die schlacht von marignano, 1515

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die schlacht von marignano, 1515
REPRODUCTION DU TEXTE AUTORISÉE SOUS RÉSERVE DE CITER LA SOURCE
DIE SCHLACHT VON MARIGNANO, 1515
Philippe & Gilles HOUDRY
In Gelb und Rot gekleidet, Collection Genus Familia
[ De Jaune et de Rouge Vêtus / Clad in Yellow and Red ]
124 p., Nancy & Montreuil 1999, France
Dépôt Légal BNF - 1999
Familien Monographie, 30 Ex.
Editor: Philippe & Gilles HOUDRY
Nancy (54) & Montreuil (93), FRANKREICH
Deutschen Übersetzungen: Volker STOCK (Nancy, Frankreich)
http://philippe.houdry.free.fr/
Schweitzer Reiter, 15. Jhdt
© 1999 Philippe & Gilles HOUDRY
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Januar bis Juli 1515: Die mailändischen Ansprüche Königs Franz I.
Am 1. Januar 1515 starb Ludwig XII. ohne direkten Erben. Daher wurde sein Vetter Franz I. am
25. Januar 1515 König. Der neue Herrscher bewieß großen Mut und besaß einen ebenso stark
ausgeprägten politischen Sinn wie Ludwig XI., der ehemalige König von Frankreich und
Eroberer Burgunds.
Franz I. erhob auf das Herzogtum Mailand dieselben Ansprüche wie sein Vorgänger. Um sich auf
ihre Durchsetzung vorzubereiten, ließ er das goldene Geschirr Ludwigs XII. einschmelzen. Mit
der Million Taler, die er dadurch erhielt, erkaufte er die Neutralität Heinrichs VIII. von England.
Aus anderen Fonds wurden deutsche Landsknechte als Ersatz für die Schweizer rekrutiert. Diese
waren mit Arkebusen ausgerüstet, einer tragbaren Feuerwaffe, gewissermaßen der Vorfahre des
Gewehres, deren Feuerrohr beim Schiessen auf eine in den Boden gestochene Hakenstange
aufgelegt wurde.
Franz I. (1494-1547), Sohn von Charles von Valois-Orléans und Louise von Savoyen
(stich von Lacroix, nach le Titien).
Franz I. hatte die Schweizer in Agnadel kämpfen sehen, und sein ritterlicher Charakter ließ ihn
sie bewundern. Er versuchte also im Juli 1515 mit den früheren Verbündeten wiederanzuknüpfen,
aber die Antwort des Rates von Zürich war eiskalt. Die unbezahlten Beträge standen immer noch
aus. Er beauftragte seinen Onkel, den Herzog von Savoyen, die Verhandlungen fortzusetzen und
den Schweizern die Bezahlung der 400.000 Taler, die von Louis de la TREMOILLE im Vertrag
von Dijon versprochen wurden, anzubieten. Die Uneinigkeiten bestanden jedoch weiter, und die
rückständigen Solde blieben unbezahlt.
Franz I. wollte jedoch nicht auf das Herzogtum Mailand verzichten, dessen Herzog er mit seiner
französischen Thronbesteigung geworden war. Die antifranzösische Politik des Kardinals
Matthäus SCHINNER fand in den Kantonen weiterhin die Mehrheit. Der Kaiser hatte seine Hand
auf die Region von Verona gelegt, die den Venezianern weggenommen wurde, und er würde die
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Annexion des Herzogtums Mailand durch die Franzosen nicht tolerieren. Die Konfrontation
wurde unvermeidlich und im August 1515 polierten die verschiedenen Seiten ihre Waffen...
Januar bis Juli 1515: Die Vorbereitungen der Schweizer in Italien.
Die Vorbereitungen gingen ebenfalls zügig voran in Italien bei Maximilian SFORZA, Herzog
von Mailand, beim Kaiser und bei Papst Leo X. Der Letztgenannte sandte Truppen in den
Piemont und ließ das ihm gehörende Piacenza schützen. Mehr als 30.000 Schweizer waren an
den zwei Hauptausgängen der Alpen massiert, um den Einzug in die Poebene zu verwehren.
Diese Truppen waren nach und nach von Mai bis August von verschiedenen Expeditionen der
Schweizer in die italienischen Alpen verstärkt worden. Mehr als 5.000 Zürcher hatten daran
teilgenommen.
Machiavelli, Historiker und politischer Denker jener Zeit, sagte von den Schweizern, dass sie das
einzige Volk waren, das die militärischen Einrichtungen der Antike bewahrt hatte. Sie ahmten die
Kampfweise der griechischen Phalanx und die römische Taktik nach. Sie schoben ihre Infanterie
in großen Bataillonen, auf mehrere Linien verteilt, vor. Die Gruppen waren nah genug, um sich
gegenseitig zu schützen, aber ausreichend voneinander entfernt, um sich in Schützenlinie zu
entfalten oder sich zurückzuziehen.
Die Organisation im Feld und in Bewegung der Armee der Eidgenossen gliederte sich in drei
Korps. Die Vorhut diente dazu, die Kommandatur über die Lage und die Absicht des Feindes zu
informieren und den Kampf zu beginnen. Es handelte sich im allgemeinen um "verlorene
Kind(er)", Elitetruppen, aus Freiwilligen gebildet, die aus der ganzen Armee rekrutiert wurden.
Oft grausam, waren sie mit Armbrüsten und danach mit Arkebusen bewaffnet.
Die drei Soldaten der Schweitzer Armeen, 15. und 16. Jhdts.
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Französischer Infanterist des 16. Jhdts, mit Hakenbüchse
(Nach Cesare Vecellio, 1590).
Benutzung von Pulver (die meisten Kanonen zu Begin des 16. Jhdts). Diese Waffe konnte die Verwendung
von kleine Säcken gefüllt mit Pulver, bestehend aus Holzkohle, Schwefel, Quecksilber und Petroleum,
zu seinem Optimum gebracht werden. Ursprünglich wurde bereits Pulver von der Armee des Königs vom
Frankreich, Louis XI. Benutzt. Die Schweitzer, Deutschen und auch die Italiener hatten jedoch
während dieser Zeit die Benutzung mit einer höheren Leistung erreicht.
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Schweitzer Soldat während der Italienkriege
(Armeemuseum, Paris, Frankreich).
Danach kam der eigentliche Schlachtkörper, der von Pikenieren gebildet wurde, die im Quadrat
(in Redoute, wie man damals sagte) angeordnet waren. Diese Bataillone bestanden aus
Pikenieren in sieben oder neun Reihen, aus Hellebardieren und Arkebusieren an den Seiten, die
bereit waren, den Kampf zu beginnen. Nur die Männer der ersten Reihe trugen Helme und
Rüstungen. Die benutzte Pike war achtzehn Fuß lang und endete in einem Eisenstück mit vier
Schneiden. Dies erlaubte den schweizer Pikenieren, sich den Angriffen von mit kürzeren Lanzen
bewaffneten Reitern entgegenzusetzen, indem sie ihre Pike in den Boden drückten. Das Ganze
lud im Laufschritt.
Zuletzt kam die Nachhut, wo andere Arkebusiere bereit waren, bei den allgemeinen Reserven zu
intervenieren, die gewöhnlich den Auftrag hatten, drehende oder einwickelnde Bewegungen
auszuführen.
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August 1515: Der Einmarsch der Franzosen in Italien.
Am 12. Juli 1515 war die französische Armee in Lyon versammelt. Sie zählte 2.500 "Lanzen" d.h. Einheiten von sechs Kämpfern: ein Waffenträger, zwei berittene Bogen- oder
Armbrustschützen, ein coutillier (Messerstecher), dessen großer Dolch dazu diente, dem aus den
Steigbügeln geworfenen Feind den Garaus zu machen und zwei Pagen oder Knappen. Zu dieser
Truppe kamen 60 große Kanonen und zahlreiche Waffen kleineren Kalibers hinzu. Die
Anwesenheit einer solchen Artillerie war für die Epoche ganz neu. Franz I. hatte auch 2.500
Pioniere für die Belagerungsarbeiten rekrutiert. Sie vereinten Erdarbeiter, Zimmermänner,
Schmiede und Fuhrmänner und deuteten das Pionierkorps unserer modernen Armeen an. Andere
Kontingente sollten diese Truppe auf 50.000 Mann vergrößern.
Anfang August 1515 versperrten die Schweizer also den Zugang zu den hohen Alpentälern. Über
diese Situation informiert, beschloss Franz I., diesen Riegel zu umgehen. Der Marschall JeanJacques TRIVULCE erfuhr von Bergbewohnern, dass es eine Reihe von hohen Engpässen gab,
die es erlaubten, Italien zu erreichen (der heutige Pass von Larche).
Wie früher die Truppen von HANNIBAL, überschritten diejenigen Franz I. die Alpen auf
einfachen Höhenpfaden. Sie mussten Wege mit Hilfe von Sprengstoff erweitern, im Hochgebirge
Brücken und Pfade aus Rundholz bauen, Wildbäche durchschreiten und die Geschütze manchmal
von Felsen zu Felsen an Seilen aufgehängt herunterbringen...
Pierre Terrial (um 1475-1524), Herr von Bayard, und Page des Hertzogs von Savoyen. Er stellte sich
In den Dienst des Königs von Frankreich und nahm an allen Feldzügen von Ludwig XII. teil deshalb
Wurde er « der Ritter ohne Angst und Tadel » genammt.
Er tat sich besonders während der Schlacht von Marignano hervor. Er wurde durch den Schuss
einer Hakenbüchse in Abbiategrosso getötet (Nationalbibliothek, Paris).
Die französische Armee stieß in Conti auf die Flanke und in den Rücken der alliierten Truppen.
Da dieses Manöver den Frontverlauf änderte, zogen sich die Schweizer nach Mailand zurück. In
der Nacht vom 13. August beschlossen der Ritter BAYARD und Jacques de CHABANNES,
unter dem Befehl von Anne de MONTMORENCY, einen Handstreich gegen die feindliche
Kavallerie. An der Spitze von 500 berittenen Waffenleuten überquerten sie den Po und griffen die
schweizerischen Truppen des Papstes und ein spanisches Kontingent, die in Villafranca
kampierten, an. Der Kampf war heftig, und der Überraschungseffekt erlaubte den Franzosen, sich
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mehrerer hundert Pferde zu bemächtigen, und den Kommandanten Prospero COLONNA zum
Gefangenen zu machen.
Diese Aktion fügte der Stimmung der Schweizer einen schweren Schlag zu. Zwischen einigen
ihrer Chefs entstand soviel Zwietracht, dass einige Kontingente nach Hause zurückkehrten. Aber
zahlreich waren diejenigen, die nicht umkehrten, sondern auf die Konfrontation warteten.
Am 30. August vereinte sich die Gesamtheit der französischen Truppen in Novara. Die noch
anwesenden Schweizer vereinten sich ohne zu zögern bei Mailand. Am 8. September versuchte
Franz I. nochmals zu verhandeln, indem der vorschlug, sofort einen Vorschuß von 150.000
Goldtalern auf die ausstehenden Summen zu zahlen. Aber nichts half.
Feuerwaffen des 16. Jhdts., Hakenbüchsen une kleine Handfeuerwaffen (Kriegsbibliothek, Paris 1929).
Vogue. Die Schweitzer Infanterie benutzte sehr
viele von diesen speerartigen Waffen und sie trugen sie auch zu Begin des 16. Jhdt.
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12. September 1515: Die feindlichen Armeen stehen sich bei Mailand
gegenüber.
An diesem Tag bezog die französische Armee leicht südlich von Mailand zwischen San Giuliano
und Marignano Stellung. Franz I., ihr Oberbefehlshaber, ernannte den Konnetabel von Bourbon
zum Adjutanten. Vier Marschälle, darunter Louis de la TREMOILLE und TRIVULCE, verfügten
über 18.000 Reiter, 30.000 Infanteristen, darunter 12.000 deutsche Landsknechte, und insgesamt
372 Geschütze. Ein großer Teil der französischen Ritterschaft war da, wie zum Beispiel der
Herzog von Alençon, Bruder des Königs, der die Nachhut befehligte, der Graf von GUISE oder
der berühmte Ritter BAYARD.
Ansicht des Schloßes von Mailand im 16. Jhdt (Nach Paul Lacroix).
In Mailand und Umgebung waren 30.000 bis 40.000 Soldaten der Kantone, nach feierlicher
Ansprache von Matthäus SCHINER, bereit, unter dem Kommando ihrer angesehensten Anführer,
wie Ludwig von ERLACH von Bern, die Schlacht aufzunehmen.
13. September 1515: Der erste Tag der Schlacht von Marignano.
Manche Schweizer waren noch versucht, die von Franz I. am 8. September in Gallarate
gemachten Regulierungsvorschläge anzunehmen. Aber Kardinal Matthäus SCHINNER verstand
es, die Truppen zu entflammen, und ihre kriegerische Leidenschaft zu erhalten.
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Kardinal Matthäus Schinner (1456-1522), Fürstbischof von Sion, besucht das Feld der Schlacht
von Marignano am 13. September 1515 (Stich von Jean-Melchior Füßli).
Zu Beginn dieses Tages hatten sich die drei Gruppen der königlichen Armee fest in San Donato,
Santa-Brigida, Zivido und San Giuliano, nicht weit vom Dorf Marignano, verschanzt. Die
Franzosen hatten ihre bedeutende Artillerie dank einer leichten Talbildung ausbreiten können,
und diese Lage erlaubte es ihnen, die Umgebung zu überwachen.
Wenngleich diese Lage für die Geschütze vorteilhaft war, so stellte sie für den Rest der Armee
eher eine Behinderung dar. Der Boden war sumpfig, von zahlreichen Kanälen, Gräben und
Bächen durchzogen, was die Aktion der Kavallerie behindern würde. In diesem Rahmen sollte
sich bald ein ein dem Mittelalter würdiges Heldenepos abspielen.
Zahlreiche französische Reiter zogen zur Erkundung Richtung Mailand ab. Die Eidgenossen,
einen Angriff vermutend, läuteten die Sturmglocke und eilten massenhaft zum Kampf. Die
schweizer Pikeniere, Hellebardiere und Arkebusiere marschierten eilig auf das französische
Lager zu. Der von ihnen aufgewirbelte Staub alarmierte die Franzosen, die nun ihrerseits zur
Vorbereitung auf den Kampf läuteten. Dies spielte sich um halb vier Uhr Nachmittags ab.
Anderthalb Stunden später kam der vordere Teil der schweizer Kolonnen in Kontakt mit den
französischen Vorposten. Sie begannen, sie zurückzustoßen, und entdeckten die beeindruckende
Artillerievorrichtung, die Franz I. installieren ließ. In diesem Moment setzten 30.000 Schweizer
ein Knie auf den Boden, um vor Kardinal Matthäus SCHINNER zu beten. Dann, auf Signal,
standen die Truppen wieder auf und stürzten sich in die Schlacht, ihre langen Piken
voraushaltend.
Um 6 Uhr hatten die Eidgenossen die erste französische Linie überwunden. Genau in diesem
Moment begann die königliche Artillerie zu donnern. Die Schüsse der Arkebusen antworteten
ihr, aber die Auseinandersetzung wurde schrecklich. Blut, Schweiß und Pulver verpesteten die
Luft. Die französischen Geschütze vernichteten ihre Gegner auf gut Glück in einem blutigem
Brei. Die Schweizer, unsichtbar im dicken ekelerregenden Rauch, gaben erst auf, nachdem an
ihren Händen das Blut der deutschen Landsknechte, denen sie gegenüberstanden, strömte.
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Italienkriege, Franz I. inmitten der Schlacht (Archiv Magellan).
Schlacht von Marignano, Franz I. an der Spitze der französischen Kavallerie
(französisches Manuskript, Nationalbibliothek, Paris, Frankreich. Foto Catala).
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Um den Elan der Eidgenossen vollständig zu brechen, setzte der Konnetabel von BOURBON
seine schwere Kavallerie auf ihre Flanken an. Diese blieb nicht in den Sümpfen stecken und
erschütterte die Schweizer für einen Moment. Sich wieder fassend, stellten letztere ihre Piken
senkrecht wie einen Wald auf. Nachdem sie so die Panzerhemden der französischen Reiter
zerbrochen hatten, warfen sie diese aus dem Sattel und machten ihnen mit den Hellebarden den
Garaus.
Nach einer Stunde verbissenen Kampfes blieb der Ausgang der Schlacht ungewiss. Die
Schweizer beschleunigten ihren Vormarsch, während die Berghörner über ihren Helmen tönten.
Die schnellsten konnten bald die Geschütze erreichen mit dem Risiko, sie zu wenden. Die Sonne
würde bald untergehen, und die Franzosen mussten reagieren. Franz I. sandte, in dreißig
Angriffen, seine Kavallerie gegen die unbewegbaren Quadrate der schweizer Pikeniere. Er selbst
war mehrmals in schwieriger Lage.
Der Mond ging über einem riesengroßen Blutbad auf, während das Krachen der Waffen
fortdauerte. Die Nacht fiel herein und die Konfrontation verwandelte sich in einen anonymen
Nahkampf. Die Franzosen wichen langsam vor den Eidgenossen zurück, die scheinbar nicht
aufgehalten werden konnten.
Zu Mitternacht war es unmöglich, die Kämpfe fortzuführen. Die Rufe der Hörner oder
Trompeten erklangen in der Dunkelheit, begleitet vom Röcheln der Dahinscheidenden. Von Zeit
zu Zeit antwortete ihnen ein blinder Schuss. Jeder versuchte, Sicherheit bei den Seinen zu finden,
manchmal über Leichen oder klebrige Überreste stolpernd. Manche fanden sich in einer
feindlichen Gruppe wieder, und erlagen gleich den Schlägen. Wegen der Nähe der Gegner konnte
ein Feuer bestimmt keinen Trost spenden.
Diese gezwungene Waffenruhe setzte sich bis zum ersten Lichtschein der Morgendämmerung
fort.
14. September 1515: Der zweite und letzte Tag der Schlacht.
Mitten in der Nacht versammelte Franz I. seine Generäle. Sich trotz allem seiner zahlenmäßigen
Überlegenheit und vor allem der guten Verwendung seiner Kanonen bewusst, ließ er seine
Geschütze mehr in Sicherheit versetzen. Er ließ ebenfalls eine dringende Anfrage nach
Verstärkung an seine venizianischen Verbündeten, die noch nicht am Kampf teilnahmen, senden.
Gleich bei Sonnenaufgang wurde der Kampf unter dem Klang der schweizer Hörner
wiederaufgenommen. Trotz der Gewalt der Kreuzfeuer der französischen Artillerie gingen die
eidgenössischen Kolonnen geradewegs auf sie zu. Die französischen Geschütze waren besser
gestellt und besser geschützt als am Vortag. Die Eidgenossen wurden von der Kanonade völlig
aufgerieben, aber die Überlebenden schritten mit heruntergelassene Piken weiter voran. Kurz und
klein geschlagen, wurden ganze Reihen geopfert, um den Nachfolgenden zu erlauben, die
französische Verteidigung zu überrollen.
Auf beiden Seiten waren die Verluste riesig. Die Mehrheit der Anführer wurde getötet. Bei den
Franzosen starben Sieur de ROYE, der Bruder von Robert II. de LA MARK, Franz von
BOURBON, Bruder des Konnetabel, und der einzige Sohn von LA TREMOILLE, Karl, Fürst
von TALMONT, der, von 62 Wunden durchbohrt, tödlich verletzt wurde. Seitens der Schweizer
starben zwei Chefs aus Graubünden, Rudolph von MARMELS und Rudolph von SALIS, der
Basler Arnel von WINKEHIED, der Ritter von ESCHER und viele andere. Mit drei
überlebenden Fahnenträgern erhob sich das Banner von Zürich immer noch deutlich auf dem
Schlachtfeld.
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Schlacht von Marignano, Taktischer Gebrauch der Pike und der Hellebarde durch die Schweitzer
gegen die mit Lanzen bewaffnete französische Kavallerie
(Flachrelief des Grabes von Franz I., Abtei von St-Denis, Frankreich. Foto Giraudon).
Morgens um 8 Uhr kamen 3.000 venzianische Reiter unter dem Befehl des Generals von
ALVIANO gerade rechtzeitig, um den linken französischen Flügel, der von den Eidgenossen
beinahe besiegt war, zu unterstützen. Letztere konnten im Elan sogar zurückgedrängt werden.
Um 11 Uhr, von einer Artillerie geprügelt, die ihrer tausendjährigen Taktik entgegenarbeitete,
waren die Schweizer mit der Ankunft der venezianischen Infanterie gezwungen, den Rückzug
anzutreten. Sie zogen sich nach Mailand zurück und nahmen neben ihren Verwundeten vierzehn
feindliche Standarten und ihre unberührte Ehre mit.
Rückzug von Marignano (Freske von Ferdinand Hodler,
Schweitzer Landesmuseum, Zürich).
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Um 2 Uhr nachmittags gewann Franz I. eine blutige Schlacht, die den Beginn seiner Herrschaft
bezeichnen sollte. Auf der rotgefärbten Ebene von Marignano ließen die Schweizer mehr als
12.000 Leichen, gegenüber etwa 4.000 Franzosen. Diese Schlacht sollte lange als eine der
schrecklichsten des sechzehnten Jahrhundert betrachtet werden.
In der Dämmerung dieses letzten Tages der Konfrontation befahl der König von Frankreich, mit
der Verfolgung der Infanterie der Eidgenossen aufzuhören. Er wollte sich immer noch mit den
Kantonen versöhnen, auch wenn er das Gemetzel von Marignano nicht hatten vermeiden können.
Am Abend dieses Tages ließ sich Franz I. von BAYARD zum Ritter schlagen und schrieb seiner
Mutter: "Ich versichere Ihnen, sehr geehrte Frau, dass es nicht möglich ist, mit größerem Zorn
oder kühner zu kommen als die Schweizer. Seit zweitausend Jahren hat man keine so stolze und
so grausame Schlacht gesehen". Er selbst wird ein wenig später eine Medaille prägen lassen, die
seinem Sieg mit der Devise gedenkt: "Ich habe diejenigen besiegt, die einzig Cäsar hatte besiegen
können!".
Ab 15. September 1515: Die Versöhnung zwischen Frankreich und den
Kantonen.
Ab dem 15. September verbreitete sich die Nachricht des französischen Sieges durch ganz
Europa. Mailand kapitulierte noch am selben Tag. Die Niederlage der Eidgenossen war im
wesentlichen im massiven Erscheinen der Artillerie auf den Schlachtfeldern begründet. Sie war
die Ursache für die große Zahl von Toten in den Reihen der Schweizer. Franz I., der sich immer
noch mit den Kantonen verbünden wollte, gestaltete dieses Massaker durch eine sowohl
königliche wie menschliche Geste um. Er ordnete an, die Verwundeten auf seine Kosten zu
pflegen und ließ sie in ihre Heimat mit einer sehr materiellen Entschädigung in Form von
klingenden und vollwichtigen Münzen zurücksenden.
Diese königliche Großzügigkeit beseitigte die finanziellen Streitfälle, die die Herrschaft von
Ludwig XII. charakterisiert hatten und erschütterte stark die antifranzösische Politik von
Kardinal Matthäus SCHINNER. Der glänzende Sieg von Marignano gab Frankreich einen
vorherrschenden Platz in Italien, und markierte das Ende des helvetischen Einflusses auf das
Herzogtum Mailand.
Am 4. Oktober begab sich Maximilian SFORZA, der sich seit der Kapitulation der Stadt mit
einigen Schweizern in sein Mailänder Schloss zurückgezogen hatte, nach Pavia , um sich dem
König von Frankreich zu unterwerfen. Er verzichtete damit auf seine Rechte auf das Herzogtum
Mailand und erbat als Kompensation die Summe von 94.000 Talern sowie eine jährliche Rente
von 36.000 Talern. Maximilian starb fünfzehn Jahre später in Paris, nachdem er während all
dieser Jahre vom König von Frankreich unterhalten worden war.
Die Kantone und Frankreich unterzeichneten am 21. November 1516 in Freiburg einen Vertrag
"immerwährenden Friedens". Seit dem 7. November 1515 in Genf vorbereitet, verstärkte dieser
Frieden erheblich die Bande, die die beiden Länder schon vereint hatten. Einige Kantone,
darunter Zürich, weigerten sich zwar, diesen Vertrag 1516 zu unterschreiben, aber seine
Bestimmungen wurden von allen bis zur Französischen Revolution 1789 respektiert.
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Bibliografie:
- Les rois qui ont fait la France : François Ier, Georges BORDONOVE, Éd. Pygmalion/Gérard
WATELET, Paris (75/France) 1987.
- Les Suisses au service étranger et leur musée, Jean-René BORY, Éd. du "Courrier de la Côte"
SA, Nyon (Suisse) 1965.
- Les Suisses au service de la France, de Louis XI à la Légion Étrangère, Jérôme BODIN, Éd.
Albin Michel, Paris (75/France) 1988.
- François Ier, André CASTELOT, Éd. de Crémille, 320 p., Genève (Suisse) 1996.
- La délivrance de Dijon en 1513, Les Conférences Historiques du IVème Centenaire, Palais des
États de Bourgogne, Dijon (21/France) 1913.
- Suisses et Grisons, Soldats de France, Jehanne D’ORLIAC, 292 p., Tours (37/France) 1936.
Armoiries de Zürich
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