anklänge an G.W. Pabsts Freudlose Gasse und entgeht auch dem Nes troy, Schnitzler und StrindbergVerschnitt. Thalhei mer konzentriert sich stur auf die Horváth’schen Sprechrollen. Allenfalls kitzelt er eine Prise Brecht und eine Spur Büchner heraus, denn sowohl Sinnlichkeit als auch Verfremdungseffekt stecken bei Horváth in der Sprache – und in den Pausen zwischen den Sätzen. Seine Figuren sprechen »Bildungsjargon«, aber den Phrasen und »Kalendersprüchen« fehlt jeder eigene Ausdruck, jede eigene Erkenntnis. Sie sind das falsche Bewusstsein des Mittelstands. Sein Bildungsjargon bleibt auch immer der gleiche, nur die Figuren, die ihn benutzen, wechseln. Die »Bildung« besteht aus geflü gelten Worten, die zu nichts inspirieren, sondern un terdrückte, gemeinere Gefühle kaschieren, was oft zu aberwitzigen Dialogen und hirnverbrannten Assozia tionen führt. Besonders penetrant wird das Aneinandervorbei Gerede immer dann, wenn Horváth mitten im Dialog »Stille« anordnet. Dann kippt die Situation für einen Moment, und etwas Verstecktes lugt durch das Ge plapper hindurch. Mit diesen abrupten »Breaks« mar kiert Horváth den »Kampf zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein«. In seiner »Gebrauchsanweisung« schreibt er dazu: »Bitte achten Sie genau auf die Pau sen im Dialog, die ich mit ›Stille‹ bezeichne – hier kämpft das Bewusstsein oder Unterbewusstsein mit einander, und das muss sichtbar werden.« Die Stille soll den Inhalt des Gesprochenen umkehren, und die Pause hat gerade so lange zu dauern, bis die Umkeh rung deutlich geworden ist. Nur wenn die Mittel Rechts: Peter Moltzen (Oskar) mit Katrin Wichmann (Marianne). Im Hintergrund Moritz Grove (Erich) und Michael Gerber Unten: Flintenweib und Student. Almut Zilcher mit Moritz Grove rianne kann der Liebe Oskars (und der Liebe der Nazis) eben nicht entgehen. Die zirkuläre Struktur des Stücks verweist auf Horváths zentrales Schaffensmotiv: Er will die unendliche Dummheit und die dumme Unendlichkeit des Mittelstands anschaulich machen. Der Mittelstand, so Horváths bittere Bilanz, rettet sich in Gefahr und höchster Not immer in die Irrationalität. Er ergibt sich in sein Schicksal und bleibt aufreizend passiv gegenüber allen politischen Möglichkeiten. Horváth hat dieses befremdliche Verhalten in immer neuen Varianten verdichtet. Es nützte nichts. Der ängstliche Standes dünkel des sich bedroht fühlenden Mittelstands verhinderte jede Selbsterkenntnis. Je stärker der Abwärtssog spürbar wurde, desto erbitterter wurde das alte Denken verteidigt, denn es diente der verbissenen Abgrenzung gegen die da unten. Horváth, von den Nazis immer stärker bedrängt, musste schließlich emigrieren, seine Stücke wurden verboten, den Welt krieg erlebte er nicht mehr. Am 1. Juni 1938 wurde er in Paris wäh rend eines Gewitters von einem herabfallenden Ast erschlagen. PS: Zehn Jahre später, nur drei Jahre nach dem Untergang des »Dritten reichs«, entfachte sein Stück in Wien einen der größten Theaterskandale der Nachkriegszeit. Aufgebrachte Besucher aus der Mittelschicht pfiffen, schrien, trampelten und fühlten sich von Horváth zu gefühllosen »Bestien« erniedrigt. Es sei eine Unver frorenheit, ja eine bodenlose Frechheit, »diese Verunglimpfung Wiens gerade den Wienern vorzusetzen«. – »Das Stück gehört ab gesetzt!« © Peter Rigaud schicht nicht plappert, kommt sie für einen Moment zu Bewusstsein. Um den ständigen Kampf zwischen Schein und Sein auf der Bühne noch sichtbarer zu machen, schafft Horváth für seine Protagonisten AlterEgoFiguren: Der Fleischhauer Oskar z. B. trägt den brutalen Gehil fen Havlitschek in sich. Der Zauberkönig könnte eben so gut ein nobler rittmeister geworden sein, die real schülerin repräsentiert eine jüngere Marianne, und der glücklose Alfred wäre als Hierlinger dem Eheschicksal entkommen. Valerie verkörpert die spätere Marianne, Erich einen gewendeten Alfred und der Zauberkönig einen altersstarrsinnig gewordenen Oskar. Luder und Engel sind eben eins – wie Oskar an seiner Marianne feststellt. Alles ist möglich. Jeder kann sich in jeden verwandeln. Die verunsicherte, durch die Krise ihrer Identität beraubte Mittelschicht erscheint so doppel gesichtig wie austauschbar. Der im gleichen Jahr wie Horváths »Geschichten« entstandene Film Dr. Jekyll und Mister Hyde treibt dieses Motiv auf die Spitze. Thalheimer greift es auf, wenn er die Schauspieler in der Schlussszene nahezu identische Masken aufsetzen lässt. Am Ende ist Horváths Marianne wieder dort ange langt, wo ihre Auflehnung begonnen hat: Sie wird von den vereinten Männern zurück an den Herd dirigiert – wie Millionen andere Frauen, die in den dreißiger Jah ren ihre Emanzipation wieder aufgeben mussten. Ma DEr HErr DEr BUrG Intendant des Burgtheaters Wien, Bühnenautor und produktiver Theaterregisseur mit rund 70 regiearbeiten, plaudert aus der Schule, spricht über den Kosmos, in dem er verschwindet, über schlecht gelaunte Theaterregisseure und über das große Missverständnis des politischen Theaters. matthias hartmann, Trostlos im schneegestöber: Katrin Wichmann als Marianne : i NT e rvi e W_e m a Nue l ecka rDT Herr Hartmann, Sie sind Intendant des Burgtheaters und ein sehr produktiver Regisseur. Wie kriegen Sie das alles nur auf die Reihe? Ich arbeite gern. Arbeiten Sie schwer? Ja. Aber solange mir so ein Spielzeug wie das Burg theater zur Verfügung steht, solange ich Dinge ma chen kann, die ich vorher nicht kalkulieren kann, son dern die ich täglich neu erfahre, solange ich – und das ist am Ende das Entscheidende – immer wieder ein Lernender bin, so lange habe ich keinen Grund, mich über die Arbeit, die ich mache, zu beklagen. Halten Sie sich für privilegiert? Ich genieße das Privileg, in Bereiche zu kommen, von denen ich höchstens Ahnung, aber kein Wissen habe, und in dieser Phase der Arbeit, in diesen neun, zehn Wochen, tau che ich in einen Kosmos, in dem ich Tag für Tag komplett ver schwinde, in dem sich mir ein völlig neues Leben auftut, in dem ich Erfahrungen mache, die ich sonst nie bekommen hätte. Ich gehe in eine neue Welt hinein, mit neuen Erfahrungen, Neuorien tierungen. Bleibt Ihnen bei so viel Arbeit noch Zeit fürs Privatleben? Ich tanze auf einer schmalen Linie zwischen bürgerlicher Existenz und Künstlerdasein. Ich habe Familie und den Wunsch, am Mitt wochnachmittag nach Hause zu kommen und mit meinen Kin dern am Klavierunterricht teilzunehmen. Auf der anderen Seite muss ich mich mit aller radikalität diesen Abgründen des Theaters aussetzen, mich in diesen Schründen wundschürfen, den Anstren gungen, die notwendig sind, um dann gelegentlich mal wieder ein Kunstwerk zu schaffen. 29 © Reinhard Werner / Burgtheater © Reinhard Werner / Burgtheater Auch mit alten, immer wieder gespielten Stücken? Wir proben jetzt einen Österreicher, Johann Nestroy. Der böse Geist Lumpazivagabundus oder das Lieder liche Kleeblatt. Ein 180 Jahre altes Stück, und trotzdem etwas völlig Neues. LOR IOT S SATZ »FRAUEN HABEN AUCH IHR GU TE S« IST NICHT ZU ÜBERTREFFEN DI E MEISTEN H ISTOR ISCHEN T HE ATERREGISSEURE WAREN SCHLECHT GELAUN T UND HAT TEN EI N REFLUX-PROBLEM Ich weiß, dass mir die eine oder andere Sache ganz gut gelungen ist. Dass wir es in den letzten Jahren beim Hamburger Theater Festival geschafft haben, die Men schen in solche Euphorie zu bringen, ist etwas sehr Tröstliches und widerspricht allem Geraune von der Vergeblichkeit des Theaters. Es ist sicher eine span nende Erfahrung, mit Onkel Wanja und Troja nach Hamburg zu gehen. Sind die Wiener verwöhnt? Wir sind verwöhnt, weil die Wiener ihr Theater so sehr lieben! Das ist keine Selbstverständlichkeit. Wir erleben einen Generationenwechsel bei den Regisseuren und neue Sehweisen. Was hat sich verändert? Die meisten historischen Theaterregisseure, die ich kenne, waren schlecht gelaunt und hatten ein RefluxProblem. Sie erzählen den Menschen von ihren ver gangenen Erfolgen. Dafür ist die Kunst zu flüchtig, und es geht alles zu schnell vorbei. Seitdem die Söhne der Nazis nicht mehr Regie führen, wird das Theater lebendiger. Es gab ein großes Missverständnis im The ater der siebziger Jahre. Es sah sich als ein Theater der zweifelsfreien Gewissheiten. Die wussten noch, was gut und böse ist. 30 Wissen wir das nicht mehr? Nicht mehr in dieser einfachen Zuordnung. Dramatischer Diskurs entsteht, wenn zwei Dinge einander unvereinbar begegnen und beide haben recht. Wenn nur einer recht hat, ist es nicht mehr spannend. Spannend wird es, wenn beide gut und beide böse sind. Das Leben ist nie eindeutig. Das Leben ist ambivalent, und deswe gen weise ich Schuld auf der Bühne niemals zu, sondern ich zeige den Abgrund aller Menschen. Was spricht gegen politisches Theater? Das politische Theater, das man sich ersehnt, wenn man über po litisches Theater spricht, ist nach meiner Auffassung ein großes Missverständnis. Büchner hat gefragt: »Was ist das, was in uns lügt, mordet, stiehlt?« Das ist eine spannende Frage. Ich muss mit Fragen aus dem Theater herauskommen, die mich nicht mehr in Ruhe lassen. Ich muss das Mögliche und Unmögliche erschrocken wahrnehmen. Welches politische Thema sollte das Theater aufgreifen? Die Erosion von Demokratie. Wir stellen fest, dass Demokratie ein Auslaufmodell wird, weil junge Leute sich nicht mehr dafür interessieren, sie wollen nicht beteiligt werden am politischen Entscheidungsprozess, sie sind der Diskussion müde. Das ist ein Medienphänomen. Die ständige Suche nach der richtigen Wähler stimme, der passenden Talkshow, die ständige Orientierung an Umfragewerten führen zu populistischer Anbiederung, zu Cha rakteren, die täglich ihre Meinung ändern und möglichst offen halten, weil sie Angst haben müssen, dass sie durch den Rost r utschen, sobald sie Position beziehen. Sie suchen Strömungen abzugreifen. Und so spielen sich Medien und Politik ständig in die Hand, und die Demokratie geht den Bach runter. Was folgt daraus? Das Theater muss sich um das Thema Demokratie kümmern. Was macht Ihnen Angst? Was ist Ihnen unheimlich? Routine! Was jeder Herzchirurg braucht und jeder Rechtsanwalt, ist beim Theater eine Todesstrafe. Ich habe die Erfahrung ge macht: Immer wenn man denkt, man weiß, wie etwas geht, miss lingt es sofort. Und deswegen bin ich dankbar, dass mir das Burg theater eine Infrastruktur stellt, die es möglich macht, sich immer neuen Erfahrungen zu öffnen. Linke Seite: Burgtheater in Hamburg: Troja, mit Lucas Gregorowicz und Adina Vetter, Onkel Wanja mit Nicholas Ofczarek, Gert Voss und Caroline Peters Bild rechts: Matthias Hartmann, beredt argumentierend © Reinhard Werner Was treibt Sie an? Dass ich mit jeder neuen Arbeit eine neue Chance be komme, das, was mir misslungen ist, wiedergutzu machen. Und so befinde ich mich in einer Art Hams terrad. Jetzt sind sie entweder sehr selbstkritisch oder kokett. Das Publikum nimmt Ihre Arbeit doch begeistert auf … Sie riskieren wie nur sehr wenige deutsche Regisseure den Umgang mit Humor. Warum? Wenn ich die Chance habe, mit so sensationellen Ko mikern wie Joachim Meyerhoff, Michael Maertens, Maria Happel, Nicholas Ofczarek Was ihr wollt auf zuführen, bleibt mir doch gar nichts anderes übrig. Das Leichte ist schwer, oder? Dieser Destillierungsprozess, in dem wir gemeinsam die Pointen raffiniert haben, ist tatsächlich harte Ar beit. Wenn man sich gegenseitig auf Augenhöhe be gegnet und sagt: »Pass auf, da ist noch was drin, doch … An dieser Sache ist noch was, und da … Noch eine Drehung, denn da sitzt überhaupt erst die Pointe … Ach nee, da ist noch eine zweite Stufe, die können wir auch noch zünden …« Wenn man so arbeitet, das ist dann schon eine Freude. Ich lach halt gern und tröste mich auch gern durch das Lachen über alle möglichen anderen Dinge hinweg. Bei Loriot lernt man, wie wichtig das Timing im Handwerk der Komik ist. Gilt das auch fürs Theater? Timing ist ungeheuer wichtig. Loriot ist einer der Größten über haupt. Ich seziere sein Werk sehr gern und immer wieder. Vor allem sein Satz »Frauen haben auch ihr Gutes« ist nicht zu über treffen. Wie wach ist das Publikum? Kann man es hinters Licht führen? In den letzten Jahren gab es im Theater viele Strömungen, das Pu blikum zu verarschen. Ich bin grundsätzlich Verführer des Publi kums, ich will sie haben, die Menschen da draußen. Ich möchte mich nie vor einem halb leeren Saal darüber trösten, dass ich ein missverstandener Künstler bin, und will mich trotzdem nicht bil lig verkaufen. Die These, dass RTL der bessere Sender sei als arte, weil er mehr Publikum hat, gilt im Umkehrschluss auch nicht. Also erst mal volles Haus, und dann sehen wir weiter? In Wien können wir sicher sein: Da draußen gibt es das Publikum, das sich für Theater interessiert und das auch nicht unter Niveau entertained werden will. Es hat ein starkes Qualitätsempfinden, vor allem was Schauspielerei anlangt. Schauspielerei steht hier in Wien über allem, und das wird sehr honoriert. Wenn ein guter Schauspieler auf der Bühne steht, dann wird viel verziehen. Auch wenn man ein Stück gar nicht wiedererkennt? In der Musik steht Werktreue hoch im Kurs. Läuft es beim Theater genau andersherum, bloß weit weg vom Originaltext? Ich sehe viele große Regisseure, die versuchen, schauspielerisch und textkonform zu arbeiten, und das respektiere ich total. Ich finde auch diese Sehnsucht sehr verständlich. Aber im Theater darf grundsätzlich nichts verboten sein. Theater muss einfach gut sein. Und gut ist, was zwingend ist, was einleuchtend ist. Es darf schockierend sein. Es muss um Himmels willen nicht leichtgängig und gelenkig sein. Es muss sich nicht flüssig meinem Geschmack leinengewandete Menschen zwischen Birken herum und regen sich auf über die furchtbare Unbill des Lebens. In Wahrheit sind diese Stücke schroffer, bö ser, monströser und vor allem auch viel komischer, viel grotesker. Es sind Satiren von unbeschreiblicher Schärfe. Hatte Stanislawski keinen Humor? Stanislawski hatte eine Mission. Er verlangte die Ar beit des Schauspielers an sich selbst und hat damit eine eigene Aufführungstradition entwickelt. Wenn man weiß, dass Tschechow nach jeder Aufführung Stanis lawskis geschworen hat, er wolle nie wieder etwas mit ihm zu tun haben, versteht man, dass dieses große Missverständnis eigentlich hätte aufgelöst werden müssen. In Hamburg ist Stanislawski ein großer Name, allerdings mit dem Vornamen Holger, als langjähriger Trainer des FC St. Pauli … »WENN ALLE GEMEI NSAM RATLOS SI ND, © Peter Rigaud IST DA S EI NE SEHR KONSTRUK T I VE PHA SE« Vor der Burg: Matthias Hartmann im Café Landtmann anbiedern. Es kann mich herausfordern und aufs Ärgs te schockieren, wie ein Stück von Roland Schimmel pfennig, das ich gerade lese, ein Stück, wo ich beim Lesen rote Ohren kriege vor lauter Ergiffensein, Be wegtsein. E S IST EI NE KONZESSION AN DI E MEDI ENZEI T, DA SS REGISSEURE ZUNEHMEND EI NE ART MARKEN ZEICHENK UNST MACHEN Was geschieht, wenn das Schockierende als erwartbare Bühnenpraxis überhandnimmt? Diejenigen, die sagen, es gibt zurzeit eine Vereinheit lichung des Theatergeschmacks, haben recht. Es ist mehr eine Konzession an das Medienzeitalter, dass Regisseure um der Lesbarkeit ihrer Handschrift willen so eine Art Markenzeichenkunst machen. Das ist in Wahrheit nicht notwendig. Es gab in letzter Zeit auch einen Trend zum Tendenztheater, und das ist tatsäch 32 lich und zu Recht vom Publikum nicht gewollt. Es möchte keine Schulung durchmachen, sondern einfach offen bleiben. Was bedeutet das für Ihre Arbeit? Wir haben in Wien die Pflicht, das Theater in allen Ausdehnun gen zu ermöglichen, und da kommt jemand wie Andrea Breth ge nauso zum Zug wie Antú Romero Nunes. Da stehen sich diamet ral zwei Galaxien gegenüber, so wie ich im Museum die Alten Meister genauso bewundere wie ein avantgardistisches Kunst werk. Wir kommen ja dieses Jahr mit zwei völlig unterschied lichen Stücken nach Hamburg. Das eine, Anton Tschechows On kel Wanja, ist ein Stück, bei dem ich mich tatsächlich sehr auf den Text konzentriert habe. Ein oft gespielter Klassiker …? Oft gespielt, und voll daneben. In der Aufführungstradition von Onkel Wanja gibt es ein großes Missverständnis. Ursache ist die Zusammenarbeit des Theatermachers Stanislawski mit Tsche chow. Stanislawski hatte eine sehr rigide Theaterdoktrin, durch ihn kam dieses Missverständnis vom Befindlichkeitstheater in die Welt. Deswegen laufen im Deutschsprachigen bei Tschechow Da ging es ja wohl auch um Spielwitz, denke ich. Da mit sind wir gar nicht so weit voneinander entfernt. An Tschechow interessiert mich die Radikalität, die Härte, die da drin steckt, und die haben wir versucht herauszuarbeiten, und dafür haben wir auch die rich tigen Schauspieler. Sie sind von einer Unverblümtheit und Boshaftigkeit, die dem Stück Rechnung trägt. So, wie die sich auf der Bühne beschimpfen, möchte man mit keinem Menschen auf der Welt reden. Wie steht es mit der Texttreue beim »Trojanischen Pferd«? Da sind wir polygam. Bevor wir einen Text hatten, ha ben wir uns alle an einen Tisch gesetzt und uns auf den Zeitraum geeinigt, in dem das Drama stattfinden soll. Es beginnt damit, dass die Trojaner glauben, die Grie chen seien abgefahren und hätten nur dieses große Pferd dagelassen, und es endet damit, dass der Krieg endet. Über diesen Moment gibt es wenig Literatur, außer einem Essay von Peter von Matt, Die Intrige, Theorie und Praxis der Hinterlist. Wo haben Sie noch gegraben? Überall. Bei Raoul Schrott, Peter von Matt, Christa Wolf, Walter Jens, Gustav Schwab und auch bei Wiki pedia. Wir haben alles genommen, was wir finden konnten. Für die Figur des Paris haben wir Rudolf Ha gelstanges Spielball der Götter gefunden. Ein Dichter der fünfziger Jahre. Der ist wirklich toll. Er macht sich zum Anwalt der Paris-Figur, bei uns gespielt von Lucas Gregorowicz. Text und Schauspieler passen hervorra gend zusammen. Wie funktioniert das Verhältnis zwischen Schauspieler und Regisseur? Sagen Sie als Regisseur, was Sie wollen, wo es langgeht? Das Verhältnis ist geprägt von gegenseitiger Abhängigkeit, von Respekt und von Vertrauen. Früher hatte meine Arbeit mehr Kon turen, ich hatte Vorstellungen, wie etwas laufen könnte, ich bin mehr von mir ausgegangen, wie ich es sehen möchte. Inzwischen glaube ich, die fruchtbarste Zusammenarbeit entsteht, wenn man Schauspielern zuschaut, wo ihre Möglichkeiten oder ihre Begren zungen sind, und indem man versucht, die Figur und den Schau spieler deckungsgleich zu bekommen. Erzählen Sie mal, wie das funktioniert? Man hat seine Vorstellungen, aber man ist oft ratlos, weil man nicht weiß, wie man so was erzählen soll, und dann sind alle ge meinsam ratlos. In Wahrheit ist das eine sehr konstruktive Phase. Man greift nach einem Strohhalm, dann probiert man was aus, und dann bricht das ganze Kartengebäude wieder zusammen, man hangelt sich hoch, versucht irgendwie Luft zu kriegen, und plötzlich ist dann doch was da, und ich bin dann sehr überrascht. Manchmal kontrolliere ich jeden Fingerzeig, jeden Blick, und manchmal lass ich auch rennen und laufen, um die ganze Baustelle überhaupt erst einmal zu sehen. Ist die Bühne Teil der Baustelle? Wir bewegen uns in einem Portal von vierzehn mal sechs Metern. Das bringt lauter spannende Fragen: Wie schaffe ich es, die Kon zentration der Menschen auf eine Figur lenken, wie schaffe ich es, eine gewisse Brüchigkeit oder Kompaktheit, wie schaffe ich es, Aufmerksamkeit zu erzielen? Was muss geschehen, um Neugier zu erwecken? Das sind sehr schwierige Mechanismen, mit denen wir umgehen können. Welche Instrumente nutzen Sie? Alle Komponenten, die kompositorische Kraft haben. Laut, leise, schnell und langsam, hell und dunkel, vorn und hinten oder die Seiten, das sind alles kompositorische Elemente, mit denen man Spannung erzeugen kann. Und dann lernt man: Das Spannende ist auch psychologisch richtig, man kann auch feststellen, dass man selber zum Medium wird und dass die Dinge in ihrer kom positorischen Energie eine psychologische Szene erklären können. Das bedeutet: Am Ende steht die künstlerische Wahrheit über der psychologischen Wahrheit. Matthias Hartmann Der Theaterregisseur Matthias Hartmann, geboren am 27. Juni 1963 in Osnabrück, führte nach dem Schauspielstudium in Stuttgart Regie im Schillertheater Berlin, in Kiel, Mainz und Wiesbaden, am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg, am Staatsschauspiel in München und am Zürcher Schauspielhaus. Er war künstlerischer Leiter am Niedersächsischen Staatstheater in Hannover, Intendant am Schauspielhaus Bochum und am Schauspielhaus Zürich und leitet seit 2009 das Burgtheater in Wien. Er inszeniert seit 2003 auch an großen Opernhäusern und war als Regisseur mit den Burgtheater-Produktionen Amphitryon (2009), Phädra (2010), Der Parasit, Krieg und Frieden (2011) und Was ihr wollt (2012) beim Hamburger Theater Festival zu Gast. 33 Die Schatten werden länger, Henrike Johanna Jörissen als »Lämmchen« und Nico Holonics als Johannes Pinneberg. Im Hintergrund Peter Schröder als Mutter und Michael Benthin als Vater Mörschel »BLOSS NICHT ArBEITSLOS WErDEN« michael thalheimer kommt mit einem romanstoff zum hamBurger theater festival. Im Schauspiel Frankfurt hat er in Koproduktion mit den ruhrfestspielen recklinghausen Hans Falladas Kleiner Mann – was nun? inszeniert und macht den kleinen Mann zum zerbrechlichen Helden einer (griechischen) Tragödie. : T e xT _ u r s u l a k el l er | foTos_ Bi rgi T h u Pfel D G rößer könnte der Sprung nicht sein. Michael Thalheimer, der Minimalist unter den gro ßen regisseuren, bringt nach seiner atemberauben den, archaischwuchtigen Medea vom letzten Jahr zum ersten Mal einen roman auf die Bühne, Falladas wirk lichkeitssatten Gesellschaftsroman Kleiner Mann – was nun? von 1932. Mitten in der großen Wirtschaftskrise erschienen, hat sich dieses luzide Epochenpanorama heute von neuem aufgeladen mit Gegenwart. Es ist der roman der Stunde. Schnoddrig, humorvoll und voller Empa 34 thie für seine Figuren führt Fallada uns schmerzhaft vor Augen, wie es zugeht zwischen den Menschen, wenn die große Krise ihre Kinder frisst. Ein idealer Stoff fürs Theater und eine formale Herausforde rung. Thalheimer, Meister der reduktion, der Verdichtung und der strengen Form, nimmt sie an und begegnet ihr mit den ihm eigenen ästhetischen Mitteln. Fern von allem szenischen realismus komprimiert er das weiträumige Geschehen, streicht alles Atmosphärische und er setzt den epischen Gestus durch blitzschnelle Szenenwechsel. In den Fokus unseres Interesses rückt er ein junges Paar, den Buch halter Johannes Pinneberg und sein lebenskluges »Lämmchen«. Hautnah lässt er uns ihren verzweifelten Kampf um Würde inmitten einer aus den Fugen gera tenen Welt miterleben. Der Bühnenraum wie immer bei Thalheimer denkbar minimalistisch und doch ein starkes Zeichen: ein riesiger rahmen, vorne eine Art Laufsteg, das Ter rain der beiden Hauptdarsteller, hinter ihnen eine gro ße schwarze Schräge. An ihrem Ende stehen im dunk len Hintergrund aufgereiht und zunächst nur als Silhouetten erkennbar die übrigen Figuren: der Chor. Er feuert an, er warnt, brüllt oder flüstert bedrohlich. Dann und wann löst sich eine der Figuren aus dem Kollektiv und nimmt Gestalt an, um hämisch oder hilfreich, intrigant oder autoritär, mitfühlend oder ge walttätig in das Leben der beiden einzugreifen: Pinne bergs halbseidene Mutter, ihr schmieriger Liebhaber, der tyrannische Chef, der kommunistische Vater, die gespenstische Vermieterin – in virtuosen Kurzauftrit ten grotesk überzeichnete Charaktermasken, die Ab gesandten der feindlichen Außenwelt, gegen die sich Pinneberg und Lämmchen allein auf sich gestellt zu behaupten versuchen. Und das, ohne sich zu verbie gen. Sie sind jung und verliebt und voller Zuversicht, es gemeinsam zu schaffen. Wenn Pinneberg die Ner ven verliert, sein panisches Mantra »Nur nicht arbeits los werden!« intoniert, macht ihm sein unerschütter liches Lämmchen Mut. Beide sind sie weder fähig noch bereit, die »Verhaltenslehren der Kälte«, die die Zeit für sie bereithält, zu lernen. Und so, sehr naiv und wenig gewappnet, geraten sie unver schuldet in die große kapitalistische Entwertungsmaschine, die Weltwirtschaftskrise. Ein Mahlwerk, das nicht mehr wie einst von Göttern angetrieben wird, aber so grausam und unerbittlich wie diese Schicksal spielt, indem es massenweise Menschen aus spuckt. Wie ein unausweichliches Verhängnis vollzieht sich der Niedergang des jungen Pinneberg, und so atemlos folgt das Pub likum den Stationen dieses sozialen Abstiegs, als gäbe man ihm da ein Bild seiner eignen Ängste. Anders als Fallada lässt Thalheimer seinen zerbrechlichen Hel den am Ende kein tröstliches »Wir haben ja uns«. Zu weit voran getrieben ist die Auslöschung an Leib und Seele, als dass da an deres bliebe als Schweigen und Dunkelheit. Seine formal strenge, aber hochemotionale Inszenierung gibt dieser sukzessiven Auslöschung des kleinen Angestellten Pinne berg die Würde einer Tragödie. Eingebettet in ein sehr heutiges Sozialdrama erzählt Thalheimer eine zutiefst anrührende und tragische Liebesgeschichte. michael Thalheimer Michael Thalheimer, geboren am 28. Mai 1965 in Frankfurt, studierte Schauspiel in der Hochschule der Künste Bern, stand acht Jahre als Schauspieler auf der Bühne und arbeitet seit seinem Debüt als Theaterregisseur in Chemnitz (1997) mit dem Bühnenbildner Olaf Altmann zusammen. Er inszenierte in Basel, Leipzig und Dresden, am Thalia Theater in Hamburg und am Deutschen Theater Berlin und ist einer der erfolgreichsten Theaterregisseure. Im vergangenen Jahr kam er schon mit dem Schauspiel Frankfurt und Medea zum Hamburger Theater Festival. In diesem Jahr zeigt er neben Kleiner Mann – was nun? auch Ödön von Horváths geschichten aus dem Wiener Wald, eine Inszenierung am Deutschen Theater Berlin. 35 Der König im Saustall Die Hamburger haben André Jung als fulminanten schauspieler kennen Jetzt kommt er zum Staatsbesuch, als König Lear, und zeigt tragische Größe in einer Inszenierung der Münchner Kammerspiele, die Shakespeares Königsdrama in einen Bauernhof verlegt. Wahnsinn: Zur Komparserie zählen echte Schweine. gelernt. : T e xt _M a rg ot W eb er | Fotos _ J uli an R ö d er S ein Unglück kann der Mensch überall finden, im Palast wie im Schweinestall. Auch in einer lächerlichen roten Strumpfhose und mit einer Blech krone auf dem Kopf. Deshalb erzählen die besten Dra men der Weltliteratur vom Schicksal der Verlierer und Außenseiter, der Grenzgänger und der Wahnsinnigen. Das wiederum ist das Glück des André Jung. Denn keiner spielt die Gescheiterten so wie er: herzanrüh rend und hauchzart. Sein Lear ist weder Tyrann noch Berserker, sondern eine verlorene, irrende Gestalt. Großer Mann ganz klein. In der Inszenierung von Johan Simons – Regisseur und NochIntendant der Münchner Kammerspiele –, die nun beim Ham burger Theater Festival zu sehen ist, sinniert und promeniert er dreieinhalb Stunden lang als Bauer zwischen Borstenvieh. Seine Welt: ein Saustall. Schmutzig, hässlich, stinkend. Weiter weg vom Schiller’schen Ideal des Schönen, Wahren, Guten kann ein Abend kaum sein – und ist genau deshalb, in all seiner Grobschlächtigkeit und Derbheit, sehr nah dran am Shakespeare-Theater des 17. Jahr hunderts. Zehn Übersetzungen habe man erwogen, sich schließlich für die Version des vielfach preisgekrönten Poetik-Professors Frank Lear (André Jung) im Netz der Intrigen. Links Annette Paulmann (Goneril), vorn Oliver Mallison (Herzog von Albany) und rechts Thomas Schmauser (Narr) 36 Bild oben: Dialog mit einer Rampensau Rechts: Lear mit Wolfgang Pregler als Graf von Kent (links), Kristof van Boven als Edgar (im Hintergrund) und Thomas Schmauser als Narr (rechts) Günther entschieden, erzählt André Jung beim Ge spräch im Café: »Er hat einen Ton gefunden, der schnod drig, aber trotzdem präzise ist.« Der nicht wörtlich, sondern poetisch übersetzt. Der 59-jährige Luxemburger hat seine Engage ments mit Bedacht gewählt, fühlte sich immer aufge hoben in »künstlerischen Nestern«, wie er es nennt. Ein Ensembleschauspieler ist er bis heute geblieben. »Das hat mit meiner künstlerischen Überzeugung zu tun. Mit der Frage, wie Kunst eigentlich entsteht. Spannend wird eine Zusammenarbeit doch erst nach dem dritten Mal«, sagt er und schaut einen mit diesem typischen André-Jung-Blick an: ein bisschen humor voll, ein bisschen melancholisch. Sieben Jahre war er am Deutschen Schauspielhaus, die legendären Marthaler-Inszenierungen Stunde Null und Kasimir und Karoline sind in Hamburg unverges sen. Seit 2004 ist er Ensemblemitglied der Münchner Kammerspiele, drei Jahrzehnte spielt Jung nun in der Champions League des deutschsprachigen Theaters. Was sich seit dem ersten Engagement geändert hat? Die Haltung zum Beruf, antwortet er. »Als junger Schauspieler hat man – neben dem Spieltrieb und dem Versuch, Karriere zu machen – ja auch noch den Trieb, das Spiel öffentlich zu machen.« Das wandle sich. Die Beschäftigung mit den Stoffen werde wichtiger. »Heute geht es nicht mehr darum, wie ich etwas mache, son dern was ich mache – und was das mit mir zu tun hat.« Der sprachlich wie formal polystilistische Tragö dienstadl, der bei seiner Premiere am 9. März das Pub likum begeisterte, spaltete die Kritik. König Lear auf dem Bauern hof, Shakespeare auf der Schlachtbank – die radikale Lesart überzeugte nicht jeden. Er selbst fuhr für seine Darstellung aus schließlich Hymnen ein; die Verrisse sind André Jung trotzdem nahegegangen. »Nach Premieren lese ich erst einmal gar nichts«, sagt er. »Da bin ich noch viel zu verletzlich.« Eine Woche später greife er dann vielleicht zu ausgewählten Rezensionen. Wie alle großen Schauspieler geht er ohne Schutzhülle durch die Welt. Auch im Repertoire bleibt eine Inszenierung für ihn ein work in progress. »Beim Lear bin ich noch lange nicht fertig.« Die inne re Ruhe fehle noch. »Ich habe noch zu viel Druck. Das muss alles noch viel leichter aus mir herauskommen.« Warum er so hart an sich arbeitet – und das in Dimensionen, die sein Publikum ver mutlich kaum noch merkt? »Sonst würde es ja keinen Spaß mehr machen«, sagt er. Künstler eben. Die eigenen Maßstäbe sind immer die höchs ten. André Jung André Jung, geboren am 13. Dezember 1953 in Luxemburg, studierte Schauspiel an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart, spielte am Theater Basel (1988–1993), in der Ära von Frank Baum bauer am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg (1993–2000) und ging dann ans Schauspielhaus Zürich (Intendant Christoph Marthaler). Seither gehört er zum Ensemble der Münchner Kammerspiele, das bis 2009 von Frank Baumbauer und seither von Johan Simons geleitet wird. Jung wurde zweimal von der Zeitschrift theater heute zum Schauspieler des Jahres gewählt (1981 und 2002), mit dem Hamburger Schauspielpreis (2000) und dem Wiener Nestroy Theaterpreis (2009) ausgezeichnet und hat in über 50 Hörspielen mitgespielt. 37 Linke Seite: Johanna Wokalek als Porträt für Sammler, im Großformat 2,52 x 1,49 m auf Barytpapier geprintet und kaschiert, limitierte Auflage, zu beziehen über über www.klemenshorvath.com Foto: © Klemens Horvath : T e xt _Ca ro li n e P e t e rs Hut ab, Johanna! Ich sitze mit einem Journalisten aus Hamburg im CafÉ Schmitz in der Aachener Strasse in Köln. Es gibt heißen Kaffee, einen enormen Regenschauer und ein Gespräch. Wir reden und reden und reden über Theater. Irgendwann sind wir bei Tartuffe, bei Luc Bondy, bei den Wiener Festwochen und bei Johanna Wokalek. 38 © Ruth Walza W ie sie eine Art Menschen im Hotel-Time Warp für mich hergestellt hat, eine Er scheinung wie aus dem Kostümkoffer von Greta Gar bo. Unglaublich. Das Gespräch bleibt in dieser Johan na-Wokalek-Rille hängen, der Journalist fragt, ob ich das alles nicht aufschreiben wolle. Ein ungewöhnlicher Gedanke. Während ich selbst porträtiert werde, soll ich eine Kollegin porträtieren. Ich bin mir nicht sicher, ob Kollegen über Kollegen schreiben sollten. Oder überhaupt können. Schließ lich sind wir Schauspieler alle so voll von uns selbst; hat man da überhaupt ein Auge für die anderen? Im Tartuffe habe ich bei Johanna etwas gesehen, was ich vorher nur geahnt hatte – in Don Carlos, in der Katze auf dem heißen Blechdach, in den Rosenkriegen: eine Art Upper-Class-Noblesse, die sich nicht spielen lässt. Man kann sie nur haben oder sein. Und da inter essieren mich Schauspieler am meisten: Wo sie »sind« und nicht mehr »herstellen« müssen. Wo ein kluger Regisseur sie abholt und laufen lässt. Da steht diese Art Noblesse, diese Herablassung, diese Souveränität im Wiener Akademie-Theater zwi schen Tischen und Stühlen, in einem wundervollen Dekor, das an Truffauts Film La sirène du Mississippi erinnert: Dort zwingt Catherine Deneuve den ihr heil los verfallenen Jean-Paul Belmondo in grausame Situ ationen, bei denen sehr viele Menschen zu Schaden kommen und er selbst ruiniert wird. Hier zwingt Frau Wokalek Herrn Voss unter den Tisch, aus Hochmut seinem Hochmut gegenüber. Herr Orgon, der Gatte, wagt es, ihrer gnadenlosen Einschätzung des von ihm bewunderten Tartuffe zu misstrauen. Das wird er sehr bald bereuen. Bevor der Hausherr unter den Tisch gezwungen wird, hat sie in einer Art gemurmeltem Zwischenspiel ihre Angestell ten um sich versammelt, sie bemuttert und sich von ihnen an die Rampe tragen lassen. Bildlich gespro chen. Mit einer natürlichen Autorität, mit beiläufiger Souveränität hebt sie die Teetasse an den Mund und wird von ihrem Regisseur Luc Bondy, auf diese Art ge stärkt, in ihre großen Szenen geschickt, den kommen den Triumph über die Männer fest im Blick. In einer Sekunde der Ruhe, die entsteht, weil Herr Orgon es zu anstrengend findet, sich auf Knien unter dem Tisch zu verbergen, frage ich mich kurz – warum ist ihr Mann so viel älter als sie? Aber wie hat schon Agnelli gesagt: Die Liebe ist was für Dienstboten. Die Herrschaften haben tiefgreifendere Gründe, eine Ehe einzugehen. Die Kunst der Verführung. Tartuffe (Joachim Meyerhoff) baggert, Elmire (Johanna Wokalek) hält ihn auf Distanz Dann geht es los. Tartuffe wird von ihr gereizt, geschmeichelt und bedrängt. Endlich fällt er auf sie rein, bedrängt sie, zu gierig, um zu bemer ken, wie er sich durch den Ring führen lässt. Orgon, der feine Hausherr, muss unterliegen. Statt mit der Faust auf den Tisch zu hauen, schnappt er darunterkauernd nach den Enden der Tischdecke wie ein Kind nach den Rockzipfeln der Mama. Die gelassene Überlegenheit, die Johanna Wokalek – scheinbar in der Klemme zwischen Voss/Versteck/Tisch und zudringli chem Meyerhoff/Tartuffe – ausstrahlt, das ist, was man nicht dar stellen kann: Klasse. Klasse, die man haben oder sein kann. Wo auch immer Johanna Wokalek die entwickelt hat in den letzten Jahren auf ihrer Reise durch Klassik und Kino, von Emilia Galotti im Burgtheater über Gudrun Ensslin und die Päpstin im Film und bis hierher: Was ihr gelingt, ist weibliche Souveränität ohne sicht bare Pose. Hier steht eine Dame auf der Bühne, beherrscht die Lage, die Situation, ihre Gefühle. Und sie beherrscht die Männer, denen die Gefühle durchgehen, zusammen mit den Nerven. Für solche Frauen morden Männer und wissen nicht mehr, was sie tun. Weil sie endlich frei sind und nicht mehr führen müs sen, denn sie werden geführt. An der Nase durch den Ring. Hut ab, Johanna! Johanna Wokalek geboren am 3. März 1975 in Freiburg, studierte Schauspiel am Max-Reinhardt-Seminar in Wien, debütierte 1996 bei den Wiener Festwochen, ging ans Theater Bonn und ist seit 1999 Burgschauspielerin. Sie spielte in zahlreichen Filmen wie Der Baader-Meinhof-Komplex, Nordwand oder Die Päpstin und Fernsehserien wie Der Laden und Bella Block. Sie wurde unter anderem mit dem Alfred-Kerr-Darstellerpreis, dem Nestroy-Theaterpreis, dem Bayerischen Filmpreis und dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnet. Beim Hamburger Theater Festival ist sie als Elmire Orgon in Molières Tartuffe zu sehen, einer Koproduktion der Wiener Festwochen mit dem Burgtheater unter der Regie von Luc Bondy. 39 Das Programm © Arno Declair Die Geschichte vom Geschlecht der Labdakiden ist einer der zentralen Mythen der griechischen Antike und damit der Erfindung des Theaters. Die »Großen Drei« der antiken Dramatik – Sophokles, Aischylos und Euripides – haben mit ihren Stücken König Ödipus, Sieben gegen Theben, Die Phönizierin nen und Antigone die dramatische Chronik einer Generationenfolge ge schaffen. Sie erzählt die Saga einer Königsfamilie um Ödipus, seiner riva lisierenden Söhne Eteokles und Poly neikes und seiner Töchter Antigone und Ismene. Zentrum ist die Stadt The ben, deren machtpolitisches Überleben mit dieser Familie eng verzahnt ist. Prägende Muster von Störung und Zer störung zeigen sich in der Geschichte dieses Königshauses, in dem Gewalt Gewalt gebiert, Macht Gegenmacht herausfordert und Angst Angst provo ziert. Selbst der Staatsmann und Ver nunftkönig Kreon, der am Ende des Mordens an die Macht kommt, ver sucht seine vermeintliche Schwäche durch Überhärte wettzumachen – und zerstört so die Stadt, für deren Erhalt er angetreten war. Ödipus Stadt, die Geschichte The bens und ihrer Herrscher, führt im Dreischritt in die Katastrophe. Der Blick hebt sich über die großen Einzel helden hinaus auf die Zusammenhänge von Mensch, Macht und Mythos. 40 »Ein wahnsinnstolles Stück Spiel.« Neues Deutschland Ödipus: Ulrich Matthes Kreon: Susanne Wolff Iokaste: Barbara Schnitzler Teiresias: Felix Goeser Eteokles: Elias Arens Polyneikes: Moritz Grove Antigone: Katrin Wichmann Ismene: Felicitas Madl Menoikeus/Haimon: Thorsten Hierse Bote aus Korinth: Elias Arens Hirte: Moritz Grove Knappe von Eteokles: Felicitas Madl Wächter: Moritz Grove Kinderstimmen: Selma-Lou Haß, Tilly Barnes Regie: Stephan Kimmig Bühne: Katja Haß Kostüme: Johanna Pfau Musik: Michael Verhovec Übersetzung: Gregor Schreiner Dramaturgie: John von Düffel Eine Produktion des Deutschen Theaters Berlin Eine Produktion des Burgtheaters Wien Eine Produktion des Schauspiels Frankfurt, eine Koproduktion mit den Ruhrfestspielen Recklinghausen. Eine Kooperation mit Kampnagel © Birgit Hupfeld »In einem […] vehementen Minimalis mus werden Worte, Blicke, Gesten wie Schwerter gekreuzt, die Emotionen schlagen Funken. Ulrich Matthes als Ödipus etwa baut seine Reden zu Hör spielen voller Hochmut, Panik und Grauen aus. […] Susanne Wolff zeigt diesen bald aufsteigenden Politprofi [Kreon] aus der zweiten Reihe mit famo ser Lust an der eitlen Raserei, die sich bis zur selbstzerstörerischen Egomanie hochschaukelt.« FAZ »Wenn sich Matthes/Ödipus an den Tot schlag erinnert, fiebert er sich in einen Gewaltrausch, der seinen ganzen Aske tenleib zum Beben bringt. Und wenn er sich ob der endlich erkannten Tragik die Augen aussticht, bricht aus seinem auf gerissenen Mund ein stummer Schrei aus, höhlenhaft grässlich und leer wie bei Edvard Munch. Bei allem Jähzorn hier, bei allem Wimmern da – nie unter läuft Matthes auch nur ein falscher Ton, immer beglaubigt er mit allen Fasern das unermessliche Leid, dessen er sich gerade innewird.« Stuttgarter Zeitung : Ödö n vo n H o rvá t h GESCHICHTEN AUS DEM WIENER WALD Fr., 25. Oktober 2013, Beginn 20 Uhr Aufführungsdauer ca. 2 Stunden, 10 Minuten, keine Pause Im Thalia Theater, Alstertor, 20095 Hamburg : Anto n Tschechow ONKEL WANJA Mo., 21. Oktober 2013, Beginn 19 Uhr, Di., 22. Oktober 2013, Beginn 18 Uhr Aufführungsdauer ca. 2 Stunden, 45 Minuten, eine Pause Im Thalia Theater, Alstertor, 20095 Hamburg Unerschrocken und scheinbar uner müdlich verteidigt die junge Emma, genannt Lämmchen, die Liebe zu ihrem Mann gegen alle äußeren Widrigkeiten. Doch Pinneberg, ein einfacher An gestellter, rutscht immer tiefer in die Arbeitslosigkeit, der soziale Abstieg scheint unentrinnbar. Die Weltwirtschaft läuft aus dem Ruder, der Konkurrenzdruck am Ar beitsplatz steigt, Menschen entwickeln sich zu Raubtieren, die Gesellschaft radikalisiert sich. Falladas Roman aus dem Jahr 1932 fragt nach Möglichkeiten von Solidarität und individuellem Glück angesichts einer Gesellschaft, die von ökonomischen Zwängen be herrscht wird. »Für zwei Stunden hat das Theater die Zeit aufgehoben – und damit die Wahr heit vor aller Augen gestellt.« FAZ »… mit radikalster Nüchternheit in Szene gesetzt und in den beiden Haupt figuren großartig besetzt und hinrei ßend gespielt.« Süddeutsche Zeitung »Ein packender, zutiefst bewegender Theaterabend, der Entscheidendes besitzt: Relevanz.« Frankfurter Neue Presse Nico Holonics: Johannes Pinneberg Henrike Johanna Jörissen: Emma Mörschel, genannt Lämmchen Peter Schröder: Mutter Mörschel / Jänecke Michael Benthin: Vater Mörschel / Jachmann Andreas Uhse: Witwe Scharrenhöfer / Kessler Thomas Huber: Emil Kleinholz Martin Rentzsch: Lauterbach/Heilbutt Till Weinheimer: Schulz/Lehmann/ Emil Anne Schirmacher: Marie Kleinholz Stephanie Eidt: Mia Pinneberg Josefin Platt: Seifenfrau / Frau Rusch Regie: Michael Thalheimer Bühne: Olaf Altmann Kostüme: Nehle Balkhausen Musik: Bert Wrede (unter Verwendung des Motivs aus »Le vent, le cri« von Ennio Morricone) Chorleitung: Marcus Crome Licht: Johan Delaere Dramaturgie: Sibylle Baschung © a Declair Eine Produktion des Deutschen Theaters Berlin. Eine Kooperation mit Kampnagel : Hans Fallada in einer Fassung von Michael Thalheimer und Sibylle Baschung KLEINER MANN – WA S NUN? Sa., 19. Oktober 2013, So., 20. Oktober 2013 Beginn jeweils 19:30 Uhr Aufführungsdauer: ca. 2 Stunden, keine Pause Auf Kampnagel, K6, Jarrestraße 20, 22303 Hamburg © Reinhard Werner / Burgtheater : So p ho kl es, E u r i p i d es, Ai schy los ÖDIPUS STADT Sa, 12. Oktober 2013, So., 13. Oktober 2013 Beginn jeweils 19.30 Uhr Aufführungsdauer: ca. 2 Stunden, 30 Minuten, keine Pause Auf Kampnagel, K6, Jarrestraße 20, 22303 Hamburg Seit 25 Jahren verwaltet Iwan Petro witsch Wojnizkij den Besitz seiner Schwester Vera. In der Zwischenzeit starb die geliebte Schwester, und das Erbe fiel an ihre Tochter Sofja Alexand rowna. Der tatsächliche Nutznießer von Wojnizkijs Arbeit aber ist Sofjas Vater, Professor Serebrjakow. Seit er nach dem Tod seiner ersten Frau eine andere, dreißig Jahre jüngere geheiratet hat, die auch Onkel Wojnizkij aus nehmend gut gefällt, sind diesem die Augen aufgegangen: Der Professor ist ein Hochstapler und Betrüger. Auch Wojnizkijs bester Freund ist ein ent täuschter Idealist: Der Arzt Astrow kam einst in die Provinz, um hier das Leben der Menschen zu verbessern und die Wälder zu beschützen – auch nicht einfach … »Hier wird großes, lautes Theater ge zeigt, und zugleich gelingt es, die Ver hältnisse feinsinnig sichtbar zu machen. Alle Akteure tänzeln virtuos auf dem Grat zwischen Tragik und Komik.« Salzburger Nachrichten »[Eine] aberwitzige, zum Lachen schreckliche, tieftraurige HochtempoKomödie, die Hartmann in Tschechows Text freilegte.« Kurier Alexander Wladimirowitsch Serebrja kow, Professor im Ruhestand: Gert Voss Elena Andrejewna, seine junge Frau: Caroline Peters Sofja Alexandrowna, seine Tochter aus erster Ehe: Sarah Viktoria Frick Marja Wassiljewna Wojnizkaja, Mutter der ersten Frau des Professors: Barbara Petritsch Iwan Petrowitsch Wojnizkij, ihr Sohn: Nicholas Ofczarek Michail Ljwowitsch Astrow, Arzt: Michael Maertens Ilja Iljitsch Telegin, ehemaliger Gutsbe sitzer: Branko Samarovski Marina Timofejewna, eine alte Kinder frau: Elisabeth Orth Regie: Matthias Hartmann Bühnenbild: Stéphane Laimé Kostüme: Tina Kloempken Licht: Peter Bandl Dramaturgie: Andreas Erdmann, Ursula Voss Marianne soll den Fleischhauer Oskar heiraten, einen wohlhabenden, an ständigen Mann. Doch es zieht sie zu Alf red, der sich bisher mithilfe von Frauen und Pferdewetten über Wasser hielt. Gegen alle Widerstände werden die beiden ein Paar. Ein Jahr später müssen sie erkennen, dass sich ihr Traum von Liebe und Zusammenhalt nicht erfüllt … Mit dem Volksstück Geschichten aus dem Wiener Wald, 1931 am Deutschen Theater Berlin uraufgeführt, hat Hor váth höchste Anerkennung sowie heftigste Ablehnung erfahren. Düster und böse sind seine Menschenzeich nungen, wenngleich süßliche Lieder die Szene bestimmen, schäbig der Kern, der hervortritt, wenn den Figuren ihre Masken heruntergerissen werden. Die Horváth’schen Menschen sind Verlore ne in einer ordnungslosen Zeit. »Es ist – mir zumindest – kein Abend er innerlich, an dem Thalheimer, der große Schwerkraftfinder des deutschen Regie theaters, einen derart leichten, schillern den, komödiantischen Reigen inszeniert hätte.« nachtkritik.de, Chris tian Rakow fulminanten Katrin Wichmann wahn witzig hoffnungsfroh und grandios scheiternd als ein von sämtlichen Mühl steinen der Erde zermalmtes Sternen talermädchen gespielt …« FAZ »… schlichtweg großartig.« Der TagesspiegEL Marianne: Katrin Wichmann Alfred: Andreas Döhler Zauberkönig: Michael Gerber Valerie: Almut Zilcher Oskar: Peter Moltzen Die Großmutter: Simone von Zglinicki Die Mutter: Katrin Klein Rittmeister: Harald Baumgartner Erich: Moritz Grove Havlitschek: Henning Vogt Der Mister: Jürgen Huth Ida: Georgia Lautner Regie: Michael Thalheimer Kostüme: Katrin Lea Tag Musik: Bert Wrede Dramaturgie: Sonja Anders Licht: Robert Grauel Ton: Wolfgang Ritter »… Marianne, deren Glück schon zer fällt, während sie danach greift, von der 41 Das Programm : Mo li è re , n e ue Üb e rs e tzun g und Be a rb e i t un g vo n Luc Bo ndy und P e t e r St e p ha n Jun g k TARTUFFE Di., 5. November 2013, Mi., 6. November 2013 Beginn jeweils 20 Uhr Aufführungsdauer ca. 2 Stunden, 15 Minuten, keine Pause Auf Kampnagel, K6, Jarrestraße 20, 22303 Hamburg : Bertolt Brecht BA AL Do., 31. Oktober 2013, Fr., 1. November 2013 Beginn jeweils 20 Uhr Aufführungsdauer ca. 1 Stunde, 10 Minuten, keine Pause Im St. Pauli Theater, Spielbudenplatz 29–30, 20359 Hamburg : Wi lli a m S h a k es p e a r e KÖNIG LE AR Mo., 28. Oktober 2013, Beginn 19 Uhr Aufführungsauer ca. 3 Stunden, 45 Minuten, eine Pause Im Thalia Theater, Alstertor, 20095 Hamburg Eine Produktion der Münchner Kammerspiele Eine Produktion des Brechtfestivals Augsburg : T e xt fass un g vo n A m e ly Joa n a H aag u nd M atth ias H art mann TROJA Sa., 9. November 2013, So., 10. November 2013 Beginn jeweils 18 Uhr Aufführungsdauer: ca. 4 Stunden, 30 Minuten, zwei Pausen Auf Kampnagel, K6, Jarrestraße 20, 22303 Hamburg Eine Produktion des Burgtheaters Wien. Eine Kooperation mit Kampnagel Eine Koproduktion der Wiener Festwochen mit dem Burgtheater Wien. Eine Kooperation mit Kampnagel konkrete und gesellschaftlich bekannte Personen, Gruppen und Konföderatio nen porträtierte. Das Publikum wusste, wer da gemeint war. König Lear ist alt und des Regierens müde. Er hat beschlossen, sein Reich unter seinen drei Töchtern aufzuteilen. Aber der alte Monarch macht aus der Verteilung einen Liebestest: Wer mich am meisten liebt, bekommt das größte Stück Land. Zweimal läuft es gut, aber dann verweigert sich die jüngste Tochter – wahre Liebe ist kein Tauschhandel. König Lear ist die vielleicht dunkelste Tragödie Shakespeares. In ihr ergrün det er auf grausame Weise das Leiden; das Leiden des einzelnen Menschen, das Leid der Welt. Ecce Homo. Seht den Menschen, wie er ist. Mit seiner Gewalt, Macht und Zerstörung – aber auch mit seiner enormen Kraft, seinen Mitmenschen zu vergeben. Um sie zu retten vor zu viel Selbsthass. »So simpel und klar kann Theater sein – und so bewegend.« dpa »Wer Johan Simons’ Arbeiten kennt, weiß: Dieser Mann kennt kein Pardon, fürchtet weder Pathos noch Gefühl. Empathie kommt bei ihm vor Distanzie rung und Analyse. Im Zweifel immer für den Angeklagten.« Frankfurter Rundschau 42 »Da gibt es Pathos, Witz, Tragik, große Gesten, kurz: Menschen, Tiere, Sensationen.« Bayerische Staatszeitung Lear: André Jung König von Frankreich / Herzog von Albany: Oliver Mallison Herzog von Cornwall / Oswald / Hauptmann: Lasse Myhr Graf von Kent: Wolfgang Pregler Graf von Gloucester: Peter Brombacher Edgar: Kristof van Boven Edmund: Stefan Hunstein Narr: Thomas Schmauser Goneril: Annette Paulmann Regan: Sylvana Krappatsch Cordelia: Marie Jung Regie: Johan Simons Bühne: Bert Neumann Kostüme: Nina von Mechow Licht: Lothar Baumgarte Dramaturgie: Koen Tachelet Thomas Thieme spielt Brecht. Ausge sucht dazu hat er sich das Drama, das Brecht über Jahrzehnte begleitet hat: Baal. In dessen Zentrum steht der ego manische Künstler, der auf Kosten der Gesellschaft lebt – hemmungslos, gierig, (selbst-)zerstörerisch. Warum schreibt ein Großer wie Bertolt Brecht fünf Fassungen dieses Stoffes? Was än dert er von Mal zu Mal, was ergänzt er, was lässt er weg? Warum kann er gera de sein Jugendwerk nie loslassen? Es ist eine theatralisch-musikalische Spuren suche, auf die Thomas Thieme von seinem Sohn Arthur und dessen Bass gitarre begleitet wird. Die dicken Öl farben bleiben dabei in der Kiste, der Stift und das weiße Blatt Papier sind Arbeitsmaterial. Leicht muss es wer den, melancholisch, anarchisch – musi kalisch. Von der Bühne in den Saal und zurück wird gerufen: »Glotzt nicht so romantisch!« »Jeder Atemzug, jedes Wispern, jede Pause trafen so exakt wie jeder Gitar renton auf Worte, Stimmung und Bilder. […] Ein großer, viel beklatschter Abend für Brecht und ein Abend, der zeigt, was Theater wirklich sein kann.« Donaukurier »Das ist von einer großen, betörenden Schwermut ebenso wie von schlagender Wucht […] Ein berührender Abend, eine große ›Baallade‹.« Süddeutsche Zeitung Mit Thomas Thieme Musik: Arthur Thieme Regie: Thomas Thieme Tartuffe, Molières begabter Verfüh rungs- und Verstellungskünstler, macht sich im Haus des vermögenden Orgon vollkommen unentbehrlich, in dem er vorgibt, dessen Defizit an Le benssinn mit Religion zu füllen. Der Hausherr und mancher andere sind ihm sofort verfallen. Mit dem hypnoti schen Bann eines Sektenführers dringt Tartuffe ein in alle Geheimnisse der Pa riser Bürgerfamilie, deren Oberhaupt ihm in kompletter, lächerlicher Selbst verleugnung folgt, sogar Haus und Ver mögen überschreibt. Womit wirbt ein heutiger Tartuffe, wie macht er die Orgons von heute von sich abhängig? Ziele und Eigenschaften sind sicher gleich geblieben, teilweise auch die Methoden, dem Narzissmus des anderen zu schmeicheln, allerdings mit schickeren Sinnstiftungen als der Religion. Die heutigen Tartuffes sind keine Einzelgänger mehr, die Schmei chelei, der Opportunismus, die Heu chelei sind akzeptierte Schmiermittel eines jeden Karrieristen, wenn auch selten so perfekt geplant und durchge führt wie in der Komödie aus dem 17. Jahrhundert. Fast alle Komödien von Molière lös ten bei ihrer Uraufführung Skandale aus, weil ihr Autor nicht nur unange nehme Eigenschaften wie hier die reli giöse Heuchelei attackierte, sondern »Luc Bondy ist ein Meister der Men schenbeobachtung und, in der Um setzung auf der Bühne, ein Verfechter der kleinen Geste. Mit dem bis in die kleinsten Nebenrollen ausgesucht exzellenten Ensemble gelingt ihm mit diesem ›Tartuffe‹ ein Schauspielerfest.« T iroler Tageszeitung Orgon: Gert Voss Elmire, seine Frau: Johanna Wokalek Damis, sein Sohn: Peter Knaack Marianne, seine Tochter: Adina Vetter Madame Pernelle, seine Mutter: Ger traud Jesserer Cléante, sein Schwager: Philipp Hauß Valère, verlobt mit Marianne: Peter Miklusz Tartuffe: Joachim Meyerhoff Dorine, Mariannes Zofe: Edith Clever Loyal, ein Gerichtsvollzieher: Klaus Pohl Ein Polizeibeamter: Michael König Flipote, Dienerin von Madame Per nelle: Coco König Dienstmädchen bei Orgon: Ulrike Hübl Diener von Tartuffe: Bernhard Mendel, Tobias Margiol Regie: Luc Bondy Bühne: Richard Peduzzi Kostüme: Eva Dessecker Licht: Dominique Brugière Dramturgie: Andrea Vilter © Reinhard Werner/Burgtheater »Bondy […] macht aus dem ›Tartuffe‹ nicht Politik, sondern Psychologie: ein Kammerspiel aus Lüge und Wahrheit.« Die Welt © Ruth Walz © Diana Deniz © Julian Röder »Voss hält die Tragödie groß, einsam und unnachahmlich, berstend sozusagen vor Hirnriss-Virtuosität, als gigantisches Verzweiflungssolo aus. Er trägt sie.« FAZ Endlich Frieden in Troja. Nach 10 Jah ren. Kein Grieche mehr weit und breit. Kein Schiff mehr am Horizont. Nur noch ein gigantisches, hölzernes Pferd am Strand: Gottesgeschenk oder Kriegsmaschine? Doch da bewegt sich etwas, ein zurückgelassener Grieche sitzt zusammengekauert an einem Fuß des Pferdes, zitternd. Er wird den Tro janern eine atemberaubende Version seiner Geschichte erzählen. An diesem Theaterabend kommen ver schiedenste Stimmen zu Wort. Sie alle erinnern an Fragmente des ältesten verschriftlichten europäischen Mythos. Sinon, Hekabe, Priamos, Paris, Hera, Athene, Aphrodite, Kassandra, Helena, Menelaos, Iphigenie, Agamemnon, Klytämnestra, Hektor, Andromache, Odysseus, Zeus, Archilles, Patroklos … Stimmen von 660 vor Christus treffen auf Stimmen unserer Gegenwart. Sie erzählen, kollektiv und dennoch kon trovers, davon, dass die Menschen – so scheint es – Spielbälle der Götter sind und in einer nicht enden wollenden Verkettung von Zerstörung und Selbst zerstörung verstrickt sind. »Matthias Hartmann und sein hoch motiviertes Ensemble machen viereinhalb Stunden lang ganz großes Theater: ›Das Trojanische Pferd‹ ist Bühnenspiel pur. Die Dramaturgin Amely Joana Haag warf ein Treibnetz über die enorme Literatur zum Thema. [...] Aus dieser Collage entstand ein zauberhafter Theaterabend voller Tragödien, machistischer Rituale, Blut, Geschlechter-Weisheit und auch voll Witz.« Kleine Zeitung »Aber dann geht dieses ungeheuer bilder reiche, aus vielen verschiedenen Perspek tiven und Textfragmenten zusammenge setzte Hartmann-Theater los [...] 17 virtuose Schauspieler spielen 33 Rol len, das heißt: Sie schlüpfen (scheinbar) improvisatorisch in die Rollen hinein und ebenso selbstverständlich wieder heraus.« Deutschlandradio »›Das Trojanische Pferd‹ ist als Stück grausam, wild, maßlos, zart und auch sehr komisch. Und es ist vor allem eine Hommage an den Zauber des Theaters.« Kurier »So klar und plausibel wird die Geschichte um den elendslangen, nur mit einer List beendeten Krieg selten erzählt.« Der Standard mit Therese Affolter, Bernd Birkhahn, Franz J. Csencsits, Sven Dolinski, Stefanie Dvorak, Lucas Gregorowicz, Sabine Haupt, Philipp Hauß, Daniel Jesch, Fabian Krüger, Oliver Masucci, Juergen Maurer, Christiane von Poelnitz, Sylvie Rohrer, Catrin Striebeck, Adina Vetter, Sara Zangeneh Regie: Matthias Hartmann Bühnenbild: Jan Lauwers Kostüme: Victoria Behr Musik: Joeri Cnapelinckx, Karsten Riedel Video: Moritz Grewenig, Hamid Reza Tavakoli Licht: Peter Bandl Dramaturgie: Amely Joana Haag 43 Die Dichterin, Theaterregisseurin und Schauspielerin Emine Sevgi Özdamar DI E FÖrDErEr: DI E SPONSOrEN: Hildegard und Franz Günter Wolf Gebr. Heinemann SE & Co. KG Annegret und ClausG. Budelmann Otto Wulff Bauunternehmung GmbH Martha Pulvermacher Stiftung Hamburg Team Gesellschaft für Projekt entwicklung mbH Bertram rickmers, Hamburg Aug. Bolten Wm. Miller’s Nachfolger ZEITStiftung Ebelin und Gerd Bucerius BMW Niederlassung Hamburg Barbara und Ian K. Karan © Thilo Rückeis/Tagesspiegel DAS HAMBUrGEr T HEATEr FEST IVAL DANK T DEN FÖrDErErN UND SPONSOrEN WAS KANN THEATEr ? Die festivalakademie des hamburger theater festivals bietet, dank großzügiger Unterstützung durch die ZEITStiftung, Studierenden der Theaterakademie Hamburg und der interessierten Öffent lichkeit die Gelegenheit, Künstler abseits der Bühne kennenzulernen, von ihnen zu lernen, mit ihnen zu diskutieren. Ernst Komrowski reederei KG Christa und Nikolaus W. Schües, Hamburg Hamburger Sparkasse AG Marlies und FranzHartwig Betz Die haspa macht’s möglich: schüler, studierende und Jugendliche zahlen 10,– € für eine eintrittskarte. mit dem haspaJoker intro oder unicus sparen sie noch einmal. Susanne und Dirk Martin Wogart Cornelia Herz Sabine und Dr. Klaus Landry MEDI ENPArTNEr DE S FE ST I VAL S: Inge und Dr. Gerhard Groh NDR Hamburg Journal Studio Hamburg GmbH NDR 90,3 NDR Kultur Adolf Weber KG Heribert Diehl »freuNDe Des fesTivals « Alfred Toepfer Stiftung F. V. S Amelie und Dr. Thomas Guth Dr. Cornelius Liedtke Familie Dammann, Hamburg Groothuis. Gesellschaft der Ideen und Passionen mbH Hamburg Berlin | www.groothuis.de sowie drei weitere anonyme Spender 44 Werden Sie ein Freund des Hamburger Theater Festivals und helfen Sie so, die Theaterlandschaft unserer Hansestadt noch abwechslungsreicher zu gestalten. Als Freund unterstützen Sie den Fortbestand des Hamburger Theater Festivals und werden Teil dieser einmaligen Initiative – und sichern sich so gleichzeitig garantiert beste Karten. Die »ersten Freunde des Festivals« sind (Stand August 2013): Gil und Dr. Martin Buchholz Dr. Anne Holtwick und Johann Schwenn Dagmar Schmeding Karl-L. Widow sowie zwei weitere anonyme »Freunde des Festivals« Mit einem Mindest-Förderbetrag von 500 € können Sie »Freund des Festivals« werden. Für weitere Informationen kontaktieren Sie uns bitte unter Tel.: + 49 (0)40 . 360 98 434 oder per E-Mail an: [email protected] Z wischen den Welten« lautet der Titel, den Emine Sevgi Özdamar ihrem Auftritt gegeben hat, Lesung und Ge spräch zum schöpferischen Umgang mit Fremdheit. Die Dichte rin, Theaterregisseurin und Schauspielerin türkischer Herkunft gilt als Mutter migrantischer und postmigrantischer Kunst in Deutschland. Am 10. August 1946 in Malatya geboren, kam sie mit 19 Jahren zum ersten Mal nach Deutschland, ohne die Sprache zu kennen. Sie arbeitete in einer Fabrik in Westberlin, studierte Schauspiel in Istanbul und begann, beeindruckt von Heinrich Heine und Bert Brecht, in Ostberlin an der Volksbühne erste The atertexte zu schreiben. Bald folgt ihr erster roman Karriere einer Putzfrau – erinnerungen an Deutschland. Sie geht als Doktorandin an die Pariser Universität 8 VincennesSt.Denis, war als Schau spielerin Mitglied des berühmten Bochumer Ensembles unter Claus Peymann und spielte an den Münchner Kammerspielen. Sie stand in Spielfilmen wie Doris Dörries Happy Birthday, Türke! und Hark Bohms yasemin vor der Kamera, schreibt romane und Erzählungen. Als Schriftstellerin wurde sie unter anderem 1991 mit dem IngeborgBachmannPreis, 2005 mit dem Heinrichvon KleistPreis und 2009 mit dem FontanePreis ausgezeichnet. Sie ist Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Ihr vorerst letztes Theaterstück Perikizi über ein türkisches Mäd chen auf der Flucht nach Europa hatte 2010 im rahmen der Kul turhauptstadt Europas im ruhrgebiet Premiere und wurde seit dem oft nachgespielt. Zu den Gästen der Festivalakademie zählt auch André Jung, der Darsteller des Lear in Johan Simons Inszenierung der Münch ner Kammerspiele (siehe auch Seite 36), der über seine Erfah rungen mit diesem vielleicht Schwierigsten unter Shakespeares Königsdramen berichten wird. Von den »world wide web slums« des rené Pollesch im Ham burger Schauspielhaus über die Kommissarin in Mord mit Aussicht, von der Berliner Volksbühne bis zum Wiener Burgtheater reicht das Spektrum der Schauspielerin Caroline Peters, die als Jelena in Onkel Wanja in Hamburg zu sehen sein wird (siehe auch Seite 20). Die Fes tivalakademie lädt zu einem Vortrag und Gespräch mit der Künstle rin. TErMI NE 2013 Festivalakademie in der Hochschule für Musik und Theater | Harvestehuder Weg 12, 20148 Hamburg | Eingang Milchstraße 23. Oktober, 11.00 Uhr Caroline Peters – Vortrag und Gespräch zu Schauspielformen: Performance oder Figur? 26. Oktober, 19.30 Uhr 27. Oktober, 11.00 Uhr Zwischen den Welten. Emine Sevgi Özdamar liest aus ihrem dramatischen und epischen Werk und diskutiert mit dem Publikum über Literatur und Theater im Spannungsfeld zweier Kulturen 29. Oktober, 11.00 Uhr André Jung – Gespräch und Diskussion mit dem LearDarsteller zum Thema: Beruf und Berufung: Schauspieler Eintritt: Nur die Lesung von Özdamar am Samstagabend kostet Eintritt! Karten an der Abendkasse – Eintritt 10,– € | ermäßigt 5,– € 45 Kuratorium und Stiftung SCHIRMHERRin des hamburger theater festivals Prof. Barbara Kisseler, Kultursenatorin der Freien und Hansestadt Hamburg Das Festival wird getragen von der Stiftung Hamburger Theater Festival. Die Mitglieder des Kuratoriums und des Vorstandes der Stiftung unterstützen das Festival nachhaltig und begleiten seine weitere Entwicklung. Sie setzen sich in ihrem jeweiligen Umfeld als »Botschafter« für die Idee des Festivals ein. Die Mitglieder des Kuratoriums: Peter Schwartzkopff (Vorsitzender), Franz Günter Wolf (Stellv. Vorsitzender), Prof. Carl Bergengruen, Claus-G. Budelmann, Christine Claussen, Dr. Klaus von Dohnanyi, Dr. Karl-Joachim Dreyer, Prof. Jürgen Flimm, Gunnar Heinemann, Ian K. Karan, Joachim Knuth, Ernst P. Komrowski, Prof. Dr. Manfred Lahnstein, Jörg Pilawa, Prof. Dr. Hermann Rauhe, Bertram Rickmers, Erik Santer, Dr. Harald Vogelsang, Stefan Wulff DER VORSTAND DER STIFTUNG Dr. Jörg Verstl, Partner in der Kanzlei Asche Stein Glockemann Verstl Wiezoreck, Hamburg Dr. Kay Jeß, Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, Partner in der Kanzlei GGV Grützmacher, Gravert, Viegener INTENDANZ UND BÜRO Hamburger Theater Festival Börsenbrücke 5 – 7, 20457 Hamburg Tel.: 040 . 360 98 434 Fax: 040 . 360 98 435 Mail: [email protected] www.hamburgertheaterfestival.de Intendant: Dr. Nikolaus Besch Kultur braucht Unterstützung: Sie können die Entwicklung des Festivals mit Spenden unterstützen. Jeder Betrag hilft! Selbstverständlich erhalten Sie für Ihre Spende eine Spendenbescheinigung. Die Kontoverbindung der Stiftung lautet: Hamburger Sparkasse Kontonummer: 1280 / 319 318 BLZ: 200 505 50 Kontoinhaber: Andreas Völker, Treuhänder für die Stiftung Hamburger Theater Festival Impressum Autoren dieses Heftes: Emanuel Eckardt, Ursula Keller, Wolf Herausgeber: Theater Festival Besch GmbH gang Michal, Anja Michalke, Monika Nellissen, Caroline Peters, Lithografie: edelweiß publish, Hamburg Nikolaus Besch (V. i. S. d. P.) Stefan Schomann, Margot Weber, Eva-Maria Voigtländer Gesamtherstellung: optimal media GmbH, Röbel Fotografen: Oskar Anrather, Arno Declair, Peter Gauhe, Oliver Abb. vermerkt. Bild- und Copyrightnachweis: wie bei Cover und Redaktion: Emanuel Eckardt (verantw.), Anja Michalke, Nora Frank Konzeption, Gestaltung, Herstellung: Herrmann, Diana Deniz, Klemens Horvath, Birgit Hupfeld, Groothuis. Gesellschaft der Ideen und Passionen mbH Peter Rigaud, Julian Röder, Herwig Prammer, Jim Rakete, Thilo Hamburg Berlin | groothuis.de Rückeis, Gisela Scheidler, Georg Soulek, Hans Klaus Techt, Rainer Groothuis, Lars Hammer, Carolin Beck Abisag Tüllman, Ruth Walz, Reinhard Werner 46 Titel: Georg Soulek Genießen Sie die digitale ZEIT! BMW i Freude am Fahren Angereichert mit emotionalen Bilderstrecken, Videos und Audioartikeln, bietet das ZEIT-DigitalPaket den vollen ZEIT-Lesegenuss. Als App, Audio oder E-Paper individuell und überall, optimal aufbereitet auf Ihren Lesegeräten. Jetzt online für nur € 3,49 pro Woche unter www.zeitabo.de/digitalpaket bestellen! Online bestellen! WIE VERSPRoCHEN. DER ElEktRISCHE BMW i3. Der BMW i3 ist mehr als ein neues Automobil – er erfüllt ein Versprechen: Die Neuerfindung urbaner Mobilität mit unvergleichbarer Fahrfreude ohne Emissionen dank BMW eDrive. Revolutionär gebaut mit leichtem und hochfestem Carbon für minimales Gewicht. 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