Lean Healthcare Report 2012 - Abegglen Management Consultants

Transcription

Lean Healthcare Report 2012 - Abegglen Management Consultants
Lean Healthcare
Wie Dienstleister im Gesundheitswesen künftige
Herausforderungen meistern
ACE - ALLIED CONSULTANTS EUROPE STUDIE 2012
ALLIED CONSULTANTS EUROPE
PARTNER IN
DÄNEMARK
DEUTSCHLAND
FRANKREICH
GROSSBRITANNIEN
ITALIEN
NIEDERLANDE
POLEN
SCHWEDEN
SCHWEIZ
TSCHECHISCHE REPUBLIK
Lean Management im Gesundheitswesen
VORWORT
Die ACE Lean-Studie 2008 zeigte, dass bereits 80 Prozent der
europäischen Produktionsunternehmen Lean-Methoden einsetzen,
um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Hingegen hat erst ein
Drittel der privaten und öffentlichen Dienstleister damit begonnen,
ihre Leistungsfähigkeit durch Lean zu verbessern.
Unsere Erfahrung aus hunderten Projekten im europäischen Dienstleistungssektor hat gezeigt, wie die Lean-Management-Prinzipien –
die für ihren Erfolg in der Fertigungsindustrie bekannt sind – auch in
Dienstleistungsorganisationen, und hier besonders im Gesundheitssektor, erfolgreich angewendet werden können. Der Schlüssel des Erfolgs
liegt darin, die Grundprinzipien des „schlanken Denkens“ an die
unterschiedlichen Bedingungen im Gesundheitswesen anzupassen. Mit
den Worten von John Shook, Präsident und CEO des Lean Enterprise
Institute: „Ich war überrascht, dass Werkzeuge des Lean Management
in einer auf Wissen basierenden Dienstleistungsorganisation sogar
noch nützlicher sind als in der Produktion. Indem wir wissensbasierte
Arbeit sichtbar machen, machen wir auch versteckte Probleme
sichtbar. Das hat eine grosse psychologische Veränderungswirkung.
Denn damit wird anerkannt, dass überhaupt Probleme vorliegen. Ich
zitiere einen Chirurgen der Mayo Klinik in den USA: "Was ich sehen
kann, kann ich auch verbessern.“ Das Gleiche gilt für die LeanManagement-Prinzipien: Erst wenn das Problem sichtbar wird, ist es lösbar.”
In der aktuellen ACE-Studie 2012 über den Einsatz von Lean Healthcare Management benennen europäische Organisationen des
Gesundheitswesens die grössten Herausforderungen, denen sie sich in
den kommenden Jahren stellen müssen. Die Studie gibt einen
Überblick darüber, wo die drängendsten Fragen liegen, wie Gesundheitsdienstleister sie in Angriff nehmen und mit welchen Mitteln sie
planen, dies zu tun.
2
VORWORT
Konkrete Fallstudien aus dem Gesundheitssektor und ein Überblick der
Lean-Prinzipien zeigen Ihnen erfolgreiche Antworten auf diese
Herausforderungen.
ACE, Allied Consultants Europe, ist eine strategische Partnerschaft von
zehn europäischen Managementberatungen. Wir sind Experten auf
den Gebieten der Unternehmensentwicklung und Operational
Excellence. Seit 1992 arbeiten wir als Verbund eng zusammen. An 16
Standorten in Europa stellen mehr als 600 Berater und Beraterinnen
ihr umfangreiches lokales Know-how und ihre internationale Expertise
in den Dienst ihrer Kunden aus dem privaten und öffentlichen Sektor.
ACE erstellt regelmässig Studien über aktuelle Wirtschaftsthemen auf
europäischer Ebene. Ein Teil der vorliegenden Studie basiert auf
Umfragen bei unseren Kunden und Geschäftskontakten, denen wir allen
für ihre Unterstützung danken möchten. Schliesslich hoffen wir, dass
diese Studie Sie anregt, Ihre eigene „Lean-Reise“ anzutreten oder
fortzusetzen, falls Sie sie bereits begonnen haben.
Das Autoren-Team der vorliegenden ACE Studie wünscht Ihnen eine
interessante Lektüre: Barbara Causse (Frankreich), Markus Dörflinger
(Schweiz), Cristiano Grosa (Italien), Markus Grünenwald (Deutschland),
Amdi Hansen (Dänemark), Hans Heijerman (Niederlande), Jan Larsson
(Schweden), Michael Leck (Dänemark), Gunter Schöller (Deutschland)
und Friederike von Zenker (Deutschland).
©2012 ACE
Inhalt
EXECUTIVE SUMMARY
4
STIMMEN VON 120 EUROPÄ
EUROPÄISCHEN DIENSTLEISTERN IM GESUNDHEITSSEKTOR:
GROSSE HERAUSFORDERUNGEN
HERAUSFORDERUN
VORAUS
6
Der Gesundheitssektor: ein anspruchsvolles Geschäft
Unsichere Bereitschaft, sich den Herausforderungen zu stellen
Der mühevolle Weg zu den richtigen Kompetenzen
Die wichtigsten Prioritä
Prioritäten für die Zukunft
6
8
9
11
LEAN MANAGEMENT ALS ANTWORT AUF KÜNFTIGE HERAUSFORDERUNGEN
Lean als eine Antwort
Lean Management im G
Gesundheitssektor: eine Einführung
Verschwendungsfreie D
Dienstleistungsprozesse im Gesundheitssektor
Voraussetzungen für Le
Lean Management im Gesundheitssektor
LEAN HEALTHCARE: FALLSTUDIEN
FALLS
12
13
14
15
16
Fallstudie A: Lean Man
Management in einer privaten Klinikgruppe
Fallstudie B: Lean Mana
Management in einem Universitätsklinikum
Fallstudie C: Lean Man
Management in einem Pharma-Unternehmen
LEITLINIEN FÜR DEN GESUN
GESUNDHEITSSEKTOR: DER WEG ZU LEAN HEALTHCARE
Prinzipien und Werkze
Werkzeuge für ein Lean-Programm im Gesundheitssektor
Phase 1: Stabilität in der
de Basis
Phase 2: Verbesserung durch Menschen
Phase 3: Fokussierung und kontinuierliche Verbesserung
STATISTIK
16
18
20
22
22
23
24
26
28
Teilnehmer der ACE Stu
Studie 2012
28
GLOSSAR LEAN WERKZEUGE
WERKZEU
©2012 ACE
12
29
INHALT
3
Lean Management im Gesundheitssektor
EXECUTIVE SUMMARY
Im Sommer 2011 befragte Allied Consultants Europe (ACE) mehr als
700 europäische Dienstleister zu ihren grössten Herausforderungen.
Die Teilnehmer kamen unter anderem aus: Finanzen, Informationsund Kommunikationstechnik, Gesundheitssektor, öffentlicher Dienst
aber auch Industrie, Transport und Einzelhandel. Der Rücklauf speziell
aus dem Gesundheitssektor war gross: Fast 20% aller UmfrageTeilnehmer stammen aus dieser Branche. Was also steht auf der
Agenda europäischer Gesundheitsdienstleister? Die wichtigsten
Branchen-Ergebnisse der Umfrage sind:
❚ Die grössten Herausforderungen in den nächsten Jahren
Europäische Gesundheitsdienstleister mussten bereits während der
letzten Jahre mit komplexen wirtschaftlichen und regulatorischen
Rahmenbedingungen zurechtkommen. Folgende Themen
gewinnen in den nächsten drei Jahren weiter an Bedeutung:
• Weitergehende Marktliberalisierung und zunehmender Anbieterwettbewerb erfordern innovativere Dienstleistungsmodelle.
• Patienten und Öffentlichkeit verlangen eine (weiter) verbesserte
Service-Qualität.
• Andauernder Mangel an qualifizierten Fachkräften setzt
Gesundheitsdienstleister weiter unter Druck.
❚ Die Vorbereitung auf ständige Veränderungen
Einer von drei europäischen Dienstleistern im Gesundheitssektor
fühlt sich auf die kommenden Herausforderungen nicht ausreichend vorbereitet, insbesondere auf die Auswirkungen einer
alternden Gesellschaft, den Kampf um qualifiziertes Fachpersonal
und die steigende Komplexität des Geschäfts. Höhere Führungskräfte
vertrauen eher auf die Fähigkeit ihrer Unternehmen, mit den
zukünftigen Problemen fertig zu werden. Anderer Meinung sind die
mittleren Führungskräfte und Fachkräfte, die eine eher negative –
oder vielleicht realistischere – Sicht der Dinge einnehmen.
4
EXECUTIVE SUMMARY
❚ Die Fähigkeit, künftigen Herausforderungen zu begegnen
Dienstleister im Gesundheitswesen schätzen ihre Kompetenzen zur
Geschäftsoptimierung in drei wesentlichen Bereichen als eher
schwach ein:
• Erbringen von echter Wertschöpfung auf Grundlage von
effektiv verstandenen Kunden- und Patientenbedürfnissen.
• Ausrichtung der Organisation auf durchgängige Prozessketten,
das heisst End-to-End-Wertströme.
• Anwendung industrieller Prinzipien zur Optimierung von
Dienstleistungsprozessen.
❚ Klare Prioritäten auf der Management-Agenda
Europäische Gesundheitsdienstleister wissen genau, wo sie ansetzen
sollten: Servicequalität, Ressourcennutzung und Produktivität müssen
gesteigert werden, bei gleichzeitiger Reduktion der operativen Kosten.
Kurz: Höhere Dienstleistungsqualität zu deutlich geringeren Kosten.
Die wichtigsten Prioritäten für die nahe Zukunft
g Fokus auf Produktivität, Qualität und Kosten
60
Ressourcennutzung und Produktivität optimieren
54
Qualität von Serviceprozessen verbessern
50
Operative Kosten senken
27
In neue IT-Systeme investieren
Entwicklungszeit für neue Dienstleistungen verkürzen
26
Performance Management stärken
24
Flexibilität in Abläufen verbessern
19
Mehr Dienstleistungen anbieten / neue Serviceangebote entwickeln
18
Zusammenarbeit mit Zulieferern und/oder Kunden verbessern
13
Serviceleistungen beschleunigen
9
0%
20%
40%
60%
Hohe oder überdurchschnittliche Relevanz für x % der Befragten
(120 Teilnehmer); Mehrfachnennungen möglich
©2012 ACE
Die Aussagen von 120 Studienteilnehmern aus dem Gesundheitssektor vor Augen sind wir überzeugt, dass Lean Management eine
Antwort auf ihre Herausforderungen ist, denn:
❚ Lean ist ein Konzept, das die genannten Themen mit
nachgewiesenem Erfolg angeht: gleichzeitige Optimierung von
Qualität, Kosten und Leistungserbringung mit einem integrierten
System aus Prinzipien, Methoden und Werkzeugen.
❚ Lean ist eine Philosophie, die Führung, Teamwork und
Problemlösung vereint, und zwar durch klare Fokussierung auf
Kundenbedürfnisse (Patienten, praktizierende Ärzte, Versicherer,
öffentliche Gesundheitsbehörden), durch Übertragung von
Verantwortung auf Mitarbeiter und durch die beharrliche Verbesserung von Prozessen.
haben wir gezeigt, dass es bei der Einführung von Lean nicht nur um
die Umsetzung der entsprechenden Werkzeuge wie Wertstromanalyse,
Standardisierung oder 5S geht. Ein einseitiger Einsatz dieser Werkzeuge bringt häufig nur kurzfristig wirksame Verbesserungen. Die Sicherung
der erreichten Ergebnisse, wie auch die kontinuierliche Verbesserung,
bleiben dabei oft aus. Der ACE-Ansatz für Lean Healthcare – schlanke
Dienstleistungen im Gesundheistwesen – enthält daher zwei weitere
Säulen: Lean Thinking („schlankes Denken“) und Lean Leadership
(„schlanke Führung“). Sie tragen dazu bei, nicht nur operative Spitzenleistungen zu erreichen, sondern diese auch langfristig aufrecht zu
erhalten.
ACE-Modell für Lean Healthcare
g Wie operationelle Spitzenleistungen erzielt werden können
Phase 1
❚ Lean dreht sich um den Prozess, der die Dienstleistung erbringt,
weniger um das eigentliche Produkt bzw. die Dienstleistung selbst.
Trotz vieler offensichtlicher Unterschiede zwischen dem Produktions- und dem Gesundheitssektor basieren alle Dienstleistungsorganisationen im Gesundheitssektor auf Prozessen, die den Kern
ihrer Wertschöpfungsleistung für die Patienten und Kunden bilden.
Stabilität in der Basis
Lean
Tools
Ein individueller Ansatz, in dem das Lean-Konzept in ein spezifisches
Lean-Healthcare-Programm für Ihre Organisation zugeschnitten wird,
ist Schlüssel zum Erfolg. Aufgrund unserer Projekt-Erfahrung empfehlen wir drei Phasen bei der Einführung des Lean-Konzeptes:
Lean
Leading
❚ Phase 1: Stabilität in der Basis
❚ Phase 2: Verbesserung durch Menschen
❚ Phase 3: Fokussierung und kontinuierliche Verbesserung
Jede Phase erfordert unterschiedliche Methoden und Werkzeuge.
Letztere sollten im Unternehmen zunächst gut verankert sein, bevor
die nächste Phase angegangen wird. Mit der ACE Lean-Studie 2008
©2012 ACE
ACE
Lean
Healthcare
Lean
Thinking
Phase 3
Phase 2
Fokussierung und
Verbesserung durch
kontinuierliche Verbesserung
Menschen
EXECUTIVE SUMMARY
5
Der Gesundheitssektor: ein anspruchsvol
anspruchsvolles Geschäft
STIMMEN VON 120 EUROPÄISCHEN DIENSTLEISTERN IM GESUNDHEITSSEKTOR
GE
Im Sommer 2011 führte ACE eine Studie durch, bei der mehr als 120
europäische Unternehmen und Organisationen des Gesundheitssekeu
tors zu ihren grössten Herausforderungen befragt wurden. Das Ziel
to
der Umfrage war, einen Überblick zu erhalten, was auf der Agenda der
de
europäischen Gesundheitsdienstleister steht. Wo liegen die grössten
eu
Handlungsfelder, welche Markt- und Kunden-/Patientenbedürfnisse
Ha
fordern die Organisationen heraus und wie gut sind sie darauf
fo
vorbereitet, diese in Chancen zu wandeln? Um Antworten darauf zu
vo
finden, stellten wir folgende konkrete Fragen:
fin
1 Was waren rückblickend die grössten Herausforderungen, denen Sie sich
während der letzten beiden Jahre stellen mussten?
2 Was werden in den kommenden drei Jahren die grössten Herausforderungen sein?
3 Wie gut ist Ihr Unternehmen darauf vorbereitet, mit den drängendsten
Problemen fertig zu werden?
4 Wie steht es um die Fähigkeiten, die Prozesse in Ihrer Organisation zu
verbessern?
5 Wie steht es um die Change-Management-Kompetenzen in Ihrer
Organisation?
6 Wo setzen Sie die Prioritäten für die Weiterentwicklung Ihres
Unternehmens?
In den folgenden Abschnitten fassen wir die wichtigsten Erkenntnisse
zusammen.
6
STIMMEN VON 120 EUROPÄISCHEN DIENSTLEISTERN IM GESUNDHEITSSEKTOR
©2012 ACE
Ein Unternehmen zu führen ist heutzutage zweifelsohne anforderungsreicher als je zuvor. Natürlich gilt das auch für Dienstleistungsorganisationen im Gesundheitssektor. Durch gesetzliche und tarifäre
Bestimmungen, wie z.B. DRG-Systeme, wird versucht, die stetig
wachsenden Kosten im Gesundheitswesen zu kontrollieren. Dies
verursacht weiteren Druck auf Budgets und Leistungsentgelte.
Patienten agieren zunehmend emanzipiert im Rahmen ihrer Arzt- und
Spitalwahl, wobei ihre Erwartungen ständig steigen: sie wollen mehr
und bessere Dienstleistungen zu minimalen Kosten – und in der Regel
ohne echtes Bewusstsein für die realen Kosten ihrer Behandlung. Wer
hier nicht leistet, für den steht schnell ein anderer bereit, um im Dienst
am Patienten einzuspringen.
Die Konsequenz ist, dass Leistungsprozesse, Schnittstellen zwischen
Dienstleistern und Patienten sowie Organisationsstrukturen immer
komplexer werden. Die gesamte Wertschöpfungskette im Gesundheitswesen ist in dynamischer Veränderung. Europäischen Dienstleistungsorganisationen im Gesundheitswesen fehlt es also gewiss nicht
an Herausforderungen – weder heute noch in Zukunft (siehe auch
Abbildung 1 gegenüber):
❚ Herausforderungen wie die Knappheit an qualifiziertem Personal und
sich ändernde Patienten-/Kundenwünsche treten zukünftig in ihrer
Bedeutung noch deutlicher hervor. Gesundheitsdienstleister sind sich
©2012 ACE
Auffällig ist, dass Organisationen des Gesundheitssektors die genannten
Herausforderungen mit einer deutlich höheren Dringlichkeit bewerten
als dies andere europäische Dienstleistungsbranchen tun (einen
Vergleich bietet der ACE Lean Services General Report 2012). Dies
kann darauf hindeuten, dass die Organisationsentwicklung im
Gesundheitswesen anderen Branchen entweder hinterher hinkt oder
unabhängig davon generell als wichtiger erachtet wird, mit dem
gleichzeitigen Bewusstsein, dass ein enormes Verbesserungspotential
vorhanden ist.
1
Vergangene versus künftige Herausforderungen
g Mehr Innovation, Qualität, Kosteneffizienz und Leistungstransparenz gefordert
Steigender Bedarf an Innovationen in
Dienstleistungsmodellen/-prozessen
95
71
Wachsende Nachfrage nach verbesserten Dienstleistungen, Qualität und/oder günstigerem Preis
❚ Innovationen in Dienstleistungsmodellen und -prozessen sind dringend gefragt:
Die Bedeutung von Service-Innovationen im Gesundheitssektor ist
deutlich angestiegen und kann als eine der wichtigsten Herausforderungen der Branche betrachtet werden. Dies gepaart mit der weiter
steigenden Nachfrage für verbesserte Qualität und/oder niedrigere
Kosten zwingt Anbieter im Gesundheitswesen, sich „neu zu erfinden“ und
gleichzeitig ihre Geschäftsmodelle ständig zu optimieren.
❚ Knapper werdende finanzielle Ressourcen setzen Dienstleistern der
Branche weiterhin zu, darüber hinaus haben Transparenz und Nachweisbarkeit der operativen Leistungsfähigkeit enorm an Bedeutung hinzugewonnen. Kennzahlensysteme und Ansätze des Leistungs- und Prozesscontrolling, bisher eher bekannt für ihren Einsatz in der Produktion und
der Privatwirtschaft, sind plötzlich auch im Gesundheitssektor die neue
Norm geworden.
bewusst, dass Themen wie Patientenfokus, Wertschöpfung, Personalentwicklung sowie Zugriff auf die und Erhalt der bestmöglichen Ressourcen
wichtige Erfolgsfaktoren für die Zukunft sind.
83
Schrumpfende finanzielle
Mittel und Budgets
81
Wachsende Forderung nach Transparenz
der operativen Leitungsfähigkeit
Zunehmende regulatorische
Bestimmungen und Vorgaben
69
0%
20 %
Vergangenheit
40 %
Zukunft
21
4
10
13
17
85
64
Wachsende Bedeutung der
Unternehmenskultur als Leistungsmotor
12
86
69
Ständiger Wandel der Kundenbedürfnisse
und Dienstleistungsanforderungen
93
86
73
Zunehmende Knappheit an
qualifiziertem Personal
11
90
86
88
78
Grundlegende demografische
Entwicklung
94
91
70
Steigende Komplexität der internen
und externen Beziehungen
24
60 %
21
79
80 %
10
100 %
Absolute Änderung
Hohe oder überdurchschnittliche Relevanz für x % der Befragten (120 Teilnehmer); Mehrfachnennungen möglich
STIMMEN VON 120 EUROPÄISCHEN DIENSTLEISTERN IM GESUNDHEITSSEKTOR
7
Unsichere Bereitschaft, sich den Herausforderungen zu stellen
2
Mangelnde Vorbereitung auf künftige Anforderungen
g Die meisten Unternehmen sind auf Innovation, Personalmangel und schrumpfende,
finanzielle Mittel nicht ausreichend vorbereitet
35
Steigender Bedarf an Innovationen in
Dienstleistungsmodellen/-prozessen
37
Zunehmende Knappheit an
qualifiziertem Personal
30
Ein Drittel aller Befragten (33 %) antworten, dass sie generell nicht
ausreichend vorbereitet sind. Ganze 50 % der Organisationen
behaupten, zu wenige Vorkehrungen getroffen zu haben, um die drei
wichtigsten Herausforderungen ihrer Branche in den Griff zu bekommen. Dabei handelt es sich um jene Herausforderungen, deren
Bedeutung am stärksten gestiegen ist (siehe Abbildung 1). Dennoch
vertrauen die oberen Führungskräfte eher auf die Fähigkeit ihrer
Organisation, diese Probleme in Zukunft zu meistern, als mittlere
Führungskräfte und Fachkräfte. Diese legen eine eher negative bzw.
realistische Sicht der Dinge an den Tag.
8
28
Ständiger Wandel der Kundenbedürfnisse
und Dienstleistungsanforderungen
Steigende Komplexität der internen
und externen Beziehungen
40
40
32
40
33
24
40
28
Wachsende Bedeutung der
Unternehmenskultur als Leistungsmotor
20
20
Wachsende Nachfrage nach verbesserter Dienstleistung, Qualität und/oder günstigerem Preis
Grundlegende demografische
Entwicklung
40
30
32
24
8
50
25
24
Wachsende Forderung nach Transparenz
der operativen Leitungsfähigkeit
0%
44
28
20
Zunehmende regulatorische
Bestimmungen und Vorgaben
50
48
40
Schrumpfende finanzielle Mittel
und Budgets
Eine Herausforderung ist nur dann ein Problem, wenn man nicht
darauf vorbereitet ist, sie zu meistern. Systematische Vorbereitung
kann Herausforderungen in Chancen wandeln. Abbildung 2 zeigt den
Prozentsatz der befragten europäischen Gesundheitsdienstleister, die
der Ansicht sind, dass ihre Bereitschaft, sich den Herausforderungen
zu stellen, gering oder sehr gering ist.
44
20 %
Obere Führungskräfte
30
40 %
Mittlere Führungskräfte
60 %
Fachkräfte
Hohe oder überdurchschnittliche Relevanz für x % der Befragten (120 Teilnehmer);
Mehrfachnennungen möglich
STIMMEN VON 120 EUROPÄISCHEN DIENSTLEISTERN IM GESUNDHEITSSEKTOR
©2012 ACE
Der mühevolle Weg zu den richtigen Kompetenzen
gramme durchzuführen. Doch die vier letzten Aussagen zeigen, dass
wesentliche Kompetenzen im Zusammenhang mit der Ausrichtung auf
die Bedürfnisse der Kunden (Patienten, praktizierende Ärzte, Versicherer und öffentliche Hand) eher unterentwickelt sind. Die geringste
Kompetenz liegt in der Fähigkeit, Kundenanforderungen wirklich zu
verstehen sowie in der Bereitschaft, industrielle Prinzipien für die
Optimierung von Dienstleistungen und Prozessen einzuführen.
Hierunter fällt auch die Schwierigkeit, grundlegende Lean-Prinzipien
wie Kundenfokus, bedarfsgesteuerte und fliessende Leistungserbringung (Pull- und Flow-Prinzip) sowie verschwendungsfreie Wertschöpfung an die Bedingungen im Gesundheitswesen anzupassen und so
nutzbar zu machen.
Lassen Sie uns zwei Kompetenzbereiche näher beleuchten, die von
entscheidender Bedeutung sind: Prozessoptimierung und Change
Management. Abbildung 3 verdeutlicht den Kompetenzgrad der
Dienstleister der Gesundheitsbranche in Bezug auf sieben Einflussgrössen zur Verbesserung von Unternehmensabläufen.
3 Kompetenzen für Prozessoptimierung
g Das gegenwärtige Kompetenzniveau wird als eher gering bewertet
Unsere Organisation ist professionell in der Einführung,
Befolgung und Handhabung von Verfahren/Standards
7
30
Wir haben Methoden und Werkzeuge zur Verbesserung
unserer Strukturen, Abläufe und Systeme
5
33
Unsere Optimierungsinitiativen folgen einem etablierten
Prozess der kontinuierlichen Verbesserung
7
Das gesamte Unternehmen ist auf seine
Wertströme ausgerichtet
7
Bei sich ändernder Nachfrage passen wir Strukturen
rasch an und ordnen Ressourcen neu zu
16
Jeder Mitarbeitende weiss, wie Kundenanforderungen durch
echte Wertschöpfung befriedigt werden können
15
0%
6
41
5
33
52
Eher gering
2
21
61
40 %
2
23
59
20 %
Gering
8
45
45
Bei uns herrscht eine grosse Bereitschaft zur Anwendung
industrieller Prinzipien der Prozessoptimierung
7
55
39
10
12
50
60 %
Eher hoch
80 %
100 %
Hoch
Angegebenes Kompetenzniveau gemäss x % der Befragten (120 Teilnehmer)
Die drei ersten Aussagen in der obigen Abbildung weisen darauf hin,
dass ein Grossteil der Dienstleistungsorganisationen des Gesundheitssektors über Methoden und Werkzeuge verfügen, Optimierungspro©2012 ACE
Abbildung 4 (siehe nächste Seite) zeichnet ein ähnliches Bild, diesmal
mit Blick auf die Kompetenzen betreffend Change Management. Auch
hier werden die Kompetenzen in vier von sieben Punkten als gering
oder eher gering bewertet. Die Schwächen in Sachen Change
Management scheinen dabei in der eigentlichen Umsetzung von
Veränderungen und Verbesserungen zu liegen: die erforderliche Zeit
zu finden (Umverteilung / Zuweisung von Ressourcen), alte Gewohnheiten zu ändern, Projekte voranzutreiben und erreichte Ergebnisse
aufrecht zu erhalten.
Andererseits belegen drei der Aussagen, dass die Mehrzahl der
Gesundheitsdienstleister in den Bereichen, die mit Personal und
Management zu tun haben, derzeit über hohe oder eher hohe
Kompetenz verfügen. Die Mitarbeiterführung ist wertebasiert, das
Management engagiert und aktiv, die Mitarbeiter sind verantwortungsbewusst und tragen zur Veränderung bei. Dies zeigt generell,
dass Dienstleistungsorganisationen des Gesundheitswesens über das
richtige Personal und die richtige Einstellung zu verfügen scheinen.
Doch fehlen ihnen bisweilen die Werkzeuge und Methoden, um mit
STIMMEN VON 120 EUROPÄISCHEN DIENSTLEISTERN IM GESUNDHEITSSEKTOR
9
Wir glauben, dass 'Operational Excellence' – also operative Spitzenleistungen – für alle Hierarchieebenen einer Organisation gleich
bedeutsam sind. Der beträchtliche Meinungsunterschied zwischen den
Ebenen weist aber darauf hin, dass zwar ein konzeptioneller Ansatz
häufig vorhanden sein mag, die Umsetzung auf allen Ebenen jedoch
deutlich hinterherhinkt.
den Herausforderungen zielorientiert umgehen zu können.
Eine aufschlussreiche Wendung zu Abbildung 4 ergibt sich beim
Vergleich der Bewertung durch unterschiedliche Managementstufen.
Es stellt sich die Frage, wie abgestimmt und einheitlich die Wahrnehmung von Stärken und Schwächen tatsächlich ist.
4 Kompetenzen für Change Management
5
g Die richtige Einstellung, aber fehlende Werkzeuge und Methoden in der Umsetzung
Wir haben einen breit geteilten, werteorientierten
Führungsansatz, z.B. Führungsprinzipien
2
Das Management unseres Unternehmens ist voll engagiert
und treibt Veränderungen aktiv voran
2
31
32
Unsere Mitarbeiter zeigen Initiative und sind in der Lage,
Verantwortung zu tragen und Veränderungen umzusetzen
4
Die von uns vorgenommenen Veränderungen und
Verbesserungen werden immer nachhaltig verankert
6
46
19
51
48
10
Auf allen Hierarchieebenen haben wir die Bereitschaft,
alte Gewohnheiten zu überdenken und aufzugeben
8
39
56
12
0%
Gering
31
60
20 %
5
45
49
40 %
Eher gering
60 %
Eher hoch
80 %
64
53
2
Die von uns vorgenommenen Veränderungen und
Verbesserungen werden immer nachhaltig verankert
53
100 %
Hoch
40
35
Ressourcen werden in ausreichendem Masse auf
Veränderungs- und Innovationsinitiativen umgelenkt
Im Gegensatz zu anderen europäischen Dienstleistungssektoren zeigt
die Führungsebene des Gesundheitssektors insgesamt eine eher
gemässigte Selbsteinschätzung ihrer Change Management Kompetenzen (siehe hierzu auch ACE Lean Services General Report 2012).
Abbildung 5 erlaubt ähnliche Rückschlüsse wie Abbildung 4, allerdings
basierend auf Antworten aus verschiedenen funktionalen und Führungsebenen. Im Allgemeinen haben die oberen und mittleren Führungskräfte eine positivere Sicht auf das Change-Kompetenzniveau ihrer
Organisationen als ihre Fachkräfte.
STIMMEN VON 120 EUROPÄISCHEN DIENSTLEISTERN IM GESUNDHEITSSEKTOR
58
29
32
20
28
0
0%
80
48
20
Auf allen Hierarchieebenen haben wir die Bereitschaft,
alte Gewohnheiten zu überdenken und aufzugeben
Wir haben einen breit geteilten, werteorientierten
Führungsansatz, z.B. Führungsprinzipien
72
72
58
2
5
88
67
Unsere Verbesserungsprojekte werden immer in einer
zielgerichteten und zuversichtlichen Weise ausgeführt
Angegebenes Kompetenzniveau gemäss x % der Befragten (120 Teilnehmer)
10
63
Unsere Mitarbeiter zeigen Initiative und sind in
der Lage, Verantwortung zu übernehmen
und Veränderungen umzusetzen
5
23
g Notwendigkeit zur einheitlichen Ausrichtung der unterschiedlichen Managementebenen
Das Management unseres Unternehmens ist voll
engagiert und treibt Veränderungen aktiv voran
21
40
Unsere Verbesserungsprojekte werden immer in einer
zielgerichteten und zuversichtlichen Weise ausgeführt
Ressourcen werden in ausreichendem Masse auf
Veränderungs- und Innovationsinitiativen umgelenkt
45
Kompetenzen für Change Management
20 %
Obere Führungskräfte
44
40 %
60 %
80 %
Mittlere Führungskräfte
100 %
Fachkräfte
Angegebenes Kompetenzniveau gemäss x % der Befragten (120 Teilnehmer)
©2012 ACE
Die wichtigsten Prioritäten für die Zukunft
nachhaltig meistert, ist Lean Management. In den folgenden Kapiteln
sprechen wir über diesen Ansatz.
6
Die wichtigsten Prioritäten für die nahe Zukunft
g Fokus auf Ressourcen/Produktivität, Qualität und Kosten
60
Ressourcennutzung und Produktivität optimieren
54
Qualität von Serviceprozessen verbessern
50
Operative Kosten senken
27
In neue IT-Systeme investieren
Serviceleistungen beschleunigen
26
Performance Management stärken
24
Flexibilität in Abläufen verbessern
19
Mehr Dienstleistungen anbieten / neue Serviceangebote entwickeln
Schliesslich werfen wir einen Blick auf die künftigen Prioritäten von
europäischen Dienstleistern im Gesundheitswesen. Diese sind sich der
kommenden grossen Herausforderungen durchaus bewusst, trotz
unterschiedlicher Bewertungen durch die einzelnen Führungsebenen.
Und sie wissen auch, dass eine generelle Schwachstelle bei der
Entwicklung der erforderlichen Kompetenzen für erfolgreiches
Prozess- und Change Management besteht. Abbildung 6 zeigt die
wichtigsten Handlungsfelder der kommenden Jahre an.
18
Zusammenarbeit mit Zulieferern und/oder Kunden verbessern
13
Entwicklungszeit für neue Dienstleistungen verkürzen
9
0%
20%
40%
60%
Hohe oder überdurchschnittliche Relevanz für x % der Befragten (120 Teilnehmer);
Mehrfachnennungen möglich
Drei Bereiche stechen dabei besonders heraus – mit mehr als 50 %
Zustimmung aller Befragten. Ganz oben auf der Agenda stehen die
Verbesserung der Dienstleistungsqualität, die Erhöhung der Produktivität und die gleichzeitige Kostensenkung.
Das ist eine klare Botschaft für die nächsten Jahre. Eine Herangehensweise, die diese Herausforderungen mit nachweislichem Erfolg
©2012 ACE
STIMMEN VON 120 EUROPÄISCHEN DIENSTLEISTERN IM GESUNDHEITSSEKTOR
11
Lean als eine Antwort
LEAN MANAGEMENT ALS ANTWORT AUF KÜNFTIGE HERAUSFORDERUNGEN
HE
Im vorherigen Kapitel wurden die wichtigsten Aussagen von mehr als
120 verschiedenen Dienstleistungsorganisationen des Gesundheitssektors zusammengefasst. Die Ergebnisse zeigen, dass diese Dienstleister
heute vor vielen Herausforderungen stehen, vor allem in den Bereichen:
❚ Steigende Nachfrage nach mehr und neuen Dienstleistungen (Innovation)
❚ Steigende Nachfrage nach verbesserten Dienstleistungsprozessen (Qualität)
❚ Steigende Produktivität und geringeres Kostenniveau (Kosten)
Das Hauptproblem für Dienstleister dieser Branche liegt darin, dass sie
nicht einfach einen der oben genannten Aspekte auswählen und
verbessern können. Um erfolgreich zu sein, müssen alle drei gleichzeitig verbessert werden. Eine weitere Herausforderung sind die Ressourcen. Es ist nicht nur schwieriger geworden, die finanziellen Mittel zu
beschaffen und bereitzustellen, sondern auch die richtigen Mitarbeitenden zu finden. Und viele fürchten, dass sich diese Aspekte in den
nächsten 5 bis 10 Jahren weiter verschlechtern werden aufgrund des
demografischen Wandels und überstrapazierter öffentlicher Budgets.
Um diese Herausforderungen zu meistern, müssen wir uns auf einen
strukturierten Ansatz konzentrieren, der die verschiedenen Aspekte
einbezieht und meistert. Eine duale Strategie, die sowohl auf Wachstum und Weiterentwicklung (Innovation) als auch auf Qualitäts- und
Effizienzsteigerung abzielt, ist Lean Management. Es sind auch andere
Methoden denkbar. Jedoch spricht die nachweisliche Erfolgsgeschichte
von Lean für den Einsatz auch im Gesundheitssektor. Und obwohl der
Einsatz von Lean-Methoden ausserhalb des Produktionsbereichs noch
nicht seit langer Zeit erfolgt, steigt die Beliebtheit jedes Jahr weiter an.
Daher raten wir Unternehmen des Gesundheitssektors, die aufgezeigten künftigen Herausforderungen mit Lean-Prinzipien anzugehen.
12
LEAN MANAGEMENT ALS ANTWORT AUF KÜNFTIGE HERAUSFORDERUNGEN
©2012 ACE
Lean Management im Gesundheitssektor: eine Einführung
Einf
Es waren die Professoren James P. Womack und Daniel T. Jones, die
mit ihrem 1997 publiziertem Buch „Lean Thinking“ der revolutionären
Denkweise zur Optimierung von Abläufen unter Verwendung von
Lean-Prinzipien zum ersten Mal einen Namen gaben. Das schlanke
Denken an sich konnte nicht als neues Konzept bezeichnet werden, da
seine Ursprünge auf Ansätze zurückreichen, die Toyota bereits in den
40er Jahren des vorherigen Jahrhunderts entwickelt hatte. Sie wurden
dann bis zur aktuellen Veröffentlichung von „Lean Thinking“ kontinuierlich verfeinert. Die 70er und 80er Jahre vermittelten uns weitere
Kenntnisse über Teile des Systems: Total Quality Management (TQM),
Total Productive Maintenance (TPM), Just in Time (JIT), um nur einige
Methoden herauszugreifen, waren bereits bekannte Themen, bevor
das Buch veröffentlicht wurde. Doch zeichnet es ein klareres und
umfassenderes Bild des Lean-Konzepts, da alle bekannten individuellen Werkzeuge und Themen unter dem Lean-Begriff zusammengefasst wurden.
Nach einem relativ langsamen Start, verursacht durch Argumente wie
„JIT haben wir schon vor 10 Jahren ausprobiert” oder „Wir bauen keine
Autos”, nahm die Einführung von Lean-Prinzipien im gesamten
Fertigungssektor zwischen 2000 und 2005 einen steilen Aufstieg.
Verschiedene US-amerikanische und europäische Studien gehen
heute davon aus, dass 70 bis 80 % aller Fertigungsunternehmen in
den USA und Europa eine Art von Lean- oder Lean Sigma(inspirierten) Programmen einsetzen (siehe ACE Lean-ManagementStudie 2008).
70 % des europäischen BIP zum primären Sektor, während die
Produktion verlor und mit noch 25 % des BIP zum sekundären Sektor
wurde. Als eine Folge daraus trat das Arbeitsumfeld "Büro" rasch an
die Stelle der traditionellen Arbeitsplätze in den Werkshallen. Tausende
Arbeitsplätze wechselten von der Fertigung in dienstleistungsbezogene Funktionen. Damit startete Lean Management als Methode,
bessere Dienstleistungen zu geringeren Kosten zu erbringen, in einem
neuen Sektor:
❚ Alle Parameter zeigen – im Vergleich von Vergangenheit und Zukunft –
einen Anstieg an wahrgenommenen Herausforderungen. Für Gesundheitsdienstleister stellt sich die Lage anforderungsreicher dar als je zuvor.
❚ Herausforderung Nummer 1 ist die steigende Nachfrage nach gleichzeitig
verbesserten Dienstleistungen, besserer Qualität und/oder günstigerem
Preis resp. tieferen Kosten der Leistungserbringung.
❚ Wenn wir die drei Top-Prioritäten der Befragten für die kommenden Jahre
betrachten, wird klar, was auf der Agenda vieler europäischer Organisationen des Gesundheitssektors steht:
❚ Dienstleistungsqualität verbessern
❚ Ressourcenverteilung und Produktivität optimieren
❚ Kosten senken
Mit anderen Worten: mehr (Dienstleistung) mit weniger (Aufwand)
erbringen – eine klassische Lean-Aufgabe, doch diesmal im Gesundheitssektor, unter dem Banner von "Lean Healthcare".
Als das Lean-Prinzip im Fertigungssektor einen Boom erlebte, traten
weitere Aspekte immer stärker in den Vordergrund – die Globalisierung und Produktionsverlagerungen in Niedriglohnländer, vor allem
nach Asien. Europa erlebte während der letzten 20 bis 30 Jahre
dramatische Veränderungen: Das Dienstleistungsgewerbe wurde mit
©2012 ACE
LEAN MANAGEMENT ALS ANTWORT AUF KÜNFTIGE HERAUSFORDERUNGEN
13
Verschwendungsfreie Dienstleistungsprozesse im Gesundheitssektor
Das Ziel schlanker Prozesse in Dienstleistungsorganisationen ist – wie
in der Fertigung – die Vermeidung von Verschwendung. Lean unterscheidet acht verschiedene Typen von Verschwendung, die in jeder Art
von Leistungsprozessen vorzufinden sind:
vermeiden und damit Zeit und Ressourcen für wertschöpfende
Tätigkeiten freispielen. Diese Lean-Methode garantiert die Steigerung
von Effizienz und Qualität ohne die Notwendigkeit, härter oder
schneller zu arbeiten.
VERSCHWENDUNG
ALLGEMEINE BEISPIELE
BEISPIELE AUS DEM GESUNDHEITSSEKTOR
1 Überproduktion
Doppelarbeit; unnötige Abläufe und Tätigkeiten/Dienstleistungen, die der
Kunde nicht benötigt; Produktion in unterschiedlicher Geschwindigkeit über
den gesamten Prozessfluss hinweg
Redundante, unnötige, verfrühte medizinische Tests; mehrmalige Termine mit Arztpraxen/
Spezialisten; unnötige Anwendungen und Therapien
2 Wartezeiten
Verzögerungen durch das Warten auf Informationen, Entscheidungen, Daten,
Termine, usw.
Patienten, die auf Beratung, Diagnose, Operationen, Therapien, Rehabilitation etc. warten;
medizinisches Personal, das auf verspätete Patienten, klinische Berichte, klinische Ergebnisse,
belegte Apparate, Kollegen etc. wartet
3 Überflüssige
Bewegungen
4 Unnötige
Prozesse
Unnötige Kommunikation, Informationen oder Genehmigungen; ineffiziente
Strukturen
Schlechte Raumökonomie und unpraktische Krankenhausstrukturen; dezentrale medizinische Untersuchungseinrichtungen; falsch gelagerte medizinische Sachmittel; weitläufige Archivierungssysteme
Unnötige Tätigkeiten; doppelte Dateneingabe; ineffiziente Kommunikation
oder Information; ungeeignete oder falsche Nutzung der Systeme
Redundante Ansammlung von Patienteninformation und Speicherung in unterschiedlichen
Systemen; unverständliche Kommunikation zum Patienten; dezentraler Einkauf von Medikamenten und medizinischer Ausrüstung
5 Bestände
Anhäufung von E-Mails und Dokumenten mit unerledigten Aufträgen,
Anfragen, Angeboten, usw.
Patienten in Warteschlangen; Rückstau administrativer Arbeit; Missmanagement von
Medikamenten-Inventaren
6 Transport
Fehlende Informationen oder Dokumentation; Rückfragen; ineffiziente
Organisationsstrukturen mit Schnittstellen und Delegation
Unvollständige Dokumentation der Anamnese; nicht funktionierende Schnittstellen zwischen
einzelnen Fachabteilungen und interdisziplinären Bereichen; häufige Patientenverlegungen
7 Mängel/Fehler
Falsche Dokumentation; Fehler in Zeichnungen; unvollständige
Daten/Formulare; Rückrufe
Überdurchschnittliche Infektions- und Rehospitalisierungsraten; inakkurate medizinische
Aussagen; nicht wirksame Therapien; fehlerhafte medizinische Akten
8 Ungenutzte
Fähigkeiten
der Mitarbeiter
Mangelnde Nutzung der Fähigkeiten und Motivation der Mitarbeiter; u.a. zur
Verbesserung von Prozessen
Überlastung des Personals mit administrativen Aufgaben; zu eng umfasste Aufgabengebiete; nach
Top-Down Prinzip durchgeführte Verbesserung von Prozessen ohne ausreichenden Mitarbeitereinbezug
Bis zu 99 % der gesamten Durchlaufzeit eines Prozesses im Gesundheitssektor fallen unter einen der oben genannten Verschwendungstypen. Erst durch das bewusste Aufdecken lassen sich Verschwendungen
14
LEAN MANAGEMENT ALS ANTWORT AUF KÜNFTIGE HERAUSFORDERUNGEN
©2012 ACE
Voraussetzungen für Lean Management im Gesundheitssektor
Ähnlich wie bei der Einführung von Lean-Prinzipien in der Fertigung
hatten und haben auch Dienstleistungsorganisationen des Gesundheitswesens mit anfänglichen Widerständen zu kämpfen. „Wir stellen
keine Produkte her”, ist häufig zu hören. Doch mittlerweile erkennen
immer mehr Führungskräfte und Mitarbeitende, dass sich Lean nicht
um das Produkt oder das Leistungsergebnis selber dreht, sondern
vielmehr um die Prozesse, die das Produkt fertigen oder die Dienstleistung erbringen. Alle Dienstleistungsorganisationen des Gesundheitssektors arbeiten mit bestimmten Abläufen, und alle Abläufe
lassen sich optimieren. Lean ist daher heute eine auch im Gesundheitssektor immer häufiger angewandte Methodik.
Hierbei kommen ähnliche Erfolgsfaktoren wie in der Fertigung zum
Einsatz, doch mit Auswirkungen auf das Wohl der Patienten, so z.B.:
Verbesserung der Servicequalität mit positiver Wirkung auf das
Behandlungsergebnis; kurze OP-Wartezeiten; keine DoppelUntersuchungen; minimal nötige Patienten-Verlegungen; etc..
Lean-Prinzipien sollten bei ihrer Übertragung vom produzierenden auf
den Gesundheitssektor jedoch nicht einfach kopiert werden.
Zwischen den beiden Sektoren bestehen gewichtige Unterschiede. Mit
den spezifischen Bedingungen muss jeweils gezielt umgegangen
werden, um erfolgreich zu sein. Zum Beispiel:
❚ In Organisationen des Gesundheitssektors gibt es im Allgemeinen weniger
wiederholbare Prozessschritte als in Produktionsunternehmen. Und der
Patient als Kunde ist häufig (aktiver) Teil des Dienstleistungsprozesses.
❚ Organisationen des Gesundheitssektors liefern immer nach aktuellem
Bedarf. Dagegen produzieren Industriebetriebe häufig auf Vorrat.
❚ Der Prozessfluss ist bei Gesundheitsdienstleistern oft nicht direkt sichtbar, je
nach Aufgabenstellung interdisziplinär verzweigt und darüberhinaus zu
einem guten Teil auch in IT-Systemen verborgen, während er in der
Produktion zumeist in weiten Teilen sichtbar und transparent ist.
©2012 ACE
❚ Im Gesundheitswesen ist die wahrgenommene Ergebnisqualität immateriell
und basiert zudem auf Erwartungen und subjektiven Einschätzungen der
Patienten. Demgegenüber ist sie in der Produktion in weiten Bereichen klar
messbar, denn der Wert hängt grösstenteils von objektiven Produktspezifikationen ab.
Heute stellt faktisch niemand mehr die Wirksamkeit von Lean infrage.
Damit Lean funktioniert, muss es allerdings richtig angewandt werden
und die Unterstützung und das Engagement der obersten Führungskräfte erfahren. Auch sind eine langfristige Ausrichtung und die
entsprechende Weiterentwicklung der Mitarbeitenden erforderlich,
unter Verwendung der richtigen Werkzeuge in der richtigen Reihenfolge, speziell zugeschnitten auf die jeweilige Organisation.
Das gleiche gilt natürlich für Dienstleister im Gesundheitssektor:
Lean-Programme können auch hier erfolgreich sein, ihre korrekte
Übertragung aus dem Fertigungssektor vorausgesetzt. Wenn Sie zu
viel von den ursprünglichen Lean-Fertigungsprinzipien übernehmen,
ist die Gefahr gross, dass Sie die zuvor genannten Unterschiede zum
Gesundheitssektor nicht ausreichend beachten. Streichen Sie jedoch
zu viele von den ursprünglichen Lean-Fertigungsprinzipien („Wir stellen
keine Produkte her”), laufen Sie Gefahr, nicht das volle Potenzial von
Lean auszuschöpfen und somit nicht die möglichen Ergebnisse zu
erzielen. Es ist eine Wanderung auf schmalem Grat.
In den folgenden drei Kapiteln werden Sie mehr über erfolgreiche
Lean-Programme für Gesundheitsdienstleister lesen. Sie finden
Fallstudien konkreter Lean-Healthcare-Projekte sowie Leitlinien, wie
Lean-Prinzipien und -Werkzeuge im Gesundheitswesen im Rahmen
eines schlüssigen Gesamtkonzepts angewendet werden können.
LEAN MANAGEMENT ALS ANTWORT AUF KÜNFTIGE HERAUSFORDERUNGEN
15
Fallstudie A: Lean Management in einer privaten Klinikgruppe
LEAN HEALTHCARE - FALLSTUDIEN
Aus Patientensicht
wertschaffend
Nutzbringende,
werthaltige,
notwendige
Aktivitäten
❚
❚
❚
❚
❚
❚
❚
❚
Untersuchungen
Tests
Diagnosen
Informieren des Patienten
Operationen
Therapiedurchführung
Medikamentenabgabe
...
Kernaktivitäten
Aus Patientensicht
nicht (direkt)
wertschaffend
Unnötige,
überflüssige,
nutzlose,
nicht wahrnehmbare
Aktivitäten
16
LEAN HEALTHCARE - FALLSTUDIEN
❚ Redundante Untersuchungen
❚ Unverständliche und oberflächliche
Informationen
❚ Patientenvorbereitung inklusive
Wartezeiten
❚ OP-Vorbereitung
❚ Lagern und Transportieren von
Medikamenten
❚ ...
❚
❚
❚
❚
❚
❚
❚
Rightsize
Downsize
Patientenaufnahme
Erläutern des Tagesablaufs
Aktualisieren von Patientenakten
Effektenaufbewahrung
Servieren von Mahlzeiten
Zimmerreinigung
...
❚ Austrittsvorbereitung
❚ Organisieren der posthospitalen
Pflege
❚ Verwaltung der Qualitätskontrolle
❚ Einholen von Kostengutsprachen
❚ ...
Nebenaktivitäten
❚ Redundantes Erfassen / Führen
von Patienteninformationen
❚ Planung und Terminierung von
Behandlungen
❚ Korrigieren von Patientendaten
❚ Verspätetes Servieren von
Mahlzeiten
❚ Nachfüllen von Medikamenten
❚ ...
Admin. Aktivitäten
❚
❚
❚
❚
❚
❚
❚
Leistungserfassung
DRG Kodierung
Personalmanagement
Finanz-Reporting
Verhandlungen mit Versicherungen
Unterhalt von IT und Infrastruktur
...
Minimize
Upsize
Maximize
“In der Vergangenheit konzentrierten wir uns voll auf die Sicherheit unserer
Patienten und eine hohe Servicequalität. Heute hingegen sind Aspkete wie Kostenkontrolle und Produktivität ebenfalls wichtig. Dank des auf unsere Branche abgestimmten Lean-Healthcare-Ansatzes konnten wir nicht nur unsere Produktivität
verbessern, sondern sind auch zukünftig in der Lage, den kontinuierlichen Verbesserungsprozess zu erhalten.“
©2012 ACE
Hintergrund und Herausforderungen
Eine führende private Krankenhausgruppe mit 14 Kliniken stand vor
der Herausforderung der Einführung des DRG-Kompensationssystems
(DRG: Diagnose Related Groups) und der gleichzeitigen Initiierung
eines Benchmarking, um die operative Leistungsfähigkeit von Spitälern
und deren langfristige Verbesserung transparent zu machen. Die
Geschäftsleitung einer der Kliniken mit rund 150 Ärzten und 700
Angestellten entschied 2008, ein Lean-Healthcare-Programm mit
folgenden Zielen durchzuführen.
❚ Fokussierung auf operative Kosten und Verbesserung der Mitarbeiterproduktivität
❚ Weitere Verbesserung der Patientenzufriedenheit
❚ Erhalt der hohen Mitarbeiterzufriedenheit
ACE-Ansatz
Das Lean Programm konzentrierte sich auf die stationären Patientenpfade, von der Aufnahme bis zur Entlassung, sowie sämtliche
involvierten Mitarbeitenden der Bettenstationen.
❚ Wertstrom- und Tätigkeitsstrukturanalyse: Die vollständige Darstellung des
Patientenflusses und die Messung der operativen Leistungsfähigkeit
(Prozesszeit, Wartezeit, Prozesskosten etc.) offenbarte eine Vielzahl von
Problemfeldern mit erheblichem Verbesserungspotenzial. Die verschiedenen
Arten der „Verschwendung“ wurden für jeden sichtbar, was massgeblich zur
Einsicht aller Mitarbeitenden (inkl. Ärzte, Pflegende, Hotellerie, Verwaltungspersonal) beitrug, dass Veränderungen nötig waren.
❚ Lean Prinzipien und Werkzeuge: Dank der Einführung des Flussprinzips und
der Glättung von Kapazitätsbelastungen wurden Produktivitätsreserven
freigesetzt. Werkzeuge wie Service-Segmentierung, Standardisierung und 5S
halfen, die Zusammenarbeit aller involvierten Mitarbeitenden des Spitals zu
verbessern. Der Einsatz von Visual Performance Management (siehe auch Seite
23) machte die Leistungsziele für alle Stationsteams im Tagesgeschäft sichtbar.
❚ Dojo Training und Qualitätszirkel: Um eine bessere Zusammenarbeit der
Mitarbeitenden zu ermöglichen, mussten die hierfür erforderlichen Fähigkeiten
geschult werden. Das existierende Aus- und Weiterbildungsprogramm des
Krankenhauses wurde mit funktionsübergreifenden Schulungen angereichert,
mit dem Ziel einzelne Mitarbeiter flexibler einsetzen zu können und „Lean
©2012 ACE
Thinking“ zu verankern.
❚ Kontinuierliche Verbesserung: Pilot-Teams in zwei Bettenstationen testeten die
Kaizen-Methodik erfolgreich und warben damit für den kontinuierlichen
Verbesserungsprozess (KVP). Hierfür wurden eigens interne „Lean Master“
ausgebildet, die unabhängig von den ACE Lean-Experten die Einführung des
KVP in den verschiedenen Bereichen und auf allen Stufen der Krankenhausorganisation ausrollten.
Ergebnisse
Messbare Ergebnisse, die dank dieses Lean-Programms erreicht
wurden, sind:
❚ Koordinierter interdisziplinärer Austausch von Planungsdaten, der die
tägliche Arbeitslast glättet und somit die Kapazitätsauslastung verbessert
❚ Einführung und Durchsetzung von Behandlungspfaden (Case Maps) als
operative Standardprozedur, um ein effizienteres Abwickeln der häufigsten
DRG-Fälle zu erreichen
❚ Neu gestaltete, verbindlichere Zusammenarbeit zwischen Bettenstationen
und medizinischen Bereichen dank einheitlichem Grundverständnis darüber,
was für hohe Qualität und Effizienz auf beiden Seiten der Schnittstellen
wichtig ist
❚ Funktionsübergreifende Ausbildung von Pflegenden und Hotelleriekräften,
um einen flexibleren Personaleinsatz zu erreichen
❚ Einführung einer „Patienten-Agenda“, die Patienten vollständige und
verlässliche Informationen über den Ablauf ihres Spitalaufenthalts bereitstellt
Highlights
❚ Reduktion von unproduktiven Pflegetätigkeiten um 30%
❚ Zunahme von Pflegetätigkeiten direkt am Patienten von 30 Minuten pro Tag
❚ Rückgang der Überstundenlast in Höhe von EUR 1.2 Millionen pro Jahr
❚ Verbesserung der allgemeinen Patientenzufriedenheit
❚ Erhalt der hohen Mitarbeiterzufriedenheit trotz einschneidender Veränderungen
❚ Einführung von 40 über die gesamte Klinik verteilten Kaizen Teams, die im
kontinuierlichen Verbesserungsprozess involviert sind. Über 800 Massnahmen
wurden bereits umgesetzt, Tendenz weiter steigend
LEAN HEALTHCARE - FALLSTUDIEN
17
Fall B: Lean Management in einem Universitätsklinikum
LEAN HEALTHCARE - FALLSTUDIEN
“Unsere medizinischen Dienstleistungen sind hochgradig interdisziplinär und
komplex. Dies hat uns bisher davon abgehalten, unsere Kernprozesse für eine
Optimierung anzutasten. Der ACE-Ansatz versetzte uns in die Lage, unser
interdependentes Geschäft neu zu organisieren – und als Ergebnis veränderten
wir unsere Unternehmenskultur gleich mit.“
Typisierte Wertschöpfungs- und Planungsstruktur eines Krankenhauses
Sprechstunde
Untersuchung
Aufnahme
Therapie
...
Leistungs-Mix
❚
❚
❚
❚
Patientensegmente
Kliniken / Leistungsprogramm
DRGs
...
Chirurgische Kapazität
❚
❚
❚
❚
Medizinische Teams
Chirurgen
Operationspläne
...
OP Kapazität
❚
❚
❚
❚
18
LEAN HEALTHCARE - FALLSTUDIEN
Operationssäle
Raumanordnung
Operationspläne
...
Infrastruktur-Plan
Übergeordnete Disposition
❚
❚
❚
❚
❚
❚
❚
Sprechstundenpläne
Untersuchungspläne
Operationspläne
Bettendisposition
Visitenpläne
Notfall-Puffer
...
❚ Raumpläne, Grundrisse
❚ Apparate-Infrastruktur
❚ ...
Personalressourcen
❚
❚
❚
❚
❚
❚
Ärzte-Teams
Stations-Teams
Diagnose-Teams
Anästhesie-Teams
Radiologie-Teams
...
©2012 ACE
Hintergrund und Herausforderungen
Um ständig wachsenden Patientenzahlen besser gerecht zu werden,
entschied sich ein international renommiertes Universitätsklinikum
2010 dazu, organisatorische Veränderungen vorzunehmen. Eine
bauliche Erweiterung war ausgeschlossen und Budgetrestriktionen
verhinderten die Einstellung zusätzlichen Personals. Aus diesem Grund
entschied die Leitung des Klinikums, vermutete Produktivitätspotenziale systematisch zu heben und die erforderlichen Anpassungen bei den
Spitalprozessen umzusetzen. Dies bei gleichzeitiger 100% Garantie
der Patientensicherheit und medizinischen Behandlungsqualität.
ACE-Ansatz
ACE Berater untersuchten die Wertschöpfung des Klinikums auf der
Grundlage einer detaillierten Patienten-/Fallgruppen-Segmentierung.
Zusätzlich fokussierte ein umfassender Wertstrom-Ansatz auf die
Reduzierung der Durchlaufzeiten in den entscheidenden Patientenpfaden. Um dieses klare Lean-Ziel in die Denkweise des Klinikpersonals zu
übersetzen, wurde die Idee der "Same Day Surgery" übernommen.
Diese sieht vor, die Patientendurchlaufzeit von der Aufnahme über die
Operation bis zur Entlassung auf nur einen Tag zu komprimieren.
❚ Verständnis für Wertstrom-Mechanismen: Die Prozessschritte vor dem
Operationstag – im Wesentlichen Sprechstunde, Untersuchungen und
Diagnostik – einerseits und der Ablauf zwischen der Patientenaufnahme und
der Operation andererseits wiesen grosses Potenzial zur Durchlaufzeitreduktion
auf. Der übergreifende Wertstrom wurde in zwei Sub-Wertströme aufgetrennt,
die jeweils ganz unterschiedliche Prozess-Mechaniken aufwiesen. Dies
ermöglichte tiefgreifende, organisatorische Veränderungen.
❚ Umsetzung des Flussprinzips: Um die präoperativen Untersuchungen und
Diagnosen zu verbessern, wurden sämtliche anfallenden Aktivitäten gebündelt
und in einem Untersuchungszentrum räumlich zusammengeführt. Im
Ist-Zustand mussten Chirurgen und Anästhesisten die aufgenommenen
Patienten auf der jeweiligen Station treffen. Lange Wege- und Wartezeiten
waren die Regel. Das nach dem Flussprinzip neu organisierte Untersuchungszentrum hingegen ermöglichte die komplette Abwicklung eines Patienten – mit
Anamnese, Diagnose, Patienten-Information / -Aufklärung und Einwilligungen
– in weniger als 2,5 Stunden.
©2012 ACE
❚ Glättung der Leistungserbringung: Um den Sub-Wertstrom „Patientenaufnahme bis Operation“ zu optimieren, wurde eine Tagesklinikstruktur mit Kojen und
Nähe zum OP-Trakt eingeführt. Lean-Prinzipien aus der Produktion bildeten die
Basis bei der Planung und Terminierung der Abläufe dieser Tagesklinik. Ziel war,
die steigende Belastung durch immer mehr ambulante Patienten mit der Zeitintensität komplexerer, stationärer Fälle in Einklang zu bringen. Untersuchungspläne
chungspläne folgen beispielsweise einem Takt-System, das einen gleichmässigen
Patientenfluss bei minimaler Wartezeit garantiert. Optimierte Zeitpufferung dient
dazu, etwaige Unregelmässigkeiten besser abzufedern. Und ein engräumiges
Layout trägt dazu bei, dass alle beteiligten Fachkräfte direkt und ohne Zeitverluste miteinander arbeiten können.
❚ Neuordnung der Informationsflüsse: Nach dem Prinzip „Frontloading“
(Vorverlegung einer Aktion) wurde der gesamte Datenfluss zum frühesten
Erfassungsmoment hin reorganisiert. Dies umfasste auch die Integration der
Patienteninformationen überweisender Ärzte mit den Ergebnissen von
Anamnese, Untersuchungen und Diagnostik. Typische Verschwendungen wie
redundante, unvollständige, fehlerhafte oder verspätete Informationen wurden
eliminiert. Der Einsatz von Behandlungspfaden schliesslich half, eine Standardisierung der Informationsverarbeitung für 80% der im Klinikum behandelten
Fälle durchzusetzen.
Ergebnisse
❚ Zwischen 2009 und 2010 stieg die Same-Day-Surgery-Rate um 17,5%
❚ Die Wachstumsprognose der SDS-Patienten bis 2013 liegt bei weiteren 30%
❚ Mithilfe des Lean Programms ist das Klinikum in der Lage, bis zu 300 zusätzliche
Patienten pro Jahr zu behandeln, ohne sich baulich vergrössern oder neues
Personal einstellen zu müssen
Highlights
❚ Kombination von Lean Prinzipien aus der Fertigung mit erstklassigen
medizinische Serviceleistungen
❚ Veränderung von Rollen, Einstellungen und Verhaltensweisen der
Mitarbeiter als Folge des partizipativen Lean Programms
❚ Minimales Investment für Anpassung von bestehenden Räumlichkeiten und
IT- Ergänzungen
LEAN HEALTHCARE - FALLSTUDIEN
19
Fall C: Lean Management in einem Pharmaunternehmen
LEAN HEALTHCARE - FALLSTUDIEN
“Unsere Zentrale entschied 2008, ein übergreifendes Effizienzprogramm zu starten. Die definierten Top-down-Ziele für die einzelnen Tochterfirmen waren sehr ehrgeizig. Wir fühlten uns
etwas verloren und orientierungslos. Der ACELean-Ansatz half uns, Effizienz-Ziele in unsere
eigenen Worte zu fassen und sie somit auf allen
Mitarbeiterebenen verständlich zu machen. Wir
involvierten alle Mitarbeitenden in den Verbesserungsprojekten, und sie wurden mitverantwortlich, ihren Beitrag zur Verbesserung der
Leistungsfähigkeit zu leisten. Dies half besonders, das Ansehen der Support-Funktionen im
ganzen Unternehmen zu verbessern.”
Hintergrund und Herausforderungen
Viele europäische Pharmaunternehmen müssen sich auf ständige
strukturelle Veränderungen bedingt durch kontinuierliche Entwicklung
von Generika, auslaufende Lizenzen, Verlagerungen in Biotechnologien und abnehmende Zahlungsbereitschaft der Versicherungen
einstellen. In diesem Zusammenhang sehen sich viele Pharmaunternehmen gezwungen, ihre unterstützenden Funktionen zu optimieren.
ACE Berater unterstützten das Personalwesen eines der führenden
globalen Pharmaunternehmen bei der Verbesserung der Effizienz des
Gehaltszahlungssystems. Die Gründe, warum genau diese Funktion als
erster Bereich für ein Lean-Programm ausgewählt wurde, lagen in
spezifischen und dringenden Herausforderungen, mit denen sich die
Personalabteilung konfrontiert sah:
❚ Notwendigkeit, interne Kompetenz- und Mobilitätsprogramme zu entwickeln,
ohne zusätzliche Mitarbeitende einzustellen
❚ Sicherstellung der Gehaltszahlung bei ständig steigenden Mitarbeiterzahlen,
ohne zusätzliches Personal einzustellen
ACE-Ansatz
Das Lean Programm zielte auf die gesamten Gehaltszahlungsprozesse
ab. Es war kurzfristig ausgerichtet und hatte folgende Ansätze:
❚ Fokus auf wenige, aber massgebliche Hebel für die Optimierung – diese
wurden durch Fokus-Interviews mit ausgewählten Mitarbeitenden der
Abteilung definiert
❚ Ausarbeiten von spürbaren Performanceverbesserungen in Workshops mit
sämtlichen Mitarbeitenden unter Einsatz von Kreativitätstechniken:
20
LEAN HEALTHCARE - FALLSTUDIEN
©2012 ACE
❚ Reduzierung der Anzahl Sarbanes-Oxley-induzierter Kontrollen auf das
effektiv notwendige Mass
❚ Definition von verbindlichen Service Level Agreements mit anderen internen
Serviceabteilungen
❚ Markante Verminderung der Aktenvolumina
❚ Reduktion des Suchaufwands durch Anwendung von WissensmanagementAnsätzen
❚ Verschlankung der Entscheidungs- und Managementprozesse
❚ Bewerten und Konkretisieren der Lösungsansätze in einem partizipativen
Lösungsansatz unter Einbezug aller Mitarbeitenden
❚ Aufstellen eines gemeinsamen Umsetzungsplans
Die folgenden Lean-Werkzeuge wurden eingesetzt, um eine stringente Systematik und eine wirksame Umsetzung der Verbesserungsmassnahmen zu garantieren:
❚ Value Stream Mapping (VSM): Die Wertstromanalyse wurde zur Darstellung
der aktuellen Prozesse genutzt. Sinn war es, den IST-Zustand mit neuen Augen
zu betrachten und zu bewerten. Mit einem besonderen Augenmerk auf
Durchlaufzeiten und Prozessflüsse beispielsweise zeigte das VSM der
Kontrollprozesse, dass 40% aller Dokumente von vier unterschiedlichen
Managern kontrolliert wurden, was für das restliche Team verwirrend war. Diese
Erkenntnis eröffnete nicht nur markante Verbesserungsmöglichkeiten. Sie führte
auch dazu, dass ein Thema endlich angegangen wurde, das zuvor niemand
anzusprechen wagte.
❚ Qualitätszirkel: Diese wurden von zwei Teamleitern eingeführt, um methodische
Mitarbeiterfähigkeiten zu entwickeln und eine Sensibilisierung für Verbesserungsansätze zu erreichen. In ersten Gesprächen wurden Qualitätsthemen diskutiert,
wie zum Beispiel Leistungserbringung und interne Kunden-/Mitarbeiterzufriedenheit.
Hauptziel dieser Zirkel war es, Verbesserungskompetenzen in der operativen
Basis zu entwickeln.
❚ Operatives Management: Um die entwickelten Aktionspläne auch wirklich und
erfolgreich umzusetzen, war es enorm wichtig, dass das Management hinter
dem Programm stand. Ziel des jeweiligen verantwortlichen Managers war es,
einer der Hauptantreiber des neuentwickelten Prozesses zu werden, Verantwortung
für das neue Performance Board zu übernehmen und sicherzustellen, dass die
neuen Regeln befolgt wurden.
Ergebnisse
Ein Programm mit 25 Aktionsfeldern, unterteilt in „Leistung“ und
„Qualität“, wurde entwickelt:
❚ Die „Leistungsaktivitäten“ führten zu einem Effizienzzuwachs von 15% über
einen Zweijahreshorizont (z.B. Rückgang der Kontrollprozesse, Automatisierung
der Schnittstellen zwischen Arbeitszeitplansystemen und Gehaltszahlungssystemen etc.).
❚ Die „Qualitätsaktivitäten“ führten zu einer Verbesserung der Serviceleistung
(z.B. Kapazitätsausweitung der Hotline, Wissensmanagement).
Die genannten Aktivitäten wurden gemessen und auf ihre Machbarkeit
hin geprüft:
Zuwachs (Tage/Jahr)
120%
K
Priorität 1
60%
M
H1
C3
F
A
L
D
B1
Priorität 3
0%
C2
B2
schwer machbar
Priorität 2
C1
C5
J
E1 H2 C6 G
C4
durchschnittlich machbar
E2
I1
I2
Machbarkeit
leicht machbar
Highlights
Die wichtigsten Erfolgsfaktoren waren:
❚ Der Einbezug von allen, wirklich allen, Mitarbeitenden in Optimierungsworkshops
❚ Die klare Priorisierung der Massnahmen zur Leistungssteigerung
❚ Der Einsatz von internen „Change Agents“, die für wenigstens eine
Massnahme verantwortlich zeichneten
❚ Monatliche Rückmeldungen über den Status der Einführung und Leistungsverbesserung
❚ Positive Werbewirkung durch die involvierten Mitarbeitenden in andere
Personalbereiche hinein (Basis für weitere Lean Projekte)
©2012 ACE
LEAN HEALTHCARE - FALLSTUDIEN
21
Prinzipien und Werkzeuge für ein Lean-Programm im Gesundheitssektor
LEITLINIEN FÜR DEN GESUNDHEITSSEKTOR: DER WEG ZU LEAN HEALTHCARE MANAGEMENT
Wie bereits erwähnt, ist ein individuell zugeschnittener Lean-ServiceAnsatz für den Gesundheitssektor erfolgsentscheidend. Die folgenden
Ausführungen sind allgemeine Hinweise auf der Grundlage unserer
Erfahrung, gesammelt in zahlreichen Lean-Projekten in unterschiedlichsten europäischen Dienstleistungsorganisationen des Gesundheitswesens.
Wir unterteilen das Lean-Service-Programm in drei Phasen:
Phase 1
Stabilität in der Basis
Phase 2
Verbesserungen durch Menschen
Phase 3
Fokussierung und kontinuierliche Verbesserung
Jede Phase erfordert unterschiedliche Methoden und Werkzeuge, auf
die sich ein Unternehmen konzentrieren sollte. Erst wenn ein bestimmtes Mass an Reife erlangt ist, sollte die nächste Phase in Angriff
genommen werden. Für jede Phase empfehlen wir eine Auswahl von
fünf Werkzeugen/Methoden: vier greifbare‚ "harte" Werkzeuge und
ein "softes" Management-Werkzeug. Ohne Einsatz des soften
Werkzeugs werden die erzielten Ergebnisse innerhalb kurzer Zeit
wieder zunichte gemacht.
22
X
LEAN LEITLINIEN FÜR DEN GESUNDHEITSSEKTOR
©2012 ACE
Phase 1 - Stabilität in der Basis
Bevor Sie verschiedene Verbesserungsansätze planen, empfiehlt es
sich, die aktuelle Situation in Ihrer Organisation zunächst zu beleuchten und eine grundsätzliche Kontrolle über die Geschäftsprozesse zu
gewinnen. Wir empfehlen, sich zunächst auf fünf Bereiche zu konzentrieren:
1 Visual Performance Management (VPM)
2 Standardisierung
3 Ordnung und Sauberkeit – 5S
4 Wertstromanalyse
5 Lean Leadership – Operations Management
Visual Performance Management (VPM). Nur was gemessen wird,
wird auch getan. Mit diesem Konzept etablieren wir die Fähigkeit,
unsere tägliche Leistung zu messen. Wenn wir bessere, mehr, schnellere und effizientere Dienstleistungen erbringen möchten, müssen wir
definieren, was diese Attribute bedeuten. Der visuelle, sichtbare Teil
des Konzepts ist erforderlich, weil wir beabsichtigen, dass es ein
Werkzeug für die hinter dem Prozess stehenden Mitarbeiter wird, und
nicht ein Kontrollwerkzeug im Computer eines Managers. VPM zeigt
uns täglich, ob wir hinter unseren Zielsetzungen zurückbleiben (so
können wir auf das Problem reagieren), oder sie übertreffen (so
können wir das Ergebnis unserer Anstrengungen feiern).
Standardisierung. Wo es keinen Standard gibt, gibt es auch keine
Verbesserungen. Nicht alle Teile eines Prozesses lassen sich standardisieren. Jedoch sind es oft nur einige wenige Aspekte, die Ausnahmen
darstellen. Sobald die Bereiche definiert sind, in denen Standards
angewendet und eingeführt werden können, werden sich die Ergebnisse stark verbessern. Auf Basis der definierten Standards, denen alle
Mitarbeiter folgen, können Prozesse dann immer weiter verbessertwerden.
©2012 ACE
Ordnung und Sauberkeit – 5S. Die Methode zur Schaffung und
Sicherung eines effektiven Arbeitsumfelds. Bei 5S geht es darum, für
alle Materialien (Dokumente, Medikamente, Verbrauchsmaterial usw.)
einen festen Platz zu haben. Machen Sie nicht den Fehler, die Methode
auf individuelle Arbeitsplätze zu beziehen. Die Vorgabe, den Schreibtisch bei Arbeitsschluss aufzuräumen, ist sinnvoll, doch wie viele Stifte
in der Schublade liegen und wo die Kaffeetasse während der Arbeit
abgestellt wird, hat nichts mit schlanker Organisation und 5S zu tun.
Sie sollten sich daher vor allem auf die gemeinschaftlich genutzten
Bereiche, wie OP Säle, Untersuchungsräume und Stationsbüros,
konzentrieren und sicherstellen, dass jeder weiss, wo die Dinge zu
finden und abzulegen sind.
Wertstromanalyse. In der ersten Phase sollte sich die Analyse auf das
Aufnehmen der derzeitigen Prozesse konzentrieren. In Phase 2 dienen
diese Aufzeichnungen dann als Grundlage für Prozessverbesserungen.
Der übergeordnete Zweck der Wertstromanalyse ist, Prozesse mit
anderen Augen zu sehen, wobei das Augenmerk auf Prozessfluss und
Durchlaufzeit liegt. Die Analyse des Ist-Wertstroms wird wahrscheinlich
ergeben, dass die aktuelle Bearbeitungszeit einer bestimmten
Gesundheistdienstleistung zu 80 bis 90 % aus Wartezeit besteht.
Dieses Potenzial für drastische Verbesserungen in der Lieferzeit wirkt
sich bei Realisierung auch automatisch positiv in den Bereichen
Produktivität, Qualität und Patientenzufriedenheit aus.
Lean Leadership – Operations Management. Ein einheitliches
Führungsverhalten ist entscheidend für den Erfolg der o.g. Werkzege.
Das für diese Phase empfohlene „weiche“ Management-Tool richtet
sich an die Fähigkeit der Führungskraft, ihren Verantwortungsbereich
richtig zu steuern. Es geht nicht einfach um Verbesserungsmassnahmen, sondern darum, echte Kontrolle zu erlangen. Die Managementaufgaben hängen dabei eng mit den eingeführten Werkzeugen
zusammen. So hat die Führungskraft in dieser Phase das Ziel, die
Leitung des neu eingeführten Performance Board zu übernehmen,
dafür zu sorgen, dass die neu eingeführten Standards befolgt werden
(einschliesslich der 5S-Standards) und die treibende Kraft im Prozess
der Erfassung des Ist-Wertstroms zu sein.
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Phase 2 - Verbesserung durch Menschen
Nachdem die Grundvoraussetzungen geschaffen sind, zielt die
nächste Phase verstärkt auf die Verbesserung des (stabilen)
Ist-Zustands ab. Entscheidend ist dafür die gewählte Methodik. Jetzt
steht die Entwicklung der Mitarbeiter im Mittelpunkt. Wir wollen sie
befähigen, den derzeitigen Standard in ihrer Arbeit zu befolgen und
ihn gleichzeitig infrage zu stellen und nach Verbesserungsmöglichkeiten zu suchen. Wir empfehlen die Konzentration auf fünf Bereiche:
1 Flussprinzip und Dienstleistungscluster
2 Heijunka - Balancierung der Arbeit
3 Austausch und Lernen – Dojo Training
4 Qualitätszirkel
5 Lean Leadership – Lean Management
Flussprinzip und Dienstleistungscluster. Nachdem wir nun aus der
ersten Phase über die Ist-Wertströme verfügen, richten wir unsere
Aufmerksamkeit jetzt auf deren Soll-Zustand. Das Ziel ist, den
Prozessfluss zu optimieren, um Durchlaufzeiten zu verkürzen und
Effizienz, Qualität und Kundenzufriedenheit zu verbessern. Im ersten
Schritt werden alle Dienstleistungen in Cluster eingeteilt. Ein Cluster ist
eine Gruppe von Dienstleistungsangeboten, die sich durch ähnliche
Prozessschritte und Komplexität auszeichnen. Nehmen wir als
vereinfachtes Beispiel die Untersuchung eines Patienten und seiner
Diagnose in der Orthopädie: Teilen Sie alle Aufgaben beispielsweise in
„aussergewöhnliche“ und „normale“ Fälle ein. Organisieren Sie Ihr
Team um diese Cluster herum, auf der Grundlage von Kompetenzen
bzw. Erfahrung, und übertragen Sie ihm durchgehende Verantwortung. Wir wollen, dass das Team die eingehenden Fälle von Anfang bis
Ende bearbeitet und auf diese Weise der Durchfluss einfacher wird.
Die „aussergewöhnlichen“ Fälle können von einem anderen Spezialistenteam und/oder Prozess bearbeitet werden.
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©2012 ACE
Heijunka - Balancierung der Arbeit. Dienstleistungsorganisationen
im Gesundheitssektor müssen häufig mit Notfällen und damit
täglichen Schwankungen der „Nachfrage" umgehen. Das macht sich in
den betroffenen Clusterteams noch stärker bemerkbar, wenn die
Arbeitslast nicht gleichmässig verteilt wird. Stellen Sie sich vor, beim
Team für normale Fälle geht an einem Tag nicht ein einziger Patient
ein, während das Team für schwierige Fälle in Arbeit versinkt. Das
Konzept der Cluster, das zu kürzeren Durchlaufzeiten führen sollte,
würde nicht lange überleben. Daher müssen wir ein System einführen,
das die Arbeitslast gleichmässig verteilt. Lean nutzt eine Methode
namens „Heijunka", die eine konstante Auslastung mit Arbeitsaufgaben über den Tag hinweg sicherstellt, um die Arbeitsbelastung
zwischen den Teams auszugleichen.
Dennoch stösst Heijunka an seine Grenzen, wenn die tägliche
Schwankung ein bestimmtes Mass generell überschreitet. Die zusätzliche Varianz kann durch vielseitig ausgebildete Mitarbeiter ausgeglichen werden, was uns zum Konzept des Dojo Training führt.
Austausch und Lernen – Dojo Training. Die Weiterbildung der
Mitarbeiter ist unser bester Vermögenswert. In einem schlanken
Arbeitsumfeld sind wir auf gut ausgebildete, flexible Mitarbeiter
angewiesen – ausgebildet nicht nur in einem Aufgabengebiet,
sondern vorzugsweise in zwei oder drei; nicht nur mit einer Qualifikation, sondern auch mit einem ganzheitlichen Verständnis des gesamten
Ablaufs; und nicht nur in der Lage, Standards zu befolgen, sondern
auch dazu, diese zu verbessern und die Verbesserungen in die
tägliche Praxis einzuführen. „Dojo" ist eine Methode, durch die
strukturiertes Wissen von Mitarbeiter zu Mitarbeiter weitergegeben
und verbreitet wird – gemäss der Einstellung: „Was unsere besten
Mitarbeiter beherrschen, davon profitieren alle“. Das Konzept steigert
die Lernkurve des Unternehmens gewaltig und trägt dazu bei, die
Zahl der vielseitig ausgebildeten und einsetzbaren Mitarbeiter zu
erhöhen.
oft falsch interpretiert - nämlich als ein Team, das sich lediglich auf die
Verbesserung der Qualität konzentriert. Doch Verbesserungen können
an allen möglichen Stellen ansetzen, solange Schlüsselkennzahlen wie
Qualität, Produktivität, Kosten, Patienten- und Mitarbeiterzufriedenheit
angegangen werden. Der Aufbau des Teams kann von Organisation
zu Organisation unterschiedlich sein. In der Regel werden jedoch auf
vierteljährlicher Basis Teams von vier oder fünf Mitarbeitern gebildet.
Sie erhalten jede Woche einige Stunden, um an einer Verbesserung
ihrer Wahl zu arbeiten. Der Hauptzweck besteht rein darin, Kompetenzen zu entwickeln, doch dabei ergeben sich immer auch eindrucksvolle Verbesserungen.
Lean Leadership – Lean Management. In dieser Phase sollte sich die
verantwortliche Führungskraft auf die Entwicklung einer Verbesserungsmentalität im Team konzentrieren. Der Ansatz in dieser zweiten
Phase erfordert mehr Unterstützung und Coaching, während in der
ersten Phase vor allem die Grundlagen für eine stabile operative Basis
gelegt wurden und wenig Raum für Diskussionen gelassen wurde.
Daher erfordert die zweite Phase mehr Zeit, insbesondere für
Mitarbeitereinbindung, das Dojo Training sowie die Qualitätszirkel.
Qualitätszirkel. Während sich das Dojo Training auf die operativen
Fähigkeiten für eine Aufgabe konzentriert, steht bei den Qualitätszirkeln die Entwicklung von Fähigkeiten zur Verbesserung der Arbeit im
Mittelpunkt. Qualitätszirkelteams werden aufgrund ihrer Bezeichnung
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LEAN LEITLINIEN FÜR DEN GESUNDHEITSSEKTOR
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Phase 3 - Fokussierung und kontinuie
kontinuierliche Verbesserung
Inzwischen ist die Organisation gereift und fortgeschritten. Die
Grundlagen sind erarbeitet, die Unternehmenskultur hat sich verändert und erste Verbesserungen punkto Qualität, Produktivität,
Termintreue, Patienten- und Mitarbeiterzufriedenheit sind effektiv
messbar. In der dritten Phase (die praktisch kein Enddatum hat) steht
der Aufbau eines Systems im Mittelpunkt, das die fortlaufende
Entwicklung und Verbesserung der Prozesse und Ergebnisse des
Unternehmens sicherstellt. Wir empfehlen, sich in dieser dritten Phase
auf fünf Bereiche zu konzentrieren:
1 Erweiterte Kompetenzmatrix
2 Jidoka (First-time-right-Qualität)
3 Six Sigma
4 Kaizen - Kontinuierliche Verbesserung
5 Lean Leadership – Hoshin Kanri Management
Erweiterte Kompetenzmatrix. Die erste Ebene der Kompetenzmatrix
sollte bereits als Teil des Dojo Trainings (Phase 2) etabliert sein. Dieser
erste Schritt erfordert bereits die Entwicklung von Kompetenzen,
damit die Mitarbeiter aufgabenübergreifend flexibel einsetzbar sind.
Die erweiterte Kompetenzmatrix ergänzt nun Kompetenzen im
Bereich der systematischen Verbesserungsarbeit. Jeder Mitarbeiter
kann sich weiterentwickeln, indem er zum Beispiel an Qualitätszirkeln
und Kaizen-Aktivitäten teilnimmt.
Jidoka. Lean besteht hauptsächlich aus zwei Verbesserungsbereichen:
schnellere Durchlaufzeiten (Fluss-Prinzip) und robuste Prozesse, die
schon die richtige Qualität im ersten Anlauf liefern. Während sich die
Phase 2 auf den Arbeitsfluss konzentrierte, sollte in der dritten Phase
der komplexere Bereich gleichbleibender Qualität im Mittelpunkt
stehen. Jidoka ist eine strukturierte Methodologie, die auf den Ausbau
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©2012 ACE
guter Qualität im Ablauf zielt und gewährleistet, dass Fehler so weit wie
möglich vermieden werden und die Möglichkeit der Fehlerentstehung
im Keim erstickt wird. Dazu zählen auch Methoden zur Fehleranalyse
mithilfe von Qualitätswerkzeugen wie Fishbone, Pareto, 5xWhy usw...
wöchentliche/monatliche Treffen, um die Zielerreichung zu überprüfen, unterstützt z.B. durch den Plan-Do-Check-Act-Ansatz.
Six Sigma. Einst ein eigenständiges Konzept ist Six Sigma heute häufig
Teil eines ausgereiften Lean (Sigma) Programms. Darauf wird oft bei
komplexeren Qualitätsproblemen zurückgegriffen, wenn deren Ursachen
zunächst nicht eindeutig sind. Sigma zielt auf die weitgehende
Reduzierung der Prozessschwankungen ab, um konstant fehlerfreie
Ergebnisse zu liefern. Dazu gehören eine klare Projektmanagementmethodologie (DMAIC: Define - Measure - Analyse - Improve Control) und leistungsstarke datengestützte Problemlösungsmethoden.
Ein Statement zum Abschluss: Wir möchten noch einmal
betonen, dass der Einsatz von Lean Management im Gesundheitssektor – mit den beschriebenen Schritten und mit den
empfohlenen Methoden – die Herausforderungen von Dienstleistungsorganisationen dieser Branche in echte Chancen und
USPs verwandeln kann. Aus Erfahrung sind wir überzeugt, dass
Lean auch Ihre Organisation besser, schneller und smarter
machen kann!
Kaizen – Kontinuierliche Verbesserung. Bei Kaizen steht im
Vordergrund, alle Mitarbeiter an der kontinuierlichen Verbesserung der
Prozesse zu beteiligen. Dabei geht es immer um die Frage, wie wir im
Tagesgeschäft denken und handeln – und warum wir dies so tun.
Kaizen beinhaltet strukturierte Methoden, um Verbesserungsmöglichkeiten aufzuspüren, Lösungen zu beschreiben, eingehendes Feedback
zu behandeln und die ausgewählten Verbesserungsmassnahmen
umzusetzen. Mit der nachhaltigen Etablierung von Kaizen endet das
Lean-Management-Programm offiziell, da eine neue Kultur der
kontinuierlichen Verbesserung entstanden ist. Dies stellt sicher, dass
die in den Phasen 1 und 2 erreichten Verbesserungen nicht einfach zu
einem neuen Status quo werden.
Lean Leadership – Hoshin Kanri Management. Das abschliessende
weiche Führungstool zur Unterstützung des gesamten Prozesses ist
eng mit dem Prinzip des Strebens nach Perfektion verbunden. Hoshin
Kanri ist eine strukturierte Methode, die eine Brücke zwischen
strategischer und operativer Ebene schlägt. Sie sorgt für Abgleich in
allen Funktionsbereichen und Hierarchieebenen. Im Kern handelt es
sich um einen jährlich durchgeführten strategischen Workshop für die
oberen Führungskräfte, in dem Marschrichtung und Ziele für das
kommende Jahr beschlossen werden. Daraufhin beginnt der Umsetzungsprozess der Jahresplanung, der auch den Einsatz von Lean-Tools
wie zum Beispiel A3-Berichte einschliesst. Dazu kommen
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Teilnehmer der ACE Studie 2012
STATISTIK (120 Teilnehmer)
7
Teilnehmer pro Land (in %)
8
Teilnehmer nach Position im Unternehmen (in %)
1
2
34
Frankreich
12
Dänemark
Schweiz
Mittlere Führungsebene
10
Deutschland
9
Tschechische Republik
2
Sonstige
2
0%
23
Fachexperten
8
Schweden
STATISTIK
Top Management
11
Niederlande
28
6
12
Italien
Teamleiter
Sonstige
20%
69
40%
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Glossary of common Lean Tools
Wertstromanalyse
Prozessbeschreibung und –analyse, um Verschwendung zu erkennen
(IST- und SOLL-Wertstrom)
Performance Management
In Bezug auf Sicherheit, Zuverlässigkeit, Qualität, Effizienz und Kosten
- inklusive täglicher, wöchentlicher und monatlicher Überprüfung
Kaizen
Kontinuierliche Verbesserung
Visual Management
Informationen und Kennzahlen übersichtlich und für jeden sichtbar
darstellen
5xWhy
Problemlösungstechnik, die darauf zielt, zugrunde liegenden Ursachen
zu finden
7 + 1 Verschwendungsarten
Aktivitäten ohne Wertschöpfung
Standards
Definition eines besten, sichersten, etc. Verfahrens, die Dinge zu tun
5S
Methodik zur systematischen Etablierung von Ordnung und Sauberkeit
Flussprinzip
Intelligente Definition von Prozessschritten zwecks Sicherstellung eines
nahtlosen Prozessablaufs
Kanban
Signal zur Fertigung/Lieferung eines Produkts. Steuerungssystem auf
Grundlage von Verbräuchen (Pull-System)
Jidoka
Fehlerfreie Abläufe im ersten Anlauf bei hoher Qualität
Heijunka - gleichmässige Verteilung der Arbeitslast
Verteilung der Arbeitslast, um die Auswirkungen schwankender
Nachfrage abzufedern und Überlastung vorzubeugen
Dojo training
Know-How und und Best-Practice-Austausch im Unternehmen – auf
Mitarbeiterebene – zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit
Qualitätszirkel
Regelmässige Teamtreffen zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit
Erweiterte Kompetenzmatrix
Strukturierter Überblick über Qualifikationen und Kompetenzen – der
erste Schritt zum Dojo Training und zu Qualitätzirkeln
Six Sigma
Managementmethode, die eine Vielzahl an analytischen Werkzeugen
nutzt, um Qualitätsstandards zu steigern
Hoshin Kanri Management
Methode zur Definition und Kommunikation der strategischen Ziele
auf allen Hierarchieebenen
Just in Time
Das richtige Teil, zur richtigen Zeit, in der richtigen Menge
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