2001 - Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung BFU

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2001 - Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung BFU
Bundesstelle für
Flugunfalluntersuchung
CX002-0/01
Mai 2003
Untersuchungsbericht
Identifikation
Art des Ereignisses:
Unfall
Datum:
08. Februar 2001
Ort:
Nürnberg
Luftfahrzeug:
Flugzeug
Hersteller / Muster:
Learjet LR35A
Personenschaden:
3 Personen tödlich verletzt
Sachschaden:
Luftfahrzeug zerstört
Drittschaden:
Forst-/Flurschäden
Herausgeber/Vertrieb:
mail: [email protected]
http:// www.bfu-web.de
Bundesstelle für
Flugunfalluntersuchung
Tel: 0 531 35 48 0
Fax: 0 531 35 48 246
Hermann-Blenk-Str. 16
38108 Braunschweig
Untersuchungsbericht
CX002-0/01
Mai 2003
Identifikation
Art des Ereignisses:
Unfall
Datum:
08. Februar 2001
Ort:
Nürnberg
Luftfahrzeug:
Flugzeug
Hersteller / Muster:
Learjet LR35A
Personenschaden:
3 Personen tödlich verletzt
Sachschaden:
Luftfahrzeug zerstört
Drittschaden:
Forst-/Flurschäden
Die Untersuchung wurde in Übereinstimmung mit dem Gesetz über die Untersuchung von
Unfällen und Störungen beim Betrieb ziviler Luftfahrzeuge (Flugunfall-UntersuchungsGesetz - FlUUG) vom 26. August 1998 durchgeführt.
Danach ist das alleinige Ziel der Untersuchung die Verhütung künftiger Unfälle und Störungen. Die Untersuchung dient nicht der Feststellung des Verschuldens, der Haftung oder von
Ansprüchen.
Herausgeber/Vertrieb:
mail: [email protected]
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Bundesstelle für
Flugunfalluntersuchung
Tel: 0 531 35 48 0
Fax: 0 531 35 48 246
Hermann-Blenk-Str. 16
38108 Braunschweig
Inhaltsverzeichnis
Kurzdarstellung........................................................................................................................................... 1
1. Sachverhalt............................................................................................................................................. 2
1.1
Ereignisse und Flugverlauf ................................................................................................................. 2
1.2
Personenschaden............................................................................................................................... 3
1.3
Schaden am Luftfahrzeug................................................................................................................... 4
1.4
Drittschaden........................................................................................................................................ 4
1.5
Angaben zu Personen ........................................................................................................................ 4
1.5.1
Verantwortlicher Flugzeugführer ................................................................................................... 4
1.5.2
Zweiter Flugzeugführer.................................................................................................................. 4
1.6
Angaben zum Luftfahrzeug................................................................................................................. 5
1.7
Meteorologische Informationen .......................................................................................................... 7
1.8
Navigationshilfen ................................................................................................................................ 7
1.9
Funkverkehr ........................................................................................................................................ 7
1.10 Angaben zum Flugplatz ...................................................................................................................... 7
1.11 Flugdatenaufzeichnung ...................................................................................................................... 8
1.12 Unfallstelle und Feststellungen am Luftfahrzeug................................................................................ 8
1.13 Medizinische und pathologische Angaben ....................................................................................... 11
1.14 Brand ................................................................................................................................................ 12
1.15 Überlebensaspekte........................................................................................................................... 12
1.16 Weiterführende Untersuchungen...................................................................................................... 12
1.17 Organisationen und deren Verfahren ............................................................................................... 13
1.18 Zusätzliche Informationen................................................................................................................. 13
1.19 Nützliche oder effektive Untersuchungstechniken............................................................................ 13
2. Beurteilung ........................................................................................................................................... 13
3. Schlussfolgerungen ............................................................................................................................ 23
3.1
Befunde............................................................................................................................................. 23
3.2
Ursachen........................................................................................................................................... 24
4. Sicherheitsempfehlungen ................................................................................................................... 24
5. Anlagen ................................................................................................................................................. 25
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III
Kurzdarstellung
Am Donnerstag, dem 08.02.2001, um 15:45 Uhr lokaler Zeit wurde die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) von einem Beauftragten für Flugunfalluntersuchung auf dem Flughafen Nürnberg
unterrichtet, dass ein Learjet im Anflug auf die Landebahn 10, ca. 300 Meter nördlich des Beginns der
Landebahn in einem Waldstück aufgeprallt sei. Die Flugzeugführer hatten vier Minuten nach dem Abflug
in Nürnberg einen Triebwerksausfall gemeldet und waren zum Flughafen zurückgekehrt. Es hatte einen
Aufschlagbrand gegeben, der von der Flughafenfeuerwehr gelöscht wurde. Die drei Insassen waren bei
dem Unfall ums Leben gekommen.
Drei Mitarbeiter der BFU trafen gegen 20:30 Uhr an der Unfallstelle ein. Die Untersuchungen vor Ort
begannen noch am gleichen Tag. Am dritten Tag erschienen die Repräsentanten des Eintragungs- und
Betreiberstaates, Italien, und des Herstellerstaates, USA, mit Beratern an der Unfallstelle. Insgesamt
waren
2
Mitarbeiter des National Transport Safety Board (NTSB – USA)
1
Mitarbeiter der Agenzia Nazionale per la Sicurezza del Volo (ANSV – Italien)
1
Mitarbeiter der Federal Aviation Administration (FAA – USA) – Office of Accident Investigation (Berater)
1
Mitarbeiter von Honeywell (Triebwerkshersteller - USA) (Berater)
4
Mitarbeiter von Bombardier Aerospace (Learjet – USA) (Berater)
an der Unfallstelle, auf dem Flughafen Nürnberg und danach bei der BFU in Braunschweig bzw. bei
Honeywell in Raunheim, gemäß Flugunfall-Untersuchungs-Gesetz und Annex 13 ICAO, an der
Untersuchung beteiligt.
An der Untersuchungsstelle wurden folgende Fachgruppen gebildet:
Fachgruppe 1
Flugbetrieb, ATC (Flugsicherung), Flughafen, Wetter
Fachgruppe 2
Triebwerke
Fachgruppe 3
Flugzeugsysteme und Struktur
Bei der BFU in Braunschweig zusätzlich:
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Fachgruppe 4
Flugdatenschreiber
Fachgruppe 5
Flug- und Triebwerksinstrumente
1
Die Ergebnisse der Untersuchung beruhen auf
- Untersuchungen am Wrack und an der Unfallstelle
- Zeugenaussagen, Bildern und Video-Aufzeichnungen
- Auswertungen der Betriebsunterlagen und Flugzeughandbüchern
- Auswertungen der Reparatur- und Wartungsunterlagen
- Untersuchungen von Triebwerks- und Flugführungsinstrumenten
- Auswertungen der Sprachaufzeichnungen der Flugsicherung
- Auswertungen der Radaraufzeichnungen der Flugsicherung
- Untersuchungen der Triebwerke
- Auswertungen des Flugschreibers und des Cockpit-Voice-Recorders
Der Unfall ist darauf zurückzuführen, dass das linke Triebwerke ca. 3 Minuten nach dem Start ausfiel und das anschließende Verfahren für die Einmotorenlandung unzureichend durchgeführt wurde, sodass das Flugzeug im kurzen Endanflug in einen überzogenen Flugzustand geriet und aus
geringer Höhe abkippte.
Der Triebwerksausfall war die Folge von interkristallinen Stegbrüchen an der HochdruckTurbinenscheibe. Falsche Betriebsaufzeichnungen hatten zu einer gravierenden Überschreitung
der maximal zulässigen Betriebszyklen (Cycles) geführt.
1.
Sachverhalt
1.1 Ereignisse und Flugverlauf
Bei einer Inspektion des rechten Triebwerks hatte man im Ölfilter Späne festgestellt. Die Behebung
des Schadens sollte spätestens nach 20 Flugstunden erfolgen. Da der Wartungsbetrieb in der
Schweiz, bei dem normalerweise die notwendigen Reparaturen durchgeführt wurden, die erforderlichen Ersatzteile kurzfristig nicht verfügbar hatte, wurde der Auftrag nach Nürnberg vergeben. Das
Flugzeug wurde am 07.02.2001 nach Nürnberg überführt und im Beisein des technischen Leiters
des Luftfahrtunternehmens in Stand gesetzt. Die Reparaturen und der Austausch der Teile ausschließlich am rechten Triebwerk wurden ordnungsgemäß bescheinigt.
Für den 08. Februar 2001 um 15:30 Uhr war der Rückflug nach Rom geplant. Von dort aus sollte
am darauf folgenden Tage ein Charterflug durchgeführt werden. Außer den beiden Flugzeugführern befand sich der technische Leiter des Luftfahrtunternehmens an Bord. Die Flugvorbereitung wurde telefonisch von der Werft aus durchgeführt. Eine Wetterberatung und die NOTAM´s
für den Flug wurden ordnungsgemäß eingeholt. Die Checklisten für den Start wurden gelesen.
Während der Vorbereitung wurde über die ungleiche Kraftstoffverteilung zwischen den rechten und
linken Tanks diskutiert, und dass die Gesamtmenge auf beiden Seiten jedoch gleich sei. Kurz darauf stellte der zweite Flugzeugführer den Ausfall seiner Kreiselinstrumente fest. Das Flugzeug
wurde über die Rollwege „Juliett“ und „Foxtrott“ zur Startbahn 10 gerollt. Flugzeugführer am Steuer
war der verantwortliche Flugzeugführer, während der zweite Flugzeugführer den Sprechfunkverkehr mit der Flugsicherung führte.
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Die Flugzeugführer erhielten die Freigabe zum Abflug über die Route Nördlingen (NDG 1M) nach
Rom. Der Start erfolgte um 15:31 Uhr. Bei 5 nautischen Meilen drehte das Flugzeug, entsprechend
der Abflugroute, nach Süden. Um 15:33:49 Uhr fiel das linke Triebwerk ohne Vorankündigung aus.
Das Geräusch eines herunterlaufenden Triebwerks wurde auch von mehreren Zeugen am Boden
wahrgenommen. Rauch oder Feuer wurde von ihnen nicht gesehen.
Der zweite Flugzeugführer meldete dem Kontrollturm kurz danach einen Notfall mit dem linken
Triebwerk, und teilte mit, dass man zur Landung auf der Piste 10 zurückkehren wolle. Zu der Zeit
herrschten Sichtwetterbedingungen, und die Landebahn war kontinuierlich zu sehen. Da die Abflugkontrolle Nürnberg APP den Flug koordinieren wollte, wurde nach Aufforderung kurzfristig die
Frequenz gewechselt. Nachdem der zweite Flugzeugführer erneut die Notlage bekannt gegeben
hatte, wurde wieder zum Kontrollturm zurückgeschaltet und der Anflug auf die Landebahn 10 fortgesetzt.
Bis in den Endanflug war der Flug ohne besondere Ereignisse. Die Landeklappen wurden zunächst
auf 8 Grad und später auf 20 Grad gesetzt, danach wurde das Fahrwerk ausgefahren. Zu diesem
Zeitpunkt befand sich das Flugzeug leicht nördlich versetzt von der Anfluggrundlinie, etwas über
dem Gleitpfad für einen Instrumentenanflug. Ungefähr einen Kilometer vor der Landebahn, beim
Überqueren der Bundesstraße 4, bei der Ortschaft Buch wurde das Flugzeug von verschiedenen
Zeugen beobachtet, wie es ungewöhnliche Flugbewegungen machte. Das Flugzeug wich dann von
der Landbahnrichtung nach Norden ab und machte einige taumelnde Bewegungen. Danach sah es
kurzfristig so aus, als ob der Flugzeugführer nach rechts kurven wolle, um doch noch die Landebahn zu erreichen. Unmittelbar darauf drehte sich das Flugzeug in Bodennähe, bei ungefähr
gleichbleibender Höhe, ruckartig nach links in eine Messerfluglage und stürzte in nahezu Rückenlage um 15:40 Uhr in einen nördlich der Landebahn gelegenen Wald.
Die Flughafenfeuerwehr, die aufgrund der angekündigten Sicherheitslandung des Learjets in
Bereitstellung war, erreichte die Unfallstelle nach ca. 4 Minuten und begann den Brand zu löschen.
Alle drei Insassen waren bei dem Aufprall ums Leben gekommen. Das Flugzeug wurde zerstört.
Die Untersuchungen ergaben, dass das Flugzeug mit einem Kurs von ca. 037 Grad zu Beginn
eines Waldgebietes mehrere Bäume in flachem Winkel abgeschlagen hatte und dann fast in Rückenlage, ca. 230 Meter nördlich vom Beginn der Landebahn 10, auf den Boden aufprallte.
Alle Teile des Flugzeugs wurden im Bereich der Unfallstelle gefunden und soweit wie möglich vor
Ort dokumentiert. Das linke Treibwerk hatte beim Aufprall offensichtlich gestanden, während das
rechte Triebwerk deutliche Anzeichen eines hohen Drehens zeigte. Die später gefundenen Triebwerksinstrumente zeigten ähnliche Werte. Die Flugzeug- und die Wartungsdokumente sowie die
persönlichen Dokumente der Flugzeugbesatzung und die Flugvorbereitungsunterlagen wurden an
der Unfallstelle fast vollständig gefunden. Der Eigentümer des Flugzeugs war am zweiten Tag vor
Ort und konnte wichtige Angaben zu dem Flugzeug, der Reparatur des Triebwerks und den Insassen machen.
1.2 Personenschaden
Bei dem Unfall wurden beide Flugzeugführer und der mitfliegende Techniker durch den Aufprall auf
dem Boden getötet.
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1.3 Schaden am Luftfahrzeug
Das Flugzeug wurde durch den Aufprall an den Bäumen und auf dem Boden zerstört.
1.4 Drittschaden
Durch die Einflugschneise in den Wald und durch das anschließende Feuer entstand erheblicher
Flur- bzw. Forstschaden.
1.5 Angaben zu Personen
1.5.1 Verantwortlicher Flugzeugführer
-
männlich, 33 Jahre, italienischer Staatsbürger
-
Berufsflugzeugführer, CPL Nr. 11222, gültig bis 12.04.2005
-
ATPL-Checkflug am 08.01.2001 bestanden
-
Musterberechtigung LR35A
-
Instrumentenflugberechtigung, gültig
-
Flugstunden total:
2641 h
-
Flugstunden LR35A:
54:44 h
-
flugmedizinische Untersuchung am 19.09.2000
-
Tauglichkeitsklasse I, ohne Auflagen
1.5.2 Zweiter Flugzeugführer
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-
männlich, 22 Jahre, italienischer Staatsbürger
-
Verkehrsflugzeugführer, CPL Nr. 10630, gültig bis 10.03.2005
-
Musterberechtigung LR35A
-
Instrumentenflugberechtigung, gültig
-
Flugstunden total:
575 h
-
Flugstunden LR35A:
192 h
-
flugmedizinische Untersuchung am 19.09.2000
-
Tauglichkeitsklasse I, ohne Auflagen
4
1.6 Angaben zum Luftfahrzeug
Bei dem Learjet handelt es sich um ein zweistrahliges Geschäftsreiseflugzeug mit einer Höchstabflugmasse von 8300 kg. Das Flugzeug kann neben zwei Flugzeugführern acht Fluggäste befördern.
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-
Muster:
Learjet LR35A
-
Hersteller:
Gates Learjet Co., Wichita USA
-
Baujahr:
1981
-
Werknummer:
35A-445
-
Kategorie:
Personenbeförderung
-
Triebwerke:
2 Turbofan, Honeywell Engine Systems (früher: Allied Signal
Aerospace)
-
Modell:
TFE731-2-2B
-
Triebwerk 1 (l):
P/N 3070300-9 S/N P89224
-
Triebwerk 2 (r):
P/N 3070300-9 S/N P89223
5
Das TFE731-Triebwerk ist ein 2-Wellen-Turbofan-Triebwerk mit einem einstufigen Fan, der von der
Niederdruckstufe über ein Planetengetriebe angetrieben wird. Die Niederdruckstufe mit dem
4 stufigen Axialverdichter wird, zusammen mit dem Fan, von der 3-stufigen Axialturbine angetrieben. Die Hochdruckstufe besteht aus einem einstufigen Zentrifugalkompressor und wird von der
1 stufigen Axialturbine angetrieben. Die triebwerk- und flugzeugseitigen Anbaugeräte werden von
der Hochdruckeinheit über das Anbaugerätegetriebe im unteren Bereich der Turbine, angetrieben.
Die Brennkammersektion besteht aus einer einzelnen ringförmigen Rückstrombrennkammer,
12 Kraftstoffdüsen und 2 Zündkerzen.
Am Triebwerk 2 (rechts) waren in Nürnberg Reparaturen durchgeführt worden; das Triebwerk 1
(links) war beim Abflug ausgefallen. Die Triebwerke waren beim Aufprall aus den Verankerungen
gerissen worden. Beide Triebwerke wurden, in Absprache mit den Strafverfolgungsbehörden, für
weitere Untersuchungen bei der Firma Honeywell in Raunheim sichergestellt. Bei der Untersuchung der Triebwerke und den dazugehörigen Instrumenten wurden folgende Werte ermittelt:
Linkes Triebwerk
Rechtes Triebwerk
Fan Speed (%N1)
00.0
91.4
Turbine Speed (%N2)
00.0
96.4
ITT (C°)
967
824
Diese Werte zeigen für den Aufprallzeitpunkt ein stehendes linkes Triebwerk und ein mit hoher
Leistung laufendes rechtes Triebwerk.
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1.7 Meteorologische Informationen
Während des Fluges und zur Zeit des Unfalls war das Wetter mit CAVOK (Ceiling and Visibility ok,
Wolkenhöhe >5000 ft, Sicht >10 000 m) angegeben. Der Wind kam aus 140 Grad mit 2 Knoten,
der Luftdruck betrug 1003 hPa. Sichtbehinderungen waren nicht vorhanden.
1.8 Navigationshilfen
Alle vorhandenen Navigationshilfen arbeiteten nach Auskunft der Flugsicherungsdienststelle einwandfrei. Nach dem Ausfall des linken Triebwerks wurde der insgesamt 10 Minuten dauernde Flug
nach Sicht weitergeführt.
1.9 Funkverkehr
Der Funkverkehr fand in englischer Sprache statt und wurde durch die Flugsicherungsdienststellen
aufgezeichnet. Er wurde beim Start und bei der Landung über den Kontrollturm auf der Frequenz
118.3 MHz abgewickelt. Im Jeppesen ist der Hinweis „immediately after take-off contact Nürnberg
Radar“. Aus diesem Grunde wurde der Flugzeugführer nach dem Triebwerksausfall aufgefordert,
auf die Frequenz 119.525 MHz der Abflugkontrolle umzuschalten. Nachdem er dort erneut bekannt
gegeben hatte, dass das Flugzeug in einer Notlage sei und es sich im Anflug auf Nürnberg befände, wurde es an den Kontrollturm zurückgegeben. Alle Gespräche mit dem verunglückten Flugzeug und den anderen Flugsicherungsstellen standen neben den Telefonaten zwischen den Flugsicherungsstellen zur Auswertung zur Verfügung.
1.10 Angaben zum Flugplatz
Der Flughafen liegt unmittelbar nordwestlich der Stadt Nürnberg
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-
Name:
Nürnberg Flughafen
-
ICAO-Identifier:
EDDN
-
Landerichtung:
279° / 099° (28 / 10)
7
-
Landebahnlänge: 2 700 m (Concret / Asphalt)
-
Landebahn 10:
1 021 ft THR
-
Visual App: Aid:
PAPI 3°
1.11 Flugdatenaufzeichnung
Bei dem Flugdatenschreiber handelte es sich um einen
-
Digital-Flight-Data-Recorder
-
Fairchild, Model F 800
-
P/N 17M 703-274
-
S/N 5223
-
Plastic Tape, 6 Spuren
Der Cockpit-Voice-Recorder war ein
-
Collins-Voice-Recorder
-
Type 642C-1, 4 Kanäle (Pilot/Co-Pilot/Area-Mic/Aux.)
-
P/N 522-4057-001
-
S/N 3917
Beide Recorder wurden an der Unfallstelle geborgen und nach Braunschweig zur Auswertung
gebracht. Die Daten waren auswertbar und für die Unfalluntersuchung hilfreich.
Zusätzlich war ein Satellitennavigationsgerät, GPS Trimble 2101 I/O plus, eingebaut. Obwohl bereits bei der Bergung festgestellt wurde, dass das Gerät verbeult und stark verrußt war, wurde im
Labor der BFU versucht, die möglicherweise noch vorhandenen Daten auszulesen. Beim Öffnen
des GPS stellte sich heraus, dass die Batterie zur Datenerhaltung durch Brandeinwirkung zerstört
war und die Daten damit nicht mehr auswertbar waren.
1.12 Unfallstelle und Feststellungen am Luftfahrzeug
Die Unfallstelle lag ca. 230 Meter nördlich der Landebahnschwelle 10 des Flughafens Nürnberg,
noch in der Gemarkung Erlangen, am Beginn eines Waldgebietes, das zu der Ortschaft Kraftshof
gehört. Auf dem Einflugkurs von ca. 037 Grad waren bei neun Bäumen die Stämme durchschlagen, was auf einen flachen Aufprallwinkel von 13 bis 15 Grad hinweist. Beim Einflug in die Bäume
hatte sich das Flugzeug ca. um 220 Grad um die Längsachse in eine Rückenlage gedreht. Das
Flugzeug kam ca. 100 Meter nach den ersten Berührungen mit den Bäumen mit einer Längsrichtung von 353 Grad in Rückenlage zum Halt. Auf den letzten 60 Metern zum Wrack hatte es ein
starkes Feuer gegeben. In der Schneise lagen Teile des Flugzeugs und Teile aus dem Flugzeug.
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Der Rumpf des Flugzeugs war durch den Aufprall auf den Boden und das darauf folgende Feuer
zerstört. Das Heck war schwer beschädigt. Das Höhenleitwerk war abgerissen und lag unter der
linken Tragfläche. Die Teile waren jedoch nicht durch den Brand zerstört worden. Die Ruder- und
Trimmstellungen konnten zum größten Teil festgestellt werden. Die Seitenrudertrimmung wurde in
der Mittelstellung vorgefunden. Die Landeklappen waren in einer Stellung zwischen 16 und
20 Grad. Der Stellhebel im Cockpit stand bei 20 Grad.
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Das linke Hauptfahrwerk war ausgefahren und verriegelt. Das rechte Hauptfahrwerk und das
Bugfahrwerk waren aus den Haltepunkten herausgerissen. Der Fahrwerkshebel stand auf „ausgefahren“.
Das linke Triebwerk lag mehrere Meter vom Hauptwrack entfernt. Das rechte Triebwerk lag auf
dem Wrack. Die linke Tragfläche war abgerissen. Das linke Triebwerk zeigte keine, das rechte erhebliche Drehspuren. Beide Leistungshebel waren aufprallbedingt in Leerlaufstellung.
Das Cockpit und der gesamte vordere Teil des Flugzeugs waren zerstört. Der zweite Flugzeugführer und der Fluggast lagen links vor dem Wrack, teilweise noch in den Flugzeugtrümmern. Im Mittelteil des Wracks, im Bereich der Tragflächen, waren deutliche Brandspuren zu sehen. Das Heck
lag auf der rechten Seite. Die Flugzeugunterlagen aus einem Pilotenkoffer waren ca. 8 Meter in
Aufprallrichtung auf dem Waldboden verstreut. Ca. zwei Meter weiter lag der Flugzeugführersitz.
Die Gurte waren an der Verankerung am Sitz gerissen. Vier Meter weiter lag die Leiche des verantwortlichen Flugzeugführers.
Cockpitbereich
Der Flugdatenschreiber lag vor dem Heck. Der Cockpit-Voice-Recorder befand sich noch im
Wrack. Beide Aufzeichnungsgeräte wurden geborgen und zur Auswertung nach Braunschweig gebracht.
Am zweiten Tag wurde festgestellt, dass das ELT (Electronic-Locator-Transmitter) immer noch in
Toulouse empfangen wurde. Der Sender konnte im Flugzeug lokalisiert und abgeschaltet werden.
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linke Tragfläche und Fahrwerk
Alle Teile des Flugzeugs wurden, soweit sie nicht verbrannt waren, an der Unfallstelle gefunden.
Die vorgefundenen Beschädigungen waren aufprallbedingt. Das Gleiche trifft auf die Zeigerstellungen der Flug- und Triebwerksinstrumente sowie die Hebel- und Schalterstellungen zu.
Flugzeugheck und Flugdatenschreiber
1.13 Medizinische und pathologische Angaben
Alle drei Insassen starben an den unmittelbaren Folgen des Aufpralls durch Gewalteinwirkung.
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1.14 Brand
Unmittelbar nach dem Aufprall entstand durch ausgelaufenes Kerosin ein heftiger Brand, der durch
die nach ca. vier Minuten am Unfallort eingetroffene Flughafenfeuerwehr schnell gelöscht werden
konnte. Durch das Feuer war der Flugzeugrumpf zerstört worden. Viele Bäume im Bereich der
Aufprallstelle waren schwer geschädigt.
1.15 Überlebensaspekte
Der Unfall war für die Insassen des Flugzeugs nicht überlebbar.
1.16 Weiterführende Untersuchungen
Beide Triebwerke des Flugzeugs wurden zu Firma Honeywell nach Raunheim gebracht, wo sie
unter der Leitung eines Mitarbeiters des NTSB und unter Aufsicht eines Mitarbeiters der BFU untersucht wurden. Die Untersuchungen ergaben, dass bei dem linken Triebwerk die Turbinenschaufelaufnahmen (Tannenfuß-Verbindung) der HD-Turbinenscheibe, PN 3072732-3, SN 8-233151257, ausgebrochen waren und zum Verlust von 4 Turbinenschaufeln führten. Die gebrochene
Turbinenscheibe wurde zur Materialuntersuchung nach Braunschweig gebracht. Die Untersuchung
des vor dem Unfall in Nürnberg reparierten rechten Triebwerks ergab allein Schäden, die dem Aufschlag zuzuschreiben waren.
Die Triebwerksinstrumente und ein Teil der Flugführungsinstrumente wurden in dem Labor der
BFU auf Aufschlagmarken und auf mögliche Zustandsanzeigen beim Aufprall untersucht.
Alle im Flugzeugwrack vorgefundenen technischen und fliegerischen Unterlagen wurden in Braunschweig mit der Unterstützung des italienischen Luftfahrtunternehmens und der italienischen Untersuchungsbehörde ausgewertet.
Auf der Grundlage der Radaraufzeichnungen der Deutschen Flugsicherung GmbH (DFS) wurde
eine Flugwegrekonstruktion mit Berechnungen der Fluggeschwindigkeiten für den letzten Teil des
Fluges angefertigt.
Die Auswertung der Flugdatenschreiber ergab trotz der nur vier aufgezeichneten Parameter im
Vergleich mit den Flugsicherungsaufzeichnungen ein gutes Bild der flugtechnischen Abläufe. Das
Gleiche gilt für die Auswertung des Tonaufzeichnungsgerätes (CVR). Da der verantwortliche Flugzeugführer und der technische Leiter des Unternehmens aus Argentinien stammten, wurde im
Cockpit abwechselnd italienisch, spanisch und englisch gesprochen. Mit Unterstützung des Luftfahrtunternehmens und eines Spanisch sprechenden Flugzeugführers der Lufthansa konnte eine
Umschrift des Tonbandes und eine Zuordnung der Stimmen durchgeführt werden.
Durch eine Spektralanalyse der Triebwerksfrequenzen mit Hilfe der Aufzeichnungen des CockpitVoice-Recorders konnte nachgewiesen werden, dass das verbliebene rechte Triebwerk im Endanflug kurzfristig mit maximaler Leistung betrieben wurde.
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1.17 Organisationen und deren Verfahren
Nicht betroffen
1.18 Zusätzliche Informationen
Keine
1.19 Nützliche oder effektive Untersuchungstechniken
Es wurden die üblichen Techniken angewandt.
2.
Beurteilung
Bei einer 150-Stunden-Inspektion des Flugzeugs wurden im Ölfilter des rechten Triebwerks Späne
festgestellt. Eine Ölprobe wurde zum Hersteller zur Untersuchung gesandt. Es wurde ein Lagerschaden an der Gear-Box diagnostiziert. Auf Rückfrage durch den technischen Leiter des Unternehmens wurde mitgeteilt, dass nach Feststellung des Schadens noch maximal 20 Stunden geflogen werden dürfe. Da seitdem bereits 18 Stunden geflogen worden waren, versuchte man bei dem
Reparaturunternehmen in der Schweiz, bei dem in den letzten fünf Jahren alle größeren Reparaturen durchgeführt wurden, die beschädigten Teile zu wechseln. Die Werkstatt hatte die erforderlichen Teile nicht kurzfristig verfügbar. Die Werft in Nürnberg, mit der das Unternehmen früher bereits zusammengearbeitet hatte, war in der Lage, die Arbeiten sofort durchzuführen. Der Learjet
wurde am Abend des 7. Februar 2001 durch zwei Flugzeugführer und den technischen Leiter von
Triest nach Nürnberg überführt. Die Reparatur dauerte inklusive der notwendigen Eintragungen im
technischen Bordbuch bis zum 8. Februar 2001, ca. 14:00 Uhr. Der Flug nach Rom, wo das Flugzeug für einen Auftrag am nächsten Tag benötigt wurde, war für 15:00 Uhr geplant. Das Flugzeug
wurde betankt und ein Flugplan nach Instrumentenflugregeln bei der Flugsicherung aufgegeben.
An Bord des Flugzeugs wurden die Checklisten für die Flugvorbereitung und das Anlassen der
Triebwerke gelesen. Dabei wurde festgestellt, dass die Tip-Tanks auf der linken und rechten Seite
ungleich befüllt waren. Nach kurzer Diskussion wurde jedoch entschieden, dass man so fliegen
könne, da die Gesamtmenge auf beiden Seiten gleich sei. Der zweite Flugzeugführer stellte den
Ausfall seiner Kreiselanlage fest. Der mitfliegende Techniker meinte, man solle das so für den gesamten Flug lassen und sie später austauschen. Nach dem Anlassen der Triebwerke hatte der
verantwortliche Flugzeugführer leichte Orientierungsprobleme beim Rollen zur Startbahn 10. Während der verantwortliche Flugzeugführer den Learjet steuerte, erledigte der zweite Flugzeugführer
das Lesen der Checklisten und den Sprechfunkverkehr mit den Flugsicherungsstellen. Nachdem
die Flugzeugführer die Startfreigabe erhalten hatten, wurde der Start professionell durchgeführt.
Die geplante Abflugroute in Richtung Nördlingen (NGD 1M) wurde eingehalten, und man beabsichtigte, auf Flugfläche 70 (7 000 ft) zu steigen.
Knapp drei Minuten nach dem Start, in einer Flughöhe von ca. 5 900 Fuß, bei einer Geschwindigkeit von 250 Knoten, ist auf dem Cockpit-Voice-Recorder deutlich der Ausfall eines Triebwerks zu
hören. Der zweite Flugzeugführer teilte dem Kontrollturm in Nürnberg mit, dass man einen Notfall
mit dem linken Triebwerk habe und beabsichtige, einen Sinkflug einzuleiten, um wieder zu landen.
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Der Towerlotse bestätigte die Meldung und forderte die Besatzung auf, Kontakt mit Nürnberg Radar auf der Frequenz 118.97 MHz aufzunehmen, da diese Stelle für den Luftraum verantwortlich
sei.
Die Besatzung des Luftfahrzeuges hatte die Festlegung in der AIP AD 2 EDDN 5-7-5, dass nach
dem Start sofort mit Nürnberg Radar Kontakt aufzunehmen war (Contact Nürnberg Radar
immediately after take-off), nicht befolgt. Die Ursache hierfür konnte nicht ermittelt werden. Der
Ausfall des linken Triebwerkes hatte sich nicht angekündigt, sondern war unerwartet aufgetreten,
unmittelbar bevor der Lotse um 15:33:44 Uhr die Besatzung anwies, auf Nürnberg Radar
umzuschalten, so dass eine erhöhte Arbeitsbelastung im Cockpit aufgrund des Triebwerksausfalls
vor diesem Zeitpunkt nicht vorlag.
Ein Frequenzwechsel nach der Meldung „... we have an emergency on a left engine we are
descend to come back ...“ ohne eine der Situation angepasste Maßnahme, wie z. B. Klärung der
Situation an Bord, ist äußerst problematisch. Die „Betriebsanweisung für die Flugverkehrskontrolle“
(BA-FVK) legt unter Punkt 611.2 fest:
Es sind unverzüglich alle im Bereich des Möglichen liegenden Schritte
zu unternehmen, um ein Luftfahrzeug zu unterstützen, von dem bekannt ist, dass es in einer Notlage ist.
Dieser Festlegung ist der Lotse nicht nachgekommen, da ihm nicht bekannt war, inwieweit die
gemeldete Notsituation sich auf die Flugfähigkeit des Luftfahrzeuges und die Handlungsfähigkeit
der Besatzung hätte auswirken können. Stattdessen wurde der Besatzung ein Frequenzwechsel
angewiesen, der sich, da sich im Bereich des Learjets kein weiterer Konfliktverkehr befand, bei
Rücksprache mit der zuständigen Stelle (Nürnberg-Radar) mit hoher Wahrscheinlichkeit als unnötig erwiesen hätte. Die Besatzung war gezwungen, einen weiteren Frequenzwechsel, zurück zum
Tower, vorzunehmen, nachdem sie Nürnberg Radar die Situation an Bord sowie ihre Entscheidung, nach Nürnberg zurückzukehren, mitgeteilt hatte. Weiterhin musste die Besatzung nochmals
bestätigen, dass sie eine Notlage erklärt hatte. Dieser Wechsel der Frequenzen lenkte die Besatzung von anderen Aufgaben ab und kostete unnötig Zeit.
Nach der Kontaktaufnahme erklärte der zweite Flugzeugführer, dass sich das Flugzeug in Flugfläche 60 befände und bestätigte erneut die Luftnotlage. Das Flugzeug erhielt die Freigabe für einen Sichtanflug auf die Landebahn 10. Auf Rückfrage der Flugsicherungsstelle, ob man irgendeine
Unterstützung benötige, verneinte die Besatzung. Darauf wurde die Anweisung erteilt, wieder auf
die Frequenz 118.3 MHz, Kontrollturm Nürnberg, zurückzuschalten. Der ganze Vorgang hatte fast
zwei Minuten in Anspruch genommen. Zurück beim Tower, erhielt die Besatzung die Freigabe für
die Landebahn 10 und wurde gefragt, ob die Flughafenfeuerwehr in Bereitschaft gehen solle. Da
die Besatzung die Frage nicht sofort verstanden hatte, wurde sie erneut aufgefordert, zu bestätigen, dass sie eine Luftnotlage erklärt habe.
Das Wetter spielte bei dem gesamten Vorfall keine Rolle.
Beim Ausfall des linken Triebwerks war auf dem Cockpit-Voice-Recorder die erhöhte Anspannung
bei den Flugzeugführern deutlich zu hören. Während der verantwortliche Flugzeugführer, nachdem
er die Lage überblicken konnte, wieder ruhig reagierte, war die Anspannung beim zweiten Flugzeugführer weiterhin vorhanden. Dies machte sich besonders durch ständig wiederholtes Klicken
mit dem Kugelschreiber bemerkbar. Die Notcheckliste (Engine Failure – Shut Down in Flight) wurde nicht benutzt. Der verantwortliche Flugzeugführer verlangte zunächst die Descent-Checklist und
später die Before Landing Checklist. Beide Checklisten gehören zu den Normalverfahren und wurden nur teilweise und nicht systematisch abgearbeitet. Offensichtlich verzichtete man darauf, da
der Flughafen gut zu erkennen war und der Anflug unter Sichtwetterbedingungen problemlos er-
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schien. Die Geschwindigkeiten für den Anflug wurden nicht berechnet. Die Referenzmarken standen noch auf 122 bzw. 124 kt.
Sechs nautische Meilen vor der Landebahn wurden das Fahrwerk ausgefahren und die Landeklappen auf 8 Grad gesetzt. Bei der Kurve in den Endanflug befand sich das Flugzeug etwas nördlich der Anfluggrundlinie mit einer Geschwindigkeit von ca. 155 Knoten über dem 3-Grad-Gleitpfad
für einen Instrumentenanflug für die Piste 10. Offensichtlich, um die Geschwindigkeit zu reduzieren, wurde das Triebwerk auf Leerlauf gesetzt. Die Landeklappen wurden auf Anweisung des verantwortlichen Flugzeugführers auf 20° und danach auf 40° (Full Flaps) ausgefahren. Beim Ausfahren der Klappen auf 40° muss die Geschwindigkeit erheblich zurückgegangen sein. Unmittelbar
darauf wurde das verbliebene rechte Triebwerk bis fast zur Startleistung hochgefahren. Durch den
asymmetrischen Schub auf der rechten Seite drehte das Flugzeug in einer Höhe von 200 bis
300 Fuß über Grund nach links. Der verantwortliche Flugzeugführer orderte: „Flaps 20“. Wie auf
dem CVR zu hören ist, erfolgte ihm das Einfahren der Landeklappen zurück auf 20° nicht schnell
genug. Er rief dem zweiten Flugzeugführer zu: „Do it!“ Die Sinkrate verringerte sich innerhalb von
ca. 10 Sekunden auf unter 700 ft/min, zehn Sekunden später auf null, um dann leicht in den positiven Bereich zu gehen. Die Flughöhe lag zuletzt bei 30 bis 50 Metern über Grund.
Eine Reihe von Zeugen hatte den gesamten Vorgang beobachtet und sah das Flugzeug in
niedriger Höhe nach Norden abdrehen. Sie sahen, wie es nach links und rechts taumelte. Dann
hatte man den Eindruck, es wolle doch noch nach rechts zurück zur Piste steuern. Unmittelbar
darauf kippte es nach links ab und stürzte in den nahe gelegenen Wald. Das Flugzeug hatte in flachem Winkel mehrere Bäume gekappt. Das auslaufende Kerosin hatte sich sofort entzündet und
brannte. Die bereitstehende Flughafenfeuerwehr hatte den Vorfall ebenfalls beobachtet und war
ca. vier Minuten später an der Unfallstelle. Das Feuer konnte gelöscht werden. Für die Insassen
war der Unfall nicht überlebbar.
Die Aufzeichnungen des Flugschreibers, des Cockpit-Voice-Recorders und der Radardaten der
Flugsicherung bestätigen die von den Zeugen beobachteten Abläufe. Offensichtlich erreichte der
Flugzeugführer bei voll ausgefahrenen Landeklappen nicht die erwartete Geschwindigkeit. Der
Versuch, die Lage durch das Einfahren der Landeklappen auf 20 Grad zu verbessern, hatte zur
Folge, dass das Flugzeug sich noch näher an der kritischen Geschwindigkeit für einen Strömungsabriss (Stall Speed) befand. Für diese Annahme spricht auch das von den Zeugen beobachtete
Hin- und Herrollen (Dutch Rolling) unmittelbar vor dem Abkippen. Die Erhöhung des Schubes vom
rechten Triebwerk bis in den Bereich der Startleistung im gleichen Moment kam zu spät und hatte
keinen Erfolg. Dadurch wurde die Drehbewegung beim Abkippen nach links nur verstärkt und das
Flugzeug geriet in die Rückenlage.
Das Verfahren für eine Landung mit nur einem Triebwerk (Single Engine Landing) bietet grundsätzlich die Möglichkeit, auch mit voller Klappenstellung zu landen. Voraussetzung ist, dass die Landung sichergestellt ist. Die Entscheidung, wann eine Landung sichergestellt ist, liegt somit ausschließlich im Ermessen des Flugzeugführers.
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Auszug - Learjet 35 Series with FC-200 Autopilot
Crew Checklist and Quick Reference Handbook – ABNORMAL CHECKLIST, Page A-28
SINGLE–ENGINE LANDING
•
1.
2.
3.
4.
If landing is made with flaps – DN:
Final Approach Configuration………………GEAR DN, FLAPS 20°
Final Approach Speed……………………………………... VREF + 10
Landing Distance..............………………………….. COMPUTED
When landing is assured………………………….. FLAPS DN, VREF
•
1.
2.
3.
4.
If landing is made with flaps – 20°:
Final Landing Configuration………………...GEAR DN, FLAPS 20°
Approach Speed……………………………………………. VREF + 10
Yaw Damper ……………………………… OFF PRIOR TO LAND
Landing Distance ……………………………... MULTIPLY BY 1.20
Allgemein ist die Benutzung der 40°-Stellung der Landeklappen bei Ausfall eines Triebwerks nicht
üblich und wird bei der Ausbildung auch nur als Ausnahmefall betrachtet, wenn die Piste für eine
Landung mit 20°-Klappenstellung nicht ausreichend ist. Auch dann sollten die Klappen erst voll
ausgefahren werden, wenn der Anflug und die Landung nicht mehr gefährdet werden können. Die
allgemeine Lehrmeinung besagt, die Landung grundsätzlich mit der Klappenstellung 20° durchzuführen. Wäre diese Checkliste benutzt worden, hätte der Flugzeugführer möglicherweise auf das
Ausfahren der Landeklappen auf 40° verzichtet, besonders, weil eine Berechnung der Landestrecke gefordert wird. Die aktuelle Landestrecke hätte bei einem Landegewicht von 6 740 kg (14 310
lbs) 915 m (3 000 ft) betragen. Die verfügbare Landestrecke der Piste 10 in Nürnberg beträgt
2 700 m (8 850 ft). Zum zusätzlichen Abbremsen des Flugzeugs auf der Piste stand ein Bremsschirm zur Verfügung.
Ein Verfahren für das Durchstarten mit nur einem Triebwerk (Single Engine Go-Around) ist in den
Handbüchern des Flugzeugs nicht gesondert beschrieben. In der ABNORMAL CHECKLIST steht
zwei Seiten vor der SINGLE-ENGINE LANDING das Verfahren für ein Durchstarten mit einem
Triebwerk. Da die Checklisten für die Vorbereitung der Landung mit einem Triebwerk und das mögliche Durchstartverfahren nicht in einer logischen Reihenfolge in der Checkliste stehen, wäre beim
Benutzen der ABNORMAL CHECKLIST ein Hin- und Herblättern erforderlich gewesen. Das setzt
gute Kenntnisse über den Inhalt der Checklisten und deren Verfahren sowie eine gute CrewKoordination voraus.
Auszug - Learjet 35 Series with FC-200 Autopilot
Crew Checklist and Quick Reference Handbook – ABNORMAL CHECKLIST, Page A-26
GO AROUND (ONE ENGINE)
1. Autopilot………………………………………………. DISENGAGE
2. Thrust Lever ………………………………………. AS REQUIRED
3. Spoilers ………………………………………………. RETRACTED
4. Flaps ……………………………………………………………… 20°
5. Landing Gear (After Climb Established) ……………………… UP
6. Climb at Approach Climb Speed (Approx. VREF + 7)
7. Clear of Obstacles ……………………….. VREF + 30 & FLAPS UP
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Es war nicht mehr zu klären, ob der Flugzeugführer durchstarten wollte oder doch noch versuchte
die Landebahn zu erreichen. Wahrscheinlicher ist, dass er mit der für ihn plötzlich aufgetretenen
Situation aufgrund der geringen Erfahrung auf diesem Flugzeugmuster überfordert war. Tatsache
ist, dass er unmittelbar vor dem Absturz versucht hat, das rechte Triebwerk erneut auf vollen
Schub zu fahren. Triebwerksparameter waren auf dem Flugdatenschreiber nicht verfügbar.
Um das Triebwerksverhalten im Endanflug bis zum Unfall zu ermitteln, wurden Spektralanalysen
der Aufzeichnungen des Cockpit-Voice-Recorders erstellt. Da die Frequenz der Triebwerke beim
Start bekannt war, konnte ein direkter Vergleich mit dem Anflug erstellt werden. Dieser Vergleich
ergab, dass das rechte Triebwerk, kurz vor dem Abweichen von der Anfluggrundlinie nach Norden,
Startleistung hatte.
Spektralanalyse CVR – Engine Failure – (Pilots Channel only)
Die roten Markierungen sind Sprachaufzeichnungen.
Zum besseren Erkennen wurde die Spur nachgezeichnet und rot eingefärbt
Triebwerksgeräusche in den letzen 3 Minuten – (CVR - Pilots Channel only)
Zum besseren Erkennen wurde die Spur nachgezeichnet und gelb eingefärbt
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X-REPLAY – Radar data – total Flight - DFS (Ausschnitt)
Die genaue Geschwindigkeit des Flugzeugs über Grund war weitaus komplizierter zu ermitteln. Die
Aufzeichnungen der Flugsicherung haben einen erheblichen Toleranzbereich. Die laterale Aufzeichnungsgenauigkeit hat eine Auflösung von 93 Metern. Die Flughöhe wird in Sprüngen von 100
Fuß und die Geschwindigkeit in 10-Knoten-Abständen dargestellt. Die Zeit wird in Zehntelsekunden angegeben. Die Aneinanderreihung aller aufgezeichneten Werte ergab im Zusammenhang mit
den Zeugenaussagen und Flugschreiberaufzeichnungen in der Tendenz ein hinreichend genaues
Bild des Flugablaufs. Die errechneten Werte für die Fluggeschwindigkeit lagen beim Endanflug im
Mittel bei 160 bis 135 Knoten (Calibrated Air Speed). Sie reduzierten sich unmittelbar vor dem Absturz auf 135 Knoten. Der Flugdatenschreiber zeigte ähnliche Geschwindigkeiten. Als Minimum
waren dort 130 Knoten aufgezeichnet worden. Bei dem Aufzeichnungsgerät handelte es sich um
ein älteres Modell, bei dem nicht näher definierte Messtoleranzen berücksichtigt werden müssen.
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X-Replay – last 100 Seconds (Ausschnitt)
Die Auswertung der Radardaten zeigte, dass das Flugzeug, sich zunächst über dem nominellen
Gleitpfad befand und bis 40 Sekunden vor der letzten Aufzeichnung eine Sinkrate von 1 500 bis
2000 ft/min hatte. Das rechte Triebwerk muss dabei im Leerlauf (Flight Idle) gewesen sein. Das
Ausfahren der Landeklappen auf 40 Grad sowie das gleichzeitige Brechen der Sinkrate auf unter
1500 ft/min im Mittel hatte erheblich zur Reduzierung der Geschwindigkeit beigetragen. Dabei geriet der Learjet unter den 3°-Gleitpfad für einen Instrumentenanflug. Das plötzliche Beschleunigen
des rechten Triebwerks erfolgte fast gleichzeitig mit der Reduktion der Sinkrate. Das Flugzeug begann nach links von der Anfluggrundlinie abzuweichen. Ca. 10 Sekunden später kommandierte der
verantwortliche Flugzeugführer „Klappen 20“ in italienischer Sprache, dabei wurde die Triebwerksleistung kurzfristig gering reduziert. Das Kommando für das Einfahren der Landeklappen wurde
vom zweiten Flugzeugführer mit „Flaps 20“ bestätigt, aber offensichtlich nicht sofort ausgeführt.
Daraufhin folgte das kurze Kommando „Do it!“. Die Sinkrate wurde dabei fast auf null verringert.
Gleichzeitig wurde das Triebwerk erneut auf Startleistung beschleunigt. Die Flughöhe stieg auf ca.
30 bis 50 m über Grund an, dabei wurde die Triebwerksleistung kurzfristig leicht reduziert und wieder erhöht. Das Flugverhalten zeigte, dass der Learjet sich nach Einfahren der Landeklappen auf
20 Grad permanent an der Geschwindigkeit für einen Strömungsabriss (Stall Speed) bewegte.
Zum beobachteten Flugverhalten in den 30 Sekunden vor dem Absturz hat die asymme-trische
Betankung der Tip-Tanks bei geringer Fluggeschwindigkeit und den Konfigurationswechseln vermutlich zusätzlich negativ beigetragen.
Der verantwortliche Flugzeugführer hatte bis Mitte 2000 einen Sabreliner in Argentinien geflogen.
Nach seiner Übersiedlung nach Italien nahm er die italienische Staatsbürgerschaft an und erhielt
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eine Anstellung als Flugzeugführer auf dem Learjet 35 A. Er wurde von dem Eigner des Flugzeugs,
der gleichzeitig über eine Berechtigung als Fluglehrer verfügt, auf dem neuen Muster ohne Simulatorunterstützung geschult. Die praktische Umschulung (Type Rating) wurde am 13.10.2000 begonnen und am 04.12.2000 mit 22:26 Flugstunden abgeschlossen. Nach weiteren 06:35 Flugstunden
bestand er am 23.01.2001 bei einem dreistündigen Checkflug die praktische Prüfung für den Verkehrsflugzeugführerschein vor der italienischen Luftfahrtbehörde. Danach flog er bis zum Unfalltag
25:43 Stunden als verantwortlicher Flugzeugführer den Learjet. Die Gesamtflugstunden auf dem
Muster bis zum Unfalltag lagen inklusive der Umschulung auf den Learjet bei 54:44 Stunden. Die
Gesamterfahrung auf Flugzeugen lag bei 2 641 Flugstunden. Ein persönliches Flugbuch lag nicht
vor und wurde auch im Wrack nicht gefunden. Diese Daten wurden vom Halter des Flugzeugs übermittelt.
Flugführungs- und Triebwerksinstrumente
Die von der Unfallstelle für weitere Untersuchungen mitgebrachten Flugführungs- und Triebwerksinstrumente wurden besichtigt und so weit wie möglich ausgewertet. Es stellte sich heraus, dass
die meisten Instrumente zerstört oder zu stark beschädigt waren, um eine gesicherte Auswertung
der Anzeigen vornehmen zu können. Da das Cockpit des Flugzeugs nicht geradlinig, sondern in
Rückenlage schräg mit dem Boden und den Bäumen kollidierte, waren fast keine Schlagmarken
der Zeigerstellungen feststellbar. Die Zeiger waren teils frei beweglich, stark verbogen oder die
Steuergestänge waren nicht mehr in ihren Lagern. Damit waren die Anzeigen nicht mehr repräsentativ. Die Feststellungen beim Auffinden der Instrumente direkt an der Unfallstelle müssen teilweise
als zutreffender als die spätere Auswertung in Braunschweig klassifiziert werden.
Fahrtmesser
Künstliche Horizonte an der Unfallstelle
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Triebwerksuntersuchungen
linkes Triebwerk ohne Leistung beim Aufprall
ñ linkes Triebwerk
–
rechtes Triebwerk hat mit hoher Drehzahl gelaufen
Triebwerksanzeigen
–
rechtes Triebwerk ñ
Die Untersuchung der Triebwerke hatte ergeben, dass 3 Stege zur Verankerung der tannenbaumförmigen Schaufelfüße und 4 Turbinenblätter der Hochdruck(HD)-Turbinenscheibe vom linken
Triebwerk fehlten. Alle anderen Turbinenblätter der Scheibe waren an ihren Vorderkanten und
Blattspitzen beschädigt. Die gelösten Turbinenblätter wurden innerhalb der Turbinensektion gefunden. Das Gehäuse der Hochdruckturbine war an einigen Stellen beschädigt, wurde aber von den
ausgebrochenen Stegen und Turbinenblättern nicht durchschlagen.
linkes Triebwerk: Hochdruck-Turbinenscheibe.
Fehlende Befestigungen und Turbinenschaufeln
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Bei der werkstofftechnischen Untersuchung wurde festgestellt, dass interkristalline Risse am
Turbinenrad zum Verlust der 3 Profilstege führten. Im Bruchbereich befanden sich weitere, von
außen vordringende Risse sowie gebrochene Carbide mit einsetzender Rissbildung im Werkstoffinnern. Die dem Bruchbereich benachbarten Stegprofile wiesen ebenfalls Anrisse in beiden Taillen
auf. Der Werkstoffwiderstand (Lebensdauer) gegen die Kombination aus zyklischer Belastung
durch An- und Abfahrvorgänge (Cycles), Kriechbeanspruchung und Heißgas-Korrosionsangriff
während des Betriebs war offensichtlich erschöpft.
Am rechten Triebwerk wurden keine weiteren Untersuchungen durchgeführt, da die nach dem
Unfall vorgefundenen Beschädigungen aufschlagbedingt waren.
Triebwerkswartung
Bei der Auswertung der technischen Unterlagen des linken Triebwerkes, SN 89224, wurde
festgestellt, dass die durch das Service Bulletin TFE731-72-3001 vorgeschriebenen maximalen
5200 Cycles (Zyklen der Lastwechsel) der HD-Turbinenscheibe um 157 Cycles überschritten worden waren.
Weitere Nachforschungen ergaben, dass die Turbinenscheibe vor dem Einbau in das Triebwerk
SN 89224 im Triebwerk SN 89508 installiert war. Die Zählung der Cycles in dieser Phase entsprach nicht der Herstelleranweisung, sodass 3956 Cycles nicht registriert wurden. Beim Einbau in
das Triebwerk SN 89224 im Februar 1998 hatte die HD-Turbinenscheibe bereits 6582 Cycles. Zum
Unfallzeitpunkt ergab sich daraus zusammen mit den zwischenzeitlich erlangten 2731 Cycles eine
Gesamtzahl von 9313 Cycles, 4113 Cycles über der zulässigen Lebensdauergrenze.
Für den letzten Halter und verschiedene Wartungsbetriebe war es nicht möglich, den Fehler in den
Aufzeichnungen der Laufkarte (life limit card) der HD-Turbinenscheibe zu erkennen.
Das rechte Triebwerk, das bis zum Aufprall gelaufen war, hatte eine Gesamtbetriebszeit (TSN) von
6802 Stunden. Bei einer Spektral-Oil-Analyse am 23.10.2000 wurde in dessen Filter eine geringe
Menge an gehärtetem Stahl gefunden. Daraufhin wurde am 07.02.2001 bei einem luftfahrttechnischen Betrieb (LTB) in Nürnberg eine AGB-Inspection durchgeführt. Die vorderen und hinteren Lager der Antriebswelle vom Starter/Generator wurden ausgebaut und durch neue Lager ersetzt.
Flugzeugwartung
Gemäß den Eintragungen im Technischen Log-Book hatte das Flugzeug bis zum 07.02.2001 eine
Gesamtbetriebszeit von 7275 Stunden sowie 7275 Starts und Landungen durchgeführt. Der letzte
Wägebericht mit entsprechender Ausrüstungsliste war vom 05.12.1999.
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3.
Schlussfolgerungen
3.1 Befunde
- Das Flugzeug war ordnungsgemäß zum Verkehr zugelassen.
- Es war zur Reparatur des rechten Triebwerks nach Nürnberg geflogen worden.
- An Bord befanden sich zwei Flugzeugführer und ein Techniker des Unternehmens.
- Bei der Überprüfung vor dem Anlassen der Triebwerke wurde eine ungleichmäßige Betankung
der Tip-Tanks festgestellt.
- Die Flugzeugführer waren ordnungsgemäß lizenziert und durften den Flug durchführen.
- Der verantwortliche Flugzeugführer hatte nur geringe Erfahrung auf dem Flugzeugmuster.
- Im Anfangssteigflug, nach dem Start zum Rückflug nach Rom, fiel das linke Triebwerk aus.
- Der verantwortliche Flugzeugführer entschloss sich zur sofortigen Rückkehr nach Nürnberg und
erklärte eine Luftnotlage.
- Es herrschten Sichtwetterbedingungen mit Sichten über 10 km, Wolkenuntergrenzen nicht unter
5000 Fuß und mäßiger Wind.
- Ausfälle der Anflughilfen des Flughafens wurden nicht festgestellt.
- Nach dem Ausfall des Triebwerkes wurde das Flugzeug vom Kontrollturm Nürnberg an die Abflugkontrolle (Nürnberg Radar) übergeben. Dort erklärte der Flugzeugführer erneut eine Luftnotlage, bevor er wieder Kontakt mit dem Kontrollturm Nürnberg aufnehmen musste.
- Bis zum Endanflug verlief der Anflug offensichtlich problemlos.
- Mit dem Setzen des Triebwerkes in Leerlauf wurden die Landeklappen auf 40 Grad (Full Flaps)
ausgefahren. Nach Reduzierung der Geschwindigkeit wurde das verbliebene rechte Triebwerk
auf volle Leistung gefahren.
- Der verantwortliche Flugzeugführer orderte „Flaps 20.“
- Zeugen beobachteten, wie das Flugzeug in niedriger Höhe hin und her schaukelte.
- Im kurzen Endanflug wich das Flugzeug plötzlich von der Anflugmittellinie nach Norden ab.
- Unmittelbar darauf kippte das Flugzeug nach links ab und stürzte nahezu in Rückenlage in einen
Wald.
- Das Flugzeug wurde durch den Aufschlag und den Aufschlagsbrand zerstört.
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- Die Insassen des Flugzeugs wurden beim Aufprall getötet.
- Die bereits beim Anflug des Learjet alarmierte und bereitstehende Flughafenfeuerwehr war nach
ca. 4 Minuten an der Unfallstelle und konnte den Brand schnell löschen.
- Die Landeklappen am Wrack befanden sich in einer Stellung zwischen 16 und 20 Grad. Der Stellhebel im Cockpit stand auf 20 Grad.
- Die Seitenrudertrimmung wurde in der Mittelposition vorgefunden.
- Der Ausfall des linken Triebwerkes im Fluge war die Folge von interkristallinen Brüchen an der
Hochdruck (HD)-Turbinenscheibe, die zum Verlust von 3 Befestigungsstegen mit 4 Turbinenschaufeln führten.
- Die HD-Turbinenscheibe war vor dem Einbau in das Triebwerk TFE731-2-2B, SN 89224 im
Triebwerk SN 89508 installiert gewesen.
- Während der Installation im Triebwerk SN 89508 waren vom damaligen Halter die Betriebszyklen
(Cycles) nicht entsprechend dem Service Bulletin TFE731-72-3001 gezählt worden, wodurch
3956 Cycles nicht registriert wurden.
- Bei der Installation in das Triebwerk SN 89224 hatte die HD-Turbinenscheibe 6582 Cycles seit
der Herstellung und damit die vorgeschriebenen maximalen 5200 Cycles bereits überschritten.
- Seit dem Einbau in das Triebwerk SN 89224 wurden bis zum Unfall weitere 2731 Cycles gezählt,
sodass die HD-Turbinenscheibe mit 4113 Cycles über der zulässigen Lebensdauergrenze belastet wurde.
- Für den letzten Halter und verschiedene Wartungsbetriebe war es nicht möglich, den Fehler in
den Aufzeichnungen der Laufkarte (life limit card) der HD-Turbinenscheibe zu erkennen.
3.2 Ursachen
Der Unfall ist darauf zurückzuführen, dass das linke Triebwerke ca. 3 Minuten nach dem Start ausfiel und das anschließende Verfahren für die Einmotorenlandung unzureichend durchgeführt wurde, sodass das Flugzeug im kurzen Endanflug in einen überzogenen Flugzustand geriet und aus
geringer Höhe abkippte.
Der Triebwerksausfall war die Folge von interkristallinen Stegbrüchen an der HochdruckTurbinenscheibe. Falsche Betriebsaufzeichnungen hatten zu einer gravierenden Überschreitung
der maximal zulässigen Betriebszyklen (Cycles) geführt.
4.
Sicherheitsempfehlungen
Keine
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5.
Anlagen
Radar track – ICAO-map 1:500 000
Events – Approach to final RWY 10 EDDN
Braunschweig, 07.02.2003
Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung
Im Auftrag
Schuberdt
Untersuchungsführer
An der Untersuchung haben folgende Mitarbeiter mitgewirkt:
Flugbetrieb:
Christian-Heinz Schuberdt
Hector Casanova (NTSB)
Flugdatenschreiber:
Dipl.Ing. Axel Thiel
Triebwerke:
Dipl.Ing. Jürgen Dorner-Müller
David Keenan (NTSB)
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Flugwegauswertung:
Dipl.Ing. George Blau
Flugsicherung:
Dipl.Ing. Hans-Gunter Peters
Flugzeugwartung:
Dipl.Ing. Klaus Friedrich
Instrumente:
Dipl.Ing. Uwe Pitz / Uwe Berndt
25
Anlage: Radar track – ICAO-map 1:500 000
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Anlage: Events – Approach to final RWY 10 EDDN
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