Tod und Gender. Untersuchungen in vier theologischen Disziplinen

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Tod und Gender. Untersuchungen in vier theologischen Disziplinen
Theologische Fakultät, Länggassstr. 51, CH-3000 Bern 9
Bern/Oktober 2013
Der SNF unterstützt das Forschungsprojekt „Tod und Gender. Untersuchungen in vier
theologischen Disziplinen“ mit drei Doktoratsstellen an der Theologischen Fakultät, die
ab dem 1.1.2014 zu besetzen sind.
(www.theol.unibe.ch/unibe/theol/ibw/content/e62273/e385832/Forschungsprojekt_Tod_und_Gender_ger.pdf )
Der Tod hat in jeder Kultur und auf verschiedenen Ebenen ein Gendervorzeichen. Schon das
grammatische Geschlecht von „Tod“, „thanatos“, „mors“ differiert in alten und heute
gesprochenen Sprachen und gibt einen ersten Hinweis, dass Vorstellungen vom Tod
gendergeprägt sind. Kulturen und Religionen kodieren bestimmte Todesarten, wie Suizid,
geschlechtsabhängig. Aber auch die konkreten Einstellungen zum und Erfahrungen mit dem
Tod sind für Männer und Frauen durchaus nicht gleich, sondern geschlechtsspezifisch
verschieden, wofür es Ursachen in der Biologie gibt (Schwangerschaft, Geburt und Tod waren
und sind miteinander verflochten), aber auch in sozialen und kulturellen Zuweisungen. Diese
Genderkomponenten des Todes werden jedoch bislang kaum wahrgenommen und nicht
berücksichtigt. So findet sich im NFP 67 zum Thema „Lebensende“ kein einziges
genderspeziell formuliertes Projekt.
Das Forscherinnenteam besteht aus vier Berner Professorinnen der Theologie, die
Schwerpunkte in der Genderforschung haben und von ihrer jeweiligen theologischen
Fachdisziplin aus (Bibelwissenschaft, Kirchengeschichte, Systematische Theologie/Dogmatik,
Prof.
Prof.
Prof.
Prof.
Dr.
Dr.
Dr.
Dr.
Angela Berlis
Magdalene L. Frettlöh
Isabelle Noth
Silvia Schroer
Theologische Fakultät
Länggassstr. 51
CH-3000 Bern 9
www.theol.unibe.ch
Praktische Theologie/Seelsorge) die Zusammenhänge von „Gender und Tod“ untersuchen
werden. Das Ziel des gesamten Projekts ist die Erstellung eines theologischen Kompendiums
zu „Gender und Tod“. Eine eröffnende Tagung fand am 3. Mai 2013 in Bern statt. Im
Frühjahr 2014 werden beim tvz Verlag die Tagungsbeiträge unter dem Titel „Sensenfrau
und Klagemann. Sterben und Tod mit Gendervorzeichen“ erscheinen (hg. von Silvia
Schroer).
Das
Projekt
ist
vorrangig
anschlussfähig und vernetzt.
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theologisch
intradisziplinär,
zugleich
aber
interdisziplinär
1. Forschungsstand in den vier Teilprojekten
Der Forschungsstand ist in den theologischen Fächern in verschiedenen Entwicklungsphasen,
was die Genderfragen betrifft. Innerhalb der Bibelwissenschaft ist seit 30 Jahren durch die
feministische Exegese und Theologie die Genderforschung stark entwickelt worden. Zudem
gibt es seit 10 Jahren eine äusserst rege Forschungstätigkeit im Bereich der biblischen
Anthropologie. „Tod“ in den Schriften der hebräischen Bibel, aber auch des Neuen
Testaments, wurde im Schnittpunkt dieser beiden Interessen hier und da auf Genderaspekte
hin untersucht, wenn auch nicht systematisch. In der Kirchengeschichte kommt die
Historiographie zu Geschlecht und Tod seit wenigen Jahren in Gang. Die Forschung richtet
sich dabei auf kulturelle Vorstellungen über Frauen und Tod sowie auf historisch wechselnde
Konstruktionen von Geschlecht in der Situation von Sterben und Tod. Das wachsende
Forschungsinteresse zielt bislang auf einzelne Themen und Zeiträume, u.a. auf frühchristliche
Begräbnisrituale von Frauen, auf Leichenpredigten der frühen Neuzeit oder auf materielle und
visuelle Zeugnisse des Totenkults. In der systematischen Theologie/Dogmatik ist der Befund
zur bisherigen Forschung geradezu ernüchternd. Es gibt keine nennenswerten Beiträge auf
dem
Gebiet.
In
der
Praktischen
Theologie/Seelsorge
gehören
die
Reflexion
von
Geschlechterrollen und die Entwicklung gendersensibler Modelle insbesondere in der
Seelsorge mit Frauen zur Grundlagenforschung, doch auffälligerweise wurden dabei Sterben
und Tod bisher weitgehend ausgeklammert. Es existiert
auch keine nennenswerte
genderspezifische Literatur zu „Spiritual Care“. Sterbebegleitung wurde in jüngster Zeit im
Kontext
interkultureller
Seelsorge
untersucht,
jedoch
wiederum
ohne
explizite
Berücksichtigung von Genderperspektiven.
1.1 Teilprojekt I (Altes Testament)
Die Erfahrung des Todes ist in der Sicht der alttestamentlichen Verfasser grundsätzlich eine
allgemeinmenschliche,
sie
verbindet
auch
die
Menschen-
und
die
Tierwelt.
Das
Sterbenmüssen als menschliche Constitutio ist im Alten Israel nie ein Grund zur Auflehnung
oder zum Hader mit Gott geworden. Einzig der zu frühe Tod wird mit Vehemenz eingeklagt. Mit
dem Tod enden das Leben und sogar die Gottesbeziehung radikal, es gibt bis weit in die
nachexilische Zeit keine Jenseitserwartung. Die durchschnittliche Lebenserwartung lag
schätzungsweise bei 30-40 Jahren. Es ist daher nicht verwunderlich, dass der eigene Tod und
der der Nächsten für die alttestamentlichen Schriften ein zentrales Thema sind.
So allgemeinmenschlich Sterben und Tod aus einer grundsätzlichen, anthropologischen Sicht
sind, so geschlechtsspezifisch verschieden sind Erfahrungen von Sterben und Tod. Sie spielen
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sich im Bereich von Rollenzuweisungen ab, sie spiegeln sich in Wahrnehmung und Reflexion
auf Wahrnehmung. Zur Erläuterung werden hier die wichtigsten und leicht erhärtbaren
Unterschiede der genderkategoriellen Vorzeichen bestimmter Facetten von Tod im Alten
Testament/im alten Israel genannt:
(1) Die Lebenserwartung der Frauen ist im 1. Jahrtausend in Palästina/Israel erheblich
niedriger als die der Männer. Frauen sterben aufgrund von Schwangerschaften und
Geburten vielfach jung, vor ihren Ehemännern.
(2) Frauen und Hebammen sind mit dem Tod von Föten, Frühgeburten, Neugeborenen
und
Kleinkindern in
direkterer Weise
konfrontiert
als
Männer.
Schwangere,
Gebärende, Mütter und Hebammen suchen den Schutz göttlicher Mächte.
(3) Das Pendant zum frühen Tod der Frau im Kindbett ist der gewaltsame Tod der Männer
im Krieg. Im Kampf um das eigene Leben und das ihrer Nächsten oder Volksgenossen
(Überleben, freies Leben) können sie gerade dies Leben verlieren.
(4) Frauen und Männer erleiden den Tod häufig in denselben Arenen, z.B. bei Krankheit
und Altersschwäche, aber es gibt auch Unterschiede der Todesarten. (Sexuelle)
Gewalt gegen Frauen, ob häusliche Gewalt oder Übergriffe von Fremden oder
Übergriffe im Krieg, endet vielfach tödlich. Der Suizid ist eine Todesart, die in der
gesamten
biblischen
Tradition
Männern
vorbehalten
ist.
Hier
soll
ein
Dissertationsprojekt die Forschungslücken, gerade bzgl. Genderfragen, schliessen
(s.u. 2.).
(5) Von Frauen im Alten Testament wird sehr selten erzählt, dass sie physische Gewalt
anwenden, töten oder gar morden. Totschlag ist von Kain und Abel an Männersache.
Berühmte Ausnahmen sind Tyrannentöterinnen wie Jael und Judith oder skrupellose
Politikerinnen wie Isebel.
(6) Die literarische Klage über den vorzeitigen und ungerechten Tod hat ein männliches
Vorzeichen. Schon die ägyptische und mesopotamische Literatur kennt das Ringen
der leidenden Gerechten, Gespräche mit Gott, Freunden und der eigenen Seele um
das Leiden der Gottesfürchtigen. In dieser Tradition steht Hiob, der im gleichnamigen
Buch die Weltordnung Gottes und Gottes Interesse am Wohlergehen seiner Frommen
massiv in Frage stellt. Die Betroffenheit von Frauen kommt in dieser androzentrischen
Sichtweise nur am Rand vor.
(7) Die Todesstrafe, meistens durch Steinigung, seltener durch Pfählen oder Verbrennen,
wird im alten Israel für eine Reihe von kultischen und sexuellen Vergehen vorgesehen.
Auch hier sind geschlechtsspezifische Unterschiede erkennbar, insofern Frauen
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häufiger sexueller Vergehen verdächtigt (Num 5) oder angezeigt werden und diesen
Anzeigen weitgehend schutzlos ausgeliefert sind. Der Tod für Verbrecher, die
Verweigerung der Bestattung und Zerstörung des Körpers kann auch Frauen treffen
wie die Erzählung vom Tod der Isebel zeigt (2Kön 9,33-37).
(8) Die rituelle Klage hat im gesamten Mittelmeerraum ein weibliches Gendervorzeichen.
Der Grund ist nicht, dass man Israelitinnen die Bereiche des Emotionalen „zuschob“,
sondern dass sie spezielle Kompetenz im Umgang mit Geburt und Tod hatten. Diese
Kompetenz kann über die Todesschwelle hinausgehen, indem Frauen Nekromantie
(Ahnenbefragung) praktizierten.
(9) Das Alte Testament definiert den Tod nicht nur physisch, sondern auch sozial. Ein
Verstorbener bleibt als Person sozial lebendig, wenn er Nachkommen hat und solange
sein Name in Erinnerung bleibt und angerufen wird. Nie wird in den alttestamentlichen
Texten aber die Namensbewahrung auf Frauen bezogen, vielmehr sind sie diejenigen,
die für den Erhalt des Namens ihrer verstorbenen Ehemänner oder Väter zu sorgen
haben. Witwenschaft ist für Frauen eine weit bedrohlichere Erfahrung als für Männer,
ja die Witwe wird zusammen mit den Waisen zum Inbegriff der sozial Schutzlosen.
(10) Die Todesmetaphorik der hebräischen Bibel ist gefüllt mit Bildern der polytheistischen
Vor- und Zeitgeschichte Palästinas/Israels und seiner Nachbarkulturen. Der Tod
mawæt/motu ist im Hebräischen männlich konnotiert, das Wort selbst bezeichnet noch
in Ugarit einen Gott. Die mythischen Hintergründe sind im Alten Testament noch völlig
präsent. Die mächtigste Gegenspielerin des Todes ist die Liebe, die wiederum
transparent ist auf die altorientalischen Liebesgöttinnen (Hld 8,6f). In anderen
Traditionen ist die Weisheit eine solche Gegenspielerin der Todesmächte (Spr 9). Die
Rolle der Widersacherinnen des Todes übernehmen in der biblischen Literatur dann
aber die Frauen bis hin zu den Jüngerinnen nach Jesu Tod. Die Todesmacht ist also
männlich assoziiert, die Gegenkräfte stärker weiblich. Die Erde jedoch, in die hinein
die Toten gelegt werden, wird mit dem Schoss einer Erdgöttin in Verbindung gebracht,
in den hinein die Toten wie in den Mutterschoss, aus dem sie herausgekommen sind,
wieder zurückgehen (Hiob 1,21).
(11) In der frühjüdischen Zeit verfestigt sich, in Fortsetzung von weisheitlichen Traditionen,
die bereits aus ägyptischen Lebenslehren bekannt sind, teilweise eine vorher so nicht
bemerkbare Misogynie: „Durch eine Frau kam der Tod in die Welt“ (Sir 25,24). Jesus
Sirach legitimiert diese mit theologischen Argumenten, einschliesslich einer speziellen
Auslegung von Gen 3, wonach Eva durch ihren Sündenfall die Sterblichkeit der
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Menschheit verursacht habe. Die conditio humana des Sterbenmüssens wird nun als
Ergebnis einer Verschuldung betrachtet, und die Frau als Einfallstor dieses Unheils
bezeichnet.
Eine genderorientierte Aufarbeitung des gesamten Komplexes von Sterben und Tod im alten
Israel gibt es bisher nicht. Erst in jüngerer Zeit haben Exegetinnen sich mit dem Thema der
Fehlgeburten oder Totgeburten in biblischen Texten beschäftigt. Der Bereich, zu welchem die
meisten, auch interkulturell vergleichenden Genderarbeiten vorliegen, ist die Klage. Einzelne
Untersuchungen gibt es zur Nekromantie. Die biblischen Texte sind bis anhin auch nicht unter
genderspezifischen Aspekten mit archäologischen Befunden in Beziehung gesetzt worden. Die
„Archäologie des Todes“ ist noch sehr weitgehend androzentrisch. Aufgrund neuer Techniken
sind aber seit einigen Jahren weitreichende Datenerfassungen und -vergleiche auch in puncto
Geschlecht und Lebensalter von Skeletten möglich. In der Ikonographie hinterlässt der Tod
weitgehend Leerstellen, nur der Tod (der feindlichen Krieger) im Krieg ist darstellbar. Das
Thema Suizid in den alttestamentlichen Erzählungen wurde selten systematisch bearbeitet
(LENZEN 1987). Die neuesten Arbeiten von Jan Dietrich (2008, 2009) skizzieren jedoch das
Themenfeld mit Blick auf den Alten Orient. Eine genderspezifische Untersuchung des Themas
Suizid im Kontext altorientalischer und klassisch antiker Kulturgeschichte gibt es nicht.
Literatur zu Gender/Tod im Alten Israel
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1.2 Teilprojekt II (Kirchengeschichte)
Das Thema „Sterben und Tod“ erfreut sich spätestens seit dem Erscheinen von Philippe Ariès’
meisterlicher, aber geschlechtsunsensibler „Geschichte des Todes“ (frz. 1978) grossen
Interesses in Profan-, Religions-, Kirchengeschichte und Historischer Anthropologie. Hat sich
in der Moderne der Autoritätsverlust des Todes als „Krise der Erzählkunst“ (W. Benjamin)
manifestiert, so ist neuerdings die Rede von einer „neuen Sichtbarkeit des Todes“
(MACHO/MAREK 2007, 12). Wenn Religion die individuelle Erinnerung und Erhaltung des
kollektiven Gedächtnisses bewahren hilft (J. Assmann), dann steht die Relevanz einer
(kirchen-)historischen Beschäftigung mit dem Thema, die Symbole und Riten, normative
Zeugnisse sowie Lebens- und Erfahrungswelten einbezieht, ausser Frage. Sterben und Tod
unterliegen kulturellen Normen; in der Bereitung auf den Tod und im Erzählen über
angemessenes Sterben werden Weiblichkeit und Männlichkeit sichtbar.
In
kirchenhistorischen
Arbeiten
Zusammenhängen aufgegriffen:
Seite 7/17
wird
das
Thema
„Tod
und
Gender“
in
folgenden
(1) Martyrium
und
vorzeitiger
Tod:
In
der
umfangreichen
Literatur
über
Christenverfolgungen in der frühen Kirche finden sich auch Martyriumsberichte über
Frauen, die im Tod „männlich“ werden (u.a. Perpetua und Felicitas, B REMMER 2012).
Wie Mulder-Bakker für das Mittelalter und Burschel für die Neuzeit zeigen, kann die
Geschichte des Martyriums als Gendergeschichte beschrieben werden (MULDERBAKKER 2005, BURSCHEL 2003, 2004). Burschel zufolge werden angemessenes Leben
und Sterben für Frauen und Männer in der frühen Neuzeit unterschiedlich gegendert
(BURSCHEL 2003). Die religiöse Deutung des unzeitigen oder vorzeitigen Todes – etwa
von Diakonissen in der Krankenpflege in Kriegen des 19. Jahrhunderts – ist in
Untersuchungen nach Krieg, Religion und Geschlecht anfänglich thematisiert (BÜTTNER
2009).
(2) Untersuchungen im weiteren Feld des Totenkultes: Forschungen zu liturgischen
Aspekten, etwa von kirchlichen Bestattungsliturgien und -ritualen, sind bisher nur
wenig gendersensibel (vgl. etwa BECKER et al. 1987). Sie machen historische und
theologisch beglaubigte Vorstellungen über Tod und Sterben sichtbar, daneben auch –
implizit – soziale, politische und gegenderte Sichtweisen. Von Frauen praktizierte
Rituale der Trauer und Totenklage (für frühchristliche Frauenrituale vgl. CORLEY 2010)
geraten bislang eher selten in den wissenschaftlichen Skopus (im Unterschied zu einer
ständig wachsenden rituellen Gebrauchsliteratur auf diesem Feld, die sich zum Teil auf
historisches und liturgisches Brauchtum beruft, etwa KUTTER 2010). Auch die
Untersuchung materieller Zeugnisse – etwa die Herrichtung des Leichnams im
Totenkleid (ELLWANGER 2010) – kann erhellend sein, um historische Formen von
Totenkult und Geschlecht als visuelle Medien zu analysieren.
(3) In den letzten Jahrzehnten boomt die Analyse von Leichenpredigten, v.a. des 16.-18.
Jh. (LENZ 1975-2004; vgl. auch ROTH 1993 über Basler Frauen, 1790-1914). In diesem
Kontext werden auch sozial zugeschriebene Rollen- und Verhaltensmuster weiblichen
und männlichen Sterbens, u.a. der Bereitung auf das Sterben, anhand (auto)biographischer Aufzeichnungen untersucht (LURZ 2003).
(4) Kulturhistorische Studien über Frauen und Tod ab 1500 bis heute (Women and Death
2008-2010; BRONFEN 1987) thematisieren auch „Religion“ (etwa die historische
Rezeption von Bibelgeschichten über tötende Frauen, Frauen als Opfer und Täter,
Todesrepräsentation durch Frauen). Dazu gehört – im Rahmen von Totentänzen – die
Begegnung des Todes mit Frauen, insbes. das im 16. Jh. entstehende Motiv „das
Mädchen und der Tod“ und die seit dem 19. Jh. verstärkt damit verbundene
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Todeserotik sowie die Emotionalisierung des Todes (HÜLSEN-ESCH 2006; BRONFEN
1994).
(5) In religionsgeschichtlichen Arbeiten über den Umgang von Religionen mit dem Tod
bleibt die Geschlechtsfrage bislang nebensächlich (etwa HELLER 2009).
Die bisherige kirchenhistorische Forschung beschränkt sich auf Einzelthemen und einzelne
Epochen. Forschungsdesiderate und Beobachtungen werden deshalb eingegrenzt auf Aspekte, die
für das Forschungsprojekt „Nekrologien und Thanatographien als identitätsstiftende und
gegenderte Erinnerungspolitik, am Beispiel des deutschen und schweizerischen Altkatholizismus
(1871-1924)“ (s.u. 2.) bedeutsam sind:
(1) Bisherige Untersuchungen behandeln meist Frauen und Tod, während Gender (als
historisch sich verändernde Konstruktion der Beziehung bzw. des Vergleich zwischen
Frauen und Männern, Weiblichkeits- und Männlichkeitszuschreibungen) bisher kaum
oder nur für bestimmte Epochen (BURSCHEL 2003) in den Blick kommt. Insbesondere
für das 19. und frühe 20. Jh., für das die These einer „Feminisierung der Religion“
kritisch diskutiert wird, überrascht das weitgehende Fehlen von Studien zu
gegenderten Vorstellungen über Sterben und Tod.
(2) Die bisherige Erforschung von Leichenpredigten, Totenzetteln ist v.a. auf bestimmte
Städte (etwa SCHLÖGL 1995) oder auf vorhandene Quellensammlungen bezogene
Forschung; sie wendet sich weniger bestimmten Gemeinschaften, Formen der
Gemeinschaftsbildung oder Identitätspolitik zu.
(3) Während die frühe Neuzeit (1500-1800) in verschiedener Hinsicht gut erforscht ist, gilt
dies aus kirchenhistorischer Sicht kaum für das 19. (und 20.) Jahrhundert (BRONFEN
1987 bietet einige Ansätze, ebenso die mentalitätsgeschichtlichen Forschungen von
DINZELBACHER 2008; die frömmigkeitsgeschichtliche Studie von FISCHER 2004 lässt
den Genderaspekt ausser Acht).
Literatur zu Sterben und Tod in Kirchen- und Kulturgeschichte
8
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Literatur zum Dissertationsprojekt über Nekrologien und Thanatographien
Archivalische Quellen und gedruckte Nachrufe
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Serielle Quellen
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„Katholische Stimme aus den Waldstätten“ (1870) bzw. “Katholische Blätter (1873-1877) bzw. „Der
Katholik“ (1878-1952)
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1.3 Teilprojekt III (Systematische Theologie/Dogmatik)
Innerhalb der Dogmatik gibt es vor allem zwei Orte, an denen das Thema „Tod und Gender“ zu
erörtern wäre: die theologische Anthropologie der Schöpfungslehre und die Eschatologie als die
Lehre von den sog. letzten Dingen, eher: die Lehre von der begründeten Hoffnung auf eine
göttliche Vollendung irdischen Lebens nach dem Tod. Ein Blick in aktuelle dogmatische
Gesamtentwürfe, in theologische Anthropologien und in Eschatologie-Bücher und -Aufsätze lässt
rasch erkennen, dass eine gendersensible dogmatische Reflexion auf Tod und Sterben und die
über das irdische Leben hinausgehenden Hoffnungen fast völlig ausfällt. Zwar wird in
theologischen Anthropologien auf die geschöpfliche Endlichkeit des Menschen und die damit
verbundenen Lebensbeeinträchtigungen reflektiert, zwar gibt es gendersensibel bearbeitete
konstitutive Themen einer theologischen Anthropologie, insbesondere die Gottesbildlichkeit von
Männern und Frauen und die Unterscheidung von Frauen- und Männersünde, doch eine
anthropologische Tod-Gender-Knüpfung sucht man in der evangelischen Dogmatik vergebens.
Vielmehr ist an die Stelle einer Fokussierung auf den Tod in der Folge von Martin Heideggers
Bestimmung des Vorlaufens zum Tode als Inbegriff einer „eigentlichen Existenz“ des Menschen die
Orientierung am Beginn des Lebens, an der Gebürtlichkeit des Menschen, getreten – in
Anknüpfung an die bewusst gegen Heideggers Todesorientierung in „Sein und Zeit“ entwickelte
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Natalitätskonzeption Hannah Arendts. Ebenso gibt es in der Eschatologie, die seit dem letzten
Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts zu den am virulentesten diskutierten Topoi der Dogmatik gehört,
nur sehr wenige gendersensible Arbeiten, obwohl gerade mit J. Christine Janowski, die bis 2011
die Berner Professur für Dogmatik inne hatte, eine genderperspektiviert arbeitende Dogmatikerin
gleichzeitig
einen
in
zahlreichen
Publikationen
ausgewiesenen
Forschungsschwerpunkt
Eschatologie hat(te). Ihre Texte erweisen sich als anschlussfähig für eine gegenderte
Eschatologie. Wo die Gender-Kategorie Einzug in die eschatologische Forschung gehalten hat,
geht es vor allem um Fragen von Kontinuität und Identität über den radikalen Bruch, den der Tod
darstellt, hinaus, um die Art und Weise der Bewahrung irdischer Lebensgeschichten und
insbesondere um Fragen der Auferstehungsleiblichkeit (vgl. FELKER JONES 2007) und der
geschlechtlichen Identität des Auferstehungsleibes. Grundlegende Weichenstellungen finden sich
hier vor allem in den Texten von Ruth K. Hess, der ehemaligen Assistentin von J. Christine
Janowski, auf der Basis einer genderperspektivierten Lektüre des paulinischen EschatologieKapitels 1Kor 15 (HESS 2005, 2006). In vielem anknüpfungsfähig für eine gendergerechte
Eschatologie sind die zahlreichen eschatologischen Arbeiten Jürgen Moltmanns und FriedrichWilhelm Marquardts, deren Systematische Theologien insgesamt auf einen eschatologischen
Grundton gestimmt sind, sowie die Vorarbeiten Magdalene L. Frettlöhs zu einer am Eigennamen
orientierten Eschatologie (siehe dazu die Literatur unter 2.2.3).
Von allen hier beteiligten Disziplinen ist in der Dogmatik der deutlichste Nachholbedarf hinsichtlich
einer genderspezifischen Ausdifferenzierung mit dem Tod verbundener Themen zu verzeichnen.
Zur Schliessung der genannten Lücken empfiehlt sich der Einstieg mit einem Forschungsprojekt,
dessen geschlechtsspezifische Implikationen auf der Hand liegen und das nicht nur von
theologischer und kirchlicher, sondern insgesamt von hoher gesellschaftlicher Relevanz ist und
dessen grundständige Bearbeitung wegweisende Ergebnisse für die Theologie und Kirche(n) wie
für andere gesellschaftliche Systeme verspricht. Eben dies trifft auf das Dissertationsprojekt „Stille
Geburt in eschatologischer Perspektive“ (s.u. 2.) zu.
Literatur zur dogmatischen Eschatologie (anschlussfähig für die Genderperspektive) und
zum Dissertationsprojekt
Grundlegende dogmatisch-eschatologische Literatur
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zu
einer
entdualisierten
Eschatologie
der
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Praktisch-Theologisches
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1.4 Teilprojekt IV (Praktische Theologie/Seelsorge)
Angesichts der neueren demografischen und medizinischen Entwicklungen gewinnt die
Sterbebegleitung innerhalb der Seelsorge rasant an Bedeutung. Hier wird zwar schon seit den
1980er Jahren kontinuierlich im Bereich der Sterbebegleitung geforscht (z.B. PIPER 1990, LÜCKEL
1985), doch steigt letztere zunehmend in den Rang einer notwendigen Kernkompetenz von
Seelsorgenden auf. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und das Federal Office of Public
Health (FOPH) anerkennen „Spiritual Care“ als grundlegenden Teil von „Palliative Care“ für
PatientInnen und ihre Angehörigen (WHO, 2002; Bundesamt für Gesundheit, 2009). Da
Seelsorgenden die religiös-spirituelle Begleitung Sterbender jedoch zunehmend von anderen
Berufsgruppen strittig gemacht wird, hat der Entscheid der WHO auch zu einer markanten
Verschärfung der Frage geführt, wer nun wofür zuständig und kompetent ist.
Die religionspsychologische Forschung der letzten Jahrzehnte hat in Hunderten empirischer
Untersuchungen belegt, dass Menschen insbesondere in Krisenzeiten auf ihre spirituellen
Ressourcen zurückgreifen (breit belegt in: PARGAMENT 1997, KOENIG 1997) und dies oft eine Hilfe
für die Bewältigung der Situation ist, sie manchmal aber auch belastet („spiritual struggle“, z.B.
FITCHETT & RISK 2009). Dass gerade Seelsorge deshalb eine wichtige Form der Unterstützung ist,
belegen ebenso viele Studien (Überblick über die Forschung: JANKOWSKI et al. 2011). Seelsorge
wird in solchen Situationen nicht selten auch zu einer wichtigen sozialen Ressource der Familie
von Sterbenden gerade dadurch, dass sie ihr durch seelsorgliche Präsenz die bejahende Kraft der
Gegenwart Gottes zusagt und die vom herannahenden Tod betroffenen Personen darin
unterstützt, ihre eigenen Ressourcen – unter diesen besonders auch ihre persönliche
Religiosität/Spiritualität – zu nutzen (z.B. Orientierung an einem kooperativen religiösen Coping,
das selbstbestimmte Bewältigung der Krisensituation fördert), aber auch Ressourcen im
Familiensystem aktiviert (z.B. rationale Anerkennung der Ernsthaftigkeit der Situation, Empathie,
gegenseitige Unterstützung). Die Aktivierung von religiösen Ressourcen ist dabei entscheidend,
damit auch das religiöse Potential zur Interpretation der Situation ausgeschöpft werden kann (ABURAIYA/PARGAMENT 2011). Besonders wichtig für den Sterbeprozess und die Trauerbewältigung ist
das Verständnis vom Tod, das Sterbende wie auch deren Angehörige haben. Das Postdoc-Projekt
will
eine
gendersensible
Aufarbeitung
des
vermuteten
Zusammenhangs
zwischen
Interpretationsweisen von Sterben und Tod und jeweiligen Gottesbildern leisten. Es dient der
Entwicklung einer gendersensiblen seelsorgepraktischen Methodik in der Sterbebegleitung (s.u.
2.). Seelsorge kann – gerade durch ihre spezifischen Arbeitsformen und theologischen
Deutungsangebote der Situation – dazu beitragen, dass das Gefühl der Kohärenz (Antonovsky)
aufrechterhalten werden kann. Sie schafft beispielsweise Raum für die Bearbeitung der Frage
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„warum?“ (ZNOJ/MORGENTHALER/ZWINGMANN 2004) oder unterstützt die Betroffenen mit ihren
Familien darin, begründete Hoffnung im Angesicht des Todes aufrecht zu erhalten. Bei all den
vorliegenden Forschungsergebnissen ist es umso erstaunlicher, dass es bisher kaum
Untersuchungen zu geschlechtsspezifischen religiösen Ressourcen und Coping-Strategien gibt.
Dabei zeigt sich z.B. an der aktuellen gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung sowohl um den
assistierten Suizid (wie ihn Institutionen wie Exit oder Dignitas anbieten) als auch um die vom
Bundesrat geförderte Palliative Care (s. Bericht des BR vom Juni 2011), dass mit denselben
Argumentationsfiguren operiert wird, nämlich insbesondere mit dem Selbstbestimmungsrecht des
Menschen. Ein genauerer, genderreflektierter Blick auf Aussagen Exit-Williger fördert jedoch zu
Tage, dass die Begründung, niemandem zur Last fallen zu wollen und sich nicht zumuten zu
wollen, bei Frauen unverhältnismässig häufiger genannt wird als bei Männern. Letztere
plausibilisieren ihren Wunsch nach dem Tod bzw. ihren Entscheid für einen assistierten Suizid
häufiger mit dem im öffentlichen Diskurs verwendeten Begriff der Selbstbestimmung, die den
mündigen Bürger seit der Aufklärung kennzeichnet. Das heisst, gerade im Umgang mit dem
(wissentlich kurz oder länger bevorstehenden) Tod angesichts einer Krankheit etc. zeigen sich
unterschiedliche, nämlich explizit gendertypische Argumentationsmuster. Eine theologisch und
religionspsychologisch fundierte Seelsorge wird solche Begründungsfiguren hellhörig wahrnehmen
und vor dem Hintergrund unterschiedlicher Geschlechterrollen und -bilder reflektieren und im
konkreten Fall je nach Möglichkeit ansprechen.
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