C. Bertling Vierzahl, Kreuz und Mandala in Asien
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C. Bertling Vierzahl, Kreuz und Mandala in Asien
C. Bertling Vierzahl, Kreuz und Mandala in Asien (met platen) In: Bijdragen tot de Taal-, Land- en Volkenkunde 110 (1954), no: 2, Leiden, 93-115 This PDF-file was downloaded from http://www.kitlv-journals.nl VIERZAHL, KREUZ UND MANDALA IN ASIEN* . . . ne donner que des ordres et des nombres — — C'est la maniere même de Dieu — Valéry - Eupalinos ael h ©eög yecojuérgsi W Platon enn ich über die symbolische Bedeutung der Vierzahl in den Kuïturen Asiens sprechen möchte, dann beabsichtige ich damit nicht an erster Stelle die mystisch-philosophischen Spekulationen dieser Zahl im Zusammenhang mit anderen Zahlen zu beleuchten, noch die asiatische Anschauungsweise der kosmischen Schöpfung der 4 Elemente in Betracht zu nehmen, sondern ich möchte Ihr Interesse , auf die grundlegende g e o m e t r i s c h e Figur lenken, die durch ihre' Symmetrie in unverbrüchlichem Zusammenhang mit der Zahl 4 verbunden ist, namlich das sogenannte griechische Kreuz, dessen 4 Arme die parallel einander gegenüberstehenden R i c h t u n g e n andeuten. Es ist namlich an erster Stelle die plastische Vorstellung dieses Kreuzes, und nicht die abstrakte Zahl 4 — in der Bedeutung der Anzahl —, welche in den alten asiatischen Kuituren als Symbol verstanden wurde. Schon im Anfange dieses Jahrhunderts, haben die grossen französischen Soziologen D u r k h e i m und M a u s s die Universalitat dieser Figur bemerkt im Zusammenhang mit einer üblichen Art der Organisation einër primitiven Stammgruppe. In ihrem berühmten Artikel „De quelques formes primitives de classification" x) haben sie einen Zusammenhang zwischen der geographischen Einteilung des gebrauchlichen Lagers, wo ein Stamm bei wichtigen Gelegenheiten zusammenkommt — und das nach den 4 Windrichtungen eingerichtet wird — und der Zusammenstellung des Stammes aus 4 genealogischen Gruppen, das heisst aus den wichtigsten totemistischen Clans, gefunden und brachten ihn in Verbindung mit der Exogamie und mit der *) Dieser Vortrag wurde unter einem anderen Titel im Marz 1954 in Zürich gehalten. Die Übersetzung in die deutsche Sprache verdanken wir Fraul. S. Ch. Klein (Universitat Amsterdam). *) E. Durkheim et M. Mauss: De quelques f ormes primitives de classification (Année sociologique 1901-02). . ' Dl. 110. . 7 94 VIERZAHL, KREUZ UND MANDALA IN ASIEN. Funktion des Totemismus. Durkheim und Mauss haben ausserdem sofort begrifïen, dass auch der Kreuzpunkt, also der Mittelpunkt des Kreuzes, welcher mit dem Zenith, oder mit dem Himmelsgewölbe assoziert wird, eine besondere und sehr wichtige Funktion hat, sodass man im kosmischen Sinne nicht von 4, sondern von 5 Richtungen sprechen muss. Es ist deutlich, dass diese Pioniere der soziologischen Wissenschaft hiermit als Grundlage einer sozialen Gruppierung, eine kosmische Ordnung, namlich die der Himmelsrichtungen, annahmen; oder mit andern Worten: sie setzten einen allgemein kosmischen Gedanken als Grundbegriff gewisser Siedlungen voraus. Die menschliche Welt, die Stammgruppe, ware also, wie sie in dem Lager orientiert ist, eine Abspiegelung des kosmischen Begriffs: das ist die Idee des M i k r o k o s m o s . In Übereinstimmung mit dieser Theorie sehen wir in Indonesien, aber freilich auch anderswo, eine Gruppierung der Volksansiedlungen und Dörfer in eine vier-fünf-Gruppe, namlich in ein Hauptdorf, umringt von 4 Weilern, die auf der Insel Sumatra und anderwei tig noch hier und dort genealogische Affinitate zeigen. Diese 4 Geschlechter werden dann die 4 s u k u genannt (in den Molukken: s o a ) ; das bedeutet: die 4 Füsse eines Tieres. Von eminenter Wichtigkeit ist in diesem.Zusammenhang ein Aufsatz von V a n O s s e n b r u g g e n aus dem Jahre 1917 über den Ursprung des javanischen Dorf es (m o n t j a-p a t auch wohl m o n t j a-1 i m a genannt), wobei sich dieser Schriftsteller auf den Aufsatz von Durkheim und Mauss bezieht 2 ). Nach Van Ossenbruggen haben viele andere Ethnologen Beispiele aus Indonesien gegeben 3 ), vor allem aus den 2 ) F. D. E. van Ossenbruggen: De oorsprong van het Javaansche begrip MontjaPat in verband met primitieve classificaties (Meded. Kon. Ak. v. Wetensch. Afd. Letterk. 5e reeks dl. III (1917). Vergl. weiter: F. A. E. Laceulle: Eindverslagdessa-autonomie 1929 p. 5. a ) W. H. Rassers: De Pandji roman (diss. 1922) p. 215-229; J. P. B. de Josselin de Jong: De Maleische archipel als ethnologisch studieveld (1935); F. A. E. van Wouden: Sociale structuren in de Groote Oost (1935), passim; J. Ph. Düyvendak: Het kakeangenootschap van Seran (1926) § 11; F. D. Holleman: Het adat-grondenrecht van Ambon en de Oeliassers (1923) p. 14; H. J. Jansen: Inheemsche groepensystemen in de Ambonsche Molukken (1929) in Adatrechtbundel 36, p. 445 sq.; B. J. O. Schrieke: Koloniale volkenkunde en volkenkunde van Ned. Indië (1936) p. 22; N. D. Ploegsma: Oorspronkelijkheid en economisch aspect van het dorp op Java en Madoera (1936) p. 18 sq.; P. E. de Josselin de Jong: Minangkabau and Negri Sembilan (1951) p. 66 sq.; 106; 150 sq.; R. Winstedt: The Malays (2 ed. 1950) p. 57 sq.; 73 sq.; V. E. Kom: Het adatrecht van Bali (2e Ausg. 1932) p. 97; 196; C. J. Grader: Tweedeling in het oud-Balische dorp (Meded. Kirtya Liefrinck van der Tuuk no. 5 (1937) p. 45 sq. VIERZAHL, KREUZ UND MANDALA IN ASIEN. 95 Molukken, wo man dieselbe Erscheinung konstatiert hat. Die soziale Vierteilung ist übrigens nicht auf jenen Kontinent beschrankt: es ist gewiss nicht zufallig dass auch in europaischen Sprachen der geographische Ausdruck „Viertel" (Quartier) gelaufig ist. Ich möchte heute nicht auf diese sozialen Organisationen eingehen, sondern Sie lieber auf enige andere Erscheinungen in der Ethnologie aufmerksam machen, wobei das Kreuz. eine wichtige Rolle spielt und die, meiner Ansicht nach, auf demselben kosmischen Grundbegrifï beruhen. In Indonesien und bei den verwandten Völkern Südostasiens wird dieses Kreuzmotiv oft als T a t o w i e r u n g angewendet und diese Tatsache ist manchmal Anlass gewesen zu der oberflachlichen Interpretation, dass es im besonderen mit der Kopf jagerei zu tun hat; denn im allgemeinen durf en sich nur diej enigen tatowieren, welche bereits einen Kopf gejagt haben. Die Bedeutung liegt aber tiefer, namlich in der Einweihung zum Clan-Mitglied. Die Kopf jagd ist ein integrierender Teil dieser Einweihung, wie vor allem der niederlandische Ethnologe V a n B a a l bezüglich eines Papua Volkes eingehend gezeigt hat. Nur der Eingeweihte ist ein vollstandiger Mensch und darf dieses Zeichen der Vollkommenheit tragen; entweder als Tatowierung, oder (spater) auf ein Kleidungsstück aus Baumrinde gezeichnet oder darauf gestickt 4 ) (Abb. 2 und 3). Die Einweihung ist auch Bedingung für die (exogame) Ehe; daher komm't es, dass das Kennzeichen auch als Symbol der Fruchtbarkeit gedeutet wird. Es ist das Verdienst von C a r l S c h u s t e r , auf die zentrale Bedeutung des Kreuzes als Tatowierung und andere Dekorationen für den ganzen westlichen Pazifischen Ozean in einem gediegenen Zeitschrif tartikel hingewiesen zu haben 5 ). Schuster zeigt uns darin den Zusammenhang, in Bezug auf die F o r m dieser Symbolik, in einem Gebiet, welches von Turkestan und China bis weit nach Melanesien reicht. Der Autor kommt zu der Konklusion, dass das Ornament des antiken chinesischen Spiegels (aus der spaten Han-Dynastie, 206—220 nach Christus) im Prinzip dasselbe ist, wie die bekannten schwarzweissen Ornamente der Muscheln auf den Admiralitats-Inseln. Sowohl 4 ) G. J. Tichelman: Tooverteekens en symbolen van Indonesië (1942) ; idem: Het snelmotief op Toradja foeja's (Cultureel Indië II p. 113 sq.); van Heyst in Cult. Indië III p. 44; A. E. Jensen: Die drei Ströme (1947) p. 28 und 243; J. Ph. Duyvendak l.c. pag. 109. B ) Carl Schuster: An ancient Chinese mirror design reflected in modern Melanesian art (Far Eastern Quaterly Vol. XI (1951) p. 53-66); Man sehe auch Schuyler Camman: Types of symbols in Chinese Art (in der Ausgabe „Studies in Chin. Thought" (The American Anthropologist 1953) ). 96 VIERZAHL, KEEUZ UND MANDALA IN ASIEN. bei dem chinesischen Spiegel, als bei den melanesischen Muscheln sieht man ein viereckiges Ornament, das in stylisierten Vogelfiguren endet, sodass man an Entlehnung oder Diffusion denken kann. Auf Grund dieses Aufsatzes von Dr. S c h u s t e r , hat mein Gastherr, Professor S t e i n m a n n , auch das Gebiet des Sépik-Flusses an der Nordküste Neuguineas, in Hie Kette der Entlehungen einbezogen e ), welche Südchina mit den Admiralitats-Inseln und den Salomons-Inseln verbindet, über den indonesischen Archipel, und die von Professor Steinmann publizierten Abbildungen sind in der Tat als „Leitmotiv" sehr suggestiv. Professor Steinmann sieht hier einen Zusammenhang mit der von Dr. v o n H e i n e G e l d e r n, R i e s e n f e l d , v a n d e r H o o p und anderen konstruierten Route der — auch in Schusters Aufsatz genannten — Dong-Son-Kultur. Auch der Ethnologe J e n s e n hatte (im Jahre 1947) Interesse f ür die Verbreitung dieses Ornamentes von Abessinien bis zu den Neuen Hebriden. Und vielleicht darf man — aber diese Bemerkung mache ich unter der grössten Reserve — sogar in diesem Zusammenhang die Aufmerksamkeit auf ein Verzierungsmotiv des antiken Samarras, der Hauptstadt des antiken Mesopotamiens, lenken, wo man Reste von sehr altem Steingut gefunden hat, worauf ebenfalls die 4 See-Vogel, kreuzförmig einander gegenüber stehend, abgebildet sind 7 ). Was Indonesien betrifft, hat Dr! S c h u s t e r bewiesen, dass die Ornamentik der melanesischen Muscheln eine sehr deutliche Affinitat zeigt mit der an den Kusten der Molukken in der Banda See, an erster Stelle mit der Tatowierung des Geheimbundes der Patasiwa hitam auf dem westlichen Teil der Insel Ceram. Auch hier f indet man dasselbe Mandala-Kreuz, dessen Arme enden in Vögeln wahrend dès Fluges. Die Tatsache, dass die Tatowierung in direktem Zusammenhang mit der Einweihung der Stammesmitglieder steht, gibt dieser Verzierung eine besondere soziale Bedeutung, wobei der Himmel (das eigentliche Mandala) und die 4 kosmischen Richtungen von grossem Wert sind. Auch die Prehistorie verschafft uns Parallele. J. R o d e r teilt uns vom Tatuligebiet (Südküste der Insel Ceram) mit, dass ziemlich alle Niederlassungen der Küstenkultur einen heiligen Dorf stein ( b a t u p e m a 1 i ) hatten: eine Steinplatte die besonders auf vier kleinen Tragsteinen ruhte. Und, nach mehrfachen Auskünften sind diese e ) Alfr. Steinmann: Das Nabelornament der Ahnenfiguren auf den Zeremonialstühlen vom Sepik (Geogr. Helv. Bd. VII; 1952, p. 362 sq.}. 7 ) Anna Roes: Birds and fishes (1947) : Jaarbericht no. 10 „Ex Oriente Lux", 'p. 461. VIEEZAHL, KREUZ UND MANDALA IN ASIEN. 97 Steine ein Weltbildsymbol. Die Steinplatte, so meint Dr. R o d e r , stellt den Himmel dar, den die Bevölkerung sich in 7 Lagen übereinander aufgebaut denkt, die vier Stützsteine stellen die vier Saulen an den Enden der Welt, die den Himmel tragen 8 ), dar. Diese Weltordnung im grossen ist weiter in der Amterordnung des Dorfes im kleinen nachgebildet und im heiligen Stein festgelegt; die 4 Stützsteine waren traditionell an die vier Soas (clans) Silawane, Wala, Pésina und Nanuwaijo verteilt und diese Stützsteine hiessen „t a t u n o"; die 4 Hauptlinge sind die „ t a t u n o f a e " = (Stützen des batu pemali) oder nur „f a e s i" ( = Manner). In solch einer Steinbank (batu pemali) sollte weiterhin die Reihenfolg'e der Soas und der Amter nach kosmischen Gesichtspunkten festgelegt und geheiligt sein 9 ). In dieser Hinsicht ist weiter sehr bemerkenswert die Parallele unserer Figur mit der Architektur des sakralen Mannerhauses z. B. in Waropen (Neuguinea) im Mittelpunkte der Ansiedlung, mit seinem Himmeldach und der Orientierung des Grundplanes nach 4 Seiten 10 ), und man stellt sich die Frage ob irgend eine Verwandtschaft dieser Merkmale vorliegt mit der noch völlig unbekannten Kultur der Felsmaler and der Nord-Westküste Neuguineas, wo man so of t genau dasselbe Kreuzornament der Tatowierung des Patasiwa von Ceram antrifft (Abb. 1). Für. die Analyse dieser Figur ist es ausserdem interessant, dass in dem ganzen Gebiet der Banda See, genauso wie an den Kusten Neuguineas der Stamm früher in 4 Teile verteilt wurde, wie die Mittagsonne die in 4 Viertel verteilte Erde beherrscht. Der, alles b.eherrschende Mittelpunkt, stimmt überein mit dem zentralen Teil eines indonesischen Dorfes, von wo aus die 4 Töchterdörfer ausgéstrahlt sind. Dieselbe Figur findet man wieder zurück in der Ornamentik der Tofadjas von Mittelcelebes, aber auch bei den Galela in den nördlichen Molukkëh und sógar viel westlicher im Mentawei-Archipel (westlich von Sumatra). Im südlichen Teil der Banda See, namlich bei den Bewohnern der Insel Alor, ist dasselbe Zeichen wieder für die Tatowierung bestimmt 'und im Kisar-Archipel (bei Timor) werden die 4 Vogel urn den Himmelsbaum herum mit der kosmischen Mythe der Entstehung der Welt 8 ) Eine Parellele also der alten aegyptische Kosmologie, jedoch o h n e i r g e n d e i n e nachweisbare oder sonstig wahrscheinliche „Kulturübertragung" (C.T.B.). 9 ) J. Roder: Alahatala (Die.Religion der Inlahdstarame Mittelcerams (1948). p. 10; 16. 10 ) G. J. H e l d : Papoea's van Waropen (1947) p. 46 sq. und 154 sq. " 98 VIEEZAHL, KEEUZ UND MANDALA IN ASIEN. assoziert 11 ). Auch auf den Ikat-Geweben der Insel Sumba findet man dieses Motiv zurück. Was Indo-China betrifft, hat L e e n h a r d t im Jahre 1947 die Aufmerksamkeit auf eine Tatowierung auf der Stirne eines MoïStammes gelenkt. Diese Tatowierung f ührt den Namen: „die tanzende Frau". Nun ist es bekannt, dass der Tanz eine rituelle Bedeutung hat und B é z a n c i e r , hat in einem Artikel im „Bulletin des Etudes Indochinoises" die Wahrscheinlichkeit erörtert, dass dieser ein V o g e 1tanz sein müsse, der also mit dem Firmament zu tun hat 1 2 ). Aus dem Himmel erwartet man alles Heil für die Fruchtbarkeit der Erde; der Himmel oder der Himmelsberg ist assoziert mit dem aus grosser Höhe spahenden Adler; der Gegenpol: Meer und Unterwelt mit Raubf ischen 'und Krokodil oder Schlange. Diese Zweiteilung ist sehr allgemein und kommt in steter Verbindung mit der Vierteilung des Kreuzes vor. Ich werde hierauf spater noch zurückkommen. Wenn man nun in von einander sehr weit entfernten Gebieten die 4 Vogel abgebildet sieht, stilisiert auf rituellen Gegenstanden oder als Tatowierung, und es werden tatsachlich rituelle Vogeltanze ausgeführt. dann ist es wohl wahrscheinlich, dass auch das bekannte Befragen des Vogelfluges vor dem Anfang eines wichtigen Unternehmens, wie das im alten Rom von den Auguren geschah, im selben Zusammenhang genannt werden darf. (Derselbe Vorgang ist auch in der Vedanta erwahnt 13 ). Die Verrichtung der römischen Auguren wurde „auspicium" („avisspicium") genannt, also das aufmerksame Beobachten des Vogelfluges. Die Technik eines solchen Vorganges war bei den alten Römern, wie C a s s i r e r hervorgehoben hat 1 4 ), derart dass der H i m m e l von den P r i e s t e r n durch ein i m a g i n a r e s K r e u z i n 4 S e g m e n t e g e t e i t wurde, um hiernach die gunstige oder ungünstige Richtung des Vogelfluges beobachten zu können. Der Vogel ist hierbei also nicht mehr als ein Instrument; worauf es ankommt ist die Wahl zwischen den 4 Himmelsrichtungen. Es ist bekannt dass auch die Dajaks, die Ifugao und andere s.g. u ) J. P. B. de Josselin de Jong: Studies in Indonesian culture I Oirata, p. 150. ) Louis Bézancier: Interprétation du tatouage frontal des Moi Ka-tu (Buil. Soc. des Etud. Indochin. XXVI, 1951) p. 46; M. Leenhardt: Arts de 1'Océanie (1947) p. 37; Ie Pichon: Les chasseurs de sang (Bul. des Amis du Vieux Huè no. 4 (1938). 13 ) B. Essers: Vac (Het woord als godsgestalte en als godgeleerdheid in de Veda) diss. Groningen 1952, p. 91. 14 ) E. Cassirer: Philosophie der symb. Formen II (Das mythische Denken) 1925, p. 127. 12 VIERZAHL, KREUZ UND MANDALA IN ASIEN. . 99 primitive Völker im Prinzip dasselbe tun: den Vogelflug bef ragen wenn ein wichtiges Unternehmen stattfinden muss. In A s a h a n (an Sumatras Ostküste) wird beim Wahlen eines neuen Wohnsitzes folgendermassen wahrgesagt: auf dem neu gewahlten Gebiet wird ein in 4 gleiche Segmente verteilter Zirkel gezogen, in dessen Mitte man einen Stock gepflanzt hat. Aus den von diesem Stock aus gezogenen 4 Himmelsrichtungen wird sodann etwas Erde herausgenommen und auf dem Zirkelumfang ausgestreut. Einen Hahn,. der mit einer Pfote an den Stock festgebunden ist, (und welcher also den Zenith andeutet) f ragt man, den neuen Platz, wo man sich niederlassen soll, anzuweisen. lm selben Augenblick schneidet man dem Tiere die Gurgel ab und die Stelle, wo das zuckende Tier stirbt, gibt dann die wahre Richtung an 1 5 ). Die K a r o-B a t a k s in Nordsumatra zaubern im Krankheitsfalle, indem sie einem Huhn 4 Sorten Reis (roten, weissen, gelben und schwarzen) zu essen geben. Das Reiskorn, wonach die Henne zuerst piekt, entscheidet welche Therapie man für den Patiënten anwenden wird 10 ). In I n d r a g i r i werden in die 4 Ecken eines Grundstückes, welches man als Acker vorgesehen hat, Fahnchen gesteckt. Die Richtung, in welche die Fahnchen vom Winde geweht werden, bestimmt Glück oder Unglück. Hier verrichten also die Fahnchen die Funktion der 4 Vogel 17 ). Immer ist die Art, worauf man nach einem Ausweg aus einer unsicheren Situation sucht, basiert auf das Kreuz mit seinen 4 Richtungen vom Mittelpunkt aus gesehen. In einer Vision sieht Ezechiel 4 gef lügelte Gestalten (Cherubim), welche um eine anthropomorphische Gottesgestalt geschart sind (Ezechiel I 4-28) 1S ). Der Zirkel oder das Viereck, vom Mittelpunkt, vom Gipfel des Berges oder vom Zenith aus konstruiert, ist der Mikrokosmos: „imago mundi" und die menschliche Gemeinschaft gilt bei einem primitiven Volke als die Wirkliche Welt: die Erde, vom Firmament umspannt. 15 ) Mitteilung von G. L. Tichelman. ) J. P. Kleiweg de Zwaan: Gebruiken en ziekten der Inlanders en hun ethnologische beteekenis (Ned. T. voor geneeskunde (1916) p. 1726). 17 ) V. Obdeyn: De „langkah lama" der Orang Mamak van Indragiri (Tijdschr. Bat. Gen.sch. 1929) p. 378. 18 ) Man sehe H. Bergema: De boom des levens in Schrift en historie (Diss. 1938) p. 187 und 520 sq.; in dieser Bez. auch Zecharia 6 : 1 ; A. J. Wensinck: Tree and Bird as cosmological symbols in Western Asia (Verh. K.A.W. — Afd. Letterk. 1921) p. 13; G. W. Locher: The serpent in Kwakiutl religion (diss. 1932). le 100 VIERZAHL, KREUZ UND MANDALA IN ASIEN. S o z i a 1 wird diese Gemeinschaf t oder der Wohnort vielf ach grundsatzlich in 4 Teile eingeteilt, wahrend in der Mitte oft ein Platz offengelassen wird, wo sich nicht selten das sakrale Gemeinschaftshaus befindet, das durch seine Dachkonstruktion eine Abbildung des Himmels sein kann. Es ist kein Zufall, dass der Himmel auch in der Gestalt eines Baumwipfels oder eines Berggipfels eine wichtige Rolle in der Denkstruktur spielt. Glück und Unglück erwartet der Mensch vom Himmel: Der liebe Gott thront, nach dem Volksglaube, „im Himmel". Aber der Gegenpol des Himmels ist in Wirklichkeit nicht die Erde, sondern viel mehr die Unterwelt. Das Leben steht dem Tode gegenüber, welcher durch eine Schlange oder ein Krokodil oder durch die Finsternis symbolisiert wird, (wie bei dem Verbrennungsturm von Bali und Nepal). Dieser Gédanke lebt auch in Neuguinea und in Indonesien, aber ebenfalls in China und India und überall sonst 19 ). Der schweizer Ethnologe P a u l W i r z und die Niederlander V a n B a a l und H e l d haben über die Polaritat wichtiges Material aus Neuguinea verschaflft und vor allem hat der Schweizer S c h a h r e r diese Symbolik bei den Dayak von Südborneo systematisch entfaltet 20 ). Ich kann hier noch hinzufügen, dass laut einer rezenten Mitteilung des Herrn G a 1 i s 21 ), das Mythen-Material der Noróbin-Flache in Nordneuguinea zeigt, dass dort der goldfarbige Paradiesvogel, der mit Vorliebe in dem Wipfel des Eisenholzbaumes prunkt, das Sonnensymbol für die Bevölkerung ist und von diesem in den Himmel reichenden hohen Eisenholzbaum ausgehend, wird nach der Mythologie der Noróbinbevölkerung der Stamm durch 4 gestreckte Schlangenkörper in Clans verteilt, wahrend diese Schlangen mit der Unterwelt assoziert sind. Sie harten, wie die Mythe lautet, den Urahn J a u n g, als er im Wipfel des Baumes die Sonnenvögel geraubt hatte, verschluckt, ihn auf Erden hinunter gebracht, und ihn dort wieder ausgespuckt (die Vollziehung der Initiation). Als nachher ein Versöhnungsfest mit dem tückischen alteren Bruder des Jaung, U k o n g, gef eiert wurde, f and die entgültige Verteilung des Nimboran-Kosmos statt, der Windrose entsprechend. 19 ) G. W. Locher: The serpent cult in Kwakiutl religion; Gisbert Combaz: L'évolutic|n du Stupa en Asie (1937) p. S. 2°) H. Scharer: Die Gottesidee der Ngadju Dajak in Süd Borneo (diss. 1946) p. 21-29. 21) Neulich publiz. in diesem Bande (Bijdr. T.L.V. 19S4) p. 21 sq. VIERZAHL, KREUZ UND MANDALA IN ASIEN. 101 Wie man bemerkt, ist in dieser Mythe die vertikale Zweiteilung (Oberund Unterwelt) fest verknüpft mit dem horizontalen Viereck. Ungefahr in demselben Gebiet lënkt eine eigenartige Tatowierung die Auf merksamkeit auf sich, namlich eine v i e r e c k i g e T a t o w i e r u n g u m d e n N a b e l herum. H a n s D a m m schrieb hierüber in dem letzten Jahrbuch des Museums f ür Völkerkunde zu Leipzig wie f olgt: „Wenn die langen Bander der Brust- und Rückennarben an einigen Stellen vom Schnitzer auch sehr schematisch behandelt worden sein mogen, so ist doch das Narbenmuster um den N a b e l ganz besonders sorgfaltig ausgeführt. „Es findet" — sagt er — „sich auch an vielen Figuren der von mir beschriebenen Zeremonialschemel aus diesem Gebiet und ist wohl ein ausgesprochenes Stammesabzeichen". Auch Professor S t e i n m a n n hat über diese Nabelsymbolik in dem Sépik-Gebiet von Nordneuguinea eine Publikation veröffentlicht 22 ). Aber auch an der Südküste Neuguineas ist das „Viereckmuster" sehr allgemein, wie P a u 1 W i r z in einer Verhandlung der Naturforschenden Gesellschaft zu Basel im Jahre 1952 konstatiert hat 2 3 ). Vor allem verdanken wir wieder V a n B a a l eine tiefere Einsicht in die kosmischen Vorstellungen des Papua-Stammes der Marind-Anim (Südneuguinea), woraus sich zeigt, dass der Körper einer göttlichen Figur, G e b genannt, welche sowohl die mannliche Sonne, als auch den ganzen Kosmos vorstellt, der Prototyp der ganzen menschlichen Gemeinschaft einschliesslich der Totenwelt, ist, und dass er aüs 4 Teilen besteht. Gebs Nabel ist davon wieder der Mittelpunkt. Der Fregat-Vogel ist in der Mythologie dieses Volkes — undnachbarlicher Völker—-der Reprasentant von Geb in seiner Sonnenerscheinung. Auf rituellen Gegenstanden wird er einem Fisch (der Unterwelt) gegenüber abgebildet (die vertikale Zweiteilung). Eine derartige mikrokosmische Anschauung erkennen wir auch anderswo (z. B. die Kosmogonie der. Purusha in Rigveda n. 90). Der Grundschlag der horizontalen Kreuzfigur ist natürlich eine raumliche, planimetrische Orientierung. Aber diese raumliche Orientierung nach den Richtungen der Windrose wird im praktischen Leben f ür allerlei Zwecke angewendet. Wir nannten schon den Fall, worin die planimetrischen Kreuzrichtungen gebraucht wurden, um ein Mittel zu **) Steinmann l.c.. 83 ) Paul Wirz: Die Entlehnung und Assimilation eigenen und fremden Kulturgutes in Neu Guinea (Verh. Naturf. Gesellsch. Basel, Bd. 63 (1952) p/203); ausführlich: J. van Baal: Godsdienst en samenleving in Nederlandsen Zuid Nieuw Guinea (diss. 1934) ; idem: De bevolking van Zuid Nieuw Guinea onder Nederlandsen bestuur, T.G.B. 1939. 102 VIERZAHL, KREUZ UND MANDALA IN ASIEN. suchen, eine Krankheit zu genesen. Dieses Zaubern, dass auch in unserem Sprachgebrauch das Suchen nach einer tauglichen „O r i e n t i e r u n g" auf den Fall, worüber man im Unklaren ist, genannt wird, geschieht mittels der Kompassstriche, die eingeteilt sind in gute und schlechte Möglichkeiten, bei wichtigen Unternehmen und Lebenskrisen. Zahllos sind zum Beispiel die Zauberbrettchen in den Zauberbüchern der Bataks; oder in Kambodscha, die sogenannten „yeam krala" die für verschiedene Falle den richtigen Weg weisen durch Anwendung eines mystischen Kreuzes, welches auf das Brettchen oder in das Buch des Zauberers gezeichnet ist und das zum Beispiel von dem Ethnologen S k e a t in seinem Buch über „Malay magie" ausführlich besprochen worden ist 24 ). Auf den Insein Java und Bali ist die Zauberkunst bis zu einer bestimmten Höhe kodifiziert in mystischen Schriften (den sogenannten p r i m b o n oder p e t a n g a n ) wobei sehr of t die 4 oder 5 Richtungen — man spricht in diesem Zusammenhang auch von den 5 Sinnen (p a n t j a d r i a) — klassif iziert sind mit 5 Götternamen, die als Schlüssel für die Berechnung eines guten oder günstigen Monats, Tags oder Stunde dienen, und auch die 5 javanischen Markttage (p a s a r a n) werden in dieses System bezogen 25 ). Eine dem Namen nach islamitische Mystik ( n g e l m u ) , welche sich anschliessend bemüht den Vierzahlen gewisse kosmische Werte zuzuschreiben, darf man kaum ernst nehmen 2G), aber die Verwendung ist charakteristisch. In Tibet zaubert, laut N e b e s k y d e W o l k o w i t z , der Bon Priester im Krankheitsfalle auf der kreisförmigen Schlagflache einer Trommel, welche durch ein Kreuz in 4 Sektoren verteilt ist und in jeden Sektor sind die Namen guter oder böser Geister geschrieben. Wahrend des Gesanges von Tantras wird die Art der Krankheit und die Möglichkeit der Besserung wahrgesagt 27 ). 24 ) W. W. Skeat: Malay magie p 244; A. Souryis-Rolland: Les pirates au Cambodge (B.S.E.O. 1950 p. 430 sq.) ; P. A. J. Moojen: Kunst op Bali (1926) p. 64. Man sehe auch den s.g. „sarang timah" oder Salomonssegel betreffend: „Cultureel Indië" I (1939) p. 315, 330 sq. und idem ' i l l p. 44 sq. 25 ) A. H. van Hien: De Javaansche geestenwereld (de primbons) 1913; Th. Pigeaud: Javaansche wichelarij en klassificatie (Feestbundel Kon. Bat. Gen.sch. II (1929) p. 273 sq.; W. Weck: Heilkunde und Volkstum auf Bali (1937) p. 178sq. 26 ) H. Kraemer: Een Javaansche primbon uit de zestiende eeuw (diss. 1921) p. 114 sq.; B. M. Schuurman: Mystik und Glaube im Zusammenhang mit der Mission auf Bali (1933) p. 31; G. W. J. Drewes: Drie Javaansche goeroe's (Diss. 1925) p. 59, 78 sq.; P. J. Zoetmulder: Pantheisme en monisme in de Javaansche soeloek-litterauur (1935) p. 163. 27 ) R. Nebesky de Wolkowitz: Tibetan drum-divination „Ngamo" (Ethnos 1952, p. 154 sq.). VIERZAHL, KREUZ UND MANDALA IN ASIEN. 103 In verschiedenen heidnischen Gebieten wird, wenn ein Unglück geschenen ist, die Figur des Kreuzes angewendet, um herauszufinden wer durch sein Betragen direkt oder indirekt daran schuld ist 28 ). Der Beschuldigte muss zum Beispiel einen Reinigungseid ablegen bei einem auf den Boden gezogenen Kreuz. Hiermit übereinstimmend fangt die Formulierung eines Eides auf Java in der hinduistischen Zeit mit dem Anrufen der Hüter der Windrichtungen als Zeugen an, namlich der Taras oder Dharmapalas, welchë an den Ecken dieser Windrichtungen manchmal als geflügelte Wesen veranschaulicht sind, (was uns wieder an die 4 Vogel in der Tatowierungsornamentik oder an die Cherubim von Ezechiel erinnert 29 ). Wenn auf Bali ein neues Dorf gegründet wird, wahlt man dafür vorzugsweise einen natürlichen Kreuzweg als Ausgangspunkt 30 ) und dasselbe gilt auch für die umliegenden Gebiete des asiatischen Festlandes von den altesten Zeiten ab. Gleichfalls soll diese Geotnantik entscheiden für das Wahlen der Stelle für einen neuen Tempel oder ein fürstliches Gebaude, das namlich in einer Gleichgewichtslage verkehren muss. Aus demselben Grunde wird auf der Insel Bali der Verbrennungsturm einer vornehmen Person, bevor er verbrannt wird, driemal in einer Prozession um den Dorfskreuzweg herumgetragen 31 ). Auch werden auf dieser Insel den Erdgeistern gerade am Kreuzwege des Dorfes die üblichen Opfer hingelegt. In all diesen Fallen scheint der vorliegende Gedanke zu sein, dass das rechteckige Kreuz eine mathematische Sicherheit der Erfüllung der erwünschten Ordnung mit sich bringt. In Tibet kennt man auch kleine, aus Ton modellierte Tempelenen, nach dem Modell des Stüpa das ist also nach dem Prinzip des Kreuzes konstruirt; und diese Miniaturtempelchen nimmt man als Amulette mit auf die Reise, sodass man immer sicher sein wird, denn auf die Ecken sind wiederum die 4 Weltwachter (Lokapala) modelliert 32 ). Die F u n k t i o n ist also, trotz einer Jahrhunderte alten Evolution im 2*) Auf Sumatra z.B. die Kubu: Adatrechtbundel V, p. 293; auf Bali: M. Covarrubias: Island of Bali (1938) p. 69. M ) H. Kern: Oud-Javaansche eedformulieren op Bali gebruikelijk (Verspr. Geschr. VI p. 291 sq.). 30 ) M. Covarrubias: Island of Bali p. 42; P. A. J. Moojen: Kunst op Bali (1926) p. 44 sq. 31 ) K. C. Crucq: Bijdrage tot de kennis van het Balisch doodenritueel (1928) p. 65. 32 ) P. H. Pott: Introduction to the Tibetan collection of the Nat. Museum of Ethnol. Leiden (1951) p. 122 104 VIERZAHL, KREUZ UND MANDALA IN ASIEN. Weltgottesdienst des Buddhismus, dieselbe wie die der melanesischen Muscheln mit den 4 Vögeln in den Ecken. Das religiöse Klima in Tibet und Bali hat viel. Ahnlichkeit mit einander dureh den gemeinschaftlichen Tantra-Buddhismus. Die tibetanische Mandala-Stupa bezweckt in erster Linie tantrische Absichten und dementsprechend sind in den mandalaförmigen Thanka (bemalte Tücher (Abb. 4) die Dhyani-Buddha und Tara., Farben und weitere Symbole klassifiziert je nach den 4 Hauptrichtungen33). Beinahe alle Rituale sind hier vom signifischen Mandala-Kreuze bedingt; M i r ' c e a E 1 i a d ë had gesagt dass „1'insertion dans un mandala, dessiné sur Ie sol, équivaut a un rituel" 34). Auf Bali gibt es noch ein gleichartiges Objekt, welches besondere Aufmerksamkeit verdient, namlich die sogenannten n a w a-s a n g a. Es sind tantrische Gegenstande, die unter anderen bei der Leichenverbrennung und beim Anfange des Reisbaues gebraucht werden. Wie der Name andeutet, betrifft es hier neun Richtungen, aber die 4 Hauptrichtungen werden von den Göttern A g n i (Feuer), S.ü r y a (Sonne, Licht), S o m a (Lebenssaft) und V a y u (Wind) vorgestellt; im Zentrum thront C i w a. Genau wie in Tibet wird jeder göttliche Wert auch von einer bestimmten Farbe symbolisiert.. Diese n a w a-s a n g a werden auf Bali manchmal auf Deckchen ( k e k a s a n g ) gestickt, die von den Priestern auf den Schoss gelegt werden, urn Ciwas und der Randgötter Segen zu erbitten. Nicht nur bei dem balischen Totenrituell, sondern auch bei anderen Krisis- oder ursprünglichen Einweihungsriten, wie das zeremonielle Haarschneiden und das Feilen der Zahne, mussen diese merkwürdigen Figuren durch ihre Anwesendheit einen magischen Einfluss ausüben 35). Der Form3S ) Pott, ibid. p. 43, 59, 79, 92, 102 sq., 122 sq. lm klassischen China wurden gleifalls die Tonleitern klassif iziert. J. C o m b a r i e u (La musique et la magie (1909) _S. 200) meldet:... la gamme a cinq sóns se rattache a (cette) idee que cinq est Ie mombre symbolisant 1'élément „Terre". La •gamme de cinq notes — k o n g , c h a n g , ki o, t che, y u — est aussi en relation avec les cinq empereurs d'en haut, cinq d i e u x désignés par les couleurs qui correspondent aux einq éléments. Der bekannte Ethnomusikologe v o n H o r n b o s t e l hat diesbezüglich nachgewiesen dass dem Charakter „ k o n g " (buchst: „Palast", „Mitte") auch hier eine spezielle deutende Funktion beigelegt werden soll („Tonart und Ethos"). 34 ) Mircea Eliade: Psychologie et histoire des religions (Eranos Jahrb. 19S0 p. 278); S. Hummel: Geschichte der Tibetischen Kunst (1953) p. 68 sq.; Janine Auboyer: Tibet (Bannières et miniatures) éd. Musée Cernuschi, Paris 1951, p. 20; Gisbert Combaz: L'évolution du Stupa en Asie (1937) p. 5. 3B ) M. Covarrubias l.c. p. 76, 267; H T. Damsté: Balische kleedjes en doeken etc. (Gedenkboek Kon. Inst. T.L.V. 1926) p. 254; B M. Goslings: ibid.; W. J. Wilkins: Hindu Mythology, p. 403; P. H. Pott: Yoga en tantra (diss. 1946), VIERZAHL, KREUZ UND MANDALA IN ASIEN. 105 gebung und der Funktion nach soll die nawa-sanga den bekannten tibetanischen Mandala-Bildern am nahesten verwandt sein. Sie war auch dem mittelalterlichen Java bekannt. Aber auch in der Versammlung des Fürsten mit seinen Ratgebern wird auf der Insel Bali noch bis zum heutigen Tage die n a w a-s a n g a in die Mitte der Versammlung gestellt, urn für schwierige Probleme den richtigen Beschluss zu f assen. C o v a r r u b i a s spricht mit Recht von „the ever present Rose of the Winds" ( = nawa-sanga) 36 ). Wie allgemein derselbe Gedanke des Gleichgewichtes ist, dort wo man sich in Gefahr oder in Ungewissheit befindet, zeigt sich bei den zahllosen Amuletten auf Java, Bali und anderseitig, die nichts anderes als Papierchen sind, worauf eine Art n a w a - s a n g a gezeichnet sind, das heisst ein durch kaballistische Figuren qualifiziertes Kreuz; und welche tatsachlich ein Syncretismus eines altasiatischen Animismus mit einem importierten Weltgottesdienst sind. Ein anderer archaisch-indonesischer Typus dieser Orientierung oder „Fassung" ist die mittels eines symbolischen kleinen Ackers, von viereckiger Form, den chthonischen Machten, also den Erdgeistern gewidmet, um von ihnen Fruchtbarkeit und gute Ernten zu erbitten. Dieser kleine, nach den Windstrichen gerichtete Acker wird in den verschiedensten Gebieten ïndonesiens gefunden.- Ein priesterlicher Funktionar leitet dort die Zeremonie. Es ist merkwürdig, dass im China der altesten Zeiten ein gleichartiges Ritual vom Kaiser personlich oder von einem persönlichen Vertreter desselben verrichtet wurde, nach- den Vorschriften taoistischer Art, welche in dem heiligen Buche J u e' L i n g, das auf sehr alte geomantische Zaubermethoden zurückgreift, verfasst sind37).. Der Zeremonialacker ist zugleich heiliger Raum (der Hain) und Altar (réjuevog) im frühen hellenistischen Altertum. Bei der isóliert wohnenden Bergbevölkerung Südwestjavas, den Baduï, wird auf dem kleinen rituellen Acker ( h u m a t u l a d a n ) nach Beendigung der vorbereitenden Ackerbauarbeiten ein Opferhauschen gebaut, worüber — wiederum in Kreuzform — zwei Bamp. 145-150; W. F. Stutterheim: Een interessante këndi van Troewoelan (T.B.G. LXXXI p. 487; R. Goris: Bijdrage tot de kennis der Oud-Javaarische en Balineesche theologie (1926) p. 127; P. A. J. Moojen: Kunst op Bali (1926) p. 28. 38 ) Covarrubias l.c. pag. 297; für Tibet: P o t t , Introduction p. 115. 37 ) J. J. M. de Groot: Universalismus (1918) p. 239 sq. ;H. Maspéro: Le régime féodal et la propriété foncière dans la Chine antique (Revue Instit. Solvay, Bruxelles 1936); Allgemeines bei René Guénon: La grande triade; Ch. XVI „Le Ming-tang". 106 VIERZAHL, KREUZ UND MANDALA IN ASIEN. busspane gespannt werden, in deren Ecken sich Fahnchen (die Vogel ?) bef inden 38 ). Bei dem spateren Ernteritual werden die Reisbüschel dort nach den 4 Windrichtungen hingelegt. Eine merkwürdige Ahnlichkeit (bis in Details) stellt sich heraus in der Beschreibung (von J o h a n n e s W a r n e c k) eines Altars der animistischen Tobabatak (Sumatra) im Anfange unseres Jahrhunderts 3 9 ); auch in Celebes ist derselbe kosmische Gedanke in gleichartigen Ritualen ausgepragt 40 ). In dem westlichen Teil von Priangan hat man nie unterlassen in den 4 Ecken eines gerade urbar gemachten Ackers zu opfern, wie es, nach der Legende, der Volksheld W a t u G u n u n g vorgeschrieben hat 4 1 ). H i d d i n g konstatiert ebenf alls, dass bei dem indonesischen Reisbau die Mitte und die 4 Ecken des Feldes eine wichtige Rolle spielen, bei der Verehrung der Erdgeister 42 ). In Sara wak sehen wir bei den Land-Dayaks dasselbe Ritual 43 ). Aber auch sonst findet man in Borneo überall derartige Erntegebrauche verbreitet, die dem Heile der Gemeinschaft im allgemeinen dienen, also dazu da sind, um den himmlischen Segen f ür die Erde zu bekommen, wobei der kleine viereckige Acker ( „ l u m a h l a l i " ) 4 4 ) immer als Symbol der Mutter Erde („B u r i n g U n è") gilt und of t ein Himmelsbaum in seiner Mitte aufgerichtet ist. Die Gajus (südlich von Atjeh, auf Sumatra) fangen das urbar machen eines Ackers damit an, dass sie einen Pfahl in der Mitte des offengehackten Waldteiles errichten; in der Spitze dieses Pfahles hat man ein horizontales hölzernes Kreuz angebracht, welches „der Herr des Walds" genannt wird, den man um Erlaubnis bittet für den verübten Mutwillen 45 ). Die Kenya-Dayaks von Apo Kayan (Borneo) errichten in der Mitte ihres Dorfes ebenso einen hohen Pfahl, an dessen Spitze ein aus Holz 3S ) N. J. C. Geise: Badui en Moslims in Lembang Perahiang (1951) p. 32, 35, 39, 42. 39 ) Joh. Warneck: Das Opfer bei den Tobabatak in Sumatra (Arch. f. Religionswissensch. 1915, p. 368. 40 ) Alb. C. Kruyt: De Bare'e sprekende Toradjas van Midden Celebes II (1912) p. 277, 284. 41 ) J. H. F. Sollewijn Gelpke: De rijstcultuur (1874) p. 125. 42 ) K. A. H. Hidding: Nji Pohatji Sanjang Sri (diss. 1929) p. 106. *») The Sarawak Museum Journal V (1950) p. 226. **) Kota Waringin: J. Mallinckrodt in Kol. Tijdschr. 1924, p. 293 sq.; KenjaDajaks: J. M. Elshout: De Kenja Dajaks uit het Apokajan Gebied (1926) p. 371; Zentral Borneo: A. W. Nieuwenhuis: Quer durch Borneo I, p. 157; Tayan Dajak: M. C. Schadee: Bijdr. T.L.V. vol. 67 (1913) p. 240; Kendajan Dajak: P. Donatus Dunselman in Bijdr. T.L.V. vol. 106 (1950) p. 350. 45 ) C. Snouck Hurgronje: Het Gajoland en zijne bewoners (1903) p. 351. VIERZAHL, KREJJZ UND MANDALA IN ASIEN. 107 geschitzter Nashornvogel und ein horizontales Kreuz angebracht sind. Man nennt es „ k e r a m e n " und seine Funktion ist die Menschenseelen zu beschirmen, wenn sie sich ausserhalb des Dorfes befinden auf den zerstreut liegenden Ackern. Vor diesen keramen wird ein Gebet aufgesagt, das wie folgt lautet: „Wir opfern dem keramen, das unsere Seele beschützen soll in unserem Haus und auf unseren Ackern. Wenn wir weit von unserem Dorf auf die Acker gehen, halte uns dann fest und stütze uns dort, wo wir stillhalten und lasse uns dort nicht krank werden" 4 8 ). Die To Bada (Mittelcelebes) stellen vor dem Anfang der Sawahbeschaftigung vier, mit Schwertern gerüstete, Puppen nach den Windstrichen auf die Ringwalle des Dorfes, wahrend eihe fünfte, weibliche, Figur in der Mitte des Dorfes steht 47 ). Es würde eintönig werden derartige Gebrauche aufzuzahlen, die in Indonesien von Nias bis zu den Molukken, aber auch bei den Taistammen in Indo-China vorkommen 48 ). Oft werden auch 4 Reishalme (die s.g. Reismutter) aufgespeihert um als Erstlinge in der nachstfolgenden Jahreszeit ausgesat zu werden. Man rechnet diese Gebiete gerne zu einer proto-malaiischen Kultur. Hiergegen braucht man keine Bedenken zu haben, wenn man wenigstens als Anlass dazu von einer Einheitskultur der Proto-Malaier spricht. Aber auf jeden Fall muss man sich Rechenschaft davon geben, dass die Symbolik eine viel weitere Gültigkeit hat. Wir sprachen bereits davon, dass diese argrarische Symbolik in dem altesten China bekannt war. Der f ranzösische Gelehrte P a u l M u s hat sie in Champa 49 ) nachgewiesen und östlich von Indonesien sehen wir dieselbe Figur bei verschiedenen Papua-Stammen Neuguineas. Bei den Kiwai-Papuas von Südneuguinea (beim Flyfluss) findet zum Beispiel am Anfang der trockenen Saison die g a é r a Zeremonie statt, wobei ein grosser Wunschbaum aufgerichtet wird um eine gute Ernte zu befördern. Auf eine Plattform in diesem Baum, der wiederum Symbol des Himmels ist, werden besonders die ersten 4 geernteten yam-Knollen (die wichtigste Volksnahrung) hingelegt. Nach Beendigung des rituellen Festes werden diese 4 Knollen von einem sehr alten Ehepaar (welches die Ureltern vorstellt) mit einiger Feierlichkeit in ein v i e r e c k i g e s 46 ) Elshout l.c. pag. 288, 298. ) J- Woensdregt in Ned. Tijdschr. Zendingswetensch. 1928, p. 229 und idem: T.B.G. Vol. LXVIII p. 167, 169. 48 ) G. Maspero: L'Indochine I, p. 235. 49 ) P. Mus: Cultes indiens et indigènes au Champa (Hanoi 1934). 47 108 VIERZAHL, KREUZ UND MANDALA IN ASIEN. Stückchen Boden gepflanzf, in dessen Mitte ein Zweig des KrotonStrauches (der in diesem Gebiet eine gewisse geweihte Bedeutung hat) steht Bo ). Sogar in Europa gibt es Überreste hiervon: V a n d e r L e e u w erinnert an den „Wettersegen" in vielen katholischen Gebieten in Deutschland, wobei das Allerheiligste feierlich durch Feld und Acker herumgetragen wird und an 4 Stellen (auch manchmal an den 4 Ecken des Ackers) das Evangelium gelesén wird. lm Anfang habe ich bemerkt, dass Dr. S c h u s t e r einen Zusammenhang zwischen dem Muschelornament im Westpazifik und den Verzierungsmotiven des chinesischen Spiegels sah, einen Zusammenhang in der Symbolik, der ein Gebiet von Turkestan bis weit nach Melanesien umfasst. Auf Asiens Festland hat dieses Mandala eine zentrale Bedeutung bekommen für das religiöse und philosophische Denken und vor allem in der kanonisierten hinduistischen Architektur der Tempel, Stüpa und anderer monumentaler Gebaude, die ausserdem vorzugsweise auf einem Kxeuzwege aufgerichtet wurden. Tatsachlich ist diese Systematik das pragmatische Fundament der Hochkulturen Asiens geworden 51 ). Das bildende Wort „Architektur" nahert sich hier unbedingt dem Begrifïe eines „Archetypus", oder besser: einer Archestruktur. Was bei barbarischen Völkern einzeln eine Amulette blieb, wurde spater in machtigen Bauwerken von höchstem aesthetischen Werte dargestellt, woran sich obendrein der hinduistische Tanz und das Drama von Himmel und Unterwelt, oder wie man das Epos des Mahabharata auch interpretieren will, als eine grossartige Evolution aus dem Fruchtbarkeitsritual, anschliessen. Auch im javanischen wayang wird in. dem „ G u n u n g a n " nicht selten der Himmelsbaum abgebildet bevor die Vorstellung anfangt, und oft sind darin die Vogel als die wichtigsten Attribute angebracht 52 ). Der Grundschlag ist überall derselbe: an erster Stelle der Gegensatz oder die Zweiteilung, die gleichzeitig ein Zusammengehen ausdrücken des, die Erde befruchtenden, Himmels (und bei der Erde ist eventuelï die Unterwelt einverleibt), assoziert mit den kardinalen Gegensatzen Licht und Dunkelheit, Mannlichkeit und Weiblichkeit, Leben und Tod so ) Gunnar Landtman: The Kiwai Papuans of British New Guinea (1927) p. 389. sl ) Hans H. Baumann: Betrachtungen über die Symbolik der Pyramiden (in „Die Kulturelle Bedeutung der Komplexen Psychologie", 1935) p. 327 sq. 82 ) W. H. Rassers: Over de oorsprong van het Javaansche tooneel (Bijdr. T.L.V. vol. 88 (1931) p. 412, 422. VIERZAHL, KREUZ UND MANDALA IN ASIEN. 109 — eine vertikale Zweiteilung also — und an zweiter Stelle die horizontale Orientierung in 4 Richtungen der Erdflache, wobei der viereckige Acker das Symbol der wirklichen menschlichen Existenz ist, worin auch die 4 exogamen Gruppen ihrè feste lokale Bestimmung bekommen. In der Mitte des kleinen sakralen Ackers steht der Himmelsbaum (gleichzeitig Wunschbaum) der zu dem Heil, das aus dem Himmel erwartet wird, reicht; im Dorfe steht dort das sakrale Mannerhaus mit seinem Himmelsdach oder der aus diesem Haus und dem Tanzplatz evoluierte Kraton (der fürstliche Palast) ^3). „Le roi reproduit la hiérogamie mythique en accomplissant 1'union rituelle avec la déesse dans une chambre sécrète du temple et 1'union divine assure la f écondité terrestre" 54 ). In der hinduistischen Ikonographie nun sehen wir auch óft den Lebensbaum (oder eine Pflanze — vorzugsweise hier den Lotos —) aus einem G e f a s s herausblühen, welches b e z ü g i i c h mit der Unterwelt oder mit dem Totenreich assoziert zu sein scheint und woraus das Lebenswasser hervorkommt. Was uns nun schliesslich interessiert ist der Sinn des Kreuzes selber, welches, wie es sich zeigt, im Stande ist, d u r c h a l l e J a h r h u n d e r t e ' diese w e l t w e i t e Symbolik zu kreieren, bis sogar die Vorstellungswelt des Christentums das Kreuz als die Verkörperung der Liebe und des Friedens auf Erden einfach übernommen hat, wahrend dieses Kreuz mit dem Himmel oder dem Wunschbaum verbunden ist: Der Weihnachtsbaum, der die Weihnachtsnacht erleuchtet. Manchmal erscheint es so einfach und selbstverstandlich, aber in Wirklichkeit versteht sich nichts einfach von selbst. Die Leichtigkeit, womit wir diese Figuren akzeptieren,- beweist, dass hier in der Tat in gewisser Hinsicht die Rede von einem (kollektiv) unbewussten Schema ist. Die Frage ist: warum ist gerade das Kreuz, das rechteckige Kreuz dazu angewiesen, die universelle kosmische Rolle zu spielen. Nicht auf Grund von Christus Kreuzigung, obwohl sicherlich die Kreuzigung 53 ) Rassers lx: pag. 374; idem: On the Javanese Kris (Bijdr. T.L.V. vol. 99 (1940) p. 576 sq.) ; W. F. Stutterheim: De kraton van Majapahit (Verh. VII Kon. Inst. T.L.V. — 1948) p. 27 sq.; R. Heine Geldern: Weltbild und Bauform in Südost Asien (Wiener Beitrage z. Kunst und Kultur) 1930, p. 56 sq.); P. A. J. Moojen: Kunst op Bali (1926) p. 7; R. O. Winstedt: Kingship and enthronement in Malaya (Journ. Mal. Branch R.A.S. XX (I), 1947) p. 129 sq.; P. MassonOursel: La philosophie en Oriënt (1938), p. 128. **) Mircea Eliade: Le mythe de 1'éternel retour (1949) p. 25, 49 sq.; P. Pelliot: B.E.F.E.O. II, p. 145; F. D. K. Bosch: De gouden kiem (1948) p. 95; G. Coedès: Succession royale dans 1'ancien Cambodge (B.S.E.I. 1951 p. 118 sq.). Dl. 110. 8 110 VIERZAHL, KREUZ UND MANDALA IN ASIEN. die alte, immer schlummernde Symbolik aufs neue belebt hat. Das Kreuz mit seinen 4 Armen und seiner vollkommenen Symmetrie hat.als solches vor allem eine metaphysische Bedeutung 55 ). Wenn das Viereck der Mikrokosmos heisst, so sind diese Seiten zuvor bestimmt vom Kreuze. Und wenn Zirkel und Viereck in gleicher Weise Symbol des Kosmos sind, so ist diese Identitat Folge des gemeinsamen Mittelpunktes, der zuerst durch das Kreuz g e f u n d e n ist. Das Viereck ist also der Kosmos nach der Orientierung; der Zirkel mag Symbol sein des noch blinden, nicht von dem Geist erkundeten Kosmos: Symbol des Himmels oder des Chaotischen. Man soll sich immerhin die Universalitat des Kreuzes als Symbol nicht vorstellen als Folge vernünftiger Entscheidungén und auch eine introspektive Erklarung derartiger Symbole wird leicht irreführen, denn der Vernunft ist in den Gebieten des Unbewussten der Eintritt eben untersagt. Wir dürfen immerhin das Symbol an sich nicht verwechseln mit einer treffenden sinnbildlichen oder allegorischen Vorstellung, wovon Denkmaler und melodramatische Buch-Illustrationen in einer bürgerlichen Kultur immer grossen Beifall finden. Die grossen MandalaSymbole sind eine ursprüngliche Sprache: eine Deutung, deren Name noch f ehlt. Die Allegorien aber sind Lyrik und Romantik. Das Symbol liegt, ungeachtet zahlloser Falle gewisser Kulturentlehnung, auf eine noch ratselhaf te Art verankert in der S t r u k t u r unseres Seelenlebens und weist sogar diesem Seelenleben die Richtung. Es ist also Objekt der Psychoanalyse, welche die S t r u k t u r des s.g. Unbewussten — oder, wenn man will: des kollektiv-ünbewussten — untersucht. Es ist das grosse Verdienst von C. G. J u n g, die Gesetzlichkeit von Symbolen, wie das Kreuz, konstatiert, geordnet und analysiert zu haben, wenn auch die Konklusionen dieser Analysen noch von vorlauf iger Art sind 56 ). Nach dem Vorbilde Augustinus 57 ) hat nun J u n g die Urbilder „Archetypen" genannt. Das Kreuz und das hiermit verbundene Mandala nehmen dabei selbstverstandlich eine führende Stelle ein. e5 ) René Guènon: Le symbolisme de la Croix (1950) p. 60-63; R. Bernouilli: Zur Symbolik geometrischer Figuren und Zahlen (Eranos Jahrbuch 1934 p. 382 sq). 58 ) Von seinen zahlreichen Arbeiten nennen wir: C. G. Jung: Psychologie und Alchemie (2e Aufl. 1952); idem: Von den Wurzeln des Unbewusstseins (Studiën über den Archetypen) 1954. 57 ) Vor Augustinus hatte aber schon Plotinus sich des Wortes agxézvnos bedient. Nach ihm soll der Kosmos das archetypische Bild sein der Ideeenwelt (vovg): Ennéades III 2, 1, 25 (trad. E. Bréhier). VIERZAHL, KREUZ UND MANDALA IN ASIEN. 111 Aber über die wahre Art dieser Anschauungsweise, über die genetische Struktur, also über die Art dieses „Unbewussten" und. des Symbols sind wir noch im Dunklen. J u n g selber gesteht: „Das MandalaSymbol scheint eine Art Kern-Atom zu sein, über dessen innérste Struktur und letzte Bedeutung wir aber noch nichts wissen" B8) und J o l a n J a c o b i weist in einer interessanten Kommentararbeit darauf hin, dass „das Auftauchen der Mandala-Symbole aus der Seelentiefe immer s p o n t a n geschieht" 59 ). Und gewiss ist dieses Moment der Seele ein „Fascinans" (Rudolf Otto: „das Heilige", 6. Kapitel). Die Frage drangt sich auf ob diese mathematische oder diagramartige Figur, dieses „Atom" mit den üblichen Archetypen (den Erfahrungsbildern) wohl wirklich gleichwertig sei. Werden letztere nicht vielmehr von dem Kreuze stilistisch gruppiert, gefügt und klassifiziert? Was aber lehren uns die ethnologischen Daten? Sie deuten offenbar auf Situationen worin eine Entscheidung gefallt werden muss, um sich aus einer vollkommenen Unsicherheit zu retten und es zeigt sich dass es die Kreuzfigur ist, welche, als eine Andeutung im Voraus, immer den Weg weisen muss, und dies nicht nur in Bezug auf Entschliessungen rein r e l i g i ö s e r , sondern g l e i c h f a l l s s o z i a l e r Art. Die doppelte Symmetrie (horizontal und vertikal) soll dabei von konstitutiver Wichtigkeit sein für die Befriedigung von Unlustgefuhlen, denn Symmetrie bedeutet ein vollkommenes Gleichgewicht der Werte und Gegenwerte nicht nur in dem v i s u e l l e n Aspekt, sondern auch in den quasi-visuellen Regungen eines Propheten oder eines Schamanes. Bei J u n g und den meisten Psychoanalytikern finden die spezifischen Sozialstrukturen (die Verwantschaftslinien und die Dorfseinrichtung) leider nur wenig Interesse. Jedoch ist jenes Aspekt von wesentlicher Bedeutung für eine richtige Deutung des Phanomenes insofern die sozial-genealogische Gruppierung immer in den Mythologien ihre Rechtfertigung zu finden sich bemüht — und dies namentlich gerade nicht in einer psychopathologischen Weise. Die Arbeit des Dr. V a n B a a l bezüglich Südneu-Guihea ist in dieser Hinsicht besonders lehrreich. Insbesondere trifft man in primitiven Ritualen die statige soziale 58 ) Jung: Psychologie und Alchemie, p. 255. Anderswo hat Jung das Mandala ein „Symbol der. Individuation" genannt (Eranos Jahrb. 1934, p. 218). **>) Jolan Jacobi: Die Psychologie von C. G. Jung (1949), p. 239. 112 VIERZAHL, KREUZ UND MANDALA IN ASIEN. Stammesteilung der zwei Phratries immer wieder in der Abbildung einer v e r t i k a l e n Polaritat: Oberwelt < > Unterwelt an (welche Symbolik sich in jeder individuellen Heirat reproduziert). Zudem schmiegt sich dem vierarmigen h o r i z o n t a l e n Kreuze eine traditionelle Clanexogamie disziplinarisch an, in welche die statigen legalen Funktionen familiarer, amtlicher und administrativer Art einverleibt sind. Es ist somit nicht selten eine mythische Figur, ein Demiurg, dem die Rituale des Alltagsleben zugeschrieben werden. Wir können nicht ausführlich auf die Probleme dieser Strukturen eingehen; nur wollen wir die Aufmerksamkeit lenken auf die Tatsache dass diese archaischen symmetrischen Gruppierungen einen wichtigen Ausdruck gefunden haben in dem foedalen Regime des alten China mit seinen exklusiven Bedingungen des Heiratssystemes (tchao m u) für den Adelstand, wovon G r a n e t uns ausführich berichtet hat 60 ). Der durchaus rituelle Charakter fast aller Institutionen einer „archaischen" Gemeinschaft setzt offenbar eine traditionelle und überwiegende Machtsbefugnis des Medizin-Priesters oder Schamanes voraus, der die kosmischen Phanomene, also in erster Linie die „A r c h es t r u k t u r" des Kreuzes zu würdigen pf legt. Schon der geniale M a r c e l M a u s s , dessen Name ich bereits im Anfang erwahnte, 'bemerkte in den Schlusszeilen seiner „Theorie de la Magie" (1903): „Les mathématiques ont certainement beaucoup du aux recherches sur les carrés magiques ou sur les propriétés magiques des nombres et des f igures .. . On peut croire que c'est aussi dans les écoles de magiciens que s'est constituée une tradition scientifique et une methode d'éducation intellectuelle. Elles furent les premières académies". Nach sorgfaltiger Analyse des Stüpabaues in Asien schliesst auch G i s b e r t C o m b a z (1935): „Que 1'espace fut divisé en quatre régions, auxquelles s'ajoutera plus tardivement une cinquième, celle d'en haut ou du zénith, est une conception qui remonte aux premiers ages de 1'humanité". Und Combaz ist gleichfalls der Ansicht dasz diese Architektur „peut être Ie résultat des méditations d'un moine solitaire" 61 ). . Nach den schöpferischen Aussagen des magischen Priesters wird die Gemeinschaft das Symbol wiedererkennen. „Kein Mensch soll den Barabudur gesehen haben indem aber Mil60 ) Marcel Granet: Catégories matrimoniales dans la Chine ancienne (1939); idem: Etudes sociologiques sur la Chine (éd. posthume 1953) p. 34 sq. et 205 sq. **•) Gisbert Combaz l.c. 1935, p. 140; P. Mus: Barabudur (B.E.F.E.O. I) p.413. VIERZAHL, KREUZ UND MANDALA IN ASIEN. 113 Honen diesen Stüpa „wiedererkannt haben" hat ein hollandischer Philosoph (G. Mannoury) gesagt" und dieses Wiedererkennen ist vor allem e m o t i o n e l l e r Art. Erkennen wir also in dem Tantrismus eine weitere Entwicklung der schamanistischen Meditation, und bemerken wir zudem dasz der tibetanische Bon-Priester immer wieder das^Mandala als die exakte Auskunft erfindet (und bis in die alteste chinesische Geomantik spüren wir dieselben Rituale), so biegt offenbar sich das Vernunft diesem Urbilde des metaphysischen Gleichgewichtes als je einem konstanten Postulate. Das signif ische Kreuz ist, wie es scheint, immerhin eine der Wurzeln unseres Bewusstseins und ebenfalls die ursprünglichste geometrische Figur, die sich aüch in bestimmten Blumen, Schneeflocken und Kristallen geitend macht. Es stellt das gefundene Gleichgewicht vor, welches konstruktiv notwendig irgendeine Schöpfung bestimmt, und darum ist es kein Wunder, dass dieses Kreuz auch die organische Struktur des menschlichen Geistes und seiner psychischen Reaktionen beherrscht oder berührt. „We should not be surprised",.bemerkte ein amerikanischer Physiologe, „to find at work within our own self the usual laws of physics and of chemistry as they exist in the cosmic world" 6 2 ); und der f einsinnige f ranzösische Poet' P a u l V a l é r y : „L'univers est construit sur un plan dönt la symétrie profonde est, en quelque sorte, présente dans l'intime structure de notre esprit. L'instinct poétique doit nous conduire aveuglement a la .verité" M ). Rationalismus und Intuition begegnen sich hier in gar überraschender Weise! Wir sind gleichfalls noch ganz im Dunkeln über die Weise, worauf das archetypische Bild des Lebensbaumes oder des kosmischen Baumes in diesen Prozess hineinbezogen wird. Geometrisch stellt es jedenfalls die dritte Dimension da. Es verdient immerhin Aufmerksamkeit, dass der griechische Text des Neuen Testaments, sowohl für das Kreuz, als für 'den Baum des Lebens dasselbe Wort £vlov gebraucht. Und in der Tat ist von Kommentatoren Kreuz und Baum oftmals wesentlich identisch genannt worden. Der biblische Baum des Lebens s t e h t t r a d i t i o n e l l i n d e r M i t t e des Paradieses, oder wie R e n é G u é n o n bemerkt: „il se retrouve au centre de la Jerusalem céleste, 62 ) Alexis Carrel: Man, the unknown (Pelican ed. 1948) p. 90. Darf man vielleicht dem physiologischen Prozesse der embryonalen Metamorphosen des Retina irgend eine Lösung des Problems zuschreiben? «3) Paul Valéry: Au sujet d'Eurêka (Variété, p. 128), (1924). 114 VIERZAHL, KREUZ UND MANDALA IN ASIEN. dont Ie plan est, n o n p l u s c i r c u l a i r e , m a i s c a r r é " M ) . In einer Kreuzhymne wird nicht nur das Kreuz mit dem Baum des Lebens verglichen, sondern es werden darin auch die 4 Baumsorten genannt, woraus das Kreuz angefertigt worden ist. Der Lebensbaum wird auf diese Weise charakterisiert als ein Totalbild, volkommen übereinstimmed mit dem Kreuz in der archaischen Symbolik, welches wir an unserem Geistesauge haben vorbeiziehen lassen. Und dieser g e m e i n s a m e r Baum oder dessen Gipfel gilt als die Darstellung des Heiles des Lebens, als der Erlöser aus der Not. Man soll sich zumal an allen Seiten sicher stellen, und „alle Seiten" heisst: die 4 Richtungen des Kreuzes; die 4 Himmelvögel oder die l o k a p a l a sollen wachen! Nach der Folklore der russischen Kirche, liegt besonders Golgotha im Mittelpunkt der Welt. Man sah diesen Ort auch wirklich g e og r a p h i s c h zentral und noch immer glaubt man dort, dass diese Stelle dieselbe ist, wo Adam geschaffen und spater begraben wurde, wo er von dem Blute des Heilands aus der Verlorenheit erlöst worden sei " ) . Derselbe Gedanke lebt in der alt-chinesischen Symbolik. „The y i n and y a n g concept was intimately related to the four directions as symbolized by the Four Spirits" und „the axis of the universe, located at the center of the world, was considered as the source of the' divine energy which came down f rom Heaven through the gate in the middle of the sky" 68 ). Demgemass stellt die chinesische Schrift den „König" symbolisch als den grossen Mittler von Himmel und Erde 67 ). Sehr wichtig ist in dieser Hinsicht wieder ein Abschnitt von Réné Guénon, bezüglich der offenen Z e r e m o n i a l k u t s c h e des chinesischen Fürsten, der sich dort inmitten eines viereckigen Balkones (die Erde), und von einem kreisförmigen Baldachin (der Himmel) überdacht, auf stellt indem ein M a s t (symbole axial) Balkon und Baldachin verbindet. Genauso wie die indische y ü p a ragt dieser Mast über die Kuppel empor. Man möchte sprechen von einem lebendigen Stüpa, dessen Achse der exemplarische Mensch ist („1'homme transcendant"): der Fürst-Vermittler, in dem kosmischen Symbole einverleibt, zeigt sich periodisch als ein Votiv-stüpa! Archetypisch oder exemplarisch fallen Symbol und das Wesentliche freilich zusammen, wie bei dem Vorgange des Sakramentes. w ) **) ^ 8T ) René Guénon: Le symbolisme de la Croix (2e ed. 1950) p. 85. Mircea Eliade: Le mythe de 1'éternel retour, p. 33. Schuyler Camman: Types of symbols in Chinese Art, p. 201. Man betrachte die Vignette unten. Abb. 1. Felsmalerei Nordneu-Guinea (Photo R. L. Mellema, Kon. Inst. v. d. Tropen) Abb. 2. Stickerei von Sumatra (Photo Carl Schuster) Abb. 3. Bemaltes Tuch aus Rinde (Mittel Celebes) Photo Kon. Inst. v. d. Tropen Abb. 4. Tibetanisches Mandala (im Besitze des Verfassers) VIERZAHL, KREUZ UND MANDALA IN ASIEN. 115 Dürfen wir dann nicht annehmen, dass der Mensch, seinem Körperbau entsprechend, s i c h s e l b e r in diesem Himmelsbaum oder irgend einem Pole wiedererkennt ? Der Zauberer, der zuerst das Kreuz zeichnet, bestimmt seine geistige Stelle im Kosmos, den er eben von den Schnittlinien veranschaulicht, d.h. er vollzieht eine Schöpfung in dem Geiste. Und der Mensch hat, zur Erfüllung seiner Traume, den Glücksbaum „e r f u n d e n", d.h.: ihn organisch wahrnehmbar gemacht; den Weihnachtsbaum, welcher in der Nacht vor der heiligen Geburt brennt. Er p a r t i z i p i e r t an diesem „imago", weil es ein menschlicher Wunschtraum seines eigenen Inneren ist: in gewissem Sinne i s t er selber dieser gerade Baum 6S ), welchen er voller Hingabe behangt hat mit Lichtlein und freundlichen Geschenken. Er möchte gerne seinen Anteil an dem Lichte des Himmels haben. Man entnimmt dem Weihnachtsfest nicht den Glanz, indem man es vergleicht mit einem alten Stammfest der früher heidnischen Toradjas, das auf einer Plattform gefeiert wurde, welche für diese Gelegenheit in dem Himmelsbaum: dem Waringin, angebracht wurde. Dieser Baum, w o r i n also das grosse Fest gefeiert wurde, wurde für diese Gelegenheit mit goldenen Krissen und gelbf arbigen Gegenstanden verziert, welche das Licht nachahmen sollten und man verkehrte dort mit den „m a n u r u n g" (den Ahnen im Himmel), wobei Gebete und Heilwünsche ausgesprochen wurden 69 ). Auch bei ihnen strahlte an diesen hohen Festtagen ein Licht in der Finsternis. 68 ) René Guénon: La grande Triade (1946) p.-104: „Ainsi 1'homme s'identifiait lui même a 1'Axe du Monde. M. Révesz Alexander spricht in dieser Hinsicht von einem menschlichen „Höhentrieb" oder „Höhenrausch" (Der Turm als Symbol und Erlebnis, 19S3 p. 18). 89 ) Alb. C. Kruyt: Het stamfeest op Midden Celebes (T.B.G. 1935) p. 599 sq. C. Tj. BERTLING.