Bier – ein Exportschlager in der Hansezeit etwa 200
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Bier – ein Exportschlager in der Hansezeit etwa 200
WISMAR – GESTERN & HEUTE Der 23. April steht in Deutschland traditionell im Zeichen des Bieres. Und das hat einen ganz einfachen Grund. Schließlich wurde am 23. April 1516 das deutsche Reinheitsgebot für Bier proklamiert. Und seitdem gilt per Gesetz: In unser Bier gehören nur Wasser, Hopfen und Gerste (die Hefe wurde erst erwähnt, als man in der Lage war, diese herzustellen). Bier – ein Exportschlager in der Hansezeit etwa 200 Brauereien in Wismar Maisbier in Südamerika, Reisbier in Japan, in afrikanischen Ländern Hirsebier, in Deutschland aus Gerste oder Weizen. Die Fertigkeit, Bier aus Getreide zu brauen, ist uralt und in der ganzen Welt verbreitet. Seit etwa um 800 vor Christus wird in den deutschen Landen Bier gebraut. Mönche beschäftigten sich seit dem frühen Mittelalter mit der Kunst des Bierbrauens, über Jahrhunderte hinweg verfeinerten sie dieses Handwerk und erreichten damit eine erhebliche Qualitätssteigerung. Selbst die Einführung des Hopfens geht auf sie zurück. Bier war in Mittel- und Nordeuropa bis in das 18. Jahrhundert hinein ein Produkt von außerordentlich großem Gebrauchswert. Es galt als Nahrungsmittel ersten Ranges, und war Alltags- und Luxusgetränk zugleich. Es war nicht nur Nahrungs- und Genussmittel, sondern auch Grundsubstanz oder Beigabe vieler Speisen, Heil- und Stärkungsmittel. Hauptsächlich war es aber eine lebenswichtige Flüssigkeit, denn Wasser zu trinken verbot sich lange Zeit aus Geschmacks- und Hygienegründen. Handelsware wurde es erst mit Gründung der mittelalterlichen Städte. In Wismar beispielsweise ergaben Verbrauchsermittlungen für das 16. Jahrhundert einen jährlichen Pro-Kopf-Verbrauch von 320 Litern. Neben dem Hamburger und dem Einbecker Bier gehörte besonders das Wismarer Bier zu den führenden Erzeugnissen des hansischen Brauwesens, da es sehr früh durch die Zugabe von Hopfen wesentlich im Geschmack und hinsichtlich der Haltbarkeit verbessert wurde. Vom Rat kontrolliert, veredelte man den Rohstoff Getreide in Wismar auf einer sehr hohen, im hansischen Raum wohl einzigartigen Qualitätsstufe. „Der Stadt Nahrung beruht auf dem Brauwerk“ Mit diesen Worten beschreibt der Wismarer Rat 1587 die Bedeutung, die das Bierbrauen für die Stadt Wismar von Anfang an besitzt. Wichtige Voraussetzungen wie: eine ausgezeichnete Wasserqualität aus den umliegenden Seen, Getreideanbau vor den Toren der Stadt sowie Hopfengärten legten den Grundstein für einen Exportschlager. Über 180 Brauherren waren im 15. Jahrhundert in der Stadt ansässig, die ein Bier in hervorragender Qualität brauten welches bis nach Holland, Flandern, England, Portugal und in den skandinavischen Raum exportiert wurde. Ungefähr 50.000 Tonnen Bier wurden im Jahr 1465 produziert. Dies entspricht ungefähr 6 Millionen Liter Bier. Davon gingen ungefähr 4,6 Millionen Liter Bier in den Export. Die restlichen Liter Bier wurden in Wismar verbraucht. Der schnelle wirtschaftliche Aufschwung und die daraus resultierende Wohlhabenheit im 14. und 15. Jahrhundert ist u. a. dem Handel mit Bier zu verdanken. Auf dem erweiterten Stadtfeldmarkt sind bis zu 148 Hopfengärten gleichzeitig erwähnt worden. Dennoch konnte mit dem einheimischen Hopfen der Bedarf nicht gedeckt werden. Es wurde vor allem aus Thüringen Hopfen nach Wismar eingeführt. Bierpreise wurden vom Rat der Stadt festgelegt Ursprünglich hatte jedermann das Recht, Bier zu brauen, doch mit der Verbreitung des gewerblichen Brauens sicherte sich die Obrigkeit ihren Einfluss. Später war es an bestimmte Personen bzw. Hausplätze gebunden. Das Braurecht war in der Stadt Wismar mit dem Besitz eines Brauhauses verknüpft. So konnte das Braurecht verfallen, wenn in einem Haus mehr als zwanzig Jahre nicht gebraut wurde. Dieses Privileg nutzten die Brauherren, die gleichzeitig als Kaufleute und Mitglieder des Rates der Stadt tätig waren. Die Brauherren brauten jedoch nicht selbst, sondern haben Meisterbrauer und deren Hilfskräfte eingestellt, die in ihrem Dienst das Wismarer Bier brauten und für den gesamten Brauvorgang vom Malzen des Getreides bis zum Abfüllen des Bieres in Tonnen verantwortlich waren. Der Rat der Stadt legte in einer Verordnung die Menge, die Qualität sowie den Preis fest. Die Brauer mussten auf die Einhaltung dieser Brauordnung beim Rat der Stadt schwören. Dieses Reglement wirkte sich positiv auf die Qualität des Bieres aus. Handel, Wirtschaft und Gewerbe kurbeln den wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt an Kaufleute aus Mecklenburg und Vorpommern waren in fast ganz Europa unterwegs. Besonders Händler aus Rostock und Wismar fuhren in den Oslo-Fjord und nach Bergen in Mittelnorwegen. Vor allem das Wismarer Bier fand reißenden Absatz in Skandinavien, in Flandern und England, wobei insbesondere Lübecker Kaufleute daran verdienten. Von dem wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt profitierten auch die Handwerks- und Gewerbebetriebe. So sind bereits in dem ältesten erhaltenen Stadtbuch aus den Jahren 1250 bis 1297 alle wesentlichen Berufsgruppen vertreten. So gehörten die Böttcher schon im ersten Jahr zu den erwähnten Berufsgruppen. Fehlen durften auch u. a. Garbräter, Kannengießer, Kupferschläger, Heringswäscher, Waffenschmiede und Schwertfeger nicht. Im zweiten Stadtbuch der Stadt fand bereits der Apotheker Erwähnung. Selbst auf dem 1354 verwendeWismarer Stadtsiegel von 1256 ten Siegel der Stadt wurde auf die Hauptwirtschaftszweige der mittelalterlichen Stadt verwiesen: Hopfenranken im Hintergrund symbolisieren den Hopfenhandel und das Bierbrauen, die Kogge steht für den Fernhandel. Einfuhr von Kolonialprodukten verdrängte den Bierkonsum Mit dem Niedergang der Hanse und durch die Auswirkungen des 30-jährigen Krieges verlor das hanseatische Bier an Bedeutung, aber auch das Aufkommen anderer Genussmittel wie Tee, Kaffee, Kakao sowie eine bessere Wasserqualität ließen das Bier in der Bedeutung als Nahrungs- und Genussmittel sinken. Auch der vermehrte Branntweingenuss drängte den Bierkonsum zurück. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es in Wismar noch vier Brauereien. Die letzte Brauerei im „Schabbellhaus“ – heute Sitz des Stadtgeschichtliche Museum – schloss 1921 ihre Pforten. Seit 1995 wird in unserer mittlerweile 777-jährigen alten Hansestadt wieder Bier gebraut – im Brauhaus am Lohberg. Fünf Sorten, je nach Jahreszeit, sind im Angebot. Viele Liebhaber des Gerstensaftes schätzen das dort gebraute Bier in althergebrachter Qualität. Quellen: • Wismarer Beiträge Heft 10: „Die Rolle Wismars beim hansischen Bierexport nach Flandern und Holland“, Klaus-Dieter Hoppe • Archivmaterial aus dem Museum der Hansestadt Wismar • „Archäologie unter dem Straßenpflaster“, Band 39 • „Brauen in Mecklenburg“, Reno Stutz STADTANZEIGER / 22. APRIL 2006 7