Ende einer Ehe - frauzufrau.de
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LKU Ende einer Ehe Foto: Dorothea Siegle Nach dem Einsatz kam die Scheidung – Militärpfarrer Kiersch erzählt Wann hätten seine Frau und er sich getrennt, ohne den Einsatz? „Vielleicht nächstes Jahr …?“ sagt Militärpfarrer Kiersch Es ist die SMS nach Mazar-e-Sharif: „Schatz, ich ziehe aus, es ist Schluss.“ Es ist der Soldat, der aus Kunduz zurückkehrt, und seine Frau erkennt ihn nicht wieder. Es ist die Sprachlosigkeit einer Ehe nach dem vierten, fünften Einsatz. Hinter jeder Trennung steckt eine eigene Geschichte. In JS erzählen wir drei solcher Geschichten – eine kleine Serie über den großen Schmerz. In der August-Ausgabe hat Leutnant Robert Stockey über seine Trennung gesprochen, in der Oktober-JS wird eine Frau zu Wort kommen. Diesmal berichtet Militärpfarrer Burkhard Kiersch (Husum), über das Ende seiner Ehe und wie ihn die Einsätze verändert haben. Eine Zeitlang haben sie sich nur zum Frühstück gesehen: Er Pfarrer in einer Landgemeinde, sie im Sozialdienst, beide viel unterwegs. Irgendwann war das Burkhard Kiersch und seiner Frau zu wenig, sie hörte auf zu arbeiten, und das Paar teilte wieder mehr, arbeitete an gemeinsamen Projekten. Dann wurde sie 24 krank, eine Multiple Chemikalienunverträglichkeit, Allergien gegen Parfum, Haarspray, künstliche Materialien in Sofabezügen, Kleidung, Holz, alles. Burkhard Kiersch wechselte damals zur Militärseelsorge. Und mit der Militärseelsorge kamen auch die Einsätze – 2003 nach Bosnien, 2006 in den Kongo. Schon nach dem ersten Einsatz hat sich das Ehepaar Kiersch getrennt. 14 Jahren waren sie verheiratet gewesen. Damit es anfängt aufzuhören KIERSCH: Ich bin im November 2003 für sechs Monate nach Bosnien gegangen. Dass ich als Militärpfarrer in Einsätze gehen müsste, war klar. Dafür hatten wir uns auch beide entschieden. Und Bosnien war für uns in Ordnung, der Zeitpunkt war okay – meine Frau sagte, sie kriegt das gesundheitlich hin. JS: Wie waren die Monate vor dem Einsatz? KIERSCH: In der Vorausbildung entfremdet man sich schon. Ich war wahnsinnig viel unterwegs, auf Truppenübungsplätzen, und eigentlich schon weg, obwohl ich noch da war. Wenn dann unter Umständen noch eine schlechte Planung von der Bundeswehr dazukommt, dass zum Beispiel der Abflug mehrfach verschoben wird oder dass man als Soldat nach Köln-Wahn kommt und erfährt, dass der Impfstatus nicht passt, dann ist das schon eine starke Belastung. Vor allem für die Einheiten, die immer wieder gehen, Sanitäter, Feldjäger, Spezialpioniere. Meine Frau und ich hatten nach den Monaten der Einsatzvorbereitung beide das Gefühl: Jetzt muss es losgehen – damit es anfängt aufzuhören. JS: Wie ist es denn dann losgegangen? KIERSCH: Im Einsatz ist das Leben der Soldaten und auch meines als Seelsorger sehr geregelt. Man hat eine verantwortungsvolle Aufgabe, einen festen Tagesablauf, kriegt regelmäßig gutes Essen, LKU die Wäsche wird gewaschen, man hat sogar genug Gelegenheit, sich zu amüsieren. Unter Umständen ist es sogar aufregend, vor allem, wenn es der erste Einsatz ist. Sie leben ein völlig anderes Leben, das nichts mit zu Hause zu tun hat. Hier streikt die Waschmaschine, dort sterben Menschen JS: Wie übersetzt man seinen Alltag für die Partnerin? KIERSCH: Der Einsatz schafft eine völlig ei- Die Weihnachtswerbungswunderwelt JS: Was haben Sie getan, um Ihre Frau teilhaben zu lassen? KIERSCH: Ich habe Tagebuch geführt und ihr diese Notizen einmal pro Woche geschickt. Wir haben regelmäßig telefoniert. Und irgendwann habe ich gemerkt: Das strengt an. Ich war nach einem Telefonat über mich selbst entsetzt, weil ich dachte: Das geht mir quer am Rücken vorbei, was gerade zu Hause los ist. Als etwas mehr als die Hälfte des Einsatzes um war, hatte ich Urlaub und bin nach Hause geflogen. Da habe ich dann festgestellt, dass es Zeit wird, dass ich wieder heim komme. Weil das richtige Leben gedacht: Worüber regt ihr euch auf? Im Kongo habe ich Tote in Abwassergräben liegen sehen. In Bosnien hat eine SintiRoma-Familie mit 14 Menschen in einem ausgeschlachteten Bus gelebt. Worüber regt ihr euch auf?? Da habe ich das Fernsehkucken abgeschafft. Und zu Hause denkt die Frau dann: Jetzt ist er wieder da und schaut nicht mal mehr mit mir zusammen fern. Gast im eigenen Haus JS: Wie hat Ihre Frau den Einsatz über- standen? KIERSCH: Sie hat ihr normales Leben zu Hause weitergelebt. Nach dem Einsatz hat sie zu mir gesagt – und da waren wir immerhin schon 13 Jahre verheiratet: Ich habe nach drei bis vier Monaten wieder so gelebt, wie in der Zeit, bevor ich dich kennen gelernt habe. Foto: www.photocase.com gene Realität, inzwischen gibt es so etwas wie eine ganz eigene Veteranenklasse. Bestimmte Gefühle kann man nicht transportieren: Wie es ist, den ganzen Tag grüne Sachen anzuhaben. Wie es ist, bei einem Minenunfall einen Kameraden zu verlieren. Wie es ist, wenn morgens früh der Befehl kommt, dass in zwei Stunden alle Fahrzeuge vom Schnee befreit sein Armee, immer dieser Kasernendienst – und regt sich auf. Er legt dann irgendwann einfach auf. Wie kommt der Mann zurück, den ich in Köln-Wahn abgeliefert habe?, fragen sich viele Soldaten-Ehefrauen während des Einsatzes müssen. Von den kleinen Dingen bis zu den ganz großen: Das können die, die es nicht miterlebt haben, nicht nachvollziehen. Es gibt zum Teil auch sprachliche Grenzen: In dem Film „Warriors“ kommen britische IFOR-Soldaten in ein Dorf und entdecken, dass Serben bosnische Frauen umgebracht, eine alte Frau an eine Scheunentür genagelt haben. Ein Soldat telefoniert danach mit seiner Frau zu Hause, und sie erzählt ihm, dass die Waschmaschine kaputt ist. Er sagt: Wir mussten hier heute auch so einiges aufräumen. Und seine Frau antwortet: Ja, die hier in Deutschland spielt. Der Einsatz ist nicht das richtige Leben. JS: Wie haben Sie sich durch den Einsatz verändert? KIERSCH: Man kommt verändert zurück. Allein, dass man von einem ganz anderen Kulturkreis umgeben ist und einen ganz anderen Tagesablauf hat. Es sind oft nur kleine Veränderungen mit fatalen Folgen. Bei mir ging es im Einsatz vor Weihnachten los: Ich konnte diese JakobsKaffee-Weihnachtswerbung mit der glücklichen Familie vor dem brennenden Kamin nicht mehr sehen. Und nicht die Tagesschau-Berichte. Da habe ich immer JS: Hat Sie das gekränkt? KIERSCH: Nein. Aber es hat vieles erklärt. JS: Wo hatten Sie Schwierigkeiten, sich wieder einzuleben? KIERSCH: Am ersten Tag nach meinem Einsatz bin ich früh aufgewacht und wollte den Frühstückstisch decken. Und da waren die Becher nicht mehr da, wo sie sonst immer standen. Ich hab mich geärgert und gedacht: Jetzt musst du in deiner eigenen Küche die Becher suchen. JS: Warum ist Ihre Ehe auseinander gegangen? KIERSCH: Nach dem Einsatz hat eine Entwicklung eingesetzt, wo wir nach Ablauf 25 LKU eines Jahres gemerkt haben: Wir haben uns immer mehr auseinander gelebt. Ihre Krankheit wurde immer bestimmender, sie hat sich esoterischen Praktiken zugewandt und sich ganz stark in sich selbst zurückgezogen. JS: Welchen Anteil hatte dabei der Einsatz? KIERSCH: In dieser Zeit wird man als derjenige, der zu Hause bleibt, mehr auf sich selbst zurückgeworfen. Das kann auch wie bei uns bedeuten, dass man nur noch um sich selbst kreist – mit einem besonderen Risiko für kurze Beziehungen, die nicht genügend Gemeinsames haben, auf das sie zurückgreifen können. Unsere Trennung hatte als Ursache eher ihre Krankheit, wobei der Einsatz das verschärft hat – dieser Satz von ihr: Drei Monate – dann habe ich wieder mein altes Leben geführt. Ich hab mich sicherlich auch verändert. Ich habe im Einsatz gelernt, mit mir selbst klar zu kommen, ich war wieder mehr alleine. Und ich habe übersehen: Man muss auch über die Kleinigkeiten reden. Ich lebte in dem Glauben, es sei egal, wo die Becher in der Küche stehen, und es sei egal, dass wir nicht mehr zusammen Günther Jauch schauten. Darüber hätten wir reden müssen. JS: Wann hätten Sie sich getrennt, wenn es den Einsatz nicht gegeben hätte? KIERSCH: Vielleicht nächstes Jahr? HILFE FÜR DIE LIEBE TIPPS FÜR DIE BEZIEHUNG AUF DISTANZ REDEN: Versuchen Sie, soviel wie möglich von Ihren getrennten Welten zu teilen, Freude, Ärger, Alltag – Anruf, SMS, Chat, Brief, Päckchen, Foto-Serie, Tonaufnahmen … RUNTERKOCHEN: Das Wiedersehen nicht mit Erwartungen überfrachten – die gemeinsame Zeit muss nicht perfekt sein, das erzeugt nur Stress STREITEN: Konflikte und Probleme nicht verschweigen, sondern ansprechen. Am Telefon möglichst nicht im Streit trennen – wenigstens „Waffenruhe“ vereinbaren. Und: Seien Sie nicht aus Zorn nicht erreichbar. LITERATUR Hans Jellouschek: Liebe auf Dauer. Die Kunst, ein Paar zu bleiben, Stuttgart 2004. Peter Wendl: Gelingende Fern-Beziehung, 3. Auflage, Freiburg 2007. Doris Wolf: Wenn der Partner geht. Wege zur Bewältigung von Trennung und Scheidung, 17. Auflage, Mannheim 2001. LINKS Mit Problemen in der Beziehung können Sie sich an Ihren jeweiligen Standortpfarrer wenden: www.militaerseelsorge.de Adressen in Ihrer Nähe für Ehe- und Paarberatung finden Sie auch unter: www.evangelische-beratung.info Ein Forum für Frauen von Soldaten im Einsatz gibt es unter: www.frauzufrau-online.de Foto: www.photocase.com/Anni K Nato-Alarm bei der eigenen Hochzeit JS: Ich habe es auch den Soldaten gefragt, den ich in der letzten JS interviewt habe: Ist Soldat ein beziehungsfeindlicher Beruf? KIERSCH: Jeder Einsatz – auch der erste und vielleicht einzige – ist für eine Beziehung ein Trauma. Aber auch der ganz alltägliche Dienst macht das Familienleben schwer. Ein Offizier wurde von seiner eigenen Hochzeitsfeier durch eine Alarmübung weggeholt, im Frack. Bei beiden Konfirmationen seiner Kinder war er nicht dabei, und nicht an hunderten Abenden, wenn die Kinder ins Bett gegangen sind. Und dann ging es auch noch mit den Einsätzen los. Ist das normal? Was wird da für ein Ideal von einer Frau hochgehalten, die eine BundeswehrKarriere ermöglicht? Da trägt man den ersten und den zweiten Einsatz. Aber wie ist es mit dem dritten und vierten und noch zig Jahre Bundeswehr vor sich? Daran kann auch die am besten funktionie26 rende Beziehung kaputt gehen. Wenn nicht einer dabei ist, der bereit ist, sich voll aufzugeben. Aber da frage ich mich schon: Wo ist die Frau denn noch, wo spielt sie eine Rolle, wenn der Mann von der eigenen Hochzeit verschwindet? Ich habe Soldaten kennen gelernt, bei denen heißt es: vierter Einsatz, vierte Freundin. JS: Was könnte die Bundeswehr tun? KIERSCH: Die Familienbetreuungszentren müssten noch mehr Priorität bekommen – finanziell und vom Status her. JS: Und was würden Sie Paaren raten für die Zeit nach dem Einsatz? KIERSCH: Kleinigkeiten ernst nehmen. Nicht denken: Ich mache aus einer Mücke ei- nen Elefanten. In den Einsatznachbereitungsseminaren sage ich immer: Auch Kleinigkeiten sind wichtig, damit man sie sich von der Seele reden kann. Sagen Sie das mit den Bechern, mit dem gemeinsamen Fernschauen, mit dem Auto, das plötzlich sie fährt. Ich finde es wichtig, dass man auch hier ein Recht auf ein Problem hat. Es sind nicht nur Anschläge oder Minenunfälle, die einen aus der Bahn werfen. Manchmal ist es eben eine völlig alltägliche Kleinigkeit. Hierauf richtet die Bundeswehr nach meiner Meinung noch zu wenig ihr Augenmerk. ■ Dorothea Siegle