Formale Potenzreihen, Rekursionen und erzeugende
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Formale Potenzreihen, Rekursionen und erzeugende
KAPITEL 2 Formale Potenzreihen, Rekursionen und erzeugende Funktionen Wir gehen von folgender abstrakten Situation aus. Gegeben ist eine Klasse O kombinatorischer Objekte und eine Klassifikationsabbildung t : O → N. Wir nennen den Parameter t(O) ∈ N den Typ des Objektes O ∈ O und setzen On = {O ∈ O | t(O) = n}. Wir nehmen an, die Mengen On der Objekte vom Typ n sind jeweils endlich und interessieren uns für die Parameter fn = |On | (n ∈ N). Der Klasse O ordnen wir somit den (unendlichen) Vektor f = (f0 , f1 , . . . , fn , . . .) ∈ RN zu und suchen eine geschlossene Form“ von f , aus der die fn zurückge” wonnen werden können. E X . 2.1. Sei M eine n-elementige Menge und O = P ot(M ) deren Potenzmenge. Mit t(O) = |O| erhalten wir n n n f =( , ,..., , 0, 0, . . .) 0 1 n Eine geschlossene Form“ wäre gegeben z.B. durch die Funktion ” n ∞ X n k X n f (x) = (1 + x) = x = fk xk , k k=0 k=0 wo man die fk aus den Ableitungen gewinnen kann: fk = f (k) (0) . k! Wir untersuchen nun allgemein das Rechnen mit solchen unendlichen Vektoren f . 23 24 2. FORMALE POTENZREIHEN, REKURSIONEN UND ERZEUGENDE FUNKTIONEN 1. Der Ring der formalen Potenzreihen Sei (R, +, ·) ein beliebiger Ring. Wir betrachten RN , wobei es sich als intuitiv geschickt erweist, ein Element f = (f0 , f1 , . . .) ∈ RN in der Form einer Potenzreihe zu notieren: f ←→ f (x) = ∞ X fn xn n=0 Wir nennen deshalb f (bzw. f (x)) eine formale Potenzreihe. N OTA B ENE : f (x) bedeutet hier keine(!) Funktion in der Variablen x sondern ist einfach eine andere Notation für die Funktion f : N → R mit f (n) = fn . Potenzreihen addiert man – wie bei Vektoren üblich – komponentenweise: ∞ X n f (x) = fn x ∞ X n=0 (fn + gn )xn . =⇒ (f + g)(x) = ∞ X n=0 g(x) = gn xn n=0 Es erweist sich als vorteilhaft, als Multiplikation die sog. Faltung (auch bekannt als Konvolution oder Cauchy-Produkt) zu wählen: (8) ∞ ∞ ∞ X X X n n ( fn x ) ∗ ( gn x ) = hn xn n=0 n=0 n=0 mit hn = X fi gj . i+j=n B EMERKUNG. Die Faltung ist dadurch motiviert, dass man einfach formal aus- ” multipliziert“ und dann wieder nach Potenzen ordnet, wie man es von endlichen Summen kennt: (f0 + f1 x + f2 x2 + . . .) ∗ (g0 + g1 x + g2 x2 + . . .) = f0 g0 + (f0 g1 + f1 g0 )x + (f0 g2 + f1 g1 + f2 g0 )x2 + . . . Es ist nun einfach nachzurechnen, dass P[x] = (RN , +, ∗) ein Ring ist. Wir nennen P[x] den Ring der formalen Potenzreihen (über R). Null- und Einselement sind: f (x) = 0 ↔ 0 = (0, 0, 0, . . .) bzw. g(x) = 1 ↔ 1 = (1, 0, 0, . . .) 1. DER RING DER FORMALEN POTENZREIHEN 25 B EMERKUNG. Ist R ein Körper, dann ist RN natürlich ein Vektorraum. Für unsere Zwecke entscheidend ist die zusätzliche multiplikative Struktur, die die Faltung bietet. 1.1. Invertierbarkeit. Wir nennen f ∈ P[x] invertierbar, wenn es ein g ∈ P[x] gibt mit der Eigenschaft f ∗ g = 1. Bezüglich der einzelnen Komponenten bedeutet dies: f0 g0 = 1 X fi gj = 0 für alle n ≥ 1. i+j=n P n L EMMA 2.1. Die formale Potenzreihe f (x) = ∞ n=0 fn x ist invertierbar genau dann, wenn der Koeffizient P∞ f0 ∈n R invertierbar ist. In diesem Fall ist die Potenzreihe g(x) = n=0 gn x durch die Eigenschaft f ∗ g = 1 eindeutig festgelegt. Beweis. Die Invertierbarkeit von f impliziert die Invertierbarkeit von f0 . Wir berechnen nun die Koeffizienten gn einer Potenzreihe g sukzessive: g0 = f0−1 g1 = −f0−1 (f1 g0 ) .. . gn = −f0−1 (f1 gn−1 + f2 gn−2 + . . . + fn g0 ) .. . Dann gilt offenbar f ∗ g = 1 und g ist durch diese Eigenschaft eindeutig festgelegt. N OTATION . Die (eindeutig bestimmte) Inverse von f wird oft mit f −1 oder 1/f notiert. E X . 2.2. Sei f (x) = 1 − x. Dann berechnet man die Koeffizienten gn von g(x) = f −1 (x) sukzessive als g0 = 1 g1 = 1 .. . gn = 1 .. . 26 2. FORMALE POTENZREIHEN, REKURSIONEN UND ERZEUGENDE FUNKTIONEN und erhält somit ∞ X 1 1 = = xn . f (x) 1 − x n=0 E X . 2.3 (Geometrische Summe). Sei f (x) = 1 + x + . . . + xn . Dann finden wir f (x) ∗ (1 − x) = 1 − xn+1 und deshalb n X 1 − xn+1 xk = f (x) = (1 − xn+1 ) ∗ (1 − x)−1 = . 1 − x k=0 1.1.1. Substitution. Ersetzen wir die Unbestimmte x durch ein Ringelement ξ ∈ R, so ergibt sich aus einer formalen Potenzreihe eine (möglicherweise unendliche) Summe: ∞ X 2 n fn ξ n . f (ξ) = f0 + f1 ξ + f2 ξ + . . . + fn ξ + . . . = n=0 Sind höchstens endlich viele der Koeffizienten fn 6= 0, so ist der Summenwert f (ξ) ein wohldefiniertes Element im Ring R. In diesem Fall kann man f als Funktion f : R → R auffassen. Zum Beispiel bei R = C kann die Summe auch bei unendlich vielen nichttrivialen Summanden wohldefiniert sein (d.h. die Summe ist konvergent). Wie man aus der Infinitesimalrechnung weiss, ist im Fall von Konvergenz die Substitution ξ → x in Produkte von Reihen mit der Multiplikation der Summenwerte verträglich: (f ∗ g)(ξ) = f (ξ)g(ξ). Im Fall von Konvergenz übersetzt sich somit jede Formel für formale Potenzreihen automatisch in eine Formel für den substituierten Wert. (Z.B. die Formel der geometrischen Summe.) 1.2. Der Ring der formalen Polynome.PMit R[x] bezeichnen wir den k Teilring aller formalen Potenzreihen f (x) = ∞ k=0 fk x , bei denen höchstens endlich viele Koeffizienten fk von Null verschieden sind. Jedes p ∈ R[x] kann folglich als endliche Summe notiert werden: p(x) = p0 + p1 x + . . . + pn xn ←→ p = (p0 , p1 , . . . , pn , 0, 0, . . .). Der Teilring R[x] ⊆ P[x] ist der Ring der (formalen) Polynome über R. R[x] ist unter (Faltungs-)Produktbildung abgeschlossen. In der Regel ist 1. DER RING DER FORMALEN POTENZREIHEN 27 die Inverse eines (formalen) Polynoms aber kein Polynom, wie das Beispiel p(x) = 1 − x im vorigen Abschnitt zeigt. B EMERKUNG. Jedes formale Polynom p(x) = nomfunktion fp : R → R durch die Vorschrift fp (ξ) = p0 + p1 ξ + . . . + pn ξ n Pn k k=0 pk x definiert eine Poly- für alle ξ ∈ R. Es ist im allgemeinen jedoch möglich, dass verschiedene (formale) Polynome dieselbe Polynomfunktion definieren. Ist R ein Körper mit unendlich vielen Elementen, so kann man zeigen, dass die Zuordnung zwischen Polynomen und Polynomfunktionen eindeutig ist. (Wir kommen darauf noch später zurück.) P 1.2.1. Euklidische Division. Sei p(x) = nk=0 pk xk ∈ R[x] mit n ≥ 1 und ξ ∈PR beliebig. Wir suchen einen Rest“ r ∈ R und ein Polynom ” j h(x) = n−1 j=0 hj x derart, dass n X k pk x = p(x) = (ξ − x) ∗ h(x) + r = ξ n−1 X hj x − j=0 k=0 j n−1 X hj xj+1 + r. j=0 Koeffizientenvergleich führt zu dem Ansatz pn = pn−1 = .. . p1 = p0 = −hn−1 ξhn−1 − hn−2 ξh1 − h0 ξh0 + r Daraus ergeben sich geeignete hj und r durch rekursives Rechnen: hn−1 = −pn hn−2 = ξhn−1 − pn−1 .. . h0 = ξh1 − p1 r = p0 − ξh0 . L EMMA 2.2 (Euklidischer Algorithmus). Zu jedem Polynom p(x) = und ξ ∈ R existieren r, h0 , . . . , hn−1 ∈ R derart, dass p(x) = (ξ − x) ∗ n−1 X Pn k=0 hj xj + r. j=0 pk xk 28 2. FORMALE POTENZREIHEN, REKURSIONEN UND ERZEUGENDE FUNKTIONEN 1.2.2. Nullstellen und Faktorisierung. Sei p(x) = (ξ − x) ∗ h(x) + r. ξ heisst Nullstelle des Polynoms p(x), wenn die Substitution x = ξ den Wert p(ξ) = 0 ergibt. In diesem Fall haben wir natürlich r = p(ξ) − (ξ − ξ)h(ξ) = 0 d.h. p(x) = (ξ − x) ∗ h(x). Im Fall R = C garantiert der Fundamentalsatz der Algebra und euklidische Division folglich eine Nullstelle ξ mit entsprechender Faktorisierung p(x) = n X k pk x = (ξ − x) ∗ h(x) = (ξ − x) ∗ n−1 X hj xj . j=0 k=0 Iterieren wir dieses Argument, so erschliessen wir die Existenz von Nullstellen ξ1 , . . . ξn derart, dass p(x) = (−1)n pn (ξn − x) ∗ (ξn−1 − x) ∗ . . . ∗ (ξ1 − x) 1.3. Rationale Potenzreihen. Eine Potenzreihe f (x) ∈ P[x] heisst rational, wenn sie eine Darstellung der Form p(x) f (x) = = p(x) ∗ q(x)−1 mit p(x), q(x) ∈ R[x] q(x) P gestattet. Wir nehmen R = C und q(x) = kj=0 qj xj an. Die Invertierbarkeit von q(x) bedeutet q0 6= 0. OBdA sei weiterhin qk 6= 0. Dann dürfen wir oBdA auch qk = 1 annehmen (sonst dividieren wir Zähler und Nenner in der Darstellung von f (x) durch qn ). Also gibt es komplexe Zahlen ξ1 , . . . , ξk derart, dass k k Y X q(x) = (ξj − x) = qj x j . j=1 j=0 Wir betrachten zunächst den Fall, wo die ξ1 , . . . , ξk ∈ C alle verschieden sind und suchen eine sog. Partialbruchzerlegung von q(x)−1 , d.h. eine Darstellung der Form k X 1 cj = q(x) ξ −x j=1 j mit geeigneten Koeffizienten cj ∈ C. Wegen ∞ ∞ 1 1 1 1 X xn X 1 n = · = = x n+1 ξ−x ξ 1 − x/ξ ξ n=0 ξ n ξ n=0 erhalten wir dann ∞ ∞ X X 1 c1 ck n = + . . . + n+1 x = q n xn . q(x) n=0 ξ1n+1 ξk n=0 1. DER RING DER FORMALEN POTENZREIHEN E X . 2.4. Im Fall ξ1 6= ξ2 haben wir z.B. 1 c c = − (ξ1 − x)(ξ2 − x) ξ1 − x ξ2 − x c= mit 29 1 ξ2 − ξ1 und folglich ∞ 1 1 X 1 1 n = n+1 − n+1 x . (ξ1 − x)(ξ2 − x) ξ2 − ξ1 n=0 ξ1 ξ2 Sei p(x) = ∞ X Pm i=0 pi xi . Dann finden wir für ∞ ∞ ∞ X X X p(x) n n+1 fn x = = p0 q n x + p1 qnx + . . . + pm q n xn+m . q(x) n=0 n=0 n=0 n=0 n Koeffizientenvergleich führt somit auf die Darstellung fn = p0 q n + p1 q n−1 + . . . + pm q n−m (n ≥ m) . E X . 2.5. Sei q(x) = x2 + x − 1 = (τ1 − x) ∗ (τ2 − x), wobei √ √ 1 1 τ1 = − (1 + 5) und τ2 = − (1 − 5). 2 2 Wegen τ1 τ2 = −1 findet man ∞ X ∞ 1 1 X fn x = 2 = [(−τ2 )n+1 − (−τ1 )n+1 ]xn x + x − 1 τ − τ 2 1 n=0 n=0 n ∞ 1 X [(−τ2 )n+1 − (−τ1 )n+1 ]xn = √ 5 n=0 Koeffizientenvergleich zeigt 1 fn = √ 5 √ !n+1 1− 5 1 −√ 2 5 √ !n+1 1+ 5 2 1.3.1. Urnenbelegungen. Wir untersuchen nun die Situation ∞ X ∞ ∞ X X 1 1 1 n n fn x = = ∗ . . . ∗ = x ∗ . . . ∗ x . (1 − x)k 1−x 1−x n=0 n=0 n=0 n Nach der Definition des Faltungsprodukts haben wir X fn = 1 i1 +i2 +...+ik =n 30 2. FORMALE POTENZREIHEN, REKURSIONEN UND ERZEUGENDE FUNKTIONEN In einer anschaulichen Interpretation zählt folglich fn , auf wieviel verschiedene Arten man n gleiche Kugeln“ über k Urnen“ verteilen kann (die erste ” ” Urne erhält i1 Kugeln, die zweite i2 usw.). Um eine andere Form der Anzahlen fn zu erhalten, überlegen wir uns erst die Anzahl fn∗ von Möglichkeiten, n Kugeln so zu verteilen, dass jede der k Urnen mindestens eine Kugel enthält. Dazu legen wir die n Kugeln in eine Reihe und müssen auf den n−1 Zwischenräumen k−1 Trennlinien wählen: i1 | i 2 | i3 | . . . | i k . Also: n−1 = . k−1 Wenn nun Urnen auch leer bleiben dürfen, nehmen wir einfach in Gedanken k weitere Kugeln dazu, wobei nun jede Urne eine erhält. Also finden wir n+k−1 ∗ fn = fn+k = k−1 fn∗ und folglich ∞ X n+k−1 n 1 = x . k − 1 (1 − x)k n=0 Ebenso sieht man ∞ ∞ X X n−1 n xk ∗ n fn x = x . = k−1 (1 − x)k n=0 n=0 2. Lineare Rekursionen Wir betrachten eine Folge (fn ) von Parametern fn , die eine lineare Gleichung fn = ak fn−1 + ak−1 fn−2 + . . . + a1 fn−k . erfüllen. Dabei nehmen wir an, dass a1 , . . . , ak feste Elemente eines Rings R sind. Sind f0 , . . . , fk−1 ∈ R festgelegt, so bestimmt die lineare Gleichung sämtliche übrigen fn rekursiv. Wir suchen eine geschlossene Form der formalen Potenzreihe ∞ X f (x) = fn xn . n=0 Dabei benutzen wir, dass die folgende Gleichung für n ≥ k gilt: fn xn = ak xfn−1 xn−1 + ak−1 x2 fn−2 xn−2 + . . . + a1 xk fn−k xn−k 2. LINEARE REKURSIONEN 31 und folglich ∞ X fn x n = ak x n=k ∞ X fn−1 x n−1 + . . . + a1 x n=k k ∞ X fn−k xn−k n=k bzw. f (x) − k−1 X fn x n ak x ∗ f (x) − ak x ∗ = n=0 k−2 X fn xn n=0 2 2 + ak−1 x ∗ f (x) − ak−1 x ∗ .. . + a2 xk−1 ∗ f (x) − a2 xk−1 f0 + a1 xk ∗ f (x). k−3 X fn xn n=0 Damit erhält man eine Gleichung, die man (im Ring der formalen Potenzreihen) nach f (x) auflösen kann. Setzen wir nämlich p(x) = k−1 X n=0 fn xn − ak k−2 X fn xn+1 − ak−1 k−3 X fn xn+2 − . . . − a2 f0 xk−1 , n=0 n=0 so finden wir f (x) ∗ (1 − ak x − . . . − a1 xk ) = p(x) und damit f (x) als rationale Potenzreihe f (x) = p(x) p(x) = k 1 − ak x − . . . − a1 x q(x) mit q(x) = 1 − ak x − . . . − a1 xk als dem sog. charakteristischen Polynom der linearen Rekursion. Man kann nun mit einem Partialbruchansatz nach einer expliziten Formel für die fn suchen. E X . 2.6 (Fibonaccizahlen). Bzgl. R = C sind die Fibonaccizahlen Fn definiert durch F0 = F1 = 1 und Fn = Fn−1 + Fn−2 (n ≥ 2). 32 2. FORMALE POTENZREIHEN, REKURSIONEN UND ERZEUGENDE FUNKTIONEN Sei F (x) = ∞ X Fn xn . Dann rechnen wir n=0 F (x) − 1 − x = ∞ X Fn xn = n=2 ∞ X = x ∞ X Fn−1 xn + n=2 Fn−1 xn−1 + x2 ∞ X Fn−2 xn n=2 X Fn−2 xn−2 n=2 n=2 2 = x[F (x) − 1] + x F (x) = xF (x) − x + x2 F (x). Daraus folgt F (x) ∗ (1 − x − x2 ) = 1 bzw. F (x) = −1 . x2 + x − 1 q(x) = 1−x−x2 ist das charakteristische Polynom der Fibonacci-Rekursion. Von Ex. 2.5 wissen wir deshalb √ !n+1 √ !n+1 1 1 1+ 5 1− 5 −√ Fn = √ 2 2 5 5 √ √ Wegen |1 − 5|n+1 /(2n+1 5) < 1/2 ist Fn also immer diejenige ganze Zahl, die der reellen Zahl √ !n+1 1 1+ 5 √ 2 5 am nächsten liegt. 3. Erzeugende Funktionen Sei a0 , a1 , . . . eine Folge von Koeffizienten. Dann verstehen wir unter einer erzeugenden Funktion vom Standardtyp für die an eine Potenzreihendarstellung ∞ X f (x) = an x n . n=0 Oft sind die an Zählkoeffizienten einer kombinatorischen Struktur, die eine Rekursion erfüllen. Dann kann man f (x) mit der Methodik des vergangenen Abschnitts zu ermitteln versuchen. Kennt man f (x), dann kann man daraus die an bestimmen. 3. ERZEUGENDE FUNKTIONEN 33 E X . 2.7. Wieviele verschiedene ganzzahlige Lösungen hat x1 + x2 + x3 + x4 + x5 + x6 + x7 = n 2 ≤ x 1 , x2 , x3 , x 4 , x5 , x 6 , x7 ≤ 6 ? P n Sei an diese Anzahl und f (x) = ∞ n=0 an x . Dann haben wir f (x) = (x2 + x3 + x4 + x5 + x6 )7 = x14 ∗ (1 + x + x2 + x3 + x4 )7 = x14 ∗ 1 − x 5 7 1−x 1 (1 − x)7 7 ∞ X X k+6 k 14 i 7 5i = x ∗ (−1) x ∗ x . i 6 i=0 k=0 = x14 ∗ (1 − x5 )7 ∗ Daraus erhalten wir zum Beispiel für n = 25: 11 + 6 6+6 1+6 0 7 1 7 2 7 a25 = (−1) + (−1) + (−1) 0 6 1 6 2 6 17 12 7 = −7 + · 7 = 6055 . 6 6 2 3.1. Erzeugende Funktionen vom exponentiellen Typ. Man kann die Folge a0 , a1 , . . . auch durch eine Potenzreihe vom exponentiellen Typ, d.h. in der Form ∞ X xn f (x) = an n! n=0 repräsentieren. Die Normierung der Koeffizienten mit n! modifiziert die Konvolution ∞ ∞ ∞ X X cn n an n X b n n x = x · x , n! n! n! n=0 n=0 n=0 wobei nun cn = n! n X ak k=0 n X bn−k n · = ak bn−k . k! (n − k)! k=0 k E RINNERUNG . Bei der Konvolution von erzeugenden Funktionen vom Standardtyp ergeben sich die neuen Koeffizienten des Produkts als cn = n X k=0 ak bn−k 34 2. FORMALE POTENZREIHEN, REKURSIONEN UND ERZEUGENDE FUNKTIONEN E X . 2.8 (Exponentialfunktion). Im Fall a0 = a1 = . . . = a schreiben wir die erzeugende Funktion vom exponentiellen Typ als ax e = ∞ X an x n n=0 Wegen (a + b)n = Identität Pn n k k=0 n! ak bn−k ergibt die Konvolution die bekannte eax ∗ ebx = e(a+b)x Wir betrachten nun folgende Situation: Wir haben Strukturtypen A und B, die auf Mengen gegeben sein können. Mit an bzw. bn bezeichnen wir die Anzahl aller Konfigurationen vom Typ A bzw. vom Typ B auf einer nMenge. Dann ist n ak bn−k k die Anzahl aller zusammengesetzten Konfigurationen auf einer n-Menge derart, dass eine k-elementige Teilmenge eine Konfiguration vom Typ A und deren Komplement eine Konfiguration vom Typ B darstellt. Die Anzahl aller zusammengesetzten Konfigurationen ist folglich n n X X n ak bn−k cn = ak bn−k = n! · . k k! (n − k)! k=0 k=0 E X . 2.9 (Dérangements). Ein Element i heisst Fixpunkt der Permutation π, wenn i = π(i). Hat π genau k Fixpunkte, so bewirkt π auf den übrigen n − k Elementen ein sog. Dérangement, d.h. eine fixpunktfreie Permutation. Sei dn die Anzahl aller Dérangements einer n-Menge und D(x) die entsprechende erzeugende Funktion vom exponentiellen Typ. Dann ist offenbar n n X X n 1 dn−k dn−k = n! bzw. n! = n!. k k! (n − k)! k=0 k=0 Für die entsprechenden Potenzreihen bedeutet dies: ∞ ∞ ∞ X X X 1 xn xk xj = n! = ∗ dj = ex ∗ D(x) . 1 − x n=0 n! k! j! j=0 k=0 Nun können wir nach D(x) auflösen und erhalten D(x) = ∞ X dn xn n=0 n! −x =e ∞ ∞ X X 1 (−1)k k ∗ = x ∗ xj 1−x k! j=0 k=0 4. KONVERGENTE POTENZREIHEN 35 und somit eine explizite Formel für die dn : n X dn (−1)k = n! k! k=0 d.h. 1 dn − n! ≤ . e (n + 1) 4. Konvergente Potenzreihen Beim Rechnen mit formalen Potenzreihen ist die Frage, ob die Potenzreihe konvergiert oder nicht, irrelevant. Aber natürlich gelten Resultate über konvergente Potenzreihen auch, wenn wir die Reihen nur formal betrachten. Insbesondere dürfen wir aus der Analysis bekannte Reihenentwicklungen usw. auch beim Rechnen mit erzeugenden Funktionen benutzen. E X . 2.10 (Binomialreihe). Für die Funktion f (x) = (1 + x)a (mit a ∈ C) berechnen wir f 0 (x) = a(1 + x)a−1 f 00 (x) = a(a − 1)(1 + x)a−2 .. . (k) f (x) = [a]k (1 + x)a−k , wobei [a]n = a(a − 1) . . . (a − n + 1) die sog. fallenden Faktoriellen notiert. Also erhalten wir die (Taylor-)Reihenentwicklung ∞ ∞ ∞ X X X [a]k k a k f (k) (0) k a x . x = x = (1 + x) = k k! k! k=0 k=0 k=0 Beispielsweise ergibt sich im Fall a = −1/2 1 1 1 (−1)k [−1/2]k = − (− − 1) . . . (− − (k − 1)) = 1 · 3 · . . . · (2k − 1) 2 2 2 2k (−1)k (2k)! = · 4k k! und deshalb ∞ ∞ X 1 (−1)k (2k)! k X (−1)k 2k k √ x . = x = 4k k 1 + x k=0 4k k!k! k=0 E X . 2.11 (Catalanzahlen). Wir betrachten ein Wort w = g1 g2 . . . gn , das aus n Elementen gi einer (nicht assoziativen) Halbgruppe gebildet sei. Auf wieviel verschiedene Weisen kann man w (durch Klammernsetzen) ausrechnen? Die Catalanzahl Cn ist per Definition diese Anzahl. 36 2. FORMALE POTENZREIHEN, REKURSIONEN UND ERZEUGENDE FUNKTIONEN (Wie man aus der unten abgeleiteten Rekursion für Cn leicht sieht, lässt sich derselbe Ansatz verwenden, um z.B. alle binären Wurzelbäume“ (d.h. ” Bäume, bei denen ein Knoten als Wurzel“ ausgezeichnet ist mit Knoten” grad 0 (der triviale Fall) oder 2 und alle übrigen Knoten den Grad 1 oder 3 besitzen) mit n Blättern zu zählen. Analog lässt sich berechnen, wieviele Möglichkeiten es gibt, ein konvexes n-Eck mit nichtüberschneidenden Diagonalen in Dreiecke zu zerlegen.) Wir haben offenbar C1 = 1. Um Cn rekursiv zu bestimmen, beobachten wir, dass im letzten Rechenschritt nur ein Produkt von 2 Wörtern übrigbleibt, wobei das erste k und das zweite n − k Buchstaben habe, die beide unabhängig voneinander geklammert werden können. Also gilt für n ≥ 2: Cn = C1 Cn−1 + C2 Cn−2 + . . . + Cn−1 C1 = n−1 X Ck Cn−k . k=1 Eine explizite Formel für Cn kann man über die erzeugende Funktion C(x) = ∞ X Cn x n bzw. C(x) − x = ∞ X Cn xn n=2 n=1 gewinnen. Aus der Rekursion sehen wir sofort C(x) = x + ∞ n−1 X X n=2 Ck Cn−k xn = x + C 2 (x) k=1 d.h C 2 (x) − C(x) + x = 0 und folglich √ 1 ± 1 − 4x C(x) = . 2 Wegen C(0) = 0 ist klar, dass hier das Minuszeichen gelten muss. Aus der Ableitung berechnen wir nun ∞ ∞ ∞ X X X 1 2n n 2n − 2 n−1 n−1 0 nCn x = C (x) = √ = x = x n n − 1 1 − 4x n=1 n=0 n=1 und erhalten durch Koeffizientenvergleich 1 2n − 2 Cn = n n−1 4. KONVERGENTE POTENZREIHEN 37 4.1. Summationsformeln. Wir betrachten eine Folge a0 , a1 , . . . , an , . . . von Zahlen und die Teilsummen sn = a0 + a1 + . . . + an (n ≥ 0). In der Sprache der formalen Potenzreihen erhalten wir dann ∞ ∞ ∞ X X X S(x) = sn x n = xk ∗ ak xk = (1 − x)−1 ∗ A(x) . n=0 k=0 k=0 Aus der erzeugenden Funktion A(x) der Koeffizienten ak kann man also (per Multiplikation von Potenzreihen) explizite Formeln für die Teilsummen sn ableiten. E X . 2.12. Wir suchen eine explizite Formel für n X (1) k. sn := k=0 Dazu beobachten wir für die Funktion f (x) = (1 − x)−1 : ∞ X −2 0 (k + 1)xk (1 − x) = f (x) = 2(1 − x)−3 = f 00 (x) = 6(1 − x)−4 = f 000 (x) = k=0 ∞ X k=0 ∞ X (k + 2)(k + 1)xk (k + 3)(k + 2)(k + 1)xk k=0 (1) Also ist sn genau der Koeffizient von xn−1 der Funktion S (1) (x) = (1 − x)−1 · f 0 (x) = (1 − x)−3 (1) sn = d.h. (n + 1)n 2 Völlig analog findet man eine Formel für n n X X (2) sn := (k + 1)k = k 2 + s(1) n . k=0 (2) sn ist der Koeffizient von x S (2) k=0 n−1 der Funktion −1 (x) = (1 − x) (2) sn = · f 00 (x) = 2(1 − x)−4 (n + 2)(n + 1)n 3 d.h.