Merlin erobert Senioren-Herzen
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Merlin erobert Senioren-Herzen
SÜDKURIER S Ü D KU RI E R N R. * *15 9 * * | * *15 9 * * , . Merlin erobert Senioren-Herzen ➤ Vierbeiner sind in Seniorenheimen gerne gesehen ➤ Besuchshunde bringen schöne Abwechslung in den Alltag ➤ Leckerbissen erleichtern den Kontakt zwischen Mensch und Tier VO N C H RI STA H A J E K ................................................ „Du bist ein kleiner Schatz“, Frau M. streichelt Merlin, einen braun-weißen Australian Shepherd, sanft über den Kopf. Der Vierbeiner genießt schwanzwedelnd die Liebkosung und schielt nebenbei auf das Leckerchen in der Hand der Seniorin. Im Haus der Betreuung und Pflege am Deutenberg ist heute Hundebesuchstag. „Unsere Bewohner freuen sich immer tierisch auf diesen Tag“, weiß Cornelia Streicher zu berichten, die für die Beschäftigungstherapie im Haus zuständig ist. Die Besuchshunde kommen alle zwei Wochen in das Haus am Deutenberg. Dieses Mal sind es drei Mensch-HundTeam: Christa Wasmer mit Athena, Sinah Hoppe mit Merlin und Heike Wedderkopp mit Joschi. Im Kreis sitzen rund 20 Senioren, manche im Rollstuhl, andere haben ihren Rollator im Gang geparkt. Die Vierbeiner gehen reihum zu jedem, lassen sich streicheln und verwöhnen. Kleine Kunststücke werden ausgiebig bewundert: Männchen machen, Pfote geben, durch einen Reifen springen, Futterstückchen suchen. Die Hundebesuche bringen willkommene Abwechslung in den Heimalltag. Ob dement oder noch fit, zu allen Senioren knüpfen die Hunde Kontakt, und so manches Gespräch mit der Hundeführerin kommt in Gang. Erinnerungen an frühere Zeiten werden lebendig, manche von den Bewohnern hatten früher selbst einen Hund. Am Umgang mit den Hunden merkt man sofort, wer über Erfahrung mit Vierbeinern verfügt. Spannend ist der Besuch auch für diejenigen, für die die Hunde eher fremd sind. Vorbehalte werden meist rasch abgebaut, denn die Besuchshunde sind zutraulich, und außerdem: Frauchen ist immer dabei, vermittelt, macht Mut, wenn sich jemand nicht so recht traut. Mittels kleiner Leckerbissen wird der Kontakt leicht hergestellt. Auch in anderen Heimen sind die Besuchshunde gern gesehene Gäste. Regelmäßig besucht werden von Teams des Besuchshundetreffs SchwarzwaldBaar-Kreis das Franziskusheim, Be- treuung und Pflege am Deutenberg und das AWO-Seniorenheim in Schwenningen, die Häuser am Kaiserring und am Germanswald in Villingen sowie die AWO-Seniorenresidenz in Bräunlichen. 15 Teams HundMensch widmen sich dieser Aufgabe ehrenamtlich. So große Seniorengruppen wie am Deutenberg sind eher die Ausnahme, meist werden Gruppenbesuche mit zwei bis sechs Bewohnern organisiert, berichtet Katja Franke, Gründerin und Leiterin des Besuchshundetreffs. Auch Einzelbesuche in Zimmer von Senioren werden gemacht. Bei mobilen Heimbewohnern sehr beliebt sind im Sommer auch kleine gemeinsame Spaziergänge. Immer wird die Art der Besuche mit den Mitarbeitern der Häuser abgesprochen, denn sie kennen die Bewohner schließlich am besten. Außer dem Ersatz der Fahrtkosten entstehen den Heimen keine Kosten. Katja Franke aus Furtwangen gründete den Besuchshundetreff im Jahr 2008 und leitet ihn bis heute. Die Hundepsychologin hat schon viele Rettungshunde und Familienhunde ausgebildet. Ihre Hundeschule findet häufig in der Reithalle des Fischerhofes in Hammereisenbach statt, so entstand enger Kontakt zu den behinderten Bewohnern dieser Einrichtung. Besuchshunde brauchen keine spezielle Ausbildung, Rasse, Größe und Alter spielen keine Rolle, versichert die ......................................................................... „Verschmust, verfressen, verspielt, das sind die wichtigsten Anforderungen an einen Besuchshund.“ Katja Franke, Gründerin des Besuchshundetreffs ......................................................................... Hundelehrerin. Jeder gut erzogene Familienhund, der verschmust, verspielt und zutraulich ist, ist geeignet. „Verschmust, verfressen, verspielt, das sind die wichtigsten Anforderungen an einen Besuchshund,“ fasst Katja Franke das Profil zusammen. Das Tier sollte sich auch von Fremden streicheln lassen und nicht schreckhaft sein. Die Besuchshunde-Teams machen einen Eignungstest, sie werden auf ihre Besuche vorbereitet, in der Regel sind zwei Teams gemeinsam im Haus. Bei regelmäßigen Treffen werden Erfahrungen ausgetauscht. Im Speisesaal am Deutenberg hat sich Joschi, der schwarze Mischling, inzwischen hingelegt. „Jetzt reicht’s“, sagt sein Blick. Für die Tiere ist die Aktion durchaus anstrengend, nach einer guten halben Stunde ist der Abschied angesagt. „Bis zum nächsten Mal“, winken die Bewohner ihm nach. Welcher Typ Hund? Besuchshunde sind zu unterscheiden von Therapiehunden. Die Besuchshunde-Teams besuchen Menschen in sozialen Einrichtungen, helfen bei der Gestaltung der Freizeit, erleichtern die Kontaktaufnahme zur Umwelt, ihre Arbeit liegt auf sozialer Ebene. Es werden Eignungstests durchgeführt, eine spezielle Ausbildung gibt es nicht. Therapiehunde werden gezielt in einer tiergestützten medizinischen Behandlung eingesetzt, etwa im Rahmen einer Psychotherapie, Ergotherapie oder Heilpädagogik. Der Hundeführer benötigt zusammen mit seinem Therapiehund eine spezielle Ausbildung. (cha) „Merlin“ ist der Star bei den Senioren im Haus am Deutenberg in Schwenningen. Wenn das Besuchshundeteam die Einrichtung besucht, werden kleine Kunststücke zur großen Unterhaltung. B I L D : S I GWA RT Der Besuchshund: Eine kostenlose Medizin mit gewünschten Nebenwirkungen Eine Expertin erklärt die wohltuende Wirkung auf Körper und Psyche. Frau Markgraf, welche Wirkungen sind mess- und nachweisbar? Die wissenschaftliche Erforschung der somatischen Effekte von Tieren befindet sich noch in ihren Anfängen, dadurch ist auch eine Anerkennung durch die Krankenkassen noch nicht erfolgt. Jedoch liegen bereits einige Studien vor. So führte der Psychologe Sebkova einen Angst-Test und die Pharmakologin Allen einen Stress-Test durch. In beiden Tests kam man zu dem Ergebnis, dass das Angst- beziehungsweise Stressniveau bei der bloßen Anwesenheit eines Tieres deutlich geringer war als bei den Vergleichsgruppen. Erika Friedmann untersuchte mit Kollegen die Überlebenschancen von aus dem Krankenhaus entlassenen Herzinfarktpatienten. Von 92 Patienten – 53 mit und 39 ohne Haustier – waren ein Jahr später 14 verstorben, darunter waren jedoch nur drei Heimtierbesitzer. Das psychologische Institut der freien Universität Berlin hatte ein Forschungsprojekt zu Hundebesuchsdiensten im Senioren- Zur Person Anne Markgraf, geb. Kahlisch (32), hat mit „Tiergestützte Therapie in Senioren- und Pflegeheimen“ einen Wegweiser für Besuchshundeteams geschrieben und in Brandenburg a.d. Havel den Verein „Therapiehunde Brandenburg“ gegründet. Die DiplomSozialarbeiterin/Pädagogin (FH) arbeitet in einer Beratungsstelle für Pflege und Demenz. schen Arbeit auch schon oft erlebt, dass Personen, die früher keine Tiere mochten, mit der Demenz auf einmal auch Zugang zu dem Hund finden. Lassen sich ähnliche Wirkungen auch mit anderen Haustieren beobachten? Ja, denn Tiere sind ein nicht wertender Interaktionspartner. Hund, Katze, Pferd, Kaninchen ist es egal ob man komisch aussieht, anders riecht oder sich nicht richtig bewegen kann – sie sind einfach da Wie empfindet das Betreuungspersonal diese Abwechslungen im Heimalltag? heim durchgeführt. Die besuchten Senioren waren laut dieser Studie glücklicher, weniger zurückgezogen, geistig beweglicher, kommunizierten mehr, waren sozial und körperlich aktiver sowie verantwortungsvoller und selbstbewusster. Das alles sind Phänomene die jedem Praktiker in der tiergestützten Arbeit tagtäglich begegnen. Treten diese unabhängig davon auf, ob ein Senior früher bereits Hundebesitzer war? Ja, insofern die besuchte Person einen Zugang zu Tieren hat und diese mag. Allerdings habe ich es in meiner prakti- Ich plane immer einige Extraminuten für das Personal mit ein. Auch dem Personal tut eine Minipause mit dem Hund gut. Oft sind die Pfleger und Betreuer auch bei den Einheiten dabei und erfreuen sich einfach daran, ihre Bewohner so glücklich zu sehen. Welche Erfahrungen nehmen die „zweibeinigen“ Mitglieder der Besuchshundegruppen aus den Besuchen mit? Das beglückende Gefühl, anderen Menschen etwas Gutes getan zu haben. Oft habe ich erlebt, wie gut einem selber nur ein Lächeln tut oder der Bewohner der mit dem Hund spricht und so seit langem überhaupt wieder mit jemandem spricht. Die Besuche fördern die Sozialkompetenz, das Selbstbewusstsein und in unserer schnelllebigen Zeit bei den Besuchen bei an Demenz erkrankten Personen insbesondere die Fähigkeit, etwas mit Ruhe und Geduld anzugehen. Zudem wächst man über die Besuche auch mit seinem Hund zusammen, da man intensiv mit seinen Hund kommuniziert und insbesondere dessen Stresssymptome während der Besuche beobachten sollte. Kann man den Besuchshund gegenüber dem Therapiehund ein „niederschwelliges“, schneller verfügbares Angebot nennen? Ich denke schon. Obwohl – schnell verfügbar? Mein Verein hat eine Warteliste mit Einrichtungen und bei anderen Vereinen sieht es ähnlich aus. Aus meiner Sicht ergänzen sich Besuchs- und Therapiehundeteams. Besuchshundeteams kommen in Seniorenheime zum kuscheln und im Idealfall, um leichte spielerische Übungen zum Aktivieren durchzuführen, das ist toll und wichtig. Jedoch finde ich ein Therapiehundeteam als Ergänzung dazu auch nicht schlecht. Zum Beispiel eine Ergotherapeutin, die mit ihrem Hund gezielte Anne Markgraf mit ihren Hunden Stella (rechts), einem Labrador-Retriever und Tobi, einem Border-Collie-Mix. B I L D : P RI VAT Übungen zum Erhalt der Alltagsfähigkeiten durchführen kann. Sie sind Autorin und haben den Verein Therapiehunde Brandenburg gegründet. Werden Sie oft um Rat gefragt? Ja, aber ich mache es gerne und aus voller Überzeugung. Zudem freut es mich, immer wieder neue Teams zu finden, Einrichtungen über die Arbeit und Mindeststandards aufzuklären sowie Vernetzungsarbeit mit anderen Vereinen und Anbietern zu betreiben. FRAGEN: JENS WURSTHORN