Edinburgh, Glasgow, Highlands

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Edinburgh, Glasgow, Highlands
Exkursion
Edinburgh, Glasgow, Highlands
DHBV-Fachexkursion 2012
Geregnet hat es erst wieder bei der Ankunft
in Deutschland, soviel zum gängigsten Vorurteil gegenüber Schottland. Überhaupt
war Vieles völlig anders, als es von den
meisten Teilnehmern der diesjährigen
DHBV-Exkursion im Vorfeld erwartet
wurde. So kann man tatsächlich
Mitte April nach Schottland fahren,
ohne zu erfrieren und selbst
der verwöhnteste Gourmet kann
Schottland überleben, ohne zu
verhungern. Und das Wichtigste:
Schottland ist weit mehr als nur
Hügel, Täler, Schafe, Einsamkeit
und Whisky, auch wenn es
all dies dort im Überfluss zu
geben scheint.
Edinburgh
„Jeder ehrliche Schotte hält diesen Punkt
für den schönsten in der Welt“, so Theodor Fontane in seinem Reisebericht „Jenseit des Tweed”
(kein Tippfehler) beim Anblick von Edinburgh
Castle. Und auch heute, 150 Jahre später, strahlt
nicht nur die alte Königsburg, sondern die schottische Hauptstadt als Gesamtensemble, eine geradezu magische Faszination aus.
Architektonisch ist Edinburgh eine Stadt mit
zwei Gesichtern. Das eine, die auf einem erloschenen Vulkanhügel thronende Altstadt mit
ihren grau-schwarzen Granitgebäuden, größtenteils hohe aus dem 16. Jahrhundert stammende
Mietshäuser, die dem Besucher das Gefühl vermitteln, als sei die Zeit stehen geblieben. Ihr
Zentrum und damit das Herz der Altstadt ist die
„Royal Mile“. Sie führt vom im Tal gelegenen
alten Königspalast Holyrood Palace, heute noch
Sitz der Königin, wenn sie in Edinburgh
weilt, steil hinauf zum majestätisch über
der Stadt thronenden Edinburgh Castle,
der vielleicht bekanntesten Sehenswürdigkeit Schottlands.
Ganz anders hingegen präsentiert sich
die im Tal gelegene Neustadt, das helle,
neue Edinburgh. Geprägt von der Symmetrie und der Regelmäßigkeit der georgianischen Architektur beeindruckt sie
mit imposanten Gebäuden aus dem 19.
Jahrhundert, die Edinburgh den Beinamen „Athen des Nordens“ eingebracht
haben. Vorherrschend ist hier vor allem
der Stil des „Royal Crescent” mit sei-
Hohe graue Granitbauten flankieren den Weg
hinauf zum Castle. Die Royal Mile – das Herz
der Altstadt Edinburghs.
nen halbmondförmig angelegten dreistöckigen
Häuserzeilen und großzügig angelegten Plätzen und Straßenzügen.
1995 wurde Edinburgh in die UNESCOWelterbeliste aufgenommen. In der Begründung heisst es:
„Das harmonische Nebeneinander dieser beiden gegensätzlichen historischen Vierteln, jedes
mit vielen wichtigen Gebäuden, ist das, was der
Stadt ihren einzigartigen Charakter verleiht.“
Glasgow
„Ich liebe Edinburgh. Am meisten liebe ich
Waverley Station und den Zug nach Glasgow“
– so ein oft zitierter Ausspruch, der humoristisch überspitzt das Verhältnis der beiden so
unterschiedlichen Städte widerspiegelt, die
nur eine halbe Zugstunde auseinander liegen.
Glasgow ist der proletarische Gegensatz
zum königlichen von Verwaltung und Dienstleistungssektor geprägten Edinburgh. So findet
man in Glasgow weder Schlösser noch Burgen.
Entsprechend ist der Palast der Stadt das Rathaus, das „Glasgow City Chamber“, welches
mit seinem prunkvollen Marmorinneren an
den Reichtum und den Einfluss vergangener
Zeiten erinnert.
Exkursion
Dank seiner ausgezeichneten Lage im Zentrum des Britischen Empires war Glasgow schon
im 18. Jahrhundert der zentrale Umschlagplatz
im Handel mit Tabak und Baumwolle aus den
britischen Kolonien. 100 Jahre später, im Zuge
der industriellen Revolution, wurde Glasgow zu
einer der reichsten Städte der damaligen Welt.
Kohle und Eisen aus dem Umland sorgten für
eine rasant wachsende Schwerindustrie, während
gleichzeitig die Baumwollindustrie und Textilherstellung florierten und Arbeiter aus Schottland,
Irland und dem übrigen Europa in die aufstrebende Stadt zogen. Wohlhabende Händler und
Unternehmer finanzierten spektakuläre Bauten,
Parks, Museen und Bibliotheken. Fabriken wurden als wahre Prachtbauten errichtet. Zahlreiche
Galerien siedelten sich an und mit der Architektur von Charles Rennie Mackintosh, dessen
Bauwerke Ende des 19. Jahrhunders stilbildend
wurden, entstanden außergewöhnliche Gebäude,
wie die „Glasgow School of Art“ oder die heute
rekonstruierten „Willow Tearooms“.
Den Niedergang der 1970er und 1980er
Jahren, in dem Stahlwerke, Kohleminen und
andere Schwerindustrien in und um Glasgow
geschlossen wurden, bezahlte die Stadt
mit Zerfall und Massenarbeitslosigkeit,
von dem sie sich erst gegen Ende des
20. Jahrhunderts erholte.
Heute überrascht Glasgow mit einem kompletten Imagewandel. Die einstige Industriestadt
hat sich in ein modernes Kultur- und Kongresszentrum gewandelt. So wurden in den vergangenen 15 bis 20 Jahren große Summen zur Renovierung und Restaurierung einer Vielzahl von
Gebäuden investiert. Honoriert wurde dieser
Aufwand 1990 mit der Ernennung Glasgows zur
Europäischen Kulturhauptstadt und 1999 mit der
Verleihung des Architektur- und Designpreises.
Entsprechend beeindruckt Glasgow heute mit
zahlreichen modernen wie alten Gebäuden, häufigst aus lokal abgebautem rotem und gelbem
Sandstein, der kunstvoll behauen ist und einen
warmen Kontrast zu den dunklen Glasfassaden
der Bürotürme bildet.
Highlands
Wer nach Schottland reist, der sollte wissen:
Schottland ist weit mehr als nur Edinburgh und
Glasgow. Schottland, das sind auch die weiten
Hügel, die tiefen Täler, herrenlos scheinende
Schafe, die Einsamkeit der Highlands und natürlich auch der Whisky. Wer diesmal mit dabei
war, konnte sich ausgiebig von alledem überzeugen, denn selbstverständlich gehörte auch ein
Ausflug in die endlosen Weiten des schottischen
Hochlandes zum Exkursionsprogramm. Vorbei an
Schlössern, Burgen und Monumenten, entlang
an herrlich gelegenen Seen, hier Lochs genannt,
und Orten nationaler Tragödien. Überhaupt ist
die schottische Geschichte voll von all den Tragödien gescheiterter Helden, verlorener Schlachten, Verrat und enttäuschter Hoffnungen. So boten die langen Busfahrten durch die Highlands
ein Seminarprogramm ganz anderer Art. Mit der
Sprache des erfahrenen Erzählers, der man sich
nicht entziehen kann, gab Seminarleiter Christian
Fahrig passend zur vorbeiziehenden Landschaft
einen Einblick in die schottische Seele. Wie anders lässt sich ein Land verstehen, dessen heute
noch verehrte Königin geköpft, dessen entscheidende Schlachten allesamt verloren gingen und
dessen Streben nach nationaler Einheit und Größe
regelmäßig den Zwistigkeiten der Clans geopfert
wurde. So überrascht es auch nicht, dass die Monumente der nationalen Identität, auf die man
hier auf Schritt und Tritt trifft, nicht Königen
oder Feldherrn huldigen, sondern Dichtern wie
Sir Walter Scott oder Robert Burns.
Es bleibt anzunehmen, dass der ein oder
andere am Ende der einwöchigen Exkursion die
Gedanken des uns unbekannten schottischen
Auswanderers nach Amerika geteilt haben mag:
Tha mi cinnteach gum bi mi a’ tilleadh
do dh’ Alba
(Ich bin sicher, dass ich nach
Schottland zurückkehren werde)
fr
Fotos: Dietger Grosser,
Irene Remes, Axel Werner
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1 Gruppenbild vor dem Eingang zum Edinburgh Castle. Auf dem
Platz, dem so genannten Esplanade, findet seit 1950 jährlich
im August das größte Musikfestival Schottlands, das Edinburgh
Military Tattoo, statt.
2 Die Forth Road Bridge ist eine Autobahnbrücke über den Firth of
Forth bei Edinburgh. Die Brücke wurde zwischen 1958 und 1964
erbaut und war mit gut 2,5 Kilometer die größte Brücke ihrer
Art in Europa.
3 Bürgerliches Selbstbewusstseins in seiner ganzen Pracht­
entfaltung. Das mit Marmor, Granit, Alabaster und Blattgold
geschmückte Treppenhaus des Glasgower Rathauses diente
bereits als Filmkulisse für den Zarenpalast in St. Petersburg.
4 Ein weiteres Beispiel für den Reichtum der Stadt durch die industrielle Revolution: Fabriken wurden als wahre Prachtbauten
errichtet, so die Teppichfabrik (Templeton’s carpet factory), die
als Kopie des Dogenpalastes von Venedig gestaltet wurde.
5 Ein herausragendes Beispiel der viktorianischen bürgerlichen
Architektur: Das zwischen 1882 und 1888 erbaute Rathaus
(City Chamber) des Glasgower Architekten William Young.
6 Auch ein Teil des Exkursionsprogramms. Anne McChlery,
Geschäftsführerin des Glasgow Building Preservation Trust,
stellt die Arbeit ihrer Organisation vor, deren Aufgabe die
Sanierung historischer Gebäude von architektonischem Wert
ist, um diese der Stadt zu erhalten.
7 Mehr als eine Kapelle, die seit Jahren aufwendig saniert wird.
Rosslyn Chapel ist ein geheimnisumwobener Ort voller Mythen.
Angefangen vom verschollenen Schatz der Tempelritter bis hin
zum Versteck des Heiligen Grals. Die 600 Jahre alten Kapelle
ist ein Juwel handwerklicher Steinmetzkunst.
8 Blick auf die Forth Railway Bridge. Diese Brücke wurde 1890 nach
sieben Jahren Bauzeit fertiggestellt. Sie ist 2,5 Kilometer lang und
besteht aus drei massiven je 110 Meter hohen, auf je vier Pfeilern
ruhenden Fachwerkträgern. Der Zugverkehr verläuft in knapp
50 Metern Höhe über dem Wasser, so dass der Schiffsverkehr
weiterhin ungehindert den Firth of Forth befahren kann. Die
Spannweiten zwischen den Hauptpfeilern betragen 521 Meter.
Das gesamte Bauwerk besteht aus etwa 54.000 Tonnen Stahl
und wird von 6,5 Millionen Nieten zusammengehalten.
Zum Zeitpunkt ihrer Eröffnung war sie die Brücke mit der größten
Spannweite der Welt.
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