2013-09-29 Bericht Beat Schmutz
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2013-09-29 Bericht Beat Schmutz
Etappen 1 – 5 von Müstair bis Zernez 2. - 6. September 2013 Erlebnisbericht von Beat Schmutz, Düdingen FR "Vamos caminando - gehen wir auf den Weg", sagte eine Gruppe aktiver Jakobswanderer der Kirchgemeinden Thusis und Masein am Ziel ihrer eindrücklichen Pilgerreise in Santiago de Compostela und suchte nach der Rückkehr die Spuren des vergessenen Jakobswegs in Graubünden. Der Verein mit Sitz in Thusis besteht seit Mai 2004. Vereinszweck ist die Erschliessung eines Jakobswegs durch Graubünden und die Vermittlung seiner historisch-kulturellen und aktuellen Bedeutung. Im November 2008 wurden zwei Ziele erreicht: der Weg ist von Müstair bis zum Anschluss an die Via Jacobi (Seelisberg UR) ausgeschildert und ein Wegführer mit touristischen, spirituellen und kulturellen Informationen ist vom Terra Grischuna Verlag herausgegeben worden. Kaum ein Abschnitt auf dem ganzen europäischen Netz der Jakobswege bietet eine so grosse landschaftliche Vielfalt und Abwechslung wie die Via Son Giachen. Querschnitte durch die Geologie der Alpen, Passquerungen mit Wasserscheiden zu verschiedenen Weltmeeren, imposante Schluchten, Flussauen, Naturwälder über alle Höhenstufen – vom Arvenwald bis zu den Buchen-Mischwäldern –, gepflegte Alpen und Blumenwiesen sind einige Höhepunkte dieser faszinierenden Fernwanderung. Die Beherrschung der Alpenpässe war lange Zeit erklärtes Ziel fremder Mächte. Auf Säumerpfaden bewegten sich ebenso Händler, Marktfahrer, Touristen, Künstler; sie waren zudem die Wege der zugewanderten Walser. Davon sind die Bündner Regionen auch heute noch stark geprägt. Die kulturelle Vielfalt zeigt sich in den Sprachen und Bräuchen, in den Siedlungsformen, in der Landnutzung, in den sakralen und profanen Baudenkmälern von teilweise internationalem Wert. Im Kanton Graubünden finden sich zahlreiche Spuren der mittelalterlichen Wallfahrt nach Santiago de Compostela. Diesen Spuren entlang ist der Jakobsweg Graubünden konzipiert worden und bildet einen kleinen Abschnitt im weitläufigen, europäischen Wegnetz (aus dem Internet). In der Tat umfasst der Jakobsweg Graubünden 19 Etappen, von der schweizerisch/ italienischen Grenze bei Müstair bis nach Amsteg im urnerischen Reusstal. Dabei werden hohe Pässe überschritten, als höchster der Scalettapass auf 2’606 Metern zwischen dem Unterengadin und Davos. Das Ehepaar Edi und Bernadette Lehmann-Fasel aus Düdingen organisiert ein weiteres Mal die Begehung einer Teilstrecke des Jakobsweges, diesmal von Müstair im östlichsten Teil der Schweiz nach Zernez im Unterengadin. Dies entspricht den Etappen 1 – 5 des Jakobswegs Graubünden. Sie haben auch dieses Jahr die Strecke rekognosziert, die Hotels reserviert und ideale Positionen für die Halte des Begleitbusses in den Landeskarten 1:25'000 eingezeichnet. An der Wanderung selbst betätigt sich Bernadette als Einkäuferin, Verpflegerin und Pfarrerin. Edi betätigt sich als fachkundiger, nicht aus der Ruhe zu bringender Wanderleiter. Das fünftägige prächtige Wanderwetter trägt dazu bei, dass die Fusswallfahrt allen Teilnehmenden in unvergesslicher Erinnerung bleiben wird. Als weitere Ehepaare nehmen teil: Beatrice und Marius Bächler, Dora und Alfons Burri, Marianne und Beat Fasel, Ursi und Beat Haymoz, Agnes und Reinhold Piller, Marie-Theres und Albert Raetzo, Ursula und Franz Ruch sowie die Einzelpersonen Ursula BrülhartSchwaller, Brigitte Fasel, Hermann Fasel, Silvia Jörg, Emmy Kolly, Emily Kurzo, Bruno Perler, Therese Schumacher, Bernadette Waeber, Beat Schmutz und als zuverlässiger Kleinbusfahrer Josef (Josi) Ackermann; insgesamt 27 Personen. Montag, 2. September 2013 Besammlung auf dem Bahnhofplatz in Düdingen um 5.45 Uhr. Herzliche Begrüssung, viele kennen sich schon von den Jakobsweg-Fusswallfahrten der vergangenen Jahre. Verladen der Koffer, Rucksäcke und Wanderstöcke in den Begleitbus. Düdingen ab 06h17, Bern an 06h44 / ab 07h02, Zürich an 7h58. Im Eiltempo die Geleise wechseln, kaum eingestiegen Weiterfahrt um 8h07 dem Zürichsee und Walensee entlang über Sargans nach Landquart, 9h11 an. Weiter um 9h20 mit dem Regio-Express der Rhätischen Bahn (RhB) durchs Prättigau, in Klosters Selfranga durch den 19 km langen Vereinatunnel nach Sagliains und weiter bis Zernez, 10h29 an. Drei Minuten später bereits weiter mit dem Postauto durch den Schweizerischen Nationalpark und über den Ofenpass nach Müstair. Der aufgestellte Buschauffeur verbreitet eine fröhliche Stimmung. Er erklärt der 25-köpfigen Senslergruppe die Berge, macht auf den 3’905m hohen Ortler als höchsten Berg Südtirols aufmerksam, erklärt die Landschaften (Strassentunnel nach Livigno), zeigt uns das Wohnhaus von Dario Colognas Eltern in Tschierv und das Ferienhaus von Sandra Studer und erzählt Begebenheiten aus der Region, wie etwa den aktuellen Jagdbeginn. In Valchava hat er bei der Durchfahrt des Dorfes beidseits einen linealbreiten Abstand, in Glurns im Vinschgau sollen es beidseits nur noch 5 cm sein, denn das Postauto fährt ohne uns weiter bis Mals! Ankunft in Müstair auf 1’247m Höhe um 11h37. Was früher einen ganzen Tag gedauert hätte, wird mit SBB, RhB und Postauto in etwas mehr als fünf Stunden zurückgelegt. Fast gleichzeitig trifft der Begleitbus mit Fahrer Josi und Beifahrer Bruno samt dem Gepäck auf dem Parkplatz ein. Die Reisenden sind hungrig und durstig, das Picknick-Tischchen wird auf die Beine gestellt, Bernadette und die anderen Frauen beginnen zu hantieren. Nach wenigen Minuten stehen Schwarzbrot, Wurst, Käse, Eier, Tomaten und allerlei Getränke bereit. Danach auch noch Kaffee und Biscuits, was sich dann jeden Tag mit regionalen Produkten wiederholt. Kloster Müstair Valchava – enge Durchfahrt Hauswurzen-Bord Anschliessend besuchen wir das Benediktinerinnenkloster St. Johann in Müstair. In einer halbstündigen Führung erklärt uns Frau Conrad die Geschichte dieser sehr gut erhaltenen mittelalterlichen Kloster-Anlage aus der Karolingerzeit mit den vielen Fresken. Das Kloster wurde 1983 von der UNESCO in die Weltkulturerbe-Liste aufgenommen. Zur Zeit sollen noch 12 Nonnen dort wohnen. Beat und Emmy holen am Kiosk noch den Pilgerstempel vom Startort. Um 13h15 marschiert die 26 Personen umfassende Schlange los. Durch enge Strassen an schönen blumengeschmückten Häusern vorbei steigt’s gleich bergan, vorbei an einem schönen Bord mit Hauswurzen. Der Jakobsweg ist mit der grünen Nummer 43 „Via Son Giachen“ überall gut markiert. Es geht entlang von Getreide- und Maisfeldern, Kartoffeläckern, Wiesen. Viele Vogelbeerbäume und Herbstzeitlosen säumen den Weg. Der Panoramaweg verläuft weit oberhalb der Hauptstrasse. Es ist sonnig mit leichter Bewölkung, ideales Wanderwetter. Kurze Pause nach einer Stunde in Santa Maria Val Müstair, so der offizielle Name, denn das Romanische soll nicht verlorengehen. Weiter geht’s nach Valchava, nun in evangelischem Gebiet seit der Reformation 1537/38. Auch dieses Jahr haben Bernadette und Edi ein 32-seitiges Pilgerbüchlein mit Liedern und Texten für alle vorbereitet. Das von Ursula Brülhart getextete Wanderlied nach der Melodie „Mein Vater war ein Wandersmann“ wird erstmals gesungen. Bernadette als Frau Pfarrerin hält die Andacht und erteilt uns den Wallfahrtssegen für den Weitermarsch. Äpfel und Getränke stehen im Begleitbus für die Mitnahme bereit. Vorbei an Gerstenfeldern (Gerste mit den langen Grannen) geht’s vorerst auf einer Teerstrasse gemächlich aufwärts, nach Überquerung eines Bachs weiter auf Naturstrassen. Mit dem Ruf „Halleluja“ der Pfarrerin herrscht nun für die nächste Viertelstunde Stille beim Wandern. Die Gespräche brechen ab, die Natur wird noch intensiver beobachtet oder die Leute sind in Gedanken versunken. Plötzlich ein Bär, ein Braunbär. Es ist aber keiner der M-Bären (M12 und M14 wurden im Südtirol von Autos überfahren, M13 abgeschossen). Vielmehr ist es eine Holzskulptur einer Bärenmutter mit ihrem Jungen. Auf Naturwegen weiter nach Fuldera in die evangelische Kirche St. Rochus, in der Bernadette erneut eine Andacht hält. Diese Viertelstunde tut Leib und Seele gut. Wir passieren nun viele Esel in einem Gehege, den Düdinger Maskottchen! Nach der Wanderung dem Rombach (Il Rom) entlang kommen wir um 17h45 in Tschierv auf 1’680 m Höhe an. Vor dem Hotel heisst es aber noch: Gymnastikübungen machen mit Ursula. Rast in Valchava Dario Cologna Hotel Staila Tschierv Die Zimmerzuteilung im empfehlenswerten Parc-Hotel STAILA erfolgt rasch und unkompliziert. In den heimeligen Zimmern wird noch vor dem Auspacken geduscht und die Sockenrandallergie mit Salbe behandelt. Dann ist man oder frau ein neuer Mensch. Das Hotel hat wohl nur wegen des fehlenden Lifts 3 statt 4 Sterne, denn das Nachtessen ist sehr schmackhaft: Gemischter Salat – Gemüsesuppe - Kalbsgeschnetzeltes, Kartoffelstock, gratinierte Tomate - Panna cotta mit Waldbeeren. Dazu ein Calanda Bier oder Wein und zuletzt noch Kaffee. Als karges Pilgermenü kann man das nicht bezeichnen. Im Hotel gibt’s zudem den einzigen speziellen Jakobsweg-Stempel auf der ganzen Strecke. 3½ Stunden Marschzeit, 1 Stunde Pausen zwischen 13.15h und 17.45h, Steigungen 413m, Gefälle unbedeutend. Dienstag, 3. September 2013 Morgens Blick aus dem Fenster. Die Sonne beleuchtet die ersten Bergspitzen, wolkenloser Himmel. Das Frühstück um 8 Uhr in der heimeligen Arvenholz-Gaststube mit vielen BioProdukten schmeckt sehr gut. Vor dem Hotel wartet eine ältere Biker-Gruppe auf das letzte Mitglied bevor es ins Livigno geht. Durch den Tunnel gehe es nur auf der Rückfahrt, im Shuttle-Bus. Der uns bevorstehende Pass da Costainas kann mit Fahrzeugen nicht befahren werden, darum fassen wir das Picknick bereits jetzt. Ein strenger Tag steht bevor. Abmarsch beim Hotel um 9 Uhr, zuerst talwärts auf der Via Dario Cologna, benannt nach dem grandiosen Skilangläufer sowie Schweizer des Jahres 2012. Als Olympiasieger, Weltmeister und je dreimaliger Weltcupsieger und Tour-de-Ski-Sieger war das höchstverdient. Zudem trägt ein Zug der RhB seinen Namen. Seine Eltern wohnen im Dorf Tschierv, er selber nun in Davos. Dann verlassen wir die Talsohle und es geht lange bergauf, ein Stück weit auf Teerstrasse. Ganze Felder sind voll mit den schönen aber giftigen Herbstzeitlosen. Auf der alten Strasse, nunmehr als Naturweg steigen wir immer höher. Kurze Pause beim Waldausgang. Um 10h10 kommen wir auf der Sonnenterrasse Lü auf 1’920m an. Für einige eher langsam Marschierende hatte es im Kleinbus noch Platz bis Lü. Bernadette hält Andacht in der evangelischen Kirche. Beat erklärt dann den Zuhörenden noch, was es mit dem Dorf mit dem kurzen Namen Spezielles auf sich hat: Schweizweit kam Lü 1992 ins Gerede, als die 50 Stimmberechtigten den Beitritt zum EWR mit 100% der Stimmen ablehnten. Die Wirtin des Dorfes sagt dazu, sie seien nicht konservativ sondern hätten bloss einen gesunden Menschenverstand. Christoph Blocher, nachmaliger Bundesrat von 2003-2007, wollte das Dorf kennenlernen und finanzierte das neue Schindeldach der Kirche, was ihm den Titel eines Ehrenbürgers einbrachte! Lü war bis Ende 2008 eine politische Gemeinde mit 65 Einwohnern und gehört seit 2009 zur grossen Gemeinde Val Müstair. Bei der ersten Abstimmung waren die Gemeindebürger mit 18:17 Stimmen gegen, die Talgemeinden mit 85% der Stimmen für die Fusion. Erst bei der neuerlichen Gemeindeversammlung stimmten die Bürger mit 30 zu null Stimmen zu! Damit verlor Lü halt auch den inoffiziellen Titel als höchstgelegene Gemeinde Europas. Die höchstgelegene ganzjährig bewohnte Siedlung in der Schweiz ist ja bekanntlich Juf im Averstal auf 2’126m mit ca. 30 Einwohnern aus sechs Walser-Familien. Kirche Lü mit Schindeldach! Mutterkühe mit Kälbern Über den Costainaspass Um 10h30 geht’s auf Naturstrassen durch die wunderschöne Landschaft, gemächlich ansteigend. Nach der Abzweigung zur Alp Champatsch plötzlich ein heftiger Anstieg, mit über 25 Steigungsprozenten. Marschiert wird in kleinen Schrittchen. Oben angelangt geht’s dann aber fast ebenwegs zum Übergang des Pass da Costainas auf 2’251m, wo die Letzten der langgezogenen Gruppe um 12h15 eintreffen. Mittags-Picknick diesmal aus dem Rucksack. Im Plastik-Säcklein finden sich zwei dicke Scheiben Schwarzbrot, ein grosses Stück Käse und eine Cervelat. Das schmeckt wunderbar. Viele Biker überqueren die Passhöhe zwischen dem Val S-charl und dem Val Müstair. Kurz vor 13 Uhr geht’s bergab, zwischen einer Herde von Mutterkühen mit ihren Kälbern hindurch. Nach der Alp Astras eine Stundenpause, dann durch wunderschöne Föhren- und Lärchenwälder. Bei ganz klarer Sicht ist die Aufnahme dutzender schöner Bilder keine Kunst. Am rechten Hang (Tamangur) sollen die höchsten Arvenwälder Europas stehen. Pause am Bergbach, wo weiter? Rechts die Naturstrasse, der heissen Sonne ausgesetzt, links ein Wanderweg über Stock und Stein, aber im Schatten. Wir wählen die schattige Seite, die einigen aber arg zusetzt. Bisher waren keine Wildtiere zu sehen, nur das Pfeifen eines weit entfernten Murmeltiers war zu hören. Endlich ein Holzsteg über den Bach, dann auf der breiten Naturstrasse hinab nach S-charl. Um 16h15 Ankunft beim Hotel Crusch Alba. Zuerst wird aber die Gartenwirtschaft im Schatten aufgesucht. Das Calanda Bier schmeckt einfach gut. Der Kleinbus darf ausnahmsweise ins Dorfzentrum fahren um das Gepäck abzuladen. Der Parkplatz ist etwa 500 Meter weiter unten installiert. Dort hat es dafür Handy-Empfang für die heimatlichen Telefongespräche. Die Wanderer werden auf verschiedene Gebäude verteilt. Ich bleibe im Haupthaus und bekomme ein Einzelzimmer mit fliessendem Wasser. Dusche und WC sind auf der Etage. Ich fühle mich wohl, trotz oder wegen fehlender Radio- und Fernsehgeräte. Das Nachtessen um 19 Uhr ist erneut eine feine Angelegenheit: Gerstensuppe - Salat vom Buffet - Tuortun d’Ardez (Hackfleischschnitten), Pizzokels (eine Art Spätzle), gefüllte Tomate – Käseplatte - Engadiner Nusstorte mit Baumnusseis und Caramelsauce. Ein Wandertag, nein ein Wundertag geht zu Ende. Nach dem Nachtessen wird wieder gejasst für alle die mögen. Das Leiter-Ehepaar wird in einer Pension einquartiert. Dumm ist nur dass die Türe nicht nur verschlossen sondern zusätzlich noch „de Saare fürtaa cho ìsch“, dass der Riegel geschoben wurde. Kurz vor Mitternacht müssen die beiden einen tollen Klamauk veranstalten um gehört zu werden! 6 Stunden Marschzeit, 1¼ Stunden Pausen zwischen 9.00h und 16.15h, Steigungen 591m, Gefälle 441m. Mittwoch, 4. September 2013 Der Zimmerboden knarrt beim Aufstehen, es windet draussen auf 1’810m Höhe. Blick aus dem Fenster. Erste Sonnenstrahlen beleuchten im Westen zuerst die Spitzen des Piz Mingèr, ab 6.45 Uhr von Minute zu Minute immer tiefer hinunter. Die Bündner- und Schweizerfahne flattern. Das Frühstück ist prima und reichlich mit Biobrot, Gipfeli, Butter, Käse, Konfi, Fleisch, Ei, Müesli, Kaffee, Tee, Orangensaft. Vor dem Abmarsch geht ein Jäger mit einem angehängten geschossenen Reh vorbei. Die Temperatur sei in der Nacht bis auf 5 Grad C gefallen, meint der Wirt. Kirche in S-charl Unterwegs! Mmmh In der Clemgia-Schlucht Andacht in der Kirche mit Pfarrerin Bernadette. 9 Uhr Abmarsch in S-charl talwärts. Viele Herbstzeitlosen auf den Wiesen. Vorbei an der Schmelzra mit den Mauerresten der alten Schmelzöfen. Nach einer Viertelstunde teilt sich die Gruppe in zwei Hälften auf. Die eine nimmt die Fahrstrasse, die andere den etwas heiklen Wanderweg. Beim Zufluss des Bachs aus dem Val Mingèr schliesst die Elite-Gruppe nach einer Viertelstunde wieder auf. Um 10h00 geht’s weiter, abseits der Fahrstrasse steigt’s leicht bergan, vorbei an Heidelbeer- und Preiselbeerstauden, an abgestorbenen Ästen und ganzen Bäumen. Weiter über ein Hängebrüggli, durchs Moos, an sumpfigen Stellen vorbei. Pilze, Tannenzapfen, frische Luft, hoch über der Fahrstrasse. Es ist derart schön, dass einige zu singen beginnen. Nach einer halben Stunde hinunter zur Fahrstrasse und dieser entlang. Überall sind Erosionen des offensichtlich brüchigeren Bündner Kalks zu sehen, dann ein schmaler Durchgang. Würde dieser nicht ständig ausgebaggert gäbe es in Kürze einen weiteren Stausee im Bündnerland. Einige Erdpyramiden wie in Euseigne im Eringertal, eine wie ein Zeigefinger Gottes aussehend, sind zu erblicken. Beim Strassentunnel aussen herum, weiter vorne steigt Rauch empor. Er stammt von der Grillstelle am Strassenrand. Welche Überraschung! Chauffeur Josi hat sie mit dem vorhandenen Brennholz vorbereitet. Bratwürste und Cervelats werden gebrätelt. Das gibt zusammen mit dem täglich frischen Brot, Rüebli und Äpfeln ein Festessen. Kaffee und Süssigkeiten runden das feine Mahl ab. Ein Wanderpaar kommt das Tal hoch. Die beiden werden ebenfalls eingeladen. Sie verbringen seit 1997 sowohl ihre Sommer- wie ihre Winterferien in Guarda im Unterengadin. Falls wir mal ins Erzgebirge fahren sollten (Freiberg oder Annaberg-Buchholz), würde er uns eine Führung anbieten, sagt der Mann! Ideal sei das zweite Wochenende im Dezember. Als er von unserer Herkunft Deutschfreiburg erfährt kommt er auf Frau Erika Pohl-Ströher zu sprechen. Die deutsch-schweizerische Chemikerin, Biologin und Unternehmerin (ihre Grosseltern gründeten 1880 die Kosmetikfirma Wella, die 2003 an Procter & Gamble verkauft wurde) habe bis 2004 in Ferpicloz bei Freiburg gewohnt. Ihr nicht unbedeutendes Vermögen habe sie im Lauf der Jahre in eine Mineraliensammlung gesteckt und eine gleichnamige Stiftung gegründet. Schliesslich stehe sie heute im 95. Lebensjahr. Danach habe es sie wieder in ihre Heimat gezogen, ins sächsische Erzgebirge. Nach der Sanierung des Schlosses Freudenstein in Freiberg/Sachsen seien nun seit 2008 die über 80'000(!) Exponate der Sammlung an der weltweit grössten Mineralienausstellung „terra mineralia“ öffentlich zugänglich. Erika Pohl-Ströher ist im Internet nochmals erwähnt mit folgendem Text: „In der "Hauptstadt des Erzgebirges", im Herzen von Annaberg-Buchholz, erwartet Sie seit dem 29. Oktober 2010 ein einzigartiger Schatz. Ein Schatz, der Träume Wirklichkeit werden lässt. Ein Schatz, der zum Aufspüren, Entdecken und Staunen einlädt: Die Manufaktur der Träume Sammlung Erika Pohl-Ströher. Diese Manufaktur ist ein Erlebnismuseum der besonderen Art. Was es hier zu erleben gibt? Die einzigartige Volkskunst des Erzgebirges, repräsentiert in einer der grössten und beachtlichsten Privatsammlungen weltweit. Über 1’000 Objekte aus vier Jahrhunderten, liebevoll zusammengetragen von Dr. Erika Pohl-Ströher“. Wie später im Internet gefunden, handelt es sich bei den Wandernden um den 73jährigen deutschen Mineralogen und Historiker an der Technischen Universität Chemnitz in Sachsen, Prof. Dr. Friedrich Naumann mit Ehefrau. Das Gespräch ist so interessant, dass ich sogar Kaffee und Süssigkeiten verpasse. Nach 1¼ Stunden geht’s weiter der Strasse entlang. Plötzlich fährt ein Pickup vorbei, mit zwei geschossenen prächtigen Hirschen auf der Pritsche. Glücklicherweise waren es nicht die Steinböcke Gian und Giachen, wir würden sie in der TV-Werbung für Graubünden sehr vermissen! Am anderen Ufer der Clemgia ist das östliche Ende des Nationalparks, wo sie sich in Sicherheit hätten bringen können. Dann geht’s weg von der Strasse, hinunter in die Clemgia-Schlucht. Phantastische Bilder lösen sich ab, Fotoaufnahmen noch und noch vom tief in den Fels eingefressenen Fluss. Getöse der Clemgia, über ein Brüggli, viertelstündige Pause in der Schlucht. Der Weg ist gut gesichert und gefahrlos zu begehen. Ein ockerbrauner Felsstreifen zieht sich von hoch oben bis zum Fluss hinunter. Um 14.30 erreichen wir das Sportgelände Gurlaina in Scuol (Schuls) am Inn auf 1’197m Höhe als tiefsten Punkt der gesamten Wanderung. ¾ Stunden Pause, wir sind zu früh dran und schauen den Vorbereitungen des „Gore-Tex Transalpine-Run“ für Donnerstag zu. „500 Teilnehmer aus 25 Nationen, 261 Kilometer, 15’900 Höhenmeter durch vier Länder in acht Tagen. Von 31. August bis 07. September 2013 sind die Alpen wieder Schauplatz einer extrem spannenden, spektakulären Laufveranstaltung (in Zweiergruppen)“, steht im Internet. Dies also nicht etwa mit dem Bike sondern zu Fuss. Der Startort ist in Oberstdorf im Allgäu und der Zielort in Latsch im Vinschgau/Südtirol. An diesem Mittwoch hatten die Teilnehmer einen fast als „Ruhetag“ empfundenen Bergsprint von Scuol auf die Motta Naluns mit 6,2 km Länge und 935 m Steigung zu bestreiten. Die Bergläufe am Vortag und am folgenden Tag entsprechen beide punkto Länge und Höhendifferenz in etwa dem ältesten europäischen Berglauf Sierre – Zinal. Mit seinen 31 km, 2’200m Aufstieg und 800m Abstieg ja auch nicht der leichteste! Der Gore-Tex Transalpine-Run gilt als einer der abenteuerlichsten Laufevents und bietet seinen Teilnehmerinnen und Teilnehmern ein unvergessliches Erlebnis vor einer einzigartigen Bergkulisse. Wer nächstes Jahr bei der 10. Austragung mitmachen möchte, findet die Angaben unter: www.transalpine-run.com. Haus in Schuls Apéro am 1. Abend Es funktioniert noch In 25 Minuten erreichen wir das Hotel Quellenhof, die Koffer werden entladen und die Zimmer bezogen. Nach dem Duschen auf die Terrasse zum Calanda Bier. Warum schmeckt das immer so gut? Vielleicht weil man es nur in Ferienstimmung trinkt. Danach machen einige mit Agnes und Noldi, die Scuol kennen, einen Dorfrundgang zu den Brunnen mit Mineralwasser, durchs Dorf und zum Thermalbad. Ein Zürcher Automobilist füllt an einem Brunnen seinen ganzen Kofferraum mit in Flaschen abgefülltem Mineralwasser. Dieses ist für mich allerdings etwas ungewöhnlich, nicht gerade nach dem alten Bad Bonn (Schwefel) schmeckend, aber doch sehr gewöhnungsbedürftig. Ein Apéro wird von der Gerantin des Hotels Quellenhof offeriert. In wessen Besitz das Hotel ist war nicht zu erfahren. Es ist im Jugendstil erbaut und war sehr mondän in seiner Blütezeit um die vorletzte Jahrhundertwende! So sehen auch die Zimmer aus, vom Doppel- bis zum Sechsbettenzimmer. In jedem Zimmer unserer Leute hat es noch freie Betten. Ein Radiator der Heizung in unserem Zimmer ist so feurig anzufassen und verkalkt, dass er nicht zurückgedreht werden kann. In den etwa 3,50m hohen Zimmern steigt die Wärme aber glücklicherweise nach oben! Schade, dass alles verfallen gelassen wurde. Die Armaturen der Wasserhähnen wären als über 100jährige Antiquität bei der Einfuhr zollfrei. Die quicklebendige Wirtin und ihre zwei jungen Helferinnen tun ihr Möglichstes. Unterdessen stimmt Marianne Lieder an. Um 19h30 ist es dann soweit: Salat vom Buffet – Rahmschnitzel mit Champignons, Gemüse, Trockenreis – Dessert mit verschiedenen Variationen. Nach dem Auszug der jungen Sportler am Morgen verbleibt nur noch ein zusätzlicher Gast im Hotel, Urs aus Zürich. Er isst mit uns und ist auf der Via Engiadina unterwegs, heute vom Kurhaus Val Sinestra her. Während des Wartens auf das Essen wird gesungen. Auch nach dem Essen wird weiter gesungen. Die Wirtin aus dem Misox ist so begeistert dass sie mitsingt und dirigiert und bekräftigt: „Ich liebe Ihnen alle!“. Zudem spendiert sie allen den Kaffee! 4½ Stunden Marschzeit, 2¼ Stunden Pausen zwischen 9.00h und 15.45h, Steigungen 46 m, Gefälle 613 m. Donnerstag, 5. September 2013 Morgens früh, wieder keine Wolke am Himmel. Die ersten Sonnenstrahlen treffen auf die Gipfel auf der anderen Talseite, noch leicht schneebedeckt. Frühstück im grossräumigen, sehr hohen Saal mit den prachtvollen Leuchtern. Für den anstrengenden Tag steht alles bereit auf dem Zmorgetisch. Wir erfahren am Morgen die bestürzende Nachricht, dass Hugo Schaller aus Wünnewil, Jahrgang 1942, beim Abstieg von der Spitzflue im Schwarzseegebiet tödlich verunglückt sei. 8h30 Abmarsch beim Hotel im Wanderhemd, es ist warm genug. Zuerst entlang der Strecke der Luftseilbahn auf Motta Naluns, die um 9 Uhr ihren Betrieb aufnimmt. Die erste Anhöhe wird nach ¾ Stunden erreicht. Wohlverdiente Pause mit wunderschöner Aussicht auf das Schloss Tarasp. In Ftan kommen wir um 10h15 an. Obwohl der Begleitbus auch da ist wird im Café Scuntrada („Begegnung“) eingekehrt. Und alle Getränke sind gratis. Das Rätsel löst sich bald auf: Ursula Brülhart-Schwallers Sohn und die Tochter der Wirtin sind verheiratet, wohnen in Chur und haben zwei Kinder. Wir bedanken uns bei Ursula und der Wirtin und verabschieden uns um 11 Uhr. Es geht kurz hinunter zur Muglin (Mühle) von Ftan und ist für die Jahreszeit sehr warm. Weiter entlang eines Weizenfeldes, dies auf ca. 1’600m Höhe. Überall lüden Bänke mit der Aufschrift „Salüds da Ftan“ zur Rast ein. Dann an der Ruine Chanoua vorbei. Sie muss ein stattliches Gebäude gewesen sein, die Überreste einer alten Sust an der Via Imperiala Como – Tirol und hat wohl als Umschlagsplatz für Transportgüter wie als Herberge gedient. Ardez wird weit unten sichtbar mit seiner Burg auf einem Felsen. Mit meinen Fotoaufnahmen und fortlaufenden Notizen laufe ich vielfach der Gruppe hinterher. Ardez Plaz wird um 12h45 erreicht. Der von Josi gespendete Weisswein im Brunnen ist gekühlt und wird serviert. Zur üblichen Mittagsverpflegung werden noch eine feine Engadiner Nusstorte von Emmy und der Cake vom Café Scuntrada in Ftan genossen. Die Andacht in der Kirche fällt weg, das Gotteshaus ist eine einzige Baustelle. Im Dorf Ardez sollen laut Bericht in der „Schweizer Familie“ mehr Schafe als Menschen leben (435 Einwohner, 600 – 1'000 Schafe). Wohin des Wegs? Hinüber nach Ftan wo sind die Wurzeln? Nach dem Dorf Ardez steiler Anstieg auf der Teerstrasse. Schweisstreibend, Backofenhitze, mehrere Kurzpausen im Schatten sind angesagt. Schöne Kugeldisteln säumen den Weg. Endlich oben in Bos-cha. Auf einem Panorama-Wanderweg geht’s weiter auf 1’650m Höhe. Viele Ameisen krabbeln auf den Waldwegen herum. Dann zur Strassenabzweigung, die auf die Alp Valmala hinaufführt, ein Nadelbaum auf einem riesigen Felsblock wird fotografiert, kurze Pause. Danach am sich im Bau befindlichen Kleinwasserkraftwerk Tasnan vorbei. Dieses wird ab Oktober 2014 19 Mio KWh für 4’400 Haushalte erzeugen bei Investitionen von 25 Mio Franken. Weiter geht’s abwechslungsweise in offenem Gelände bei heissen Temperaturen oder im schattigen Wald. Blick auf Guarda, angeblich das schönste aller Unterengadiner Dörfer. Um 15.30 Uhr treffen wir dort ein. Es hat wirklich schöne mit Graffiti verzierte und mit Blumen geschmückte Engadiner-Häuser. Nicht umsonst wurde Guarda bereits 1975 der Wakkerpreis verliehen. Vielleicht half auch die schöne Lage des Dorfes noch mit. Mit diesem Preis werden seit 1972 politische Gemeinden vom Schweizer Heimatschutz für beispielhaften Ortsbildschutz ausgezeichnet. Die Andacht fällt auch hier wegen einer Total-Baustelle in der Kirche ins Wasser. Nun denn, man kann Gott auch unterwegs in dieser schönen Landschaft loben. So wandern wir in Guarda nur durch. Zwischen Ftan und Ardez Der Chef in Ardez Kugeldisteln in Guarda Nun geht’s hinab auf den Talboden des Inn. In Resgia wird eine viertelstündige Rast am Bach gemacht. Die Unterengadiner Berge sind bis auf Schneereste in kleinen Gräben praktisch aper. Die Bauern fahren das gut riechende Emd ein bei diesem Bilderbuchwetter. Lavin im Tal wird um 16.30h erreicht, 8 Stunden nach dem Start in Scuol. Weil Edi in Lavin nicht genügend Schlafplätze gefunden hat, fahren wir mit der RhB um 16h56 nach Scuol zurück mit Ankunft um 17h15. Vom hoch oben gelegenen Endbahnhof der RhB geht’s eine gute Viertelstunde zurück ins Hotel Quellenhof. Nach dem Duschen ins Dorf, schliesslich möchte ich noch eine Engadiner Nusstorte nach Hause bringen. Das Nachtessen wird pünktlich um 19 Uhr serviert. Heute gibt’s: Tomaten-Mozzarella-Salat Rindsgeschnetzeltes, Polenta - Cassata mit Rahm. Weil die Wirtin kein Rechengenie ist, nimmt Edi kurzerhand die Kassenzettel für Wein, Bier und Mineralwasser, addiert diese und begleicht sie später mit der Gesamtrechnung. Es ist bereits der vierte und letzte Abend, den die Gruppe gemeinsam verbringt. Ursula Brülhart-Schwaller dankt im Namen aller Teilnehmenden Edi und Bernadette von ganzem Herzen für die Idee, die Vorbereitung mit Wanderbüchern und Landkarten, die Gestaltung des Führers mit Liedern und Gebetstexten, die viertägige Rekognoszierung an Ort und Stelle und die tadellose Durchführung. Dies alles hat sie in Gedichtform verfasst und als Gesang vorgetragen! Edi dankt seinerseits dem Kleinbusfahrer Josi Ackermann und den Wandernden für die Teilnahme und die immer herzliche Stimmung, die sie verbreiteten. Er dankt zudem Josi für den Wein, Emmy für den grossen Käselaib und die Engadiner Nusstorte und Marianne Fasel für den Inhalt des Flachmanns. Edi verspricht für den 8. Dezember 2013 (Sonntag) wieder ein grosses Abschlussessen. Dann wird Beat Schmutz auch seinen umfangreichen, mit Fotos illustrierten Wanderbericht den Teilnehmenden abgeben. Zudem soll es im 2014 auf einer Alp auch wieder ein Fondueessen geben. Die Anwesenden freuen sich schon im Voraus auf diese Zusammenkünfte. 5½ Stunden Marschzeit, 2½ Stunden Pausen zwischen 8.30h und 16.30h, Steigungen 668 m, Gefälle 469 m. Freitag, 6. September 2013 Auch am Vorabend wurde wieder gejasst. Vom Intermezzo mit einer Dame des schwarzen Kontinents bekam der Schreibende nichts mit. Er musste in seinem Zimmer die Notizen nachtragen. Sie hatten mit ihren Avancen bei den Männern der Pilgergruppe aber keinen Erfolg! Der Koffer ist nach zwei Nächten wieder gepackt. Das Frühstück ist reichlich. Ohne Mithilfe der Frauen hätte die Vorbereitung allerdings lange gedauert. Edi kämpft mit der Wirtin um Zahlen fürs Zahlen. Sie wollte unbedingt weniger Geld, so beispielsweise nur für eine Übernachtung statt für zwei! Einige junge Sportler sollen davon profitiert haben. Unseren Wanderleiter kann sie aber nicht mit Hunderten von Franken beschenken. Das hätten auch die Teilnehmenden nicht gewollt. Was wohl aus diesem Hotel wird, fragten sich die meisten. Es ist derart revisionsbedürftig, dass es wohl nur noch auf einen Käufer wartet und dann abgerissen wird. Eigentlich schade, es liegt mitten in Scuol. Hoffen wir dass die Wirtin und ihre beiden Helferinnen bis dann eine andere Stelle gefunden haben werden. Um 9 Uhr wandern wir zum Bahnhof Scuol hinauf um den Zug um 9h34 nach Lavin zu besteigen. Wir fahren bis zur Staziun Lavin auf 1'432 m (Ankunft 9h53) und setzen die Wanderung dort fort, wo wir sie gestern beendet haben. Es ist erstmals bewölkt, der Westwind geht leicht. Um 10 Uhr geht’s los, zum Inn hinunter und über eine Holzbrücke auf die andere Seite. Ständig heisst es Bikern auszuweichen, welche kaum das Tempo drosseln. Vor Susch kommen plötzlich fünf Reiter auf ihren Pferden entgegen. Die Kirchenuhr schlägt 11 Uhr. Andacht in der Baselgia San Jon, seit der Reformaziun 1537/38 evangelisch. Ebenso besinnlich ist jeweils auch die von der Pfarrerin täglich verordnete Stille unterwegs. Für die Mittagsverpflegung ist es noch zu früh, wir nehmen deshalb nur einen Apfel und Getränke vom Begleitbus. Wie überall hat es auch hier schöne Dorfbrunnen, deren Wasser man bedenkenlos geniessen kann. 10 Motorradfahrer aus Gütersloh in Westfalen mit ihren imponierenden Maschinen machen Pause. Um 11h45 geht’s über eine Holzbrücke dem grünen Inn entlang aufwärts. Es ist schwül, der Tatzelwurm bewegt sich nur laaangsaaam vorwärts. Ich falle oft zurück, fotografiere, mache Notizen um dann im eigenen Rhythmus wieder aufzuschliessen. Ab und zu geht’s im Schatten dem Inn entlang mit vielen Birken. Reiter von Susch her Am Inn Kurz vor Zernez Der Inn fliesst ruhig dahin. Gelegentlich fährt ein roter Zug der RhB auf der anderen Flussseite vorbei. Immer wieder diese Herbstzeitlosen. Im gemähten Gras liegen sie haufenweise. Offensichtlich schaden sie den Kühen nicht. Fuorchla auf 1’447m wird passiert. Letzte Gruppenfotos mit dem Inn im Hintergrund. Pause im Wald. Wir erreichen das Dorf Zernez und durchschreiten es bis zur Staziun auf 1’474m Höhe, Ankunft um 13h30. Nun ist das Picknick wohlverdient. Es wird gierig zugegriffen. Viele waschen ihre Füsse im Brunnen am Bahnhofsgebäude. Das letzte Dankesgebet findet auf der Rampe beim Güterschuppen statt. Dann zieht es alle auf die Terrasse der Ustaria da Staziun, dem Bahnhofsrestaurant. Brigitte und ich möchten die Pilgerwoche aber feierlicher beenden und besuchen noch die wunderschöne katholische Kirche im sonst evangelischen Unterengadin. Um 15h24 beginnt die Rückreise auf gleicher Strecke wie auf der Hinfahrt. Umsteigen in Landquart und Zürich. Ab Zürich sind nur noch Sitzplätze auf den Treppen vorhanden, die übrigen sind besetzt von Fans mit roten Leibchen der Schweizer Fussball-Nati. Diese spielt in Bern gegen Island um die WM-Qualifikation für Brasilien 2014. Wir erreichen Düdingen um 19.39 Uhr, müssen aber ¾ Stunden auf den Bus mit dem Gepäck warten, der zwischen Schönbühl und dem Stade de Suisse in einen Stau geraten ist. Dann geht’s heimwärts. Die verspätete Heimkehr erlaubt nur noch, die Isländer in Aktion zu sehen, vom 4:1 zum 4:4. Die Schweizer waren in Gedanken wohl schon in Brasilien. 2½ Stunden Marschzeit, 1 Stunde Pausen zwischen 10.00h und 13.30h, Steigungen 89 m, Gefälle 58 m. Damit haben wir bei 22 Marschstunden und 1'850 m Steigungen etwa 90 Leistungskilometer erbracht. Dies alles ohne jeglichen Zwischenfall mit 26 Personen und dem Busfahrer mit dem Kleinbus (adp automobile bruno probst ag, Murten, Tel. 026 672 97 29). Viele (darunter auch ich) haben eine neue Region der Schweiz kennengelernt, das Val Müstair, das Val S-charl und das Unterengadin von Scuol bis Zernez. Den Jakobsweg Graubünden kann man allerdings nur in den Sommermonaten begehen. Als höchste Übergänge sind der Costainaspass (2’251m), der Scalettapass (2’606m), der Strelapass (2’352m) und der Chrüzlipass ins Urnerland (2’347m) zu meistern. Statistik Montag, 2. September Dienstag, 3. September Mittwoch, 4. September Donnerstag, 5. September Freitag, 6. September Total Wanderung 3½ h 6 h 4½ h 5 ½h 2 ½h 22 h Pausen 1 1¼ 2¼ 2½ 1 8 h h h h h h Steigungen Gefälle 456 m 591 m 46 m 668 m 89 m 1’850 m 23 m 461 m 613 m 469 m 58 m 1’624 m Dieser Bericht entspricht meiner persönlichen subjektiven Meinung. Ich denke aber, dass er die Empfindungen aller Teilnehmer in etwa widerspiegelt. Eine Wallfahrtswoche wurde zur Wohlfühlwoche mit vielen bereichernden Gesprächen, Stille zum Nachdenken, häufigem Beisammensein und auch Kontakten mit Einheimischen und Feriengästen im Bündnerland. Edi und Bernadette haben alles souverän gemeistert. Die Vorarbeiten waren riesig und kostenintensiv. Die beiden haben vom Aufhören gesprochen. Dies wäre einerseits zu respektieren, würde aber andererseits nach 13 Jakobsweg-Wochen mit grossem Bedauern zur Kenntnis genommen. Einen Abschluss mit einer schöneren Wanderwoche als dieser kann es allerdings nicht mehr geben. Beim Abschied in Düdingen bedanken sich alle nochmals sehr herzlich beim Wanderleiter-Ehepaar. Beat Schmutz, Düdingen / [email protected]