Schweizerische Ganzsachen bereits Jahrzehnte vor „Züri 4“ und

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Schweizerische Ganzsachen bereits Jahrzehnte vor „Züri 4“ und
Schweizerische Ganzsachen
bereits Jahrzehnte vor „Züri 4“ und „Basler Dybli“!
Briefmarken und eingedruckte oder handschriftliche Gebührenvermerke auf
Briefumschlägen, Postkarten, Zeitungs-Streifbändern, Adressetiketten, Empfangsscheinen,
Geld-Einzugsmandaten, Zahlungsanweisungen, etc. belegen, dass die von der Post
erbrachte Leistung bezahlt worden ist. Sind Gebührenvermerk eingedruckt, handelt es sich
um Ganzsachen, das heisst „..... Poststücke mit amtlich genehmigten, eingedruckten
Wertstempeln, Mustern oder Inschriften, die anzeigen, dass ein bestimmter Betrag für
Postgebühren, verwandte Dienste oder Dienstleistungen vorausbezahlt worden ist.“
Die ältesten bekannten Poststücke auf dem Gebiet der heutigen Eidgenossenschaft, welche
die Merkmale einer Ganzsache aufweisen, sind Empfangsscheine für Fahrpoststücke (u.a.
Pakete), eingeschriebene Briefe und Wertsendungen zur Zeit der Helvetik (April 1798 –
Februar 1803). Beim nachfolgend abgebildeten Schein ist die damalige Postgebühr in Form
eines ovalen farblosen Prägedrucks (Relief-Trockenstempel) oben links eingedruckt.
Abb. Empfangsschein aus der Zeit der Helvetik. Postgebühr 2 Sols. Format:
ca. 18,0 x 11,0 cm. Büttenpapier. Verwendet 1799 in Morges.
Abb. Relief-Gebühren-Trockenstempel auf dem oben abgebildeten Helvetik-Empfangsschein
(bearbeitet).
Aus der Zeit der Helvetik stammt auch ein Schein in deutscher Sprache.
Wesentlich häufiger und vielfältiger sind die Empfangsscheine aus der nachfolgenden Zeit
der kantonalen Posten (1803 – 1849). Nicht jeder Empfangsschein ist jedoch eine
Ganzsache! Zahlreich sind auch jene ohne eingedruckten Gebührenvermerk, die
sogenannten Empfangsschein-Formulare, auf die hier nicht näher eingegangen wird. Die
heute bekannten Ganzsachen (GS)-Empfangsscheine kommen aus den Kantonen Aargau,
Basel-Land, Basel-Stadt, St.-Gallen, Schaffhausen, Schwyz, Solothurn, Zug und Zürich.
Der Kanton Aargau hat GS-Empfangsscheine seiner Post (und wahrscheinlich auch andere
Postleistungen) mit einer fiskalischen Stempelsteuer belegt, so dass auf diesen gleich zwei
Gebührenvermerke prangen: Jener des Kantons (2 Rp.) und jener der Post (5 Rp.).
Wie der nachfolgend abgebildete Schein sind auch andere aargauische Empfangsscheine
auf Papier mit Wasserzeichen gedruckt.
Abb. Empfangsschein Kt. Aargau. Postgebühr 5 Rp., Stempelsteuer 2 Rp. (im runden
Lorbeer unten links vermerkt). Relief-Trockenstempel des Kantons (ohne Gebührenvermerk)
oben rechts. Format: 16,8 x 10,2 cm. Verwendet 1845 in Mägenwil.
Abb. Wasserzeichen im Papier des oben abgebildeten Aargauer Empfangsscheins.
Von Oktober 1832 bis Juni 1836 wurden aargauische Empfangsscheine ebenfalls im Kanton
Solothurn verwendet, da in dieser Zeitspanne die solothurnischen Postdienste der Direktion
der Aargauer Posten anvertraut waren. Der fiskalische Gebührenvermerk fehlt, weil der
Kanton Solothurn auf GS-Empfangsscheinen keine Stempelgebühr erhoben hat. Erst ab Juli
1836 gab es eine eigenständige solothurnische Post mit eigenen GS-Empfangsscheinen.
Abb. Empfangsschein Kt. Solothurn. Postgebühr 5 Rp. Format 15,0 x 9,2 cm. Verwendet
1848 in Solothurn.
Zu den schönsten Empfangsscheinen zählen zweifellos jene aus dem Kanton St.-Gallen. Sie
sind grösstenteils mit Zierschriften und Verzierungen üppig gestaltet und auf
verschiedenfarbiges Papier gedruckt. Teilweise galten diese auch für den Kanton Schwyz.
Abb. Lokaler Empfangsschein Postamt Uznach (Kt. St.-Gallen). Postgebühr 1 Batzen.
Format: 17,5 x 11,0 cm. Verwendet 1839 in Uznach.
Abb. Empfangs(Post)schein Kt. St. Gallen. Postgebühr 2 Kreuzer. Format 17,2 x 10,8 cm.
Verwendet 1843 in Rorschach.
Abb. Empfangs(Post)schein Kt. St.-Gallen. Postgebühr 2 Kreuzer. Format 16,0 x 9,8 cm.
Verwendet 1845 in Altstätten.
Abb. Empfangs(Post)schein Kt. St. Gallen. Gültig auch für Kt. Schwyz. Postgebühr 2
Kreuzer. Format 15,8 x 9,8 cm. Verwendet 1849 in Lichtensteig.
Die erste schweizerische Briefmarke, die „Züri 4“, wurde 1843 verausgabt. In dieser Zeit und
in den Folgejahren verwendete die Post des Kantons Zürich verschiedene Typen von GSEmpfangsscheinen, so wie diese:
Abb. Lokaler Empfangsschein Ober-Postamt in Zürich. Gebührenstempel zu 1 Batzen (=
Postgebühr?) oben rechts. Format 16,7 x 10,2 cm. Verwendet 1845 in Zürich.
Abb. Empfangs(Aufgabe)schein Kt. Zürich. Postgebühr 10 Rp. Format 18,0 x 10,6 cm.
Verwendet 1844 in Feuerthalen.
Der ovale Gebührenstempel auf dem einen Schein ist ein Fiskalstempel zu 1 Batzen (= 10
Rappen). Ein postalischer Gebührenvermerk fehlt. Beim anderen Schein mit dem Titel
„Aufgabeschein“ ist es gerade umgekehrt: hier fehlt ein fiskalischer Gebührenvermerk, dafür
ist die postalische Einschreibegebühr mit 10 Rp. vermerkt, entsprechend dem einen Batzen
auf dem Schein mit dem ovalen Fiskalstempel. Da in anderen Kantonen, welche
Empfangsscheine mit einer Steuer belegten, diese Steuer in der Regel 2 Rp. und
allerhöchstens 5 Rp. betrug, wird angenommen, dass die Post des Kantons Zürich zeitweise
den kantonalen Fiskalstempel mitbenutzte. Die Zürcher Scheine mit dem ovalen
Fiskalstempel werden deshalb provisorisch den Ganzsachen zugeordnet.
Überhaupt sind die Empfangsscheine noch weitgehend unerforscht. Dies gilt auch für
diejenigen der Eidgenössischen Post ab 1849, die anfänglich so vielfältig wie jene zur Zeit
der kantonalen Posten waren.
Abb. Empfangsschein Schweiz. Post ohne Formular-Nummer. Postgebühr 5 Rp. (2. Zeile im
Text). Format 16,0 x 11,4 cm. Verwendet 1850 in Rorschach.
Abb. Empfangsschein Schweiz. Post ohne Formular-Nummer. Postgebühr 5 Rp. (2. Zeile im
Text). Format 15,8 x 11,4 cm. Verwendet 1850 in Rorschach.
Abb. Empfangsschein Schweiz. Post. Formular Nr. 23. Runder Relief-Trockenstempel oben
rechts (CONFEDERATION SUISSE LAUSANNE). Postgebühr 5 Rp. (1. Zeile im Text).
Format 22,0 x 16,2 cm (!). Verwendet 1850 in Vevey.
Abb. Empfangsschein Schweiz. Post. Formular Nr. 2. Postgebühr 10 Rp. Format 20,2 x 12,2
cm. Text auf Rückseite: „Bestimmungen, betreffend die beschwerten Gegenstände“ (Titel + 3
Zeilen) und „Bestimmungen, betreffend die rekommandirten Briefe (Zitel + 6 Abschnitte in 12
Zeilen). Verwendet 1855 in Baden.
Abb. Empfangsschein Schweiz. Post. Formular Nr. 44. Postgebühr 10 Rp. Runder ReliefTrockenstempel oben in der Mitte (SCHWEIZERISCHE POSTVERWALTUNG). Format 18,7
x 11,4 cm. Text auf Rückseite: „Observations“ (Titel + 3 Abschnitte in 8 Zeilen). Verwendet
1867 in Vevey.
Abb. Empfangsschein Schweiz. Post. Formular Nr. 3150. Postgebühr 5 Rp. Format 16,4 x
8,7 cm. Text auf Rückseite: „Osservazioni“ (Titel + 4 Abschnitte in 17 Zeilen). Verwendet
1882 in Locarno.
Nach und nach begannen Vereinheitlichung und Vereinfachung zu dominieren. Aber erst
1896 löste ein einheitlicher dreisprachiger GS-Empfangsschein für die gesamte Schweiz die
bisherigen einsprachigen Scheine (deutsch bzw. französisch bzw. italienisch) ab. Im
Schweizerischen Ganzsachen-Sammler-Verein SGSSV gibt es jetzt eine Arbeits- und
Forschungsgemeinschaft, die ArGe eps, die dieses interessante Sammelgebiet
bearbeiten will: Vorrangig ist eine möglichst vollständige Erfassung der GSEmpfangsscheine, damit diese in den für die Ausstellung GABRA V vom Oktober 2009 in
Bern geplanten neuen Zumstein Ganzsachenkatalog aufgenommen werden können. Jede
Meldung, jeder Hinweis ist willkommen! Informieren Sie sich doch im Internet unter
www.ganzsachen.ch. Kontaktaufnahme via [email protected] oder den Verfasser
(079'723’95’17).
Die Grundlagen zu den obigen Ausführungen wurden von Herrn Ingo Debrunner erarbeitet
und in den Jahren 2004 – 06 in der Vereinszeitschrift des SGSSV „Der
Ganzsachensammler“ veröffentlicht. Ingo Debrunner ist leider im Frühjahr 2008 allzu früh
verstorben. Abschliessend danke ich auch an dieser Stelle Herrn Anton Egger, Langnau am
Albis, ganz herzlich, dass er die Leitung der ArGe eps übernommen und für diesen Artikel
verschiedene der oben abgebildeten Scheine zur Verfügung gestellt hat.
Ernst Schätti, Präsident SGSSV