basics - Die neue Quadriga

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basics - Die neue Quadriga
BASICS
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Außen dampfdicht – innen was tun?
®
Feuchteschutz
Eine kleine Geschichte
der Dampfsperre im
Holzbau
Der Tauwasserschutz, den
die [DIN 4108-3] regelt,
beschäftigt sich von Anfang
an (Erstfassung: 1981) ausschließlich mit der Wasserdampf-Diffusion. Schon Mitte der 80er Jahre brachten
einigen Protagonisten des
handwerklichen Holzrahmenbaus von einer Studienreise nach Skandinavien die
Erkenntnis mit, dass die größte Tauwassergefahr im Holzbau aus der Dampfkonvektion entsteht. Sie leiteten
daraus ab, dass es notwendig
ist, eine Trocknungsreserve
für die Auswertung der Diffusionsberechnungen nach Glaser zu definieren [BorschLaaks 1993]. Dies war die
Geburtsstunde des diffusionsoffenen Holzrahmenbaus,
der aus der Bilanz von Tauund Verduns-tungsperiode
der Normberechnung, die
größten Trocknungspotenziale (meist mehrere Tausend
g/m2) aufweisen kann (vgl.
condetti Basics 1-2009).
Infokasten 1:
Die Grundregel für die
Dimensionierung
von
Dampfbremsen bei außenseitig dampfdichten und
unbelüfteten Fachdächern
So diffusionsdicht wie nötig –
zur Begrenzung des winterlichen Tauwasserausfalls durch
Dampfdiffusion.
So diffusionsoffen wie möglich
– zur sommerlichen Rücktrocknung der Feuchteanreicherung
durch Dampfkonvektion.
Was sagen die Regeln der Technik? Sind sie anerkannt?
Seit wann?
Bei außenseitig dampfdichten Holzbaukonstruktionen erleben wir stets eine heftige Diskussion über
die richtige Wahl der Dampfbremse. Viele Planer,
Handwerker und auch Sachverständige vertreten
die Auffassung, dass in diesem Fall eine Dampfsperre (sdi ≥ 100 m) erforderlich wäre, weil dies in der
Tauwassernorm [DIN 4108-3] stünde. Nun werden
die Fachbücher neu geschrieben werden müssen,
denn mit der Novellierung der Norm vom November
2014 wird klargestellt: Dampfsperren sind in diesem
Fall keine geeigneten Maßnahmen für Holzbauteile. Was sagt die Norm genau und wie kam es dazu?
Was aber ist zu tun, wenn
z. B. bei unbelüfteten Flachdächern, eine Abtrocknung
nach außen nicht erfolgen
kann. In diesem Fall wurde
durch die Anwendung der
Normberechnung schnell
klar, dass nur über die sommerliche „Umkehrdiffusion“
nach innen hin eine Rücktrocknung möglich ist. Der
daraus abgeleitete Merksatz
steht in Infokasten 1.
Die Bauphysik hilft dem
Holzbau
Im Rahmen eines großen
europäischen Forschungsvorhabens zur hygrothermischen
Bauteilsimulation (HAMTIE)
führte das Fraunhofer Institut
für Bauphysik (IBP) in Holzkirchen eine Vielzahl von
Labor- und Freilanduntersuchungen zur Validierung
(Praxisprüfung) des IBP-Programms WUFI® durch.
Im Jahr 1998 fasste Hartwig
Künzel die Erkenntnisse in
einem Artikel mit dem Titel
„Außen dampfdicht, voll gedämmt?“ in der Zeitschrift
„Bauen mit Holz“ zusammen
[H.M. Künzel 1998]. Jetzt war
klar: Auch die sommerliche
Umkehrdiffusion lässt sich
dimensionieren und Dampfsperren sind hierbei kontraproduktiv. Unterhalb einer
Neigung von etwa 20° können auch nordorientierte
Dächer genügend Sonneneinstrahlung erhalten, um die
Rücktrocknung anzutreiben,
wenn der sd-Wert der Dampfbremse nur 2 bis 5 m beträgt.
Ein Jahr später gab Künzel auf
Basis der Auswertung amerikanischer Untersuchungen
die quantitative Empfehlung:
Für die Abtrocknung von
Konvektionstauwasser aus
Restleckagen, die auch bei
guter handwerklicher Ausführung unvermeidlich sind,
sollte der Verdunstungsüberschuss aus der Glaserberechnung 250 g/m2 betragen.
Wie lange dauert die
Diffusion von Wissen?
Es konnte nicht erwartet
werden, diese neuen Erkenntnisse der Bauphysik
schon in der Novellierung
der DIN im Jahre 2001 wiederzufinden. Die Weiterentwicklung der Fachregeln kon-
Robert Borsch-Laaks
zentrierte sich in der Folge auf
die Verfahrensfragen bei der
Anwendung
der
neuen
Berechnungswerkzeuge (vgl.
Infokasten 2). In der ersten
Dekade des neuen Jahrhunderts wuchs der Bedarf nach
geeigneten Nachweismethoden durch den zunehmenden
Ausbau alter Dächer mit Bitumenbahnen auf Schalung und
die „Flachdachmode“.
Die Erkenntnisse aus vielen
Schadensfällen und die wachsenden Erfahrungen von Bauphysikern im Umgang mit
der Simulation fanden zunehmend Eingang in Fachpublikationen. Ein Dutzend Artikel in dieser Zeitschrift dokumentiert diesen Lernprozess
(siehe Artikelticker).
Infokasten 2:
Chronologie der Fachregeln
1990er In der Fachdiskussion zur Bauphysik von Holzbauteilen taucht
erstmalig die Forderung nach einer Trocknungsreserve für
„außerplanmäßige Befeuchtungen“ auf.
1998
1999
Erste hygrothermische Parameterstudie zur Feuchtebilanz
von außenseitig dampfdichten Holzbaudächer
[Künzel 1998]
Quantifizierung des erforderlichen Verdunstungsüberschusses bei der Glaserberechnung durch das IBP (250 g/m2a)
2001
Erscheinen der WTA Merkblätter 6-1 & 6-2 zur hygrothermischen Simulation
2004
3 Publikationen in dieser Zeitschrift zum trocknungsfördernden Effekt von feuchteadaptiven Dampfbremsen.
2007
Weißdruck der Simulationsnorm DIN EN 15026
2008
Publikation
des
I N FOR MATION SDI EN ST
Spezialheftes „Flachdächer in Holzbauweise“
2009
Publikation „Fehlgeleitet“ [Oswald 2009].
2010
1. Int. Holz[Bau]Physik Kongress in München
2011
Veröffentlichung der „7 goldenen Regeln für ein nachweisfreies Flachdach“ durch die Referenten beim
2. int. Holz[Bau]Physik Kongresses in Leipzig
2012
Neufassung der DIN 68800-2 schreibt 250 g/m2 Trocknungsreserve für Dächer fest.
2014
Novellierung der DIN 4108-3 und des WTA MB 6-2
HOLZ
Meilensteine zur
anerkannten Regel
der Technik
Mitte des letzten Jahrzehnts
richtete der INFORMATIONSDIENST HOLZ eine
Arbeitsgruppe ein, die eine
umfassende Bestandsaufnahme zum Thema „Flachdächer
in Holzbauweise“ begleitete.
In diesem Spezialheft von
2008 hieß es zum ersten Mal
in einer anerkannten Holzbaufachregel klipp und klar:
„Deshalb zählt die Anwendung von Dampfsperren insbesondere in nicht belüfteten
Flachdachkonstruktionen
nicht mehr zum Stand der
Technik“. Spätestens jetzt
mussten bei allen Holzbauern
die Alarmglocken schrillen,
wenn sie eine Flachdachplanung mit einer Dampfsperre
auf den Tisch bekamen.
Zur Absicherung der gewonnenen Erkenntnisse starteten
anschließend mehrere Forschungsvorhaben in Deutschland und Österreich, die bei
den ersten internationalen
Holz[Bau]Physik-Kongressen
in München und Leipzig vorgestellt wurden. Die Referenten fassten dies zusammen in
„Sieben goldene Regeln für
nachweisfreie Flachdächer in
Holzbauweise“ [13]. Die Fachwelt war sich einig und
konnte sich auf die Bewährung von nachgewiesenermaßen trockenen und luftdichten Bauweisen mit variablen
Dampfbremsen beziehen.
Was machte die Normung?
Es ist raus!
In der [DIN 68800-2] wurde
2012 die erforderliche Trocknungsreserve von 250 g/m2
für Dächer festgeschrieben.
Die Tauwassernorm brauchte
noch 2 Jahre, bis diese Erkenntnis eindiffundierte. Da
die vom Holzschutz geforderte Sicherheit bei beidseitig
dampfdichten Bauteilen nicht
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erreichbar ist, bekam der alte
Satz zur Nachweisbefreiung
bei sd,i ≥ 100 m, der so viele
„fehlgeleitet“ [Oswald 2009]
hatte, die notwendige Ergänzung (siehe Infokasten 3).
Auch die zweckmäßige Tabelle, die nachweisfreie
Dächer über die inneren und
äußeren sd-Werte definiert,
wurde sinngemäß erweitert
(s. Tab. 1). Die umstrittene
Formel sd,i ≥ 6 x sd,e gilt nun
bei Holzbauteilen nur noch
bis zu einem äußeren Diffusionssperrwert von 2,0 m (entspricht ca. 300 g/m2 Trocknungsreserve).
Wird jetzt alles gut?
Leider nein! Die neue Tauwassernorm hat eine grundlegende Änderung erfahren,
nach der keiner wirklich
gerufen hatte. Beim Versuch,
den deutschen Sonderweg
(einfaches Blockklima) gegen
das Monatsverfahren des
Euro-Glasers [DIN EN 13788]
zu verteidigen, wurden neue
nationale Klimabedingungen
definiert.
Die um 30 Tage (= 50 %!)
verlängerte Tauperiode führt
trotz der angehobenen Norm
Außentemperatur (–5 °C statt
–10 °C) zu einer Erhöhung der
Tauwassermengen. Andererseits wurden die Antriebskräfte für das Verdunstungspotenzial drastisch gekappt. Wir
werden uns damit in einem
gesonderten Artikel demnächst beschäftigen müssen.
Eines ist jetzt schon klar, die
Studie, in der die neuen Kli-
Infokasten 3:
Nachweisbefreiung
DIN 4108-3:2014
gem.
5.3 Bauteile, für die kein rechnerischer Tauwasser-Nachweis
erforderlich ist, – nicht belüftete
Dächer mit Dachabdichtung
und
einer
diffusionshemmenden Schicht mit sd,i ≥ 100 m
unterhalb der Wärmedämmschicht, wenn sich weder
Holz noch Holzwerkstoffe
zwischen Dachabdichtung
und sd,i befinden.“ Abschnitt
5.3.3.2, S. 23
mabedingungen begründet
und mit Vergleichsrechnungen abgesichert werden
sollten, [Ackermann/ Kießl
2012], hat eine große Lücke.
Vergleichsrechnungen
zu
außenseitig dampfdichten
Holzbauteilen wurden nicht
durchgeführt, so dass den
Autoren nicht auffiel, dass in
diesem Punkt ein eklatanter
Widerspruch zu den bewährten Regeln der alten Norm
besteht. Die vom Holzschutz
geforderte Trocknungsreserve
lässt sich mit dem „Sommerklima“ der neuen Norm rechnerisch nicht nachweisen!
Was bleibt zu tun?
Die in Kürze erscheinende
Schrift des INFORMATIONSDIENST HOLZ mit Erläuterungen zur Holzschutznorm
wird dort, wo ein Verweis
auf die DIN 4108-3 erforderlich ist, sehr genau auf
datierte Normenbezüge achten müssen.
Tab. 1: Nachweisfreie Dächer mit Dachdeckungen nach
DIN 4108-3:2014-11
außen sd,e
innen sd,i Aktuelle Regel der Technik
bis 0,1 m
≥ 1,0 m
verzichtbar
über 0,1 bis 0,3 m
≥ 2,0
wichtig
über 0,3 bis 2,0 m sd,i ≥ 6 * sd,e
über 2,0 m *)
sd,i ≥ 6 sd,e
ergänzt
neu, mit Einschränkung *)
*) Nur wenn sich zw. sd,i und sd,e weder Holz noch Holzwerkstoffe befinden!
Feuchteschutz
Den Entwicklern von GlaserSoftware ist dringend anzuraten, bei der Neuprogrammierung die Berechnung gemäß
den alten Klimarandbedingungen als Alternative beizubehalten.
Hoffnung macht die WTAArbeitsgruppe zum Merkblatt
6-8. Sie wird in diesem Sommer ihr neues Merkblatt
„Feuchtetechnische Bewertung von Holzbaukonstruktionen: Vereinfachte Nachweisverfahren und Simulation“ im Entwurf veröffentlichen. Die von dort zu erwartenden Befreiungsregeln sind
mittels
hygrothermischer
Simulation auf Basis von Realklimata abgesichert und
fußen nicht auf dem unvalidierten Blockklima der neuen DIN 4108-3.
Literaturquellen
[Ackermann / Kießl 2012] Thomas Ackermann / Kurt Kießl:
Schlussbericht zum Forschungsvorhaben T 3288, IRB-Verlag,
Stuttgart 2012.
[Borsch-Laaks 1993] R. BorschLaaks: Sorption, Diffusion, Kapillarleitung. Feuchtespeicherung
und Feuchtetransport in der
Gebäudehülle. Reihe Technische
Information Nr. 2 , Hirschhagen
(Isofloc) 1993.
[Künzel, H.M. 1998] Hartwig M.
Künzel: Außen dampfdicht, vollgedämmt? In: bauen mit holz
8/98.
[Oswald 2009] Rainer Oswald:
Schwachstellen. Fehlgeleitet –
Unbelüftete Holzdächer mit
Dachabdichtungen. In: Deutsche
Bauzeitung, Heft 07 - 2009.
Weitere zitierte Quellen in den
Beiträgen im Artikelticker.
Artikelticker der HOLZBAU – die neue quadriga zum Flachdach: [1] Jenseits von Glaser: Feuchtedynamik von Holz und Holzwerkstoffen
(Teil 3) 1-2004 +++ [2] Belüftet oder lieber doch nicht? 5-2004 +++ [3] Flachdach ohne Belüftung 6-2004 +++ [4] Flachdachkonstruktionen in Holzbauweise. Feuchte- und Holzschutz (2 Teile) 3/4-2007 +++ [5] Außen Blech – innen voll gedämmt? 4-2008 +++ [6] Die
Diffusionsbilanz: Auf die Reserven kommt es an! 1-2009 +++ [7] Flach geneigte Dächer – der Stand der Dinge 6-2009 +++ [8] Dauerhaftigkeit unbelüfteter Flachdachkonstruktionen 6-2009 +++ [9] Do‘s and Dont‘s im Flachdachbau 1-2010 +++ [10] Trocknungsreserven schaffen: Einfluss des Feuchteeintrags aus Dampfkonvektion 1-2010 +++ [11] Die Dampfkonvektion: Ein Risiko – aber
nicht überall 1-2010 +++ [12] Flaches Dach: Was tun? 1-2011 +++ [13] Bemessungsregeln für flach geneigte Dächer 5-2011 +++ [14]
Wasserdampf sperren, bremsen, managen 02-2013 +++ [15] Feuchtetechnische Bemessung von Holzkonstruktionen nach WTA
06-2013.