Variable Dampfbremse - Fraunhofer

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Variable Dampfbremse - Fraunhofer
Problemlösungen für schwierige bauphysikalische
Sanierungen: Variable Dampfbremse - Fallbeispiele
Hartwig M. Künzel
Fraunhofer-Institut für Bauphysik
(Leiter: Prof. Dr.-Ing. habil. Dr. h.c. mult. Dr. E.h. mult. Karl Gertis)
Kurzfassung
Bei der Sanierung von Gebäuden wird der Planer oder ausführende Handwerker zum
Teil mit schwer lösbaren Feuchteschutzproblem konfrontiert, wenn es gilt die vorhandene Bausubstanz durch zusätzliche Dämmung möglichst kostengünstig auf ein modernes Anforderungsniveau zu heben. Dabei kann insbesondere der Einsatz von herkömmlichen Dampfsperren für den Tauwasserschutz unerwünschte Nebenwirkungen
haben. Häufig sind traditionelle Wand- und Dachkonstruktionen, wie z.B. Fachwerkwände oder Steildächer mit dampfdichter Vordeckung (Dachpappe) darauf angewiesen,
auch zur Raumseite hin austrocknen zu können. Wird dies durch Dampfsperren verhindert können kleine Ausführungsmängel rasch zu großen Feuchteschäden führen.
Durch die Betrachtung des instationären Temperatur- und Feuchteverhaltens von
Außenbauteilen wird deutlich, dass der Versuch einer hermetischen Abdichtung große
Nachteile besitzt und besser durch ein kontrolliertes Feuchtemanagement ersetzt
werden sollte. Das heißt, statt Dampfsperren lieber dampfbremsende Bauteilschichten
einsetzen und in schwierigen Fällen auf Dampfbremsen mit variablem Diffusionswiderstand zurückzugreifen, um ein ausreichendes Austrocknungspotential zu gewährleisten.
Anhand von vier Fallbeispielen wird gezeigt, wie variable Dampfbremsen funktionieren
und welchen günstigen Einfluss sie, im Vergleich zu konventionellen Dampfsperren auf
das Feuchteverhalten von Bauteilen nach der Sanierung haben.
Vortrag zur 10. e . u . [z] – Baufachtagung 18./19. Okt. 2001 in Hannover
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1. Einleitung
Altbauten, seien es denkmalgeschützte Prachtbauten oder weniger ästhetische
Nachkriegsgebäude haben eines gemeinsam: Ihr Wärmeschutz entspricht in der
Regel nicht den heutigen Anforderungen an den Wohnkomfort und den Heizenergiebedarf. Deshalb muss bei der Altbausanierung in erster Linie auf eine energetische
Verbesserung des Gebäudes abgezielt werden. Meist wird der größte Energieeinspareffekt durch eine Erhöhung der Wärmedämmung erreicht. Dabei sind jedoch
durch die vorhandene Bausubstanz und das Budget häufig enge bauphysikalische
Grenzen gesetzt. Vor allem beim Anbringen einer Innendämmung oder beim nachträglichen Ausbau von Dachgeschossen können Probleme mit dem Feuchteschutz
der Konstruktion auftreten. In solchen Fällen kann der Einsatz einer variablen
Dampfbremse die Situation oft verbessern. Die variable oder feuchteadaptive
Dampfbremsfolie passt ihren Dampfdiffusionswiderstand so den Umgebungsbedingungen an, dass die Feuchtebilanz von Bauteilen, d.h. die Bilanz aus Feuchteaufnahme und –abgabe deutlich verbessert wird. Im folgenden wird die Funktionsweise dieser Dampfbremse unter den instationären Wärme- und Feuchteverhältnissen in der Praxis beschrieben und ihre Wirkung anhand von unterschiedlichen
Fallbeispielen aufgezeigt.
Bild 1 Schematische Darstellung der wärme- und feuchtetechnischen Einwirkungen
und deren Richtungen bei einer Dachkonstruktion.
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2. Instationäres Temperatur- und Feuchteverhalten von Außenbauteilen
Die Hauptaufgabe von Außenbauteilen ist der Schutz von Gebäuden vor den natürlichen Witterungsbedingungen. Neben Niederschlag und Wind, die nur sporadisch
auftreten, sind hier vor allem die Sonnenstrahlung und die Außenluftbedingungen
von Bedeutung. In Bild 1 sind diese hygrothermischen Einflüsse und ihre Wirkungsrichtungen am Beispiel eines Steildaches schematisch dargestellt. Die meisten
Einflussfaktoren unterliegen an der Außenoberfläche tageszeitlichen und raumseitig
saisonalen Schwankungen oder sogar Richtungsänderungen. Tagsüber wird der
Dacheindeckung durch Sonneneinstrahlung Wärme zugeführt, was zu einer
Temperaturerhöhung führt bis sich ein Gleichgewicht mit der Wärmeabgabe nach
innen durch Wärmeleitung und nach außen durch langwellige Abstrahlung, Konvektion und eventuell Latentwärmeeffekte bei Phasenumwandlungen (Verdunsten von
Niederschlagswasser oder Schneeschmelze) einstellt. Bereits vor Sonnenuntergang,
wenn die solare Einstrahlung zurückgeht kann die langwellige Abstrahlung vor allem
an klaren Tagen zu einer deutlichen Unterkühlung und damit einer Betauung des
Daches führen. Bei einer mittleren Betauungszeit von ca. 300 Stunden pro Monat
werden der Außenoberfläche von gut gedämmten Dächern dadurch monatlich
zwischen 2 kg/m² (Winter) und 8 kg/m² (Sommer) Tauwasser zugeführt. Bei Belüftung des Daches können entsprechende Tauwassermengen auch in der Belüftungsebene anfallen und zu einer deutlichen Befeuchtung der Sparren führen [1].
Die Vorgänge an der Dachoberfläche wirken sich auch auf die instationären
Temperatur- und Feuchteverhältnisse in der Konstruktion aus. Die tagsüber erhöhte
Außenoberflächentemperatur bedingt eine Dampfdiffusion weg von den äußeren
Bauteilschichten ins Innere des Daches bzw. bei diffusionsoffenen Konstruktionen
auch eine Feuchteabgabe an die Außenluft. Welche Ausmaße die Feuchteumlagerung nach innen annehmen kann ist in Bild 2 am Beispiel eines nach Süden
orientierten Blechdaches dargestellt. Dort sind die gemessenen Verläufe der Dachoberflächentemperatur und der relativen Luftfeuchte zwischen Dampfbremse und
Mineralwolledämmung für einem klaren Wintertag aufgezeichnet [2]. Bei winterlichen
Außenlufttemperaturen steigt die Temperatur der Blecheindeckung von –15°C in der
Nacht auf 70°C an. Dieser starke Temperaturanstieg treibt die Feuchte der Holzschalung (Tragschalung für die Blecheindeckung) in das Dachinnere. Deshalb steigt
die Feuchte zwischen Dampfbremse und Dämmung mit einer leichten Verzögerung
von unter 10% auf über 90% r.F. an. In der Nacht, wenn die Dachoberflächentemperatur wieder unter die Temperatur des beheizten Innenraumes fällt dreht sich
der Dampfdiffusionsstrom um und die relative Feuchte hinter der Dampfbremse geht
nach einiger Zeit auf den Ausgangszustand zurück. Diese Messungen zeigen
deutlich die täglichen Feuchteschwankungen, die in einem Bauteil durch Dampfdiffusion auftreten können. In der Regel ist jedoch der nächtliche Diffusionsstrom im
Winter größer als die sonnenbedingte Umkehrdiffusion, so dass die Feuchte im
Winter über einen längeren Zeitraum betrachtet nach außen wandert. Im Sommer
nimmt die Umkehrdiffusion entsprechend zu, so dass sich die Feuchte größtenteils
nach innen verlagert bzw. zur Raumseite hin austrocknet, wenn sie nicht durch eine
Dampfsperre daran gehindert wird.
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Bild 2
An einem klaren Wintertag bei einem nach Süden orientierten unbelüfteten
Blechdach (Neigung 50°) gemessene Verläufe der Oberflächentemperatur
(Temperatur der Blecheindeckung) und der relativen Luftfeuchte zwischen
Dampfbremse und Mineralwolledämmung.
3. Feuchtemanagement, der moderne Feuchteschutz
Wie bereits gezeigt sind die hygrothermischen (temperatur- und feuchtebedingten)
Beanspruchungen von Außenbauteilen vielfältig. Bewitterte Dächer und Fassaden
sind ausgeprägten Wechsellasten ausgesetzt. Dabei überlagern sich meist mehrere
Belastungszyklen, wie z.B. der Sommer/Winter-, Tag/Nacht-, Regen/SonnenscheinZyklus. Aufgrund der daraus resultierenden Bauteilbewegungen bzw. Materialspannungen sowie Alterungs- oder Schädigungsprozessen sind die hygrothermischen
Beanspruchungen entscheidend für die Lebensdauer eines Bauteils. Die raumseitigen Wechsellasten, vor allem der Sommer/Winterzyklus sowie nutzungsbedingte
Temperatur- und Feuchtewechsel sind in der Regel weniger bedeutend, was ihre
mechanischen Auswirkungen anbelangt. Für die Behaglichkeit und hygienische
Qualität im Raum sind sie jedoch nicht zu vernachlässigen. Der Einsatz von dampfdichten Sperrschichten hat sich bei bewitterten Außenbauteilen als problematisch
erwiesen. Viele Bauschadensfälle sind auf das Versagen solcher Sperrschichten
aufgrund von Ausführungsmängeln oder ungenügender Dauerhaftigkeit zurückzuführen.
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Anstatt die hermetische Abdichtung zu perfektionieren konzentriert sich der moderne
Feuchteschutz deshalb auf das Feuchtemanagement von Bauteilen. Das heißt, ein
begrenzter Feuchteeintrag wird hingenommen, wenn anschließend eine ausreichend
rasche Austrocknung sicher gestellt ist. Die jeweils zulässigen Feuchtemengen und
deren Verweilzeit im Bauteil richten sich dabei nach der Art der Beanspruchung
sowie der Feuchtespeicherfähigkeit und Feuchteresistenz der beteiligten Materialien.
Generell kann davon ausgegangen werden, dass ein Bauteil nach einem
charakteristischen Beanspruchungszyklus nicht mehr Feuchte enthalten darf als
vorher. Beispielsweise muß das winterliche Tauwasser im Sommer völlig
austrocknen. Genauso muß eingedrungenes Niederschlagswasser während der
nächsten Trockenperiode abgegeben werden. Außerdem darf das während eines
Zykluses aufgenommene Wasser eine bauteilverträgliche Grenze nicht
überschreiten. Die Beurteilung des instationären Temperatur- und Feuchteverhaltens
ist mit einem gewissen Aufwand verbunden und erfordert einschlägige Erfahrung.
Manchmal sind auch rechnerische Simulationen zur Absicherung der
Gebrauchstauglichkeit
einer
Konstruktion
notwendig.
Der
Vorteil
des
Feuchtemanagements liegt in der Betonung des Austrocknungspotentials. Dies führt
zu einer größeren Feuchteschadenstoleranz bei kleineren Ausführungsmängeln oder
alterungsbedingten Eigenschaftsänderungen. Das Feuchtemanagement stellt jedoch
keinen Freibrief für schlechte Verarbeitung oder unzureichende Wartung dar.
4. Die variable Dampfbremse
Herkömmliche Dampfsperren mit einem sd-Wert (Sperrwert als diffusionsäquivalente
Luftschichtdicke ausgedrückt) von mehr als 100 m helfen zwar auf einfache Weise
die Normvorgaben in der DIN 4108 [3] zu erfüllen, für den praktischen Einsatz sind
sie jedoch nur in Ausnahmefällen gut geeignet. Untersuchungen an modernen
Holzhäusern in den USA haben gezeigt, dass selbst bei guter Verarbeitung der
konvektionsbedingte Feuchteeintrag in Außenbauteile etwa dem Diffusionsstrom
durch eine Dampfbremse mit einem sd-Wert von ca. 3 m entspricht [4]. D.h. selbst
bei einem wesentlich höheren Sperrwert der Dampfbremse gelangt soviel Feuchte in
das Bauteil, als wenn sie nur einen sd-Wert von 3 m hätte. Deshalb suggerieren
Dampfsperren mit hohen sd-Werten zwar eine höhere Sicherheit gegen Tauwasserausfall, in Wirklichkeit wird der winterliche Feuchteeintrag jedoch kaum reduziert.
Dafür wird die sommerliche Austrocknung stark behindert, wenn nicht verhindert. In
vielen Fällen ist es daher sinnvoller statt einer Dampfsperre eine diffusionshemmende Dampfbremse mit einem sd-Wert zwischen 2 m und 5 m einzusetzen.
Die winterliche Tauwasserbildung wird dadurch ausreichend begrenzt und gleichzeitig eine gewisse Rücktrocknung zur Raumseite im Sommer ermöglicht.
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Bild 3:
Abhängigkeit des Diffusionssperrwertes (sd-Wert) der feuchteadaptiven
Dampfbremsfolie auf Polyamidbasis von der relativen Luftfeuchte (oben:
Messung bei 23°C) und Temperatur (unten: Messung im Trockenbereich).
Bei der Altbausanierung, wie z.B. bei der Innendämmung von Fachwerkgebäuden
oder bei der nachträglichen Dämmung außen dampfdichter Steildächer, reicht das
Austrocknungspotential durch eine diffusionshemmende Dampfbremse manchmal
nicht aus, um eine langfristige Feuchtesicherheit der Konstruktion zu gewährleisten
[5]. In solchen Fällen ist es günstig das Trocknungspotential durch den Einsatz einer
variablen Dampfbremse zu erhöhen. Eine variable oder feuchteadaptive Dampfbremse verhält sich unter winterlichen Randbedingungen, wie eine diffusionshemmende Dampfbremse. Sind jedoch günstige Voraussetzungen für die Austrocknung des Bauteils gegeben, wie z.B. im Sommer oder auch in anderen Jahreszeiten
bei witterungsbedingter Umkehrdiffusion wird sie diffusionsoffen und fördert damit
die Trocknung. Dieses Phänomen lässt sich durch den feuchteadaptiven sd-Wert der
variablen Dampfbremse erklären. Wie bereits die Messergebnisse in Bild 2 gezeigt
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haben, schwankt die relative Feuchte hinter einer Dampfbremse stark mit den
Witterungsbedingungen. Wandert die Feuchte nach außen, wird es im Bereich der
Dampfbremse sehr trocken. In dieser Situation muß die Dampfbremse dafür sorgen,
dass von der Raumseite nicht noch mehr Feuchte nachkommt, die diesen Diffusionsstrom noch verstärkt. Sie muss also möglichst dicht sein. Wandert die Feuchte nach
innen (diese Situation wird als Umkehrdiffusion bezeichnet), steigt die relative
Feuchte an der Dampfbremse stark an. Im Extremfall kommt es dabei sogar zur
Tauwasserbildung. Jetzt ist eine hohe Durchlässigkeit der Dampfbremse vorteilhaft,
damit die ankommende Feuchte an die Raumluft weiter gegeben werden kann und
das Bauteil austrocknet.
Bild 3 zeigt die Abhängigkeit des sd-Wertes der feuchteadaptiven Dampfbremsfolie
auf Polyamidbasis von der Umgebungsfeuchte und –temperatur. Die ausgeprägte
Abhängigkeit der Dampfdurchlässigkeit von den hygrischen Umgebungsverhältnissen ist auf die Einlagerung von Wassermolekülen zwischen die langkettigen
Polymermoleküle zurückzuführen. Bei normaler Raumlufttemperatur variiert ihr
Sperrwert zwischen ca. 4 m im trockenen Zustand und 0,1 m bei sehr hoher Feuchte
(Tauwasserbildung auf der Folie oder Kontakt mit nassem Baustoff). Damit erfüllt sie
in fast idealer Weise, die Anforderungen zum Einsatz für eine feuchtetolerante
Konstruktion. Die Temperaturabhängigkeit des Sperrwertes ist weit weniger
ausgeprägt als die Feuchteabhängigkeit. Sie spielt im praktischen Einsatz, wegen
der geringen Variation der Raumlufttemperatur kaum eine Rolle.
5. Fallbeispiele für den praktischen Einsatz der variablen Dampfbremse
Zur Verifizierung der theoretischen Überlegungen und instationären hygrothermischen Berechnungen, die zur Entwicklung der variablen Dampfbremse geführt
haben [5], sind auf dem Versuchsgelände des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik in
Holzkirchen eine Reihe von experimentellen Untersuchungen durchgeführt worden,
die im folgenden kurz zusammengefasst werden.
Zinkblech
PA-Folie
Bild 4:
Holzschalung
Gipskarton
Mineralwolle
PE-Folie
Aufbau des untersuchten Blechdaches.
Sparren
Holzfeuchtemessstellen
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5.1 Austrocknung eines unbelüfteten Blechdaches
Gegenstand der Untersuchung ist ein in [2] ausführlich beschriebenes unbelüftetes
Blechdach mit Glaswolle-Zwischensparrendämmung. Betrachtet wird die nordorientierte Dachhälfte mit einer Neigung von 50° über einem beheizten und
Dachraum, dessen Raumluft während der Heizperiode durch regelbare Luftbefeuchter auf 50% r.F. eingestellt wird. Wie in Bild 4 dargestellt ist ein Teil der Sparrenfelder raumseitig durch eine konventionelle Polyethylenfolie (PE-Folie) und der
andere Teil mit der feuchtevariablen Polyamidfolie (PA-Folie) abgedichtet. Die darauf
folgende Innenbeplankung besteht in beiden Fällen aus Gipskarton. Mit Hilfe der
ebenfalls in Bild 4 eingezeichneten Holzfeuchtemessfühler (elektrische Widerstandsmessung) wird die sommerliche Austrocknung der anfangs fasergesättigten 30 mm
starken Holzschalung verfolgt. Um eine eventuelle Umverteilung der Feuchte in der
Dachkonstruktion feststellen zu können wird außerdem die raumseitige Oberflächenfeuchte der Sparren registriert.
Bild 5:
Gemessener Verlauf der Holzfeuchte in der Bretterschalung unter der
Blecheindeckung und im Bereich der raumseitigen Sparrenoberflächen
in den Dachfeldern mit den unterschiedlichen Dampfbremsfolien
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Die Holzfeuchteverläufe der äußeren Schalung und der Sparrenoberflächen in der
Nähe der Innenbeplankung sind von April bis September in Bild 5 aufgezeichnet. Die
Sparrenfeuchte ist zu Beginn beiden Dachfeldern nahezu gleich groß. Die
Schalungsbretter haben zwar am Anfang im Feld mit der herkömmlichen PE-Folie
eine etwas höhere Feuchte, als im anderen Feld, sie liegt aber in beiden Fällen über
der Fasersättigung. Im Laufe des Sommers wandert die Feuchte aus der Schalung
nach innen. Aus der gleichmäßigen Abnahme der Schalungsfeuchte in den Dachfeldern ist erkennbar, dass der mittlere Diffusionsstrom annähernd gleich groß ist. In
der Summe verliert die Schalung im Sommer ca. 2,5 kg/m² Wasser. Dafür steigt die
Sparrenfeuchte auf der Innenseite an, wobei die feuchtevariable PA-Folie eine
rasche Trocknung in den Wohnraum hinein ermöglicht. Dadurch wird der anfängliche
Feuchteanstieg im Vergleich zum Feld mit der PE-Folie so stark gedämpft, dass die
Sparrenfeuchte nicht über die kritische Marke von 20 M.-% ansteigt. Am Ende des
Sommers liegt die Holzfeuchte im gesamten Dachfeld mit der variablen Dampfbremse unter 15 M.-% (lufttrockener Zustand), während die Feuchte im Feld mit der
PE-Folie deutlich erhöht bleibt (> 20 M.-%) und am Ende des Sommers langsam
wieder nach außen wandert.
5.2 Schrägdachsanierung von außen
Bei der Neueindeckung von ausgebauten Dächern bestehender Gebäude ist häufig
ein gleichzeitiger Einbau bzw. eine Erneuerung der Wärmedämmung zweckmäßig. In
der Regel soll dabei der Wohnraum unangetastet bleiben, so dass Dämmung und
Dampfbremse (sie ist in der Regel erforderlich, wie in [6] gezeigt) nur von außen in
den Sparrenzwischenraum eingepasst werden können. Da die Dampfbremse nach
herkömmlichem Verständnis nicht über die Kaltseite eines Bauteils gehen soll, muß
sie so zugeschnitten und an die Flanken der einzelnen Sparren angedichtet werden,
dass der Sparren an der Außenseite frei bleibt. Dieses Vorgehen ist nicht nur
aufwendig, es hat auch den Nachteil, dass eine dauerhafte Luftdichtheit nur schwer
zu erreichen ist. Wesentlich einfacher und auch vorteilhafter in bezug auf die
Luftdichtheit wäre das Weiterführen der Dampfbremse über die Außenseite der
Sparren. Welche Auswirkungen eine solche Maßnahme auf die Feuchtesituation in
den Sparren haben kann, wird zunächst durch einen einfachen Laborversuch und
anschließend rechnerisch untersucht.
Ein frisch eingeschlagener Holzbalken mit einem Querschnitt von 140 mm x 140 mm
wird in 50 cm lange Abschnitte gesägt, stirnseitig versiegelt und mit der feuchteadaptiven PA-Folie bzw. mit einer herkömmlichen PE-Folie umhüllt und abgedichtet.
Anschließend werden die folienumwickelten Sparrenstücke zusammen mit unverhüllten Referenzproben in einem Klimaraum bei 23°C und 50% r.F. gelagert und
regelmäßig gewogen. Nach Ende des Versuchs wird die verbleibende Holzfeuchte
mit Hilfe der Darrmethode bestimmt. Bild 6 zeigt die mittleren Holzfeuchteverläufe
der Sparrenstücke über einen Zeitraum von sechs Monaten. Ausgehend vom
Zustand der Fasersättigung trocknen die nicht umhüllten Referenzproben innerhalb
von vier Wochen unter die kritische Marke von 20 M.-%. Die mit der variablen PA-
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Folie umhüllten Proben brauchen dazu knapp fünf Monate. Die Trocknungszeit liegt
damit noch innerhalb des in der DIN 68 800 geforderten Austrocknungszeitraumes
von sechs Monaten. Die in PE-Folie eingewickelten Sparrenstücke trocknen
hingegen so gut wie gar nicht aus und zeigen gegen Ende des Versuchs deutliche
Spuren von oberflächlichem Schimmelpilzwachstum [7].
Bild 6:
Durch Wiegen bestimmte Austrocknungsverläufe der folienumhüllten Sparrenstücke und der unverhüllten Referenzproben in
einem Klimaraum
Das Verhalten der Sparrenstücke im Laborversuch kann mit Hilfe zweidimensionaler
Simulationsrechnungen auf den eingangs genannten Sanierungsfall übertragen
werden [8]. Ausgehend von einem Schrägdach mit angefeuchteten Holzsparren wird
die Feuchteverteilung im Holz über einen Zeitraum von drei Jahren nach einer
Sanierung betrachtet, bei der die jeweilige Dampfbremsfolie zur Verbesserung der
Luftdichtheit über die Sparren verlegt wird. Einmal wird die herkömmliche PE-Folie
und das andere Mal die feuchteadaptive PA-Folie verwendet. Um bei den
Ergebnissen auf der sicheren Seite zu liegen werden kurzwellige Strahlungsenergiegewinne und kapillare Transportvorgänge, die die Austrocknung beschleunigen könnten, nicht berücksichtigt. Bild 7 zeigt den zugrunde gelegten Dachausschnitt dessen Symmetrieebenen jeweils durch die Mitte von Sparren und Gefach
verlaufen. Die benötigten hygrothermischen Kennwerte stammen aus der WUFIDatenbank. Der Innenputz wird mit einer diffusionsäquivalenten Luftschichtdicke (sd-
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Wert) von 0,2 m und die diffusionsoffene Schalungsbahn auf der Außenseite mit
einem sd-Wert von 0,02 m angesetzt. Als klimatische Randbedingungen werden
Tagesmittel der Außentemperatur und -feuchte eines für Holzkirchen typischen
Jahres gewählt. Das Raumklima variiert sinusförmig zwischen 20 °C, 40 % rel.
Feuchte im Winter und 22 °C, 60 % rel. Feuchte im Sommer (repräsentative Werte
für normale Wohnraumnutzung). Die Berechnung des Austrocknungsverhaltens
beginnt im Oktober. Für den Holzsparren und die Holzverschalung wird ein Anfangswassergehalt von 110 kg/m³ (knapp 30 Masse-%) angenommen. Die Anfangsfeuchte
der übrigen Materialien entspricht der Ausgleichsfeuchte bei 80 % rel. Feuchte.
Schalungsbahn
Holzschalung
130
Holzsparren
Mineralwolledämmung
25
Dampfbremsfolie
Holzwolleleichtbauplatte
2
Putz
50
Bild 7:
300
Durch die Symmetrieebenen begrenzter Ausschnitt aus dem
Aufbau des von außen sanierten Daches.
Der Trocknungsverlauf des betrachteten Dachausschnitts mit den beiden
unterschiedlichen Dampfbremsen ist anhand von Feuchte-Isoflächen für zwei
Zeitpunkte in Bild 8 dargestellt. Bei dem Dach mit der PE-Folie trocknet nur ein Teil
der Feuchte nach innen aus, während sich der Rest durch Dampfdiffusion zur
äußeren Sparrenoberfläche hin bewegt, wie die Feuchteverteilung nach sechs
Monaten und nach einem Jahr deutlich zeigt. Ersetzt man die PE-Folie durch eine
feuchteadaptive PA-Folie, wie in Bild 8 rechts dargestellt, dann trocknet die
anfänglich vorhandene Sparrenfeuchte rasch nach allen Seiten aus. In der
Anfangszeit führt dies allerdings in der Nähe des Sparrens zu einer leichten
Erhöhung der Schalungsfeuchte, die sich jedoch innerhalb eines Jahres wieder
vollständig abbaut.
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Bild 8:
Feuchteverteilung im Dach 6 und 12 Monate nach der Sanierung.
Die Entwicklung der Holzfeuchteverteilung im Dach bei Einsatz der unterschiedlichen
Dampfbremsen ist anhand der inneren und äußeren Oberflächenfeuchten der
Sparren (jeweils in der Mitte betrachtet) in Bild 9 dargestellt. Während die Feuchte
der raumseitigen Sparrenoberfläche bei beiden Konstruktionsvarianten rasch
austrocknet und sich den saisonalen Raumluftfeuchtebedingungen annähert, kommt
es an der äußeren Sparrenoberfläche unter der PE-Folie langfristig zu sehr kritischen
Feuchtezuständen. Im Gegensatz dazu trocknet die Sparrenoberfläche unter der
feuchteadaptiven PA-Folie innerhalb eines Jahres bis unter 20 M.-% aus. Damit
können dort Schäden durch Schimmelpilz oder Fäulnis an den Sparren nach der
Sanierung ausgeschlossen werden.
Die Ergebnisse der zweidimensionalen hygrothermischen Simulation zeigen, dass
bei nachträglich von außen gedämmten Dächern mit umwickelten Sparren die
Funktionstauglichkeit entscheidend von der Wahl der Dampfbremsfolie abhängt.
Verwendet man PE-Folie, so trocknet der Sparren nur schlecht aus und es kommt
innerhalb des Sparrens zu Holzfeuchten über 100 Masse-%. Wird hingegen eine
variable Dampfbremse auf der Basis von Polyamid eingesetzt, trocknet der Sparren
kontinuierlich aus.
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Bild 9
Zeitliche Entwicklung der Feuchteverhältnisse in den Sparren
während der ersten drei Jahre nach der Sanierung.
5.3 Austrocknung leichter Außenwandelemente
Genauso, wie bei Dächern gibt es auch bei Wänden Konstruktionen, die z.B.
aufgrund dampfdichter Beschichtungen, Wandkollektoren oder Blechbeschlägen
kaum nach außen austrocknen können. In solchen Fällen sollte die Dampfdiffusion
zur Raumseite eine Entspannung der Feuchtesituation ermöglichen. Deshalb wird
mit Hilfe des folgenden Fallbeispiels untersucht, ob die variable Dampfbremse auch
unter den hygrothermischen Bedingungen, die an Außenwänden herrschen ihre
trocknungsfördernde Wirkung zeigt. Dazu werden Leichtbauelemente in die Ost- und
Westfassade der klimatisierten (20°C, 50% r.F.) IBP-Versuchshalle eingebaut. Der
Aufbau der Leichtbauelemente ist in Bild 10, links skizziert. Zur Bestimmung des
Trocknungspotentials werden die anfangs trockenen Holzbretter der Außenbeplankung vor dem Einbau solange in Wasser getaucht, bis sie etwa 50 M.-% (4 kg/m²)
aufgenommen haben. Anschließend werden die Wandelemente außen mit einer
Aluminiumplatte dampfdicht verschlossen. Raumseitig kommt die feuchteadaptive
PA-Folie und als Innenbeplankung eine Gipskartonplatte zum Einsatz.
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Bild 10:
Aufbau (rechts) und Austrocknungsverläufe (links) exponierter
Wandelemente einer klimatisierten Versuchshalle
Der Versuch startet im November 1998, wobei der Wassergehalt wöchentlich durch
Wiegen der herausnehmbaren Wandelemente bestimmt wird. Auf der rechten Seite
von Bild 10 sind die gemessenen Feuchteverläufe der west- und ostorientierten
Elemente dargestellt. Während in den Wintermonaten Dezember bis einschließlich
Februar eine leichte Zunahme des Wassergehalts durch eindiffundierende
Raumluftfeuchte festzustellen ist, beginnt bereits im März die Austrocknung der
Elemente. Fünf Monate später, im August ist sowohl das nach Westen, als auch das
nach Osten ausgerichtete Leichtbauelement völlig trocken, wobei sie insgesamt
mehr als 4 kg/m² Wasser abgegeben haben. Das ist viermal soviel, wie die zulässige
Tauwassermenge nach DIN 4108 [3]. Der etwas günstigere Trocknungsverlauf des
westorientierten Wandelements ist auf die höhere solare Einstrahlung
zurückzuführen, da die Ostseite der Versuchshalle im Gegensatz zur Westseite
einen großen Dachüberhang besitzt.
5.4 Feuchteverhalten einer Fachwerkwand mit Innendämmung
Bei der Innendämmung von Fachwerkwänden sollte der sd -Wert der Dämmschicht
samt Innenputz bzw. Beplankung und ggf. Dampfbremse gemäß WTA-Merkblatt 8-196-D [9] zwischen 0,5 m und maximal 2 m liegen. Hintergrund dieser Empfehlung
sind die gegenläufigen Tauwasserschutz- und Schlagregenschutzanforderungen. Der
Schlagregenschutz bei Fachwerkfassaden besteht in einer Maximierung des Austrocknungspotentials, da ein Eindringen von Regenfeuchte in die Fugen zwischen
Holzkonstruktion und Ausfachung bis tief in die Wand hinein nicht zu verhindern ist.
15
Das heißt, auch die Innendämmung sollte so dampfdurchlässig, wie möglich sein.
Der Tauwasserschutz ist im Prinzip nur durch einen sd -Wert am oberen Ende dieses
Bereichs zu gewährleisten. Dieser Spagat lässt sich am ehesten mit einer variablen
Dampfbremse bewerkstelligen. Da im vorangegangenen Fallbeispiel die Austrocknungsmöglichkeit durch diese Dampfbremse bereits gezeigt wurde, soll hier ihr
Einsatz für den Tauwasserschutz bei Fachwerkwänden genauer beleuchtet werden.
160
40
Fachwerkhaus ( Nordseite )
30
Leichtbeton
Mineralwolle
Feuchtesensoren
feuchteadaptive
Dampfbremse
Gipskarton
Holzfeuchte [M.-%]
ohne Dampfsperre
mit feuchteadaptiver Dampfbremse
25
20
15
10
A
Bild 11:
S
O
N D J F M A M
August 2000 - Juli 2001
J
J
Aufbau der Fachwerkwand mit Innendämmung (links) und Verlauf der
Holzfeuchte im Fachwerk mit und ohne variable Dampfbremse
An einer nordorientierten Fachwerkwand mit Leichtbetonausfachung ist zur
Verbesserung des Wärmeschutzes eine Innendämmung aus Mineralwolle
aufgebracht. Der obere Teil der Wand ist ausschließlich mit Gipskarton beplankt
während im unteren Teil, wie in Bild 11 zu sehen, die feuchteadaptive PA-Folie
zwischen Dämmung und Innenbeplankung befestigt ist. Wegen des milden Winters
2000/2001 wird die Raumluftfeuchte des Fachwerkhauses während der Heizperiode
aus Versuchsgründen auf etwa 60% r.F. angehoben. Auf der rechten Seite von Bild
11 sind die im Fachwerkholz gemessenen Feuchteverläufe über einen Zeitraum von
einem Jahr dargestellt. Während die Holzfeuchte ohne Dampfbremse trotz der
Sorptionsfähigkeit der Leichtbetonausfachung deutlich ansteigt und mit 25 M.-%
kritische Werte erreicht, bleibt sie hinter der Dampfbremse das ganze Jahr
annähernd konstant bei ca. 15 M.-%. Dieses Beispiel zeigt, dass die variable
Dampfbremse für die energetische Sanierung von Fachwerkgebäuden einen
ausreichenden Tauwasserschutz bietet.
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6. Schlussfolgerungen
Die Fallbeispiele zeigen, dass die variable oder feuchteadaptive Dampfbremse auch
für bauphysikalisch schwierige Sanierungsfälle einsetzbar ist und die Feuchtetoleranz der Konstruktion erhöht. Die Verbesserung der Feuchtesituation im
Vergleich zu herkömmlichen Dampfbremsen ist allerdings auf die reine Dampfdiffusion beschränkt. Ein mangelnder Regenschutz oder unzureichende Luftdichtheit
können damit nicht kompensiert werden. Das bedeutet, die variable Dampfbremse
stellt keine Alternative zu einer sorgfältigen Durchführung von Sanierungsmaßnahmen dar. Ihr Einsatz sollte daher nicht dazu verführen, bei der Planung oder
Ausführung von Anschlussdetails großzügiger zu verfahren als bisher, da sonst die
gewonnene Feuchtetoleranz schnell ins Gegenteil umschlagen kann.
7. Literatur
[1]
Künzel, H.: Dachdeckung und Dachbelüftung, IRB-Verlag, Stuttgart (1996).
[2]
Künzel, H.M. und Großkinsky, Th.: Feuchtesicherheit unbelüfteter Blechdächer; auf die Dampfbremse kommt es an! wksb 43 (1998), H. 42, S. 22-27.
[3]
DIN 4108, Teil 3. Wärmeschutz im Hochbau, klimabedingter Feuchteschutz.
August 1981.
[4]
TenWolde, A. et al.: Air Pressures in Wood Frame Walls. Proceedings
Thermal VII. ASHRAE Publications, Atlanta 1999.
[5]
Künzel, H.M. und Kasper, F.-J.: Von der Idee einer feuchteadaptiven Dampfbremse bis zur Markteinführung. Bauphysik 20 (1998), H. 6, S. 257-260.
[6]
Künzel, H.M.: Kann bei vollgedämmten, nach außen diffusionsoffenen Steildachkonstruktionen auf eine Dampfbremse verzichtet werden? Bauphysik 18
(1996), H. 1, S. 7-10.
[7]
DIN 68800, Teil 2: Holzschutz, vorbeugende bauliche Maßnahmen im
Hochbau. Mai 1996.
[8]
Holm, A. und Künzel, H.M.: Feuchtetechnisches Verhalten von Holzsparren bei einer Dachsanierung von außen. IBP-Mitteilung 27 (2000)
Nr. 370.
[9]
WTA-Merkblatt 8-1-96-D: Bauphysikalische Anforderungen an Fachwerkfassaden. Oktober 1997.