Ein Teil der NACHBARSCHAFT

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Ein Teil der NACHBARSCHAFT
MARKT
STARBUCKS
„Ein Teil der
NACHBARSCHAFT“
Seit 2011 ist Michael Specht Geschäftsführer von Starbucks
Deutschland. Im Interview mit Coffee Business spricht er über
das zehnjährige Jubiläum in Deutschland, den Einstieg ins
Franchise-Geschäft und die neue Multi-Channel-Strategie.
Herr Specht, Sie sind jetzt seit rund einem Jahr
zu bedienen, und ich weiß durch diese persönli-
Geschäftsführer von Starbucks Deutschland,
haben zuvor unter anderem bei Puma und L’Tur
gearbeitet. Wie haben Sie Ihr erstes Jahr in der
che Erfahrung nur noch mehr zu schätzen, was
unsere Barista Tag für Tag und Tasse für Tasse
leisten.
Systemgastronomie erlebt?
Mein erstes Jahr im Coffee-House-Business war
Welche Ereignisse haben das vergangene Ge-
sehr spannend. Ich erinnere mich noch gut an
meine ersten Wochen bei Starbucks. Jeder Part-
schäftsjahr für Starbucks in Deutschland geprägt?
ner (Mitarbeiter) muss, unabhängig von seiner
Ich habe die Geschäftsführung bei Starbucks zu
einer Zeit übernommen, die viele wirtschaftli-
Position, einige Tage im Coffee House
verbringen. Es war aufre-
che Herausforderungen bereithielt, sowohl in
gend, hinter der Kaffee-Bar zu stehen
Europa als auch weltweit. Die Herausforderung
bestand darin, auf dem bisherigen Erfolg auf-
und die Gäste
zubauen und Starbucks in ein neues Jahrzehnt
zu führen. In meinem ersten Jahr haben wir
das zehnjährige Jubiläum gefeiert, neue Coffee
Houses eröffnet und an neuen Konzepten gearbeitet. Wir sind mit unserem Support Center,
also der Hauptzentrale, nach München gezogen,
und wir haben mit der Starbucks Card erstmals
ein Kundenbindungsprogramm eingeführt. Seit
letztem Jahr ist außerdem die Region EMEA (Europa, Mittlerer Osten und Afrika) eigenständig
und hat mit Michelle Gass eine Präsidentin, die
maßgeblich an der Business-Transformation in
den USA beteiligt war. Mit der Espresso-Offensive im letzten Frühjahr, bei der wir uns in der gesamten Region auf die Zubereitung des perfekten Espressogetränkes fokussierten, alle Partner
(Mitarbeiter) erneut geschult und Investments in
Millionenhöhe getätigt haben, haben wir einen
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COFFEE BUSINESS 6/2012
STARBUCKS
MARKT
Michael Specht ist seit Herbst 2011
Geschäftsführer von Starbucks Deutschland. Der Manager gilt als ausgewiesener Vertriebsexperte und war vorher
u.a. für den Reiseanbieter L‘Tur und den
Sportartikelhersteller Puma tätig.
Grundstein für zukünftigen Erfolg in Europa
gelegt. Aber es steht außer Frage, dass wir auch
Starbucks feiert 2012 sein 10jähriges Jubiläum
in Deutschland. Welche Bilanz werden Sie für
Foto: Starbucks
in Deutschland noch Einiges zu tun haben.
das Geschäftsjahr 2011/12, das am 30.9. endet,
ziehen können?
Bitte haben Sie Verständnis, dass Geschäftsergebnisse ausschließlich vom Unternehmenssitz
in Seattle kommuniziert werden. Grundsätzlich
kann ich sagen, dass das vergangene Geschäftsjahr sehr ereignisreich war und wir uns mit Starbucks in Deutschland weiterhin auf Wachstumskurs befinden. Dazu gehören die Eröffnung von
Coffee Houses, aber auch die Entwicklung innovativer Konzepte und die Einführung neuer Produkte. Seit Markteintritt in Deutschland im Jahr
2002 konnten wir von Jahr zu Jahr mehr Gäste
von unserer Qualität überzeugen und unseren
Umsatz kontinuierlich steigern.
Auf das Geschäftsjahr 2010/2011 bezogen sprachen Sie vom “erfolgreichsten Geschäftsjahr”
Geschäftsjahr mit unseren Produkten auch im
Einzelhandel vertreten und stärken die Markenpräsenz auch in Regionen, in denen wir
nicht mit einem Coffee House präsent sind.
Diese Präsenz bauen wir mit der Einführung
unseres Verismo Systems von Starbucks, einer
Kaffee-Kapselmaschine für den Privathaushalt,
die noch 2012 auf den Markt kommt, weiter aus.
Auch 2012 haben wir viel investiert in IT und
Prozesse. Mich interessieren nicht nur Quick
Wins, sondern vor allem eine sinnvolle mittelund langfristige Strategie. Wir haben 2012 neue
Geschäftsfelder erschlossen (Outlet Malls, Ecommerce, Verismo, License) und 2013 werden
weitere dazu kommen (Lizenz Autobahnen,
Airline Business, Drive-thrus, Franchise) und
die Konsolidierung wird weiter gehen.
in der Deutschland-Geschichte von Starbucks,
in der Tat stieg der Umsatz auf 117,5 Mio. Euro.
Der veröffentlichten Bilanz ist jedoch zu entnehmen, dass weiterhin ein Fehlbetrag von rund 5,3
Insbesondere in Großstädten ist Starbucks mit
einem verdichteten Filialnetz vertreten. Welche Anforderungen stellt das Unternehmen an
Mio. Euro ausgewiesen wurde. Wann rechnen
Standorte für mögliche Neueröffnungen?
Sie damit, dass Starbucks in die schwarzen Zahlen kommt?
Wir bei Starbucks stellen unsere Gäste und Partner (Mitarbeiter) an die erste Stelle. Daran ori-
Das stimmt, das Geschäftsjahr 2011 war – bezogen auf den Umsatz – das erfolgreichste Jahr
seit dem Markteintritt in 2002. Natürlich muss
entieren sich auch unsere Standorte, denn wir
möchten ein Teil der Nachbarschaft sein und
auch einen festen Stellenwert im Alltag unserer
in neue Märkte investiert werden, um erst einmal eine Infrastruktur aufzubauen und einen
Gäste haben. In der Vergangenheit haben wir
uns dabei verstärkt auf Großstädte konzentriert.
Grundstein für die Expansion zu schaffen. In
Deutschland sehen wir seit nun mehr als zehn
Jahren steigende Gästezahlen und Umsatzwachstum. Zusätzlich sind wir seit dem letzten
Zukünftig möchten wir stärker in die so genannten „Secondary Cities“ expandieren, also Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern. Von den
insgesamt 81 Städten dieser Art in Deutschland
6/2012 COFFEE BUSINESS
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Foto: Coffee Business
STARBUCKS
Das erste Starbucks Drive-Thru Coffee House
wird voraussichtlich Ende 2012 in Düsseldorf
eröffnen und sowohl einen Drive-Thru-Schalter
für Autofahrer haben, als auch Sitzplatzmöglichkeiten für den Kaffeegenuss vor Ort. Wir reagieren damit auf die sich ständig verändernden
Bedürfnisse unserer Gäste und sind sicher, dass
wir damit auch in Deutschland erfolgreich sein
werden. Wir sehen großes Potenzial in diesem
Vertriebsweg.
Starbucks hat bisher, anders als beispielsweise
McDonald’s, seine Expansion in Deutschland
kaum über Franchisepartner vorangetrieben.
Im Mai 2002 ging die erste Filiale von Starbucks in
Deutschland an den Start - damals noch in einem
Joint Venture mit der Warenhauskette Karstadt.
sind wir in mehr als 40 bisher noch gar nicht vertreten. 1a-Lagen bleiben wichtig für uns, aber
wir wollen auch mehr in Gegenden vertreten
sein, wo unsere Gäste wohnen und arbeiten.
Coffee Business: Wen sehen Sie als wichtigsten
Wettbewerber für Starbucks in Deutschland?
Sind es eher die anderen Coffeshops, ein Mc-
Wird es eine Änderung dieser Strategie geben?
Ja, im Rahmen unserer neuen Multi-ChannelStrategie werden wir neben der Einführung von
Drive-Thru-Standorten, einem größeren Frühstücksangebot und der Kooperation mit Raststätten und Hotels auch die Vergabe von Franchiselizenzen in Angriff nehmen. Dazu gehört auch,
dass wir das Lizenzgeschäft mit institutionellen
Partnern an Autobahnen und in Flughäfen forcieren. Zusätzlich möchten wir gern als Kaffeebohnenmarke mit Hotels zusammenarbeiten
und unsere Präsenz im Einzelhandel, auch mit
Café, oder sind es die Bäckereien?
Wir Deutschen sind eine Kaffeenation. Mit mehr
neuen Produkten, stärken.
als 150 Litern Kaffee pro Person im Jahr scheinen
die Nachfrage und der Durst auf Kaffee unstill-
Welche Anforderungen stellt Starbucks an pro-
bar. Der deutsche Coffee-House-Markt ist dynamisch und bietet viel Potenzial für uns – aber
auch für die Wettbewerber. Wir überzeugen vor
allem mit unserem Kaffee. Um sich jedoch von
der Konkurrenz abzuheben, müssen wir unseren
Gästen eine Produktpalette anbieten, die sie dazu
verführt, nicht nur ihren morgendlichen Kaffee
bei uns zu genießen, sondern auch ihren Frühstückssnack. In diesem Bereich sind die Bäcker
mit ihrem großen Frühstücksangebot ganz klar
unsere größten Wettbewerber. Nichtsdestotrotz
ist unser Kerngeschäft der Kaffee. Außer Haus
sind die Bäckereien zwar sehr stark; bei Starbucks bieten wir unseren Gästen aber ein ganz
besonderes Erlebnis. Sie erhalten Kaffee bester
Qualität und können dabei in unseren 156 Coffee Houses das besondere Ambiente genießen,
spektive Franchisenehmer?
Bei Starbucks geht es in erster Linie um Kaffee.
Von einem potenziellen Franchisenehmer würden wir erwarten, dass er den Starbucks-Qualitätsansprüchen entspricht. Das gilt sowohl für
den Service als auch für die Auswahl der Mitarbeiter und die Einhaltung unserer Corporate
Identity bei der Einrichtung.
Welches Wachstumspotenzial sehen Sie im Lizenzgeschäft, z.B. mit dem Verkehrsgastronomie-Betreiber SSP?
SSP hat eine hervorragende Infrastruktur und ist
an vielen exklusiven Standorten vertreten. Eine Zusammenarbeit bietet uns vielfältige Möglichkeiten für ein erfolgreiches und schnelles
Wachstum in Top-Lagen.
in Ruhe ein Buch lesen oder unser kostenloses
W-LAN dazu nutzen, um im Internet zu surfen.
International nimmt das Thema Nachhaltigkeit
eine wichtige Rolle ein. In Deutschland hat Star-
Für 2012 ist die Eröffnung des ersten Starbucks
Drive-Thru angekündigt. Wie entwickelt sich
das Projekt? Welches Potenzial sehen Sie mit
bucks 2010 mit dem Dresdener Coffeehouse eine
Filiale unter Nachhaltigkeits-Gesichtspunkten im
Rahmen des “Shared Planet”-Programms eröffnet. Wie entwickelt sich dieses Konzept? Besteht
die Absicht, es für weitere Standorte umzusetzen?
Standorten dieses Typs in Deutschland?
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COFFEE BUSINESS 6/2012
Foto: omxomxomxoxmx
MARKT
Foto: omxomxomxoxmx
STARBUCKS
In Deutschland sind alle seit 2011 neueröffneten
mögliche Synergieeffekte mit dem Geschäft im Au-
Coffee Houses nach den LEED-Richtlinien (Leadership in Energy and Environmental Design)
ßer-Haus-Markt?
Ja, definitiv. Durch die Produkte im Einzelhandel
stärken wir unsere Markenpräsenz und ermög-
erbaut – das Coffee House am Dresdner Altmarkt war das erste dieser Generation. Neben
Maßnahmen in den Anbauländern hat sich Starbucks zum Ziel gesetzt, auch den ökologischen
Fußabdruck der Coffee Houses weltweit zu verringern. LEED steht für ökologisches Bauen in
dessen Rahmen wir umweltfreundliche, ressourcenschonende sowie lokale Materialien nutzen
und den Energie- und Wasserverbrauch vor Ort
reduzieren. Darüber hinaus engagieren wir uns
auch in unserer Nachbarschaft. Im Rahmen des
Global Month of Service im vergangenen April
haben Starbucks Partner gemeinsam mit Gästen
an die 200 Stunden in gemeinnützige Projekte
investiert und so beispielsweise eine Düne in
Berlin-Wedding renaturiert und die Nachbarschaft in München von herumliegendem Müll
lichen den Genuss von Starbucks-Qualitätsprodukten auch in Regionen, die über kein Coffee
House in ihrer Nähe verfügen. Außerdem bringen wir das Starbucks-Erlebnis in Kürze auch
in die Privathaushalte. Mit dem neuen Verismo
System von Starbucks, einer Kapsel-Kaffeemaschine für den Privathaushalt, bauen wir unsere
Präsenz weiter aus. Starbucks kooperiert für die
globale Einführung der Maschine mit dem deutschen Unternehmen Krüger und ist somit künftig auch im heimischen Wohnzimmer mit seinen
heißen Kaffeespezialitäten vertreten. Ob Caffè
Latte, Americano oder Filterkaffee, der Anspruch von Starbucks ist es, Qualitäts-Kaffeegetränke anzubieten, die sich geschmacklich nicht
befreit.
von den Kaffeespezialitäten unterscheiden, die
in Starbucks Coffee Houses serviert werden.
Starbucks hat auch seine Markenpräsenz im deut-
Herr Specht, vielen Dank für das Gespräch!
schen Lebensmittelhandel verstärkt. Sehen Sie hier
MARKT
Die Fragen stellte Chefredakteur Karsten Runge.
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