Dr. Katy Teubener

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Dr. Katy Teubener
Katy Teubener
Flanieren als Protestbewegung
Erschienen in Cilja Harders, Heikert Kahlert und Delia Schindler (Hrsg.):
Forschungsfeld Politik. Geschlechtskategoriale Einführung in die Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2005, S. 301-315.
Der jahrhundertealte Traum, das Universum für eine gerechtere Verteilung
von Chancen und Besitz mit Kommunikationsnetzen zu durchflechten,
scheint mit der Etablierung des Internets endgültig ausgeträumt. Hatte Michel Chevalier, Anhänger des französischen Sozialreformers Henri de Saint
Simon, 1836 noch hoffnungsvoll behauptet, dass Kommunikation "nicht nur
die räumlichen Entfernungen, sondern auch die gesellschaftlichen Abstände
zwischen den Klassen" reduziere (zit. nach Flichy 1994:92), so gilt das Internet vielen Medienkritikern inzwischen als der schlagkräftigste Beweis für
die mit dem technischen Fortschritt in Wahrheit einhergehende Monopolisierung von Ressourcen.
So wenig dieser Beitrag das Problem des digital divide zu leugnen versucht,
so sehr ist ihm daran gelegen zu zeigen, was das Internet ungeachtet aller
Kommerzialisierungsversuche und weitaus mehr als sämtliche Medien vor
ihm auch heute noch ist - ein Ideenpool für unterschiedlichste Formen des
Widerstands (vgl. hierzu und im Folgenden Teubener 2002). Um dieses
emanzipatorische Potenzial zu erkennen, bedarf es jedoch nicht nur eines
differenzierten Widerstandsbegriffs, dem sich der Text mithilfe konkreter
Beispiele zu nähern versucht, sondern auch einer kritischen Betrachtung
geschlechterspezifischen Online-Verhaltens und nicht zuletzt der Sensibilisierung für die Notwendigkeit eines veränderten Zeitverständnisses im Umgang insbesondere mit dem World Wide Web.
1. Hacktivismus - Widerstand im Cyberspace
Von der breiten Öffentlichkeit als Widerstand wahrgenommen werden vor
allem die zumeist spektakulären Aktionen der so genannten Hacktivisten, Es
handelt sich dabei um Netzutopisten, die von der Hoffnung getragen sind,
"dass das Internet die Macht vom Zentrum an den Rand, von den Großen
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auf die Kleinen, von den Regierungen und Unternehmen auf die Individuen,
die sich in Interessengemeinschaften online zusammenfinden, überträgt"
(Krempl 1999).
2. Infowar - Das Internet als ‚Schlachtfeld‘
Zu den bekanntesten Vereinigungen im "Goldenen Zeitalter des
Hacktivismus" (McKay 1998) zählt die New Yorker Künstlergruppe Electronic Disturbance Theatre, die für ihren Angriff auf die Homepage des Pentagon im September 1998 ein Java Script namens Floodnet nutzte, das die
gegnerische Seite zum Absturz bringen sollte. Weil die Aktion im Vorfeld
angekündigt worden war, konnte das amerikanische Verteidigungsministerium mit einem eigenen, nun die Browser der Angreifer attackierenden Java-Applet antworten. In einem Artikel des OnlineMagazins "Network
World" sprach der Information Warfare-Experte Winn Schwartau von einem historischen Wendepunkt im Cyberkrieg: "Das war der erste, uns bekannte Gegenangriff des US-Militärs auf Menschen innerhalb der Vereinigten Staaten" (Schwartau 1999). Damit wurde der virtuelle Raum hinter dem
Computer offiziell zum ,Schlachtfeld' der amerikanischen Armee erhoben –
neben Land, Wasser, Luft und Weltraum.
3. R™ark - Die Spaßguerilla
Zu den subtiler agierenden Aktivisten des digitalien Zeitalters gehören die
Anhänger von R™ark (sprich ArtMark). Sie richten ihre Angriffe nicht gegen Regierungseinrichtungen, sondern gegen jene Institutionen, die den
Finanzmarkt beherrschen und damit den Lebensstil von Millionen Menschen prägen, im Fall ungesetzlichen, da nicht selten ausschließlich profitorientierten Handelns jedoch nur beschränkt haftbar sind - die multinationalen Konzerne. R™ark versteht sich als Koordinationsstelle eines
Medienaktivismus, der auf humorvolle und gleichzeitig eindringliche Art
und Weise das fehlende soziale Verantwortungsbewusstsein von Unternehmen anklagt. Auf der Website der Corporate Culture-Saboteure, die sich
bezeichnenderweise derselben Geschäftspraktiken bedienen wie ihre Gegner, finden sich zahlreiche ,Fonds', in die der User per Mausklick investieren kann, wenn er zur Realisierung einer bestimmten Aktion beitragen
möchte (vgl. R™ark 2003).
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Als einer der erfolgreichsten Spendenempfänger von R™ark gilt The Barbie
Liberation Organization, ein anonymes Kollektiv beherzter Cyberguerilleros, die 3.000 Dollar erhielten, nachdem sie 1993 passend zum Weihnachtsgeschäft die Stimmen von 300 sprechenden Barbies durch die der Soldatenfigur GI Joe vertauscht hatten. Während Barbie ihren neuen Puppenmuttis
ungewohnte Sätze wie "Lasst keinen Gefangenen entkommen!" entgegen
bellte, fragte Joe seine erstaunten Käufer mit kichernder Stimme: "Willst Du
mit mir einkaufen gehen?" (vgl. B. L. O. 1993).
Als ein besonders gelungener Sabotageakt entpuppte sich auch der 1996 von
R™ark gesponserte Angriff auf die Computerspielefirma Maxis und deren
Produkt SimCopter, "ein machistisches Computerschlachtspiel" (Bunn
1998), das kurz davor stand, in den Verkauf zu gehen und wie sein Vorgänger SimCity hohe Gewinne abzuwerfen versprach. Ein für 5.000 Dollar angeheuerter Programmierer des Unternehmens ersetzte die auf Sexsymbole
reduzierten Frauenfiguren des Spiels durch muskulöse, homosexuelle Männer in Badeanzügen - "die homoerotische Veränderung des Spiels als Statement gegen eine heteromännlich dominierte Computerspielindustrie" (Wu
1998). Der Coup fiel erst auf, als bereits über 50.000 Kopien des Spiels in
Umlaufgebracht worden waren (vgl. Silberman 1999).
4. Seattle 1999 - Widerstand total
Weil ihre Angriffe immer häufiger in den Sicherheitsnetzen der Gegner
hängen bleiben oder gar mit Gegenangriffen beantwortet werden, und selbst
erfolgreiche Netzattacken nur in den seltensten Fällen von den klassischen
Medien wahrgenommen und über die Internet-Gemeinde hinaus bekannt
gemacht werden, praktizieren immer mehr Hacktivisten eine Kombination
aus virtuellem und realem Widerstand. Wie dies aussehen könnte, zeigte
sich der Weltöffentlichkeit besonders eindrucksvoll anlässlich des Treffens
der World Trade Organization (WTO) am 30. November 1999 in Seattle.
Vereint im Kampf gegen die Ausbeutung von Mensch und Natur für den
Profit der internationalen Konzerne gelang es einer bunt zusammengewürfelten Menschenmenge aus Umweltschützern, Kriegsgegnern, Landwirten,
Gewerkschaftsmitgliedern, Schülern und Studierenden, das Treffen mithilfe
von Straßen- und Häuserblockaden empfindlich zu stören (vgl. Sharples
2000).
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Wie selbstverständlich nutzten die Globalisierungsgegner dabei auch jene
Produkte, die dem globalen Markt entstammen, allen voran das Internet.
Monatelang hatten zahlreiche Websites unter dem Motto "Lasst unseren
Widerstand so transnational sein wie das Kapital!" auf den Protest vorbereitet und linke, antiautoritäre Gruppen sowie Einzelpersonen aufgerufen, ihre
eigenen, unabhängigen Aktionen gegen das kapitalistische System zu organisieren. Auf der Anti-WTO-Homepage N30 hieß es:
"Unsere gleichzeitige und koordinierte Transformation der herrschenden Ordnung
weltweit- in Straßen, Stadtvierteln, auf Feldern, in Fabriken, Büros, Wirtschaftszentren, Finanzzentren usw. - könnte getrennte Kämpfe zusammenführen und alternative soziale und ökonomische Strukturen aufbauen" (N30 1999).
Dem Ziel der weltweiten Vernetzung verschiedenster Aktivistengruppen
dient bis heute das im Zuge der WTO-Konferenz in Seattle gegründete Independent Media Center (IMC). Weil sich die Berichte der etablierten Medien über die Ereignisse am 30. November 1999 zumeist auf Sachbeschädigungen einiger weniger Krawallmacher konzentrierten, dokumentierte das
IMC im Gegenzug den polizeilichen Einsatz von Schlagstöcken und Tränengas gegen tausende friedlich Demonstrierende. Obwohl der inzwischen
mit über 100 Niederlassungen weltweit vertretenen Vereinigung abgesehen
von einigen Hard- und Softwarespenden damals gerade einmal 75.000 Dollar für die Realisierung ihrer Aktionsvorhaben zur Verfügung standen, sorgte sie für eine im zivilen Ungehorsam noch nie erlebte Medienoffensive
(vgl. Bodzin 1999). Getreu dem Motto "Wenn Dir die Schlagzeilen nicht
gefallen, zieh los und mache selber welche" (Wes ,Scoop' Nisker) belieferten 400 Freiwillige die Öffentlichkeit mit Video-, Audio-, Text- und Photomaterial, das wiederum von diversen alternativen Medienorganisationen
kostenlos online publiziert wurde.
Das Internet bot in Seattle jedoch nicht nur die Möglichkeit der Organisation klassischer Protestformen wie der Blockierung von Straßen und Häusern,
sondern auch der Etablierung neuer Formen des Widerstands. So hatten beispielsweise die britischen Electrohippies zu einem virtuellen Sit-In gegen
die WTO-Homepage aufgerufen. Auch wenn es der Gruppe nicht gelang,
den anvisierten Server durch permanente Browser-Anfragen zum Absturz
zu bringen, soll sich der Datenfluss an diesem Tag zumindest als sehr zähflüssig erwiesen haben (vgl. MacMillan 1999). Noch empörter als auf diese
Aktion reagierte WTO-Generaldirektor Mike Moore auf eine Internet-Seite,
die das Web-Design seiner Organisation imitierte, aber deren Politik der
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Globalisierung und des Freihandels auf das Schärfste kritisierte (vgl. Gatt
2003). Die Öffentlichkeit werde durch illegale und unfaire Praktiken irregeführt und die WTO-Transparenz unterminiert, teilte Moore in einer Presseerklärung mit (vgl. R™ark 1999). Hinter der geklonten Website, die in Anspielung an den WTO-Vorläufer "General Agreement for Traffic and Trade
gatt.arg" genannt wurde, verbarg sich abermals die Aktivistenvereinigung
R™ark.
5. Persönliche Homepages - Produktionsformen authentischer Erfahrung
Die medienwirksamen Auftritte einiger Hacktivisten lassen mitunter übersehen, dass netzgestützter Ungehorsam nur in den seltensten Fällen politischen Zielen unterliegt. Charakteristisch für den ,Eigensinn' des Internets ist
vielmehr die in virtuellen Nischen gelebte Phantasie unzähliger ,No NameUser': Büroangestellte, die während ihrer Dienstzeit in die anonyme Welt
der Chatrooms abtauchen, Jugendliche, die ihre Freizeit mit der Gestaltung
aufwendiger Fan-Pages verbringen, Familien, die sich per Webcam in ihren
Wohnungen beobachten lassen. Diese im Verwertungssinn angeblich wertlose Phantasietätigkeit wird nach wie vor massiv ausgegrenzt und unterdrückt. So etwa von den Gründern der digitalen Umweltschutzorganisation
Bios, die aus Angst vor einer Überflutung des Internets durch "Millionen
vergammelter, hässlicher, nutzloser Websites" auf eine Anerkennung der
virtuellen Welt als "digital environment, als tatsächliche, schützenswerte
Lebensumwelt des Menschen" drängten (Bios 2001). Gute Websites seien
zum Leben zwar nicht so wichtig wie gesunde Wälder und saubere Flüsse,
"zur gezielten, befriedigenden Information oder zum problemlosen Buchen,
Einkaufen, Kommunizieren" aber unerlässlich (ebd.). Aus diesem Grund
hatte das Berliner Start-up-Unternehmen auf seiner Homepage einen "digitalen Trashcan" eingerichtet, in den jeder Internet-User seinen ganz persönlichen "Infoschrott" abladen durfte (ebd.). Wie wenig die Netzgemeinde von
dieser ,Säuberungsaktion' hielt, zeigte sich daran, dass die meistgehasste
Website im Bio(s)-Müll die Seite der Umweltschützer selbst war und alsbald vom Netz genommen wurde. Der von Bios vollmundig versprochene
Zeit- und Geldgewinn genoss offensichtlich nur bei den wenigsten ihrer
Besucher höchste Priorität.
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Dass die seit Jahrtausenden ins Abseits gedrängte Phantasietätigkeit der
Menschen unermesslich groß und schier unausrottbar sein muss, vermuteten
bereits Oskar Negt und Alexander Kluge in ihrem 1981 erschienenen
,Gebrauchsbuch' "Geschichte und Eigensinn". Dort schreiben sie:
"Die aus der Gesellschaft abgezogenen Motive verschwinden nicht aus der Gesamtökonomie der Eigenschaften, sondern arbeiten dort weiter, wo sie am geschütztesten sind, im Subjekt. Der Eigensinn der Rebellion tritt, gleichsam verpuppt, in Gestalt des Privaten auf' (Negt/Kluge 1981 :765).
Auch wenn persönliche Homepages und die sich in ihnen widerspiegelnde
Phantasietätigkeit von der Mehrheit der Internet-Nutzenden nach wie vor
kaum mehr ernten als ein müdes Lächeln, so beweisen sie doch, dass bislang allenfalls in der Privatsphäre geduldeter, das heißt in den Untergrund
der Geschichte verbannter Eigensinn mit Etablierung der neuen Medien
immer stärker an die (Benutzer-)Oberfläche drängt. Ebenso wie
Hacktivisten vermögen auch Betreiber ,schrottiger', das heißt quer zum Kapitalverwertungsinteresse stehender Homepages zur Schaffung globaler
Alternativöffentlichkeiten beizutragen, in denen sich die blockierte gesellschaftliche Erfahrung nicht zuletzt von Frauen emanzipatorisch organisieren
kann.
6. "Information Superhighway" - Sinnbild des (Turbo-)Kapitalismus
Um das Widerstandspotenzial insbesondere des World Wide Web zu erkennen, bedarf es jedoch vorrangig der Loslösung von irreführenden Metaphern, allen voran der des "Information Superhighway" (Gore 1994). Mit
der DatenautobahnMetapher ist die Vorstellung vom Internet als einem Service-Paradies erwachsen, in dem angeblich alles, jederzeit und völlig mühelos zu haben ist. Erfahrene InternetNutzer wissen, dass diese Annahme einer
Überprüfung im Online-Alltag nicht standhält. Denn im Unterschied etwa
zu Fernsehzuschauern, die gemäß den Worten des Philosophen Günther
Anders (1992: 110ff.) die Welt ins Haus geliefert bekommen, müssen Computer-Nutzer sich immer selber auf den Weg machen und versuchen, das
unbekannte Land namens ,Cyberspace' zu kartographieren, um sich in ihm
verorten zu können. Doch dazu bedarf es nicht zu unterschätzender Anstrengungen und eines hohen Maßes an Neugier und Entdeckungslust. Mehr
noch als Männern scheint es jedoch gerade Frauen an Letzterem zu mangeln.
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7. "Für Männer ein Spielzeug, für Frauen ein Werkzeug"
Zahlreichen Studien zufolge erwarten Frauen vom Internet in erster Linie
Informationen und Dienstleistungen, die ihnen helfen, ihre Mehrfachbelastung durch Beruf, Familie, Partnerschaft und Haushalt zu verringern (vgl.
u.a. Nielsen NetRatings 2002). 91 Prozent der von dem US-amerikanischen
Marktforscher Digital Marketing Services (DMS) befragten Mütter etwa
geben an, das Internet aus Gründen der Zeitersparnis zu nutzen (vgl. DMS
1992). Einfachheit und Effizienz im Netz stehen bei ihnen folglich an erster
Stelle. Männer dagegen, darin sind sich die Studien ebenfalls einig, nutzen
die neuen Medien eher als ,Spielzeug'. Und fast immer schleicht sich bei
dieser Formulierung ein leicht abschätziger Unterton hinein. Völlig zu Unrecht, wie sich bei genauer Betrachtung herausstellt. Denn nicht Pragmatismus, sondern Spielfreude hat das Internet zu dem werden lassen, was es
heute ist - eine kulturelle und eben keineswegs bloß technische Errungenschaft.
Einen der vielleicht überzeugendsten Beweise hierfür liefert Linux, ein frei
zugängliches Betriebssystem, an dem tausende, vorwiegend männliche
Computerenthusiasten in aller Welt seit Jahren unermüdlich basteln. Ohne
feste Strukturen und Hierarchien ist es der Programmierergemeinde um Linus Torvalds, Gründer und Idol der über das Internet koordinierten Bewegung, gelungen, ein Produkt zu schaffen, das wegen seiner hohen Qualität
mittlerweile auch von internationalen Konzernen und staatlichen Einrichtungen genutzt wird. Weitaus faszinierender als sein technischer Wert ist
jedoch die mit Linux verbundene Idee gesellschaftlicher Kooperation und
öffentlichen Eigentums an Produktionsmitteln:1 Ein Programm, mit dem
sich möglicherweise wie im Fall Microsoft Milliarden verdienen ließe, wird
der Allgemeinheit von privilegierten, da an den Informationsflüssen teilhabenden Mitgliedern der Gesellschaft kostenlos zur Verfügung gestellt. Der
englische Soziologe Richard Barbrooks spricht in diesem Zusammenhang
von "Cyber-Kommunismus" (Barbrooks 1999). Als erfolgreiche Unterwanderung des Kapitalismus deutet auch Andrew Leonard, Initiator einer historischen Dokumentation freier Software, die selbst in einem offenen Ent1
Linus Torvalds ließ seine Erfindung 1992 unter dem Copyright der ,Free Software Foundation' (FSF) registrieren. Ziel der FSF ist die Entwicklung von Programmen, deren Quelleode nicht, wie sonst üblich, geheim gehalten
wird, sondern von den Benutzern nach Bedarf modifiziert und angepasst werden darf. Das Copyright, die ,GNU
General Public License', dient im Wesentlichen dazu, dass freie Software auch frei bleibt und der Nutzung, Verbreitung und Veränderung von Open-Source-Produkten kein privater Riegel vorgeschoben wird.
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wicklungsprozess verfasst wurde (vgl. Leonard 1999), die Aktivitäten der
Open-Source-Anhänger:
,,[...] der Erfolg des Kapitalismus hat zum Aufstieg einer Klasse (Hacker) und Infrastruktur (Internet) geführt, die zusammen der Unterwanderung des Kapitalismus
dienen. Wen interessiert das Scheitern der Sowjetunion? Der Kapitalismus ist sich
wohlmöglich selbst sein größter Feind" (ebd.).
Dass sich dem Kapitalismus immer wieder mächtige Gegner in den Weg
stellen, die nur über beträchtliche Zugeständnisse zu ,besänftigen' sind, haben Oskar Negt und Alexander Kluge bereits in ihrem 1972 erschienenen
Buch "Öffentlichkeit und Erfahrung" vortrefflich zu beschreiben vermocht.
Dort heißt es:
"Könnte das Kapital diesen Weg zum insgesamt toten System, zu einer immer reineren Darstellung des Eigentums- und Kapitalverhältnisses konsequent beschreiten, so bestünde die Möglichkeit, die bestehenden Herrschaftsverhältnisse zu verewigen. Es muß aber, um auf diesem Weg vorwärtszuschreiten, in immer größerem Umfang Lebensverhältnisse, lebendige Arbeit, menschlichen Rohstoff aufnehmen. Der Kapitalismus muß sich am Menschen ,verunreinigen'. Dies macht
seine extreme Labilität aus" (Negt/Kluge 1972:309).
So hat etwa mit dem Siegeszug von Linux eine "Kultur des Schenkens"
(Raymond 1998-2000) eingesetzt, die auch das renommierte Massachusetts
Institute of Technology (MIT) 2001 veranlasst haben dürfte, aus seinem
Kursangebot auf dem Netz keinen Profit mehr schlagen zu wollen, sondern
seine Seminare, Vortragsnotizen, Problemlösungen, Examen, Simulationen,
Vorlesungsvideos etc. weltweit in einem 100-Millionen-Dollar-Programm
als Open Course Ware (OCW) kostenlos zur Verfügung zu stellen und damit die Frage des intellectual property neu zu diskutieren. Hier zeigt sich
beispielhaft, wie die Technikbegeisterung einiger Weniger einen bedeutenden gesellschaftlichen Wandel in Gang zu setzen imstande ist.
8. "Webreisende folgen den ausgetretenen Pfaden zu ähnlichen Orten"
Frauen, die das Internet nicht nur als Kampfansage an das old boys' network, das heißt als Gewinn bringendes Beziehungsgeflecht verstehen, sondern es – unabhängig von der Geschlechterfrage und allen Unkenrufen zum
Trotz - vor allem als ein demokratisches, da Meinungsvielfalt förderndes
Medium schätzen, dürfen einen spielerischen und das heißt immer auch zeitintensiven Umgang mit ihm nicht scheuen. Umso bedenklicher sind die Er-
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gebnisse aktueller Internet-Studien, die das Online-Verhalten von Frauen
nur auf den ersten Blick in einem ungetrübten Licht erscheinen lassen.
So wird etwa die Tatsache, dass Frauen das Internet durchschnittlich seltener und kürzer nutzen als Männer, darauf zurückgeführt, dass sie vorwiegend gezielt suchen und sich weniger in ,Nebensächlichkeiten' verlieren.
Und in der Tat erinnert die von vielen Frauen geteilte Vorstellung vom Internet als einem ,Werkzeug des Denkens' in erfreulicher Weise an die Worte
der französischen Wissenschaftler Gilles Deleuze und Felix Guattari, die in
ihrer 1976 veröffentlichten Abhandlung "Rhizom" für alternative Formen
der Wissensgenerierung plädierten und mit ihrer Rede vom Wandel des Buches die Entwicklung des modernen Hypertextes antizipierten:
"Das Buch hat aufgehört, ein Mikrokosmos nach klassischer und abendländischer
Art zu sein. Das Buch ist kein Bild der Welt und noch viel weniger Signifikant. Es
ist nicht schöne organische Totalität, auch nicht mehr Einheit des Sinns. Michel
Foucault antwortet auf die Frage, was für ihn ein Buch sei: eine Werkzeugkiste.
Und Proust, dessen Werk voller Bedeutungen stecken soll, meinte, daß sein Buch
wie eine Brille sei: probiert, ob sie euch paßt; ob ihr mit ihr etwas sehen könnt,
was euch sonst entgangen wäre; wenn nicht, dann laßt mein Buch liegen und sucht
andere, mit denen es besser geht. Findet die Stellen in einem Buch, mit denen ihr
etwas anfangen könnt. Wir lesen und schreiben nicht mehr in der herkömmlichen
Weise. Es gibt keinen Tod des Buches, sondern eine neue Art zu lesen. In einem
Buch gibt's nichts zu verstehen, aber viel, dessen man sich bedienen kann. Nichts
zu interpretieren und zu bedeuten, aber viel, womit man experimentieren kann. Ein
Buch muss mit etwas anderem ,Maschine machen', es muß ein kleines Werkzeug
für ein Außen sein. Keine Repräsentation der Welt, auch keine Welt als Bedeutungsstruktur. Das Buch ist kein Wurzelbaum, sondern Teil eines Rhizoms, Plateau eines Rhizoms für den Leser, zu dem es paßt. Die Kombinationen, Permutationen und Gebrauchsweisen sind dem Buch nie inhärent, sondern hängen von seinen Verbindungen mit diesem oder jenem Außen ab. Ja, nehmt was ihr wollt" (Deleuze/Guattari 1992 [1976]:Vorbemerkung).
Über den gebrauchswertorientierten Zugang der Frauen zum Internet dürften sich Deleuze/Guattari freuen, nicht jedoch über ihren Mangel an Experimentierfreude, der bei genauer Betrachtung zu einer überaus bedauerlichen
Entwicklung beigetragen hat: "Webreisende folgen den ausgetretenen Pfaden zu ähnlichen Orten" titelte 1999 die L. A. Times. Sie hatte eine Studie
in Auftrag gegeben, die zu dem Ergebnis kam, dass sich im Netz dieselben
Konzentrationsprozesse vollzögen wie überall sonst auch. So hätten im Juni
1999 bereits 39,4 Prozent aller Netzreisenden ihre Online-Zeit bei den Top
100 Websites verbracht. Bei den Top 50 Websites seien es 35 Prozent gewesen, bei den Top 10 Websites 19,2 Prozent. Der Marktforscher Reston
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glaubt sogar, dass die 10 größten Websites 32 Prozent der Aufmerksamkeit
der Surfenden auf sich ziehen (vgl. Rötzer 1999). Bestätigt wird diese Einschätzung durch Sean Kaldor, Marktforscher bei Nielsen NetRatings, der
beobachtet hat, dass amerikanische Internet-Nutzende im Durchschnitt lediglich 10 Seiten pro Monat ansteuern (vgl. Nielsen NetRatings 2000).
Doch nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland erfolgt das Aufsuchen von Web-Seiten in hohem Maße habitualisiert, wie eine Studie von
ARD und ZDF aus dem Jahr 2002 zeigt.
"Die meisten Nutzer (86%) geben im Allgemeinen gezielt eine Adresse ein (oder
rufen diese über ihre Bookmarks auf). Dabei werden (fast routinemäßig) häufig
dieselben Anbieter aufgesucht. Das Surfen bzw. das Erkunden neuer Seiten ist bei
den meisten Nutzern eher ein seltenes Ereignis. Entsprechend gering ist auch die
Zahl der aufgesuchten Homepages pro privater Internetsitzung: Im Schnitt suchen
die Nutzer pro Sitzung sechs Seiten auf. Männer haben etwas mehr Seiten (sieben), die sie ansteuern, als Frauen (vier). Auch von den Jüngeren, Unter-30Jälvigen werden mit durchschnittlich acht Seiten pro Internetsitzung mehr Homepages angesteuert als von den älteren Nutzern" (van Eimeren u.a. 2002:355).
Darüber hinaus stellt die Studie fest, dass der Zugriff auf einzelne Angebote
in hohem Maße individualisiert stattfindet:
"Die Internetanwender haben sich ein persönliches Koordinatensystem im Web
geschaffen, das sie immer wieder zum Ansteuern ihrer Favoriten verwenden. Diese persönlichen Fixpunkte dienen vor allem der Reduktion von Komplexität im
Netz, die in der Anfangsphase der Internetnutzung für die meisten Internetanwender verwirrend und unüberschaubar war" (ebd.).
Da Frauen häufiger als Männer Online-Neulinge sind, ihr Bild vom Internet
als Dienstleistungseinrichtung sie aber seltener auf virtuelle Erkundungsfahrt gehen lässt, geraten viele von ihnen geradezu zwangsläufig in die
Hände von Netzanbietern, deren Ziel es ist, die Surfenden bereits an den
Toren zur Datenwelt – den Portalen - abzufangen, um sie von dort aus in
mehr oder minder festgeschriebene Denkbahnen und Handlungsroutinen zu
lenken. In vielen Fällen mit Erfolg. Anstatt ins offene Datenmeer hinauszufahren, begeben sich allein in Deutschland knapp fünf Millionen Frauen auf
den Weg in die sicheren, da übelWachten Info-Pools der Online-Dienste,
wo sie garantiert auf zielgruppenspezifisch gebündelte Inhalte stoßen, nur in
den seltensten Fällen jedoch wirkliche Entdeckungen machen (vgl. TNS
Emnid 2002:30). Im Vergleich zu Männern, die das Internet - statistisch
gesehen - eher als Erlebnisraum begreifen und entsprechend mehr Zeit damit verbringen, es zu erkunden, unterwerfen es viele Frauen genau jenem
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Leistungsprinzip, das sie in ihrem Alltag als Hausfrauen, Mütter und Berufstätige nur allzu häufig als erdrückend erfahren. Demnach bemisst sich
der Wert des Internets an der Möglichkeit, Zeit und Geld zu sparen.
Computeranwender, die das Internet aus Angst vor Orientierungs- und Zeitverlust mit Hilfe von professionellen Providern zu durchqueren versuchen,
ähneln in auffallender Weise Pauschaltouristen. Auch diese vertrauen sich
Dienstleistungsunternehmen an, die sie möglichst schnell und ohne Anstrengungen an ihren Zielort bringen sollen. Und so wie der NeckermannKunde von seinem Reiseland in der Regel nicht viel mehr kennen lernt als
das gebuchte Hotel und den dazugehörigen Strand, so vermag auch der
AOL-Kunde sein Ziel in keinen Zusammenhang zu stellen. Die angebotenen
Informationen erscheinen ihm lediglich als isolierte Fakten. Computeranwender, die ihren Besuchsort dagegen in Eigenregie erkunden, lernen auch
dessen Umgebung kennen.
9. Grafische Suchmaschinen - Möglichkeiten der Förderung kontextuellen (Strukturierungs-)Wissens
Technisch unterstützt werden Individualreisende von einer stetig wachsenden Zahl grafischer Suchmaschinen, die eine Internet-Quelle durch Darstellung ihres Umfeldes, also anderer Quellen, mit denen sie verlinkt ist, kritisch einzuschätzen helfen und damit dem Wunsch besonders von Frauen
nach kontextsensitiven Orientierungshilfen nachkommen. Explizit erwähnt
sei die französische MetaSuchmaschine Kartoo, die seit Anfang 2003 auch
über ein deutschsprachiges Interface erreichbar ist. Die gefundenen Seiten
werden in einer übersichtlichen Karte zweidimensional räumlich angeordnet. Die thematischen Relationen zwischen den Ergebnissen werden mit
Verbindungslinien angezeigt. Jede Farbe symbolisiert ein bestimmtes Thema (vgl. Kartoo 2003). Weniger in Form einer Karte als eines, vor allem bei
hohem Vernetzungsgrad, imposanten Kristalls präsentiert dagegen die USamerikanische Meta-Suchmaschine MapStan Search ihre Ergebnisse (vgl.
MapStan Search 2003).
Eine grundsätzlich andere Form der Visualisierung von Netzstrukturen erwartet den Online-Nutzenden unter der Internet-Adresse "WebBrain.com".
Es handelt sich dabei um den Versuch, die katalogbasierte Suchmaschine
"dmoz.org" mithilfe eines animierten Interfaces neu zu organisieren.
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WebBrain bietet ein dreidimensionales Navigationssystem, das verwandte
Begriffe ohne Rangordnung direkt miteinander verknüpft. So hat zum Beispiel der Begriff ,Arbeit' eine direkte Verbindung zu ,Karriere' und
,Einkommen', aber auch zu ,Ungleichheit' und ,Sucht'. Der Vorteil dieser
Art Suchmaschine ist offensichtlich:
"Das Durchblättern von Listen ist keine angemessene Art im Internet zu surfen.
Die heutigen Suchmaschinen sind hervorragend, wenn Sie wissen, wonach Sie suchen, aber wenn nicht, kann das Auffinden interessanter Webseiten zeitraubend
und unbefriedigend sein. WebBrain eignet sich gleichermaßen zum Suchen wie
zum Stöbern. WebBrain bietet Ihnen eine bildliehe Darstellung des Netzes. Sie
müssen nicht wissen, wonach Sie suchen. Sie können einfach eintauchen, sich
durch die Kategorien klicken und ganze Welten von Webseiten zu Themen Ihres
Interesses entdecken. WebBrain lässt Sie verwandte Interessengebiete und Dinge
sehen, von denen Sie vorher noch nie gehört haben. Natürlich können Sie auch gezielt suchen." (TheBrain 2000)
Im Unterschied zu herkömmlichen Web-Navigationssystemen, die durch
ihre starre bzw. hierarchische Strukturierung androzentrische Verzerrungen
aufwiesen und es Frauen dadurch erschwerten, sich im virtuellen Raum zurechtzufinden, gilt den Informatikerinnen Britta Schinzel und Esther Ben die
von TheBrain gewählte Darstellungsmethode als gelungenes Beispiel für
eine Orientierungshilfe, die das Navigationsverhalten von Männern und
Frauen (die eher frei navigierten oder verknüpfte Informationen wie in
Hypertexten bevorzugten) gleichermaßen berücksichtigt (vgl. Schinzel/Ben
2002: 15).
Der Visualisierung von Informationen im Netz dient auch der ,,Atlas of
Cyberspaces", eine faszinierende Sammlung cybergeographischer Karten,
die der britische Wissenschaftler Martin Dodge seit mehreren Jahren immer
wieder neu zusammenstellt. Nach verschiedenen Kategorien sortiert, zeigen
sie Datenflüsse, Verknüpfungen, Infrastrukturen sowie Informationslandschaften und leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Selbstverortung des
Reisenden im Internet (vgl. Dodge 2003).
10. Digitaler Einbahnstraßenverkehr
Weil sich jedoch ungeachtet aller Navigations- und Orientierungshilfen immer weniger Online-Nutzer die Mühe machen, auf Abwegen zu surfen und
Orte zu entdecken, die jenseits des Mainstreams liegen, gibt es immer mehr
Internet-Seiten, die unentdeckt bleiben. Eine im Mai 2000 veröffentlichte
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Studie der US-Firmen Altavista, Compaq und IBM widerlegt die von Physikern der University of Notre Dame in Indiana aufgestellte Theorie, nach der
jede Seite im Netz nicht weiter als 19 Mausklicks von jeder anderen entfernt
ist (vgl. Albert u.a. 1999). Die Untersuchung von annähernd 200 Millionen
Websites und 1,5 Milliarden Hyperlinks hat ergeben, dass das Internet vielmehr die Form einer Fliege (in der Bedeutung einer Querschleife am Kragen) hat, also in vier Regionen zerfällt, die nur eingeschränkt miteinander
verknüpft sind (vgl. Broder u.a. 2000).
Den ‚Knoten' der Fliege, also den ,Kern' des Internets, bilden rund 30 Prozent aller Websites. Innerhalb dieses Kerns bestehend aus zumeist kommerziellen Seiten mit Nachrichten, Unterhaltung, Einkaufsmöglichkeiten usw.
kann problemlos hin- und hergeklickt werden.
Mit dem Knoten der Fliege verbunden sind zwei ,Schleifen' , deren Anteil
jeweils 24 Prozent beträgt. Es handelt sich dabei zum einen um ‚Anfangsseiten' (z.B. private Homepages mit Linklisten), von denen der InternetNutzende zwar zum Knoten gelangen kann, aber nicht umgekehrt, und zum
anderen um ,Endseiten" die wiederum nur vom Knoten aus zu erreichen
sind; hier befinden sich wichtige Informationen (z.B. Forschungsberichte
von Universitäten), aber keine Verweise auf den Kern.
Der vierte Bereich des Internets, rund 22 Prozent, besteht aus Seiten, die
überhaupt nicht mit dem Knoten verbunden sind. Davon sind 10 Prozent
isolierte ,Inseln', die kaum eine Suchmaschine findet, während die restlichen
12 Prozent immerhin in Form von ,Ranken' mit den Schleifen der Fliege
verbunden sind. Insgesamt ist die von Altavista, Compaq und IBM im Mai
und Oktober 1999 durchgeführte Studie mehr als ernüchternd: Entgegen der
weit verbreiteten Vorstellung vom Cyberspace als global village breitet sich
auch das Internet
"gemäß der altbekannten Verteilungsmuster von Geld und Bildung aus - im Zentrum der Datenwelt siedeln Großunternehmen, Geldinstitute, Universitäten und
smarte Städte während ländliche Regionen und die gesamte Dritte Welt an den
Rand des Datenuniversums gedrängt werden" (o.v. 2000).
Zusammen mit den unzähligen Betreibern persönlicher Homepages hoffen
sie dort von ‚Internet-Flaneuren‘ entdeckt zu werden - nicht selten vergebens.
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11. Flanieren im Cyberspace
"Wir kennen die Kunst des Spazierens nicht, die Kunst des Flanierens. Die
Gabe ist uns versagt, uns einer Stunde ganz hinzugeben und nicht zu sorgen
für den kommenden Morgen", schrieb einst Victor Auburtin über die Bevölkerung Berlins (zit. nach Neumeyer 1999: 15lf.). Wie in der Realität so
scheinen auch in der Virtualität "Spazierengehen und Laster so ungefähr
dasselbe" (ebd.: 152). Dabei ermöglicht das ziellose, keiner Zweckrationalität unterworfene Schlendern im Netz das Wahrnehmen von Dingen, für die
der Raser auf dem "Information Superhighway" keinen Blick hat.
"Gegen den zunächst berechtigt erscheinenden Einwand der Beschäftigten: ,Wir
haben keine Zeit, spazierenzugehen!' mache ich dem, der diese Kunst erlernen
oder nicht verlernen möchte, den Vorschlag: Steige gelegentlich auf Deinen Wegen eine Station vor dem Ziel aus dem Autobus oder Auto und ergehe dich ein
paar Minuten [...]. Es ist das unvergleichlich Reizvolle am Spazierengehen, daß es
dich ablöst von deinem mehr oder weniger leidigen Privatleben. Du verkehrst, du
kommunizierst mit lauter fremden Zuständen und Schicksalen [...]. Der richtige
Spaziergänger ist wie ein Leser, der ein Buch nur zu seinem Zeitvertreib und Vergnügen liest - ein selten werdender Menschenschlag heutzutage, da die meisten
Leser in falschem Ehrgeiz wie auch die Theaterbesucher sich verpflichtet halten,
ihr Urteil abzugeben (ach, das viele Urteilen!) [...]. Also, eine Art Lektüre ist die
Straße. Lies sie. Urteile nicht. Finde nicht zu schnell schön und häßlich. Das sind
ja alles so unzuverlässige Begriffe" (Hesse 1979:Klappentext).
Und wer verweilen kann, so möchte man den Worten des Schriftstellers
Franz Hessel hinzufügen, kann auch über das nachdenken, was er sieht, so
dass die Bewegung des Flanierens die Möglichkeit zu einer kritischen Inspektion des realen wie auch virtuellen Raumes eröffnet.
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