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Der Morgen Danach Falko Michael Kötter Der Morgen Danach 1.0 c 2013 Falko Michael Kötter http://www.relegatia.com Vorrede 3 Wo waren wir stehengeblieben? Ach ja, das Turnier... Sicherlich weiÿt du Bescheid, geneigter Leser, aber es schadet wohl nicht, das Gedächtnis ein wenig aufzufrischen. Nun ist die letzte Gelegenheit, umzukehren, falls du den Weg selbst gehen möchtest. Lies dazu Der Weg nach Titania - Veridian und Das Turnier von Titania. Andere Geschichten mögen mit dieser verwoben sein, aber, geneigter Leser, das ist ein Labyrinth, das du selbst entwirren musst. Noch hier? Wunderbar! Fassen wir also noch einmal zusammen: Das Imperium des Karn rüstet für einen neuen Krieg, doch was nach Jahren des Friedens fehlt, sind fähige Anführer. Und so müssen die Statthalter der Kolonien einen würdigen Generalsanwärter suchen und in die Hauptstadt Karnapolis schicken. So auch Zelphar, der Herr von Titania und Karns Statthalter. Fähige Kämpfer hat er zwar genug, aber das reicht ihm nicht. Er will nichts weniger als einen Helden schicken. Um den zu bekommen, beschlieÿt er, ein Schwertkampfturnier abzuhalten, um dort eine Legende zu erschaen. Gesagt, getan. Nicht weniger als tausend Krieger suchen ihr Glück in dem alten Stadion der Stadt, Glücksritter, Schaukämpfer, naive Bauernsöhne. Aber solch ein Wettkampf bringt auch weniger wohlwollende Kräfte auf den Plan. In der seit Generationen besetzten Stadt lodert immer noch der Widerstand gegen die Herrschaft des Imperiums. Angeführt von der Blauen Königin wagen sich auch Rebellen in die Arena, um die imperiale Armee zu inltrieren. Ihnen gegenüber steht Zerbas, der Hauptmann der Wache, strafversetzt aus der Hauptstadt, nachdem er auf der wichtigsten Mission, die ihm Karn jemals gegeben hatte, versagte. Ein Mann der Ehre, ein Mann der Ordnung, ein Idealist, dem der pragmatische Statthalter zuwider ist. Nichts sehnlicher wünscht er sich, als seinen Generalsposten und, was noch wichtiger ist, den Respekt des Imperators, zurückzugewinnen. Da kommt ihm das Turnier gerade recht. Einen gänzlich anderen Mann hat es ebenfalls nach Titania verschlagen. Veridian, ein Müllerssohn, dem einst auf der Mühle der Windgeist Hallia erschien. Gebannt von dem Gesicht im Wind verfolgte Veridian die Erscheinung quer über den Kontinent, bis es ihm nach vielen Jahren schlieÿlich gelang, Hallia auf einem Berggipfel zu stellen. Zufrieden mit dem Mann, der er durch seine Suche geworden war, verband sie ihre Seele mit der seinen. So erfuhr er von den Jahrhunderten, die sie durchlebt hatte und von ihrem letzten Herrn, der in einer Schlacht mit den Göttern in den Tod stürzte. Sie war zu schwach, seinen Fall zu bremsen, eine Schuld, die sie noch immer verfolgt. Nun sind Hallias und Veridians Schicksal miteinander verochten. Sie ruht unsichtbar in seinem Körper und teilt seine Gedanken, wenn sie es müde ist, ihre eigene Form zu tragen. Gemeinsam suchen die beiden nach einer Bestimmung und nden schlieÿlich das Turnier. Das also sind sie, unsere beiden Kämpfer, Zerbas und Veridian, zwei von vielen. Glück hat das Turnier ihnen nicht gebracht, denn beide wurden sie besiegt von zwei anderen Männern, denen, die sich im Finale in einem Feuerring gegenüberstanden. Held und Schurke, ihre Namen tun wirklich nichts zur Sache, denn dies ist nicht ihre Geschichte. Was zählt, ist, dass der Held, den Statthalter Zelphar schaen wollte, unterlag, und der Schurke als General nach Titania geht. Keine gute Geschichte. 5 Zu allem Überuss eskaliert in der Nacht vor dem Finale der Kampf mit dem Widerstand. Hauptmann Zerbas unterliegt der Blauen Königin. Nicht fähig, die Anführerin der Rebbelen zu fangen, aber auch nicht fähig, das Imperium um ihretwillen zu verraten, erfährt er die gröÿte Schmach: die Blaue Königin lässt ihn am Leben. Dies ist der Moment, an dem unsere Geschichte beginnt, keine Geschichte der Sieger, keine Geschichte der Ehre. Dies ist der Morgen danach. Dies ist die Geschichte der Verlierer, derer, die übrig sind. 6 Erster Akt 7 Hoch über den Dächern blickte Veridian hinunter in die Straÿen und fragte sich, wo der Windgeist gerade war. Hallia, verbesserte er sich gedanklich. Seit das körperlose Wesen sich an ihn gebunden hatte, war es ihm schwergefallen, die bedingungslose Nähe zwischen ihnen zu beschreiben. Jahrelang hatten sie sich gejagt, bis sie sich schlieÿlich vereinigt hatten. Sie war sein Schicksal und er war das ihre. Schwere Gedanken? , wisperte es in seinem Ohr und als er herumfuhr, wäre er schier vom Sims gefallen. Hinter ihm schwebte Hallia, schwerelos aus bläulichen Wolken. Schicksal oder sowas. , schätzte sie und lächelte breit. Sie hatte die Gestalt des Mädchens gewählt, wie sie es oft tat, wenn sie allein unterwegs war. Nicht, dass sie überhaupt einer Gestalt bedurfte. Nicht jeder hat so federleichte Gedanken wie du. , erklärte er und bot ihr die Hand, damit sie den Dialog in Gedanken fortsetzen konnten. Der Windgeist fuhr in Veridians Körper und augenblicklich überutete ihn ein Sturm von Bildern. Er sah Titania, wie er es noch nie gesehen hatte. Hoch über den Wolken hatte Hallia die ganze Stadt überschaut. Von dort raste sie mit Windeseile über die Straÿen, bis sie schlieÿlich eine Seitengasse erreichte und innehielt. Was ist dort? , dachte er atemlos und sie zeigte es ihm. In einer zertrümmerten Kiste lag eine Leiche, in der Brust eine Wunde, wie sie unmöglich von einer gewöhnlichen Wae stammen konnte. Für einen Augenblick war er von der Intensität des grausamen Bildes überwältigt. Hallia lieÿ es verblassen und selbst ohne ein Wort konnte er ihre Besorgnis spüren. Es geht schon. , dachte er. Er hatte in den letzten Tagen wahrlich genug Tote gesehen. Aber das Turnier von Titania war vorüber und dieser Mann war keinen ehrenvollen Tod gestorben. Ehrenvoller Tod? , echote der Schutzgeist spöttisch, Das macht einen Unterschied? Er seufzte. Seine Gefährtin verabscheute den Tod in all seinen Facetten und selbst auf dem Turnier hatte sie ihm verboten, ein anderes Leben zu nehmen. Nicht, dass er es vorgehabt hätte... Ohne Vorwarnung brachte sie das Bild des Toten zurück. Mord. , sprach er, Ohne jeden Zweifel. Ein Bild ackerte in seinem Geist auf, ein Bild, das Hallia ihm nicht zeigen wollte, aber es unwillkürlich tat. Mantis, ihr letzter Herr, wie er in den Tod stürzte und sie, die ihn nicht aufhalten konnte. Veridian sagte kein Wort, aber was er dachte, erfuhr sie trotzdem. Es muss dir nicht leid tun. , sprach sie in seinen Gedanken und dann so tief in ihrer Seele, dass er es kaum vernahm. Ich habe ihn nicht fangen können. Ein wenig verlegen fuhr sich Veridian über den kahlrasierten Schädel. Wer auch immer den Mann getötet hat, hat keine Gnade walten lassen. Hallia verlieÿ seinen Körper und blickte in die Straÿenschluchten, wo das Volk von Titania ungerührt seinem Tagwerk nachging. Wer ihn wohl vermisst? , wisperte der Schutzgeist, Niemand scheint Notiz von ihm zu nehmen. Dann ist es wohl unsere Aufgabe. , sprach Veridian bestimmt, Gerechtigkeit zu üben. Unser Schicksal. , echote Hallia, kehrte in seinen Geist zurück und fügte ihre 9 Entschlossenheit der seinen hinzu. Obwohl wieder die Sonne schien, war der Boden des Stadions vom Regen der letzten Nacht noch immer aufgeweicht. Zerbas rieb sich die Schläfen, als er durch den Torbogen in die Arena trat. Der Zauber, den die Blaue Königin auf ihn gesprochen hatte, setzte ihm auch jetzt noch schlimmer zu als eine Flasche Drachenfeuer. Dennoch kämpfte er den dumpfen Schmerz hinunter und richtete sich zu voller Gröÿe auf. Seine Niederlage hatte unter den Männern schon die Runde gemacht und obwohl es gut sein konnte, dass er im Laufe der Tage von seinem heldenhaften Kampf gegen den Widerstand erzählen musste, so war es doch wahrscheinlicher, dass seine Soldaten nach diesem schmachvollen Versagen auch den letzten Respekt vor ihm verloren hatten. Er erreichte den Graben, den man vor dem Finale des Turniers geschaufelt hatte. Das Feuer war erloschen, doch der Teer darin stank noch immer. Ein Schauer lief über Zerbas Rücken, als er daran dachte, wie der Krieger Arden im letzten Kampf hineingestürzt war. Irgendwo in all der Schwärze mussten noch seine Überreste liegen. Auch er würde nicht nach Karnapolis gehen. Hauptmann. , sprach einer der Soldaten und salutierte. Vier seiner Männer hatten den schwarzen Peter gezogen und mussten heute die Arena aufräumen, doch er zählte nur drei. Wo ist euer Kamerad? , fragte er schärfer, als er es vorgehabt hatte. Er mochte bei seinen Leuten an Autorität eingebüÿt haben, doch ihnen das, was er noch hatte, unter die Nase zu reiben, war nicht der Weg, sie zurückzugewinnen. Ist heute Morgen nicht aufgetaucht. , antwortete der vorderste Soldat, Hat gestern wohl einen über den Durst getrunken. Zerbas verdrehte die Augen. Dann müssen wir wohl ohne ihn anfangen. Er wies mit einem Nicken auf die Schaufeln, die die drei in den Händen hielten. Was ist mit dem, der da noch drinliegt? , fragte einer der Soldaten und blickte mit sichtlichem Unbehagen hinunter in den Graben. Zerbas nickte. Gut zu wissen, dass er nicht der einzige war, der noch ein wenig Anstand hatte. Statthalter Zelphar hat befohlen, ihn da drin zu lassen. , erklärte er und lieÿ den Teil aus, in dem der Statthalter ihm mit aller Deutlichkeit erklärt hatte, dass ihn der Tote einen feuchten Kehricht interessierte. Aber er wird ihm ein Denkmal bauen. Die drei Soldaten sahen einander an und begannen, zu schaufeln. Das hat er nun davon. , murmelte einer, General werden, pah. Zerbas wandte sich ab und machte sich daran, hinauf auf die Zuschauerränge zu steigen. Er benutzte die Leiter, die noch immer verloren an der Wand der Arena lehnte und als er an den verlassenen Reihen der Kämpfer entlangschritt, da packte ihn eine gewisse Wehmut. Hier hatten sie gesessen und was vielleicht noch wichtiger war, hier hatte er gesessen. Es war eine einmalige Gelegenheit gewesen, ein General zu werden und in Ehre nach Karnapolis zurückzukehren. Er hatte sie vergeudet. Aber zumindest hatte ihn das Turnier nicht das Leben gekostet. 10 Das Publikum hatte schlimm gewütet und überall lagen verstreute Abfälle herum. Auf einem Rang lag eine Fahne aus groben Leinen, auf die mit ungelenken Buchstaben der Name Kalandros geschrieben stand. Auch der würde zweifellos sein Denkmal erhalten. Zerbas fegte sie von der steinernen Bank und sah versonnen hinunter in die Arena, auf die Stelle, wo der Tod seinen Tribut gefordert hatte. Hauptmann. , sprach eine Stimme und riss ihn aus seinen Gedanken. Was ist? , fragte er ungehalten und wandte sich um. Vor ihm salutierte ein Soldat, den er noch nie gesehen hatte. Trotz des muskulösen Körpers konnte man ihm noch den Knaben ansehen, der er einmal gewesen war. Wohl einer, der nach einer Niederlage im Turnier angeheuert hatte. Rühren. , befahl er dem aufgeregten Rekruten, Was gibt es? Wir haben auf einer Patrouille etwas gefunden, das ihr euch ansehen solltet ... Ein widerlicher Geruch lag in der Gasse, aber Veridian war sich nicht sicher, dass er nur von der Leiche stammte. Der Boden war von grünen Glasscherben übersät, halbversunken im Dreck. Vielleicht die Spuren eines Kampfes, aber wenn es so war, dann war er lange vorbei. Schmierereien verunzierten die Häuserwände, teils Unätiges, teils Politisches, doch alle Pinselstriche verblassten neben des Streifen Blut, der quer die Wand hinunterlief und in einem einzigen Handabdruck endete. Zweifellos hatte hier ein Kampf stattgefunden. Veridian fand nicht einmal in Gedanken Worte für das, was er empfand, aber als er einen weiteren Schritt auf den Toten zumachte, überwältigte ihn ein Bild des Windgeistes. Für einen Herzschlag teilte er ihren Schmerz, die Gasse verschwand und machte einem ähnlich schrecklichen Bild Platz. Ein gefallener Krieger, die Knochen gebrochen und das Licht aus den Augen gewichen. Mantis. Hallia! , dachte er und die Vision verlieÿ ihn. Der Windgeist schwieg. Veridian schluckte und trat vor die Kiste. Zwar hatte er gewusst, was ihn erwartete, aber es nun in Persona zu sehen, war etwas völlig anderes. Die Brust des Mannes war wie gespalten, darunter ein schreckliches Gewirr aus Eingeweiden. Der Körper war vom Regen aufgedunsen und sah ihn aus toten Augen klagend an. Veridian konnte den Anblick nicht ertragen, wandte sich ab und sah sich einem Soldaten gegenüber, der ihm mit gezücktem Schwert gegenüberstand. Wage es nicht, auch nur einen Finger zu rühren! , sprach der Neuankömmling drohend und hob ihm die Wae an den Hals. Starr vor Schreck sah Veridian dem Mann in die Augen. Glaubte der Imperiale, dass er diesen scheuÿlichen Mord begangen hatte? Noch bevor er sich verteidigen konnte, schoss Hallia aus seinem Körper, warf sich gegen den Soldaten und brachte ihn so zu Fall. Ungläubig starrte der Krieger das Windwesen an, das sich drohend zwischen ihn und seinen Herrn gestellt hatte. In respektvollem Abstand rappelte er sich auf, überlegte einen Augenblick, seine Wae zu heben, aber er besann sich eines Besseren. Beim Gott der Ordnung ... , murmelte er, Was für Kräfte stehen euch zu Gebote? Veridian wusste nicht recht, was er tun sollte, denn er wollte keinen Ärger mit dem Imperium. Hallia hier ist ein Relikt aus alten Zeiten. , erklärte 11 er ausweichend, Und sie mag es nicht, wenn man uns droht. Der Soldat verstand den Wink, steckte sein Schwert in den Gürtel und trat an den beiden vorbei auf den Toten zu. Wart ihr das? , fragte er, mehr, um sich zu vergewissern, als um wirklich einen Verdacht zu äuÿern. Windgeist und Mensch schüttelten beide den Kopf. Wir haben ihn nur gefunden. , sprach Veridian, Und gehot, herauszunden, wer die Schuld an dieser schrecklichen Tat trägt. Der Soldat hob eine Augenbraue. Was schert es euch? Eine gewisse Bitterkeit klang in seiner Stimme mit und Veridian entging es nicht, wie müde er aussah. Wen könnte solch ein Unrecht nicht kümmern? , antwortete Hallia. Konsterniert sah ihr Gegenüber den Windgeist an. Sie war ihm oenkundig nicht geheuer, aber er tat sein bestes, es nicht zu zeigen. Gut zu wissen, dass es noch Menschen mit Anstand gibt. , sprach er und ging in die Hocke, um den Toten näher zu betrachten. Ich bin zwar kein Mensch. , antwortete ihm Hallia, Aber ich weiÿ eure Worte zu schätzen. Für einen Augenblick senkte sich Schweigen über die drei und es war, als fordere der Tote die Stille ein. Der Angreifer war kleiner als sein Opfer. , schloss der Imperiale schlieÿlich und wies auf die Wunde. Veridian nickte. Aber wie konnte er dann so etwas tun? Hallia schwebte zwischen die beiden und sah sich das grausame Bild an. Magie. , vermutete sie. Das wird ein langer Tag. , seufzte der Imperiale und machte sich daran, die Leiche zu durchsuchen. Ich heiÿe übrigens Zerbas. , sprach der Soldat. Veridian. , antwortete sein Gegenüber und der Windgeist hauchte: Hallia . Gemeinsam hatten sie die dunkle Gasse durchsucht, aber wenig von Interesse gefunden. Der Tote selbst hingegen war aufschlussreicher. In seiner Hand war eine Flasche billiger Wein, die Tinte auf dem Etikett vom Regen schier fortgewaschen. Titania Sonnentrunk... , las Veridian skeptisch. Trinken meine Männer immer. , meinte der Imperiale, Wenn der Sold knapp wird. Billiger Fusel. Es sah so aus, als sei der Tote kein reicher Mann gewesen und falls doch, einer mit einem ausgesucht schlechten Geschmack. Er hatte seine Geldbörse noch immer bei sich und da er nicht gerade reich war, konnte man wohl ausschlieÿen, dass er einem Raub zum Opfer gefallen war. Doch unter den Münzen war eine, die zu mehr gut war als zum Bezahlen. Veridian zog sie aus dem Stapel und zeigte sie Zerbas. Schon einmal so etwas gesehen? Der Imperiale nickte, in seinen Augen ein Glanz, der so gar nicht zu seiner stoischen Miene passen wollte. Eine Teilnahmemarke für das Turnier. Veridian nickte. Sieht so aus, als sei unser Freund hier ein Glücksritter. Damit bekommen wir zumindest einen Namen. , sprach Zerbas, Bis dahin werden meine Leute sich um den Leichnam kümmern. Mit diesen Worten nahm er Veridian die Münze aus der Hand und wandte sich zum Gehen. Veridian starrte für einen Augenblick in seine leere Hand, dann sah er auf. He! , rief er 12 aufgebracht. Der Soldat warf ihm über die Schulter wortlos einen Blick zu. Hallia wirbelte um ihn herum und hinderte ihn so am Gehen. Du hast vergessen, zu sagen, was unser Teil ist. Wieder war das Unbehagen im Gesicht des Soldaten zu sehen, aber er hielt dem Blick des Schutzgeistes stand. Dies ist jetzt eine Sache des Imperiums. , antwortete er, Danke für eure Hilfe. Er machte Anstalten zu gehen, aber Hallia lieÿ es zu. Ich mag zwar aus Luft sein. , üsterte sie in sein Ohr, Aber ich mag es dennoch nicht, wenn man mich wie welche behandelt. Veridian setzte den beiden nach. Wir wollen helfen. , sprach er. Zweifelnd blickte Zerbas zwischen den ungleichen Gefährten hin und her. Also gut. Veridian und Hallia hatten das Nordtor passiert, als sie nach Titania gekommen waren. Damals waren die Vorbereitungen für das Turnier in vollem Gang gewesen und hunderte Kämpfer, Krämer und Scharlatane hatten vor der Stadt ihr Lager aufgeschlagen. Nun war nur noch ein trauriger Abglanz des bunten Treibens übrig. Die meisten Händler hatten ihre Zelte abgeschlagen und nichts als Unrat zurückgelassen. Der Regen hatte den zertrampelten Boden aufgeweicht und obwohl die Sonne zwischen den Wolken die riesigen Pfützen zum Glänzen brachte, fröstelte es Veridian. Nur noch die Verlierer sind da. , sprach Zerbas düster und stapfte neben ihm durch den Schlamm. Tatsächlich waren noch ein paar verstreute Krieger übrig und kauerten vor ihren nassen Zelten wie Soldaten einer geschlagenen Armee. Wie ein Schlachtfeld. , murmelte Veridian, stieg über ein zerbrochenes Wagenrad und steuerte auf eine Feuerstelle zu, an der ein gutes Dutzend Männer saÿen und mit düsterer Miene in die Glut starrten. Misstrauisch sahen sie den beiden herannahenden Gestalten entgegen und als der Hauptmann in ihre Mitte trat, verstummten alle Gespräche. Wollt ihr uns verscheuchen? , fragte ein Glatzkopf mit einer Weinasche in der Hand. Titania Sonnentrunk. Zerbas schüttelte den Kopf. Nicht, bevor mein Herr es beehlt. Die Männer tuschelten untereinander, dann ergri ein anderer das Wort: Was machste dann hier? Sag nicht, du willst uns anheuern. War zehn Jahre Fuÿsoldat, ist genug, dass selbst ein Gott die Schnauze vollkriegt. Die Männer lachten rau, aber ihre Feindseligkeit schien nicht zu verschwinden. Wenn's beliebt, geh uns aus der Sonne. , sprach der Glatzkopf, Weder sind wir in deiner Stadt, noch wollen wir etwas mit deinesgleichen zu schaen haben. Er stand auf und obwohl er leicht torkelte, hätte er dem Hauptmann ohne Mühe auf den Kopf spucken können. Auch ein paar andere grien nach ihren Waen. Das wird ein böses Ende nehmen. , üsterte Hallia in Veridians Geist. Er teilte ihre Meinung und trat kurzerhand an seinen Kameraden vorbei. Wir haben uns die letzte Woche genug geprügelt. , sprach er, Ich für meinen Teil zumindest. Zu Zerbas Überraschung zog er eine Münze hervor und zeigte sie den Umstehenden. Auch ich habe im Turnier gekämpft. Er seufzte und setzte sich ungefragt neben einen 13 der Trinker. Und verloren. Sein Nebenmann klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter. Was haste dann mit dem da zu schaen? Veridian bedeutete seinem Freund mit einem Wink, die Münze herauszuziehen, die sie gefunden hatten. Ich mag diese Uniform tragen. , sprach Zerbas, Aber auch ich habe in der Arena gekämpft. Er zog eine Münze heraus, doch es war nicht die des Toten. Das ist mal ein Überraschung. , hauchte Hallia und Veridian pichtete ihr in Gedanken bei. Wer hätte gedacht, dass ihr imperialer Freund wie ein gewöhnlicher Glücksritter versucht hatte, den Rang des Generals zu erringen? Auch der Hauptmann setzte sich nun zu den Männern. Ein Imperialer beim Turnier. , sprach der Glatzkopf und reichte ihm die Weinasche. Klingt wie 'ne verdammt gute Geschichte. Da gibt es nicht viel zu erzählen. , sprach Zerbas nach einem Schluck Wein, Ich war nicht immer Hauptmann der Wache. Das Feuer spiegelte sich in seinen Augen. Ich habe am Hof in Karnapolis gedient. Veridian hob eine Augenbraue. Hallia bat ihn, zu fragen, was passiert war und er tat es. Ich habe einen Auftrag nicht erfüllt. , sprach der Imperiale voller Bedauern, Und ich habe dabei etwas verloren, was dem Imperator unersetzlich ist. Er blickte in die umstehenden Krieger. Was? , fragte der Glatzkopf. Mein Eid verbietet mir, mehr zu sagen. Ein Murmeln ging durch die Krieger. Dein Eid macht eine lausige Geschichte. , sagte einer spöttisch. Ich wurde degradiert. , murmelte der Hauptmann unbeirrt von dem Einwurf, Und nun diene ich diesem vermaledeiten Statthalter. Er gab seinem Nebensitzer den Wein zurück. Und deswegen habe ich gekämpft. , schloss er, Um in die Heimat zurückkehren zu können. Der Wein ging weiter an Veridian. Und du? Der Krieger setzte die Flasche an die Lippen. Das Übliche. , erklärte er einsilbig, Ruhm und Ehre. Wofür hatte er gekämpft? Er hatte geglaubt, dass es sein Schicksal war, doch Hallia und er hatten begrien, dass sie keine Krieger waren. Ein paar der Männer nickten. Und jetzt sitzen wir hier und wissen nicht wohin. , schloss einer und Schweigen senkte sich über die Runde. Die beiden Neuankömmlinge fassten einander in die Augen, Zerbas voller Misstrauen und Veridian voller Neugierde. Ich frage mich, was er angestellt hat. , sprach Hallia in seinen Gedanken, Muss etwas schlimmes sein, wenn er hierher verbannt wird. Veridian seufzte. Es steht uns nicht an, ihn danach zu fragen. , antwortete er, Aber seine Treue steht ihm wohl zu Gesicht. Hätte Hallia gerade eine feste Form gehabt, hätte sie wohl nun die Nase gerümpft. Für unbedingte Treue bin ich zu unbeständig. , erklärte sie, Warum zu einem Herrn zurückkehren, der mich fallengelassen hat? Veridian schüttelte den Kopf, was ihm ein paar interessierte Blicke einbrachte. Genug davon. , dachte er. Wir sind nicht nur gekommen, um eure Gastfreundschaft zu teilen. , sprach er in die Runde, Auch wenn wir sie dankbar annehmen. Ein paar der Männer sahen auf. Wir sind hier, weil wir jemanden suchen. Er nickte Hauptmann Zerbas zu, der nun die zweite Münze zückte. Kämpfer Nummer 325, ein Hüne von einem Kerl, Glatze, braune Augen. , sprach der 14 Imperiale, worauf einer der Umsitzenden aufhorchte. Hat er was angestellt? , fragte er misstrauisch. Der Imperiale schüttelt den Kopf. Er ist tot. Ein Funkeln lief durch die Augen des Kämpfers, aber selbst wenn diese Nachricht ihn überraschte, so vermochte sie es nicht, ihn aus seiner Apathie zu erwecken. Ich habe mit ihm gekämpft. In der zweiten Runde. , erzählte er, Bolthan hieÿ er. Guter Krieger. Wir haben trotzdem verloren. Er bekam die Flasche und nahm einen Schluck auf seinen toten Kameraden. Wie ist er zu Tode gekommen? Ermordet. , antwortete Zerbas einsilbig, In einer Gasse. Der Krieger lachte rau. Da musste der Räuber wohl den Tag hungern. Beide Neuankömmlinge schüttelten den Kopf. Sein Geld war noch da. , erklärte der Hauptmann, Irgendeine Ahnung, wer ihn niedergestreckt haben könnte? Vielleicht eine Fehde mit einem anderen Krieger? Schulden? Sieh uns an, Herr. , sprach der gebrochene Krieger, ohne aufzublicken, Hier sitzen wir, ohne ein Tagwerk und ohne ein Ziel vor Augen. Er sah in die Runde. Er war einer von uns. Nicht besser und nicht schlechter. Er blickte die Weinasche an. Streit? Vielleicht. Schulden? Bestimmt. Er nahm einen tiefen Zug. Aber wer sollte sich schon die Mühe machen, einen wie ihn umzubringen? Er gab die Flasche weiter. Zur falschen Zeit am falschen Ort. , schloss er, Nicht, dass es für uns einen richtigen Ort gäbe. Die Worte verdammten den Hauptmann zum Schweigen. Er schien zu begreifen, dass er nicht in diese Runde gehörte. Suchen wir woanders. , schloss Veridian, stand auf und nickte den Kriegern zu. Habt Dank für Wein und Feuer. Auch der Hauptmann erhob sich, klopfte den Staub von der Hose, sah noch einmal in die Runde und wandte sich ohne ein Wort zum Gehen. Taugenichtse und Gesindel. , urteilte er abfällig, als sie das Nordtor durchschritten. Sie suchen ihren Platz in der Welt. , sprach Veridian, Das kann ich gut nachfühlen. Der Hauptmann sah ihn an. Du? , fragte er ungläubig, Mit deinem Zauberwesen? Du weiÿt nicht, wo dein Platz ist? Wie ein heraufziehender Sturm schoss Hallia aus ihrem Herrn hervor, fuhr dem Imperialen durch das Haar und manifestierte sich an seiner Seite. Warum werde ich das Gefühl nicht los, dass du mich nicht leiden kannst? Der Hauptmann sah sie an, dann senkte er den Blick. Ihr seid ein wenig gewöhnungsbedürftig. , sagte er diplomatisch. Sie verschwamm zu einer Wolke und wurde zu seinem Ebenbild. Ihr auch. , erwiderte sie spitz, während sie ihren neuen Körper musterte. Schweigend kehrten sie ins Zentrum der Stadt zurück, bis sie sich auf dem Vorplatz des Stadions wiederfanden. Wo gestern noch hunderte Schausteller um die Gunst der Zuschauer gebuhlt hatten, war nun nach dem Ende des Turniers kein einziger mehr zu sehen. Nur die Wirte der umliegenden Schenken hatte die Stellung gehalten, aber auch sie schienen heute kein gutes Geschäft zu machen. Was nun? , fragte Veridian den Imperialen, während er zum verlassenen Stadion hinaufblickte. Wir können weiter nach unserem Toten fragen. , antwortete Zerbas wenig optimistisch, In den Spelunken nahe der Gasse. Er wies in Richtung des Orts, wo sie ihn gefunden hatten. Aber nicht heute , fuhr er fort, denn mir obliegt es noch, das Stadion zu reinigen. 15 Sein Gegenüber hob eine Augenbraue. Das klingt nicht nach einer Aufgabe für einen Hauptmann. Nein. , räumte Zerbas tonlos ein, Das klingt es nicht. Er reichte ihm zum Abschied die Hand. Tret mich morgen früh bei Tagesanbruch hier. Dann sehen wir weiter. Veridian schlug ein und der Imperiale verschwand, um sich seinen Aufgaben im Stadion zu widmen. Kein Wunder, dass er so dringend zurück nach Karnapolis möchte. , sprach Hallia in Veridians Geist. Er hat seinen Weg gefunden. , antwortete er, Aber er ist davon abgekommen. Über Nacht war der Regen zurückgekehrt, nicht wie der Wolkenbruch am Abend des Finales, sondern als ein kaltes Nieseln, was dafür sorgte, dass auf den Straÿen der Stadt nur missmutige Gesichter zu sehen waren. Kannst du die Wolken nicht einfach fortwehen? , fragte Veridian seine Gefährtin, worauf sie seinen Geist mit glockenhellem Gelächter füllte. Ihr Menschen. , dachte sie, Jammert immer über das Wetter, ob Sonnenschein, ob Regen oder Sturm... Dass Stürme dir gefallen, verwundert mich nicht. , sagte er laut, worauf einige Passanten ihn ansahen, als sei er verrückt. Den Regen mag ich auch. , antwortete sie in Gedanken, Ich kannte mal einen Wassergeist namens Aquaria... Sie erreichten den groÿen Platz vor dem Stadion und sie hielt inne. Unser Freund ist schon da. Tatsächlich stand der Hauptmann in einem Torbogen des Stadions und blickte mit Adleraugen über den Platz. Die sprichwörtliche Pünktlichkeit der Soldaten. , dachte Veridian, trat auf ihn zu und wünschte ihm einen guten Morgen. Wir haben noch eine Leiche. , sprach Zerbas, ohne ihn anzusehen. Scheiÿe. , murmelte Veridian nur und schluckte. Scheiÿe. , bestätigte der Imperiale bissig und sah ihn an. Es hat in dieser Stadt wahrlich genug Tod gegeben. Veridian nickte. Ein Grund mehr, den Mörder zu nden. Dann sehen wir uns den Leichnam an. , sprach Zerbas und setzte sich in Bewegung. Gemeinsam machten die beiden Männer sich auf den Weg zum Totenhaus von Titania. Schon von weitem konnte man den süÿlichen Geruch des Todes riechen und den Rauch am Himmel sehen. Wie so viele alte Teile der Stadt war das Totenhaus zunächst am Rand gebaut worden, nur um vom expandierenden Häusermeer im Lauf der Jahrzehnte umwuchert zu werden. Es war ein Teil Titanias, in dem niemand wohnte, der eine andere Wahl hatte, denn neben dem Totenhaus hatten sich noch andere Geschäfte hier angesiedelt, die man nicht gerne in der Nachbarschaft hatte. Sie passierten eine Gerberei und eine Schmiede, aus denen zu gleichen Teilen Lärm und Gestank drangen. 16 Traurige Gegend. , meinte Veridian, als sie in eine weitere trostlose Gasse einbogen. Sein Begleiter schüttelte den Kopf. Notwendige Gegend. , erwiderte er, Und in gewissem Sinne das Herz der Stadt. Schlieÿlich erreichten sie ihr Ziel, ein ruÿgeschwärztes Haus mit qualmendem Schornstein, vor dem gerade ein weiÿes Bündel von einem Handkarren abgeladen wurde. Sowohl Veridian als auch sein Schutzgeist spürten ein gewisses Grauen, als sie die steinernen Stufen hinaufstiegen und das Haus betraten. Sie fanden sich in einer weiÿ getünchten Halle wieder, trostlos wie ein Blatt Papier. Vor ihnen standen die beiden Leichenträger mit ihrer Bahre und unterhielten sich mit einer schwarzgewandeten Gestalt. Sie wies auf eine von zwei Flügeltüren und die beiden verschwanden. Welch schrecklicher Raum. , dachte Hallia und da Veridian gerade unaufmerksam war, sprach er ihren Gedanken prompt aus. Eine Notwendigkeit. , erklärte der Mann in Schwarz mit ruhiger Stimme, In der Hauptstadt gibt es einen ganzen Stadtteil, in dem man Abschied von den Toten nehmen kann. In Titania quellen die Friedhöfe über. Er wies auf die Halle vor sich. Gräber gibt es für die Reichen. Den Armen bleibt der Schornstein. Er wandte sich an Zerbas. Ich nehme an, ihr seid hier, um die Tote zu sehen. Er sprach die Worte, als redete er von etwas Alltäglichem. Aus seiner Sicht tat er das wohl auch. Zerbas nickte und der Mann wies den beiden mit einer Geste den Weg durch die Flügeltüren. Der Raum dahinter hätte zu der weiÿen Halle gar nicht unterschiedlicher sein können. Schwarz vom Ruÿ waren die Ziegel in der Wand, in denen Dutzende Einbuchtungen waren, jede von ihnen gerade groÿ genug für einen Sarg. Es lag eine Hitze in der Kammer, die trotz der nassen Kälte, die drauÿen herrschte, schwer zu ertragen war. Notwendig oder nicht. , dachte Hallia, Mir gefällt dieser Ort nicht. Hier entlang. , bat der Bestatter und führte sie quer durch den Lagerraum zu einer Rampe, die ins Untergeschoss führte. Wie von weitem konnte man ein Feuer zischen hören. Kommt ihr oft hierher? , fragte Veridian seinen Kameraden, während die drei Männer in den dämmrigen Keller hinabstiegen. Öfter, als mir lieb ist. , antwortete der Imperiale. Der süÿliche Geruch war stärker geworden, doch hier unten mischte er sich mit dem von Ruÿ und Asche. Sie erreichten ein weitläuges Gewölbe, an dessen Rückwand ein gewaltiger Ofen stand, aus dessen Klappe gierig die Flammen schlugen und den Raum mit ackerndem Licht füllten. Daneben stapelweise Brennholz. Doch das war es nicht, was hauptsächlich verbrannt wurde. Vor dem Ofen war nämlich eine stählerne Bahre, bereit, in die hungrigen Flammen geschoben zu werden. Drauf lag der Tote, den sie ankommen gesehen hatten. Ein bleicher, blonder Junge stocherte mit einem langen Schürhaken in der Glut herum und sah kaum auf, als die drei Männer zu ihm herunterkamen. Ecfer! , rief der Bestatter dem Heizer zu, die Ruhe in seiner Stimme wie verschwunden. Wo ist das Mädchen? Der Junge wies mit einer Hand auf einen Tisch am anderen Ende des Raums, dann schob er ungerührt die Bahre mit dem Toten in den Ofen, streckte eine Hand aus und schickte ihm einen Feuerstoÿ hinterher, der ihn lichterloh in Brand steckte. Feuermagier. , erklärte der Bestatter entschuldigend und wies den beiden den Weg. 17 Wir haben ihn angeheuert, um mit den Kriegern des Turniers fertig zu werden. Unhöflich, aber ezient. Die beiden Gefährten tauschten einen Blick. Dies war die letzte Station des Turniers. Sie erreichten den Tisch, den der Magier ihnen gewiesen hatte. Ein weiÿes Tuch war darüber gebreitet, das die Umrisse des Körpers darunter erahnen lieÿ, doch an einigen Stellen war es mit Blut durchtränkt. Wortlos deckte der Bestatter die Tote auf und lieÿ die beiden Männer allein. Es war ein grausiger Anblick, schlimmer noch als der des Toten in der Gasse. Vor ihnen lag ein junges Mädchen, der Brustkorb gespalten wie von einem Pock. Man hatte ihr die Augen geschlossen. Dennoch war ihr Gesicht ein Bild des Schreckens. Zweifellos dieselbe Wae. , urteilte Zerbas tonlos. Seine zu Fäusten geballten Hände zitterten vor Wut. Er nahm das Tuch und deckte den Leichnam wieder zu. Sein Begleiter hatte sich derweil abgewandt und sah zu Boden. Alles in ihm, selbst der Schutzgeist, drängte, den Raum zu verlassen. Er riss sich zusammen und mahnte Hallia zur Stärke. Ist euch etwas aufgefallen? , fragte er den Bestatter, der wie ein stummer Wächter in den Schatten wartete. Abgesehen von der einen Wunde ist sie unberührt. Der Mann in Schwarz hielt kurz inne. Sie trug ihre Habe noch bei sich. Veridian nickte. Also waren es keine Räuber. Der Bestatter schwieg, als interessierten ihn die Belange der Lebenden nicht, nur die der Toten. Zerbas dankte ihm mit einem Nicken und wollte sich schon zum Gehen wenden, als der Ofenmagier plötzlich etwas sagte. Wir hatten schon einmal einen wie sie. Der Hauptmann horchte auf. Wie sie? , wiederholte er, Sprich weiter, Junge. Der blonde Krieger blickte ins Feuer. Es war mein erster Tag. , erklärte er, Der Mann kam vom Turnier. Der Junge sah auf. Die gleiche Wunde. Ein einziger Hieb. Das Turnier? Veridian und Zerbas tauschten einen Blick. Die Auskunft ist uns eine groÿe Hilfe. , dankte der Hauptmann dem blonden Jungen und wandte sich zum Gehen. Sie hatten einiges zu besprechen. Ein Krieger des Turniers. , sprach Veridian, Das ist doch ein Anfang. Vermaledeite Glücksritter. , uchte Zerbas, Bedeuten nur Ärger. Hallia tauchte zwischen ihnen auf. Dir ist bewusst , fragte sie, dass auch du solch ein Glücksritter bist? Der Hauptmann schnaubte verächtlich. Treib nur deine Scherze, Windgeist. Was verstehst du schon vom Tod? Sie bauschte sich zu einer Sturmböe auf, wirbelte um ihn herum und sah ihm unmittelbar in die Augen. Ich mag euer Schicksal nicht teilen, Mensch, aber es dauert mich mehr, als du ermessen kannst. Wir waren beim Turnier. , warf Veridian ein, um die beiden von ihrer Streiterei abzubringen, Gibt es einen Krieger, der dort so etwas getan hat? Der Hauptmann dachte nach. Es gibt zwei, denen ich es zutraue. , sprach er schlieÿlich, Doch einer davon ist tot und der andere ist nun in Karnapolis. Er spielte auf den Sieger des Turniers an, einen dunklen Söldner, der sich am letzten Tag gegen den Favoriten 18 des Volks durchgesetzt hatte. Nein. , wiederholte Zerbas bitter, So gerne ich diesen Abschaum in das tiefste Loch geworfen hätte, er kann es nicht sein. Veridian seufzte. Also eine Sackgasse. , murmelte er. Was ich nicht begreifen kann , sprach Zerbas, ist nicht das Wie, sondern das Warum. Sie bogen in eine Seitengasse. Es ergibt keinen Sinn. , fuhr er fort, Erst ein Krieger und dann ein junges Mädchen. Er hielt an. Hier haben meine Männer sie gefunden. Sie befanden sich in einer Gasse, der, in der sie den letzten Toten gefunden hatten, nicht unähnlich. Das Paster glänzte vom Regen, doch er hatte das Blut noch nicht vollends fortgewaschen. An einer Hauswand waren ein paar Fässer aufgestapelt, in einem davon klate ein Spalt. Ringsherum war das Holz von blassem Rot durchtränkt. Blut. Oder Wein? Hier ist sie gelegen. , erklärte Zerbas, beugte sich zu dem durchlöcherten Fass hinunter und musterte es. Eine Spitze. , erklärte er, Zweifellos. Veridian nickte. Vielleicht eine Lanze. , sprach er ruhiger, als er es eigentlich war. Das Gesicht des toten Mädchens wollte ihm nicht aus dem Kopf gehen. Hallia löste sich aus seinem Körper und sah die beiden Männer an. Ich verschae mir einen Überblick. , hauchte sie und schoss als Windböe gen Himmel. Veridian ahnte, was in dem uralten Wesen vorging. Es wollte in diesem Moment alleine sein. Er sah sich im Rest der Gasse um. Ein Weidenkorb stand verloren neben den Fässern, darin ein paar Bündel Kräuter und ein aufgeweichter Laib Brot. Als Veridian dieses stumme Mahnmal sah, kam ihm ein schrecklicher Gedanke. Was , fragte er, wenn sie einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort war? Die beiden Männer schwiegen, bis der Windgeist von seinem Erkundungsug zurückkehrte. Wie ein Sturm fuhr Hallia zu ihnen hinab, schüttelte aber den Kopf. Nichts. , erklärte sie, Auÿer, dass wir keine drei Straÿen von dem Ort des letzten Mordes entfernt sind. Zerbas nickte. Das hatte ich schon befürchtet. Der Mörder scheint ein Revier zu haben. , vermutete Veridian. Der Imperiale schüttelte den Kopf. Er hat kein Revier. , sprach er mit bebender Stimme, Er wildert in meinem. Die Eltern hatten die schlimme Nachricht bereits gehört und während die Mutter im Hintergrund weinte, stand der Vater wie eine Statue hinter dem Tresen seiner Schenke. Nur seine Hände polierten unablässig die Innenseite ein und desselben Bierkrugs, ein winziges Echo des Sturms, der in ihm tobte. Mein Beileid für euren Verlust. , sprach der Hauptmann und neigte sein Haupt tief, wohlwissend, dass weder Worte noch Geste den Schmerz der beiden zu lindern vermochte. Ich verstehe es nicht, Herr. , sprach der Wirt und starrte an die Wand, Haben wir nicht alles getan, was unsere Bürgerpicht verlangt? Er polierte unablässig weiter. Die Steuern gezahlt, den Gesetzen gehorcht und schlechte Gesellschaft gemieden. Er sah die Uniform des Hauptmanns an, auf der der Doppelkreis des Imperiums prangte. Das Im- 19 perium spricht stets von Ordnung. Doch nun... Seine Stimme versagte. Zerbas streckte die Hand aus, wie um sie ihm auf die Schulter zu legen, aber er besann sich eines Besseren. Es wäre respektlos gewesen. Das Imperium wird alles tun, damit eurer Tochter Gerechtigkeit widerfährt. , versprach er, wohlwissend, was für ein schwacher Trost das war. Gerechtigkeit... , murmelte er, Ins Leben zurückbringen wird sie das nicht. Die Hand mit dem Lappen wurde schneller. Das Imperium garantiert ... , setzte Zerbas an, aber der andere schnitt ihm das Wort ab. Das Imperium hat versagt. , urteilte er tonlos. Abseits standen Veridian und Hallia und hörten stumm zu. Beide beneideten ihren Kameraden nicht um das, was er zu tun hatte. Auch Zerbas war wütend, aber dennoch musste er sich in Demut üben. Das Imperium hat versagt. , gestand Zerbas und ballte die Fäuste so fest, dass seine Fingernägel sich weiÿ verfärbten. Dennoch muss ich den Mörder nden. , fuhr er fort, Damit das, was eurer Tochter widerfahren ist, nicht noch einmal geschieht. Mit einem Seufzen stellte sein Gegenüber das Glas auf den Tisch. So stellt eure Fragen. , sprach er leise und blickte hinüber zu seiner Frau, Aber nur mir. Der Hauptmann nickte. Aus welchem Grund war eure Tochter in der Stadt? , fragte er ruhig. Der Wirt schluckte. Sie wollte nur ein paar Besorgungen erledigen, Brot, Wein, ein paar Heilkräuter... Die Stimme versagte ihm für einen Augenblick. Nun kommt sie nicht wieder. Eine Stille senkte sich auf den Raum wie ein eisiger Frost. Es gab noch weitere Fragen zu stellen, aber Zerbas tat sich schwer, im Schmerz des Vaters herumzuwühlen. Sein Begleiter beschloss, ihm zur Hilfe zu eilen. Hatte sie Scherereien? , fragte er, Eine Fehde mit einem Gast vielleicht, oder ein Gläubiger? Der Mann schüttelte den Kopf und legte die Hand neben das Glas, das noch immer auf dem Tresen stand. Nein. , versicherte er, Das Geschäft geht gut. Wir haben niemandem einen Grund zum Anstoÿ gegeben. Und selbst wenn, glaubt ihr, dass ... Der Hauptmann schüttelte den Kopf. Ihr seid nicht unter Anklage. , sprach er ruhig, Doch manchmal bahnt ein kleines Unrecht den Weg zu einem groÿen... Oder auch nur etwas, das als Unrecht empfunden wird. , fügte Veridian hinzu. Nun... , machte der Wirt und gri endgültig nach seinem Glas, Wir sind anständige Leute. Die beiden tauschten einen Blick. Eine weitere Sackgasse. Was ist mit einem Mann? , üsterte Hallia in den Gedanken ihres Herrn. Veridian musterte den Vater, der nun wieder begonnen hatte, das Glas zu polieren. Tiefe Schatten waren unter seinen geröteten Augen. Auch er hatte geweint, doch er hatte es wohl im Verborgenen getan. Ungeheuerlich, sich solch einen Verlust vorzustellen. Ich werde nicht fragen. , dachte er und die Gedanken des Windgeists wurden still. Statt ihm tat es Zerbas und wie erwartet erreichte er nicht viel mehr, als den trauernden Wirt zu kränken. 20 Meine Tochter war ein anständiges Mädchen. , so hatte der Vater gesprochen, kurz bevor er sie mit deutlichen Worten aus der Tür geschoben hatte. Selbst auf der Straÿe hatte Zerbas ihn noch mit Fragen gelöchert, doch alles, was sie hörten, bot keinen weiteren Hinweis, warum gerade seine Tochter Opfer des Mörders geworden war. Sackgassen. , uchte der Hauptmann, Wohin wir uns wenden! Er schlug mit der Faust in die nackte Hand. Keine Verdächtigen, keine Spuren, keine Zeugen, nichts. Eilig ging er die Straÿe hinab, sodass Veridian Mühe hatte, mit ihm Schritt zu halten. Warte! , forderte er seinen Kameraden auf und hielt ihn an der Schulter fest. Beinahe trotzig wischte Zerbas die Hand beiseite und wandte sich um. Wir müssen Geduld haben. , sprach Veridian, aber sein Gegenüber schüttelte den Kopf. Sollen wir auf die nächste Leiche warten? , fragte er bissig, Wir müssen etwas unternehmen. Aber was? , fragte Veridian. Der Hauptmann önete den Mund, wie um etwas zu sagen, aber ihm wollte nichts einfallen. Er lieÿ den Kopf sinken. Uns sind die Orte zum Suchen ausgegangen. Veridian wollte etwas erwidern, aber bevor er es tun konnte, löste sich Hallia aus seinem Körper und schoss in einer Böe zwischen die Männer. Wenn wir nicht mehr jagen können , schlug sie vor, müssen wir die Beute zu uns kommen lassen. Die beiden Männer sahen sie verständnislos an. Wie wollen wir das bewerkstelligen? , fragte der Hauptmann, worauf Hallia sich wortlos in einen Wirbel auöste, unter seinen Mantel fuhr und ihn davon befreite. Solcherart entkleidet konnte der kahle Krieger nur zusehen, wie seine Gefährtin das Kleidungsstück durch die Luft wabern lieÿ und sich darunter zu einer Gestalt verfestigte. Gespenstisch. , murmelte Zerbas, als er das Phantom musterte, das nun vor ihnen stand. Hallia hatte den Mantel fest um sich gehüllt und die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Niemals hätte der Hauptmann erraten, dass sich darunter buchstäblich nur heiÿe Luft befand. Ungläubig stach er mit einem Finger in den Sto, der widerstandslos nachgab. He. , protestierte der Schutzgeist mit einem glockenhellen Lachen, Das kitzelt. Zerbas errötete und murmelte eine Entschuldigung, was Hallia nur noch mehr zu erheitern schien. Ein guter Köder. , urteilte der Imperiale ernst. Der Schutzgeist lieÿ den Sto attern und bildete darunter eine verheiÿungsvolle Silhouette. Veridian nickte. Nun musst du nur noch zur falschen Zeit am falschen Ort sein. , erklärte er dem Schutzgeist, Oder vielmehr zur richtigen. Hallia blickte auf, das hellblaue Gesicht unter der Robe wie aus Glas. Sagen wir einfach, wenn er mir begegnet, ist dieses Scheusal zur falschen Zeit am falschen Ort. Aus dem Schatten des Torbogens beobachteten die beiden Männer die nstere Gasse, in der der Windgeist auf- und abschwebte. Obwohl er schon vieles mit Hallia erlebt hatte, kam Veridian nicht umhin, ihr Geschick im Nachbilden der menschlichen Form zu 21 bewundern. Der Mantel hob und senkte sich, als ob sie atmete und wenn sie über das Paster schritt vermeinte man, sehen zu können, wie sich darunter ihre Knie hoben. Unheimlich. , sprach Zerbas neben ihm und beobachtete den Windgeist mit unruhigen Augen. Veridian lächelte. Man gewöhnt sich daran. Sein Gegenüber schüttelte den Kopf. Ich meinte nicht nur sie. , sprach er, Dass ihr jeden Gedanken teilt... Sie hat auch ihre Geheimnisse. , meinte Veridian ungeachtet der Beleidigung, die ihm der Hauptmann an den Kopf geworfen hatte. Nur die Dinge, die sie mir sagen will und ihre Gefühle, die erfahre ich, als wären sie meine eigenen. Ein beinahe verklärter Ausdruck trat auf sein Gesicht. Gefühle. , wiederholte Zerbas, Hegt ihr vielleicht... Veridian lachte schallend, biss sich dann aber auf die Zunge, als er begri, dass sie sich versteckt halten mussten. Auch wenn sie bisweilen menschliche Gestalt annimmt, vergiss niemals, dass dies nur eine ihrer Launen ist. Der Hauptmann sah hinaus ins Dunkel, wo der Windgeist noch immer seine Runden drehte und ihn schauderte. Ich verstehe... Er verschränkte die Arme und begann, unruhig mit einem Fuÿ auf dem Paster herumzutrommeln. Wird eine lange Nacht. , meinte Veridian und der andere nickte nur. Du kannst mit derweil erzählen, wie du an Hallia geraten bist. Der glatzköpge Krieger lächelte. Nun, eigentlich ist sie an mich geraten. Nach einem Seitenblick auf seine Gefährtin, mit dem er sich versicherte, dass sie auÿer Hörweite war, fuhr er fort. Ich weiÿ noch genau, wie ich ihr damals das erste Mal begegnete. , begann er, Mein Vater war Müller und ich wollte keiner sein. Also saÿ ich auf dem Dach der Mühle, sah hinauf zu den Sternen und träumte die Träume, die ein junger Mann nun einmal träumt. Er lächelte nostalgisch. Ein Held wollte ich sein, ein Feldherr, alles, nur nicht auf dem Lande versauern. Ein Klappern in der Gasse lieÿ die beiden aufschrecken, aber es war nur eine Katze, die einer Maus hinterherjagte. Eines Nachts kam ein Sturm und brachte das Mühlrad in Bewegung, langsam zuerst, doch alsbald schneller, als ich es jemals gesehen hatte. Ich fürchtete mich und bat, dass der Wind aufhörte, wie ein Kind es tut, wenn es Angst hat. Der Hauptmann hob eine Augenbraue, als wolle er sagen, dass er so etwas als Kind niemals getan hatte. Das erstaunliche war, der Wind legte sich tatsächlich. , fuhr Veridian fort, Und als ich aufblickte, da schwebte sie vor mir, neugierig, verspielt. Als ich die Hand nach ihr ausstreckte, da verschwand sie. Ich glaubte, meinen Augen nicht trauen zu können, aber als ich mich abwandte, da ng das Mühlrad von neuem an. Er vollzog mit dem Zeigenger einen Kreis. Als ich hinsah, da hörte es wie von Geisterhand auf. Er lächelte. Das Spielchen wiederholte sich noch ein paar Mal und alsbald spielte ich mit Hallia regelrecht fangen. Doch der Wind zog weiter und damit auch sie. , sprach er leise, Und ich begann, sie zu jagen. Er blickte hinauf zum Nachthimmel. Jahrelang habe ich Hallia verfolgt und sie hat es immer wieder verstanden, sich mir im letzten Augenblick zu entziehen. Warum hast du sie gesucht? , fragte der Hauptmann skeptisch. Hattest du als Kind keine Träume? , fragte Veridian. Der andere schnaubte. Am Hofe des Imperators zu dienen. , antwortete er, Aber du siehst ja, wo ich jetzt bin. Er wies auf das klamme Gestein, das sie umgab. Veridian musterte den Hauptmann. Hallia hatte Recht gehabt. Er war tatsächlich vom Weg abgekommen. Es legte sich ein ungutes Schweigen über sie. 22 Wie ist eure Geschichte ausgegangen? , fragte Zerbas schlieÿlich, nachdem sie eine Weile lang hinaus in die Nacht gestarrt hatten. Ich habe sie auf den Gipfel eines Berges gejagt. , sprach Veridian, ohne die Augen von dem Windgeist zu wenden, Es war nicht einfach, aber schlieÿlich hatte ich sie gefangen. Er seufzte. Wir wurden eins, aber das kannst du nicht verstehen... Was ich nicht verstehe, ist, warum sie vor dir geohen ist. Sein Gegenüber zögerte einen Augenblick und fuhr sich mit der Hand über den kahlen Schädel. Nur durch die Suche wurde ich ein Mann, der es wert war, sie zu nden. Zerbas schnaubte. Und nun? , fragte er. Sie ist mein Schicksal und ich bin das ihre. , antwortete sein Gegenüber, Der Rest wird sich nden. Zerbas sah ihm in die Augen. Deine Zuversicht möchte ich haben. Er wandte sich ab und folgte mit unruhigen Augen dem Windgeist, der abermals an ihnen vorüberschritt. Dass ihr Mörder bisher noch nicht angebissen hatte, machte ihn sichtlich böse. Oder vielleicht war es auch nur Veridians Geschichte gewesen. Was ist mit dir? , fragte Veridian nach einer Weile. Was soll sein? , fragte der Hauptmann. Ein Imperialer beim Turnier, um seinen Platz im Heer zurückzugewinnen. , erklärte Veridian, Warum strebst du, denen zu gefallen, die dich fallengelassen haben? Der Imperator hat mich nicht fallengelassen! , fuhr der andere ihn an, legte die Hand an sein Schwert und lehnte sich wieder an die Mauer. Verzeih. , sprach er, Es waren schlechte Tage. Veridian zuckte mit den Schultern. Solange du unseren Mörder nicht verscheuchst. Zerbas lachte trocken. Bei meinem Glück hat er längst woanders zugeschlagen. Veridian streckte den Kopf aus dem Torbogen und sah sich um. Totenstille. , meinte er, Vielleicht sollte ich mich mal umsehen... Er machte Anstalten, hinaus auf die Straÿe zu treten, aber plötzlich riss ihn sein Begleiter zurück und drückte ihn mit beiden Armen gegen die Wand. Hiergeblieben! , befahl er unwirsch, doch bevor er weiter kommen konnte, fegte ein Sturmwind über ihn hinweg und riss ihn von den Füÿen. Noch während Veridian überrascht nach Luft schnappte, manifestierte sich Hallia über dem gefallenen Hauptmann und setzte ihm eine Klinge aus gefrorenem Wind an den Hals. Krümme ihm nur ein Haar und ich werde... , sprach sie drohend, aber bevor sie weiter kommen konnte, trat ihr Gefährte neben sie und wies sie mit einer Geste an, die Wae zu senken. Was zum Henker ...? , fragte er die beiden entgeistert. Er glaubt, du bist der Mörder. , antwortete der Windgeist, Deshalb wollte er uns heute Nacht im Auge behalten. Zerbas versuchte, sich aufzurappeln. Ist das wahr? , fragte ihn der andere. Zerbas nickte nur beschämt. Ich hatte einen Verdacht. , sprach er, Die einzige Sackgasse, in die ich noch nicht gelaufen war. Der Imperiale rappelte sich auf und sah seine beiden Gefährten stur an. Bevor der Morgen dämmert werde ich euch nicht aus den Augen lassen. Hallia blies sich verächtlich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Du siehst mich nur, weil ich es dir erlaube. Sie verschwamm vor seinen Augen, wirbelte um ihn herum und setzte sich nur eine Handbreit von ihm entfernt wieder zusammen. Du bist unbeständiger als ich, Hauptmann. , sprach sie, Und das will was heiÿen. Der Imperiale hielt ihrem Blick stand, die Furchen in seinem Gesicht noch tiefer als sonst. Ich muss diesen Mörder nden. , sprach er streng, Koste es, was es wolle! Er 23 wich nicht zurück, als Hallia noch näher kam. Du gehst weiter, als es die Picht eines Soldaten gebietet. , stellte sie kühl fest, Und das ist nicht das einzige Maÿ, das du aus den Augen verlierst. Zerbas knurrte frustriert. Du hast leicht reden, Windgeist. , sprach er, Was versteht ein solch atterhaftes Wesen von Ehre und Loyalität? Sie fegte ihn geradezu beiläug von den Füÿen. Wir sind dir beigestanden Hauptmann, doch allmählich verliere ich die Lust! Abermals kämpfte der Imperiale sich auf die Füÿe und starrte den Schutzgeist geradezu verbissen an. Sein kantiges Gesicht schien noch härter geworden zu sein. Veridian blickte zwischen den beiden Streitenden hin und her, dann stellte er sich zwischen sie. Genug! , befahl er eindringlich und brachte die beiden dazu, zurückzuweichen. Du redest von Ehre und Loyalität, Hauptmann. , fuhr er fort, Aber hast uns gegenüber beides nicht gerade unter Beweis gestellt. Der Mann zuckte unter den Worten zusammen wie unter Peitschenhieben. Ich irrte mich. , gestand er, Und wenn diese Kränkung zu viel ist, dann verstehe ich, wenn ihr mir den Rücken kehrt. Hallia legte den Kopf schief. Das ist eine lausige Entschuldigung... , setzte sie an, aber ein einziger Blick ihres Gefährten brachte sie zum Schweigen. Der Hauptmann sollte ausreden können. Ihr habt gehört, was ich den Kriegern vor dem Stadttor erzählt habe. , fuhr er fort und es war klar, dass er über solcherlei Dinge nicht gerne sprach, Ich habe gedient, am Hof des Imperators. Er seufzte. Nicht des Geldes wegen, nicht des Ruhms oder der Ehre, sondern weil ich an Karns Plan glaube. Plan? , fragte der Schutzgeist spöttisch, aber der Imperiale sah nicht auf. Unser Herr hat erkannt, dass von Anbeginn der Zeit zwei Mächte miteinander ringen, das Chaos und die Ordnung. Er sprach das letzte Wort mit einer gewissen Ehrerbietung auf. Klingt nach einem Märchen. , warf Veridian ein. Der andere schüttelte den Kopf. Ich spreche hier weder von Drachen, noch von Göttern und Legenden. Er sah nicht aus, wie ein Mann, der solcherlei Dingen groÿe Bedeutung beimaÿ. Ich spreche vom Leben. , fuhr er fort, Von einer Entscheidung, die jeder von uns zu treen hat. Ordnung oder Chaos. , schloss Veridian. Der andere nickte. Manche Menschen sind Schafe, manche sind Wölfe. Ich bin ein Hirte. Er trat in den Torbogen und blickte hinaus in die Gasse. Und ich habe versagt, die Wölfe aufzuhalten. Er blickte hinaus in die Nacht, als könne er seine Gegenspieler sehen. Wölfe... , murmelte der Windgeist und schwebte neben ihn, Ist nicht jeder Mensch von Zeit zu Zeit ein Wolf ? Hauptmann Zerbas lächelte ein raues Lächeln. Vielleicht verstehst du mehr vom Wesen der Menschen, als ich dachte. Er wurde wieder still. Ich wollte zurück nach Karnapolis. , murmelte er nach einer Weile, Nicht um meinetwillen, sondern um etwas bewegen zu können. Er schüttelte den Kopf. Doch vielleicht hat Karn mich zurecht hierher geschickt. Was ist geschehen? , fragte Veridian. Der andere zögerte. Es gibt Krieger, die das Reich mit mehr als ihrem Leben verteidigen, unsere Oberhirten. , sprach er, Und es gibt gewisse Mittel, sie vom sicheren Tod ins Leben zurückzubringen. Die aber sind selten und schwer zu beschaen. Es war meine Aufgabe, die sichere Ankunft eines Vorrats in Titania zu gewährleisten, doch ich lieÿ die Wölfe das Elixier stehlen. Er knirschte mit den Zähnen. Und wenn nun einer der Hirten stirbt, so klebt 24 sein Blut an meinen Händen. Du gehst hart mit dir ins Gericht. , sprach der Mann an seiner Seite. Nicht härter, als ich es verdiene. , urteilte der Imperiale verbissen, Meine Schande führte mich in die Kolonien und ich dachte an nichts anderes, als zurückzukehren. Er zog sein Schwert und betrachtete es im Mondlicht. Und ich kämpfte und ich siegte und ich sah um mich herum gute Menschen sterben. Er betrachtete seine Reexion in der Klinge. Und ich habe nichts getan, bis es an mir war, dem Tod ins Auge zu sehen. Hast du deinen Kampf beim Turnier aufgegeben? , fragte er den glatzköpgen Krieger. Der tauschte einen Blick mit seinem Windgeist. So in etwa. , antwortete er. Zerbas nickte. Ich auch. Nicht einmal zu sterben war ich bereit. , sprach er voller Abscheu, Nicht einmal das. Du gehst zu hart mit dir ins Gesicht. , sprach nun Hallia und wehte um den Soldaten herum, sodass sie ihm in die Augen sehen konnte. Er blickte sie trotzig an. Meine gröÿte Schmach habe ich euch noch nicht berichtet. , gestand er, Kennt ihr die Blaue Königin? Ich habe einmal mit ihr Karten gespielt, in dieser Stadt ... , hauchte Hallia, aber verebbte abrupt. Lange Geschichte. , sprach sie, Ewig her. Der Imperiale hob eine Augenbraue. Nun spielt sie nicht mit Karten, sondern mit Menschen. , fuhr er fort, Die Spinne im Zentrum der Audständigen. Sie hält alle Fäden in der Hand. Der Windgeist schaute verdutzt. Sie war hier. , fuhr Zerbas fort, Die Wurzel des Übels, zum Greifen nah. Er schloss seine Hand zur Faust. Und ich habe sie ungeschoren davonkommen lassen! Du hast sie nicht fangen können. , stellte Hallia traurig fest. Er nickte. Ich hätte das Chaos mit Stumpf und Stiel ausrotten können, doch stattdessen bat ich um mein Leben. Er fuhr sich mit der Hand über die Schläfen. Nun wisst ihr, warum ich ihn fangen muss, diesen Bastard, der sich in meiner Stadt herumtreibt. Er zögerte. Nicht um meinetwillen, sondern, weil die Ordnung zumindest dieses eine Mal über das Chaos triumphieren muss. Er schwieg, ein wenig erschrocken vielleicht über die Gröÿe seiner Worte. Er hatte wohl mehr gesagt, als er hätte sagen wollen. Der Windgeist lächelte und legte ihm eine geisterhafte Hand auf die Wange. Du enttäuscht mich, Hauptmann. , sprach Hallia, Du bist ein guter Mann. Ich hätte dich viel lieber weiterhin für einen Stinkstiefel gehalten. Trotz ihrer nächtlichen Wache fanden die drei Gefährten niemanden, der ihren Köder schlucken wollte, sah man einmal von einem betrunkenen Glücksritter ab, der dem Schutzgeist ein wenig zu aufdringlich wurde. Am Morgen standen die beiden Männer noch immer in dem Torbogen, übermüdet und ein wenig griesgrämig vielleicht, aber mit einer stummen Entschlossenheit, die sie zuvor noch nicht geteilt hatten. Hallia hatte Veridian inzwischen den Mantel zurückgegeben und es schien, als sei selbst sie ein wenig abgeaut. Mit einem Gähnen, wie es wohl nur ein Wesen aus Wind vermochte, löste sie sich in Luft auf und verschwand in Veridians 25 Körper. Vermaledeit. , murmelte der und gähnte ebenfalls herzhaft, Müdigkeit ist ansteckend. Zerbas hob einen Mundwinkel, was bei ihm wohl gerade mehr bedeutete als bei einem anderen ein schallendes Lachen, dann löste er sich von der Wand und trat hinaus in die aufgehende Sonne. Auf den Straÿen war noch nicht sonderlich viel los, nur ein paar Stadtbewohner, die frühe Besorgungen erledigten und ein Krämer, der sich mit einem Ochsenkarren auf den Weg zum Markt machte. Nichts. , sprach der Hauptmann ruhig, Die ganze Nacht rein gar nichts. Als habe er mit diesen Worten das Schicksal herausgefordert, bog in diesem Augenblick ein Trio von gehetzten Soldaten um die Ecke. Kaum wurden sie seiner gewahr, nahmen sie Haltung an und eilten auf ihn zu. Hauptmann. , sprach der erste auÿer Atem und stand stramm. Was gibt es? , fragte Zerbas mit geübter Befehlsgewalt. Hätte Veridian es nicht besser gewusst, so hätte er geglaubt, sein Kamerad hätte eine ruhige Nacht in einem weichen Bett verbracht. Seine Müdigkeit wirkte wie fortgewischt. Er musste wohl Stärke vor seinen Männern zeigen. Wir haben eine Meldung zu machen. , sprach der Soldat und schluckte, Bei Sonnenaufgang wurde ein Leichnam bei der neuen Brücke angeschwemmt. Die Augen des Hauptmanns weiteten sich. Ein Leichnam? , wiederholte er, Opfer eines Verbrechens? Ertrunken ist er nicht. , antwortete der Soldat, Er starb durch eine Klinge, ohne Zweifel. Zerbas bleckte die Zähne. Bring mich sofort dorthin. , sprach er und wies auf die anderen beiden Soldaten. Ihr erstattet dem Statthalter Bericht! Mit einem Nicken wies er auf Veridian, der das Geschehen aus der Seitengasse beobachtet hatte. Los! Der Soldat führte sie quer durch die Stadt, bis sie einen Kanal erreichten, in den ein einstmals reiÿender Fluss eingepfercht worden war. Rasend schoss das Wasser durch sein begradigtes Bett, geradewegs zu auf ein gutes Dutzend Säulen, das in einer Reihe aus den Fluten ragte. Sie sollten wohl einmal das Fundament einer Brücke werden. In den letzten Tagen hatten sie einem anderen Zweck gedient. Statthalter Zelphar hatte dort einige Kämpfe des Turniers austragen lassen und auch wenn Zerbas nicht dabeigewesen war, so hatte er doch von den Beschwerden der Baumeister gehört, nachdem einer der Krieger eine Säule zu Fall gebracht hatte. Doch nun spielte das keine Rolle, denn ringsum hatte sich eine Traube von Menschen gebildet, die allesamt hinaus auf den Fluss starrten. Geschieht ihm recht. , murmelte einervon ihnen, aber er verstummte, als er das Wappen auf der Brust der Soldaten sah. Zerbas bahnte sich mit einem einzigen Blick einen Weg durch die Menge und trat an das Ufer. Auf der mittleren Plattform lag ein verdrehter Körper, tropfnass, bleich und ausgeblutet. Die Wunde in der Brust lieÿ keinen Zweifel zu. Scheiÿe. , murmelte der Hauptmann und stieg auf die erste Säule. Die Bestie wird 26 schlauer. , dachte Hallia in Veridians Geist, als der ans Ufer des Flusses trat. Was ist passiert? , fragte der Krieger einen nebenstehenden Schaulustigen. Eine Waschfrau hat ihn dort gefunden. , erklärte der alte Mann und zog an seiner Pfeife, Das arme Ding hat sich schier die Lungen aus dem Leib geschrien. Er blies teilnahmslos einen Rauchring in die Luft. Wirklich? , staunte Veridian und stellte sich dumm. Der Alte wies mit dem Mundstück seiner Pfeife auf den Toten. Den Kerl kennt man hier, ein Geldverleiher und Zinswucherer. , sprach er, Ist nicht schade drum. Veridian nickte und blickte hinüber zu seinem Gefährten, der gerade die Taschen des Toten durchsuchte. Sie waren voller Geld. Davon kann er sich jetzt auch nix mehr kaufen. , urteilte der Alte mit einer gewissen Genugtuung. Ein Glücksritter, ein junges Mädchen und nun ein reicher Geschäftsmann. Es gab keinen Zweifel mehr, dass der Mörder seine Opfer wahllos heraussuchte. Doch warum beging er diese Morde? Was hatte er davon, zufällige Fremde auf oener Straÿe niederzustechen, wenn er nicht einmal ihre Besitztümer raubte? Was schert es den Wolf, ob das Schaf, das er frisst, schwarz oder weiÿ ist. , antwortete Hallia in seinen Gedanken, dann löste sie sich unsichtbar von ihm und wehte ussaufwärts. Es war zwar nicht wahrscheinlich, etwas zu nden, aber dennoch suchte sie nach dem Ursprung der Leiche. Inzwischen hatte Zerbas seine Suche beendet und kehrte über die Säulen zu seinem Kameraden zurück. Und? , fragte Veridian. Der Hauptmann reichte ihm wortlos einen Stapel nasses Papier. Veridian blätterte ihn durch und überog, was auf ihnen mit ordentlichen Lettern geschrieben stand. Schuldscheine. , schloss er. Zerbas nickte. Sieh dir an, wann sie fällig sind. Fein säuberlich war auf den Papieren vermerkt, was wann und von wem zu zahlen war. Alle gestern. , meinte der Krieger und gab sie dem Soldaten zurück. Er war wohl auf dem Weg, sie einzutreiben. , meinte Zerbas, Und dabei hat ihn das Schicksal heimgesucht. Er blätterte die Schuldscheine durch. Ein Gastwirt, ein Schmied, eine Winzerei, sogar ein imperialer Beamter. , murmelte er, Mit einer Karte können wir eingrenzen, wo er gestern hinwollte. Sie nickten einander grimmig zu, dann wandte der Hauptmann sich an seine Untergebenen. Bringt den Toten weg. , befahl er, Und sorgt dafür, dass die Menge ihrem Tagwerk nachgeht. Das letzte, was wir brauchen, sind dunkle Gerüchte. Zu Befehl, Herr. , antwortete einer der Soldaten, Doch da ist noch etwas. Zerbas hob eine Augenbraue. Wir haben dem Statthalter berichtet , fuhr der Soldat fort, und er wünscht, euch zu sehen. Der Hauptmann nickte, salutierte und schritt langsam aus der Menschentraube heraus. Auch das noch. , murmelte er, als sie auÿer Hörweite waren. Makellos weiÿ ragte die Residenz des Statthalters hinter dem schwarzen Gitter auf, doch so schön sie auch sein mochte, Zerbas schien der Anblick keine Freude zu machen. Wartet hier. , befahl er, als zwei Wachen ihm das schmiedeeiserne Tor öneten und man konnte ihm ansehen, dass er diesen Gang lieber nicht gemacht hätte. Veridian sah ihm besorgt nach, während er zielsicher durch den Park auf das Anwesen zuschritt. 27 Schön hat es der Statthalter. , meinte Hallia schnippisch, Lässt es sich an nichts fehlen. Veridian lachte trocken und sah durch die Gitterstäbe in den penibel gepegten Garten. Zerbas fürchtet ihn. , sprach er, aber der Schutzgeist in seinen Gedanken stimmte nicht zu. Er verachtet ihn. , erwiderte sie, Trotzdem muss er ihm gehorchen. Inzwischen hatte der Hauptmann die Residenz erreicht, hielt kurz inne, um an der Fassade hinaufzublicken und trat dann durch das Portal. Da würde ich zu gern Mäuschen spielen. , murmelte Veridian, worauf ihm und Hallia derselbe Gedanke kam. Mit einem sachten Hauch schoss sie aus seinen Fingerspitzen und gerann in seiner oenen Hand zu einer kleinen, blauen Maus. Frech richtete sie sich auf und quietschte ihren Herren an. Niedlich. , erklärte der und rollte mit den Augen, Aber das meinte ich nicht. Sie verwandelte sich in eine Miniatur ihrer Mädchengestalt. Es schickt sich nicht, zu lauschen. , erwiderte sie keck. Dann sollte es dir doch eine diebische Freude machen. Sie streckte ihm ihre bläuliche Zunge heraus, dann erhob sie sich in die Lüfte. Ich hoe nur, unser Kamerad bekommt nicht noch mehr Ärger. Er verdient ihn nicht. Veridian sah ihr hinterher und das Lächeln wich langsam von seinen Lippen. Sie hatten kein Wort mehr über das verloren, was der Hauptmann ihnen in der Nacht oenbart hatte. Doch er hatte spüren können, dass, obwohl der atterhafte Schutzgeist und der unnachgiebige Hauptmann verschiedener nicht hätten sein können, sie doch den gleichen Schmerz teilten. Sie hatte Recht. Ihr Kamerad verdiente wahrlich keinen Ärger mehr. Hallia schoss indes durch die Stäbe des eisernen Zauns, brachte im Vorüberiegen die Blätter der Bäume zum Rauschen und steuerte zielsicher auf das Hauptportal zu, das noch immer einen Spalt weit oen stand. In ihrer Eile schoss sie ein wenig über das Ziel heraus und riss aus Versehen die Türügel mit, die mit einem gewaltigen Krachen ins Schloss elen. Augenblicklich waren alle Augen im Raum auf sie gerichtet, nur, dass es nichts zu sehen gab. Hallia aute ab und sah sich erst einmal um. Im Zentrum der Halle führte eine marmorne Freitreppe hinauf ins zweite Stockwerk. Oben auf den Stufen stand der Statthalter und sah missbilligend hinunter auf seinen Hauptmann, der am Fuÿ der Treppe kniete. Der Statthalter mochte ergraut sein, aber sein Blick war ungebrochen. An seiner Seite standen zwei Wachen, beide darauf bedacht, den knienden Soldaten nicht anzusehen. Der dramatische Auftritt des Windgeistes hatte die beiden nur kurz abgelenkt, nun wandten sie sich wieder ihrer Unterhaltung zu. Dein Toter war nicht irgendwer. , sprach der Statthalter missbilligend, Ich verlange, dass du den Mörder ndest. Zerbas sah auf. Herr. , erwiderte er, Seit Tagen wildert dieser Mann in eurer Stadt. Ich bin auf seiner Fährte. Pah. , machte Zelphar verächtlich, So wie du auf der Fährte der Blauen Königin warst? Er wies mit einem Nicken auf eine Tür. Da wo du jetzt kniest hat sie dich niedergestreckt. Er machte einen Schritt auf seinen Untergebenen zu. Du hattest sie vor deiner Nase und was tust du? Lässt sie entkommen! Ich... , setzte Zerbas an, aber er schwieg. Statt deine Arbeit zu tun, gehst du auf das Turnier. General möchtest du wieder sein! Der Statthalter schlug wütend mit einer Faust in die Handäche, dass seine beiden Leibwächter nur so zusammenzuckten. Lass dir eines gesagt sein, von einem ehemaligen General zum anderen. , fuhr er drohend fort und trat die Stufen zu seinem knienden Diener hinunter, Eher kehre ich auf meine alten 28 Tage zum Heer zurück als dass du jemals wieder eine Hundertschaft befehligst. Zerbas bleckte die Zähne, wagte es aber nicht, Widerworte zu geben. Hallia nutzte die unangenehme Stille, um sich in dem Saal umzusehen. Amüsiert betrachtete sie die Wandteppiche, auf denen tatsächlich ein leibhaftiger Drache abgebildet war. Sogar ein paar von Ihresgleichen konnte man in seinem Schlepptau erkennen... Ich werde diesen Mörder fangen. , versprach der Hauptmann von unten und der Schutzgeist fuhr in einem Windhauch herum. So, so. , machte der Statthalter und winkte mit zwei Fingern, worauf eine weiÿgekleidete Frau ans Geländer der Galerie trat. Und warum sollte ich dir diese Sache anvertrauen und nicht Marlea? Der Soldat tauschte einen Blick mit der Frau an der Brüstung, die entschuldigend mit den Schultern zuckte, als wolle sie sagen, dass sie die Einschätzung ihres Herren nicht teilte. Bei allem Respekt. , sprach Zerbas und wagte es, aufzublicken, Marlea ist eure Leibwächterin. Noch bin ich der Hauptmann der Wache. Mir obliegt es, Ordnung in der Stadt zu halten. Noch. , wiederholte Statthalter Zelphar und versuchte vergeblich, ihn niederzustarren, Ich will, dass diese Angelegenheit aus der Welt geschat wird, noch bevor es weitere Tote gibt. Er legte eine Hand an sein Schwert. Das Turnier ist vorüber und so unerfreulich es für uns alle war, ich will, dass wieder Ruhe in Titania einkehrt! Sowohl Zerbas als auch Marlea nickten. Dann lasst mich die Reserven mobilisieren. , bat der Hauptmann. Die Soldaten des Imperators? , fragte der Statthalter, Die sind nur für den Kriegsfall. Du hast deine Wachen. Nein. , erwiderte der Hauptmann ruhig und schüttelte den Kopf. Der Widerspruch lieÿ seinen Herrn zusammenzucken. Wenn ihr wollt, dass ich den Mörder fange, werde ich jeden einzelnen Mann brauchen. Wenn der Imperator davon erfährt... , setzte Zelphar an, Nicht vorzustellen. Es war, als hätte der andere ein Loch in seine Rüstung geschlagen. Wenn es das ist, worum ihr euch sorgt, Herr , entgegnete der Hauptmann mit einem Hauch von Verachtung, dann wird euer Ruf so rein bleiben, wie es das Blut an euren Händen erlaubt. Abermals mussten die Umstehenden schlucken, Hallia eingeschlossen. Schneid zu haben, war eine Sache, aber was der Hauptmann gesagt hatte, war wie ein Schlag ins Gesicht gewesen. Hätte sie gerade eine feste Form gehabt, hätte sie wohl gelächelt. Dieser tumbe Granitkopf war doch mehr als nur ein Befehlsempfänger. Sei es. , sprach der Statthalter schlieÿlich und seufzte. Mit einem Mal sah man ihm sein wahres Alter an. Aber du nimmst Marlea mit. Sie wird mir berichten. Es war oenkundig, dass dieser Einwand nur dazu diente, sich einen Rest Autorität zu bewahren. Ruhig erhob sich Zerbas und sah den alten Mann an, nun mit ihm auf Augenhöhe. Er hatte einen Sieg errungen. Dieses Mal werde ich euch nicht enttäuschen. , versprach er. Sein Gegenüber bleckte die Zähne. Das rate ich dir auch nicht. Ich habe ein paar Posten, auf denen du Wache schieben kannst, bist du verstaubst! 29 Hallia. , sprach der Hauptmann, während er durch den Garten des Anwesens ging. Es war keine Frage, sondern vielmehr eine Feststellung. Sie manifestierte sich an seiner Seite. Verdammte Tür. , murmelte sie schmollend. Er warf ihr keinen Blick zu. Lauscher an der Wand... , setzte er an. Sie wehte einmal um ihn herum. Die Hand, die einen füttert ... , entgegnete sie. Er lachte trocken. Der Alte ist ein Realist. , erklärte er, Deswegen hat er sich so lange auf seinem Posten gehalten. Sie grinste. Und du bist wohl ein Idealist. , folgerte sie. Und du trotz deines Alters ziemlich unreif. , erwiderte er. Sie klimperte mit den Wimpern. Er nahm es erstaunlich gut auf, dass sie ihn belauscht hatte. Gut gemacht, übrigens. , lobte sie. Der Statthalter dient als erstes dem Statthalter. , fuhr der Hauptmann unbeirrt fort, Man muss ihn nur überzeugen, dass das, was man will auch in seinem Interesse ist. Und den Mörder in seiner Stadt zu fangen ist es nicht? , fragte Hallia. Er schnaubte. Die Kriegstruppen zu mobilisieren, davon wird Imperator Karn erfahren. , erklärte er, Und auch wenn der Statthalter es tun darf, wird es dennoch nicht gerade für Wohlwollen sorgen. Den hast du gerade auch nicht errungen. , meinte sie. Er zuckte mit den Schultern und man sah, dass er darin nicht sonderlich geübt war. Du hast ihn gehört. , sprach er, Ich werde nicht in die Hauptstadt zurückkehren. Er verzog den Mund. Und wenn ich schon hier meinen Dienst fristen muss, dann werde ich tun, was ich kann, koste es, was es wolle. Sie hatten den Park durchquert und das Tor erreicht, hinter dem Veridian schon ungeduldig wartete. Als er seinen Schutzgeist neben dem Soldaten schweben sah, zuckte er sichtlich zusammen. Du... , sagte Zerbas nur, dann ging er an den beiden vorüber. Hat er dich erwischt? , fragte Veridian, während er sich an seinen Kameraden dranhängte. Sie imitierte sein ungelenkes Schulterzucken, dann verschwand sie in seinem Körper. Ah. , macht er nur, als sie ihm in einem Augenblick mitteilte, was geschehen war. Gemeinsam machten sie sich auf den Weg, um ihre Armee zu mobilisieren. Trotz des Dunkels der Nacht herrschte auf den Straÿen von Titania rege Betriebsamkeit. Und all das sind deine Leute? , fragte Veridian, als er seinen Blick über die bunten Menschenmassen gleiten lieÿ. Imperiales Heer. , antwortete der Hauptmann, Aus dem Haus des Krieges. Er legte eine Hand an das Schwert, das er unter dem Mantel verbarg. Normalerweise sind sie kaserniert. , erklärte er, Jetzt sind sie von der Kette. Sein Nebenmann schüttelte den Kopf. Zerbas hatte einen Mann an jeder Straÿenecke und hätte Veridian es nicht besser gewusst, so hätte er keinen einzigen von ihnen für einen Soldaten gehalten. Die Schlinge zieht sich zu. , sprach er voll grimmiger Befriedigung. Der Jäger wird zum Gejagten. , antwortete Hauptmann Zerbas mit einem Nicken. Wo ist eigentlich Hallia? Immer da, wo ich gebraucht werde. , klang es wie aus dem Nichts an sein Ohr, Ich bin eure Augen und Ohren. Eine Ahnung ihrer Form erschien zwischen den beiden. Und du könntest mir mal dieses seltsame Gewand erklären. Sie wehte spielerisch seinen grauen 30 Umhang beiseite, unter dem sich ein bunt gestricktes Wams verbarg. Ich trage nicht oft zivil. , verteidigte er sich und zurrte seinen Mantel wieder zurecht. Sie lieÿ ein glockenhelles Lachen erklingen und erhob sich in die Lüfte. Veridian hob eine Augenbraue, aber als sein Kamerad ihn ansah, verkni er sich jegliches spitze Wort, das ihm auf den Lippen lag. Anstatt sich über eitlen Tand zu ereifern, erkläre mir lieber, wie du damit kämpfen willst. , fragte er und wies auf den langen Stab in Veridians Gürtel. Hallia erlaubt mir keine Klinge. , antwortete der ruhig, Und das ist auch besser so. Ich habe nicht vor, zu töten. Der Soldat schnaubte. Dann hoe ich, dass dir heute Nacht die Wahl bleibt. Sie bogen um eine Ecke und wurden schier von Marlea über den Haufen gerannt. Die korpulente Magierin hatte sich ebenfalls in Schale geworfen und sah den Hauptmann mit hochrotem Gesicht an. Am Flussufer sind alle soweit. , meldete sie, Bisher keine Spur von dem Dreckskerl. Sie räusperte sich. Wer ist der? Veridian war beim Turnier. , antwortete der Hauptmann, sichtlich unwillig, sich vor Zelphars Leibwächterin zu rechtfertigen, Er unterstützt uns. Beim Turnier? , fragte sie und klopfte Veridian derart fest auf die Schulter, dass es ihn schier zu Boden riss. Da sind wir ja schon zu dritt. Für eine Aufpasserin des Statthalters schien sie ganz in Ordnung zu sein. Hatte auch kein Glück. , erzählte sie, Wär schier Hops gegangen. Aber ist alles gut ausgegangen. Der Statthalter hat mich zur Leibwächterin gemacht. Genug der Höichkeiten. , befahl Zerbas barsch, Wir haben Arbeit. Sie hatten indes eine Abzweigung erreicht und der Hauptmann wies sie mit einem Nicken an, verschiedene Wege zu wählen. Marlea kehrte zum Ufer des Kanals zurück, Zerbas blieb auf der Hauptstraÿe und Veridian verschlug es in das Gewirr aus Gassen, in dem sie damals den ersten Toten gefunden hatten. Auch dort patrouillierten ein paar Soldaten, dazwischen waren nstere Gestalten, die sicherlich nicht im Dienst des Imperiums standen. Laternen gab es hier keine und so blieb Veridian nur das Mondlicht. Mit zusammengeknienen Augen suchte er die Vorübergehenden nach Waen ab, doch im Dunkel hätten sie wohl sogar ein Breitschwert an ihm vorbeischmuggeln können. Ein warmer Lichtschein zog ihn um eine Ecke, wo sich der Ausgang einer Kneipe befand, aus dem ein süÿer Geruch von Wein und Erbrochenem kroch. Lautstarkes Gegröle drang von innen auf die Straÿe und er hätte nicht sagen können, ob der bierselige Gesang fröhlich oder wütend war. Neugierig wischte Veridian den Dunst von einer der Scheiben und blickte ins Innere. Dort saÿen rund um einen Tisch ein halbes Dutzend grobschlächtige Gestalten, die für Gold Messer zwischen ihren Fingern tanzen lieÿen. Üble Kerle zweifellos, doch ob der Mörder darunter war? Für einen Moment erwägte er, einzutreten und nach einem Schwert Ausschau zu halten, als das Geräusch von Schritten über das Paster klang. Instinktiv zog er nach seinem Stab und fuhr herum. Nichts. Eilig ging er in die Hocke, drückte sich an die Wand und harrte der Dinge, die da kommen mochten. Doch da war nichts auÿer dem wilden Schlagen seines Herzens. Ich habe ein ganz schlechtes Gefühl. , murmelte er, stand auf und setzte seinen Weg fort. Mit einem Seufzen blickte er hinauf zum Himmel, wo Hallia wohl gerade ihre Kreise zog. Es war nicht lange her, seit sie sich gefunden hatten. Jetzt, als er so allein durch die Nacht 31 marschierte, da war es ihm, als ob ein Teil von ihm fehlte. Wieder und wieder drehte er sich um, aber es blieb dabei. Er war allein. Schlieÿlich führte sein Weg in zu dem Ort, an dem der tote Krieger gelegen hatte. Unberührt lag dort die zertrümmerte Kiste und obwohl es dunkel war vermeinte er, noch immer das Blut daran glitzern zu sehen. Er schluckte und bog in die Gasse. Wie hieÿ es so schön in den Schauergeschichten, die man sich erzählte... Der Mörder ist verucht, zum Ort der Sünde zurückzukehren. Doch da war nichts, sah man von Schmutz und Unrat ab. Er mahnte sich zur Ruhe, als abermals Schritte ertönten. Wieder sah er sich um und dieses Mal war es zu seiner Erleichterung nur einer der Soldaten, der an der Mündung der Gasse vorbeischritt. Mit einem tiefen Seufzer warf Veridian einen letzten Blick auf das Gerümpel in der Gasse. Zeit, woanders zu suchen. Als er aufsah, el sein Blick auf ein Schild, das er beim letzten Mal nicht bemerkt hatte. Die weiÿen Lettern mochten verblasst und von Rissen durchzogen sein, im Mondlicht leuchteten sie wie Silber. Winzerei zur Sonne stand dort geschrieben und als Veridian es sah, da war es, als hätte jemand ein Tuch hinfortgezogen. Es war so oensichtlich und doch hatten sie es die ganze Zeit übersehen. Noch ehe er den Gedanken auch nur zu Ende denken konnte, hörte er über ihm ein Knacken und als er aufsah, hätte er beinahe aufgeschrien. Oben vom Dach stürzte eine dunkle Gestalt auf ihn hinab, in den Händen eine Klinge, mit der sie einen Ochsen hätte spalten können. Zu perplex, um auszuweichen, sah Veridian schon sein Ende gekommen, als ein Sturmwind ihn von den Füÿen riss und beiseite schleuderte. Hallia! Sie verband sich für einen Herzschlag mit seinem Geist, um sicherzugehen, dass er unverletzt war, dann stürzte sie sich wie ein Pfeil auf den Mörder. Hastig rappelte Veridian sich auf, zog seinen Stab und machte sich ein Bild von der Lage. Zu spät hatte er begrien, dass sie keinen Wolf jagten, sondern eine Spinne, die geduldig in ihrem Nest auf Beute gewartet hatte. Der Trunkenbold, die junge Maid und der Geldverleiher, alle drei waren sie zur Winzerei gekommen. Wie eine Spinne sah die ausgemergelte Gestalt auch aus, mit dürren Armen und Beinen und Augen, die wie geronnenes Blut funkelten. In einem Wirbel ging Hallia auf den Mörder nieder, riss ihm die Beine unter den Füÿen weg und verdichtete sich über ihm zu einer Gestalt. Obwohl es einem Mann von solch schmaler Statur hätte unmöglich sein sollen, riss ihr Gegner das breite Schwert mit einer Hand in die Höhe und schlug damit nach dem Windgeist. Unbeeindruckt lieÿ sie einen Teil von sich verschwimmen, doch als die Klinge durch sie hindurchglitt, da geschah etwas Unerwartetes. Blaues Feuer glitzerte an der Schneide auf wie ein Faden aus Eis und obwohl Hallia keine feste Form hatte, fraÿ sich die Wae tief in sie hinein. Es gab ein hässliches Geräusch, wie wenn der Wind durch eine Schlucht heulte und obwohl er nicht mit ihr verbunden war, wusste Veridian, dass sie schrie. Voll grimmiger Befriedigung lieÿ der dürre Mörder die Wae in dem erstarrten Windgeist stecken und machte Anstalten, ihn vollends zu durchtrennen. Veridian spürte den Schmerz seiner Gefährtin, als sei es sein eigener und mit einem Schrei stürzte er auf ihren Peiniger zu. Mit geballter Kraft lieÿ er den hölzernen Stab auf die skelettartigen Finger 32 krachen, die das Heft des Schwertes umklammerten. Der andere verzog keine Miene und drückte die Wae unablässig weiter. Nein! , brüllte Veridian und schlug wieder und wieder auf den Arm ein. Jedem noch so starken Krieger hätte er inzwischen grün und blau geschlagen, die dürre Gestalt hingegen schien nicht einmal Schmerz zu spüren. Die starren Augen richteten sich wie mechanisch auf Veridian und darin ackerte eine Gier auf, die ihn an den Ofen im Krematorium erinnerte. Der Mörder leckte sich die gesprungenen Lippen, dann lieÿ er von Hallia ab und kam in Sekundenschnelle auf die Beine. Scheiÿe. , murmelte Veridian nur noch, als die Gestalt sich wie eine Vogelscheuche vor ihm aufbaute. Er hatte in seinem Leben schon allerhand gesehen, doch noch niemals so etwas wie diesen Gegner. Sein Gegenüber lieÿ ihm kaum Zeit zum Denken, denn schon raste seine Klinge wie ein Fallbeil auf ihn hinab. Dieses Mal war er schnell genug und brachte sich in Sicherheit, worauf das Schwert auf das Paster traf und dort Funken schlug. Er setzte zum Gegenangri mit dem Stab an. Es hätte ihn beinahe das Leben gekostet. Mit einem Ruck riss der Mörder seine schwere Wae herum und zielte auf seine Knie. Um Haaresbreite glitt die scharfe Wae unter seinen Fuÿsohlen hinweg, doch im Zenit seines Sprungs stieÿ ihm der drahtige Gegner die Schulter in die Brust. Trotz seiner dürren Statur war es Veridian, als ramme ihm ein wilder Eber und ehe er es sich versah, wurde er gegen die nächste Wand geschleudert. Schmerz durchzuckte ihn wie ein blendender Lichtstrahl, als seine Schulter gegen die Steine traf. Er hatte Glück. Seine Knochen hielten stand. Benommen blickte er auf, nur um den Mörder mit hocherhobenem Schwert über ihm stehen zu sehen. Mit zitternden Händen hob Veridian den Stab, doch selbst wenn seine Arme dem Aufprall standhielten, so würde es das Holz wohl kaum tun. Mit gierigen Augen schickte sein stummer Widersacher die Klinge auf ihren Weg. Schon sah Veridian sein Ende gekommen, als wie aus dem Nichts ein zweites Schwert zwischen ihn und die fallende Wae schoss. Verstärkung! Mit einem hässlichen Klirren trafen die beiden Klingen aufeinander und obwohl der Neuankömmling das Breitschwert nicht aufhalten konnte, genügte die Verzögerung Veridian, um sich in Sicherheit zu bringen. Gestützt auf seinen Stab kam er auf die Beine und wandte sich seinem Retter zu. Es war einer der Soldaten, ein wahrer Riese. Wie ein Wetterhahn im Wind wandte sich der Mörder zu seinem neuen Gegner um und hob beinahe genüsslich sein Schwert. Der Soldat wechselte das Schwert zwischen den Händen und wischte sich die schweiÿnassen Hände ab. Obwohl ihm sein Gegner an Statur unterlegen war, hatte er schon mit dem ersten Hieb begrien, dass dies kein einfacher Kampf werden konnte. Veridian nutzte den kurzen Augenblick, um sich wieder einen Überblick über die Lage zu verschaen. Sah man von den beiden Kontrahenten ab, war in der Gasse keine Menschenseele zu sehen. Blau ackerte die Nachtluft vor ihm auf, aber als Hallia erschien, war sie nur noch ein schwacher Abglanz ihrer selbst. Hallia... , murmelte er. Es geht schon. , hauchte sie, Ich wusste nicht, dass Stahl mich verletzen kann. Behutsam bot er ihr die Hand und sie verschwand darin. Ihr Schmerz mischte sich mit seinem. Mehr 33 noch aber fühlte er ihren Zorn. Kaum hatte sie sich mit ihm vereinigt, verstrich der Moment der Stille mit dem Zusammenkrachen beider Schwerter. Der junge Soldat hatte zuerst zugeschlagen, aber sein Angri war nicht von Erfolg gekrönt. Ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, hatte sein Kontrahent das Schwert gen Erde gedreht und damit die Klinge abgewehrt. Seine Faust war auf Augenhöhe des Neuankömmlings und ehe der begri, wie ihm geschah, rammte ihm der Mörder den Schwertknauf ins Gesicht. Während der Soldat mit gebrochener Nase zurücktaumelte, sah Veridian die Gelegenheit zum Angri gekommen. Als wolle er einen Hasen keulen, holte er aus und zielte mit dem Stab auf das Genick seines Widersachers. Fast erwartete er, dass Hallia Einspruch erhob, aber in seinen Gedanken blieb es still. Mit einem hässlichen Geräusch prallte seine Wae auf den Nacken des dunklen Mörders, der von der Wucht des Aufpralls ins Taumeln geriet. Doch anstatt zu Boden zu gehen, warf er einen Blick über die Schulter, packte den Stab mit der freien Hand und brach ihn mit einem Ruck an seinem eigenen Hals entzwei. Während Veridian fassungslos den zerbrochenen Stumpf sinken lieÿ, etschte sein Widersacher die Zähne, holte aus und schleuderte ihm die andere Hälfte des Stabs entgegen. So rasend schnell das Geschoss war, schneller als der Wind war es nicht. Hallia erschien und war ihm abermals ein Engel, indem sie es mit einer einzigen Böe beiseite wischte. Unterdessen hatte der Soldat die Ablenkung genutzt, um abermals anzugreifen. Mit einem grimmigen Schrei hob er das Schwert über den Kopf und zog es dem hageren Mörder quer über die Brust. Die Wae seines Kontrahenten schlug zurück wie eine Kobra, doch das konnte ihn nicht schrecken. Schnell wie der Windgeist mochte er nicht sein, aber dennoch gelang es ihm, sich unter der scharfen Klinge hinwegzuducken. Während sein Gegner noch den Schwung beendete, riss der Soldat das Schwert zurück nach oben und verpasste der dürren Gestalt einen weiteren Schnitt über die Brust. Dann wich er zurück, sicher, den entscheidenden Treer gelandet zu haben. Doch kein Laut des Schmerzes ging über die Lippen des Dunklen, vielmehr verzerrte sich sein ausgemergeltes Gesicht zu einem Lachen, das aussah, als hätte man Haut auf einen Schädel gespannt. Fassungslos blickte der Soldat an ihm herunter und auch Veridian hielt den Atem an. Unter dem zerlumpten Gewand der Gestalt war eine Rüstung, darauf ein wohlvertrautes Zeichen. Zwei ineinanderliegende Kreise, das Siegel des Imperiums. Auch der Mörder war ein Soldat. Zumindest mal gewesen. , verbesserte Hallia ihren Gefährten in Gedanken. Wenn Zerbas das wüsste. , murmelte der und ballte die Hände zu Fäusten. Ein Wolf unter den Hirten. Gnadenlos hatte der Mörder sein Schwert gehoben und schlug damit auf seinen ehemaligen Kameraden ein. So perplex der auch war, er besaÿ die Geistesgegenwart, beiseite zu weichen, sodass die Klinge statt seinem Fleisch nur eines der Fässer fand. Der Dunkle stieÿ ein tiefes Grollen aus, dann wirbelte er seine Klinge frei und tauchte den Soldaten in einem Regen von Holzsplittern. Wir müssen ihm zur Hilfe kommen! , dachte Veridian, aber als er einen Schritt machen wollte, hielt der Schutzgeist ihn zurück. Nein. , sprach Hallia besorgt, Du bist unbewanet, was willst du ausrichten? Er schüttelte den Kopf und suchte im Dunkeln nach 34 einem Holzscheit, einem Knüppel, irgendetwas, um nicht wie ein Zuschauer im Turnier diesem Kampf zusehen zu müssen. Nichts... Während er tatenlos wichtige Sekunden vergeudete, kämpfte der junge Soldat um sein Leben. Die hagere Gestalt war wütend geworden und schlug mit schier übermenschlicher Gewalt um sich wie ein Wahnsinniger nach einer Fliege. Gleich einem Hammer schoss das Breitschwert dem Boden entgegen, wieder und wieder und mit jedem Schlag war es Veridian, als bebe die Erde. Ich muss etwas tun! , dachte er abermals und auch wenn er die Furcht des Schutzgeistes fühlte, so lieÿ er sich davon nicht beirren. Er nahm Anlauf und stürzte sich auf die schwarze Gestalt, um sie von den Füÿen zu reiÿen. Zu spät sah sie ihn kommen, doch als er in vollem Lauf gegen sie prallte war ihm, als ging ein Donnerschlag durch seinen Körper. Genauso gut hätte er gegen einen Baumstamm laufen können. Wie eine Fliege wischte einer der spinnengleichen Arme ihn beiseite, während der andere einen Hieb des tapferen Soldaten parierte. Es war nur Hallias Umsicht geschuldet, dass er sich im Fall nicht alle Knochen brach. Veridian blickte auf und was er sah, lieÿ ihm das Blut in den Adern gefrieren. Wie ein Henker stand der Mörder über seinem ehemaligen Kameraden, dessen Schwert zerbrochen vor seinen Füÿen lag. Vergebens hielt dieser die Hände vor das Gesicht. Von dem Monstrum war keine Gnade zu erwarten. Wie ein Fallbeil raste die breite Klinge hinab und fand das Herz. Veridian steckte die Hand aus, als könne er den tödlichen Hieb ungeschehen machen, aber es war nicht mehr als eine leere Geste. Hallia... , ehte er, während er sich vergebens aufrappelte. Sie verlieÿ seinen Körper und stellte sich schützend vor ihn. Anzugreifen wagte sie nicht. Glitzernder Sternenstaub perlte von ihr herab wie Tränen. Er begri, wie schwer sie verwundet war. Noch hatte der Mörder sich nicht umgewandt. Das Schwert steckte noch immer in dem gefallenen Soldaten. Plötzlich leuchtete es kalt auf und der schwarze Krieger wurde von blauem Licht eingehüllt wie von einem Schleier. Es war, als hätte der letzte Atemzug seines Opfer feste Form angenommen. Mit kaltem Grauen beobachteten Schutzgeist und Herr, wie das Leuchten über den bleichen Krieger hinwegging und jegliche Spur des Kampfes fortwischte. Welche schwarze Magie ist hier am Werk... , murmelte Veridian mit einem Fluch und begann, langsam rückwärts zu gehen. Keine Magie. , antworte Hallia starr, Etwas viel Dunkleres... Mit einem grausigen Seufzen trat der Mörder aus dem Licht und richtete seinen Blick auf Veridian. Langsam leckte er sich die blutleeren Lippen. Sein Appetit war geweckt. Scheiÿe. , murmelten Herr und Schutzgeist im selben Atemzug und zogen sich weiter zurück vor dem hungrigen Wolf. Mit rasenden Schritten setzte der hagere Mörder ihnen nach, schneller, als die dürren Beine es ihr hätten erlauben sollen. Hallia warf sich ihm entgegen, entging todesmutig einem Schwerthieb und angelte nach seinen Beinen. In vollem Lauf wischte sie ihn von den Füÿen und wie ein einstürzender Turm ging er zu Boden. Scheppernd schlitterte das breite Schwert über das Paster und blieb unmittelbar vor Veridians Füÿen liegen. Noch immer ging ein bläuliches Leuchten davon aus. Welch dunkler Fluch auch auf dieser Klinge liegen mochte, sie war das einzige, was zwischen ihm und dem Giganten stand. 35 Seine Finger schlossen sich um das eiskalte Metall und für einem Augenblick war ihm, als wäre er nicht allein in seinem Geist. Aber es war nicht Hallia und auch kein anderer Schutzgeist, sondern ein Echo, ein unsagbar zorniges und ängstliches Echo. Geübt von den Wortgefechten mit seiner Gefährtin drängte er den fremden Einuss zurück und als er ihn vertrieb, spürte er einen Stich in seiner Hand. Mit einem Schmerzensschrei lieÿ er das Schwert fallen, dessen Gri blau auammte. Vermaledeit. , murmelte er, doch noch bevor er die verbrannten Finger mustern konnte, schoss ein Schatten auf ihn zu und schubste ihn achtlos beiseite. Wie ein Ertrinkender nach dem rettenden Land gri der Mörder nach seinem Schwert, in den blutroten Augen ein irres Funkeln. Veridian hob den Kopf und sah Hallia hinter ihm schweben. Ehe er ein Wort der Warnung sprechen konnte, fuhr ihr Gegner von neuerlicher Mordlust ergrien herum und schlug nach ihr. Schnell wich sie ihm aus. Nicht schnell genug. Die Klinge streifte dennoch ihren bläulichen Leib. Mit einem lauten Heulen löste sie sich auf, um dem schlimmsten zu entgehen und kehrte zu ihrem Herren zurück, hinter ihr eine Spur aus silbrigem Sternenstaub. Falls Veridian gedacht hatte, dass seine Knochen schmerzen, so hatte er nicht damit gerechnet, was geschah, als Hallia sich mit ihm verband. Gleiÿende Pein füllte ihn, von einem Wesen, das seit Jahrzehnten nicht mehr verwundet worden war. Der zweite Schnitt hatte ihr Zentrum getroen und es war schlimm um sie bestellt. Hallia... , dachte er und hätte er es gekonnt, so hätte er sie in den Arm genommen. Sie versuchte, das Ausmaÿ ihrer Verletzung zu verbergen, doch zwischen ihnen gab es keine Geheimnisse mehr. Veridian önete die Augen und sah einen Stiefel vor seinem Gesicht zu Boden gehen. Der Tod war hier. Mühsam versuchte er, sich aufzurichten, aber er schien bei seinem letzten Sturz etwas abbekommen zu haben, denn ihm war, als drehte sich die nstere Gasse. Kalt blitzte das Schwert des Mörders auf und er hatte nur noch einen Gedanken. Hallia... , bat er, Flieh! Du bist nicht an meinen Körper gebunden... Nein. , tönte seine Gefährtin und es klang, als würde sie die Zähne zusammenbeiÿen, Ich lasse dich nicht allein! Komme, was wolle. In einer letzten Anstrengung schoss ein Teil von ihr aus seiner ausgestreckten Hand und peitschte dem Mörder ins Gesicht. Vergebens. Das Schwert schoss auf ihn zu und im letzten Augenblick warf er sich zur Seite, so dass es funkenschlagend zwischen die Pastersteine fuhr. So endet unser Weg also... , dachte er, während der dunkle Krieger unbeirrt ein weiteres Mal ausholte. Höher und höher stieg die Klinge, bis sich fahl das Mondlicht darin spiegelte. Ein Strom aus Feuer schoss durch die düstere Gasse und hüllte den Mörder fauchend ein. Veridian hielt es zuerst für einen Traum, doch die Hitze war intensiver als ein Sommertag. Gehüllt in eine Wolke aus Flammen taumelte die spinnengleiche Gestalt nach hinten und lieÿ das Schwert sinken. Das Monstrum war also nicht unverwundbar. Geblendet von dem gleiÿenden Feuerschein hörte Veridian Schritte und Stimmen. Die Verstärkung war endlich eingetroen! Stahl prallte auf Stahl, abermals fauchte das Feuer und als sein Augenlicht schlieÿlich zurückkehrte, sah Veridian Zerbas und drei seiner Soldaten im Kampf mit dem Ungetüm. Über ihn beugte sich Marlea, die Magierin des Statthalters. Nicht bewegen. , sprach sie ruhig, aber grob, Sonst wird es schmerzhaft. Heilend legte die die Hände auf ihn und 36 er konnte spüren, wie ihre magischen Energien die Wunde auf seiner Stirn schlossen und den Nebel in seinem Kopf lichteten. Doch egal wie sehr sie ihm half, Hallias Schmerz verschwand nicht. Ich werde dich tragen. , versprach er ihr und rappelte sich mühsam auf. Kannst du stehen? , fragte die blonde Magierin. Er nickte und augenblicklich eilte sie den Soldaten zur Hilfe. Obwohl es fünf gegen einen stand, konnte die schwarze Gestalt den Angreifern standhalten. Das Feuer hatte ihren Mantel verbrannt und die Haut mit hässlichen Brandmalen überzogen. An sich hätte der Mörder verbluten müssen. Er sah aus, als sei er aus dem Ofen im Krematorium gekrochen. Veridian! , rief Zerbas zwischen zwei Hieben, zog einen Dolch und warf ihn vor seine Füÿe. Zeit, zurückzuschlagen. Einwände? , fragte er Hallia, als er die Wae aufhob. Ihr Schmerz und ihre Wut brannten wie eine Fackel. Mach ihn fertig. , sprach sie bitter. Von neuer Kraft beseelt stürzte Veridian sich ins Getümmel. Während die Soldaten die Hiebe des Mörders parierten, webte die Magierin eine Lanze aus sternenhellem Licht und wartete auf den richtigen Augenblick, sie zu schleudern. Das Licht warf tiefe Schatten in ihr stämmiges Gesicht und obwohl ihr solche Kräfte zu Gebote standen, hatte sie sichtlich Angst. In einem weitem Bogen näherte sich Veridian der dürren Gestalt, um ihr eine Ablenkung zu verschaen. Der Mörder stank nach verbranntem Fleisch und für einen Augenblick kehrte die Übelkeit zurück. Er schluckte, wog den Dolch in der Hand und stürmte auf das verbrannte Monstrum zu. Erst einen Schritt, dann zwei, dann drei und noch immer bemerkte ihr Gegner ihn nicht. Er zielte auf den Nacken, dort wo die Rüstung endete und als er ausholte, spürte er beinahe so etwas wie Euphorie. Der Mörder hob die freie Hand und verpasste ihm einen Fausthieb, der seinen Kiefer schier explodieren lieÿ. Ihm wurde schwarz vor Augen und er ging abermals zu Boden. Du bist ein lausiger Krieger. , dachte Hallia und biss sich im selben Augenblick auf ihre imaginäre Zunge. Schon gut. , dachte Veridian zurück und rappelte sich auf. Im selben Augenblick schleuderte Marlea ihr magisches Geschoss. Licht explodierte in der Gasse wie ein Sonnenaufgang, als die Lanze auf den Brustpanzer de Mörders schlug. Ein Schrei wich von seinen Lippen, nicht wie von einem Menschen, sondern von etwas anderem, etwas, das für gewöhnlich Alpträume bewohnte. Das Leuchten verebbte und machte einem hässlichen Bild Platz. Mitten in der Rüstung des Mörders klate ein Loch, darunter eine hässliche Wunde, nicht unähnlich denen, die er seinen Opfern beigebracht hatte. Auf ihn! , befahl Zerbas und in perfekter Einheit stürmten die vier Soldaten auf die taumelnde Gestalt zu. Sie können es schaen! , dachte Veridian und sah grimmig zu, wie vier Schwerter auf den spinnengleichen Mörder zuschossen. Noch war seine Wae gesenkt und das Loch in seiner Rüstung war groÿ genug, um ihm eine tödliche Wunde beizubringen. Doch so sollte es nicht kommen. Wie ein Derwisch wirbelte die dunkle Gestalt das Schwert um sich herum und webte so einen Wall aus dem kalten Feuer, das er aus dem sterbenden Soldaten gezogen hatte. Ob von der Klinge oder von den Flammen aufgehalten, die Waen der Angreifer konnten ihr Ziel nicht nden. Der Mörder indes schien begrien zu haben, dass er dieser Übermacht trotz seiner Kräfte nicht standhalten konnte. Wie eine verwundete Fledermaus stürzte er durch die fahlen Flammen und oh durch einen 37 Torbogen ins Innere der Winzerei. Während der blaue Feuerwall ihnen den Weg versperrte, hatten die Imperialen Zeit, wieder zu Atem zu kommen. Umstellt das Haus! , befahl der Hauptmann seinen drei Männern, Und holt Verstärkung! Dieses Ungeheuer hat einen der Unseren getötet. Die Soldaten nickten ihm zu und machten sich daran, seine Befehle umzusetzen. Kaum hatten sie die dunkle Gasse verlassen, wandte Zerbas sich zu seinen beiden Gefährten um. Er blutete aus einem Schnitt in der Schulter, aber er schien es gar nicht zu bemerken. Was tun wir nun? , fragte Veridian, obwohl er die Antwort schon ahnen konnte. Wir gehen hinein! , erklärte der Hauptmann und trat vor das dunkle Portal. Mit einem widerwilligen Seufzen trat Marlea neben ihn und heilte beiläug seine Wunde. Kolossale Scheiÿe! , uchte sie, Hab schon mal gegen so einen gekämpft und fast den Löel abgegeben. Kerberos. , murmelte Zerbas wie einen Fluch, Aber er ist gefallen... Veridian trat neben die beiden und wusste nicht so recht, wo er den Dolch in seinen Händen hinstrecken sollte. Es ist einer von deinen Leuten , erklärte er und zeigte auf das Symbol auf der Rüstung des Hauptmanns. Und er trägt Kerberos' Schwert. , fügte Marlea hinzu. Zerbas Augenbrauen senkten sich. Dann muss Kerberos' Wahnsinn ihn angesteckt haben. Es geel ihm oenkundig nicht, dass ein imperialer Soldat für all das hier verantwortlich war. Wenn es sein Schwert ist, dann lastet ein Fluch darauf , sprach die blonde Magierin, entkorkte mit den Zähnen eine grüne Phiole und stürzte den Inhalt hinunter. Hä? , dachte Hallia und Veridian sprach es aus. Kerberos. , erklärte Marlea, Übler Bursche beim Turnier. Ein Mörder wie der hier. Das selbe Schwert, dasselbe blaue Feuer. Hätte mich schier getötet. Jetzt ist er selbst tot Alles klar? Veridian nickte verdutzt, auch wenn er noch tausend Fragen hatte. Marleas Tonfall hatte klargemacht, dass sie weder Zeit noch Lust für Erklärungen hatten. Sie gefällt mir. , dachte Hallia mit einem matten Lächeln. Setzen wir dem ein Ende! , versprach Zerbas und hob sein Schwert. Ein für alle Mal. Mit diesen Worten trat er dicht gefolgt von Marlea ins Innere der Winzerei. Veridian wollte den beiden in nichts nachstehen, doch als er den Fuÿ über die Schwelle setzte, beschwerte sich sein Schutzgeist. Äh, Selbstmord? , warf Hallia ein, doch Veridian gab nichts darauf. Dies ist unser Pfad. , sprach er, Deiner und meiner. Du warst bereit, mit mir zu sterben und wenn es das ist, was es braucht... Sie verdrehte innerlich die Augen. Du bist ein schlimmerer Granitschädel als unser imperialer Freund. , maulte sie aber hinter ihren Worten, konnte er fühlen, wie auch sie nach Gerechtigkeit dürstete. Ein fauliger Geruch drang ihnen entgegen, aber es war zu spät, um umzukehren. Der Boden der düsteren Kammer klebte, als Veridian in das Innere der Winzerei schritt. Mochte es drauÿen auch düster gewesen sein, hier drinnen vermochte er nicht einmal, die Hand vor Augen zu sehen. Selbstmord. , wiederholte Hallia in seinen Gedanken, als vor ihnen ein Poltern ertönte. Verdammich ... , uchte Marlea und kurz darauf glomm ein Flamme vor ihnen auf, die den Raum in lange Schatten tauchte. Veridian hätte schier geschrien, als er das Chaos sah, das sich vor ihnen auftat. Wände und Boden waren blutrot und er stand mitten in einer Lache. Aus dem widerlichen Meer ragten Lumpen und Holztrümmer wie die Überreste eines zerstörten Schis. Hier drin war schlimm gewütet 38 worden. Wein. , urteilte Marlea und löste verärgert einen Fuÿ vom klebrigen Boden. Nicht alles. , erwiderte Zerbas, der an einer Wand der Halle stand, wo sich Dutzende zertrümmerte Fässer stapelten. Darin lag kopfüber ein Toter, hingerichtet wie all die anderen. Auf einem Deckel neben ihm stand in schwarzen Lettern Sonnentrunk , darüber ein Schwall von getrocknetem Blut. Zerbas hob eine Augenbraue und wandte sich zu seinem Kameraden um. Veridian nickte. Es war all die Zeit vor unseren Augen. Der Hauptmann knirschte mit den Zähnen. Hätten wir sie nur besser geönet... Veridian wollte etwas sagen, aber Hallia hielt ihn zurück. Worte werden seine Schuldgefühle nicht lindern. Schweigend gingen die drei Gefährten durch die zerstörte Winzerei und im Licht der Fackel schien der dunkle Mörder in jedem Schatten zu lauern. Sie passierten einen Karren mit schimmelnden Trauben, in dem schon das Ungeziefer summte. Eine Ratte kreuzte ihren Weg und quiekte sie widerspenstig an, als wolle sie ihr Revier verteidigen. Wo zum Henker hat er sich verkrochen? , fragte Veridian und blickte sich hektisch nach allen Seiten um. Dem dürren Ungeheuer hätte er zugetraut, wie eine Spinne an der Decke zu lauern. Ruhe bewahren. , antwortete der Hauptmann und stocherte mit seinem Schwert in einem Haufen Leinensäcke herum, Der einzige Weg hier heraus führt über unsere Leichen. Als hätte der Verfolgte diese Herausforderung gehört, schoss er plötzlich aus einem leeren Fass hervor und zielte mit dem veruchten Schwert auf Zerbas' Nacken. Scheiÿe! , durchfuhr es Veridian nur noch, als er den Schemen an ihm vorbeirasen sah, aber zum Glück war Marlea geistesgegenwärtiger. Kurzerhand schleuderte sie ihre magische Lichtquelle auf den Angreifer. Es war, als verschöbe sich die ganze Welt, während das Licht die Schatten in der dunklen Kammer wandern lieÿ. Zu spät sah der blutgierige Mörder den Angri kommen, doch als er das unverkennbare Fauchen hörte, hielt er mitten im Schlag inne und wandte sich um. Rot in rot spiegelte sich das Feuer in seinen Augen, kurz bevor es sein Ziel fand. Mit einem hässlichen Geräusch zerplatzte das Geschoss auf seinem Gesicht, wo es in glühende Funken zerel, die zu Boden sanken und verloschen. Für einen Augenblick war es stocknster, doch Marlea entzündete augenblicklich ein neues Leuchtfeuer, nur um zu sehen, dass der verwundete Mörder verschwunden war. Danke. , sprach der Hauptmann und nickte ihr zu. Sie hatte ihm den Hals gerettet. Ist er an dir vorbei? , fragte er Veridian. Sein Kamerad konnte diese Frage beim besten Willen nicht beantworten. An seiner statt erschien Hallia. Ich hätte ihn gespürt. , erklärte sie, Und auÿerdem hätte er sich diesen freien Schlag nicht entgehen lassen. Sie umriss kurz, wie der Tod des Soldaten ihren Gegner geheilt hatte. Marlea nahm das plötzliche Auftauchen des Windgeistes erstaunlich gelassen hin. Ich habe gehört, dass man blaue Elefanten sieht, aber das hier ... Sie streckte die Hand aus, in der keine Flamme brannte. Marlea. Der Schutzgeist umwehte sie mit einem sachten Hauch. Hallia. Genug der Freundlichkeiten! , unterbrach Zerbas sie ungehalten, Wir benden uns in der Schlacht! Er wies auf Hallia, die ihm ein wenig matt die blaue Zunge rausstreckte. Mach dich nützlich und suche ihn. Sie legte den Kopf schief und löste sich dann in Luft auf, nicht, ohne dem Imperialen rau durch die Haare zu fahren. 39 Schnell wie der Wind. , sprach Veridian und sah sich ein wenig unschlüssig in der verlassenen Winzerei um. Sie hatten ihren Gegner verwundet, ja sogar zurückgedrängt, aber das machte ihn nicht unbedingt weniger gefährlich. Auch die beiden anderen versuchten, sich einen Überblick über das Gerümpel zu verschaen, doch da war nicht viel mehr, als sie zu Beginn gesehen hatten. Mit düsterer Miene musterte Zerbas den Toten. Zweifellos noch einer, den er auf die Liste seiner persönlichen Fehlschläge setzte. Ich hätte es ahnen müssen... , sprach er unvermittelt, so leise, dass nur Veridian es hören konnte. Was? , fragte sein Kamerad. Dieses Ding , fuhr der andere fort, das wir bekämpfen, war einer meiner Männer. Seine Augen waren wie aus Stahl. Er ist nicht zum Dienst erschienen, am Tag nach dem Turnier. Noch immer starrte er wie gebannt auf den Toten. War beliebt bei meinen Männern, hat immer billig Wein besorgt. Veridian folgte seinem Blick. Weil er den Winzer kannte. , schloss er. Ich glaube fast, er war sogar sein Vater. , sprach Veridian tonlos. Schweigend standen sie dort, bis schlieÿlich Hallia mit einem Windhauch zurückkehrte. Furcht war das erste, was er spürte, als sie sich mit ihm verband, dann sah er, was sie gesehen hatte. Unter dieser Halle war eine zweite, ein Gewölbe, in dem der Wein sich stapelte. Dort in der Finsternis wartete der Mörder, das einzige Licht das kalte Feuer seines Schwertes. Doch das war nicht das Grauenhafte, denn als Hallia sich ihm genähert hatte, da hatte er die blutroten Augen geönet und direkt in ihre Augen gesehen. Er wusste, dass ich dort war. , schloss der Schutzgeist schaudernd. Veridian schickte ihr einen beruhigenden Gedanken, dann erzählte er den beiden anderen, was sie gesehen hatte. Wir gehen hinunter. , schloss Zerbas. Die anderen beiden nickten. Gemeinsam traten sie durch die Weinlache auf den Treppenschacht zu, der hinter einem Stapel Fässer verborgen war. Windgeister, veruchte Schwerter und nun auch noch ein dunkles Gewölbe. , uchte Marlea, Dafür bezahlt der Statthalter viel zu schlecht. Die beiden Männer tauschten einen Blick. Auch keine Idealistin. , dachte Hallia. Als hätte sie es gehört, wandte die korpulente Magierin sich um und hob grinsend eine Augenbraue. Worauf warten wir noch? Veridian grinste. Wir lassen der Dame den Vortritt. , sprach er nach, was Hallia ihm einüsterte. Marlea verdrehte die Augen, dann lieÿ sie ihre Flamme ins Dunkel hinuntergleiten und trat hinter eines der Fässer, das vor den Stufen stand. Wir lassen dem Fass den Vortritt. , erklärte sie verschwörerisch und stemmte sich dagegen. Ihre Kraft genügte nicht ganz, es ins Rollen zu bringen, aber als die beiden Kameraden ihr zur Hilfe eilten, schaten sie es schlieÿlich. Gluckernd setzte sich das Weinfass in Bewegung und polterte die steinernen Stufen hinunter, die drei Kämpfer dicht auf den Fersen. Plötzlich vernahmen sie ein ohrenbetäubendes Krachen, dicht gefolgt von einem Ächzen. Es sah aus, als hätte das Geschoss sein Ziel gefunden. Mit beiden Händen entzündete Marlea Lichter und warf eines in die Finsternis unter ihnen. In seinem Schein sahen sie das steinerne Gewölbe, das von Dutzenden Säulen getragen wurde. Vor ihnen war das Fass zum Liegen gekommen, daneben ihr Gegner, im ackernden Feuerschein wie ein Leichnam, der aus dem groÿen Ofen zurückgekehrt war. Ein gewöhnli- 40 cher Sterblicher wäre diesen Wunden längst erlegen, doch selbst seiner Selbstheilungskraft schienen Grenzen gesetzt zu sein. Mit einem wütenden Hieb zerteilte er das Fass über ihm und entfesselte so eine Welle aus Wein, die über ihn hinwegschwappte. Ächzend versuchte er, auf die Füÿe zu kommen, aber da waren die drei Jäger schon über ihm. Mit einem gnadenlosen Funkeln in den Augen holte Zerbas aus und zielte auf das Loch in der Rüstung seines ehemaligen Untergebenen. Einst hatte dort der Doppelkreis des Imperiums geprangt, nun war dort nur noch versengtes Fleisch. Beinahe hätte seine Klinge ihr Ziel gefunden, doch mit schier übermenschlicher Kraft rammte der Mörder die Finger der freien Hand in die Ritzen des Bodens und zog sich beiseite. Kreischend kratzte die Wae des Hauptmanns über kalten Stein. Aber der Mörder hatte das Schlimmste noch nicht überstanden, denn kaum war er ausgewichen, og ein weiteres Feuergeschoss von Marlea auf ihn zu. Wie eine Decke zog er das breite Schwert über sich, an dem die Flamme wirkungslos verpute. Nun war nur noch Veridian übrig, der mit seinem Dolch auf die verkrallte Hand im Paster zielte. Mochte der Halbtote auch noch so schnell sein, diesem Angri wich er nicht aus. Knirschend fuhr die gebogene Klinge in seinen Handrücken und spieÿte ihn förmlich auf. Der Mörder stieÿ einen Schrei aus wie ein sterbendes Dreyhorn, dann hob er das noch glühende Schwert und schlug damit nach dem Angreifer. Veridian sah den Hieb aus den Augenwinkeln kommen, doch die eine Schrecksekunde war es, die ihn zu langsam machte. Hallia war schneller, schoss aus seinem Körper und warf sich in den Weg der Klinge. Nein! , dachte er nur noch, aber da hatte sie ihren Körper schon verlassen. Unnachgiebig schoss das vermaledeite Schwert auf sie zu und mochte sie auch kein Fleisch und Blut haben, dieser Hieb bedeutete zweifellos ihr Ende. Blaues Licht blitze auf und füllte selbst den hintersten Winkel des Gewölbes. Das Schwert des Mörders traf auf Widerstand. Mit einem hasserfüllten Knurren drückte er noch fester zu, doch so sehr er sich auch mühte, seine Wae bewegte sich kein Haarbreit. Hallias Opfer war von Erfolg gekrönt gewesen. Veridian wagte es, aufzusehen, doch da war seine Gefährtin mit gekreuzten Armen, unversehrt. Nicht blöde glotzen, weg da! , brüllte Marlea den beiden zu. In ihren Händen war dasselbe helle Funkeln, das auch zwischen dem Schwert und dem Schutzgeist war. Veridian begri augenblicklich und sprang gemeinsam mit Hallia beiseite. Die Magierin hatte einen Schutzschild gewebt. Kaum waren sie fort, ackerte das Licht und das Schwert des Mörders fuhr mit einem Klirren auf das Paster. Augenblicklich war der Hauptmann wieder über ihm und stach ihm die Spitze seiner Wae tief in die Schulter. Doch selbst das genügte nicht, denn anstatt sich vor Schmerz zu krümmen, fuhr der Mörder herum und hätte ihm so schier das Heft aus der Hand gerissen. Zurück! , befahl er seinen Gefährten, die sich nicht zweimal bitten lieÿen. Steif wie ein Brett erhob sich der Mörder, verbrannt, besudelt von Wein und Blut, wie etwas, das niemals hätte das Licht der Welt erblicken sollen und doch geboren worden war. Als wäre sie ihm fremd, önete und schloss er die verwundete Hand ein paar Mal, bis er sie an sein Schwert legte. Veridian hätte frustriert geseufzt, hätte er nicht die Zähne zusammengebissen, damit 41 sie nicht klapperten. Wie oft war er dem Tod jetzt schon von der Schippe gesprungen? Was tun wir nun? , dachte er zu Hallia. Sie blickte sich in dem steinernen Gewölbe um, das auÿer Spinnweben und Weinfässern nichts weiter zu enthalten schien. Als Wesen des Windes war sie nicht gerne unter der Erde. Er blickte zu seinen beiden Gefährten, Zerbas mit abwehrbereit erhobenem Schwert und Marlea mit Flammen in der Hand. Auf meinen Befehl! , rief Zerbas. Schweiÿperlen glänzten auf seiner Stirn, als der Mörder sich in Bewegung setzte und unnachgiebig auf sie zustapfte. Noch nicht ... , murmelte er. Ihr Gegner hatte sie nun fast erreicht. Noch nicht ... Er leckte sich die gesprungenen Lippen und holte aus. Jetzt! , brüllte Zerbas und im selben Augenblick entfesselte die Magierin an seiner Seite ein Inferno. Wie aus den Mäulern zweier Drachen schossen Flammen aus ihren Händen und füllten das Gewölbe mit taghellem Licht. Gleichzeitig preschte der Hauptmann nach vorne, zog im Ausholen sein Schwert durch den Feuerschweif und zielte damit auf das Haupt ihres Widersachers. Worauf wartest du? , mahnte Hallia ihren Herrn und auch er hetzte mit gezücktem Dolch dem Feuer hinterher. Zischend schlugen die Strahlen auf den Brustpanzer des gefallenen Soldaten, umossen den Stahl und hüllten die dunkle Gestalt in eine ammende Aura. Unbeirrt setzte das spinnengleiche Monstrum seinen Weg fort und erst, als Zerbas Klinge heranraste, senkte es das Schwert. Der Hauptmann sah die Parade kommen, duckte sich unter dem Breitschwert weg und zog seinem Gegner im Vorüberrennen die glühende Klinge quer über die Beine. Doch selbst das genügte nicht, um das Ungeheuer zu Fall zu bringen. Erstaunlich behände rammte es dem vorübereilenden Hauptmann den Ellbogen in die Schläfe, senkte vollends die Wae und blockierte mit der Schneide die Feuerstrahlen. Veridian hatte schon ausgeholt, aber ein einziger Blick des Mörders lieÿ ihn den Angri abbrechen. Was konnte er schon ausrichten? Schritt um Schritt taumelte ihr Gegner auf Marlea zu, die in ihrer Verzweiung immer gröÿere Feuerstrahlen auf ihn schleuderte. Als sei er in der Esse geboren, watete der Mörder durch das Feuer, bis er schlieÿlich unmittelbar vor der Magierin stand. Nicht schon wieder. , murmelte sie voller Furcht, lieÿ die Flammen versiegen und beschwor einen Schutzschild, auf den keinen Herzschlag später die schwere Klinge ihres Gegners prallte. Das magische Geecht ackerte, doch noch hielt es stand. Wir müssen ihr helfen! , dachte Veridian, stürmte los und obwohl er wusste, dass sein Dolch wohl kaum etwas bewirken konnte, wirbelte er ihn vor sich her als sei er ein Schwertmeister. Ohne von der Magierin abzulassen, wendete ihr Kontrahent den Hals und starrte ihm unmittelbar in die Augen. Was willst du eigentlich tun, wenn du ihn erreicht hast? , dachte Hallia, während sie durch das düstere Gewölbe hechteten. Das ist erst der nächste Teil des Plans. , dachte Veridian atemlos zurück. Noch drei Schritte, dann hatte er den Riesen erreicht, der keinerlei Anstalten machte, sich zu verteidigen. Noch zwei Schritte und Marleas Schild ackerte abermals und tauchte den Keller für einen Wimpernschlag in Finsternis. Nur die Rüstung des Mörders strahlte noch ein warmes Glühen aus. Nun hatte Veridian ihn erreicht und tatsächlich riss die dunkle Gestalt ihr Schwert herum und schte ihn damit aus der Luft. Er hatte mehr Glück als Verstand, denn der hektische Schlag seines Gegners sorgte dafür, dass er ihn nur mit der breiten Seite seiner 42 Wae traf und nicht mit der Schneide. Dennoch war ihm, als hätte ihn ein Bulle gerammt, als er zu Fall kam und Kopf voran über das Paster schrammte. Ein Gutes jedoch hatte sein törichter Angri, denn er hatte Marlea genug Zeit gegeben, Abstand zwischen sich und die schwarze Gestalt zu bringen. Als der Mörder sich wieder umwandte war sie fort und mit einem frustrierten Schrei rammte er seine Wae in die Wand des Gewölbes. Mörtel und Trümmer wirbelten auf und mit einem bedrohlichen Knirschen brach eine Säule neben ihm in sich zusammen. Nur noch das glühende Eisen der Rüstung war durch die Staubwolke zu sehen, aus der sich langsam die ausgemergelten Umrisse des Mörders schälten. Benommen hob Veridian den Kopf vom kalten Paster. Weiter hinten im Dunkel lag Zerbas, das Schwert von sich gestreckt. Dahinter lehnte an einer Säule Marlea, die aus einer Wunde an der Stirn blutete. Der Weg für ihren Gegner war frei, und trotz seiner grässlichen Wunden steuerte er nicht auf die Treppe zu. Weiÿ und rot glänzten seine blutigen Zähne unter der geschwärzten Haut, als er sie zu einem schrecklichen Lächeln etschte. Gier lag in seinen Augen, grenzenlose Gier und ein Hass, der heiÿer brannte als das Feuer es getan hatte. Er wollte nicht iehen, denn noch hatte er eine Rechnung mit ihnen oen. Mit zusammengebissenen Zähnen schate Veridian es zumindest, wieder auf die Knie zu kommen. Aber es war nicht er, auf den der Mörder es abgesehen hatte. Stattdessen schritt er mit erhobenem Schwert auf die Magierin zu, die verzweifelt etwas in ihrer Tasche suchte. Hallia. , beschwor Veridian seine Gefährtin, die nur zögerlich seinen Körper verlieÿ, noch immer geschwächt von den Wunden, die das veruchte Schwert ihr gerissen hatte. Wie ein Pug wirbelte sie den Staub beiseite und warf sich auf die dunkle Gestalt. Für einen Moment glaubte Veridian, sie könne ihren Gegner zu Fall bringen, doch der taumelte nur, wandte sich um und hackte mit seinem Schwert durch die Luft, als sei er von einem Bienenschwarm umgeben. Hallia hatte ihre Lektion gelernt und zog sich augenblicklich zurück. Unterdessen hatte Marlea gefunden, was sie gesucht hatte, ein weiteres Fläschchen mit grüner Essenz, die im Halbdunkel fahl leuchtete. Hastig stürzte sie es herunter, während der Mörder schon das Schwert hob. Mit einer verzweifelten Anstrengung kam Veridian auf die Beine und wollte abermals losrennen, um sie zu schützen, aber da ging das Schwert auch schon auf sie nieder. Dieses Mal lieÿ der Mörder sich nicht beirren und zielte auf ihren ungeschützten Hals. Grell blitzte das Licht ihrer Magie auf, als der Schild sich wie üssiges Glas über ihr zusammensetzte. Es war ein verzweifeltes Wettrennen, zwischen dem Licht und der dunklen Klinge, das sich innerhalb eines Herzschlags entschied. Tief war das veruchte Schwert gesunken, doch als das magische Leuchten es umng, wurde sein Vormarsch gebremst. Mit einem frustrierten Brüllen legte der Mörder die zweite Hand an die Klinge, die mit einem hässlichen Zischen auf den Schutzschild drückte. Marlea stand der Schweiÿ im Gesicht, aber befeuert durch den Magietrank hielt sie dem Angri stand. Warum... , murmelte sie, stand auf und drückte den Schild gegen sein Schwert. Stirbst .... Wenn ihr verkohlter Gegner noch so etwas wie Angst empnden konnte, dann mochte es wohl 43 das sein, was nun in seinen Augen glitzerte. Du.... Nun standen sich beide gegenüber, Magierin und gefallener Soldat, jeder nur auf eines bedacht, die Wae ans Ziel zu bringen. Nicht... , grollte Marlea und lieÿ ihren Schild um das Schwert herumieÿen. Dutzende Dornen aus strahlendem Licht suchten sich langsam aber sicher ihren Weg. Endlich! , brüllte die Magierin und ein gleiÿend weiÿer Puls schoss durch das magische Netz, mit dem hunderte Spitzen das Gesicht des Mörders erreichten. Einer der Dornen zielte auf sein Auge, so nah, dass Veridian schon vom Hinsehen ganz übel wurde. Doch der Triumph sollte ihnen verwehrt bleiben, denn mit einem Mal ammte das dunkle Schwert in blauem Feuer auf und befreite sich aus der Umarmung der magischen Energien. Wütend kappte der Mörder die magischen Spitzen und zog sich schwer atmend zurück. Es kostet ihn viel, das Feuer zu rufen. , schloss Hallia in Veridians Geist. Er ist hungrig. , antwortete ihr Gefährte und eilte zu Marlea. Beschäftige ihn. , befahl die blonde Magierin und eilte fort. Perplex streckte Veridian dem Mörder den Dolch entgegen, doch der machte keine Anstalten, ihn anzugreifen. Wie ein lauernder Tiger funkelte er ihn an, ohne auch nur eine Wimper zu bewegen. Derweil beugte Marlea sich zu ihrem Hauptmann hinunter, begutachtete die Wunde an seiner Stirn und sprach kurzerhand einen Heilzauber. Benommen rieb Zerbas sich die Schläfen, dann begri er, wo er war, packte sein Schwert und sprang zitternd auf die Beine. Wie stehen wir? , fragte er benommen, trat neben Veridian und blickte den reglosen Mörder an. Noch leben wir. , antwortete sein Gefährte, Noch. Marlea trat neben die beiden. Und ich habe gerade meinen letzten Trank getrunken. , sprach sie, Lange halte ich nicht mehr durch. Der Hauptmann nickte und sah seinem ehemaligen Untergebenen in die blutroten Augen. Und er? , fragte er. Steht, bis wir ihm alle Knochen brechen. , vermutete Marlea, Er ist stärker, als der letzte Träger des Schwertes es war. Zerbas ballte die Faust um seine Wae, dass seine Knöchel nur so knackten. Wir werden sehen. , grollte er und trat an seinen beiden Gefährten vorbei. Er wird doch nicht... , murmelte Marlea und wollte ihn aufhalten. Veridian hielt sie zurück. Er muss das austragen. Voll tödlicher Entschlossenheit ging der Hauptmann auf den wartenden Mörder zu und kaum holte er aus, da erwachte die dunkle Gestalt zum Leben. Mühelos wehrte sie den ersten Hieb ihres ehemaligen Hauptmanns ab, doch der hatte gerade erst begonnen. Mit einem Ausfallschritt wich er dem Gegenangri aus und während das Schwert des Mörders wie ein Hammer zu Boden ging, verpasste er der dürren Gestalt einen Tritt in die Magengrube. Sein Gegner wankte nicht. Ohne sich davon beirren zu lassen, setzte Zerbas einen weiteren Hieb nach, die Klinge beügelt von kalter Wut. Aber der Angri ging ins Leere. Du hast dem Imperium einen Eid geschworen! , brüllte er und holte abermals aus, nur um seine Klinge gegen die des Mörders zu schlagen. Und nun?! Er rammte der dunklen Gestalt über die gekreuzten Klingen den Schädel in die Nase, riss das Schwert zurück und stach zu, nur, um die Rüstung zu treen. Er kämpft wie ein Derwisch. , murmelte Veridian, als sein Gefährte wieder und wieder zustach, jedes Mal mit gröÿerer Wut, aber dennoch vergeblich. Er kämpft wie ein Todgeweihter. , erwiderte Marlea. 44 Sie mochte Recht haben, denn der Mörder wehrte trotz der schwereren Wae die schnelleren Schläge mühelos ab, was Zerbas nur noch mehr in Rage versetzte. Immer rasender prasselten die Hiebe auf den Mörder ein und selbst, wenn sie seine Haut streiften, Zerbas hätte genauso gut auf einen Sack Fleisch einprügeln können. Schlieÿlich machte der Hauptmann einen Fehler, das breite Schwert des Mörders wischte seines beiseite und prallte donnernd auf seinen den Brustpanzer. Mit einem Kreischen wie aus dem Maul einer Harpyie schleifte die Klinge über den Stahl und schickte Zerbas gegen die nächste Säule. Während er noch nach Luft schnappte, setzte der Mörder ihm nach. Ob er sich was beweisen muss, oder nicht. , murmelte Marlea, Ich seh mir das nicht mit an! Eilig beschwor sie eine Feuerkugel und schleuderte sie zwischen die beiden Kämpfer. Schon hatte der Mörder ausgeholt und zielte auf Zerbas' Kehle, doch als sein Schwert nach vorne schoss kreuzte sein Weg das magische Geschoss und wurde abgelenkt, gerade weit genug, dass es neben dem Schädel des Hauptmanns ins Gestein schoss. Worauf wartest du noch? , fragte Hallia ihren Herrn, der ein wenig perplex den Dolch in seiner Hand ansah. Wer-fen. , setzte sie ungeduldig nach und er begri. Zwar war er sich nicht sicher, dass er sein Ziel treen würde, aber was sonst konnte er ausrichten? Die Gelegenheit war günstig, denn die Klinge des Mörders steckte tief in der Säule. Also gut. , dachte er zurück, holte aus und zielte zwischen die feuerroten Augen ihres Gegners. Es war ein erbärmlicher Wurf, ohne Kraft und weit daneben, doch kaum hatte das Messer seine Hand verlassen, da folgte ihm ein Wind, der es wie auf einer unsichtbaren Straÿe zum Ziel hinführte. Der Mörder sah es wohl kommen, aber er war nicht willens, seine Wae loszulassen. Zur gleichen Zeit hatte Zerbas sein Schwert gehoben und drohte, zuzuschlagen. Wir haben ihn! , dachte Veridian triumphierend, als sein Geschoss nur noch eine Handbreit von seinem Ziel entfernt war. Doch er sollte sich irren. Anstatt das Schwert herauszuziehen, warf der Mörder sich mit aller Kraft dagegen, drücke es im letzten Augenblick durch die zerbröselnde Säule und entging so dem Messer, das seinen Nacken nur um Haaresbreite verfehlte. Schutt und Scherben stieben zu allen Seiten, als die Säule unter dem Druck der beiden Männer nachgab. Zerbas ächzte auf, als er zu Boden ging und der Mörder über ihm zu liegen kam. Das Schwert war ihm aus der Hand gefallen, doch seine Hände fanden einen Ziegelstein, den er dem Monstrum über den Schädel zog, noch bevor sich der Staub gelegt hatte. Es brauchte drei Schläge, bis das Ungeheuer schlieÿlich von ihm herunterrollte und sich aufrichtete, als hinge es an unsichtbaren Fäden. Unnachgiebig kämpfte sich der Hauptmann auf die Beine, das Gesicht grau und rot von Blut und Staub. Vor ihm im Schutt steckte das Schwert des Mörders, wie ein Stachel in einer Wunde. Noch war sein Gegner nicht auf den Beinen. Zerbas gri nach dem Heft der veruchten Klinge, doch er zögerte, sie vollends zu ergreifen. Atemlos folgte Veridian seiner Hand. In ihm schrie der Schutzgeist eine Warnung, aber er war zu gebannt, um ihr eine Stimme zu verleihen. Hinter dir! , brüllte Marlea und ein weiterer Feuerball ammte auf, nur um zwischen Hauptmann und Schwert hindurchzurasen und am Brustpanzer des Mörders zu zerschellen. Zerbas sah seine Faust aus den Augenwinkeln kommen, aber es war schon zu spät. 45 Mit einem gewaltigen Kinnhaken schleuderte der Mörder ihn beiseite und gri nach dem Heft seines Schwerts wie ein Ertrinkender nach festem Land. Zerbas ging unsanft zu Boden, doch noch im Fall schrie er einen Befehl. Jetzt, Marlea! Er hatte Recht, ihr Gegner zerrte an seiner Wae wie ein Wahnsinniger und bot so ein leichtes Ziel. Veridian wünschte sich, er hätte noch einen Dolch. Die Magierin lieÿ sich nicht zweimal bitten, beschwor in ihren zitternden Fingern silbernes Licht und webte damit eine weitere Lanze. Beinahe schon hatte sie das Geschoss vollendet, als es plötzlich zu ackern begann und sich schlieÿlich in tausende Funken auöste, die sich glimmend in dem dunklen Keller verteilten. Vermaledeit! , uchte Marlea, als sich ihr letzter Trumpf in Sternenstaub auöste. Ihre magischen Energien waren versiegt. Verzweiung legte sich über Veridian und seinen Schutzgeist gleichermaÿen. Wir müssen iehen , ehte Hallia, bevor er das Schwert aus dem Stein zieht! Die Wae knirschte unter den unablässigen Anstrengungen des Mörders, doch er hatte sie mit solcher Macht in den Boden getrieben, dass ihnen noch ein paar Sekunden blieben. Rückzug! , rief Veridian und wandte sich um, aber eine wütende Stimme hielt ihn zurück. Niemals! , bellte Zerbas, der schwer atmend an einer Säule lehnte, blutüberströmt von seinem Sturz durch die Trümmer. Nicht dieses Mal! Marlea blickte zwischen den beiden Männern hin und her, in ihr kämpften zweifellos Loyalität und Überlebenswillen. Wir können nichts ausrichten! , brüllte Veridian zurück, aber der Hauptmann wollte es nicht hören. Ächzend hob er einen Stein auf und warf ihn nach dem Mörder, der ihn wie eine lästige Fliege beiseitewischte. Da brauchen wir schon einen gröÿeren Stein. , dachte Hallia und während sie Herrn weiter zur Flucht drängte, brachte ihr Gedanke in seinem Geist reiche Frucht. Steine. , murmelte er und blickte zur Decke des Gewölbes, von der noch immer der Staub rieselte. Hallia schüttelte in seinem Geist den Kopf. Nein... , murmelte sie, Das ist... Wahnsinn. , sprach Veridian laut, worauf seine beiden Gefährten sich umwandten. Sag ihnen Bescheid. , befahl er dem Schutzgeist. Die Gelegenheit war schnell verstrichen und Worte waren zu langsam. Auÿerdem verrieten sie die Absicht ihrem stummen Feind. Ich habe keinen festen Körper. , warnte der Windgeist ihn, während er seinen Körper verlieÿ, Ganz im Gegensatz zu euch Menschen! Ein Knirschen füllte den Keller, gefolgt von einem triumphalen Schrei. Ihr Gegner hatte seine schreckliche Wae gelöst. Im selben Moment erreichte Hallia die Magierin. In einen fremden Geist einzudringen war eine Erfahrung, die ein Mensch wohl nur verstehen konnte, wenn er zum Gott gekürt wurde. Für den Auÿenstehenden mochten nur Sekunden vergehen, doch zwischen Schutzgeist und Wirt verstrichen mit jedem Herzschlag Tage. Hallia spürte, dass sie nicht willkommen war, aber die Dringlichkeit ihrer Nachricht lieÿ ihr keine Zeit für Höichkeiten. Dennoch war es nicht zu vermeiden, von Marleas Leben zu kosten. Da war die Kindheit, weit im Westen, in einem Land, dessen Namen sie schier vergessen hatte. Die Kindheit war leider nicht von Dauer, denn da war ein Turm, in dem all das ein Ende gefunden hatte. Viel zu früh auf sich allein gestellt, hatte das Leben die Magierin hart gemacht und auch wenn sie ihre Schwächen zu verbergen gedachte, so zeichnete ihre Seele doch eine bewegte Geschichte. Gossenmagierin war sie gewesen, bis sie ihr verschlungener Weg nach Titania geführt 46 hatte. Und trotz des harten Schicksals war da eine Wärme in ihrem Herzen, eine grimmige Zuversicht, wie Hallia sie seit Jahrhunderten nicht mehr gespürt hatte. Sie hatte sich an Veridian gebunden, doch dies war eine Seele, in der sie auch hätte wohnen können. Raus aus meinem Kopf. , befahl Marlea und das Bild des Mörders, der gerade das Schwert hob, füllte ihre Gedanken. Die Wae füllte das Herz der jungen Frau mit einer Furcht, die sie seit dem dunklen Turm nicht mehr gefühlt hatte. Schon einmal hatte der Träger dieses Schwertes ihr um ein Haar das Leben genommen. Wir können ihn schlagen! , versprach Hallia, Wenn du tust, was ich dir sage. Sie spürte Marleas Misstrauen und konnte es ihr nicht verdenken. Als sie jedoch den Plan erklärte, da stimmten sie einander zu. Es war schwer, sich von Marleas Geist zu lösen, schwerer, als es manchen Menschen el, die Lippen vom Weinglas zu lösen. Aber dies war keine Zeit, um einander kennenzulernen. Ihr Gegner hatte seine Wae indes hoch über den Kopf gehoben und es war nur noch eine Frage von Sekunden, bis er den nächsten Angri begann. Dann war alles zu spät. In Windeseile wehte Hallia zu ihrem anderen Gefährten, dem Hauptmann Zerbas. Zwar widerstrebte es ihr, die innersten Gedanken mit ihm zu teilen, aber immerhin würde sie erfahren, was in seinem Granitschädel vorging. Sich mit seinem Geist zu verbinden, war gänzlich anders. Ordnung, das war der Grundpfeiler, auf den Zerbas sein Leben gebaut hatte, wofür er kämpfte und woran er glaubte. Die Straÿen von Karnapolis waren sein Zuhause gewesen und jeden Abend hatte er aufgesehen zu dem makellosen Palast des Imperators, dem Mann, der all das verkörperte, woran er glaubte. Das Imperium hatte seinem Vater Lohn und Brot gegeben und als Karns Engel ihm das Leben retteten, da war sich Zerbas gewiss, dass er an ihrer Seite kämpfen oder sterben würde. Ordnungsliebe war ein hartes Los, aber er hatte es ohne zu klagen getragen und obwohl Hallia seine Sturheit nicht verstehen konnte, so kam sie nicht umhin, ihn zu bewundern. Doch ein dunkler Schatten lag über seinem Opfer, die dreifache Niederlage, im Wald von Vivana, beim Turnier und schlieÿlich gegen die Blaue Königin. In einem Herzschlag fühlte der Windgeist jede von ihnen nach und so sehr sie sich wehren wollte, sein Eifer steckte sie an. Tief darunter allerdings, tiefer, als er selbst jemals zu schauen gewagt hätte, da waren andere Dinge, Gefühle, die er sich selbst niemals eingestanden hätte... Hallia. , stellte er trocken fest, als er ihre Gegenwart bemerkte. Schön hast du es hier. , gab sie spitz zurück und es war, als hätte sie einen Stein ins Wasser geworfen. Der Hauptmann wusste, seine Geheimnisse zu verbergen. Wir haben keine Zeit für Spiele. , erklärte er wütend und in seinem Geist erschien der Mörder. Groÿ und schrecklich war er auch vor Zerbas innerem Auge, aber was sie überraschte, war, dass seine Züge denen des Hauptmanns ähnlicher waren, als sie es hätten sein dürften. Veridian hat eine Idee. , begann sie, Aber wir müssen alle gleichzeitig handeln. Er war bereit, sich jeden Plan anzuhören und auch wenn er an ihrem zweifelte, musste er zugeben, dass er keinen besseren hatte. Halb aus eigener Kraft und halb vertrieben löste sie sich aus seinen Gedanken und kehrte in ihre körperliche Form zurück. Das Schwert ihres dunklen Gegners hatte indes sein Zenit erreicht und er peilte Veridian als sein nächstes Opfer an. Jetzt! , donnerte Hallia und stürzte auf die nächste Säule des Gewölbes zu. Vier 47 Pfeiler umgaben den Mörder, der in den Überresten des fünften stand. Wenn sie elen, dann brach alles zusammen, doch wenn auch nur einer der vier Gefährten versagte, dann wurde vielleicht auch er unter den Trümmern begraben. Wie ein Orkan nahm der Windgeist an Fahrt auf, riss Staub und Trümmer mit sich und fuhr mit solcher Macht in die Säule, dass der Stein nur so barst. Neben ihr rammte Hauptmann Zerbas die gepanzerte Schulter in die porösen Ziegel und schate es tatsächlich, den morschen Stein zu durchbrechen. Marlea kratzte indes ihre letzten magischen Energien zusammen, ballte sie zu einem wütenden Feuerstoÿ und fegte damit ihre Säule beiseite. Blieb nur noch Veridian, der Anlauf genommen hatte und mit zwei gestreckten Beinen gegen den letzten Pfeiler sprang. Ob es Glück war oder der Schaden, den seine Kameraden zur gleichen Zeit anrichteten, auch bei ihm gaben die Steine nach. Ein höllisches Krachen ging durch die Decke, als trampele über ihnen eine Horde Dreyhörner einen Urwald nieder. Wie ein Blitz mit dem Donner schoss zur gleichen Zeit ein Riss durch das Gewölbe und noch ehe ihr dunkler Gegner wusste, wie ihm geschah, brach ein Regen von Felsen über ihn herein. Staub schoss wie ein Ring auf die vier Abenteurer zu und während Zerbas noch Raus! , brüllte, hüllte die Finsternis sie ein. Rasend schnell donnerten weitere Felsen zu Boden und als Veridian sich hustend aufrappelte, brach neben ihm ein hölzerner Pfeiler durch die Decke und stürzte wie ein Hammer an den Ort, an dem er gerade noch gelegen hatte. Blind eilte er in die Richtung, in der er den Treppenaufgang vermutete, während um ihn herum das Haus zusammenstürzte. Unmittelbar vor ihm stürzte eine Lawine von Trümmern durch ein Loch in der Decke und hätte ihn schier begraben. Mit klingelnden Ohren wich er zurück, unsicher, in welche Richtung, er weitergehen sollte. Schon glaubte er sich verloren, als durch den Staub Zerbas auf ihn zustolperte. Er wollte ihm etwas zubrüllen, doch das Getöse verschluckte seine Worte. Also riss er ihn kurzerhand mit sich und stürzte durch den Steinregen. Der Staub wurde immer dichter und mehrere Male verfehlten sie fallende Trümmer nur um Haaresbreite. Es war ein tödlicher Wettlauf und mit jedem Schritt, den sie taten, drohte das Glück sie im Stich zu lassen. Ein Schemen stolperte ihnen aus der Finsternis entgegen, Marlea, mit blutüberströmtem Gesicht. Noch ehe die beiden sie auangen konnten, el sie vor ihnen zu Boden. Und obwohl um sie herum die Welt unterging, war keiner der beiden Freunde bereit, sie dort liegen zu lassen. Gemeinsam zogen sie sie auf die Beine, aber die winzige Verzögerung genügte, damit die Lawine sie einholte. Über ihnen splitterte ein Balken, doch im Getöse sahen sie die Felsen erst herannahen, als es zu spät war. Instinktiv hob Veridian die Arme vor den Kopf und ebenso instinktiv schirmte Zerbas Marlea mit seinem Körper ab. Doch gegen die Tonnen von Schutt, die auf sie herabrasten, waren diese Gesten nutzlos. Schon glaubten sie, ihr Ende sei gekommen, als sich mit einem Mal ein Wind um sie erhob und den schwarzen Staub beiseitewischte. Wie Donnerschläge prallten die Trümmer über ihnen ineinander, aber es war, als seien sie von einer unsichtbaren Kugel umgeben. Hallia... , hustete Veridian, worauf die Luft um sie herum wie zur Antwort bläulich aueuchtete. Mit einer weiteren Böe riss sie eine Kluft in die Wolkenwand, an deren Ende sich der rettende Ausgang befand. Die drei Gefährten lieÿen sich nicht zweimal bitten, rappelten sich auf und hasteten 48 Schulter an Schulter durch das zusammenbrechende Gewölbe. Hätte der Windgeist nicht inmitten des Getöses seine schützende Hand über sie gehalten, sie wären zweifellos von den Trümmern erschlagen worden. Mit letzter Kraft erklommen sie die Treppe und kaum hatten sie das Erdgeschoss erreicht, da brach der Keller mit einem letzten Donnern vollends in sich zusammen. Zum Tor! , brüllte Zerbas, doch das war einfacher gesagt, als getan, denn die Felsen, die das Gewölbe gefüllt hatten stammten aus den oberen Stockwerken. Eine Seitenwand war eingestürzt und zwischen ihnen und der Freiheit lag ein Labyrinth aus klaenden Rissen, Trümmerhaufen und gestürzten Balken. Über ihnen grollte der Dachstuhl und es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis das Haus über seinem zertrümmerten Fundament zusammenbrach. Aber so gefährlich der Weg auch sein mochte, jedes Zögern brachte den sicheren Tod mit sich. Unter Führung von Zerbas wagten die drei sich in das Trümmerfeld, balancierten über eine Mauer, an deren Seiten gähnende Löcher klaten, wichen einem Schauer herabfallender Ziegel aus, nutzten einen gefallenen Balken als Brücke und erreichten atemlos das Tor der Winzerei. Dicht gefolgt von einer Staublawine gelangten die drei ins Freie und wie in einem letzten Aufbäumen brach hinter ihnen die Wand entzwei und das Gebäude sank mit einem letzten ohrenbetäubenden Donnern in sich zusammen. Die Schockwelle riss die drei Flüchtigen von ihren Füÿen, aber sie waren bereits in Sicherheit. Wie ein böser Geist erhob sich eine schwarze Staubwolke aus dem zusammenbrechenden Gebäude, dunkler noch als der Nachthimmel. Für einen Herzschlag verdeckte sie die Sterne, dann erhob sich ein triumphaler Wind und zerstreute sie. Fassungslos starrten die drei Gefährten einander an. Sie hatten tatsächlich überlebt. Toller Plan. , murmelte Marlea grimmig, wischte sich das Blut von der Stirn und setzte sich auf. Um sie herum standen zwei Dutzend imperiale Soldaten, die das Spektakel mit ungläubigem Staunen betrachtet hatten. Hilf mir mal jemand hoch? , fragte Marlea ungehalten, worauf ihr augenblicklich zwei der Männer zur Hilfe eilten. Auch die beiden anderen versuchten, auf die Beine zu kommen. Seid ihr in Ordnung, Hauptmann? , fragte einer der Soldaten und reichte Zerbas die Hand. Der schüttelte nur den Kopf, richtete sich aus eigener Kraft auf und blickte in die Ruine. Ist auÿer uns irgendjemand herausgekommen? , fragte er. Sein Untergebener schüttelte den Kopf. Dann habe ich mich nie besser gefühlt. , meinte darauf der Hauptmann mit einem matten Lächeln. Er trat zu Veridian, der immer noch schwer atmend auf dem Paster lag und half ihm auf. Wortlos nickten sie einander zu und sahen auf das Chaos, das sie angerichtet hatten. Nach all dem Tumult lag nun eine schier überirdische Stille über dem Schlachtfeld. Zufrieden wischte Zerbas sich das Blut aus dem Mundwinkel. Sein Freund konnte gut nachspüren, was in ihm vorging. Nach all den Niederlagen war der Gerechtigkeit wenigstens dieses Mal Genüge getan. Ein sanfter Wind ging durch die nächtliche Gasse und lieÿ den Staub vor ihren Füÿen tanzen. Hallia? , fragte der Hauptmann und Veridian wusste nicht, ob er seine Gefährtin oder ihn meinte. Sie ist nicht bei mir. , erklärte er, Unser Gegner hat nicht nur uns übel zugesetzt... Alle Freude über den Sieg war wie weggewischt. Vielleicht war das 49 letzte Opfer, das sie gebracht hat, zu groÿ... , murmelte der Hauptmann. Das würde dir so passen. , hauchte da der Wind an seinem Ohr, Dass ich so einfach abtrete. Vor den Augen der Kameraden erschien ihr Bild wie die letzten Strahlen des verlöschenden Lichts. Bist du...? , fragte Veridian voller Sorge und bot seiner Gefährtin die Hand. Dankbar kehrte sie in seinen Körper zurück und augenblicklich war ihm, als seien sein Schmerz und seine Müdigkeit verzehnfacht worden. Sie ist schwer verwundet. , begann er, doch der Schutzgeist schnitt ihm buchstäblich mit seiner eigenen Zunge das Wort ab. Ich trete noch nicht ab. , erklärte sie durch ihn, Aber ich will schlafen und wenn du so freundlich wärst, könntest du einen halben Ochsen verspeisen, so für den Anfang? Zerbas lächelte. Erhole dich gut, Windgeist. , sprach er, Dann unterhalten wir uns darüber, was du in meinem Kopf zu suchen hattest. Veridian lächelte in Einheit mit seiner Kameradin. Sie sagt, sie wird deine Geheimnisse wahren, zumindest die schmutzigsten. , erklärte er schalkhaft, Auÿerdem kann sie nicht erwarten, zu hören, wie du das hier deinem Statthalter erklärst. Veridians Gesichtszüge wurden hart, aber er rang sich ein trockenes Lachen ab. Das wüsste ich auch gerne. Ein Geruch von Rost und Staub wehte Veridian entgegen, als der alte Wächter ihm das Tor zum Zeughaus önete. Nur zu. , sprach der grimmige Soldat, Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit. Wetten, dass das eine Lüge war? , spottete Hallia in Veridians Kopf, als er das Portal durchschritt. Im Inneren reihten sich Dutzende von Regalen in langen Reihen. Auf ihnen lag alles, was das Kriegerherz sich nur ersehen konnte: Rüstzeug, Schwerter, Pfeile und Schilde türmten sich auf den staubigen Brettern, dazwischen Kisten, Kästen und Säcke, die wohl allerlei Wunderdinge enthalten mochten. Folgt mir. , befahl der Wächter barsch und bog in einen der Gänge ein. All der Krimskrams. , dachte Hallia, Ihr Menschen seid schon seltsam. Veridian grinste, was den Soldaten dazu veranlasste, eine Augenbraue zu heben. Wenn du weiter so frech bist , erwiderte Veridian in Gedanken, dann sperre ich dich in eine Flasche. Er zeigte auf ein Regalbrett, wo ein Dutzend bunter Glasgefäÿe standen. Sie formte vor seinem inneren Auge eine entschuldigende Verbeugung, was ihn nun endgültig zum Lachen brachte. Immer schicken sie mir die Idioten. , murmelte der alte Soldat kaum hörbar und bog ab. Sie passierten weitere Regale. Veridian kam nicht umhin, seiner Gefährtin zuzustimmen. Was hier lag, war tatsächlich nur Plunder. Da reihte sich ein Glas mit verbogenen Nägeln an einen Stapel zerlumpter Tücher, dazwischen allerlei Unnützes von guten Dutzend Korkenziehern bis hin zu einer silbernen Schnupftabakdose. Wie lange das Zeug wohl schon hier lag, Jahre, Jahrzehnte, Jahrhunderte vielleicht? In diesen dunklen Gängen wurde ihm zum ersten Mal das Ausmaÿ des Imperiums begreiich. Solch ein Reich hatte einen langen Atem, der den Einzelnen lang überdauerte. Vielleicht war es das, was seinen Freund dazu brachte, Karn zu dienen. Dort vorne ist der Hauptmann. Die Stimme seiner Begleiterin riss Veridian aus seinen 50 Gedanken. Sie waren ins Herz des Arsenals vorgedrungen, einem Ort verloren in dem Meer aus Gängen. Auf einem steinernen Sockel stand eine Vitrine und hinter dem Glas das dunkle Schwert des Mörders. Es schien das Licht der Fackel einfach zu schlucken, als sei es nicht wirklich da, sondern nur ein Loch, an dem etwas anderes fehlte. Habt ihr es also ausgegraben. , sprach Veridian düster und trat neben Zerbas, der vor dem Glas stand und die Wae mit festen Augen musterte. Niemand hat sie angefasst. , erklärte er, Wie wir es besprochen haben. Veridian nickte zufrieden. Dann hat der Wahnsinn hier ein Ende. Hallia löste sich von ihm und erschien, was dem alten Wächter glatt die Pfeife aus dem Mund fallen lieÿ. Warum bewahrt ihr sie dann auf ? , fragte sie, Als Andenken? Auf diese Worte hin maÿ der Hauptmann sie mit einem strengen Blick, doch konnte er die Wiedersehensfreude dahinter nicht ganz verbergen. Mir wäre es lieber gewesen, sie ins tiefste Meer zu werfen. , sprach er, Doch der Statthalter will sie aufbewahren. Der Windgeist rollte mit den Augen. Töricht... Zerbas nickte. Karn wird davon erfahren. , versprach er, Vielleicht weiÿ er, was es mit dem Schwert auf sich hat. Hallia umoss die Vitrine wie um sicherzugehen, dass sie sich nicht önen lieÿ. Die vierzehn Götter. , sprach sie zu sich selbst. Zerbas nickte. Das würde zu ihnen passen. Ein Relikt aus dem Krieg der Götter vielleicht. Nur schwer konnte sie sich losreiÿen, dann aber wandte sie sich um und gerann vor dem Imperialen in einer Gestalt, die Veridian unbekannt war. Die Blaue Königin. , erklärte Zerbas tonlos, Lustig. Ich bin nur neugierig... , erklärte der Windgeist unschuldig und wechselte wieder seine Gestalt, Wie deine Geschichte ausgegangen ist. Veridian nickte. Das bin ich allerdings auch. Ich bleibe in Titania. , antwortete der Hauptmann, Und diene dort, wo der Imperator mich haben will. Er bleckte die Zähne zu einem grimmigen Lächeln. Ich könnte Hilfe gebrauchen. Hallia tauschte einen Blick mit ihrem Herrn. Danke. , antwortete Veridian. Aber nein danke. , schloss Hallia. Zu schade. , meinte Zerbas, Krieger von eurem Schlag ndet man nicht alle Tage. Mit einem Kichern maÿ der Windgeist Veridian, dem das gar nicht geel. Krieger... , hauchte sie. Hey! , beschwerte er sich. Der Hauptmann schüttelte amüsiert den Kopf. Marlea bestellt übrigens ihre Grüÿe. , sprach er, Sagt, ich soll einem von euch danken und dem anderen eine Kopfnuss verpassen. Versuchs nur. , erwiderte Hallia spitz, dann hielt sie mit gespielter Verwirrung inne und zeigte auf ihren Kameraden. Er ist nicht so durchlässig wie ich. Zerbas ballte scherzhaft eine Hand zur Faust, dann besann er sich eines Besseren. Gut für euch, das Marlea keine Befehlsgewalt über mich hat. Er warf einen letzten Blick auf das dunkle Schwert und wandte sich mit einem Schaudern ab. Genug von diesem dunklen Ort. , erklärte er, Wir haben einen groÿen Sieg errungen. Das muss gebührend gefeiert werden. Er wandte sich an den Wächter. Niemand darf diese Wae an sich nehmen. , befahl er, Unter keinen Umständen! Der alte Soldat nickte geissentlich und sah unschlüssig in die Vitrine. Es war besser, wenn er nicht wusste, was genau es war, das er bewachte. 51 Die drei Freunde wandten sich indes zum Gehen. Eines muss man euch Imperialen lassen. , sprach Hallia spöttisch, Ihr habt einen guten Sinn für Ordnung. Der Hauptmann nickte. Ordnung ist das Fundament, auf dem das Imperium gebaut ist. , sprach er ohne jede Ironie, Und ich versichere euch, es ist stabiler als das einer gewissen Winzerei. Hoen wir es. , meinte Veridian grinsend, Wo wir gerade von Wein sprechen, als Hauptmann bekommst du doch sicherlich einen schönen Sold. Der Imperiale wiegte zweifelnd mit dem Kopf. Für ein paar Becher Wein wird es noch reichen. Das wollte ich hören. , meinte sein Nebenmann zufrieden, So lange es nur kein Titania Sonnentrunk ist. 52 Intermedium 53 In einer Wolke aus blauem Feuer erschien der Gott des Todes über der Ruine. Rastlos lieÿ er seinen Blick über die Trümmer schweifen. Zu spät, wie so oft. Der Tod war bereits hiergewesen. Mit einem einzigen Gedanken teleportierte er auf einen zerbrochen Balken und suchte in den Trümmern nach einer Spur des Schwerts. Doch er wusste ohnehin schon, dass es vergebens war. Azaroyd war nicht hier, denn in solch einer Nähe hätte er die Klinge gespürt, dieses dunkle Verlangen, sich wiederzuvereinigen mit dem Stück seiner Seele, das noch immer im Stahl gefangen war. Asdanams Seele, korrigierte er sich in Gedanken, aber was bedeutete das schon? Er trug die andere Hälfte der Seele in sich und so spürte er ihr Verlangen. Unsterblichkeit vermochte das Schwert zu verleihen, doch die hatte ihren Preis. Ein Menschenleben für jeden einzelnen Tag. Schloss man von der Verwüstung, die ihn umgab, so war wohl jemand bereit gewesen, zu zahlen. Er blickte über die Trümmer hinweg. Mehr Zeit. Letzten Endes war es auch das, was er suchte. Athariel zog eine goldene Kette aus dem schwarzen Wams und lieÿ sie abwesend durch seine Finger gleiten. Was scherte ihn die Ewigkeit? Es war nur eine Minute die er brauchte, einen Augenblick am rechten Ort, im Moment ihres Todes. Obwohl er schneller war, als Wind und Blitz es vermochten, war er doch zu spät gewesen. Er hob das Amulett an seine Stirn, als könne das kühle Metall ihm Linderung verschaffen. Kaum schloss er die Augen, da sah er sie wieder dort liegen, am Fuÿ der Treppe, wie eine zerbrochene Puppe. Ich kann dich nicht heilen ... Das waren die letzten Worte gewesen, die er dem geliebten Mädchen gesagt hatte und sie hatten sich in ihn eingebrannt, wie kein Eisen es je hätte vermögen können. Er küsste das Schmuckstück und verstaute es in seiner Tasche. Ich werde dich fangen. , üsterte er wie einen Eid, dann teleportierte er auf einen Mauerrest. Obwohl er wusste, dass es vergebens war, wischte er mit einem Windzauber den Staub beiseite. Nichts, auÿer Trümmern und Gerümpel. Vermaledeit. Er schloss die Augen, um sich eines Ortes zu entsinnen, an dem er seine Suche fortsetzen konnte. Der ganze Planet war nur einen Gedanken entfernt und doch wusste er nicht, wohin. Du hättest auch mich heilen können. , hörte er da eine Stimme aus dem Dunkel seiner Gedanken, wohlvertraut wie die erste und nicht mit weniger Schmerz verbunden. Ithymia, die Göttin der Liebe. Wie viele Jahre war es her? Wenn Lorzhan das Schwert geraubt hatte, dann wusste sie vielleicht davon. Er dachte nicht gerne an sie, zu viel war gesagt worden und zu vieles nicht. Nein. Er wollte ihr nicht gegenübertreten. Noch nicht... Wenn Lorzhan tatsächlich das Schwert hatte, dann gab es einen Ort, an den er zweifellos zurückkehren würde, um Rache zu nehmen. Das blaue Feuer verschlang den Gott und kaum war es erloschen, da war er verschwunden. Weit fort von der verlassenen Ruine önete Athariel die Augen. Es regnete... 55 Zweiter Akt 57 Der Winter war über Titania eingebrochen und hatte die Stadt unter einer weiÿen Decke aus Neuschnee begraben. Ganz im Gegensatz zu Veridian schien Hallia die Kälte regelrecht zu genieÿen und liebte es, mit den Nordwinden Fangen zu spielen. Ein Windgeist. , murmelte Veridian und zog sich fröstelnd den Mantel um die Schultern, Hätte ich nicht einen Feuergeist nden können? Das Segel über ihm aute ab und ein scharfer Wind hätte ihn schier über Bord des kleinen Kahns geworfen. Das habe ich gehört. , verkündete Hallia und gerann neben ihm zu einer frostblauen Gestalt. Sei froh, es gibt auch Schutzgeister, die aus Eis bestehen. Er klapperte zur Antwort mit den Zähnen, dann wies er auf den Kanal vor ihnen, an dessen Rändern sich schon Eisschollen bildeten. Hoentlich friert das Fahrwasser nicht zu. Sie sandte einen Windstoÿ in den Fluss, der die Wellen aufwirbelte und die Eisschicht zertrümmerte. Wasser friert nicht so leicht, wenn es ieÿt. , meinte sie, Und das kann ich bewerkstelligen. Er nickte zufrieden, dann wies er auf das Segel. Weiter geht's. Sie wechselte ihre Form und erschien nun als grotesk muskulöser Kerl. Immer muss ich die Arbeit machen. , grollte sie, tat aber dann, wie ihr geheiÿen. Die weiÿen Leinen ballten sich und das Boot nahm wieder an Fahrt auf. Keine Angst. , meinte Veridian, gri nach einem Paddel und machte sich wieder ans Rudern. Ich erledige schon meinen Teil. Sie bogen in eine Häuserschlucht, deren Dächer eng über den Kanal hineinragten. Beinahe hätte ihr Mast eine Wäscheleine mitgenommen, doch die Bewohner der Stadt hatten sie in weiser Voraussicht gerade hoch genug gehängt. Der Kanal war an dieser Stelle so eng, dass Veridian die Häuserwände hätte berühren können, hätte er nur die Hände ausgestreckt. Mit dem Paddel hielt er das lange Boot in der Mitte des Fahrwassers, bis sie die Engstelle passiert hatten. Nun steuerten sie auf ihr Ziel zu, die halbfertige Brücke, an deren Pfeiler sie damals den Toten gefunden hatten. Trotz der kalten Witterung waren die Brückenbauer eiÿig an der Arbeit. Emsig, emsig. , spöttelte Hallia, als sie in seinen Geist zurückkehrte, Typisch Imperium. Und wir bringen das Holz. , erwiderte ihr Kamerad. Sie lieÿ ein glockenhelles Lachen vernehmen. Was Zerbas wohl sagen würde... Die Brücke kam in Sichtweite und zwischen den Bauleuten stand ein ihnen wohlbekannter Soldat. Es sieht so aus, als werden wir das gleich erfahren. Er sprang an Land und vertäute das Boot. Du bist unter die Seefahrer gegangen. , stellte Zerbas fest und nickte ihm von der Brücke zu. Wie stets trug er die Rüstung des Imperiums, doch im Gegensatz zu früher war noch ein weiteres Schwert dazu gekommen. Sah aus, als hätte er seine Lektion in Sachen Vorsicht gelernt. Und du unter die Baumeister. , gab Veridian zurück und nickte auf die halbfertige Brücke. Der Soldat schüttelte den Kopf, stieg die Brücke hinunter und trat ans Ufer des Kanals. Ich bin wegen euch hier. , erklärte er knapp, dann nickte er in Richtung einer Seitenstraÿe. Geh ein Stück mit mir, während dein Boot entladen wird. Die düstere Laune des Hauptmanns entging weder Veridian noch dem Schutzgeist, doch gerade deswegen kamen sie seiner Bitte ohne Zögern nach. Du scheinst ein gutes Auskommen zu haben. , begann Zerbas. Es war oenkundig, dass er diese Art seichter Konversation nicht oft führte. Ich habe stets den Wind im Rücken. , antwortete Veridian, önete die Hand und lieÿ 59 Hallia frei, die sich zwischen den beiden zu ihrer Mädchengestalt verfestigte. Hallia. , begrüÿte der Imperiale sie höich, worauf sie ihn mit einem Windstoÿ umschwärmte. Zerbas! , sprach sie keck, Griesgrämig wie immer. Die beiden Männer sahen sich an und der Hauptmann stieÿ ein resigniertes Seufzen aus. Es gibt jeden Grund, griesgrämig zu sein, Windgeist. , antwortete er. Lass mich raten. , meinte sie, aber Veridian bedeutete ihr mit einer Geste, zu schweigen. Sie gingen ein paar Schritte, dann blieb Zerbas stehen und blickte in das eiskalte Wasser. Das Schwert ist fort. Was?! Veridian war es, als wäre sein Herz stehengeblieben. Er hatte Alpträume gehabt, von der Winzerei und dem Ungeheuer, das dort im Dunkel sein Grab gefunden hatte. Aber wie kann das... Zerbas knirschte mit den Zähnen. Ich habe an Wachen nicht gespart. , erklärte er, Aber eines Morgens war es fort. Und deine Männer? , fragte Hallia. Unversehrt. , antwortete Zerbas, Es ist ein Rätsel. Veridian seufzte, beugte sich für einen Augenblick nach vorne und rappelte sich dann wieder auf. Aber er war tot. , sprach er fassungslos, Habt ihr seinen Leichnam nicht ausgegraben? Der Hauptmann nickte. Das, was noch übrig war. Veridian fuhr sich mit der Hand über den kahlen Schädel. Das konnte nicht wahr sein. Es durfte nicht wahr sein. Hat es... , setzte er an. Sein Freund schwieg für einen Augenblick, ein Schatten der Schuld und Reue über ihm, den Hallia am Grunde seines Herzens gekostet hatte. Sieh es dir selbst an. , sprach der Soldat bitter und wandte sich zum Gehen. Nicht schon wieder. , seufzte der Windgeist und blickte zwischen den beiden Männern hin und her. Ich bin kein Krieger... , üsterte Veridian. Sie legte ihm die federleichten Arme auf die Schulter und sah ihm in die Augen. Ich weiÿ, dass du dies nicht willst. , hauchte sie sanft, Doch er ist ein Freund. Und dies ist unser Schicksal. Der Hauptmann hatte inzwischen gemerkt, dass die beiden ihm nicht folgten und wandte sich noch einmal um. Veridian... , begann er. Sein Kamerad wandte sich um. Ich brauche eure Hilfe. , gestand Zerbas und senkte das Haupt. Bitte. Hallia oss um ihren Meister herum. Schon einmal hast du Mut bewiesen. , beschwor sie ihn und zwang ihn, aufzusehen, Du bist mein Schicksal und ich bin das deine. Er seufzte. Mochte er sich auch fürchten, schlimmer war der Gedanke, dass solch ein Mörder wie der letzte die Stadt unsicher machte. Er sah Hallia an. Sie hatte Recht, dieser Weg mochte ihm nicht gefallen, aber es war doch seiner. Freund. , wiederholte er Hallias Wort mit einem matten Lächeln, Das werde ich ihm sagen. Untersteh dich! , protestierte sie, schwebte ihm hinterher und schloss zu Hauptmann Zerbas auf. Und du... , fuhr sie wütend fort und zeigte auf den Imperialen, Wir hätten das Schwert vernichten sollen, als wir noch die Gelegenheit dazu hatten! Der Soldat fuhr zurück, als sich das Windwesen vor ihm aufbäumte und für einen Augenblick jegliche Menschlichkeit ablegte. Es war leicht, zu vergessen, dass sich unter dem bläulichen Mädchengesicht ein Wesen befand, das seit Anbeginn der Welt existierte. Es war nicht meine Entscheidung, es zu verwahren. , verteidigte er sich. Hallia schnaubte, was sich in einer Windböe äuÿerte, die den beiden Männern schier den Mantel vom Leib riss. Befehle... , donnerte sie, Ich habe dich für einen mutigeren Mann gehalten, als 60 dass du dich dahinter versteckst. Hallia! , rief Veridian scharf, aber sein Kamerad winkte ab. Dein Windgeist hat recht. , gestand er, Was nun geschieht, lastet auch auf meinen Schultern. Er ballte die Hände zu Fäusten. Dieses Mal werde ich es vernichten. , versprach er voller Reue, Gleich, was der Statthalter beelt. Kaum hatte er die Worte gesprochen, da schrumpfte Hallia wieder in sich zusammen und kehrte in ihre unschuldige Gestalt zurück. Wir. , ergänzte sie, Wir werden dir helfen. Sie schwebte zu Veridian zurück. Gibt noch Honung für den Granitschädel. , üsterte sie und band sich wieder an ihren Herren. Von neuer Zuversicht erfüllt schluckte Veridian, dann schloss er zu seinem Kameraden auf. Bringen wir es hinter uns. , sprach er. Zerbas nickte entschlossen. Machen wir dem Alptraum ein Ende. Der Geruch des Krematoriums war noch widerlicher als beim letzten Mal. Sie betraten die weiÿe Halle, in der der Mann in Schwarz schon auf sie wartete. Hauptmann Zerbas. , sprach er mit ruhiger Stimme. Er war nicht im Geringsten überrascht, sie wiederzusehen. Das verhieÿ nichts Gutes, genauso wenig, wie dass er den Hauptmann beim Namen nannte. Wenn ich sterbe, lass nicht zu, dass man mich hierherbringt. , dachte Veridian. Die Worte weckten ein Bild in seiner Gefährtin, von einer Totenwache, die länger gedauert hatte, als manch einer lebte. Ich werde deine Asche in alle Winde zerstreuen. , versprach sie und er wusste nicht, ob es tröstend oder scherzhaft gemeint sein sollte. Besser, seine Gedanken auf etwas anderes zu richten. Wortlos verlieÿen sie den makellosen Raum und durchquerten die ruÿige Welt hinter den Kulissen. Auch heute waren die Nischen gut gefüllt. Schwarzer Rauch waberte ihnen entgegen, als sie die Rampe zum Ofen hinabstiegen. Unser Kamin will heute nicht so recht. , erklärte der Totengräber entschuldigend und hielt sich ein Taschentuch vor das Gesicht, während die beiden Kameraden zu husten begannen. Hallia. , dachte Veridian wie selbstverständlich. Jetzt bist du wieder froh, dass ich ein Windgeist bin. , erwiderte sie schnippisch und machte sich beinahe unsichtbar daran, den Qualm von ihnen fernzuhalten. Hitze waberte ihnen entgegen und so schrecklich es war, daran zu denken, was sie verursachte, so konnte Veridian sich doch nicht einer gewissen Wohligkeit erwehren. Eine Gänsehaut hatte er dennoch. Vor dem Ofen stand ein bleicher, blonder Junge und sandte von Zeit zu Zeit einen Feuerstoÿ hinein, der die Kammer mit grotesken Schatten überzog. Die dunklen Schemen weckten Erinnerungen, mehr noch als die Flammen. Es stank nach verbranntem Fleisch und Verwesung, genauso wie der Mörder nach Marleas Angri gerochen hatte. Veridian konnte spüren, wie ihm das Blut aus dem Gesicht wich. Sein Kamerad bemerkte es wohl und legte ihm wortlos eine Hand auf die Schulter. Wir haben inzwischen drei von der Sorte, die ihr sucht. , erklärte der dunkle Mann 61 schlieÿlich, als wolle er ihnen Kartoeln verkaufen. Gestern waren es noch zwei. , sprach Zerbas, als sie an die Tische traten. Drei Schemen lagen darauf, über jeden ein weiÿes Tuch gebettet. Nacheinander deckte der Mann in Schwarz die Toten auf und faltete bei jedem behutsam das Laken über die Beine. Es waren drei Männer, verschrobene Gestalten und wenn sie eine Gemeinsamkeit hatten, dann war es Zwielichtigkeit. Doch Veridian war nicht hier, um über die Toten ein Urteil zu fällen, das hatte bereits ein anderer getan. Er zwang sich, die Wunden anzusehen, die in allen drei Brustkörben klaten. Es ist erstaunlich. , sprach der Totengräber und folgte seinem Blick, Diese Präzision... anders als die, die wir damals in den Ofen sandten. Zerbas sah auf die drei Toten hinab, in seinen Augen kein Mitleid, sondern nur kalte Wut. Der hier ist nicht vorgegangen wie ein Wolf, sondern schlau und präzise wie eine Schlange. Veridian blickte auf. Du meinst... Der Hauptmann nickte. Diese drei hat nicht der Zufall gewählt. Er wies auf den ersten, einen linkischen Kerl mit lzigem Bart. Ein Taschendieb. , sprach er, Hätten wir ihn ergrien, wäre er in Ketten gelegt worden. Er hier hat Silias gedient, einem zwielichtigen Geldverleiher und wer weiÿ was noch. Er trat vor den zweiten Toten. Der hier war nicht besser, ebenfalls einer von Silias Leuten. Schlieÿlich deutete auf den dritten. Von dem hier weiÿ ich nichts, doch er wird wohl auch keine reine Weste haben. Auf einen Befehl hin reichte der Totengräber ihm die Habe des Mannes. Siehe da. , sprach Zerbas und schüttelte den Inhalt der Geldbörse in seine Hand, Gold und gezinkte Würfel. Ein Richter. , dachte Hallia und Veridian sprach es aus. Ein Mörder. , erwiderte der Hauptmann und schüttelte den Kopf. Die Kälte wischte die Erinnerung an den immer hungrigen Ofen fort, als sie hinaus in die verschneite Gasse traten. Grau war der Schnee hier, verschmutzt von Ruÿ und Staub. Veridian fröstelte. Ich hasse diesen Ort. , sprach er. Sein Kamerad nickte. Dann lass uns dafür sorgen, dass du ihn nie wieder betreten musst. Zerbas marschierte los und legte einen schnellen Schritt vor, so dass es seinem Freund gar nicht so einfach el, mit ihm mitzuhalten. Für einen, der er nicht weiÿ, wo er hingeht, hast du es aber eilig. , spottete Hallia und erschien zwischen den beiden. Ich kenne mein Ziel. , erwiderte der Hauptmann knapp. Und hast du vor, uns einzuweihen? , fragte der Windgeist schnippisch. Es gibt einen Mann, der weiÿ, was hier gespielt wird. , sprach der Hauptmann, Oder der es zumindest wissen will. Hallia schwebte zwischen die beiden. Der mysteriöse Silias. , schloss sie. Zerbas nickte. Er ist ein Geschäftsmann. Er sprach das letzte Wort mit solch einer Verachtung, dass klar war, was er wirklich meinte. Und er hat nur einen Konkurrenten in seinem Metier: Dragor. Klingt furchterregend. , sprach Hallia mit einem Hauch von Spott in der Stimme. Der 62 Hauptmann seufzte und hielt inne, damit Veridian aufholen konnte. Fällt sie einem stets so gerne ins Wort? , fragte er matt. Sein Kamerad schüttelte den Kopf. Nur dir. Der Soldat winkte ab und stapfte weiter. Wie dem auch sei. , fuhr er schlieÿlich fort und bedachte den Windgeist mit einem herausfordernden Blick, Sie teilen sich das, was es in Titania an dunklen Geschäften gibt. Schmuggel, Glücksspiel und so weiter. Wenn du ihre Namen kennst , fragte Veridian verwirrt, warum sind sie dann noch auf freiem Fuÿ? Der Hauptmann knirschte mit den Zähnen. Wäre ich Statthalter, wären sie das nicht. , erklärte er resolut. Zelphar. , folgerte Hallia. Ihr Gegenüber nickte. Er glaubt, zweierlei Unrecht hält sich die Waage. , sprach Zerbas, So lange beide sich gegenseitig klein halten, haben wir Order, sie stillschweigend zu dulden. Er spuckte auf den Boden. Wir greifen nur ein, wenn sie über die Stränge schlagen, die Bürger belästigen, das Imperium bestehlen, oder morden... So wie jetzt. , schloss Veridian. Sein Kamerad schüttelte den Kopf. Was sie sich gegenseitig antun, ist ihre Sache. Es schien der einzige Teil dieses Kompromisses zu sein, der ihm wenigstens etwas zusagte. Und dennoch willst du den Mörder nun aufhalten. , hauchte Hallia. Er ballte die Hände zu Fäusten, aber dann lächelte er ein grimmiges Lächeln. Ich bin nun mal ein Idealist. , sprach er, Und wer weiÿ, vielleicht gelingt es mir nun, Zelphar zu überzeugen, das Unkraut mit Stumpf und Stiel auszurotten. Diese Honung sollte sich nicht bewahrheiten, denn der Statthalter lehnte seine Bitte ab. Ohnehin wegen des Verschwindens seiner Gefährtin schon schlecht gelaunt, war Zelphar gelinde gesagt nicht erfreut über den Vorschlag, ein weiteres Mal Kriegstruppen zu mobilisieren, erst recht, da er wie die Gerüchte behaupteten vom Imperator schon für das letzte Mal gehörig zusammengestaucht worden war. Das Schwert will er natürlich trotzdem wiederhaben. , schloss der Hauptmann seinen Bericht. Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass. , kommentierte Hallia und rollte mit den himmelblauen Augen, Wie glaubt er, dass du das bewerkstelligst? Zerbas schnaubte. Er schickt mich in die Höhle des Löwen. Veridian hob eine Augenbraue. Unter die Gesetzlosen? Sein Freund nickte. Zu Silias. Der dir selbstverständlich bereitwillig Auskunft geben wird. , schloss Hallia. Der Hauptmann lachte dunkel. Ein ehrenwerter Geschäftsmann wie er wird selbstverständlich mit mir reden. , erklärte er, Sagen wird er indes nichts. Es sind doch seine Leute, die ihr Leben verlieren... , fragte Veridian verständnislos. Der Soldat und der Windgeist tauschten einen verständigen Blick, der Veridian einen winzigen Stich Eifersucht fühlen lieÿ. Gesetzlose regeln solche Dinge unter sich. , erklärte Zerbas, Sie werden es zu verhindern wissen, dass das Imperium seine Nase in ihre Angelegenheiten steckt. Sein Kamerad nickte. Ich bin kein Imperialer. , erklärte er. Hallia wehte zu ihm hinüber. Ich auch nicht. Hauptmann Zerbas besah sich die beiden skeptisch. Ihr wollt 63 euch in die Unterwelt wagen? Hallia berührte sacht die Hand ihres Herrn und für einen Augenblick waren sie in einen wortlosen Diskurs verstrickt. Ja. , sprachen sie schlieÿlich einstimmig. Spione und Ränke. Eigentlich hielt Zerbas solche Methoden des Imperiums unwürdig, doch in diesem Fall konnte er sich seine Einwände nicht leisten. Es war ohnehin ein kleiner Preis dafür, endlich einen Schlag in das verdorbene Herz des Untergrunds führen zu dürfen. Die drei Gefährten verbrachten den Tag damit, einen Plan zu schmieden, denn die Gauner wurden erst am Abend wach. Nimm es mir nicht übel. , urteilte Hallia, Aber den Halunken kauft dir keiner ab. Veridian hob entrüstet eine Augenbraue, aber ein beinahe mitleidiges Nicken des Hauptmanns brachte ihn zum Schweigen. Verbrecher vermuten, dass jedes Herz so schwarz wie das ihre ist. , erklärte er, Sie werden dir nicht ohne Weiteres trauen. Er musterte Hallia, die wie eine Ahnung zwischen ihnen schwebte, Und was dich angeht... Der Windgeist verschwand. Unsichtbar, ich weiÿ. , wisperte sie in sein Ohr und fuhr ihm mit einem kalten Hauch durch die Rüstung. Sie berieten noch eine Weile hin und her und hatten schlieÿlich einen Plan zurechtgelegt, mit dem sowohl Zerbas Ehrgefühl als auch Veridians Unbehagen Genüge getan waren. Es war keine gute Gegend, das musste jedem klar sein, der in die Gasse mit den windschiefen Häusern einbog. Veridian schluckte, als er den abgeschlagenen Eberkopf über dem Eingang der Schenke sah. In der Stirn des ausgestopften Tiers steckte noch immer ein langer, mit Widerhaken versehener Speer wie eine Warnung für die, die dumm genug waren, die Spelunke zu betreten. Im Mondlicht schienen die toten Augen des Tiers die beiden Kameraden geradezu bösartig anzufunkeln. Anheimelnd. , sprach Veridian Hallias Gedanken aus. Der Soldat an seiner Seite richtete sich zu voller Gröÿe auf, wie um ihm zu sagen, er solle seinen Mut sammeln. Die Schenke zum gespaltenen Schädel ist ein neutraler Ort. , erklärte er, Und niemand wird dir etwas tun. Er senkte die Augenbrauen. Zumindest, solange du zu einer der beiden Banden gehörst. Dann sollte ich mich damit beeilen. , sprach Veridian und schluckte. Auf der gegenüberliegenden Seite lagen ein paar zertrümmerte Fässer wie von einem Kampf und vor der Kneipe war das Paster aufgewühlt, als sei ein Pug hineingefahren. Ich meine, wie oft gibt es hier schon Ärger? , fragte er scherzhaft, wie um sich selbst zu ermutigen. Du meinst pro Nacht? , erwiderte Zerbas trocken und es dauerte einen Augenblick des Schreckens, bis Hallia und ihr Herr begrien, dass er einen Scherz gemacht hatte. 64 Also gut. , murmelte Veridian und trat aus der Seitengasse, Unser Plan ist gut und da kann gar nichts schiefgehen. Ein Wind erhob sich und ein Abglanz des Windgeistes erschien. Und auÿerdem bist du nicht allein. Hauptmann Zerbas nickte. Nicht allein. , wiederholte er, um auch seinen Beistand zu versichern. Sein Kamerad nickte ihm ein letztes Mal zu und machte sich auf den Weg in die Höhle des Löwen. Oder des Ebers, wie Hallia ihn sogleich verbesserte. Was macht das für einen Unterschied? , fragte er. Beide sind gefährlich, wenn sie hungrig sind. , dozierte der Windgeist, Ein Eber indes hat meist den gröÿeren Hunger. Ihr Gefährte verdrehte die Augen, dann trat er über das zerfurchte Paster in die Tür der Kneipe. Das Erste, was er wahrnahm, war der Geruch, süÿ und säuerlich wie Wein und das, was daraus wird, wenn man zu viel davon genieÿt. Dazwischen lag ein kupferner Geruch, von Blut und von Waen und dazwischen das unverkennbare Aroma von Mottenpulver und alten Tierhäuten. Als er aufsah, wusste er warum. Der gespaltene Schädel machte seinem Namen alle Ehre. Ringsum starrten ihm von den Wänden hunderte von Glasaugen entgegen, die allerlei bedauernswerten Geschöpfen gehörten oder vielmehr dem, was von ihnen übrig war. Er sah Hirsche, Hasen, Stiere, sogar einen Kodiakbären und am anderen Ende des Raumes das Prunkstück der Sammlung, ein mächtiges Dreyhorn. Ihr Menschen... , setzte Hallia angewidert an, aber Veridian schnitt ihr mit einem Gedanken das Wort ab. Es waren nämlich nicht nur tote Augen auf ihn gerichtet. Von Dutzenden Tischen starrten ihn allerlei Galgenvögel und zwielichtige Gestalten an, als sei er einer der Vierzehn höchstpersönlich. Tür zu, es zieht! , rief der Wirt ungehalten vom Tresen und Veridian gehorchte augenblicklich, obwohl die Tür zuvor schon oen gewesen war. Kaum war sie ins Schloss gefallen, da war ihm, als sei jegliches Licht aus dem Raum gewichen. Was durch die trüben Fenster el, konnte man beim besten Willen nur als Zwielicht bezeichnen. Veridian schluckte und machte einen Schritt durch die dämmrige Schankstube, noch immer alle Augen auf ihn gerichtet. So viel zum unauällig bleiben. , dachte der Windgeist, als sie gemeinsam auf den Tresen zusteuerten. Dahinter stand eine Gestalt, die aussah, als hätte sie höchstpersönlich all die Bestien an den Wänden niedergerungen. Der graue Bart war zerzaust wie eine Straÿentaube, dahinter ein schmaler Mund, in der eine Stange Lakritztabak steckte. Der Sud davon hatte den Bart ringsum in klebriges Schwarz gefärbt, was den Mann allerdings nicht im Geringsten zu stören schien. Wohl verlaufen, was? , fragte er, ohne den Stab aus dem Mund zu nehmen. Veridian fasste sich ein Herz und sah auf. Sein gegerbtes Gesicht hatte nur noch ein heiles Auge, das ihn herausfordernd anfunkelte. Das andere war hinter einer zerfransten Augenklappe verborgen. Los, sag was! , forderte Hallia. Was? , fragte er panisch zurück. Na, was wohl? , erwiderte sie spitz. Gibt es hier Schnaps oder nicht? , fragte ihr Herr nun mit einer Forschheit, die sein wild schlagendes Herz Lügen strafte. Schnaps gibt's für Gold. , erwiderte der Wirt und zog eine Flasche hervor, auf deren vergilbten Etikett ein schwarzer Drache abgebildet war. Wortlos zog Veridian einen Taler aus der Tasche und legte ihn auf den Tresen. Der Wirt biss darauf, wie um zu prüfen, ob er echt war, dann goss er ihm wortlos ein Glas 65 ein. Es war ein teuisches Gebräu, stark und widerborstiger als jeder Trunk, den Veridian je gekostet hatte. Er kämpfte die Tränen nieder, hämmerte das Glas auf den Tresen und wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab. Schnaps haste gehabt, jetzt kannste gehen. , forderte der Wirt forsch und ein Blick über die Schulter verriet Veridian, dass noch immer alle Augen auf ihn gerichtet waren. Es roch nach Schlägerei. Zeit, Zerbas Plan zu versuchen. Ich habe gehört , üsterte er verschwörerisch, dass es Traditionen von Titania gibt, die hier noch gewürdigt werden. Sein Gegenüber verzog keine Miene. Traditionen, die das Imperium nicht mehr gutheiÿt. Redet nicht um den heiÿen Brei. , sprach der Wirt, nahm sein Glas und stellte es wieder zu den sauberen. Sauber... , murmelte Hallia. Ich spreche vom Würfeln... , sprach Veridian unbeirrt weiter, Man sagt, ein glückliches Händchen kann damit ein hübsches Sümmchen verdienen. Glücksspiel? , fragte sein Gegenüber entrüstet, Das wäre gegen das Gesetz. Er wies auf die Wand über sich, wo wie zum Spott die Flagge des Imperiums hing, zerlumpt und ausgebleicht. Vier Messer hielten sie an Ort und Stelle, zweifellos eine Warnung an allzu neugierige Soldaten. Hmmm. , machte Veridian und wandte sich um, als ihm prompt zwei zwielichtige Gestalten die Arme um die Schultern legten. Haste Geld? , fragte einer von ihnen geschmeidig wie ein Krämer. Er nickte perplex. Heute ist dein Glückstag. , sprach der andere und bugsierte ihn an einen Tisch unter dem ausgestopften Kodiakbären. Vor ihm stand ein Becher mit zwei abgewetzten Würfeln, ebenso wie vor den beiden Halunken. Wie heiÿt das Spiel? , fragte Veridian mit geheuchelter Begeisterung und legte sein prallgefüllte Geldbörse auf den Tisch. Zerbas letzter Sold, wie Hallia mit einer gewissen Schadenfreude bemerkte. Wir spielen Vierzehn und Drachen. , antwortete der gröÿere der beiden Gauner, Ist ganz einfach. Jeder setzt, wer am höchsten würfelt, gewinnt. Aufregend. , murmelte Veridian und machte Anstalten, zu würfeln. Jedoch. , sprach der Kumpan des Gauners und legte eine Hand auf Veridians Becher. Zweimal die Eins sind Drachenaugen. Die niedrigste Zahl. , fuhr der andere fort und drehte wie zur Verdeutlichung beide Würfel zurecht. Eine sichere Niederlage, es sei denn, man riskiert das Doppelte. Er wies auf Veridians Börse. Was ist dann? , fragte der mit gespielter Naivität. Zerbas hatte ihm die üblichen Spiele und den üblichen Beschiss bereits erklärt. Dann müssen alle mit und danach... , sprach der Gauner, darf man nochmal würfeln und behält die beiden Augen, die man vorher hatte. Zwei Sechser und du hast... Die Vierzehn! , schloss Veridian und klatschte aufgeregt in die Hände. Die beiden nickten eifrig, wohl froh, einen Dummen gefunden zu haben. Kann losgehen? , fragten sie. Kann losgehen. , bestätigte Veridian mit einem Nicken. Kann losgehen. , echote Hallia voller Schabernack in seinen Gedanken. Ihr Kamerad lächelte, warf die Würfel in den Becher und schmetterte ihn auf den Tisch. Nicht so schnell. , mahnte der Gauner, klopfte auf das Holz und legte dann einen 66 Goldtaler vor sich. Sein Kumpan tat es ihm gleich und auch Veridian machte seinen Einsatz. Nun konnte endlich gewürfelt werden und wie erwartet strich Veridian den ersten Gewinn ein. Sie wiegen dich in Sicherheit. , dachte Hallia, während er lachend das Gold zu sich zog. Er grinste. Wollen mal sehen, wie lange. Tatsächlich dauerte es vier Spiele, bis er das erste Mal verlor. Jetzt kommt ihr auf meine Dörfer. , sprach der gröÿere der beiden Gauner, worauf der andere die gelben Zähne bleckte. Mir egal. Miese mach ich so oder so. Die nächste Runde ging wieder an Veridian. Sie haben Gewichte in den Würfeln. , berichtete Hallia, als sie mit einem sachten Windhauch in seinen Körper zurückkehrte. Ich bin entrüstet. , dachte Veridian tonlos zurück. Er strich seinen Gewinn ein und setzte abermals. Kannst du sie mit meinen tauschen? Der Windgeist hob vor seinem inneren Auge eine Braue, was ihn schier zum Lächeln gebracht hätte. Das nicht. , dachte sie, Aber ich kann sie ein wenig stupsen. Nu, würfel! , herrschte ihn einer der Gauner an und er tat, wie ihm geheiÿen ward. Wie erwartet verlor er. Gräme dich nicht. , dachte Hallia spitzbübisch, Ist nur Zerbas Geld. Nochmal. , forderte ihr Gefährte und klatschte einen Taler auf den Tisch, dass es nur so klimperte. Seine linkischen Mitspieler tauschten einen verstohlenen Blick. Sie wähnten den Fisch am Haken und gedachten nun, ihn langsam einzuholen. Abermals verlor er das Spiel, trotz einer Elf. Das war das Ende seiner vermeintlichen Glückssträhne, denn von nun an schrumpfte seine Börse kontinuierlich und selbst wenn er mal ein Spiel gewann, so war das nur ein kurzes Lockern der Leine, damit der Fisch nicht vom Haken ging. Schlieÿlich hatte er nur noch gut zwanzig Goldtaler übrig. Immer noch nicht wenig, aber wenig genug, um Hallia ein schadenfrohes Lachen zu entlocken. Du musst dich gar nicht so diebisch freuen. , murmelte Veridian, worauf der Gauner, der gerade einen Gewinn verbucht hatte, mit gehobener Augenbraue aufsah. Nur die Ruhe. , kommentierte Hallia, Läuft doch alles nach Plan. Veridian knirschte mit den Zähnen, um den Anschein des Ärgers noch zu erhöhen. Glaubst du, ich rede mit dir? , dachte er schnippisch zurück. Ppfh. , machte der Schutzgeist melodramatisch und verlieÿ ihn. Alles streng nach Plan. Wenn das so weiter geht, verlasse ich euch als armer Mann. , sprach er zermürbt. Der Wortführer der beiden Spieler rang sich ein falsches Lächeln ab. Pech im Spiel... , begann er die wohl älteste Binsenweisheit der Welt. Veridian winkte ab. Noch bin ich nicht drauÿen. , sprach er, Wie wär's, wir machen das Spiel ein wenig aufregender? Es war gar nicht seine Art, so zu sprechen, aber die beiden schluckten den Köder bereitwillig. Mal sehen, wer nun an wessen Angel hing. Aufregender? , fragten sie beide. Veridian nickte und zählte wortlos zehn Goldtaler in die Mitte des Tisches. Mit jeder Münze wurden die Augen seiner Gegenspieler gröÿer. Der eine verpasste dem anderen einen aufgeregten Stoÿ in die Rippen, dann taten beide es ihrem mutigen Gegenüber gleich. 67 Dreiÿig Taler. , johlte der eine und warf die Würfel in den Becher, Die könnte ich gut gebrauchen. Sie Kumpane kicherte wie eine betrunkene Maid und lieÿ ebenfalls die Würfel klackern. Hallia. , dachte Veridian und schloss für einen Augenblick die Augen, wohlwissend, dass seine Kameradin ihn unsichtbar umgab. Dann los! , forderte er laut und knallte seinen Becher auf den Tisch, dicht gefolgt von seinen beiden Mitspielern. Ein kurzes Klappern, dann herrschte Stille. Wie lauernde Füchse sahen die drei einander an, die Hände noch immer auf den abgeschabten Lederbechern. Du Fuchs. , üsterte plötzlich ein wohlvertraute Stimme in Veridians Ohr, Willst verlieren und würfelst noch eine Zwölf. Er wollte etwas zurückdenken, wurde sich aber bewusst, dass sie sich nicht mit seinem Geist verbunden hatte. Es geel ihr wohl, ihn zappeln zu lassen. Zeig an! , sprach einer der Gauner zu seinem Spieÿgesellen, der nach einer kurzen Pause den Becher hob. Ein Fünf. Nun du. , forderte Veridian den anderen auf. Er gehorchte. Es war eine Elf, was ihn siegessicher die Zähne etschen lieÿ. Zwölf oder Drachenaugen. , sprach er und streckte schon eine Hand nach dem Gold aus. Nicht so voreilig. , warnte Veridian und trommelte mit den Fingerspitzen auf seinen Becher. Es wäre ihm wesentlicher wohler gewesen, hätte er gewusst, was Hallia darunter getrieben hatte. Doch der Schutzgeist schwieg, um ihm ein wenig echten Schweiÿ ins Gesicht zu treiben. Also gut. , sprach er zu sich selbst und entblöÿte seine Würfel. Eine Sechs, wie erwartet und eine Vier. Zehn. , erklärte der Gauner mit der Elf, Knapp, knapp, knapp. Er leckte sich die Lippen und zog den Goldberg mit beiden Armen zu sich. Tja. , tönte der Schutzgeist in Veridians Ohr, Jetzt geht's wohl um Wurst und Pelle. Wie recht sie hatte. Alles bis hierher war nur Vorgeplänkel gewesen, ein Köder für die, die ihn hatten ködern wollen. Er indes war auf der Jagd nach einem weitaus gröÿeren Fisch. Hoentlich war Zerbas Plan so gut, wie der Hauptmann es dachte. Immerhin war er es, der die Räuber gut kannte. Vermaledeit! , uchte Veridian also und schlug mit der Faust auf den Tisch, dass die Würfel nur so auseinanderschoben. Er schnaubte, tat für einen Augenblick, als ringe er mit sich selbst, dann schob er mit einem frustrierten Seufzen seine Börse in die Mitte des Tisches. Zeit für das letzte Spiel. Alles? , fragte der Gauner, der das letzte Spiel gewonnen hatte. Wüsste Veridian es nicht besser, hätte er es fast als Skrupel aufgefasst. Alles. , bestätigte er also mit der Art von falschen Siegessicherheit, wie sie jeder verzweifelte Spieler zu haben vorgibt. Sein Gegenspieler gab ein kehliges Lachen von sich und türmte einen Haufen Gold neben Veridians Einsatz. Auch der dritte Gauner setzte, wenn auch zögerlicher als der andere. Die Leine war fast eingeholt und ihr Fisch fast im Trockenen. Zumindest glaubten sie das. Jetzt? , hauchte der Windgeist und Veridian nickte unmerklich. Wie aus Aberglauben heraus pustete er in den Becher, legte die Hand darauf und lieÿ die Würfel klappern. Hallia. , dachte er, auch wenn er wusste, dass der Schutzgeist ihn nicht hören konnte, Jetzt kommt es darauf an. . 68 Er holte noch einmal tief Luft, dann lieÿ er den Becher niederschnellen. Die Würfel knallten förmlich auf den Holztisch, rappelten ein wenig und kamen dann zur Ruhe. Da will es einer wissen. , kommentierte der reichere seiner Widersacher und würfelte ebenfalls. Auch sein Kumpan machte seinen Wurf. Ihr zuerst. , forderte Veridian und wischte sich den Schweiÿ vom kahlrasierten Schädel. Die Spieler taten, wie ihnen geheiÿen. Zuerst der ärmere von beiden, der wie erwartet keine hohen Zahlen aufzuweisen hatte: Ein Dreierpasch und damit nur eine Sechs. Veridian rang sich ein siegessicheres Lächeln ab, wohlwissend, dass der Wurf nichts zur Sache tat. Mit einem Gesicht wie aus Eis hob der zweite Widersacher seinen Becher. Auch er hatte einen Pasch, nur waren es insgesamt zwölf Augen, die ihm von den abschabten Würfeln entgegenblickten. Nun du. , forderte er siegessicher. Obwohl Veridian wusste, was unter seinem Becher wartete, hielt er dennoch den Atem an, als er ihn lüftete. Ein seidenzarter Windhauch umschwebte seine Hand, wie um ihm Zuversicht zu versichern. Er holte tief Luft und sah hinab auf die Würfel. Auch er hatte einen Pasch: Drachenaugen. Schlag mich doch... , murmelte der zweite Gauner und seine kühle Fassade bröckelte. Du kennst die Regeln. , sprach sein Kumpan hart, Verdoppeln oder aussteigen. Der ärmere Gauner blickte auf seine Dreier und dann auf die Zwölf des anderen Gauners. Ich bin raus. , sprach er, da er keine Aussichten mehr auf den Sieg hatte. Veridian schluckte, während sein verbliebener Gegenspieler in aller Seelenruhe zehn Goldtaler abzählte und in die Mitte schob. Ich habe kein Geld mehr. , uchte Veridian lauter, als er es musste. Sein Gegenüber bleckte die Zähne und es war, als hätte er plötzlich die Krallen ausgefahren. Jede Spur von Geselligkeit war verschwunden. Dann gib dich geschlagen. , verlangte er ruhig. Hmmm. , machte Veridian, Von den Drachenaugen zu den Vierzehn ist es nicht weit... Was ist nu? , fragte der Gauner und legte eine Hand auf das Gold in der Mitte des Tisches. Für einen Sekundenbruchteil glitten seine Augen auf einen Tisch im entlegensten Winkel des Raums, von dem sich auch prompt eine hochgewachsene Gestalt erhob, die sie anscheinend schon eine Weile lang beobachtet hatte. Während der Mann durch den Schankraum schritt, nutzte Veridian die Gelegenheit, ihn zu mustern. Er trug rotes Haar, unter dem ein bleiches Gesicht wie ein fahler Mond glänzte. Zweifellos ein Mann, der nicht viel Sonnenlicht abbekam. Er war dürr, aber nicht schmächtig und sein grauer Mantel sah aus, als hätte er darunter lange Messer verborgen. Seine Augen waren überall hin gerichtet, nur nicht auf die Spieler. Man hätte ihn für nervös halten können, aber was er tat, war nur, eine Beiläugkeit vorzutäuschen, die Veridian ihm abgekauft hätte, wenn er nicht genau gewusst hätte, wer er war. Der berühmt-berüchtigte Silias. , üsterte Hallia in sein Ohr, Sieht aus wie ein Krämer für abgehalfterte Gäule. Veridian verkni sich ein Kichern. Ich kam nicht umhin, euer Spiel zu beobachten. , sprach der Neuankömmling und setzte sich wie beiläug an den Tisch, Drachenaugen gegen eine Zwölf. Ein Jammer, dass du nicht setzen kannst. Seine Finger fuhren über den Tisch wie eine Spinne. Ein verdammter Jammer. , antwortete Veridian mit wild schlagendem Herzen. Es sah aus, als könnte ihr Plan Erfolg haben. Hätte ich nur noch zehn Goldtaler... 69 Silias lächelte, aber es glich mehr einem Zähneetschen. Du bist ein Spieler, nicht wahr? , fragte er. Veridian nickte. Wie wäre es dann mit einer kleinen Wette? , fragte der Neuankömmling und fuhr sich durch das feuerrote Haar. Ich leihe dir den Einsatz, freilich nur, bis du gewinnst. Er zückte eine prallgefüllte Geldbörse und lieÿ sie neben Veridians Ohren klimpern. He! , protestierte er Gegenspieler vom anderen Ende des Tisches, Das ist gegen die Regeln! Sein Ärger wäre fast überzeugend gewesen, hätte er nicht, als Silias sich umwandte, gewohnheitsmäÿig den Blick gesenkt. Angst? , fragte Silias mit einem Hauch von Spott in der Stimme. Der Spieler schüttelte den Kopf. Lass ihn ruhig würfeln. Silias nahm die Würfel mit den Drachenaugen, warf sie in den Becher und schob ihn Veridian hin. Dann zählte er zehn Goldtaler auf den Tisch. Was, wenn ich euer Geld verspiele? , fragte Veridian skeptisch. Ach... , machte Silias jovial, Wettschulden sind Ehrenschulden. Du wirst es mir schon beizeiten zurückzahlen. Er klapperte mit den Würfeln. Mit Zinsen versteht sich. Ich bin keine Rechenkünstlerin. , üsterte Hallia in das Ohr ihres Herren, Aber das scheint mir eine schlechte Wette. Warte... Veridian seufzte und gri vorsichtshalber schon mal nach dem Becher. Drei im Sinn. , rechnete Hallia weiter, Da habe ich doch glatt vergessen, den Schutzgeist hinzuzurechnen. Los geht's. , knurrte Veridian und schüttelte die Würfel, was Hallia dazu bewegte, sich eilig mit in den Becher zu quetschen. Das lob ich mir! , rief Silias und klopfte im begeistert auf den Rücken. Veridian erwiderte sein falsches Lächeln und machte seinen Wurf. Sein Gegenspieler folgte jeder seiner Bewegungen, ohne die Hände von dem Gold zu lassen. Er würde sich noch wundern. Nach einer Sekunde der Stille zog Veridian den Becher weg und die beiden Gauner staunten nicht schlecht. Drachenaugen! , uchte sein Kontrahent, Das zweite Mal in Folge. Doppelt oder nichts. , stellte Veridian fest und blickte dann zu Silias. Ich möchte eure Börse nicht über Gebühr beanspruchen. Ob dem dünnlippigen Gauner der Wurf geel oder nicht war ihm beim besten Willen nicht anzusehen. Ich leihe es dir. , sprach er schlieÿlich und kramte zwei Zehntalermünzen aus seiner Börse, Aber bedenke, dass ich es in jedem Fall zurückfordern werde. Darum mache ich mir Sorgen, wenn ich verliere. , erwiderte Veridian und warf die beiden Münzen auf den Haufen. Dem Gauner war es nicht allzu recht, aber ein kurzer Blick seines Herrn brachte ihn dazu, abermals zu setzen. Der Fisch war im Netz, aber noch immer hatten sie nicht genug. Achtzig Taler. , sprach der dritte Spieler, der ausgestiegen war, Hübsches Sümmchen für eine Zwölf. Mit einem Seufzer strich Veridian die beiden Würfel abermals in den Becher. Auf ein Neues! Vier Augenpaare waren auf den Würfelbecher gerichtet und Veridian beschloss, sie für einen Augenblick schmoren zu lassen, bis er schlieÿlich seinen Wurf entblöÿte. Was sie sahen, trieb allen dreien den Schweiÿ ins Gesicht: Der dritte Einserpasch in Folge. 70 Das geht doch nicht mit rechten... , entfuhr es seinem Gegenspieler, der nun eindeutig besorgt zu Silias hinübersah. Der rothaarige Gauner schwieg lange und für einen Augenblick glaubte Veridian, er würde ein Messer unter seinem grauen Mantel hervorziehen. Mir ist schwindelig. , hörte er eine vertraute Stimme jammern und für einen Herzschlag verband sich der Schutzgeist mit ihm, um ein wenig von dem Unwohlsein an ihn abzutreten. Du machst das gut. , dachte Veridian, worauf sie als grinsende Miniatur vor seinem inneren Auge erschien. Ich weiÿ. , dachte sie amüsiert zurück und verlieÿ ihn wieder. Inzwischen hatte Silias seine Entscheidung getroen. Völlig ruhig schien er, sah man einmal von seinen Augen ab. Ein Spiel für die Götter. , kommentierte er knapp, Zu schade, um es am Einsatz scheitern zu lassen. Er zog vier weitere Münzen und hielt sie Veridian hin. Der nickte, worauf das Geld in seine Hand el. Herausfordernd schob er es in die Mitte des Tisches. Im Leben würfelst du keine Vierzehn! , entgegnete sein Kontrahent und zählte mit inken Fingern vierzig Goldtaler in die Mitte. Der Einsatz war nun fast so groÿ wie das, was er noch übrig hatte. Veridian nickte zufrieden und schickte sich an, abermals zu Würfeln. Halt! , sprach da sein Gegenüber und hielt seine Hand fest. Würe damit. Mit diesen Worten schob er ihm den Würfelbecher des dritten Spielers hin. Veridian zögerte einen Moment, dann stellte er die eigenen Würfel beiseite. Angst, dass ich betrüge? , fragte er herausfordernd und biss sich augenblicklich auf die Zunge. Kein Grund, den anderen zu provozieren. Spielst du ehrlich, sollten dir die Würfel gleich sein. , erwiderte der andere, was ihm ein zufriedenes Nicken seines Herren einbrachte. Sind sie mir. , erklärte Veridian und wartete einen Moment, nur um sicherzugehen, dass seine Kameradin in den richtigen Becher geschlüpft war. Dann machte er seinen Wurf. Drachenaugen! Scheiÿ mir... , uchte der Gauner und lieÿ eine Faust auf den Tisch krachen. Silias war wie aus Stein gemeiÿelt. Herausfordernd blickte Veridian zwischen den beiden hin und her. Achtzig Taler? , fragte er, wobei nicht ganz klar war, wen er meinte. Eine Menge Geld. , sprach Silias und strich sich mit der Hand durch die Haare, Wer sagt mir, dass du deine Schuld bezahlrn kannst? Veridian hob beide Arme. Es ist nichts in meinen Ärmeln, Herr. , antwortete er, Kein Dolch und ein Würfel schon gar nicht. Er tat, als ringe er für einen Augenblick mit sich selbst. Ich habe ein Boot, das im Kanal vor Anker liegt. Das mögt ihr als Pfand haben. Silias schluckte den Köder und lächelte. In diesem Fall... , sprach er aalglatt und zählte acht diamantenbesetzte Münzen auf den Tisch, Viel Glück. Widerwillig warf sein Gegenspieler Münze für Münze das Gold in die Mitte, bis vor seinem Becher nur noch ein kläglicher Haufen lag. Mehr als dreihundert Goldtaler, das war eine stolze Summe, nicht nur für einen armen Wanderer wie Veridian, sondern auch für einen Schurken wie Silias. Wortlos nahm er Würfel um Würfel, warf sie in den Becher und pustete wie aus Aberglauben hinein. He, das kitzelt. , protestierte Hallia, dann folgte sie den beiden Würfeln. Alles oder nichts, das galt es nun und trotz der Anspannung lag Siegessicherheit in jedem der drei Gesichter. Zwei von ihnen sollten sich irren. Mit provozierender Gemäch- 71 lichkeit schüttelte Veridian den Becher, hierhin, dorthin, bis er in schlieÿlich zum letzten Mal auf den grobgezimmerten Tisch hämmerte. Um ihn war es so still, dass er jedes einzelne Klappern der Würfel hören konnte, die sich vom Wind geleitet ihren Platz suchten und schlieÿlich zu liegen kamen. Ruckartig entblöÿte er den Wurf. Hallia hatte ihn auch dieses Mal nicht enttäuscht, es war eine Zwölf. Zusammen mit den Drachenaugen bedeutete das die Vierzehn und damit den Sieg. Erst geschah für eine atemlose Sekunde gar nichts, dann brachen die Flüche los. Die beiden Gauner am Tisch benutzten Ausdrücke, die selbst einer Hure die Schamesröte ins Gesicht getrieben hätten, dann langten sie unter den Tisch, wie um ihre Waen zu ziehen. Aber sie taten es nicht, denn noch war der vierte Mann am Tisch still. Sieg. , sprach er schlieÿlich mit einem kalten Lächeln, Meine Glückwünsche. Er wies auf den Haufen in der Mitte. Doch uns beiden gehört nur die Hälfte. Ein Jammer, eigentlich. Beinahe zögerlich nahm er seinem Untergebenen den Würfelbecher aus der Hand. Für gewöhnlich spiele ich nicht. , fuhr er fort, Aber bevor wir das Geld mühsam auseinanderklamüsern, mache ich gerne eine Ausnahme. Er sah Veridian an wie eine Schlange, die auf ihre Beute hinuntersieht. Teils schienen seine berechnenden Augen ihn zu locken, teils, ihm zu drohen. Riecht nach Ärger. , verkündete der frischzurückgekehrte Windgeist in Veridians Geist. Er wird spielen, bis wir wieder pleite sind. , dachte Veridian, Und wehe uns, wenn wir aufstehen. Sie kicherte. Ja, wehe uns. Er nickte zustimmend. Zwei Dumme, ein Gedanke. Also setzte er ein feistes Lächeln auf und schüttelte den Kopf. Für heute ist's genug. , sprach er und gri nach dem Gold in der Mitte des Tisches. Wie bedauerlich. , erwiderte Silias mit zusammengebissenen Zähnen, Mit deinem Glück... Ein letztes Mal hielt er ihm den Würfelbecher hin, nun eindeutig drohend. Seine beiden Kumpane machten sich zum Sprung bereit, zweifellos Dolche in den Händen. Man sollte sein Glück nicht überstrapazieren. , sprach Veridian, als ahnte er nicht, welches Spiel hier gespielt wurde. Ironisch. , antwortete der rothaarige Ganove und zog ein Messer aus dem Ärmel, Du hast es soeben getan. Im selben Augenblick, in dem die drei auf ihn lossprangen, fuhr Hallia unter den Tisch und kippte ihn über die zwei Gegenspieler hinweg. Gold spritzte wie Wasser in alle Richtungen und augenblicklich waren sie von einer wütenden Meute gieriger Zecher umgeben. Währenddessen hastete Veridian aus der Bahn von Silias herannahender Klinge, stolperte rücklings über einen Schemel und prallte mit voller Wucht gegen den Nachbartisch, wo er sämtliche Bierkrüge zum Umfallen brachte. Es war, als sei ein Funken in ein Pulverfass gefahren. Drohend erhoben sich die Besitzer, hoben wütend Stühle und stürzten sich ins Getümmel. Indes rappelten die zwei Gegenspieler sich auf, um Silias zu unterstützen, taumelten aber dank Hallia ebenfalls in einen der prallgefüllten Tische. Veridian indes hatte sich quer über den Tisch gerollt und suchte sein Heil in der Flucht, Silias ihm dicht auf den Fersen. Um des Goldes, der verletzten Ehre und des verschütteten Bieres willen brach ringsum eine Schlägerei los, die sich vor den Kriegen des Imperiums nicht zu verstecken brauchte. Beügelt von Alkohol und Langeweile schlugen die zwielichtigen Gäste aufeinander ein 72 und die Gewalt schoss wie ein Laueuer durch den diesigen Schankraum. Duck dich. , hauchte es in Veridians Ohr und er tat es gerade rechtzeitig, um einem tieiegenden Stuhl zu entgehen. Noch war er allerdings nicht aus der Gefahr, denn vor ihm rangen zwei breitschultrige Gauner miteinander, auf die er geradewegs zusteuerte. Das wird böse enden. , dachte er nur noch, als er gegen die beiden Kolosse taumelte, aber er hatte Glück. Verkeilt in einen Kampf, der nur deswegen nicht tödlich endete, weil die beiden sich kaum noch auf den Beinen halten konnten, nahmen die Zecher Veridians Aufprall nur als weiteres Schwanken, das es auszugleichen gab. Während sie in den Tresen krachten, gewann Veridian sein Gleichgewicht zurück und schlug einen Haken, gerade noch rechtzeitig, um einem weiteren Dolchhieb zu entgehen. Noch bevor Silias ein weiteres Mal ausholen konnte, war Veridian schon weitergestolpert, geradewegs in einen sanften Wind, der sich augenblicklich mit ihm verband. Hallia. , dachte er freudig. Guten Tag. , gab sie verspielt zurück, Wo drückt der Schuh? Er verdrehte die inneren Augen. Wie wäre es zu Anfang mit dem Messerstecher auf meinen Fersen? Ihr Bildnis in seinem Geist grinste ihn feist an. Einfach. , erklärte sie, Puste ihm die Lichter aus. Sie ballte eine ihrer bläulichen Hände zu einer Faust. Ist das nicht eher dein Metier? , gab er skeptisch zurück. Du wirst schon sehen. Kaum eine Sekunde war vergangen, seit sie ihre Konversation begonnen hatten und so fuhr Veridian ungelenk herum und stellte sich dem mordlustigen Silias entgegen. Der hatte schon zum nächsten Stich angesetzt, stutzte aber, als sein Gegner innehielt. Es war nur ein Atemzug, aber der Gemeinschaft aus Mann und Schutzgeist genügte das. Veridian tat, wie Hallia ihm geheiÿen, machte eine Faust und schlug zu. Silias hob noch eine Augenbraue, verblüt von der Frechheit des Verfolgten, aber als der Schlag ihn traf, da war die Arroganz fortgewischt. Wie von unsichtbaren Fäden gezogen og er nur so durch die Schenke, prallte hart gegen den Tresen und sackte dort in sich zusammen. Verblüt starrte Veridian auf seine Finger, bis er begri, was gerade geschehen war. Die prügelnden Trunkenbolde um ihn herum schienen nicht weniger beeindruckt, denn einige davon hatten innegehalten und starrten ihn mit oenem Mund an. Warte nur! , tönte es hinter ihm und noch bevor er sich umwandte, konnte er förmlich spüren, wie sich die zwei Spieler auf ihn stürzten. Gern geschehen. , hauchte eine wohlvertraute Stimme in sein Ohr, er spürte ein sachtes Sausen und hörte kurz darauf ein hässliches Krachen. Hinter ihm waren die zwei Gauner abermals über die eigenen Füÿe gestolpert und begannen, lautstark aufeinander einzuschimpfen, während sie sich aufrappelten. Veridian biss die Zähne zusammen, gri nach der nächstbesten Flasche und verwandelte sich mit einem Schlag gegen die Tischkante in eine scharfkantige Wae. Zumindest beim zweiten Versuch, als die Flasche tatsächlich zerbrach. Genug! Die Stimme hallte durch den düsteren Raum wie ein Donnerschlag. Auch der betrunkenste Gauner zuckte zusammen und nahm, so gut er konnte, Habachtstellung an. Ohne seine improvisierte Keule fallen zu lassen, blickte Veridian sich um. Der Befehl stammte von einem breitschultrigen Mann, der im Schatten unter dem ausgestopften Dreyhornkopf gesessen war. Er selbst hatte etwas von einer Bestie, das wilde schwarze Haar in reichverzierte Zöpfe geochten, die Augen gesäumt von buschigen Brauen, die tiefe Schatten warfen, die silberverstärkten Zähne gebleckt. Über seinen Schultern lag ein stählerner Schulterschutz, darunter quer ein Ledergurt, in dem Dutzende Wurfklingen 73 steckten. Als sei das nicht genug, baumelten an seinem Gürtel zwei Schwerter. Er sah nicht glücklich aus und was noch schlimmer war, er sah Veridian direkt in die Augen. Dragor. , dachte Veridian im Tonfall von schlechten Neuigkeiten. Vorsicht. , mahnte Hallia, In den Stiefeln hat er bestimmt auch noch Messer. Ich hatte nicht vor, mich mit ihm anzulegen. , gab ihr Herr zurück. Es reicht, wenn er sich mit dir anlegen will. Und genau danach sah es aus, denn der schwerbewanete Gauner stapfte durch die schreckstarre Menge direkt auf sie zu. Das war ein blöder Plan. , dachte Veridian voller Zweifel. Ruhe bewahren. , gab Hallia zurück. Du hast gut reden, wo du dich doch in Windeseile davonmachen kannst. Aber dazu sollte es nicht kommen, denn Dragor hatte sie erreicht. Die einzige Regung in seinem zerfurchten Gesicht war Ruhe. Er musterte Veridian wie einen Schüler, dann machte er nur ein Geräusch. Ha! Veridian wagte es weder zu atmen, noch ihm in die Augen zu sehen. War das ein gutes oder ein schlechtes Ha? , dachte er panisch. Wohl ein gutes. , erwiderte Hallia. Sie hatte Recht, denn sah man sich um, konnte man beobachten, dass einige der Umstehenden oenkundig beruhigt waren. Silias indes hatte sich mit Hilfe seiner beiden Kumpane aufgerappelt und rieb sich das Kinn. Er warf Veridian einen Blick zu, der nichts Gutes verhieÿ. Dann allerdings wandte Dragor sich um und stapfte ruhig auf seinen Rivalen zu. Er überragte Silias um Haupteslänge und hätte er gewollt, so hätte er ihm mit einem Gri das Genick brechen können. Dennoch lieÿ der andere keine Spur von Angst zeigen. Das zeugte von Mut, oder vielleicht von Wahnsinn. Du kennst die Regeln. , polterte Dragor dunkel, worauf der Wirt hinter dem Tresen zustimmend nickte. Silias sagte nichts und wies nur auf Veridian. Er... Sein Gegenüber umfasste seinen dürren Arm und bog ihn ohne Mühe hinunter. Scheiÿegal. , knurrte er, Der hat keinen Eid geschworen. Trotzig wie ein Kind riss Silias sich los und rieb sich den Arm. Scheiÿ auf dich und deinen Eid. , uchte er, worauf Dragor in aller Seelenruhe die Hände auf seine Schwerter legte. Scheiÿ auf dich. , erwiderte er, Und deine Mutter, die Hure. Er nahm ein Schwert samt Scheide und zog damit eine Linie zwischen den beiden. Das hier ist neutraler Boden. , erklärte er, Aber wenn du auch nur einen Fuÿ über diese Linie setzt, scheiÿe ich auch darauf. Die Worte gingen durch den Raum und ein geschultes Auge konnte sehen, wie sich auf jeder Seite der Linie einige zum Kampf bereit machten. Gewalt lag in der Luft, nicht nur eine Kneipenschlägerei, sondern etwas weitaus Ernsteres. Gebannt starrte Veridian auf Silias, den Mann, der die Wahl zwischen Krieg und Frieden hatte. Soll ich ihn über die Linie schubsen? , fragte Hallia schelmisch. Hand aufs Herz. , erwiderte ihr Kamerad, Wie viele Kriege hast du schon verschuldet? Pf. , machte seine Gefährtin, Nur, weil man mal ein paar Leute die Treppe... Sie hielt inne, denn es sah so aus, als hätte Silias eine Entscheidung getroen. Neutraler Boden. , wiederholte er ruhig, wich einen Schritt zurück und fuhr sich durch das rote Haar. Er deutete eine Verbeugung an und ging rückwärts auf den Eingang der Kneipe zu. Hier indes... Er trat über die Schwelle, ...endet dein Refugium. Mit einem Schwung seines Mantels wandte er sich um und verschwand gefolgt von seinen beiden Lakaien. 74 Drauÿen vor der Kneipe gönnte Hauptmann Zerbas sich ein schadenfrohes Lächeln. Durch die trübe Scheibe hatte er beobachtet, wie sein Kamerad ihren Plan durchgeführt hatte. Nun, da Silias sich zum Gehen wandte, hatte Veridian jede Gelegenheit, Dragors Vertrauen zu erschleichen. Und was ihn anging, auch er hatte einen Teil zu spielen. Mit wehendem Mantel stürmte Silias durch die Tür und hätte den Imperialen schier über den Haufen gerannt. Seine Lakaien sahen die imperiale Uniform und grien augenblicklich nach ihren Messern, aber eine geistesgegenwärtige Geste ihres Anführers hinderte sie daran, sie zu ziehen. Zerbas bemerkte es mit einem Hauch grimmiger Genugtuung. Dies hier war noch immer imperialer Boden, und die Verbrecher mussten vor ihm den Schwanz einziehen, wie sie es vor Dragor getan hatten. Hauptmann Zerbas. , sprach Silias und versuchte dabei, seinen Zorn über die soeben erlittene Schmach zu verbergen. Es gelang ihm kein Stück. Was führt euch hierher? Der Hauptmann musterte ihn von oben bis unten. Dasselbe wie immer, Silias. , antwortete er ruhig, Ordnung bewahren. Mit diesen Worten warf er einen Seitenblick in die Schankstube, als wolle er sich vergewissern, dass die Schlägerei wirklich aufgehört hatte. Nur ein Missverständnis unter Ehrenmännern. , erklärte Silias aalglatt, wohlwissend, dass der andere seine Lüge nicht schlucken würde. Es war ein Spiel, das die beiden schon lange spielten. Zu lange. Zerbas konnte es kaum erwarten, bis er dem rothaarigen Bastard etwas nachweisen konnte. Hmmm. , machte der Imperiale also nur und fasste die beiden geprügelten Lakaien ins Auge. Auÿerdem... , fuhr Silias hastig fort und versperrte ihm den Blick, scheinen euch die Männer zu fehlen, um dort drinnen durchzugreifen. Zerbas beschloss, die Provokation zu übergehen. An jedem anderen Tag hätte er Silias so viel Ärger bereitet, wie das Gesetz es erlaubt hätte, aber nicht heute. Das? , fragte er und zeigte auf die Gauner hinter dem Glas, Das könnte ich mir den ganzen Tag ansehen. Sein Gegenüber dankte ihm die Worte mit einem wenig amüsierten Lächeln. Genug geplaudert. , sprach er, So sehr ich dieses Geplänkel mit euch schätze. Zerbas hob eine Augenbraue. Zeit ist Geld. , fuhr Silias fort, Was also wollt ihr? Wortlos warf der Hauptmann ihm zwei Würfel zu. Erstaunlich behände ng der Gauner sie auf und drehte sie in den Händen. Zwar versuchte er, eine ruhige Miene zu bewahren, aber nur für einen Herzschlag ackerte die nackte Bestürzung in seinen Augen auf. Was soll ich damit? , fragte er patzig. Was könnt ihr mir über diese Würfel sagen? , fragte Zerbas und legte eine Hand an sein Schwert. Silias lieÿ die abgewetzten Würfel in den Händen kreisen. Bittet ihr mich um einen Gefallen, Hauptmann? , fragte er spöttisch. In seinen Augen loderte es noch immer. Kein Zweifel, dass er die Würfel seines toten Untergebenen erkannt hatte. Zerbas sagte nichts, sondern blickte sein Gegenüber nur unablässig an. Die Würfel haben Gewichte. , erklärte Silias schlieÿlich, Beliebt so etwas, im Ostland zum Beispiel, wo das Glücksspiel noch erlaubt ist. Zerbas nickte. Und hier? , hakte er nach. 75 Es war ein oenes Geheimnis, dass das Glücksspiel selbst nach dem Verbot des Imperators seine Anhängerschaft in Titania nicht verloren hatte. Selbst Zerbas Männer hatten schon mit Silias Gaunern gespielt. Die, die er erwischt hatte, schoben Nachtwache, bis sie zu müde waren, den Sold zu verprassen. Trotz alledem war Silias nicht so dumm, irgendetwas oen zuzugeben. Manche skrupellosen Elemente widersetzen sich dem Verbot des Imperators. , erklärte er also schlieÿlich, Narren, wenn ihr mich fragt. Mit ehrlichen Geschäften lässt sich viel mehr Geld verdienen. So wie Veridian ihm das Fell über die Ohren gezogen hatte, war das wohl noch nicht einmal eine Lüge. Diese Würfel gehörten einem eurer Leute. , sprach Zerbas, Was sagt ihr dazu? Viele Männer stehen bei mir in Lohn und Brot. , erklärte Silias, Da mag der ein oder andere dabei sein, der mal ein Gesetz bricht. Er lächelte ein Lächeln, als wolle er Katzengold verkaufen. Ich gebe jedem Arbeit, der eiÿige Hände hat. Das ist wohl kein Verbrechen. Der Hauptmann knirschte mit den Zähnen und rang für einen Atemzug mit dem Drang, dem Lump die Fresse zu polieren. Solch dreiste Lügen von einem wie ihm... Schwachsinn! , sprach er also und machte einen Schritt auf Silias zu, was augenblicklich die beiden Leibwächter auf den Plan rief. Der Hauptmann lieÿ sich nicht einschüchtern und zog sein Schwert, nur soweit, um klarzumachen, dass er es ernst meinte. Hör zu. , knurrte er, Irgendjemand oder irgendetwas wildert in meiner Stadt und tötet deine Männer. Er wies auf die Würfel. Stück für Stück. Silias schluckte. Du hast zwei Möglichkeiten. , sprach Zerbas weiter, Entweder, wir nden den Mörder, oder... Er bleckte die Zähne. Ich sehe in aller Ruhe zu, wie dein ehrenwertes Unternehmen in sich zusammenbricht. Silias wich zurück. Es ist euch also nicht entgangen... , murmelte er, nur, um sogleich wieder in seinen geschäftigen Ton zurückzunden. Tatsächlich sind ein paar meiner Leute verschütt gegangen. , sprach er, Ich habe es auf die allgemeine Aufruhr nach dem Turnier geschoben. Pah. , machte Zerbas. Da hätte ich fast geglaubt, ein ehrliches Wort hätte deinen Mund verlassen. Verärgert rieb Silias das Kinn. Also gut, Klugscheiÿer. , räumte er ein, Jemand führt Krieg gegen mich. Er knirschte mit den Zähnen. Und dieser Jemand sitzt dort drin und spricht über Frieden. Zerbas nickte wenig beeindruckt. Ehre unter Gaunern. Fast hätte er gelacht, hätten nicht so viele ehrliche Bürger unter diesen beiden zu leiden. Dragor. , sprach er also, Der Schluss liegt nahe. Ich werde ihm ein Feuer unter dem Arsch entfachen, dass er niemals wieder sitzen kann. , uchte Silias, Willst du mir helfen, Hauptmann, so tue es. Nicht um deinetwillen. Der rothaarige Gauner zuckte mit den Schultern. Könnte mir gar nicht egaler sein. , sprach er jovial und legte dem Hauptmann einen Arm um die Schulter. Partner. 76 Der Wein ist gepanscht und die Frauen sind schlecht! Aber hab ich nur Gold ist mir alles recht! Das trunkene Lied der Räuber hallte hinaus ins Gebälk, wo man Veridian eine Nische zugewiesen hatte. Rauch füllte das windschiefe Gebäude, den der schläfrige Windgeist von Zeit zu Zeit verstreute, um ihm ein wenig frische Luft zu verschaen. Der Winter war gekommen und unter Stroh und Lumpen wurde es trotz dem Feuer dort unten ein wenig kalt. Dennoch lächelte Veridian. Die Räuberhöhle hatte eine gewisse Romantik inne, wie er sie seit seiner langen Suche nach Hallia nicht mehr empfunden hatte. Jetzt werde nicht nostalgisch. , murmelte der Windgeist. Wenn sie beide müde waren, verschwamm die Grenze zwischen ihren Gedanken und Erinnerungen und Gefühle liefen ineinander wie schmelzendes Eis. Manchmal teilten sie sogar Träume. Du kannst dich wohl kaum beschweren. , dachte er zurück, Schlieÿlich hast du mich durch die halbe Welt laufen lassen. Hallia rümpfte die imaginäre Nase. Wer hat hier wen gejagt? , gab sie spitz zurück, Auÿerdem war das nur so lange, bist du würdig warst, mich zu fangen. Er dachte eine Verbeugung. Danke auch für die Reise. Beide lachten leise, während der Räuberchor unten die nächste Strophe ansetzte. Der Wein ist so süÿ und die Frauen adrett, aber hab ich kein Gold... Der Windgeist ächzte und eine Böe wirbelte den Staub von den Balken. Gebt ihnen ein paar Groschen, dass sie aufhören. , murmelte sie griesgrämig. Veridian grinste und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. Zwar war er müde und in gewissem Sinne zufrieden, aber in seinem Hinterkopf war auch ein wenig Angst. Es war ein guter Tag gewesen, so gut zumindest, wie ein Tag sein konnte, an dem man herausgefunden hatte, dass der Alptraum noch nicht vorüber war. Der gefürchtete Dragor hatte sich sehr beeindruckt gezeigt, dass jemand seinem Erzfeind nicht nur eine Menge Gold abknüpfen, sondern ihm dann auch noch das Kinn polieren konnte. Nachdem Veridian ein paar Schnäpse mit ihm getrunken und über ein paar seiner rauen Witze gelacht hatte, war er oziell Teil der Räuberbande geworden. Zumindest so oziell, wie das bei einer Räuberbande ablief. He, Neuer! , tönte es plötzlich und Veridian schreckte auf, was ihn schier sein Gleichgewicht gekostet hätte. Während sein Strohsack hinunter zu den Räubern el, rappelte er sich auf und blickte ins Halbdunkel. Dort saÿ rau lachend ein Schemen auf einem der Balken und musterte ihn aus eingefallenen Augen. Hoppla. , meinte er nur und blickte dem Strohsack hinterher, An deiner Wachsamkeit musste noch feilen. Hallia bot ihrem Kamerad an, den Räuber aus Trotz vom Balken zu stoÿen, aber er gebot ihr Einhalt, wohlwissend, dass sie es nicht ernst meinte. War ein langer Tag. , murmelte er entschuldigend. Der andere winkte ab. Schönheitsschlaf kannste wann anders halten, so nötig du ihn hast. Er stand auf und reichte ihm die Hand. Tag wird nämlich noch länger. 77 Zerbas begann zu denken, dass diese Allianz eine schlechte Idee war. Nein, um genau zu sein, er hatte noch niemals gedacht, dass sie eine gute Idee war. Aber welche Wahl blieb ihm? Ist die Augenbinde wirklich notwendig? Er hörte Silias leise lachen. Ein Mann muss seine Geheimnisse eifersüchtiger bewachen als seine Frau. Eure Geheimnisse. , echote der Hauptmann spöttisch, Wohl eher die Leichen in eurem Keller. Das ist wahrer als ihr denkt. , sprach Silias düster. Zerbas Fuÿ gri ins Leere. Ach ja. , fuhr sein Feind fort, Vorsicht, Stufe. Schweigend stiegen sie hinab und der blinde Hauptmann zählte die Stufen, bis sie fünfzig hinter sich gelassen hatten. Der Weg führte sie tief in den Untergrund. Seine Hände fühlten nassen, rauen Stein und ein Geruch von Moder drang ihm in die Nase. Es war kalt hier unten und von weitem hörte man unablässiges Tropfen. Wo sind wir? , murmelte Zerbas. Ihr scheint den Zweck der Augenbinde wirklich nicht zu begreifen, was? , spottete Silias, der diese Situation sichtlich auskostete. Was, wenn er den Imperialen einfach in einen bodenlosen Abgrund führte oder noch schlimmer in ein Verlieÿ, um ihn auszuhorchen? Nein, das war wirklich keine gute Idee gewesen. Aber Zerbas hatte keine bessere gehabt, um den Mann hinter dem Schwert zu nden. Sie hatten den Grund erreicht und setzten ihren Weg gebückt fort. Selbst durch den Sto um seine Augen war die Finsternis oenkundig. Lediglich die Fackel in Silias Händen sandte von Zeit für Zeit ein Flackern greller Wärme. Ein anderer Geruch mischte sich in den Moder, ein Geruch, wie ihn der Hauptmann nur viel zu gut kannte. Der Geruch des Todes. Wir sind hier. , sprach der Gauner schlieÿlich und sein Begleiter streifte die Augenbinde ab. Sie befanden sich in einem gemauerten Gewölbe, dessen Wände von Feuchtigkeit und Algen grünlich glitzerten. Das war es aber nicht, was seine Augen in den Bann zog. Tote. Drei Stück. Zerbas verzog keine Miene, als er die aufgespaltenen Leiber musterte, blutbesudelt und alle im Begri der Verwesung. Drei mehr, die das Schwert genommen hatte. Drei mehr, die letzten Endes auf seinem Gewissen lasteten. Drei. Nur eine Zahl, kein Wort, um dem, was er empfand, gerecht zu werden. Es waren wohl schlechte Männer, die hier lagen, Männer, denen er vielleicht unter anderen Umständen den Tod gewünscht hätte. Aber als er sie nun hier liegen sah, konnte er keine Gerechtigkeit darin nden, nur Zorn und Schuld. Wortlos senkte er den Blick. Das sind nur die, die wir gefunden haben. , sprach Silias. Wenn er Mitleid empfand, so konnte er es gut verbergen. Alles, was aus seiner Stimme klang war Ärger über eine vergeudete Investition. Wo? , fragte Zerbas und beugte sich zu den Toten hinab. Dort, wo man nachts für gewöhnlich Geschäfte macht. , erklärte Silias, In einem Hinterhof, im Kanal und der letzte... Er zögerte und der Hauptmann blickte auf. Geschäftsgeheimnis. , schloss er, worauf Zerbas hochfuhr und ihn am Kragen packte. Augenblicklich hatten Silias zwei Kumpane ihre Messer gezogen. 78 Wo? , fragte der Imperiale unbeirrt der Übermacht. Silias versuchte vergeblich, sich loszureiÿen. Es tut nichts zur Sache. , beteuerte er. Widerwillig lieÿ Zerbas los. Und niemand hat etwas gesehen. Der Gauner seufzte. Einer meiner Männer erzählte wirres Zeug von lebendigen Schatten und blauem Feuer. Zerbas war, als schlösse sich eine Faust um seinen Magen. Blaues Feuer. , murmelte er. Ein Trunkenbold. , wiegelte Silias ab, Nichts weiter. Pah! , machte Zerbas und beugte sich wieder hinunter zu den Leichen. Ich habe gegen den Träger dieser Wae gekämpft. Er deutete auf die schlimme Wunde im Brustkorb des Mannes zu seinen Füÿen, Ein Mensch war er nicht. Zumindest nicht mehr. Aus den Augenwinkeln konnte er sehen, wie das Grausen den sonst so abgebrühten Schurken überkam. Gut. Langsam begri er den Ernst der Lage. Nur, dass ich mich nicht irre. , sprach Silias, während der Hauptmann die Taschen der Toten durchsuchte, Dieses veruchte Schwert, von dem ihr berichtet habt. Ihr habt seinen Träger getötet und es konsziert. Wir haben ein Haus über ihm einstürzen lassen. , erklärte Zerbas, ohne aufzublicken. Wie im Militär galt hier auch, den anderen nur genau so viel wissen zu lassen, wie er wissen musste. Das Schwert wurde gestohlen. Gestohlen... Silias verschränkte die Arme. Das sähe Dragor ähnlich. Zerbas hob eine Augenbraue. Und euch nicht? Silias lachte tonlos. Euren Groll in allen Ehren, Hauptmann. , antwortete er, Aber mit dem Imperium und dem Widerstand lege ich mich nicht an. Genauso gut könnte ich meine Hand in ein Wespennest stecken. Der Widerstand. Zerbas drängte den Gedanken an die Blaue Königin zurück, die ihm eine schmachvolle Niederlage beigebracht hatte. Stattdessen suchte er noch einmal die Toten ab. Aha. , machte er schlieÿlich und zog etwas unter einem Leichnam hervor. Es war ein Fetzen Sto, der wohl in der Hand des toten Gauners gesteckt hatte. Was ist das? , fragte Silias, noch immer nicht bereit, sich die Finger schmutzig zu machen. Wortlos faltete der Hauptmann sein Fundstück auf. Es war ein Stück von einem Wams, darauf in roter Tinte der Kopf eines Dreyhorns. Dragor. , uchte Silias. Zerbas nickte und dachte an seinen Kameraden, der gerade in der Höhle des Löwen war. Wie lange müssen wir hier noch sitzen? , fragte Veridian und blickte über die Kante des Dachs hinunter auf die Straÿe. So lange, wie es dauert. , antwortete sein Kamerad, den er inzwischen als Janos kennengelernt hatte. Auÿerdem sitzen wir nicht, wir liegen auf der Lauer. , fügte er hinzu. Veridian kannte den Räuber inzwischen gut genug, um zu wissen, dass das ein Witz sein sollte. Auf Dragors Befehl hin hatten die beiden den Auftrag bekommen, Schmiere zu stehen (oder zu liegen), damit eine geheime Lieferung vom Kanal bis zu Dragors Versteck gelangen konnte. Wo auch immer das lag, denn darin hatte man ihn als Neuling noch nicht eingeweiht. 79 Janos war nicht gerade begeistert davon, sich hier drauÿen die Nacht um die Ohren zu schlagen. Arschkarte. , hatte er nur gemurmelt und es dabei belassen. Hätte nicht gedacht, dass das Räuberdasein so langweilig ist... , murmelte Veridian, als unten eine streunende Katze durch die Dunkelheit huschte. Langweilig... , wiederholte Janos, Räuberdasein kann viel schlimmeres sein als langweilig. Er streckte einen Arm von sich und lieÿ die Gelenke knacken. Langweilig bricht keine Knochen. Langweilig macht dich nicht tot. Veridian lachte trocken. Langweilig bringt auch kein Gold. Wahr, wahr. , antwortete der Räuber, Gold ist bei dir aber genug. Er zog einen Würfel. Oder hat man mir Scheiÿe erzählt? Er streckte Veridian den Würfel hin, als wolle er ihn auordern, sein Kunststück zu wiederholen. Zu schade nur, dass Hallia nicht da war. Hast das mit Silias gehört? , fragte er also nur. Janos spuckte über die Brüstung. Silias. , uchte er, Gut, dass du ihm die Fresse poliert hast. Veridian nickte. Hat mir meinen Platz hier eingebracht. , erklärte er, Dragor kann ihn wohl so gut ab wie Krätze. Schritte tönten über das Paster und er hielt inne. Nur ein verirrter Trinker, nichts weiter. Hallia hätte ihn ohnehin vorgewarnt, wenn irgendeine Gefahr sich näherte. Der nächtliche Wanderer torkelte vorbei und beide Männer sahen ihm schweigend hinterher. Ist 'ne lange Geschichte mit Dragor und Silias. , murmelte Janos schlieÿlich, Manche sagen ist nur Geschäft, manche sagen ist persönlich. Manche reden von einer Frau, aber das ist Mumpitz. Veridian sah auf. Vielleicht wusste sein Kamerad ja, was Dragor gegen seinen Erzfeind geplant hatte und damit, wo sich das Schwert befand. Ein wenig Neugierde konnte nicht schaden. Und was redest du? , fragte er also. Janos kratzte das strubblige Haar hinter seinem Ohr. Sooft er ihn auch zur Ruhe gemahnt hatte, er selbst war den ganzen Abend unruhig gewesen. Geschäft, mehr nicht. , riet der Räuber, Haben sich die Stadt geteilt wie ein Huhn. Er zuckte mit den Schultern. Frieden bröckelt aber. Haste ja selbst gesehen. Veridian antwortete: Von mir aus könnten wir Silias in Flammen stecken. Er knirschte mit den Zähnen. Sein Gegenüber sah auf. Dein Schmackes hat Dragor gut gefallen. , sprach er, Könnte sein, dass du Silias in nächster Zeit ein paar Knüppel zwischen die Beine werfen kannst. Hmm. , machte Veridian und zwang sich, ein wenig zu warten, obwohl ihm das Herz bis zum Halse schlug, Was hat Dragor vor? Geduld hast du. , sagte Janos ruhig, Wirst du schon noch rechtzeitig erfahren. Gut, gut. , murmelte Veridian, Sorgen wir erst mal dafür, dass diese Lieferung ihren Weg nach Hause ndet. Er beschloss, noch eine weitere Frage zu stellen. Was genau ist das eigentlich, was wir bekommen? Janos hob eine Augenbraue. Neugierde. , murmelte er, Gefährlich, das. P... , macht Veridian, Dann sag's mir halt nicht. Der Räuber lachte leise. Kann dich gut verstehen. Neuer muss seine Augen und Ohren oenhalten, will er's zu was bringen. Ja. , bestätigte Veridian. Obwohl der andere freundschaftlich tat, lag doch ein gewisser Argwohn in seinen Worten, den er aber tunlichst zu verbergen suchte. Gut, also. , sprach Janos schlieÿlich verschwörerisch, Sollte es dir nicht sagen, aber ist wohl nur gerecht, wenn du weiÿt, wofür du Kragen und Kopf riskierst. Er legte 80 eine Pause ein, halb dramatisch und halb vielleicht, weil er zögerte, Dragors Befehl zu missachten. Wir bekommen Nachschub. Weiÿer Lotus. Weiÿer Lotus? , fragte Veridian. Ein Gift, das Träume beschert, Rausch, Euphorie. , erklärte der Räuber abschätzig, Nie davon gehört? Veridian schüttelte den Kopf, obwohl ihm auf seiner Reise mancherlei solche Dinge begegnet waren, vom Feuertabak der Nhubi'Reg bis zum guten alten Starkbier. Hat nur einen Haken, das Zeug. , sprach Janos weiter, Nach einer Weile kannst du ohne nicht mehr träumen. Nichtmal schlafen. Also müssen die Leute immer weiterkaufen. , schloss Veridian. Gift unter die Leute bringen, das war ein schlimmes Verbrechen. Wäre Zerbas hier an seiner Stelle, hätte er den Räuber sicherlich hinunter auf die Straÿe geschleudert. Gefällt dir nicht, was? , fragte Janos, ohne ihn anzusehen. Mir auch nicht, aber so ist es halt. Wenn wir's nicht machen, macht es Silias. Lass nur du die Finger davon. Veridian tat sein Möglichstes, um sich seinen Abscheu nicht ansehen zu lassen. Janos war ohnehin das falsche Ziel dafür. Der Räuber wich seinem Blick aus. Vielleicht war es das, was ihnen diesen Abend so nervös machte. Der Rest von einem Gewissen. Danach sagte er eine ganze Weile lang nichts mehr. Die Lieferung lieÿ auf sich warten. Genauso wie Hallia, die oben am Nachthimmel ihre Runden zog. Veridian vermisste sie. Ohne den Schutzgeist war es einsam in seinem Kopf und hier, unter Räubern, konnte er die Einsamkeit schlecht ertragen. Vielleicht war sie für ihn ein bisschen wie weiÿer Lotus. Der Mond war schon wieder am Sinken, als sich Janos ruckartig aufsetzte. Sag an, Veridian, haste Familie? Überrascht blickte sein Gegenüber auf. Was sollte diese Frage? Vater und Mutter sind Müllersleute. , sprach er, nachdem er beschlossen hatte, bei der Wahrheit zu bleiben, Jenseits der Wüste. Hmm. , machte Janos, Niemanden hier im Norden? Sein Ton war beiläug, aber dennoch war Veridian nicht sicher, ob er nur Konversation machte. Es konnte gut sein, dass Dragor ihm aufgetragen hatte, ihn auszuhorchen. Nein. , antwortete er also, Bin nur für das Turnier nach Titania gekommen. Dafür? , fragte Janos lachend, Hätt dich nicht für so dumm gehalten. Er schien erst, nachdem seine Worte verklangen waren zu begreifen, dass sie eine Beleidigung waren. Oder für so mutig. Veridian schwieg. Wie weit haste es geschat? , fragte Janos. Erste Runde. , antwortete Veridian, Hatte das Glück, gegen Arden gelost zu werden. Den Namen kannte der Räuber. Immerhin hatte Arden es bis ins Finale geschat. Tröste dich. , sagte Janos, Nun ist er tot und du noch am Leben. Hab gut Geld gewonnen. Auf seinen Gegner gesetzt. Er schwieg für einen Moment, dann fügte er hinzu: Des einen Tod, des andern Brot. Noch immer kein Fuhrwerk. Ich hab Familie. , sagte Janos unvermittelt, Zwei Kinder. Veridian nickte höich, wie man es tat, wenn man solche Dinge hörte. Janos räusperte sich. Erzähl dir das nicht so aus Tollerei und Jux. , sagte er, Hab noch was zu erledigen. 81 Jetzt? , fragte Veridian mit groÿen Augen. Zwei Straÿen von hier. , erklärte Janos. Deswegen war es also so unruhig gewesen. Deine Frau. , fragte Veridian. Eine von ihnen, zumindest. , antwortete Janos und kratzte sich am Hinterkopf. Jaja, muss toll sein. Wenn du wüsstest. Oh. , machte sein Gegenüber nur, dann besann er sich der Rolle, die er zu spielen hatte. Du Gauner! Er verpasste dem Räuber einen kameradschaftlichen Knu. Sag ja, sie wissen nichts voneinander. Pssst. , machte Janos, sowohl wegen seines Geheimnisses als auch wegen ihres Auftrags. Veridian legte sich hin und blickte hinunter auf die Straÿe. Geh. , sprach er, froh, eine Besinnungspause zu bekommen, Glaube eh nicht, dass heut Nacht noch irgendwas passiert. Er machte eine kurze Pause. Zumindest nicht hier. Mit einem denkbaren Nicken verschwand Janos in die Nacht. Kaum war er fort, senkte sich ein kühler Abendwind über Veridian. Endlich. , ging es ihm durch den Kopf und er önete die Hand, um Hallia willkommen zu heiÿen. Hast du mich vermisst? , fragte sie spöttisch, als sie seine Erleichterung bemerkte. Ihr Herr verdrehte die Augen. Ja. , antwortete er, Auch wenn ich mich nun frage, warum. Ist dir dein neuer Räuberfreund lieber? , fragte sie spitz. Veridian zuckte mit den Schultern. Scheint ein guter Mann zu sein, für einen Räuber. Hallia lachte ein glockenhelles Lachen. Die Frauen scheinen ihn zu mögen... , ötete sie, Da kann man glatt neidisch werden. Veridian war es nicht, zumindest wollte er es nicht. Die Menschen und die Liebe. , sprach sie. Er verdrehte die Augen. Da stehst du als Schutzgeist sicherlich drüber. Sie grinste vor seinem inneren Auge, aber er konnte sehen, dass dahinter noch etwas anderes lag. So etwas endet immer in Feuer und Tränen. Sie rieb sich das bläuliche Kinn. Andererseits, wenn ich an unseren starrköpgen Freund denke... Veridian lachte lauthals los, aber legte sich sogleich eine Hand auf den Mund. Tzz, tzz. , üsterte Hallia, Du willst doch nicht, dass euer kleiner Schmuggel auiegt. Wenn das passiert, wird Dragor uns so schnell wieder aus seinem Dienst entlassen, wie er uns aufgenommen hat. Nicht nur das. , erklärte sie lehrerhaft, Wenn das passiert, dann wird er das, was von dir übrigbleibt, an seinen Gürtel hängen. Er schnaubte. Schön, dass du mir Mut machst, Hallia. Sie nahm körperliche Form an und tätschelte seine Stirn. Keine Angst, denn was du weiÿt, ist, dass die Kutsche, die gleich um die Ecke kommt, genau das enthält, aus dem auch ich bestehe. Sie pustete ihm ins Gesicht. Veridians Augen weiteten sich. Eine Falle? , fragte er ungläubig. Eine Prüfung. , antwortete sie ruhig, Deiner Loyalität. Das Klappern der Räder ertönte und die Kutsche fuhr unter ihnen hindurch. Das heiÿt, Janos hat mich absichtlich alleingelassen. , schloss Veridian. Hallia nickte. Wartet unten im Hinterhof. , erklärte sie selbstzufrieden. 82 Dann warten wir also einfach ab und tun nichts. , schloss ihr Kamerad. Der Schutzgeist nickte. Das bekommen selbst wir hin. , sprach sie fröhlich. Veridian lachte leise. Mit Misstrauen der Räuber war zu rechnen gewesen, aber nun, da ihre Falle umschit war, wuchs seine Zuversicht. Es war, als sei ein schwerer Stein von seiner Seele genommen. Du hast vorhin was von Tränen und Flammen gesagt. , fragte er beiläug. Sie blickte hinauf zum Sternenhimmel. Es gab einmal eine von uns, die war wie ich, nur aus Feuer... , begann sie zu erzählen. Die erste Probe war bestanden. Setzt euch, Hauptmann, setzt euch. , sprach Silias jovial und bot Zerbas einen Stuhl. Zerbas blickte über dem Tisch, auf dem sich allerlei Köstlichkeiten häuften, eine teurer und seltener als die andere. Er fragte sich, was der Gauner mit dieser geradezu obszönen Zurschaustellung von Völlerei bezwecken wollte. Was auch immer es war, er würde keinen Teil daran haben. Also verschränkte er die Arme und blieb stehen. Ihr solltet die getrockneten Kugellibellen probieren. , sprach Silias und biss genüsslich die Flügel von einem Insekt. Oder steht euch der Sinn nach Norländer Schokolade? Spart euch das. , gab der Hauptmann rau zurück, Mir steht der Sinn nach Gerechtigkeit. Der hagere Räuber blickte über den Tisch. Zu schade, meine Magd hat keine gedeckt. Er sah auf, als erwartete er, dass Zerbas über diesen Witz lachte. Wie dem auch sei, vielleicht kann ich euch trotzdem damit dienen. Ihr könnt mir erst einmal damit dienen, mir zu verraten, warum ihr so gute Laune habt. Silias bleckte die Zähne, zwischen denen noch Reste der Kugellibelle hingen. Zum einen natürlich eure geschätzte Gesellschaft. , erklärte er, Zum anderen habe ich durchzählen lassen und festgestellt, dass alle meine Männer gesund und wohlbehalten sind. Hmm. , machte der Soldat. Er bezweifelte, dass der Träger des Schwertes einfach so aufhören würde, aber wer weiÿ, vielleicht hatte das Schicksal auch ohne sein Zutun das Nötige getan. Was schlieÿt ihr daraus? , fragte Silias und goss sich ein Glas Kirschsaft ein. Nichts vorerst. , antwortete Zerbas, Das Schwert bleibt verschwunden. Sein Gegenüber nahm einen Schluck Saft und lieÿ ihn geräuschvoll durch die Zahnlücken wandern. Seht ihr, Hauptmann, das verstehe ich nicht. Gestern wart ihr Feuer und Flamme, Dragor den Allerwertesten aufzureiÿen. Er leckte sich die Lippen. Und heute lasst ihr diesen Elan vermissen. Der Imperiale knirschte mit den Zähnen. Abermals war er bei Zelphar vorstellig geworden, der seine Hand schützend über das Versteck des Verbrechers gehalten hatte. Das letzte, was ich brauche, ist ein Räuberkrieg in den Straÿen Titanias. Ihr mögt eure Verbannung hierher schätzen, aber wenn ich mir noch etwas zuschulden kommen lasse, dann wird der Imperator auch mich versetzen. An den Nordpol vielleicht, oder in die Wüste, wenn ich Glück habe. Das waren die Worte des Statthalters gewesen. Und wie 83 schon beim letzten Mal hatte er dennoch darauf bestanden, dass er das verschwundene Schwert fand. Aber all das brauchte Silias nicht zu wissen. Lasst mich raten. Zelphar lässt euch nicht von seiner Kette. Der Gauner hatte ins Schwarze getroen und Zerbas fürchtete, dass er es ihm ansehen konnte. Wollt ihr oenen Krieg mit Dragor? , fragte er stattdessen. Silias gri sich seelenruhig ein Brötchen. Wie konnte er so fressen und doch so dürr sein? Krieg? , fragte er und stach sein Messer in ein Marmeladenglas. Krieg ist schlecht fürs Geschäft, zumindest, wenn man ihn selbst führt. Er sparte nicht mit der Marmelade. Aber wenn es keine andere Wahl gibt, so werde ich wohl müssen. Er hob sein Messer, das rot glänzte wie von Blut. Zerbas Magen gab ein Knurren von sich, das er mit gewissem Ärger und der Gauner mit gewisser Freude vernahmen. Aber dazu muss es nicht kommen. , sprach er und bot Zerbas noch einmal den Stuhl, Ein Spatz hat mir nämlich heute Morgen etwas sehr Interessantes gezwitschert. Und das wäre? , fragte Zerbas. Um der Vierzehn willen, jetzt setzt euch und esst etwas, bevor euch die Augen aus dem Kopf fallen! Der Hauptmann zögerte, dann kam er der Einladung nach. Silias sah es mit sichtlichem Wohlgefallen, der nur durch Gastfreundschaft nicht zu erklären war. Erzählt. , sprach der Hauptmann und gri widerwillig nach einer Scheibe Brot. Gegen ein geringes Entgelt habe ich erfahren, dass Dragors Leute heute einen Fischzug planen. Der Hauptmann sah auf. Ein Gauner, der den anderen verriet. Vielleicht war heute doch kein so schlechter Tag. Ha. , machte die Wache, nahm noch einen Schluck Wein und strich sich die Goldtaler in die Tasche. Schon wieder gewonnen! Zähneknirschend zauberte Veridian noch einen Goldtaler hervor und legte ihn auf den Tisch. Dein Glück wird sich noch wenden , sprach er, trank aus der Flasche mit Traubensaft und nahm den Würfelbecher. Was ist? Es ist dein Geld... , meinte der imperiale Soldat und machte ebenfalls seinen Einsatz. Gib mir eine Elf, dann bleibt es spannend. , dachte Veridian, worauf Hallia durch die Hand seinen Körper verlieÿ und ihren Tanz mit den Würfeln begann. Wie ich gesagt habe. , sprach Veridian, als er die gewünschte Augenzahl erzielte, Das Glück wendet sich. Wir werden sehen. Der vom Wein beseelte Wächter wischte schier die Würfel vom Tisch, schate es dann aber doch, seinen Wurf zu gewinnen. Heute ist mein Glückstag! , rief er überschwänglich und schnappte sich mit glänzenden Augen seinen Gewinn. Wenn du es sagst. , sagte Veridian und blickte dem Soldaten über die Schulter. Dort stand Janos, der ihm mit einem Nicken signalisierte, dass das Lager leergeräumt war. Zeit also, sich zu verdrücken. 84 Spielen wir nochmal! , sprach er also und gri in seine Tasche. Oh. , machte er und zog die leere Hand heraus, Ich bin wohl pleite. Tja. , machte der betrunkene Wächter selbstzufrieden, Pech im Spiel, Glück in der Liebe. Jaja. , grummelte Veridian und machte, dass er davonkam. Noch wusste sein Gegenüber nicht, dass er gerade ausgeraubt worden war. Besser, weit weg zu sein, wenn er es herausfand. Erzähl Zerbas bloÿ nicht, wie viel Spaÿ mir diese Gaunereien machen. , dachte er, als Hallia in seinen Körper zurückkehrte. In sicherer Entfernung trafen sie Janos, der gerade die letzte Kiste auf ein Fuhrwerk lud, das sich augenblicklich in Bewegung setzte. Nichts wie weg! , forderte Veridian, aber sein Kamerad schüttelte den Kopf. Ganz ruhig und langsam. , üsterte er, Wir haben doch nichts Verdächtiges getan. Sie begannen zu schlendern. Und du hast keine Angst? , fragte Veridian die Räuber skeptisch, Ich habe gehört, das Imperium mag es gar nicht, bestohlen zu werden. Imperium? , antwortete Janos ungläubig, Hältst du uns für lebensmüde? Zeug hat einem alten Kerl namens Dalion gehört. Er beugte sich verschwörerisch zu ihm hinüber. Guter Rat. , sprach er, Klau niemals vom Imperium, wenn dir etwas an deiner Haut liegt. Werd ich mir merken. , antwortete Veridian. Das ergab keinen Sinn, denn schlieÿlich hatten Dragors Männer das veruchte Schwert aus einem imperialen Lagerhaus gestohlen. Nun, vielleicht wusste Janos nichts davon. Vielleicht allerdings wollte er es auch einem Neuling wie ihm nicht unter die Nase binden. Noch bevor er allerdings weiter fragen konnte, ertönte hinter ihnen ein unverkennbares Geräusch: Stiefel auf Kopfsteinpaster. Nicht umdrehen. , zischte Janos augenblicklich seinem aufgeschreckten Kameraden zu und ging weiter, als sei nichts. Und obwohl Veridian wusste, dass ihm im Falle ihrer Ergreifung wohl kaum etwas Schlimmes zustoÿen würde, kostete es all seine Willenskraft, sich weder umzudrehen, noch loszurennen. Nur die Ruhe. , dachte Hallia, verlieÿ seinen Körper und machte sich daran die Lage auszukundschaften. Sie hatte gut reden. Sie haben uns am Arsch. , murmelte Veridian. Die Träger der Stiefel waren kaum noch einen Steinwurf weit entfernt. Ruhe bewahren... , forderte Janos mit verbissener Überzeugung. Veridian sah den Räuber an. Er wirkte völlig ruhig, sah man davon ab, dass seine Kiefer so angespannt waren, dass sein Wunder war, dass seine Zähne nicht zu Staub zerelen. Ihre Verfolger mussten wohl doppelt so schnell sein wie sie selbst. Zwei Soldaten. , verkündete Hallia, die mit einer Böe in seinen Verstand zurückkehrte, Ein Dutzend, das den Wagen umstellt hat. Zerbas ist auch dort. . Scheiÿe. , murmelte Veridian. Selbst wenn Zerbas ihn wieder auf freien Fuÿ setzte, war seine Tarnung zweifellos aufgeogen. Was machen wir jetzt? , fragte Veridian atemlos. Wollte das vermeiden. , sprach sein Kamerad, Aber führt wohl kein Weg dran vorbei. Mit diesen Worten zog er Veridian in einen Hauseingang, knapp, bevor die Imperialen sie erreichten. 85 Was zum? , fragte der perplex. Wir besuchen meine Liebste. , erklärte Janos. Mit grimmiger Zufriedenheit musterte Zerbas die gestohlenen Kisten, die seine Männer aus dem Fuhrwerk herausholten. Silias Hinweis hatte sich als wahr erwiesen. Der Gedanke an den rothaarigen Gauner wischte ihm das Lächeln vom Gesicht. Er hatte zwar der Ordnung gedient, aber letzten Endes war es Silias, für den er gehandelt hatte. Ein Kompromiss, der ihm trotz allem nicht geel. Dennoch, der Fang war es wert gewesen. Er zwang sich, seine eigenen Bendlichkeiten zurückzustellen und seine Aufmerksamkeit auf das zu richten, was nun zu tun war. Ein paar Diebe in Ketten zu schlagen war nicht schlecht, aber das war nicht der Grund, warum er hier war. Er musterte die drei Männer, die vor ihm knieten. Zwei hatten den Blick zu Boden gerichtet, der dritte sah ihm trotzig ins Gesicht. Der Hauptmann sah zurück und musterte ihn. Die Kleidung war von guter Qualität, allerdings verschlissen und verblichen. Der Körper darunter ebenfalls, bleich und von Narben gezeichnet wölbten sich Muskeln wie die knorrigen Wurzeln eine alten Baums, die widerwillig gegen das Schicksal kämpften. Das Gesicht des Schurken hingegen war unrasiert, ungewaschen, aber ungebrochen. Es war ein tauglicher Mann, der dort kniete, einer, aus dem man etwas hätte machen können, hätte man nur zur rechten Zeit eingegrien. Zerbas starrte weiter, gnadenlos, bis der andere den Blick zu Boden richtete. Der Triumph bereitete ihm keine Freude. Dieser hier würde nichts verraten, gleich, was man ihm tat. Raub. , sprach er ungerührt, Wisst ihr, was darauf steht? Ich kann nicht lesen. , murmelte der widerspenstige der drei Männer und funkelte ihn herausfordernd an. Ein Tritt in die Magengrube brachte ihn zum Schweigen. Zerbas knirschte mit den Zähnen. Witzig. , urteilte er, dann trat er vor die beiden anderen, die sich schon instinktiv krümmten. Diese waren keine Männer vom Kaliber des anderen, linkisch und hager. Ich vergrabe euch in dem tiefsten Loch, das Titania zu bieten hat. , versprach er, So lange, bis euch Haar und Zähne ausgefallen sind. Einer der Männer begann zu zittern, worauf sich der Hauptmann zu ihm hinunterbeugte. Aber, aber... , sprach er mit gespielter Sanftheit, Hartgesottene Burschen wie ihr sollten doch den Kerker nicht fürchten. Er stand wieder auf und kratzte sich am Kinn. Wenn ich's allerdings recht bedenke, seid ihr nicht annähernd schlau genug, solch einen Raubzug ohne Hilfe durchzuführen. Der widerspenstige Räuber ballte auf diese Beleidigung seine Hände zu Fäusten, aber ein scharfer Blick von Zerbas lieÿ ihn die Arme senken. Er hatte begrien, wo sein Platz war. Kleine Fische. , sprach er weiter, Kaum meine Mühe wert. Er nickte seinen beiden Männern zu. Locht sie ein, alle drei. , befahl er, Und dann ruft unsere anderen Truppen 86 zurück und räumt dieses Chaos auf. Aber... , warf einer seiner Männer ein, Wir haben noch nicht alle... Zerbas seufzte. Er war sich wohl bewusst, was der Soldat einzuwerfen hatte. Sie hatten noch nicht alle Räuber gefangen. Aber das Schwert war nicht hier und er konnte nicht riskieren, Veridians Position unter Dragors Leuten zu gefährden. Wir verschwenden unsere Zeit. , bellte er also, Einpacken! Abtreten! Der Soldat gehorchte ohne weitere Widerworte. Schlau und gehorsam. Veridian würde ihn für eine Beförderung vorschlagen. Aber... , protestierte einer der linkischen Räuber, als er emporgezogen wurde. Aber was? , fragte Zerbas missmutig. Das hier hatte sich als gefährliche Zeitverschwendung erwiesen, aber vielleicht konnte sich das Blatt noch wenden. Ich will nicht in den Kerker. , murmelte der Räuber wie ein trotziges Kind. Dann hättest du niemanden ausrauben sollen. , sprach Zerbas mitleidlos. Der Mann war den Tränen nahe. Wie jämmerlich. Können wir uns nicht entgegenkommen? Zerbas nickte. Das hatte er schon oft gehört, nur herausgekommen war dabei selten etwas. Andererseits konnte ihm dieser rückgratlose Wurm vielleicht auch nützlich sein, ohne, dass er etwas erzählte. Lasst den hier bei mir. , befahl er also, Und führt die anderen ab. Verräter! , brüllte der starke von ihnen, Du wirst dir noch wünschen, den Kerker gewählt zu haben. Räubergeschwätz. , sprach Zerbas ruhig, während die beiden davongeschleift wurden, Weniger Wert als Liebesschwüre einer Hure. Der Räuber lachte und ng sich einen Fausthieb. Was ich damit sagen will , fuhr Zerbas fort, ist, dass du lieber mich fürchten solltest, Abschaum. Der andere spuckte ein wenig Blut auf das Paster, was dem Imperialen als Antwort genügte. Das Ganze ist einfach. , sprach Zerbas weiter, Erzähle mir etwas, das mich interessiert, dann überlege ich mir, dich laufen zu lassen. Dragor... , stotterte der Räuber, Dragor hat uns den Auftrag gegeben. Zerbas gähnte, was sein Gegenüber in nackte Angst versetzte. Er verkauft das Zeug, wir bekommen einen Anteil. , sprach er, So läuft das. Weiter. , folgerte Zerbas. Was weiter? , fragte der Räuber panisch, Mehr weiÿ ich nicht. Ist einfach verdientes Gold. Ich sollte dich zu deinen beiden Freunden sperren. , überlegte Zerbas kurz, Vielleicht lockern die deine Zunge. Die schneiden sie mir heraus, Hauptmann. , wimmerte der Räuber, Bitte, ich weiÿ nicht mehr... Zerbas glaubte ihm, denn ein Feigling wie er hätte seinen Herren nur zu gerne verraten, um den eigenen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Ehre unter Räubern. Daran hatte er nie so recht geglaubt, aber sie schien diese Tage noch seltener zu werden. Bringt ihn weg. , befahl Zerbas den letzten Soldaten, In eine Einzelzelle unter der Residenz. So würden seine Kameraden glauben, er hätte sie verraten und wäre freige- 87 lassen worden. Zerbas hote, dass das Veridians Leben wenigstens ein bisschen einfacher machte. Also, welche von beiden ist es? , üsterte Veridian. Die Mutter von meinem Sohn. , antwortete Janos verstohlen, Die Streitsüchtige. Beide Räuber fuhren auseinander, als die stämmige Frau aus der Küche kam und einen Kessel mit Eintopf auf den Tisch stellte. Lasst es euch schmecken, ihr beiden! , polterte sie und füllte ihre Teller mit groÿzügigen Portionen. Veridian hatte auf seinen Reisen nicht gerade wie ein König gespeist, aber das, was da auf seinem Teller schwamm, war schlimmer als eine Mahlzeit aus der Wildnis. Er tat sein bestes, keine Grimasse zu schneiden und lieÿ den Löel sinken. Schmeckt's dir nicht? , fragte Janos' Frau und beugte sich mit verschränkten Armen und drohend erhobener Kelle vor. Du solltest essen. , riet Hallia schadenfroh in seinem Kopf. Iss! , zischte Janos neben ihm. Unter den argwöhnischen Blicken der Gastgeberin begann Veridian die Suppe, die sie ihm eingebrockt hatte, auszulöeln. Die Tür splitterte, als ein kräftiger Stoÿ sie aus den Angeln warf. Augenblicklich sprangen Silias Leibwächter aus den Schatten, aber eine Geste ihres Herrn lieÿ sie die Messer wegstecken. Durch den Türrahmen stieg wutschnaubend der Hauptmann, der rasierte Schädel rot wie ein Feuerhummer. Silias! , grollte er, trat an die festlich gedeckte Abendtafel und warf sie kurzerhand um. Tischtuch, Kerzen und Geschirr purzelten wild durcheinander und lieÿen den verdutzten Räuberhauptmann in dem Trümmermeer sitzen wie bestellt und nicht abgeholt. Davon lieÿ der sich aber nicht aus der Ruhe bringen, sondern hob das Glas in seiner Hand, unter dem sich eben noch ein Tisch befunden hatte, seelenruhig an die Lippen. Ihr seid ein toter Mann, Zerbas. , sprach er, Zumindest wäret ihr das, wenn ich euch nicht so schätzen würde. Verdutzt wandte Zerbas sich um und musterte die beiden Männer, die hinter der Tür standen. Er versuchte seinen Zorn, der ihn schier ins Grab geführt hatte, hinunterschlucken. Es gelang ihm nur leidlich. Spielt keine Spiele! , brüllte er und schlug dem anderen das Glas aus der Hand, Erst recht nicht mit mir! Aber, aber. , machte Silias und sah hinauf zu dem wütenden Soldaten vor seinem Stuhl, Was versetzt euch so in Rage, mein Freund? Das werde ich euch erzählen! Der Händler Dalion ist äuÿerst dankbar, dass wir ihm die Hälfte des Diebsguts zurückgebracht haben, das heute aus seinen Lagerhäusern gestohlen 88 wurde. Nur die Hälfte? , fragte Silias aalglatt, Dabei habe ich euch doch so einen guten Ratschlag gegeben. Der Hauptmann legte eine Hand an sein Schwert, was die beiden Leibwächter dazu veranlasste, dasselbe zu tun. Ein äuÿerst guter Rat. , sprach Zerbas, Schickt die Wachen zum Raubzug eures Feindes und ihr habt alle Zeit der Welt, euren eigenen durchzuführen. Er knirschte mit den Zähnen. Und das Beste ist, dass jeder Dragor verdächtigen wird, der schon den ersten begangen hat. Eine interessante Theorie. , gestand Silias, Zu schade, dass ihr dafür keinerlei Beweise habt. Der Hauptmann setzte ihm einen Stiefel an die Stuhlkante, genau zwischen die Beine. Ich bin keine Figur auf deinem Brett, Abschaum. , erklärte er, Unsere Allianz hat einen Zweck, das Schwert zu nden und nur so lange wird sie halten. Silias maÿ ihn von oben bis unten. Euer veruchtes Schwert, genau. , sprach er und schnippte mit den Fingern. Habt ihr kein Glück damit gehabt? Der Hauptmann schnaubte. Alles, was ich gefangen habe, sind kleine Fische. Kleinvieh macht auch Mist. , erklärte Silias zähneetschend, Und Dragor weiÿ seine groÿen Fische gut vor unseren Augen zu verbergen. Ihr klingt, als hättet ihr damit verdammt viel Erfahrung. , sprach Zerbas und rückte von ihm ab. Geschäft war Geschäft. Es gab keinen Grund, einen Groll zu hegen. Zumindest keinen, den dieser prinzipienlose Mann verstanden hätte. Erfahrung. , wiederholte der rothaarige Räuberhauptmann und setzte die Fingerspitzen aneinander, Nur so viele, wie man als ehrlicher Geschäftsmann bedauerlicherweise sammeln muss. Er hüstelte. Ihr steht für Recht und Ordnung, Hauptmann. , sprach er, Wie wäre es, wenn ich euch einfach ein paar gute Hinweise gebe und das Imperium schat dieses Problem aus der Welt? Für redliche Bürger wie ich es einer bin? Zerbas lachte. Das täte euch gefallen. , sprach Zerbas, Hätte der Statthalter mir nicht befohlen, den öentlichen Frieden zu wahren, würde ich euch beide an den höchsten Balken knüpfen. Ich wünsche euch von Herzen, dass ihr das eines Tages noch erleben könnt. , sprach Silias heuchlerisch, dann wies er auf den einzigen Stuhl, der nach der Attacke des Hauptmanns noch stand. Aber genug gespielt, setzt euch und wir reden Krieg. Zerbas tat es. Zu essen kann ich euch leider nichts anbieten. Der Imperiale lachte trocken. Ich will dieses Schwert. , sprach er, Wie können wir es Dragor abnehmen? Nun. , sprach Silias, Niemand stiehlt von Dragor. Zumindest nicht nach dem, was er mit dem letzten Verräter getan hat. Zerbas dachte an den feigen Räuber, den er heute ausgefragt hatte. Ein Kerl um den es nicht schade war. Und ihr? , fragte er, Stehlt ihr von Dragor? Silias schüttelte den Kopf. Wenn ich wüsste, wo er es hätte, dann vielleicht. , sprach er, Aber um es auf gut Glück zu versuchen, bräuchte ich eine Armee. Und die habt ihr nicht? Meine Leute sind nicht wie ihr, Hauptmann. , antwortete der Räuber, Keine Idealisten, die für eine Idee bereitwillig in den Tod rennen würden. Er schüttelte ob dieses 89 absurden Gedankens den Kopf. Nein, es sind Spieler, die ihr Leben auf einen Plan setzen, wenn er nur genug Gold verspricht. Er blickte zu seinen beiden Leibwächtern. He, Jungs, marschiert ihr mit mir auf Dragors Quartier? Die beiden Kolosse sahen sich dumpf an, dann schüttelten sie den Kopf. So viel Gold kannst du gar nicht haben. Silias nickte. Wie ihr seht, ist das keine Option. Nicht, dass der Hauptmann etwas anderes erwartet hätte. Wenn wir nicht zu ihnen gehen können, dann müssen wir auf sie warten. , schloss er. In dem Fall hättet ihr gut daran getan, das Essen nicht umzuwerfen. , sprach Silias, Aber ich bin euch weit voraus: Meine Männer sind in Dreiergruppen unterwegs, von denen sie sich nicht einmal zum Scheiÿen entfernen. Das ist ein Anfang. , sprach der Hauptmann. Das letzte Mal waren sie auch zu dritt gewesen - zu viert, wenn man Hallia zählte - und dennoch waren sie kaum mit dem Leben davongekommen. Ich fürchte nur, dass drei in eurem Fall nicht reichen. Was? , fragte Silias verwirrt. Ihr habt einen neuen Leibwächter, bis diese Situation vorüber ist. , erklärte der Hauptmann. Das einzige, was ihm an dem Gedanken behagte war, dass es Silias noch zehnmal weniger schmecken dürfte als ihm. Und das sagt ihr mir, nachdem ihr den Wein verschüttet habt? , murmelte der Räuberhauptmann nur. Zerbas lächelte. Unter einer Bedingung. , sagte Silias schlieÿlich, Was deine kleinen Fische angeht, wirf sie zurück ins Meer. Der Hauptmann hob eine Augenbraue. Ich soll die Männer eures Feindes freilassen? , fragte er ungläubig. Ich habe ein Herz voller Gnade. , sprach Silias ruhig, Und auÿerdem würde ich zu gerne wissen, wo sie hinschwimmen. Dragor tobte. Drei Leute! , polterte er, Und das jetzt, wo wir uns keine Verluste erlauben können! Er rammte seine Faust auf den Tisch, dass die Bierkrüge nur so tanzten. Scheiÿe! Veridian und Janos blickten zu Boden. Auch wenn der eine neu und der andere erfahren sein mochten, beide ahnten, dass es am besten wäre, das Gewitter schweigend zu ertragen. Von der Beute ganz zu schweigen! , grollte der Räuberhauptmann weiter, Wir hatten Käufer! Vor denen stehe ich wie vor mit 'nem Schlappen vor 'ner Hure. Aber, aber. , sprach Hallia mit der Stimme einer feinen Dame, Was für eine Ausdrucksweise. Veridian biss sich auf die Zunge. Ist dein Ziel, dass er mir die Kehle aufschneidet, dann bringe mich bloÿ zum Lachen. , dachte er zurück und sah zu Boden. Dragor zog eines seiner Schwerter und zertrümmerte damit einen Bierkrug. Scheiÿe, das. , sprach Janos vorsichtig, Wähnten die Sache schon in trockenen Tüchern. 90 Der Räuberhauptmann knirschte mit den silbernen Zähnen und Veridian war, als ob Funken dazwischen stieben. Die Tücher waren nass wie bei einem Hosenscheiÿer! , brüllte Dragor, dass Janos nur so der Geifer um die Ohren og. Und obwohl Janos nur die Hälfte wiegen mochte, unbewanet war und um Haupteslänge überragt wurde, hielt er dem Blick seines Herrn stand. Wahr, das. , sprach er, War, als wüssten sie, dass wir kommen. Haben gewartet, bis alles schön eindeutig war, dann haben sie zugeschnappt. Er zögerte, bevor er die nächsten Worte aussprach und warf einen verstohlenen Blick zu Veridian. Sind verraten worden. Ist die einzige Möglichkeit. Verrat? , fragte Dragor, lieÿ sich auf seinen Stuhl nieder und gri nach seinem Bierhumpen, nur um festzustellen, dass der in tausend Trümmern lag. Stattdessen nahm er kurzerhand die beiden seiner Gegenüber und leerte sie mit zwei Zügen. Niemand widersprach. Janos. , murmelte er, nun wie verwandelt, Du dienst mir schon seit ein paar Jahren. Wie ein netter Onkel. , spottete Hallia über den neuen Tonfall. Veridian dachte zurück, dass er keine Falschheit darin vermutete. Ewig. , antwortete Janos, In Räuberjahren gemessen. 0 Dragor lachte donnernd. Dann weiÿt du, dass dieses Wort gefährlich ist. Er beugte sich vor und senkte die Stimme. Verrat. Veridian schluckte und versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Du siehst aus wie einer, der versucht, sich nichts anmerken zu lassen. , warnte Hallia. Also versuchte Veridian, sich nicht anmerken zu lassen, dass er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Zum Henker. , dachte er und beschloss, einfach nur zuzuhören. Wenn wir genug Misstrauen säen, ernten wir noch mehr Tote. sprach Dragor, Also raus damit: Hast du einen Verdacht? Dragor sah kurz zu Veridian hinüber, als wolle er ihn als möglichen Kandidaten vorschlagen. Noch mehr Tote? , fragte Veridian, um dem Entsetzen in seinen Augen eine plausible Erklärung zu geben. Gehört zum Geschäft. , erklärte Dragor beiläug, dann wandte er sich wieder an Janos: Also, kack oder geh vom Balken. Janos Hände tanzten auf seinen Knien einen Tanz. Er nicht. , sprach er und wies auf Veridian, Hatte mehr Schiss, geschnappt zu werden, als alle andern. Hey! , protestierte Veridian, beschloss dann aber, es sei besser, zu schweigen. Aber, aber. , tröstete ihn sein Schutzgeist Gab bestimmt jemanden, der noch mehr Schiss hatte als du. Bleibt noch ich. , fuhr Janos fort, Und die drei im Kerker, sonst hat's keiner gewusst. Dragor nickte. Sonst hat's keiner wissen müssen. Er schnaubte. Hat sich also mit Verrat. Kaum hatte er die Worte gesprochen, önete sich die Tür zum Hinterzimmer und zwei Männer kamen hereingestürmt, voran ein muskulöser Kerl mit zornigen Augen, hintenan eine linkische Gestalt. Veridian erkannte sofort zwei der Kumpane von ihrem Raubzug. Und die Spannung steigt. , kommentierte Hallia, fuhr aus ihm heraus und knallte hinter den beiden die Türe ins Schloss. Wenn man von der Schwiegermutter spricht... , murmelte Janos und Dragor sprang auf. Kurzer Kerkeraufenthalt, Männer. , polterte er, Setzt euch, trinkt, sprecht! Er nahm die beiden übrigen Krüge und füllte sie an einem Fass, was die beiden Weitgereisten 91 mit Freude zur Kenntnis nahmen, während sie sich setzten. Schlimmer Anschiss? , fragte der linkische von ihnen Janos. Der zuckte mit den Schultern. Kommt auf eure Geschichte an. Dragor setzte sich und behielt die Krüge in der Hand. Sind eure Zungen im Arsch des Statthalters steckengeblieben? , fragte er, Los! Der Scheiÿ-Hauptmann hat uns erwischt. , sprach der gröÿere von ihnen, Hat versprochen, uns freizulassen, wenn wir zwitschern. Übliche Imperialenscheiÿe. Er leckte sich über die gesprungenen Lippen. Hat ihm nicht gefallen, als ich ihm gesagt habe, wohin er seine Worte stecken kann. Dragor verzog keine Miene und begann, zu trinken. Derjenige der Neuankömmlinge, der nicht sprach, glotzte ihn an wie ein Hund, dem die Zunge aus dem Maul hing. Wir ham dichtgehalten, Dragor. , sprach der andere weiter, Das kannste glauben... Euer Freund aber nicht. , schloss Dragor, nachdem er den Krug abgesetzt hatte. Das Bier tropfte aus seinem Bart. Aber warum, Klugscheiÿer, sitzt ihr dann hier und er nicht? Ham uns freigelassen. , sprach der linkische, Ihn wohl auch. Irgendeine imperiale Paragraphenreiterei. Dragor stand auf. Und ihr spaziert mirnichts, dirnichts hierher? , fragte er, dann brüllte er unvermittelt los: Ihr seid noch dümmer, als ihr hässlich seid! Er nickte den beiden anderen zu. Mit so dummen Kumpanen konnte euer Raubzug gar nicht klappen! Dragor! , sprach der gröÿere Räuber und stand auf. Mutig. Wir sind nicht dumm. War klar eine Falle. Drei ham uns verfolgt, die ham wir in einen Hinterhalt gelockt, gefesselt und geknebelt. Der Räuberhauptmann lieÿ die Waen sinken. Ihr gegen drei Soldaten? Sein Gegenüber zog etwas aus der Tasche und warf es auf den Tisch. Es waren drei Gürtelschnallen mit dem Doppelkreis des Imperiums darauf. Ham sie ausgehorcht. , fuhr er in die entstandene Stille fort. Ham gesagt, unser Freund hat geplaudert. Dein Name ist gefallen und jetzt bekommt er eine Freifahrt nach Karnapolis als Dank für seine Mühe. Veridian musterte die drei Gürtelschnallen. Sie waren zweifellos echt. Hoentlich war weder Zerbas noch seinen Männern etwas zugestoÿen. Obwohl der Gedanke schon ganz lustig ist, dass er die Hose jetzt mit der Hand halten muss. , dachte Hallia. Mit einem tödlichen Funkeln in den Augen schob Dragor den beiden Neuankömmlingen die halbvollen Bierkrüge zu. Trinkt schnell. , sprach er, Wir haben einen Verräter zu fangen. Mit wir meint er doch nicht uns? , üsterte Veridian. Oh doch. , meinte Janos, Denk dran, wegen dem Kerl hast du die Suppe meiner lieben Frau essen müssen. Das war wohl unter Räubern Grund genug, einander den Tod zu wünschen. Erinnere mich nicht daran. , murmelte Veridian also und fasste sich an den Bauch, Ich hab das Gefühl, manches davon wird noch in meinem Magen sein, wenn ich schon lang unter der Erde bin. Janos lachte. Pass auf, Kamerad. , sprach er, Könnte früher sein, als du denkst, das. 92 Veridian stimmte in sein Lachen mit ein, auch wenn ihm gar nicht danach zumute war. Vor dem Verräter hatte er keine Angst, aber was den Träger des veruchten Schwertes anging... Und? , fragte Silias zufrieden, als er aus den Schatten trat. Ihr schuldet mir einen Gürtel. , antwortete Zerbas tonlos, ohne auf die beiden Gauner zu achten, die neben ihm gefesselt im Dreck saÿen. Dass sie imperiale Uniformen trugen, war schon Schande genug. Er wollte gar nicht wissen, wo Silias die herhatte, auch wenn er ihm glaubte, dass sie nicht gestohlen waren. Der Schnitt war ein wenig älter als der, der dieser Tage gebräuchlich war. Meinen kann ich nicht erübrigen. , sprach die dürre Gestalt und steckte einen Daumen in den Hosenbund, um diesen Punkt zu untermauern. Dann erst ging Silias zu seinen Männern und schnitt sie los. Ehe der Hauptmann auch nur halb begrien hatte, was geschehen war, war Silias Messer auch schon wieder in seinem Mantel verschwunden. Zerbas merkte sich das Versteck, nur für alle Fälle. Um die Uniformen indes ist es schade. , sprach Silias, Andererseits könnten die geraubten Andenken unseren beiden Flüchtlingen wohl das Leben retten. Zerbas hob fragend eine Augenbraue. Dragor ist solch ein aufbrausender Mann. , erklärte der rothaarige Räuber, Fast so wie ihr.7 Der Hauptmann überging die Spitze und blickte in die Richtung, in die die beiden Männer geohen waren. Imperiale Gefangene freizusetzen. Das war ungesetzlich. Und wenn es stimmte was Silias sagte, dann hatte er vielleicht ein Todesurteil gesprochen. Wollen wir ihnen nicht folgen? , fragte einer der beiden grobschlächtigen Leibwächter und hielt sich mit der Hand die schlecht sitzenden Hose. Beide Männer, Räuber und Imperialer, schüttelten den Kopf. Die sind nur der Köder. , sprach Silias, Der erste zumindest. Fragende Blicke. Ich habe ihnen erzählt, wo sie den dritten im Bunde nden können und, dass er sie verraten hat. Und selbst so dumm, wie Dragors Leute sind, werden sie eins und eins zusammenzählen können. Also gehen wir los und bringen den letzten Gefangenen als zweiten Köder aus. , schloss Zerbas. Halb hote er, halb fürchtete er, dass Dragor das Schwert mitbrachte. Silias falsche Soldaten würden ihm nicht helfen, den Räuber hinter Gitter zu bringen, ganz zu schweigen von dem Statthalter, der keinen Kampf um die Nachfolgerschaft in seiner Kolonie haben wollte, aber was, wenn der Räuberhauptmann einfach unter den Messern seines Rivalen starb? Der Krieg, den Silias damit vom Zaun brach, musste ihn nicht kümmern. Er hielt inne, weil der Gang seiner Gedanken ihn erschreckte. Hatte dieses Ränkespiel ihn schon so weit geführt? Wichtig war nicht, dass hier Menschen starben, wichtig war, dass Gerechtigkeit siegte. Wenn Räuber sich auf oener Straÿe ermordeten, ohne, dass irgendjemand eingri, dann konnte Karns Traum ebenso gut zu Ende sein. 93 Inzwischen hatten sie sich in Bewegung gesetzt, dicht aneinander wie eine Herde Schafe, die den Wolf fürchtete. Oder besser, wie eine Rotte Wölfe auf der Suche nach dem nächsten Schaf. Ein guter Plan. , sprach Silias unvermittelt, Um Dragor aus der Reserve zu locken. Zerbas sah ihn an. Ihr würdet ihn zu gerne töten, was? Silias schüttelte den Kopf. Ihr missversteht mich, Hauptmann. , sagte er, Ich habe einen Eid geschworen. Es herrscht Frieden zwischen uns. Zerbas sah ihn an, um zu sehen, ob er scherzte, aber das traf es nicht ganz. Er begri das Wesen dieses Räuberfriedens. Es war nur ein Werkzeug, so wie Schlieÿzeug, Würfel und Dolche. Krieg war nicht lukrativ, aber was die Räuber Frieden nannten, war keine harte Linie, sondern etwas viel Verschwommeneres, bei dem man austeilen konnte, solange man tunlichst darauf achtete, den Bogen nicht zu überspannen. Und Zerbas war, obwohl er nicht den Räubern, sondern Karn den Eid geschworen hatte, der Dritte im Bunde. Ebenso wie sie darauf bedacht, den Schein zu wahren, die Menschen zufrieden zu halten und ja keinen Krieg zu riskieren. Für einen friedlichen Mann schmiedet ihr viele Pläne. , sprach Zerbas. Und für einen Mann des Imperiums habt ihr erstaunliche Weggefährten. , gab Silias mit einem zufriedenen Lächeln zurück. Nicht mehr lange. , dachte Zerbas bei sich, Nicht mehr lange. Plan hin oder her, das gefällt mir nicht. Veridian schob Hallias Protest beiseite und folgte der Räuberschar um eine Ecke. Sie waren eilig aufgebrochen, hatten das Hinterzimmer der Kneipe verlassen und waren nun schnurstracks auf dem Weg durch die Stadt. Mir gefällt es ebenso wenig. , antwortete Veridian in Gedanken, Erst recht, da noch immer keine Spur von dem Schwert ist. Ein Gedanke durchzuckte ihn, wie die veruchte Wae durch ihren Körper glitt. Ich bezweie allmählich, dass unser netter Onkel das Ding überhaupt hat. Sie erreichten den Kanal, unweit von dort, wo noch immer sein Schi vertäut lag. Ob er's hat oder nicht, er wird es wohl kaum selbst führen. , dachte er, Nicht nach der Bestie zu schlieÿen, die aus dem letzten geworden ist. Hallia seufzte, dann verlieÿ sie ihn, vermutlich, um sich einen Überblick über die nächtlichen Straÿen zu schaen. Brrr. , machte Janos neben Veridian, Scheiÿkalt, die Nacht. Hmmm. , machte Veridian und sah ihn auf, Bei dem Tempo sollte einem doch heiÿer werden. Janos nickte. Nacht wird noch heiÿer, wenn wir den Verräter schnappen. Sie erreichten eine Brücke, über die sie den Kanal kreuzten, vorneheraus Dragor mit den beiden Räubern, die den Weg kannten, in der Nachhut Veridian und Janos. Was, wenn da Imperiale sind? , fragte Veridian auÿer Atem. Wachen? , fragte Janos, Werden für einen Verräter nicht den Kopf hinhalten. Er wies auf die beiden Männer vor ihnen. Auÿerdem scheinen die beiden gut mit Imperialen klarzukommen. 94 Veridian seufzte. Immerhin hatten sie die letzten Soldaten, die ihnen über den Weg gelaufen waren, nicht getötet. Dragor hatte sie ganz entgegen seiner Art dafür gelobt. So eine Demütigung konnte man unterm Deckel halten. Drei tote Soldaten und selbst der Statthalter wäre im Zugzwang gewesen. Ist den Imperialen vielleicht sogar ganz recht, wenn wir das unter uns klären. , meinte er. Janos hielt kurz inne, rückte seine Stiefel zurecht und sah ihn an. Recht? Egal wohl eher. Sie hasteten weiter. Das Imperium ist nicht für uns Räuber gemacht. Sein Kamerad schüttelte mit dem Kopf. Das war es wirklich nicht. Aber trotzdem kamen beide erstaunlich gut miteinander aus. Sie bogen um eine Ecke und ein entgegenkommender Windstoÿ brachte Hallia zu ihm zurück. Da vorne. , sprach sie, Unser humorloser Freund liegt dorten im Hinterhalt. Psst. , zischte es von vorne und Veridian wäre schier in Dragor hineingerannt. Der Räuberhauptmann hatte ein Schwert gezogen und wies auf den verlassenen Marktplatz, der vor ihnen lag. Die Stände waren leer bis auf die Holzgerüste und dazwischen waren ein paar Karren geparkt, deren Deichseln im Mondlicht einen wahren Hinderniskurs bildeten. Die Straÿe dazwischen war frei, da keiner der Krämer besonderen Wert darauf legte, seinen Karren zerlegt, oder, noch schlimmer, konsziert zu bekommen. Verloren zwischen den Ständen saÿ eine Gestalt in den Schatten, deren Nervosität jegliche Tarnung zunichtemachte. Klack, klack, klack, hörte man den zitternden Stiefel auf dem Paster, als ob ein Specht sich entschieden hätte, hier in der Stadt eine Nachtschicht einzulegen. Veridian blickte hinter den Wartenden und sah das Haus, auf dessen Dach Zerbas lauerte. Selbst mit Hallias Fingerzeig konnte er keine Spur seines Freundes entdecken. Davon hätten sich die Räuber mal eine Scheibe abschneiden können. Auf mein Kommando. , üsterte Dragor und bekam als Antwort den leisen Gesang der Klingen, die gezogen wurden. Nein, das gefällt mir ganz und gar nicht. , dachte Hallia. Da kamen sie. Zerbas lugte vom Dachrst hinunter zu dem Räuber, der auf seine Kutsche wartete, die jeden Augenblick kommen musste . Eine Lüge, die ihm nicht leicht über die Lippen gegangen war, fast so schwer, wie den Beutel mit Gold zu übergeben, den er von Silias hatte. Ihr müsst ein paar Fingerzeige geben, damit Dragor Anlass hat, das zu glauben, was er so gerne glauben will. , hatte Dragor ihm wie einen Idioten erklärt, Wart ihr noch nie verliebt, Hauptmann? Noch immer ärgerte dieser Seitenhieb ihn genug, dass er Silias am liebsten vom Dach geschubst hätte. Was verstand einer wie er schon von... In das Grüppchen der Neuankömmlinge kam Bewegung. Flink wie Mäuse huschten zwei von ihnen an der Wand entlang und schlichen sich in einem Bogen durch den Marktplatz, um den nichtsahnenden Räuber in die Finger zu bekommen. Zerbas hielt die Luft an und warf einen Seitenblick zu den drei Räubern, die das ganze sichtlich gelassener nahmen. Das brachte die Erfahrung wohl mit sich. 95 Nun strichen auch die anderen drei Schatten los, zwei ankierten den dritten, der schnurstracks auf den Wartenden zuging. Der hatte inzwischen den Braten gerochen, aber das half ihm auch nichts mehr. Kaum hatte er sich aufgerappelt und vor den drei Frontalangreifern Ausriss genommen, wurde er bereits von den anderen beiden gepackt und wieder zu Boden gestoÿen. Dachtest wohl, du siehst uns nicht wieder, Verräter! , tönte einer der Angreifer, wurde aber von einem wütenden Zischen zum Schweigen gebracht. Zerbas lugte über die Kante und sah unten seine drei Gefangenen, der Verräter von den anderen beiden zu Boden gehalten. Daneben noch ein Räuber und Veridian. Gut zu sehen, dass sein Freund noch wohlbehalten war. Gemessenen Schrittes trat ein weiterer in ihren Kreis, eine Gestalt mit wildem schwarzen Haar und Zähnen, die im Mondlicht wie Eis glitzerten. Dragor. Endlich hatte er ihn genau dort, wo er ihn schon immer hatte haben wollen. Wenn er sich jetzt selbst die Hände schmutzig machte... Eine Sache indes fehlte. Das Schwert. Zerbas lieÿ noch einmal den Blick über die fünf Männer gleiten, aber da war keine Spur. Und eine solche Wae trug man nicht unter dem Mantel. Er tauschte einen Blick mit Silias, der ein Stück weiter lag und den Kopf schüttelte. Kein Schwert, sollte das wohl heiÿen. Wenn einer eine Reise tut , kam es von unten, dann kann er was erleben. Ein dumpfes Geräusch, dann ein Ächzen. Dragor hatte dem Verräter einen Tritt in die Nieren verpasst. Dragor. , kam es ächzend aus gesprungenen Lippen, Ich habe nichts... Ein weiterer Tritt. Scheiÿdreck. , sprach Dragor grollend, Dass du geredet hast, wissen wir. Was du gesagt hast, könnte entscheiden, ob du weiterlebst. Der gemarterte Räuber begann zu weinen, ein Geräusch, das Zerbas mit einer Mischung aus Mitleid und Abscheu erfüllte. Für gewöhnlich hätte er eingegrien, aber für gewöhnlich lag er auch nicht mit drei Räubern im Dunkeln. Ich weiÿ doch gar nichts. , ehte der Verräter, Siehst du die Wunden in meinem Gesicht? Die haben mich doch auch verprügelt, weil ich nicht mehr wusste. Ein Stampfen, das ihn zum Verstummen brachte, wohl dicht neben seinem Gesicht. Meinen Namen wusstest du. , grollte der Räuberhauptmann. Dragor... Nur noch ein Wimmern. Zerbas riskierte noch einen Blick, nur, um zu sehen, wie Dragor sich abwandte. Verschnürt ihn und nehmt ihn mit. , befahl er. Die Räuber taten, wie ihnen geheiÿen war. Zerbas beschloss, das Getrappel zu nutzen, um Silias einen Befehl zuzuüstern: Schnappen wir ihn uns. Der rothaarige Räuber schüttelte den Kopf. Das Schwert fehlt. Sie tauschten einen Blick wie eine Willensprobe, aber die Härte des Hauptmanns, mit der er schon viele niedergestarrt hatte, verlor sich in Silias wahnsinnigen Augen. Dann gehe ich alleine. , zischte Zerbas. Er machte Anstalten, es tatsächlich zu tun, aber noch bevor er nur die Nasenspitze aus der Deckung stecken konnte, zogen ihn die Arme der Räuber zurück auf das Dach. Sachte. , zischte Silias und hielt ihm einen Dolch an die Seite. Der Hauptmann dachte für einen Augenblick daran, ihn zu entwanen, aber das hätte nicht funktioniert. Also 96 beschränkte er sich darauf, die Hände zu Fäusten zu ballen und mit den Zähnen zu knirschen. Derweil hatten Dragors Männer ihr Paket verschnürt und machten sich an den Aufbruch. Machtlos sah Zerbas ihnen dabei zu, wie sie den Gefangen schulterten und davontrugen. Den Gefangenen, den er für nichts und wieder nichts aus seiner Obhut entlassen hatte. Euer verdammter Räuberfrieden... , setzte er an, worauf Silias nur seelenruhig das Messer wegsteckte. Ihr solltet mir danken, Hauptmann, denn ohne mich müsste man jetzt ein aches Grab für euch ausheben. Wir hatten ihn auf dem Servierteller. , zischte der Hauptmann, Im Begri, ein Verbrechen zu begehen. Die Beweise... Silias blickte Dragors Trupp hinterher, der den Platz schon fast verlassen hatte. Hauptmann. , tadelte er ihn, Ihr seid nicht unter Soldaten. Wenn ihr ihn euch jetzt schnappt, gelte ich als der Mann, der ihn verpen hat. Das wäre unklug. Zerbas ging in die Hocke und ballte die Faust in der Handäche. Das schlimme war, dass er den Räuberhauptmann in gewisser Hinsicht verstehen konnte. Gut, Silias. , sprach er verbissen, Spielen wir nach deinen Regeln. Was nun? Der linkische Räuber winkte seinen beiden Kumpanen, die sich sogleich an den Abstieg machten. Die Spinne hat ihre Beute. , sprach er ruhig, Nun folgen wir ihr bis zu ihrem Nest. Veridian staunte nicht schlecht, denn der Weg, den die Räuber wählten, ähnelte verdächtig dem zur Residenz des Statthalters. Feine Gegend. , murmelte er, eigentlich zu Hallia, aber stattdessen antwortete ihm Janos. Wirst 'ne Überraschung erleben. , sprach er, Residenz von Dragor lässt dir die Augen aus dem Kopf fallen. Sie erreichten eine Seitengasse zwischen zwei Anwesen, die von hohen Mauern umgeben waren. Kein Drecksloch, wie das, in dem sie damals den ersten Toten gefunden hatten, sondern ein steriler Gang, in dem nicht das kleinste bisschen Unrat lag. Dragor wandte sich um und musterte die vier Räuber, die ihm folgten. Ihr zwei. , befahl er den beiden Kerlen, die den Verräter trugen, Absetzen! Sie taten es nicht sonderlich sanft, aber dank des Knebels konnte der gefesselte Räuber nur gedämpft protestieren. Der Räuberhauptmann sah sich die beiden noch einmal von oben bis unten an, dann befahl er ihnen, das Weite zu suchen. Begierig, diesem langen Tag ein Ende zu setzen wandten sie sich um. Eine Sache noch. , sprach Dragor ruhig, Wenn nochmal so'ne Scheiÿe passiert, seid ihr auf euch gestellt. Die beiden nickten eifrig und Veridian kam nicht umhin, ein wenig Mitleid mit ihnen zu haben. Ooooh. , machte Hallia in seinem Kopf, Dass sie auch so viel Pech beim Rauben und Morden haben müssen. Veridian ignorierte sie und wandte sich an Dragor. Was nun? , fragte er. Was wohl? , gab Dragor zurück, Hauruck und an die Arbeit. Janos tauschte einen Blick mit seinem Kameraden, dann schulterten sie den Verräter und folgten Dragor. 97 Fühl dich geehrt. , sprach Janos. Warum? , fragte Veridian. Andere sind fort, denn Dragor traut ihnen nicht. Dir schon. Hmm. , machte Veridian nur. Wunderst dich, warum wir 'nen verschnürten Kerl durch diese piekfeine Gegend tragen? , fragte Janos nach einer Weile, Weitab von all den Orten, wo sich das Gesindel herumtreibt? Der Gedanke kam mir. , gab Veridian zu, Bei den Reichen wimmelt es für gewöhnlich von Wachen. Baah. , machte Janos, Wachen, die nur Reichtümer bewachen. Stech einen armen Kerl ab und es kratzt sie nur, wenn sein Blut über die Schwelle ihrer Meister läuft. Hmm. , wiederholte Veridian und dachte an den Hauptmann, der sich - ganz im Gegensatz zu seinem Herrn - um Gerechtigkeit scherte, gleich wem sie zu verschaen war. Aber Janos hatte schon Recht. Das war eine Ausnahme. Sie schwiegen für eine Weile und suchten sich ihren Weg durch das Geecht an Gassen, das abseits der groÿen Prunkstraÿen Gesindehäuser und dergleichen mit den Villen verband. Es wundert mich noch immer. , sprach Veridian nach einer Weile, die eigener Neugierde verstärkt durch die des Schutzgeistes. Bevor er antwortete, rückte Janos den verschnürten Räuber zurecht. Schon einmal vom Wolf unter den Schafen gehört? Sie hatten es beide. Der Wolf im Schafspelz? Janos nickte. Wolf ist Dragor. Schafspelz wirst du gleich sehen. Hallia und Veridian versuchten, aus diesen Worten schlau zu werden, aber es gelang ihnen nicht, bevor sie ihr Ziel erreichten. Nach ein paar Biegungen machte Dragor nämlich vor einem Tor aus schwarzem Ebenholz halt, das in eine fahlweiÿe Marmorwand eingelassen war. Dahinter ragte der Turm eines Anwesens auf, das im Vergleich zur schmucklosen Absperrung geradezu ein Übermaÿ an Charakter besaÿ. Es war ein schiefes Gebilde aus den verschiedensten Steinen gemauert, unter dessen rotverziegeltem Dach eine silberne Glocke im Mondlicht glänzte. Schön. , dachte Veridian nur, dann hinterfragte er, warum sie Halt gemacht hatten. Hallias Bewunderung war anders, spöttischer, wie stets, wenn sie von Menschenhand Gemachtes betrachtete, aber mit einer gewissen verspielten Zuneigung. Ich hätte nicht übel Lust, diese Glocke zu läuten. , wisperte sie. Das wäre unsere Totenglocke. , gab Veridian spitz zurück. Aber noch bevor der Streit zwischen Mann und Schutzgeist in Fahrt geraten konnte, wurden sie jäh unterbrochen. Genug Löcher in die Luft gestarrt! , bellte Dragor. Veridian sah auf. Dragor stand in dem schwarzen Torügel, der nun oen war. Komm schon. , stimmte nun auch Janos mit ein. Der Ruck durch ihren verschnürten Gefangengen gab dann schlieÿlich den Ausschlag und Veridian setzte sich verdutzt in Bewegung. Sag mir, dass wir nicht hier einbrechen. , murmelte er, eigentlich zu Hallia. Es war Janos, der ihm antwortete: Angst musst du nicht haben. Wir sind am Ziel. Sie durchschritten die Mauer und fanden sich in einem Garten wieder, der ebenso exzentrisch war wie das Türmchen. Ordentliche Beete reihten sich an verwildertes Gestrüpp und der verschlungene Weg zum Haus war halb mit makellos weiÿem Kies bestreut und halb von Moos und Unkraut überwuchert. Es lag kein Schnee. 98 Während ihrem Weg durch dieses Werk eines oenkundig schizophrenen Gärtners erklärte Dragor ihm den Grund für ihr Hiersein. Das Anwesen, auf das sie zugingen gehörte Jolander vom Blauen Grund, einem einussreichen, aber letztlich mittelmäÿigen Wörterschmied. Hab mal versucht, eine von seinen Kladden zu lesen... , sprach Dragor dazu und tippte sich an die Stirn, Mehr Scheiÿ geht durch keinen Ochsenarsch. Jolanders Misserfolg gab Dragor Recht, denn so sehr er sich bemühte, Jolander konnte nie mehr als ein paar Dutzend seiner Werke verkaufen. Dennoch galt er als erfolgreich und war ein gerngesehener Gast in den Abendgesellschaften Titanias, solange nur niemand ein längeres Gespräch mit ihm führen musste. Seine Anwesenheit verlieh eine Aura von Kultiviertheit, die dadurch erhalten blieb, dass man ihm nicht allzu genau zuhörte. Zu Recht fragte Veridian sich, wie Jolander sich dann solch ein Anwesen leisten konnte. Da kam Dragor ins Spiel, denn er war Jolanders Mäzen, allerdings weder, weil ihn sein Geschreibe interessierte, noch, weil er sich damit brüsten wollte. Im Gegenteil, dieser Akt der Philanthropie war ein wohlgehütetes Geheimnis. Jolander lebte sein sorgenfreies Leben, schmiedete seine Verse und Dragor hatte einen perfekt getarnten Ort inmitten von Titania, wo er in Ruhe tun und lassen konnte, was er wollte. Hohe Kunst und Langeweile halten mehr Menschen fern als tollwütige Hunde und Mörder. , schloss Dragor seine Erzählung, worauf Veridian ehrlich lachte. Selbst Hallia stimmte mit ein. Ist er hier? , fragte er, Jolander, meine ich. Dragor nickte. Zwei Regeln. , befahl er, Frage nicht nach seinem Namen und, um der Vierzehn Willen, frage nicht nach der Glocke. Sonst sind wir morgen früh noch hier. , fügte Janos hinzu und sein Augenrollen verriet, dass er diese Lektion auf die harte Weise gelernt hatte. Sie bogen um einen Baum voller süÿlich fauliger Äpfel und fanden sich vor dem Eingang der Villa wieder. Ein Geländer grinste ihnen rostig in der Finsternis entgegen wie ein schiefes Gebiss. Die beiden Flügel des Portals waren schwarz und weiÿ bemalt. Veridian tauschte einen Blick mit Janos, der eine Geste machte, die nur frag bloÿ nicht bedeuten konnte. Dragor ging schnurstracks das Treppchen herauf und polterte gegen die Tür. Der alte Nachtvogel ist bestimmt noch wach. , murmelte er und tatsächlich hörte man alsbald von innen das Klimpern von Schlüsseln und es önete sich der schwarze Torügel. Dahinter stand ein Mann, der aussah wie eine bizarre Mischung aus Nachtigall und Krähe, das Haar teils blond, teils blau, die Kleidung geickt, aber anscheinend frisch gestärkt. Aus blauen Augen musterte er die Neuankömmlinge, dann hob sich einer seiner Mundwinkel. Dragor. , sprach der Mann, der nur Jolander vom Blauen Grund sein konnte und es klang tatsächlich erfreut. Mach Platz. , bellte Dragor zurück und wies seine beiden Kumpane mit ihrer schweren Last ins Innere. Es war nicht besser als drauÿen. In der Eingangshalle stapelte sich allerlei, von Kunst bis Unrat, wahllos durcheinandergemischt bis an die Decke. Veridian machte einen Schritt nach vorne und trat auf einen Teller, der klirrend zerbrach. Plötzlich entsann er sich des imperialen Zeughauses, aus dem das Schwert gestohlen war. Da war doch etwas... Das hier ist ein noch schlimmerer Saustall als dort. , sprach Hallia. Veridian nickte. Schau dich trotzdem um. Ein bläuliches Grinsen erschien vor seinem inneren Auge. Ich 99 hoe nur, dass ich keinen von diesen Stapeln umpuste. Kaum hatte sie es gesprochen, war sie bereits verschwunden und tatsächlich atterten ein paar lose Blätter auf wie Fuÿspuren. Derweil hatten sie Kurs auf eine Kellertür am anderen Ende des vollgestopften Raums übernommen und obwohl Dragor kein Wort an ihn richtete, umschwirrte Jolander ihn wie eine Fliege. Dragor, mein Gönner. , sprach er, Was verschat mir die Ehre zu solch später Stunde? Dragor wies mit einem Nicken auf den Gefangengen. Du kennst unsere Abmachung. , brummte er. Jolander nickte eifrig. Ja, durchaus. , sprach er, An wen sollte ich euch auch verraten? Die Menschen hören heutzutage einfach nicht mehr zu. So unhöich! Sie umschiten einen Haufen aus allerlei Metallteilen, der sich bereits gefährlich neigte. Veridian hielt den Atem an. Auÿerdem , plapperte Jolander eifrig weiter, könnt ihr gar kein schlechter Mann sein. Alles Sein ist Widerspruch, pege ich zu sagen. Und da ihr mich so edel unterstützt, müsst ihr ein guter Mann sein. Dragor nickte mühsam beherrscht. Glaubt das weiterhin. Sie hatten die Kellertür erreicht. Habt ihr bereits die Zeit gefunden, meine neuestes Werk... , hörte man noch von Jolander, bevor ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen wurde. Sie befanden sich auf einer steinernen Treppe. Man hörte ein Zischen und Dragors Gesicht erschien im Schein einer Fackel. Er rieb sich die Schläfen. Der Dummschwätzer hat hier untern Hausverbot. , erklärte er und führte sie in ein Gewölbe. Es war das genaue Gegenteil der Halle darüber. Alles war äuÿerst ordentlich und edel, aber unprätentiös möbliert. Eine Wand schmückten diverse Trophäen, darunter der Kopf eines Dreyhorns, das wohl ein Zwilling des Dreyhorns im Gespaltenen Schädel sein mochte. Veridian hatte keine Zeit, sich weiter umzusehen, denn sie lieÿen diesen anheimelnden Raum hinter sich, um noch weiter in die Tiefe zu steigen. Hier war es weitaus unangenehmer, denn Dragor hatte sich hier ein eigenes Verlieÿ gegraben. Wie tief gehen diese Gänge? , murmelte er voller Ehrfurcht. Bis zu meiner geheimen Schatzkammer. , sprach Dragor und lachte rau. Veridian tauschte einen Blick mit Janos, der nur mit den Schultern zuckte. Irgendwo unter uns gibt es einen Durchgang in die verlassenen Schächte des alten Titania. Sagt man aber, es gibt Ungeheuer. Dragor nickte. Nicht gelogen, das. , imitierte er Janos, zückte einen weiteren Schlüssel an seinem Schlüsselbund und verschate ihnen Eintritt in eine der Zellen. Obwohl Zelle vielleicht nicht der passende Begri war, denn es handelte sich um einen Käg, Gitter bis an die steinernen Wände, nur nicht auf dem Boden, durch den man in einen schwarzen Abgrund sehen konnte. Ein kalter Wind wehte von dort hinauf, aber es war nicht Hallia. Es stank. Anheimelnd. , murmelte Veridian, als sie ihre Last absetzten. Während Janos und er sich die Schulter rieben, zog Dragor eines seiner Messer und entfernte ruppig Augenbinde und Knebel von dem unglücklichen Räuber. Die Reise war ihm nicht gut bekommen, seine Augen waren verheult und sein Gesicht von den Schlägen verquollen. Er japste nach Luft und sah aus, als wolle er schreien, aber 100 er wusste es wohl besser. Veridian kam nicht umhin, Mitleid mit ihm zu haben. Ein treender Ort, nicht? , fragte Dragor ihn und drehte sein Messer in den Händen, Schlieÿlich gibt es hier unten auch Ratten. Er grinste und sein Opfer tat es gezwungenermaÿen auch. Der Räuber hatte begrien, dass sein Leben in Dragors Händen lag, und nun heischte er instinktiv nach Sympathie. Was ist so lustig?! , herrschte der Räuberhauptmann und zog ihm das Messer so fest unter das Kinn, dass es ihm die Haut ritzte. Was hast du den Imperialen erzählt? Nichts! Kein Sterbenswörtchen! Niemand glaubte ihm. Und deswegen spendiert das Imperium dir 'ne Kutsche? Es war eine Frage, die keiner Antwort bedurfte, erst recht nicht, als Dragor die Börse vom Gürtel des Räubers pickte. Und was haben wir hier? Der Gefesselte schluckte. Nun hatte er verspielt. Noch während Veridian sich fragte, wie er nur in diese Situation gelangt war, kehrte Hallia zu ihm zurück. Kühle Klarheit umng ihn, während eine Lawine von Sinneseindrücken über ihn einstürzte. Das Schwert? , übertönte er sie in Gedanken. Nein. , antwortete sie und innerhalb eines Herzschlags sank ihrer beider Mut. Ich habe aber Gemälde von Meermädchen gefunden, die denitiv keine Meerjungfrauen mehr sind. , verkündete sie verschwörerisch, als seine Gedanken sie innehalten lieÿen. Erst jetzt begri sie, wie ernst die Situation war, in der sie sich befanden. Ein Haufen Geld für einen, der nichts weiÿ und sagt! , fuhr Dragor fort und riss die beiden aus ihrer stummen Unterhaltung. Er fuchtelte mit seinem Messer durch die Luft. Das wird unschön. , üsterte Janos. Wir müssen ihm helfen! , stimmte Hallia stumm mit ein. Veridian sagte nichts, sondern starrte nur gebannt auf den Tanz der Klinge. Wenn er nun eingri, war er der nächste. Aber darum waren sie auch nicht hier. Wenn das vermaledeite Schwert nicht hier war, wo war es dann? Hast du auch nichts übersehen? , dachte er verzweifelt. Ich habe oben alles durchsucht. , gestand Hallia, Aber hier unten sind die Türen versiegelt. Luftdicht. Scheiÿe. , entfuhr es Veridian und Dragor wandte sich um. Ganz recht! , polterte er, Scheiÿe ist es, die dieser Scheiÿer mir hier auftischt und noch erwartet, dass ich sie esse! Der gefesselte Räuber hatte die Augen geschlossen. Schweiÿ rann ihm nur so in Strömen durch das Gesicht. Er zitterte Du hast ihn genug eingeschüchtert. , warf Janos ein, worauf ihm sein Hauptmann einen scharfen Blick zuwarf. Ich entscheide, wann genug ist! , polterte er und zog sein zweites Messer. Dragor lächelte und das Silber in seinem Mund glänzte, als hätte er tausend Reiÿzähne. Jetzt ist es genug. Er näherte seinen Mund dem Ohr seines Gefangenen. Noch kannst du mit dem Leben davonkommen. , sprach er versöhnlich, Sage mir einfach, was du verraten hast, und ich verspreche dir, du wirst dich gleich besser fühlen. Silias war charmant gewesen, als er Veridian zum Spielen animiert hatte. Ob Dragor das versuchte oder nicht, vermochte er nicht zu sagen. Eines stand fest: Seine Worte lieÿen ihm das Blut in den Adern gerinnen. Was weiÿ ich schon? , jammerte der Räuber, Nur, dass du uns anführst. Und, dass wir Krieg mit Silias führen. Er wollte wissen, wo deine Verstecke sind, aber ich habe 101 nichts gesagt. Seine Lippen bebten. Kenn sie ja nichtmal. Er önete die Augen und blickte die drei ehentlich an. Vergib mir. , bat er, Aber was hätte ich denn tun sollen? Einen wie mich schmeiÿt das Imperium ins Loch, bis ich schwarz werde. Dragor hörte sich das Geständnis ruhig an. Als der Gefesselte fertig war, tätschelte er ihm das Knie und wandte sich an die beiden Kameraden. Was soll ich mit dem Hurensohn tun? , fragte er ruhig. Janos und Veridian blieben mucksmäuschenstill. Sie beide wussten, dass er keine Antwort erwartete. Hallia tat es nicht. Wir müssen eingreifen! , dachte sie an Veridian. Er wehrte den Gedanken ab. Dann sterben wir auch. Ein begabter Redner und noch dazu wohlbekannt beim Imperium. , fuhr Silias fort. Du hast den Beruf verfehlt. Er lachte ohne jeglichen Humor. Du hättest Politiker werden sollen. Dann wandte er sich ab. Genug geredet! Hallias Impuls war es, ihn anzugreifen, aber Veridian hielt sie zurück. Er hat seine Messer noch nicht gezogen! , rief er in Gedanken. Hallia verstand ihn sofort. Das Schwert... Ihr Herr dachte weiter. Er wird ihn der veruchten Wae zum Fraÿ vorwerfen. Noch ehe sie ihre verochtenen Gedanken zu Ende denken konnten, regte sich Widerstand von unerwarteter Stelle. Umbringen musst du ihn nicht! , sprach Janos und trat einen Schritt vor. Der Räuberhauptmann tat es ihm gleich und die beiden Männer starrten einander in die Augen. Groÿe Worte für einen Halunken, der einen Raubzug in den Sand gesetzt hat! Er trat noch näher heran, sodass sie sich schier berührten. Du bist hier, weil ich dir traue, Janos. Und weil du den Scheiÿer hier sterben sehen sollst und den Männern in deiner ureigenen Art berichten. Janos schluckte. Dennoch... , warf er ein und blickte um Beistand suchend zu Veridian. Der tat nichts, obwohl der Schutzgeist in seinem Kopf protestierte. Dennoch...? , fragte Dragor lauernd. Janos konnte seinem Blick nicht mehr standhalten und wich einen Schritt zurück. Der Räuberhauptmann lachte. Da die Einwände ausgeräumt sind, können wir hier endlich klar Schi machen. Hallia schrie in Veridians Gedanken, aber er gestattete ihr nicht, diesem Zorn Ausdruck zu verleihen. Mit gesenktem Blick stand er da, und wiederholte immer nur den einen Gedanken. Wir müssen das Schwert nden. Dragor trat an die Wände des Eisenkägs. Selbst ein noch so verruchter Mann hat immer noch einen Nutzen. Veridian sah auf. Das musste es sein. Nun würde er das Schwert oder vielleicht sogar dessen Träger kommen lassen. Grund genug, abzuwarten. Hallia in ihm tobte wie ein Sturm. Sie beide wussten, dass das nicht der Grund war. Veridian war feige, das war die ganze Wahrheit. Er kämpfte sie hinunter wie einen Brechreiz. Trotz des langen Geredes geschah es ganz plötzlich. Der Räuberhauptmann zog an einem Hebel und unter dem Unglücklichen teilte sich das Gitter. Mit einem rostigen Knarren schwangen sie auf und für einen Moment schien es, als ob der Verräter frei in der Luft schwebte. Dann geschah alles gleichzeitig. Der Räuber el. Veridians Geist wurde von Bildern solch einer Intensität gefüllt, dass er den Schutzgeist nicht mehr festhalten konnte. Er sah, wie ihr früherer Herr gefallen 102 war und sie ihn nicht hatte fangen können. Nun musste es anders sein! einem Sturm gleich entwich sie ihm und jagte mit dem Verräter hinab in die Grube. Der Windgeist fegte Dragor schier mit in das Loch, aber es gelang ihm, sich an den Stäben des Kägs festzuhalten. Vermaledeit. , sprach er, als er sich aufrappelte, Was zum Henker... Der Wind verebbte und bald folgte ein hässliches Geräusch. Der Räuber war am Boden angekommen. Janos sah auf. Katakomben sind verucht, das sagt man. Dragor blickte hinab in den schwarzen Schlund und spuckte hinein. Der richtige Ort für einen Verräter! Veridian sagte nichts. Er war allein. Hauptmann Zerbas war ebenfalls erstaunt von dem Ziel der Räuber. Hätte er es nicht besser gewusst, so hätte er gedacht, sie planten einen Raubzug gegen einen der Reichen von Titania. Vermaledeiter Bastard. , sprach Silias schlieÿlich bewundernd, als die Verfolgten das Anwesen von Jolander betraten. Hier wohnt Jolander, der Poet. , murmelte Zerbas, ohne zu verstehen. Silias nickte. Wollen sie ihn ausrauben? , fragte der Hauptmann. Der Räuber schüttelte den Kopf. Was wisst ihr über Jolander vom Blauen Grund? Zerbas fasste schnell zusammen: Ein Poet. Reich. In gewissen Kreisen gern gesehen. Er brauchte einen Moment, um das letzte Wort zu nden. Exzentrisch. Silias Augen funkelten. Habt ihr schon mal eines seiner Bücher gelesen, Hauptmann? Zerbas sah auf. Nein. Von so einem verquasten Unfug schmerzt mir der Schädel. Und ich bin mir sicher, Hauptmann, da seid ihr nicht der einzige. Der Imperiale begri immer noch nicht, weshalb der Räuber es ihm erklärte: Eine Residenz im Herzen der Stadt, in den höchsten Kreisen verkehren, dafür muss man eine Menge Bücher verkaufen. Was er wohl nicht tut. , schloss Zerbas. Aber das macht gar nichts. , sprach Silias weiter, Da er einen äuÿerst spendablen Mäzen hat, der ihn nanziert, solange er seiner Räuberhöhle einen legitimen Anstrich verleiht. Die Augen des Hauptmanns weiteten sich. Ein Versteck kaum einen Steinwurf von der Residenz des Statthalters... Mmh-Hmm. , bestätigte Silias, Dragor hat mehr Mut, als ich dachte. Zerbas wurde bleich. Welches Licht warf es auf seine Arbeit, wenn solche Dinge quasi direkt unter seinen Augen geschehen konnten? Mut. , wiederholte er zähneknirschend, Nein. Er schüttelte den Kopf. Übermut. Er gri an sein Schwert, aber Silias legte seine Hand auf die des Hauptmanns, bevor er die Wae ziehen konnte. Wir werden sehen. , sprach er ruhig. Die beiden Männer starrten einander an und für einen Moment schien es, als würde der schwelende Konikt endlich an die Oberäche brechen. 103 Aber dazu kam es schlieÿlich doch nicht, denn der Imperiale hatte ein Einsehen. Wir haben den strategischen Vorteil. , sprach er, Wir wissen, wo er sich verbirgt und er weiÿ nicht, dass wir es wissen. Silias nickte. Jetzt denkt ihr wie ein Feldherr. Er lächelte diabolisch. ...oder wie ein Räuber. Zerbas überging diese neuerliche Beleidigung. Wir sollten uns das aus der Nähe ansehen. Silias nickte und sie traten verstohlen hinaus auf die Straÿe, um über die Mauer des Anwesens zu steigen. Aber so weit kamen sie nicht. Ehe sie begrien, was geschah, schoss ein schwarzer Schemen aus den Schatten und streckte einen von Silias Leibwächtern nieder. Zerbas sah nur das Aufgleiÿen blauen Feuers und zog sein Schwert, noch ehe der durchbohrte Räuber auf das Paster aufschlug. Es blieb keine Zeit, die dunkle Gestalt zu mustern, das einzige, was zählte, war das blutgetränkte Schwert, das in fahlem Blau das Blut auf seiner Klinge zeigte wie eine satte Katze. Das Monstrum wandte sich ruckartig um und blickt zwischen dem Hauptmann und den beiden Räubern hin und her, als sei es über diese ungewöhnliche Allianz verwundert. Es war ein schreckliches Gesicht, bleich und abgehärmt, aber als sich die Augen von Angreifer und Hauptmann trafen, da sah Zerbas etwas Schreckliches. Der letzte Träger des Schwertes war eine Bestie gewesen, mit wenig mehr als der Gier eines Raubtiers. Die rotgeäderten Augen von diesem hier waren anders. In ihnen war Geist. Er hatte keine Zeit, Schlüsse aus dieser Einsicht zu ziehen, denn die schwarze Gestalt preschte blitzschnell auf die Räuber zu, schneller, als es eine solche Wae zulassen sollte. Instinktiv ging Zerbas dazwischen und ng den ersten Hieb des Zweihänders mit seiner Wae. Ein blauer Blitz erhellte die Nacht, als die beiden Klingen aufeinandertrafen. Dem Hauptmann war, als würden ihm die Arme aus den Gelenken gerissen, aber er hielt stand. Still versuchte sein Gegner eine Kraftprobe. Zerbas lieÿ sich nicht darauf ein, sondern wich mit einer Drehung aus der Bahn der Klinge. Wie erwartet stolperte sein Widersacher einen Schritt nach vorne und entblöÿte seine Seite. Zerbas stach zu, riss aber nur ein Loch in den Mantel und traf darunter Stahl. Eine Rüstung. Ohne ihm weitere Beachtung zu schenken stürmte die dunkle Gestalt weiter auf die beiden Räuber zu. Silias Leibwächter stellte sich vor seinen Herrn, auch wenn seine Miene klarmachte, dass ihm seine Bezahlung für solch einen Kampf weitaus zu gering war. Er schate es tatsächlich, zwei der Hiebe abzuwehren, der dritte jedoch schlug ihm das Schwert sauber aus den Händen. Unzweifelhaft wäre er gestorben, hätte Zerbas nicht einen weiteren Angri gewagt. Wohlwissend, dass ihr Gegner gepanzert war, zielte er mit der Schwertspitze auf den Hinterkopf. Der Hieb war gut geführt, aber obwohl der andere noch in den Kampf mit dem Leibwächter verwickelt war, sah er ihn kommen. Der Schatten neigte sein Haupt beiseite, zu spät, um dem Angri völlig zu entgehen. Mit einem hässlichen Geräusch fuhr Zerbas Klinge an seinem Schädel entlang und schnitt ihm eine tiefe Narbe ins Gesicht. Noch während Zerbas begri, dass sein Angri danebengegangen war, stieÿ sein Gegner sich ab und rammte die gepanzerten Schultern in den Imperialen. 104 Zerbas letzter Gedanke vor dem Einschlag war, dass er unter allen Umständen sein Schwert festhalten musste, dann wurde er getroen wie von einem Hammerschlag. Hart ging er zu Boden, aber das Schwert blieb in seiner Hand. Die dunkle Gestalt schenkte ihm keine weitere Beachtung, sondern gri abermals Silias Leibwächter an. Der Räuber war ein geübter Kämpfer, aber je besser er sich wehrte, desto schneller raste das von blauem Feuer beseelte Schwert auf ihn herab. Es war ein honungsloser Kampf. Das schien auch Silias zu begreifen, denn er suchte stillschweigend das Weite, während sein Lakai ihn mit seinem Leben verteidigte. Verdammter... , murmelte Zerbas, während er sich aufrappelte, dann eilte er dem Leibwächter zur Hilfe. Räuber oder nicht, keiner hatte es verdient, von solch einer Bestie getötet zu werden. Dieses Mal musste die dunkle Gestalt ihn kommen gesehen haben, denn kaum führte der Hauptmann seinen Hieb, fuhr sie zwischen zwei Hieben herum und wich beiseite. Zerbas bremste ab und für einen Moment trafen sich seine Augen mit denen des Angreifers. So blutleer und verhärmt sein Gesicht auch war, Zerbas war sich sicher, ihn zu erkennen. Nur, wo er ihn schon einmal gesehen hatte, das wollte ihm nicht einfallen. Nicht, dass er Zeit hatte, darüber zu grübeln, denn sein zweiter Angri hatte ihm die volle Aufmerksamkeit des Angreifers gebracht. Er holte mit der schweren Klinge aus und schwang sie wie eine Sense, so schnell, dass sie einen blauen Feuerschweif hinter sich her zog. Zerbas machte Anstalten zu parieren und begri zu spät, dass er diese Kraftprobe unmöglich gewinnen konnte. Verzweifelt rammte er sein Schwert zwischen die Pastersteine, in der Honung, dass der zusätzliche Halt genügte, die veruchte Wae aufzuhalten. Stahl traf auf Stahl und beide Schwerter sangen wie Glocken. Die Kraft des Hiebes dröhnte durch Zerbas Körper, aber er hielt stand. Sein Schwert indes tat es nicht. Klirrend brach es entzwei und der gebremste Hieb traf den Hauptmann in die Seite. Zwar trug er eine Rüstung, sank aber dennoch von der Wucht des Einschlags in sich zusammen. Ihm war, als sei ihm ein Knüppelhieb zwischen die Rippen verpasst worden. Er japst und zwang sich, hinauf zu seinem Angreifer zu sehen, wohlwissend, dass er dem Tod geweiht war. Ehe er den Blick heben konnte, traf ihn ein Stiefel in die Schläfe und warf ihn vollends zu Boden. Derweil war der Leibwächter wieder zu Atem gekommen und obwohl sein Herr das Weite gesucht hatte, wagte er sich in den Kampf. Über dem zusammengesunkenen Soldaten tauschte er verzweifelte Hiebe, aber sein besessener Gegner gab sich keine Blöÿe. Erbarmungslos trieb er den Räuber in die Defensive und schlug so lange zu, bis dessen Ausdauer unvermeidlich erschöpft war. Zerbas konnte nichts weiter tun, als nach Luft zu schnappen, während ihr dunkler Angreifer zum tödlichen Hieb ausholte. Gierig umschlang blaues Feuer die veruchte Klinge und spiegelte sich in den verängstigten Augen des Räubers. Hilfe kam aus einer unerwarteten Richtung. Ein Dolch schoss durch das Dunkel und blieb im Arm der dunklen Gestalt stecken. Das Schwert glitt ihr aus der Hand und el scheppernd zu Boden. Das blaue Feuer erlosch. Los! , brüllte Silias und warf noch einen zweiten Dolch. Sein Untergebener lieÿ sich 105 nicht zweimal bitten und nahm die Beine in die Hand, während das zweite Wurfgeschoss wirkungslos auf die Rüstung des Angreifers prallte. Zerbas hatte sich derweil auf die Knie gekämpft, war aber in keinem Zustand, es seinen untreuen Kameraden gleichzutun. Während die dunkle Gestalt ungerührt das Messer aus dem Arm zog wie einen Spreiÿel, begri er, dass er nun sterben würde. Es kostete ihn alle Willenskraft, sein zweites Schwert zu ziehen. Als er vor der Blauen Königin gekniet war, hatte er keine Wae mehr gehabt. Schlaf oder Tod, das war seine Wahl gewesen. Der dunkle Koloss würde ihm keine lassen. Er war selbst schuld, eine Allianz mit Räubern einzugehen. Nun war das Schwert über ihm und er war bereit, das blaue Feuer zu empfangen. Nicht jedoch ohne Widerstand. Schützend hob er seine Klinge vor das Gesicht und blickte über ihre Kante dem Ungeheuer in die blutroten Augen. Es blickte zurück und abermals war da diese Ahnung von Geist. Aber das war unmöglich, denn wie konnte ein klarer Gedanke mit solch monströsem Verhalten einhergehen? Aber es musste so sein, denn der Koloss hielt inne. Gebannt starrte Zerbas ihn an und kämpfte das Zittern in seinen Armen nieder, wohlwissend, dass sein Widerstand nicht vielmehr als eine Geste war. Aber wenn er schon sterben musste, dann wenigstens unter Wahrung seiner Prinzipien. Aber er sollte nicht sterben, zumindest nicht in dieser Nacht. Denn es war das bleiche Ungeheuer, dass zuerst den Blick senkte, sich ruckartig umwandte und dann verschwand. Ungläubig blickte der Hauptmann der dunklen Gestalt nach. Aber er sollte noch zweite Überraschung erleben, als sie den Mantel abstreifte und achtlos beiseite warf. Was drunter war konnte nicht sein und dennoch sah er es mit eigenen Augen. Hallia war nicht zurückgekehrt. Selbst, nachdem sie die Stufen aus dem Verlies wieder emporgeklettert waren und nun in Dragors guter Stube saÿen. Die Laune des Räuberhauptmanns hatte sich gebessert, was aber wohl hauptsächlich Fassade war. Er schien zu begreifen, dass sie beide seine Tat nicht guthieÿen. Also gab er sich jovial und spendierte Schnaps aus einer Flasche, in der zu Veridians Schrecken mehrere Augäpfel herumschwammen. Natternwein aus Steinengard. , erklärte er ruhig und schob ihnen die Gläser zu. Ob der wirklich aus Nattern gemacht wird? , dachte Veridian und erwartete eine schnippische Antwort, die natürlich nicht kam. Ihm war, als fehlte die Hälfte seines Verstandes. So läuft der Laden. , sprach Dragor und stürzte sein Glas hinunter. Die anderen beiden tranken zögerlich. Es war ein starkes Gesö, das ein taubes Gefühl auf der Zunge hinterlieÿ. Dummheit kann ich dulden, und wenn einer sich mehr nimmt, als ihm zusteht, gibt's einen Klaps auf die Finger. Dragor schenkte sich ein zweites Glas ein. Aber die Imperialen, da ist es mit der väterlichen Liebe zu Ende. Veridian hörte kaum zu. Dragor hatte das Schwert nicht. Der Mann war umsonst gestorben. Janos, du bist alt genug, um die übelste Zeit miterlebt zu haben, als Räuber an allen Bäumen der Stadt baumelten. Veridian blickte seinen Kameraden an, der in sein leeres 106 Schnapsglas starrte. Das war, bevor Silias in der Stadt war. , antwortete, Als noch oen ausgefochten wurde, wem welche Straÿe gehörte. Dragor lieÿ seine silbernen Zähne blitzen. Die gute alte Zeit, wo ein Räuber noch kein verschissener Politiker sein musste. Er trank einen dritten Schnaps. Und dennoch können wir vom faulen Frieden alle gut leben, Zelphar, Silias und ich. Er hielt inne, als ob er begri, dass er zu viel gesagt hatte. Janos sah hinüber zu Veridian, aber der war noch immer erstarrt. Genug Kaeeklatsch. , meinte Dragor schlieÿlich, Wir haben noch einen Raubzug zu planen. Janos ächzte. Nacht ist schon alt. , murmelte er. Dragor knallte sein Glas auf den Tisch, dass es schier zerbrach. Alle erwarten, dass wir nach dieser Geschichte den Schwanz zwischen die Beine klemmen! , polterte er, Diese Stadt hat uns sitzenlassen mit Kavaliersschmerzen aber wir werden das nicht hinnehmen! Er machte Anstalten, sich einen weiteren Schnaps einzuschenken, aber nahm stattdessen gleich die Flasche. Wir machen den Raubzug einfach ein zweites Mal! Janos' Augen weiteten sich. Dort wimmelt es bestimmt noch von Imperialen. , warf er ein. Dragor schüttelt den Kopf. Die glauben, dass der Blitz nicht zweimal an derselben Stelle einschlägt. Er nahm einen tiefen Zug und spuckte einen Augapfel in sein Glas. Und selbst wenn sie dort sind. , sprach er, wir haben einen Abnehmer, der uns den Arsch aufreiÿt, wenn wir nicht liefern. Janos schluckte, dann nickte er. Sorge für meine Kinder, wenn ich draufgehe. Dragor klopfte ihm auf die Schulter. Trommel ein paar Männer zusammen. Janos gab Veridian einen Wink, aber der rührte sich nicht. Geh schonmal. , brummte Dragor. Nach einem Moment des Zögerns kam Janos dem Befehl nach. Als er verschwunden war, ging der Räuberhauptmann hinüber zu Veridian und goss ihm noch einen Schnaps ein. Trink. , befahl er und wartete, bis Veridian dem Befehl nachgekommen war. Du hast noch nie einen Mann getötet. Die Gewissheit, mit der er es sprach, lieÿ Veridian aufblicken. Er dachte an seinen wenig rühmlichen Auftritt beim Turnier. Hallia hatte ihn zurückgehalten. Nun war sie fort. Ein Räuber kann sich ein Gewissen nicht leisten. , fuhr Dragor fort, Genieÿ deines, solange du es noch hast. Sie wurden unterbrochen von einem Läuten, das das Gemäuer in seinen Grundfesten erschütterte. Veridian fuhr hoch. Jolander hat seine vermaledeite Glocke geschlagen. Dragor zog sein Schwert. Das hat niemals etwas Gutes zu bedeuten. Beide hasteten sie die Treppe hinauf, nur um Jolander in heller Aufregung zu nden. Warst du das!? , herrschte Dragor ihn an, aber der Dichter blickte nur durch ihn hindurch. Der Tod in Menschengestalt. , murmelte er tonlos, Ich habe ihn im blauen Feuer gesehen! Veridian zuckte zusammen. Blaues Feuer! Das konnte nur bedeuten, dass... Aber das konnte unmöglich sein! Janos! , brüllte er und rannte los, ungeachtet der einsturzgefährdeten Stapel, die ihn umgaben. Was zum...? , murmelte Dragor, packte Jolander und schüttelte ihn. Was wird hier gespielt? Der Dichter verdrehte die blauen Augen. Der Tod ist das Ende aller Dialektik... , üsterte er, kam aber nicht weiter, denn Dragor verpasste ihm kurzerhand einen Fausthieb, 107 der ihn ins Reich der Träume schickte. Dummschwätzer! Veridian riss das Portal auf und stürmte in den Garten. Dort stand er, unter den Bäumen, der Schatten, gehüllt in blaues Feuer. Zu seinen Füÿen lag Janos, die Augen von Schrecken geweitet, das Gesicht blutüberströmt. Mit letzter Kraft reckte er Veridian eine bebende Hand entgegen, dann durchbohrte ihn das veruchte Schwert. Das widerlich blaue Leuchten umschlang ihn und weidete sich im Rot seines Bluts. Zuerst versuchte Veridian, stark zu sein, dann aber überkam ihn unbändige Wut, auf den Mörder, auf die Räuber, und auf sich selbst. Was er nun tat, war närrisch, aber er tat es, nicht zuletzt, um die Untätigkeit auszugleichen, die Hallia und ihn entzweit hatten. Der Mörder sah ihn wohl kommen, aber er machte nicht einmal Anstalten, sein Schwert aus dem Toten zu ziehen. Auf dem halben Weg zu ihm begri Veridian, dass er nichtmal eine Wae hatte. Dennoch sprang er die dunkle Gestalt an. Es war, als prallte er gegen eine Felswand. Der Träger des Schwerts war hager, aber seine dünnen Beine gaben kein Stück nach. Wie ein lästiges Insekt wischte er den Angreifer beiseite. Veridian og in einen der Dornenbüsche auf der hässlichen Seite des Gartens. Er bemerkte die Stiche nicht einmal. Keuchend berappelte er sich und blickte hinüber zu Dragor. Der Räuber hatte einen Satz Wurfklingen gezogen und schleuderte sie mit gebleckten Zähnen auf die dunkle Gestalt. Die zog nun endlich die Wae aus dem toten Kameraden und wehrte damit die Salve von Geschossen ab. Nur eine Klinge fand ihr Ziel und bohrte sich in die Schwerthand des Ungeheuers, wo sie steckenblieb. Nicht ein Muskel im Gesicht des Sschattens regte sich. Stattdessen wandte er sich wortlos um. Veridian wäre schier wieder gestürzt, als er sah, was sich auf seinem Rücken befand. Es war ein wohlvertrautes Zeichen, aber ihm war trotzdem, als könne er es nicht erkennen. Vielmehr wollte er es nicht, denn es ergab keinen Sinn. Es war das Zeichen von Silias. Dragor sah es auch, zog seine beiden Schwerter und etschte drohend mit den Zähnen. Aber er folgte dem Monstrum nicht, das seelenruhig durch den Garten davonschritt. Veridian machte Anstalten, ihm zu folgen, aber Dragor wies ihm mit gestrecktem Schwert, zu bleiben. Nicht heute. , grollte er mit zitternder Stimme. Veridian nickte und sie warteten wortlos, bis der Schatten von ihnen gegangen war. Wie zu erwarten kam für Janos jegliche Hilfe zu spät. Dragor und Veridian sahen sich über seinen Leichnam an. Silias hat den Frieden gebrochen. , sprach Dragor kalt. Veridian schauderte es. Was geschieht nun? , fragte er. Krieg. Was spielte es für eine Rolle, dass es nur eine Rolle war, die Veridian hier spielte? Was zählte war, dass Janos sein Freund gewesen war und dass er nun hier lag. Das Schwert musste vernichtet werden, Silias musste aufgehalten werden! Und wenn der einzige Weg das zu tun war, ein Räuber zu sein, dann zum Henker mit Zerbas imperialen Regeln. Der Entschluss war gefasst, aber der Mut blieb nicht lange. Hallia fehlte. 108 Es war ein grauer und hässlicher Morgen, die Wolken am Himmel wie Narbengewebe und tränennasse Augen. Noch weinte er nicht, aber Regen würde kommen und alles fortwaschen. Bleich blickte Veridian in die Spiegelscherbe an der Wand der Räuberhöhle und zurrte den ledernen Armschutz zurecht. Hallia hätte bestimmt einen Heidenspaÿ gemacht, selbst in einem so düsteren Moment wie diesem. Aber sie war fort, bestrafte ihn für seine Feigheit. Er wusste, dass er es verdient hatte, aber das machte es nicht leichter. Im Gegenteil, das Bedürfnis, sich mit ihr zu verbinden, war schier körperlich. Er zog das Schwert halb aus der Schneide. Ein Schwert machte noch keinen Krieger, aber alles war besser, als feige zu sein. Feige und allein. Hallia hatte ihm verboten, ein Schwert zu führen, aber sie war nicht da, um ihn zu beschützen. Sie war gestern noch einmal zurückgekehrt, angelockt vom Geläute der Glocke und hatte ihn mit dem Toten gefunden. Dragor hatte Janos Überreste in den Abgrund werfen wollen, aber Veridian hatte darauf bestanden, ihn zu begraben. Der Boden in dem verwilderten Garten war weich und schlieÿlich hatte sogar Jolander sich eingefunden und ihm wortlos graben geholfen. Aber als sie gekommen war, da war der Dichter schon wieder fortgewesen. Er hatte ihr berichtet, was geschehen war und obwohl er die Hand ausgestreckt hatte, hatte sie sich nicht wieder mit ihm vereinigt. Worte waren zu wenig. Ich habe ihn nicht fangen können. Das war alles, was sie von ihrem Sturz in die Finsternis erzählt hatte. Und auch ohne ihre Verbindung wusste er, welcher Schmerz hinter diesen Worten stand. Aber nun war sie nicht hier und er musste allein in den Krieg ziehen. Um ihn herum herrschte Aufregung, die teils sogar freudig war. Silias war Dragors Leuten lange auf der Nase herumgetanzt und viele sahen den Krieg längst als überfällig. Und wer Angst hatte, der war schlau genug, sie den kampfeslüsternen Kumpanen nicht zu zeigen. Hätten sie gewusst, was er wusste, so hätten viele bestimmt die Flucht ergrien. Veridian zwang sich, nicht mehr in den Spiegel zu sehen. Die Würfel waren gefallen, jetzt galt es nur noch, den Becher vom Tisch zu nehmen. Er wusste, dass Hallia ihren Teil dabei zu spielen hatte. Ohne ihn. Krieg? , fragte Zerbas und blickte über die reichgedeckte Frühstückstafel. Silias biss in sein Marmeladenbrot und nickte. Krieg. , bestätigte er mit rotbenetzten Zähnen. Nur mit eurer Erlaubnis natürlich. Der Hauptmann lachte tonlos. Ihr wollte den Segen des Imperiums, einen Krieg anzufangen? Nein. Der Räuber winkte ab. Eure Erlaubnis reicht vollkommen. Es steht mir nicht zu, solch eine Erlaubnis zu erteilen. 109 Tja. , machte Silias, Es steht euch auch nicht zu, nachts mit einem Räuber durch die Gassen zu schleichen, aber dennoch habt ihr es getan. Zerbas knirschte mit den Zähnen. Und hätte dafür schier mit meinem Leben bezahlt. Aber, aber. Silias nahm einen Schluck Apfelsaft. Ich bin doch zurückgekommen und habe euch, soweit ich mich erinnere, das Leben gerettet. Pah. , schnaubte Zerbas, Einen Dolch habt ihr geworfen aus dem Hinterhalt. Da habt ihr's. Mehr Mut würdet ihr doch von einem wie mir nicht verlangen. , sagte Silias. Und doch sprecht ihr von Krieg. Der Räuberhauptmann nickte. Schlecht für das Geschäft, solange ich ihn selbst führen muss. Er seufzte theatralisch. Aber besser schlechtes Geschäft, als gar kein Geschäft. Euer Geschäft schert mich nicht. , erwiderte Zerbas. Nein, euch scheren edlere Dinge. Die Sicherheit eurer Bürger. Eine veruchte Wae aus dem Krieg der Götter, die verschwunden ist. Und vor allem Ordnung. Zerbas hatte schon eine Weile lang die Köstlichkeiten auf dem Tisch gemustert. Nun gri er langsam einen Lyraapfel und achtelte ihn säuberlich. Und diese Ordnung könnt ihr für mich schaen. , vermutete der Hauptmann. Bitte. , sprach Silias abfällig, Eure Ordnung schert mich nicht. Ich bin Geschäftsmann und schlage euch ein Geschäft vor. Der Hauptmann aÿ einen Apfelschnetz. Ich höre. Dragor hat das Schwert. Das haben wir gestern sehr bildlich vor Augen geführt bekommen. Ihr wollt das Schwert. Ich beschae euch das Schwert. Und das nur aus der Güte eures Herzens? , fragte Zerbas zwischen zwei Apfelstücken, Warum behaltet ihr das Ding nicht selbst? Ihr wollt das Schwert. Ich will etwas wesentlich einfacheres: Gleichgewicht. Zerbas hob eine Augenbraue. Welches Gleichgewicht gibt es, wenn ihr den Krieg gewinnt und Dragors Räuberbande vernichtet? Silias lächelte und es schien, als hätte er zehn Dutzend Zähne. Wer spricht denn von vernichten? Kein Räuber kann allein Titania halten. Sogar der dumpfste Imperiale wüsste, wo er suchen muss. Er genoss das Zähneknirschen, das er für diese Beleidigung erntete, dann fuhr er fort: Und auÿerdem will sich dann jeder Möchtegern ein Stück vom Kuchen abschneiden. So wie es jetzt ist, hätte jeder Dritte Angst, zwischen die Fronten zu geraten. Das ist das Wesen eures Friedens? , fragte Zerbas ungläubig. Der Räuberhauptmann verschlang den Rest seines Marmeladenbrots und grinste nur. Zerbas nahm einen Schluck Wasser. So weit, so gut. Und was ist mein Teil des Geschäfts? , fragte er. Silias schluckte. Nichts weiter, als dass eure Männer sich fern halten. Wenn es euch gefällt, so mögt ihr auch die Unschuldigen in Sicherheit bringen. Zerbas wusste wohl, dass dies ein Spiel auÿerhalb der Regeln war und dass er den Statthalter hätte einweihen müssen. Obwohl der vermutlich weniger Bedenken gehabt hätte als er selbst. Aber darum ging es nicht. Nicht mehr. Diese Sache war gröÿer als die Stadt oder die Kolonie. Karn würde zweifellos hiervon erfahren und Zerbas wahren Wert 110 erkennen. Und dann konnte er endlich nach Karnapolis zurückkehren. Wenn das Spiel gelang. Also gut. , sprach er, Machen wir ein Geschäft. Silias nickte zufrieden. Wie es der Zufall so will, sind meine Räuber schon marschbereit. Ich dachte, Räuber sind zu feige, um in den Krieg zu ziehen? Ich war sehr überzeugend. , erklärte Silias ruhig, Und spendabel. Und jetzt brennen sie darauf, von der Kette gelassen zu werden. Wie lange brauchen eure Soldaten? Der Hauptmann bleckte die Zähne. Macht euch darum keine Sorgen. Heute treten wir Silias in den Arsch! Das waren die letzten Worte von Dragors groÿer Ansprache gewesen, mit denen er seine Räuber in den Krieg geschickt hatte. Bis in eine Sage würde er es mit solchen Worten zwar nicht bringen, aber er hatte es verstanden, sein Publikum gut zu unterhalten. Nun marschierten die Räuber, wobei das wohl kaum das richtige Wort war. Veridian kamen sie eher wie ein Rudel von Wölfen vor, das sich im Schutz der Nacht zusammengerottet hatte und zu solch einer Masse angeschwollen war, dass es wagte, bei Tag durch die Stadt zu streifen. Und wie bei Wölfen waren alle, die sie sahen, schlau genug, sich in die Häuser zu retten. Der Plan war einfach. Sie marschierten zum Gespaltenen Schädel und ngen von dort aus an, jedes von Silias Nestern auszuheben. Selbst wenn sie den Feigling nicht fanden, würde ihn das so schwächen, dass kein Versteck ihm auf kurz oder lang nützte. Die wilde Meute war zuversichtlich, wähnte sie sich doch in der Übermacht. Veridian konnte es ihnen nicht verübeln, wussten sie doch nichts von dem veruchten Schwert und seinem Träger. Das nämlich war der wahre Grund, dass sie bei Tageslicht herummarschierten. Dragor hatte begrien, dass er dem Ungeheuer seine gesamte Streitmacht entgegenstellen musste. Sonst würde der Schatten sie Stück für Stück heimsuchen, bis niemand mehr übrig war. Zu seinem Schrecken hatte Veridian erfahren, dass Janos nicht der erste von Dragors Männern war, der dem veruchten Schwert zum Opfer gefallen war. Aber wenn es nach ihm ging, sollte er der letzte bleiben. Veridian schloss die Hand um seinen Schwertknauf. Sie waren nicht mehr weit vom Stadion entfernt. Zeit, zu kämpfen. Hätte man es nicht besser gewusst, man hätte Silias Streitmacht für eine Gruppe harmloser Wanderer halten können. Zugegeben, Wanderer mit Bärten und Narben und zu weiten Mänteln, aber das war nichts, was bei solch einem Wetter ungewöhnlich war. Donner grollte in der Ferne, ein Zeichen für den kommenden Sturm. Zerbas glaubte nicht an Omen, aber bis vor kurzem hätte er auch nicht an ein Mädchen aus Wind geglaubt. Sobald all dies vorbei war, würde er Hallia nach der Bedeutung des Donners fragen. 111 Wenn es vorbei war. Er warf einen verstohlenen Blick in eine Seitengasse und sah dort einen seiner Männer stehen. Es war nicht einmal eine Tarnung notwendig, denn Silias Männer waren über den Handel informiert. Zumindest glaubten sie, es zu sein. Der Hauptmann blickte zu Silias, der den Tross anführte. Sein Plan war einfach. Aus einer gut unterrichteten Quelle hatte er gehört, dass Dragors Männer ein krummes Ding im Stadion planten. Nun wollte er sie davor abfangen. Und wenn das scheiterte, so konnten sie immer noch auf den Gespaltenen Schädel oder Jolanders Privatresidenz marschieren. Den Schutz des Imperiums hatten sie ja. Zerbas lächelte grimmig, als einer der Räuber zu ihnen aufschloss. Hauptmann. , begrüÿte der ihn. Zerbas kannte den Mann, brauchte aber einen Moment, um ihn einzuordnen. Es war der gefallene Glücksritter, mit dem sie damals vor den Toren der Stadt eine Flasche geteilt hatten. Auch unter die Räuber gegangen? , fragte er den Imperialen. Zerbas war gar nicht nach Lachen zumute. Er hatte gehot, diese Männer ohne Schicksal hätten ein besseres gefunden. Nein. , sprach er ruhig, Und du hättest es besser auch nicht getan. Der Glatzkopf grinste, all die Verzweiung von damals wie fortgewischt. Silias sorgt für mich, wenn's beliebt. , antwortet er, Und ich lebe besser als ein Soldat. Und du stirbst früher. , dachte Zerbas bei sich. Es war nicht gut, diese Räuber ans veruchte Schwert zu liefern, aber besser sie als seine Männer. Besser als gute Männer. Dennoch war es nicht richtig. Sie hatten das Stadion schier erreicht und er lieÿ sich ans Ende der Meute zurückfallen. Sein Zug war gemacht. Zeit, den des Gegners zu sehen. Es war egal, dass es stürmte, denn Hallias Laune hätte ohnehin ausgereicht, um ein Unwetter zu entfesseln. Veridian hatte sie an sich gekettet und deswegen waren jetzt zwei Menschen tot. Sie hatte lange gezögert, sich an ihn zu binden, nach dem was mit Mantis, ihrem alten Herrn geschehen war. Nun war es wieder passiert. Sie war es satt, Menschen fallen zu sehen und machtlos zu sein. Hallia wehte um eine Ecke und lieÿ den Gedanken zurück. So aufbrausend sie auch sein mochte, es galt, einen kühlen Kopf zu bewahren. Seit Veridian unter die Räuber gegangen war, hatte sie geheime Nachrichten hin- und hergetragen. Nun war es an der Zeit, die beiden wieder zusammenzuführen. Sie verlieÿ ihre feste Form und stieg über die Gassen, um sich einen Überblick zu verschaen. Zerbas hatte damals schon ein doppeltes Spiel vorgeschlagen, denn selbst wenn es Silias Männer waren, die dem Ungeheuer zum Opfer elen, hieÿ das nicht, dass er unschuldig war. Denn obwohl normalerweise Dragor derjenige war, der Untergebene mit dem Tod bestrafte, schloss das nicht aus, dass Silias inzwischen auf den Geschmack gekommen war. 112 Also waren Veridian und sie zum Schein zu Dragor übergelaufen und hatten im selben Zug Silias und Zerbas zusammengebracht. Zuerst hatte alles tatsächlich darauf gedeutet, dass Dragor das Schwert hatte, angefangen von Silias totem Gefolgsmann, bei dem Zerbas Dragors Zeichen gefunden hatte. Er hatte es Hallia erzählt, als sie ihn um Hilfe bei Veridians Feuerprobe gebeten hatte. Der Hauptmann hatte das Imperium von dem Schmuggel ferngehalten, damit Veridian sich Dragors Vertrauen verdienen konnte. Hallia hatte den Platz über dem Stadion erreicht. Die imperialen Bogenschützen waren schon in Position, gut getarnt auf den Dächern. Diese Mal würden sie sich nicht raushalten. Sie lächelte grimmig. Silias hatte sich so schlau gewähnt, als er Dragors Pläne für den Raubzug an Zerbas verraten hatte. Freilich war es auch schlau, wenn auch aus völlig anderen Gründen. Hätte Zerbas den Raub geschehen lassen, so hätte er Silias Vertrauen verloren. Hätte er hingegen die Räuber gefangen, so wäre Veridians Tarnung aufgeogen. Letztendlich war es nur ihrem blitzschnellen Eingreifen geschuldet, dass Zerbas seine Männer im letzten Moment zurückp und nur die Hälfte der Räuber ng. Sie hatte dem Hauptmann im letzten Moment Bescheid gesagt und sie hatten zusammen den Plan entwickelt, einen von Dragors Leuten als Verräter zu brandmarken. Silias hatte die Zügel in der Hand behalten und Zerbas dazu gebracht, einen Gefangenen als Köder zu benutzen. Der Mann, der jetzt am Boden einer Höhle verteilt war. Das war ein Teil, den Hallia Zerbas verschwiegen hatte. Zu spät hatten sie alle begrien, dass es einen weiteren Spieler in diesem Spiel gab, einen, der hote, alle Seiten gegeneinander auszuspielen. Niemand Geringeres als der Träger des Schwertes selbst. Nur hatte er einen Fehler gemacht, als er Silias Gefolge vor Jolanders Residenz angegrien hatte. Sein Plan war Zerbas oenkundig gewesen, als er das Zeichen unter dem Mantel gesehen hatte. Das Ungeheuer wollte Dragor angreifen und es auf Silias schieben. Genauso, wie er Dragors Zeichen bei Silias Gefolgsmann deponiert hatte. Hoch über den Wolken sah sie die beiden Räuberbanden aufeinander zumarschieren. Man könnte meinen, der Schatten hätte Erfolg gehabt. Aber sie hatte die Teile dieses Mosaiks zusammengetragen und gemeinsam mit ihren beiden Gefährten einen Plan geschmiedet, ohne, dass die ihre Tarnung auiegen lassen mussten. Wäre Hallia nicht so ärgerlich gewesen, hätte sie sich mehr an ihrer Groÿartigkeit freuen können. Dragors Trupp hatte bald das Stadion erreicht. Sie konnte sehen, wie Veridian sich zurückfallen lieÿ. Es ging los. Der Marktplatz vor dem Stadion war menschenleer. Die Kneipen hatten die Stühle reingeholt und Türen und Fenster verriegelt. Anscheinend hatte man sich auf den kommenden Sturm vorbereitet. Verdutzt hielt Dragor inne und wies seinen Männern mit einem Fingerzeig, dasselbe zu tun. Was zum... , setzte er an. Riecht nach einer Falle. , murmelte einer seiner Männer. 113 Dragor bleckte die silbernen Zähne und blickte sich um. Veridian war fort. Was immer das hieÿ, es bedeutete auf jeden Fall Scheiÿe. Keine Zeit zu uchen. Weiter! , brüllte er, aber bevor er nur einen Schritt machen konnte, strömten Silias Leute aus einer Seitengasse. Atemlos hastete Veridian die Treppen des Stadions empor. Zerbas hatte ihm über Hallia den Weg mitgeteilt und die richtigen Abzweigungen mit Kieseln markiert. Ungesehen war er durch eine Seitentür in das verlassene Gebäude gelangt, die augenblicklich hinter ihm ins Schloss gefallen war. Er wusste, wem er das zu verdanken hatte und dass sie sich nicht zeigte, war schlimm. Schlieÿlich erreichte er eine Falltür und kletterte von dort auf die Auÿenmauer des Gebäudes. An der Kante stand Zerbas und blickte hinunter auf das Geschehen. Neben ihm schwebte Hallia, in Mädchengestalt. Zerbas sagte etwas und sie lachte. Eine schwarze Welle aus Bitterkeit entsprang seinem Bauch und für einen Herzschlag war ihm danach, den Imperialen von der Mauer zu stoÿen. Er schluckte die Eifersucht herunter. Ein unwürdiges Gefühl und doch... Veridian seufzte und machte sich auf dem Weg zu seinen Gefährten. Die Spitze der Mauer war breit genug, dass zwei Männer darauf gehen konnten, aber es gab weder Zinnen noch Geländer. Zu seiner rechten erstreckten sich die leeren Zuschauerränge und die verlassene Arena. Es schien ihm ein ganzes Leben her, dass Hallia und er dort um eine Münze für das Turnier angestanden waren. Er wandte sich ab und sah hinunter auf den Vorplatz zu seiner linken. Dragors Leute hatten die Schwerter gezückt, während Silias Bande sich in Position brachte. Ein Sturm zieht auf. , sprach Zerbas. Er hatte Veridians Ankunft noch nicht gemerkt. Hallia umwehte seine Schulter. Der Nordwind ist ein rauer Bursche. , schwärmte sie, Er fasst mich an, wie eine Dame angefasst werden will. Zerbas errötete. Das hätte ich nicht hören brauchen. Veridian räusperte sich und die beiden fuhren herum. Er sah Hallia an, aber sie wich seinem Blick aus. Gut, dass du hier bist. , sprach Zerbas. Er wies hinunter auf den Marktplatz, wo sich die beiden Räuberarmeen befanden. Jetzt heiÿt es warten, ob der Schatten unseren Köder schluckt. , sprach der Hauptmann. Deine Leute sind bereit. , sprach Hallia und wehte auf seine andere Seite, fort von ihrem alten Herrn. Veridian schluckte und trat neben die beiden, setzte an, etwas zu sagen, aber schwieg dann. Unter ihnen hatten die beiden Räuberarmeen gegenüber einander Stellung bezogen, wagten es aber trotz gezogener Waen nicht, einander anzugreifen. Zerbas knirschte mit den Zähnen. Worauf warten sie? , murmelte er. Worauf nur? , tönte es hinter ihnen. Die knarzende Stimme gehörte nicht Veridian und ganz sicher nicht Hallia. 114 Die drei Gefährten fuhren herum und dort stand er, als hätte man ein Loch in den zürnenden Himmel geschnitten. Der Schatten war ein alter Mann in grauem Mantel. Darunter trug er eine Rüstung, die Zerbas zweifellos als imperiale erkannte. Der Körper darunter war ausgemergelt, als sei der Schatten schon lange gestorben. Vielleicht war er das ja, ging es Veridian durch den Kopf. In seiner Hand war das Schwert, viel zu groÿ für einen Mann seiner Statur. Er hielt es dennoch ohne Mühe. Nur eine Ahnung von blauem Feuer leckte um die Schneide und um den Schwertarm. Das schlimmste aber, das war sein Gesicht. Hager wie bei einem Verhungerten, die roten Augen in ihren Höhlen wie die eines Toten. Und dann das schwarze, drahtige Haar, viel stärker, als es bei einem Mann in diesem Alter sein sollte. Keine Spur von Grau. Die beiden zogen ihre Schwerter, Veridian nur unmerklich langsamer als Zerbas. Der bleiche Mund verzog sich zu einem Lächeln, das gerade in seiner Normalität so schrecklich war. Dieses beinahe menschliche Gesicht lieÿ nämlich ahnen, dass dieses Monster bei Verstand war. Aber, aber. Zu ihrer Überraschung war die Stimme des Schattens die eines Lebenden. Die Schwerter sind nicht vonnöten. Deins ist es. , schnaubte Veridian. Zerbas nickte. Gib es uns. Der Schatten schüttelte den Kopf. Ich hänge daran. , sprach er ruhig. Das blaue Feuer ackerte auf. Auÿerdem sind wir auf derselben Seite. Die drei Gefährten sahen einander verblüt an. Seht dort hinunter. , sprach der Schatten weiter, Auf dieses Pestgeschwür, das unsere Stadt zerfrisst. Du bist nicht besser als sie. , erwiderte Zerbas, ohne die Wae zu senken. Der Schatten hob sein Schwert, nur ein wenig, aber genug, dass das blaue Feuer aufblitzte. Ich bin rechtschaen, Hauptmann. , sprach er, Und wie ihr plane ich, denen dort unten ein Ende zu machen. Glaubte er, dass das ihr Plan war? Zerbas hielt kurz den Atem an. Mit diesem Ding in euren Händen? , fragte er, Ich habe gesehen, was es aus einem Mann macht. Einem Mann ohne Ziel. , entgegnete der Schatten. Seine Augen leuchteten. Dies ist ein Geschenk des Lebens und des Todes. Ein Tag Leben für einen Tod. Hallia erbebte. Das also war es... Veridian hätte sich zu gerne mit ihr verbunden. Es war so schwer, nicht zu wissen, was sie dachte. Hallia sprach weiter: Azaroyd, das Schwert des Todes. Der Schatten nickte. So nennt es sich. Und es hat mich erwählt. Zerbas Augen weiteten sich, als er den Mann erkannte. Du warst Soldat. , sprach er tonlos, Du hast das Schwert bewacht. Der Kopf des Schattens drehte sich, ohne, dass der Körper sich nur im Geringsten bewegte. Seine Augen xierten den ehemaligen Hauptmann. Nun erkennt ihr mich. , sprach er bitter, Und kennt nicht einmal meinen Namen. Zerbas versuchte verzweifelt, sich zu erinnern, um den Schatten zu widerlegen, aber der hatte Recht. Also schwieg er. Zwei Dutzend Jahre habe ich dem Imperium treu gedient. Was war der Dank? Nachtwache mit Tölpeln und Idioten, die anderswo nicht zu gebrauchen sind. 115 Zerbas wollte etwas erwidern, aber ihm el wenig ein. Auch er hatte treu gedient und wenn er auch nicht so tief gefallen war... Stattdessen sprach Veridian: Und deshalb verkauft ihr euer Leben an dieses Ding? Die Haut des Schattens zog sich zurück und gab gebleckte Zähne frei. Ein Lächeln. Besser dieses Schicksal als keines. Hallia und Veridian sahen einander an. Du bist mein Schicksal und ich bin das deine. Diese Worte hatten ihn geleitet, aber nun hatte auch er sein Schicksal verloren. Was der Schatten getan hatte, mochte schrecklich sein, aber Veridian hätte wohl schrecklichere Dinge getan, um wieder mit Hallia vereint zu sein. Genug der Worte. , sprach der gefallene Soldat, Gebt euren Bogenschützen den Befehl. Ich erledige den Rest für euch. Veridian nickte. Es war an der Zeit. Hallia! , rief er scharf und warf ihr einen Beutel zu. Der Windgeist folgte seinem Befehl und fuhr in das lederne Behältnis. Mit einem dumpfen Knall explodierte es in einer Säule aus rotem Sand. Der Knall war laut genug, um die Räuber auf dem Vorplatz aufzuschrecken. Unter den beiden lauernden Banden wurde es still. Silias und Dragor blickten gleichzeitig auf und sahen nach oben. Der rote Sand zog sich in feinen Bahnen über den grauen Himmel und wies den Weg zu den Bogenschützen, die sich nun auf den Dächern positionierten und ihre Bögen spannten. Silias begri, dass seine Verstärkung eingetroen war und lächelte ein dünnes Lächeln. Das genügte Dragor, um zu begreifen, was hier gespielt wurde. Du Hurensohn bist mit den Imperialen im Bett!? , uchte er, dann ging er auf ihn los. Seine Bande folgte ihm auf den Fuÿe und noch bevor der rote Staub zu Boden sinken konnte, war die Schlacht der Räuber in vollem Gange. Gut. , sprach der Schatten, Hetzt die Hunde aufeinander! Er leckte sich die Lippen. Jetzt die Schützen! Veridian schüttelte den Kopf. Die Bogenschützen sind nicht für die Räuber. , sprach er ruhig. Während seiner Worte ogen die Pfeile los und folgten den roten Staubspuren, geradewegs auf den Schatten zu. Der erste erwischte ihn in der Schulter und lieÿ ihn zurücksacken. Zwei weitere trafen Oberschenkel und Bauch. Was im Gesicht des Schattens menschlich war, verschwand in einem abgrundtiefen Schrei. Wie von einem eigenen Willen beseelt schoss das Schwert empor und riss den Arm förmlich mit sich. Mit Reexen, die selbst für einen weitaus jüngeren Mann unmöglich sein sollten, wirbelte es durch den Luft und war stets dort, wo der nächste Pfeil einschlug. Die erste Salve war verschossen und der Schatten wankte nicht einmal. Mit dem Unterarm brach er die drei Pfeile ab, die in ihm steckten. 116 Ich will nicht gegen euch kämpfen. , sprach der Schatten ruhig. Dann lass von dem Schwert ab! , forderte Zerbas. Die Hand der dunklen Gestalt krallte sich um die Wae. Niemals! Eine Sturmböe schoss kreischend an Zerbas und Veridian vorbei und rammte den Schatten. Wie ein Schwarm wütender Raben ging Hallia auf ihn nieder. Zerbas und Veridian eilten ihr zur Hilfe. Der Schatten schüttelte den Schutzgeist ab wie ein plagendes Insekt, fuhr herum und parierte den ersten Hieb von Veridian. Ihm war, als würde ihm das Schwert aus der Hand gerissen. Aber noch ehe ihr Gegner kontern konnte, stach hinter ihm Zerbas zu. Er hatte auf die Kniekehle des Schattens gezielt und er hätte auch getroen, wäre die dunkle Gestalt nicht aus dem Stand emporgesprungen. Wie einen Hammer schleuderte sie das veruchte Schwert himmelwärts, um von dem blauen Feuer mit in die Höhe gerissen zu werden. Die Wae beschrieb einen Bogen. In ihrem Zenit fuhr der Dunkle in der Luft herum und schoss auf Zerbas zu. Der war nach seinem gescheiterten Angri noch immer in der Hocke und sah das Schwert wie ein Fallbeil auf sich zurasen. Veridian schrie, denn er war sich gewiss, dass der Hieb seinen Freund den Kopf kosten würde. Mit einem Donnerknall fuhr Hallia aus den Wolken und rammte sich wie eine Faust in die Magengrube des fallenden Mörders. Er ächzte, als die Wucht ihm die Luft aus den Lungen drückte. Der unsichtbare Hieb schleuderte ihn quer über die schmale Plattform. Veridian rollte sich im letzten Augenblick beiseite, bevor der Koloss donnernd auf dem Mauerwerk aufschlug. Der Mörder überschlug sich und kam auf den Knien auf. Wütend ballte er eine Faust und rammte sie ins Gestein, dass der Putz nur so spritzte. Unnachgiebig setzte der Windgeist ihm nach, warf ihn abermals von den Füÿen und schob ihn gnadenlos zur Kante der Mauer. Veridian blickte auf. Vielleicht gelang es Hallia, den Schatten in den Tod zu stürzen. Der Koloss wehrte sich allerdings nach Kräften. Zuerst krallte er sich mit der Faust in eine Mauerritze, wurde aber vom Wind wieder fortgerissen. Dann stieÿ er sich kurzerhand vom Boden ab, sodass er für einen Moment frei in der Luft zu schweben schien. Hallia verdoppelte ihre Bemühungen und angelte ihm die Füÿe weg, sodass er kopfüber auf den Abgrund zuog. Atemlos sah Veridian ein Lächeln auf dem Gesicht des Mörders aufblitzen. Hallia! , brüllte er, aber das hatte das Ungeheuer schon ausgeholt. Der Windgeist vernahm seine Stimme und lieÿ nach einem letzten Stoÿ von ihrem Gegner ab. Der Schatten schleuderte das Breitschwert zu Boden, ohne jedoch am Ende loszulassen. Es hätte unmöglich sein sollen, aber die Klinge schoss tatsächlich nach unten und bohrte sich donnernd in einen Steinquader. Es gab ein hässliches Knacken, als der Schatten von diesem Anker in seinem Flug gebremst wurde, dann überschlug er sich und kam zu Boden. Veridian war noch verdutzt, als Zerbas mit erhobenem Schwert an ihm vorbeirannte. Schützen! , schrie er Hallia zu, während er auf den Schatten zustürmte. Der zerrte verbissen an seinem Schwert, um es aus dem Stein zu befreien. Veridian schüttelte die Verblüung ab und eilte seinem Freund zur Hilfe. Zerbas war über dem gefallenen Soldaten, noch bevor der das Schwert aus dem Stein gezogen hatte. Die Absicht seines Hiebs war eindeutig. Er wollte dem Ungeheuer den Kopf abschlagen. Schon sauste die Klinge los. Der Schatten sah sie aus blutroten Augen 117 kommen. Veridian war sich sicher, dass alles geschehen würde, nur nicht, dass ihr Gegner das Schwert loslieÿ. Zerbas wohl auch nicht, denn er bremste seinen Hieb nicht, als der Schatten genau das tat. So traf das Schwert des Hauptmanns nur die gepanzerten Arme. Selbst wenn er einen Spalt in die Rüstung geschlagen hätte, hätte solch eine Wunde den Schatten kaum aufgehalten. Der Hauptmann begri seinen Fehler und wich zurück. Nicht schnell genug. Eine wuchtige Kombination von Fäusten traf ihn ins Gesicht. Blut spritzte und er sah für einen Herzschlag schwarz. Der Schatten holte zu einem Kinnhaken aus. Veridian kam ihm zuvor und zerrte Zerbas beiseite. Die Faust ging ins Leere. Der Schatten setzte mit der Linken nach. Es gab ein surren, dann Schlug ein Pfeil mitten in seinen Unterarm. Hallia hatte den Befehl weitergegeben. Ungerührt zog der Schatten sich zurück und entging so zwei weiteren Pfeilen. Veridian wollte ihm nachsetzen, aber Zerbas hielt ihn zurück. Sie würden einem direkten Treer nicht so gut standhalten wie der Veruchte. Unter Dauerbeschuss riss ihr Gegner mit dem unverletzten Arm an seinem Schwert. Fast hatte er es befreit, als ein weiterer Pfeil auf ihn zuschoss, dieses Mal direkt auf seinen Kopf. Veridian hielt den Atem an. So viel dieses Ungeheuer einstecken konnte, ihm mussten Grenzen gesetzt sein. Der Schatten sah das Geschoss aus den Augenwinkeln kommen. Ohne von der Wae abzulassen oder auch nur aufzusehen, hob er die Linke und streckte sie dem Pfeil entgegen. Mit einem satten Geräusch durchschlug die Spitze die Handäche und blieb darin stecken. Kein Geräusch des Schmerzes ging über die Lippen des Veruchten. Stattdessen verzogen sie sich zu einem schrecklichen Lächeln, als er das Schwert aus dem Stein zog. Drei weitere Pfeile waren auf dem Weg, doch auch mit einer Hand führte er das veruchte Schwert schnell genug, um sie aus der Luft zu schen. Zerbas schüttelte die Benommenheit fort und nickte seinem Kameraden zu. Er muss über die Kante. , sprach er. Dein Wort in die Waagschale. , antwortete Veridian. Blaues Feuer umng den Schatten, nun, da er mit seinem Schwert wiedervereint war. Verbissen zerbrach er den Pfeil in seiner Hand und packte sein Schwert. Die Vernunft in seinen Augen war Instinkt gewichen. Ungerührt stapfte er auf die beiden Freunde zu, das Schwert schlagbereit über seine Schulter. Sie warteten, Zerbas ruhig, Veridian bebend. Jeder einzelne Schritt des Ungeheuers schien eine Ewigkeit zu dauern. Dann ging alles schnell. Jetzt. , sprach Zerbas und die beiden preschten nebeneinander vor. Wenn sie siegen wollten, dann mussten sie den Schatten aus dem Gleichgewicht bringen, bevor sein Zweihänder sie traf. Gleichzeitig stachen sie zu, Veridian in den Oberschenkel, Zerbas in die ungeschützte Achselhöhle. Wie erwartet wich der Schatten keinen Fingerbreit. Das Schwert raste auf sie hinab und Zerbas warf sich gegen den Körper des Gegners, während Veridian ihm gegen das Schienbein trat. 118 Das brachte das hinabsausende Schwert aus der Bahn, das zwischen den beiden Angreifern zu Boden raste. Allerdings war Veridians Bein noch im Weg. Eilig warf er sich nach hinten und entging nur um ein Haarbreit der Klinge, die krachend auf den Fels prallte. Das Bein des Schattens sackte weiter weg und er el unsanft zu Boden, ein Bein im Abgrund. Zerbas wurde kurzerhand unter ihm begraben. Das Schwert wurde ihm aus der Hand gerissen und sauste scheppernd über die Kante. Vielleicht erschlug es wenigstens einen der Räuber. Ohne Wae blieb ihm nur noch, eine Faust in die Schläfe des Schattens zu rammen. Zum Dank riss der das Schwert zu sich und verpasste dem Hauptmann einen Hieb mit dem Knauf. Das verschate dem Schatten genug Zeit, wieder auf die Knie zu kommen. Über ihn sauste ein gutes Dutzend Pfeile hinweg. Die Soldaten wollten wohl nicht riskieren, ihren Hauptmann zu treen. Zerbas rammte ihm das Knie zwischen die Beine, aber die Wirkung blieb aus. Wie eine Wolke schob sich das Breitschwert vor seine Augen und blendete ihn mit blauem Feuer. Veridian sah atemlos, wie ihr Widersacher das Schwert über den Kopf seines Freundes hob. Nein. , murmelte er und rollte sich auf die Füÿe. Sein Schwert in den schweiÿnassen Händen warf er sich auf das Ungeheuer und zielte auf die Kehle. Auch wenn der Schatten ihn kommen sah, sein Schwert wies in eine andere Richtung. Veridian stieÿ seine Klinge daran vorbei und war sich schon sicher, dass er getroen hatte, als etwas ihn rammte und ihm die Luft aus den Lungen drückte. Der Schatten hatte die stumpfe Seite der Klinge wie einen Schläger benutzt und ihm in die Seite gerammt. Für einen schrecklichen Augenblick war es Veridian, als ob er in der Luft hing, dann schleuderte es ihn geradewegs über die Kante. Trotz der explodierenden Schmerzen in seiner Seite, hatte er in diesem Moment des Schwebens völlige Klarheit. Er begri, dass er nun tief fallen würde, tiefer, als dass man es überleben konnte. Und er begri, dass Zerbas ohne seine Hilfe dem Tod geweiht war. Alles, was er ihm noch geben konnte, war das Schwert. Also warf er es neben dem Freund auf die Mauer. Dann stürzte er. Wie traurig es war, alleine zu sterben. Ohne Hallia. Aber nicht ohne Schicksal. Das war zumindest etwas Trost. Der Himmel um ihn herum brüllte und tobte. Mit einem Knall schoss der Wind auf ihn zu und umng ihn, noch ehe sein Herz einen Schlag getan hatte. Hallia! Auch ohne mit ihm verbunden zu sein, spürte er ihre Angst, als sie ihn mit unsichtbaren Händen umng, um seinen Fall zu bremsen. Ich lasse dich nicht fallen! Rauschend sah er das Gestein des Stadions an ihm vorbeiziehen. Unmöglich, das zu überleben, unmöglich, dass sie ihn ng. Du musst nicht... , dachte er. Wenn er schon starb, dann sollte das keine Bürde sein, die sie mit sich trug. Ihr Herz war ohnehin schon zu schwer. Veridian schloss die Augen. Um ihn herum kreischte der Wind. Er fühlte, wie sie sich in einen Wirbel verwandelte und ihn ergri. Sie brüllte mit dem Sturm in seinen Ohren, umng ihn immer verzweifelter. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis er aufschlug. Sanft streckte er eine Hand aus. Hallia, es ist genug. 119 Dann, plötzlich, war es still. Zerbas önete die Augen. Die Mauer des Stadions bewegte sich nicht mehr. Seine Hand berührte das klamme Paster. Und dennoch schwebte er. Ich habe dich gefangen! Hallia hatte seinen Kopf in ihren Schoss gebettet. Sie strahlte, als ihre Blicke sich trafen. Es tut mir... , begann er, aber weiter kam er nicht. Hallia vereinte sich mit ihm und er wusste, dass alles vergeben war. Dann fühlte er ihre Freude. Wie ein Sonnenstrahl. Wie Kinderlachen. Wie Honigkuchen. Wie ein Sommertag. Zerbas hatte seinen Freund stürzen sehen. Ein weiterer, der sich auf ihn verlassen hatte. Keine Zeit für Selbstmitleid. Veridian hatte ihm das Schwert gelassen und nun musste er es nutzen. Noch bevor es scheppernd zum Stillstand kam, hatte er es bereits in den Händen. Der Schatten hatte bereits wieder ausgeholt, also blieb Zerbas nur, zu parieren. Die veruchte Klinge raste herab wie ein Hammer auf einen Amboss. Funken stieben, aber Zerbas hielt stand, auch wenn er glaubte, ihm würden die Arme aus den Gelenken gerissen. Der Schatten drückte unnachgiebig weiter. Zerbas knirschte mit den Zähnen. Solange er am Boden war, konnte er die Kraftprobe unmöglich gewinnen. Dennoch tat er sein Bestes und blickte seinem Gegner in die toten Augen. Du hast... , grollte er zwischen ächzenden Atemzügen, ...einen guten ... Mann getötet. Sein Gegner hielt inne und der Druck wurde halbwegs erträglich. Ihr habt euch in meinen Weg gestellt, Hauptmann. Ich stehe für die Ordnung des Imperiums. , gab Zerbas über die gekreuzten Klingen zurück. Das dort unten nennt ihr Ordnung? Der Schatten nahm eine Hand vom Schwert, packte den Hauptmann am Schlattchen und zerrte ihn an den Abgrund. Dem Hauptmann wäre schier das Herz stehengeblieben, als er begri, dass sein Gegner ihn ebenso gut hätte töten können. Dann blickte er hinab und sein Herz machte einen Sprung. Veridian war unversehrt. Das zählte mehr als die Schlacht der Räuber dahinter. Der Schatten bemerkte sein Lächeln wohl, deutete es aber falsch. Ihr wolltet das doch auch. , sprach er triumphal. Nein. , sprach Zerbas, ohne aufzublicken, Ich wollte, dass du dort unten von Räubern und Soldaten zereischt wirst. Der Schatten setzte ihm einen Stiefel ins Genick. Eure Prinzipien schränken euch ein, Hauptmann. , erklärte er ruhig, Manchmal muss getan werden, was getan werden muss. Und du bist der Mann dafür? Zerbas versuchte vergebens, sich freizustrampeln. Ich werde mich opfern. n Der Schatten war sich seiner Sache gewiss. Nur deshalb habe ich mich an Azaroyd gebunden. Für das Imperium. Scheiÿdreck. , gab Zerbas zurück, Das Imperium fuÿt auf Ordnung, nicht auf Mord. Das mag sein. Aber das Imperium ist satt und müde geworden. Es war keinerlei Mitleid in der Stimme des Veruchten. Räuber gehen durch unsere Straÿen. Die Blaue Königin hat ihre Männer überall. Das Ostland leckt sich die Finger nach unseren Grenzen. 120 Und was tun die Imperialen? Aus den Augenwinkeln sah Zerbas blaues Feuer auodern. Sie bringen ihre Schäfchen ins Trockene und leisten Lippenbekenntnisse für Karns Idee. Unser Statthalter lebt im Prunk und lässt dem Chaos freie Hand, solange der schöne Schein gewahrt bleibt. Die Worte trafen Zerbas schlimmer als die Hiebe. Der Schatten hatte Recht. Ihr wart einmal General. , fuhr er fort, Und ihr seid ein guter Mann. Ein Mann mit Prinzipien. Und was hat es euch gebracht? Er nahm den Stiefel aus Zerbas Nacken und gab ihm Gelegenheit, sich umzudrehen. Auf dem ausgemergelten Gesicht war, so unfassbar das schien, Mitleid. Karn hatte guten Grund, mich zu degradieren. Er keuchte. Die Wölfe waren stärker als ich. Der Schatten stützte sich auf sein Schwert. Und doch habt ihr gekämpft. So wie ich es nun tue. Für das Leben der Wölfe? , fragte der Schatten. Für meine Prinzipien. , antwortete Zerbas. Ein Räuber verdient keine Gerechtigkeit. Zerbas nickte. Das mag sein. , gestand er, Aber er verdient auch nicht den Tod. Der gefallene Soldat hob sein Schwert wieder. Und das ist es, was ihr nicht begreift, Hauptmann. Zerbas stützte sich auf und hob sein Schwert. Sein Nacken fühlte sich an, als bräche er gleich entzwei. Der Schatten fuhr fort: Ordnung hat Prinzipien. Das Chaos nicht. Und deswegen wird es stets gewinnen. Und wenn ihr eure aufgebt? Seid ihr dann noch ein Mann der Ordnung? Mein Urteil war in dem Moment gesprochen, als ich den Pakt mit dem Schwert schloss. , gab der Schatten als Antwort. Man muss Chaos mit Chaos bekämpfen. Mord mit Mord. Feuer mit Feuer! Zerbas schüttelte entschieden den Kopf. Zumindest hätte er das ohne den Stifel im Nacken. Wo soll das enden? Der Schatten wurde für einen Moment still. Nun war sein wahres Alter oenkundig. Schlieÿlich antwortete er: Wenn alles Böse getilgt ist, dann mag ich sterben. Es war keine Lüge, dessen war sich Zerbas gewiss. Auch er hätte sein Leben für das Imperium gegeben. Der Gedanke lieÿ ihn innehalten. Auch die Blaue Königin hatte ihn in ihrer Gewalt gehabt und er hatte feige das Leben gewählt. Obwohl er sich seiner Treue gewiss gewesen war. Bis zu dem Augenblick, in dem sie auf die Probe gestellt war. Der Schatten reichte ihm die Hand. Gute Männer haben nichts zu befürchten, Hauptmann. Zerbas sah in die toten Augen. Vielleicht stand er einem Mann gegenüber, der besser war als er selbst. Einem Mann, der wahrhaft nach seinen Prinzipien leben konnte... Wiedersehensfreude hin oder her, bald besannen sich Veridian und Hallia der Situation, in der sie sich befanden. Und die war nicht gerade rosig. Sah man davon ab, dass der 121 Schatten vermutlich gerade kurzen Prozess mit Zerbas machte, hatte ihr Fall vom Himmel die Aufmerksamkeit der Kämpfenden auf sich gezogen. Nun zog sich ein Kreis aus Räubern um sie, Dragors Leute auf der einen, Silias Leute auf der anderen Seite. Veridian du Hurensohn! , polterte Dragor mit gezogenen Messern, Du hast uns den Imperialen ans Messer geliefert! Silias trat einen Schritt vor. Dieser kleine Pisser? , fragte er, Der mich in der Schenke beschissen hat? Er lächelte dünn. Darauf kannst auch nur du reinfallen, Dragor. Veridian baute sich drohend vor ihnen auf. Wenn du Glück hast, streiten sie so sehr, wer dich abmurksen darf, dass sie es beide nicht überleben. Hallias Gedanken waren wie ein Schluck Wasser nach einer langen Durststrecke. Veridian lachte. Donner, Arsch und Zwirn! , polterte Dragor, Jetzt lacht er auch noch. Silias machte einen Schritt auf Veridian zu und alle seine Räuber taten es ihm gleich: Was wird hier gespielt? Veridian wurde augenblicklich wieder ernst. Jetzt ging es um sein Leben. Nicht mit dem Schwert, sondern mit Worten. Ihr beide wurdet gegeneinander ausgespielt. , sagte er und versuchte, Dragors bohrendem Blick standzuhalten. Der Räuberhauptmann uchte so verbissen, dass Veridian hätte schwören können, Funken zwischen den falschen Zähnen zu sehen. Vermaledeites Imperium! , polterte er und wandte sich drohend zu Silias, Du ehrloser Scheiÿer. Silias lächelte ein provokantes Lächeln. Immerhin wusste ich, dass ich es mit dem Imperium zu tun habe. Ruhe!!! Hallias Kräfte bauschten Veridians Wort auf wie einen Sturm. Die beiden Männer zuckten zusammen. Nicht nur von uns wurdet ihr betrogen. , fuhr Veridian hastig fort, Denn wir waren es nicht, die eure Männer getötet haben. Das vermaledeite Schwert. , murmelte Dragor. Silias Augen weiteten sich. Dein Mann führt es gegen meine! Dragor schien nicht übel Lust zu haben, diese Anklage mit Stahl zu beantworten. Tu nicht dümmer als du bist! , grollte er. Schön, dass wir das geklärt haben. , sprach Veridian Hallias Gedanken aus. Der wahre Träger des Schwerts wollte euch gegeneinander aufhetzen, um alle Räuber in Titania zu töten. Silias schüttelte den Kopf. Und warum sollten wir nicht glauben, dass ihr Imperialen dahintersteckt? Jetzt hielt Hallia es nicht mehr aus. Mit einem Rauschen fuhr sie aus dem Körper ihres Kameraden. Schaut einfach zur Spitze des Stadions, ihr Holzköpfe! , donnerte sie. Nur Dragor blieb gefasst, als der Schutzgeist erschien, zumindest äuÿerlich. Dennoch taten die Räuber, wie ihnen geheiÿen war und blickten empor. Dort stand der Schatten mit drohend erhobenem Schwert und zu seinen Füÿen lag der Hauptmann. Blaues Feuer umrahmte die Silhouette der Gestalt wie krakelige Pinselstriche. Es war, als hätten sie ein Loch in den Nachthimmel geschnitten. Beim schwarzen... , setzte Dragor an, aber weiter kam er nicht, denn der Schutzgeist wehte drohend zu den beiden Räubern hinüber. Dort oben steht der Mann, der die euren 122 getötet hat! , zischte sie, Jetzt könnt ihr euch rächen! Silias, der ein paar Schritte vor dem Windgeist zurückgewichen war, schüttelte langsam den Kopf. Ich denke, der Hauptmann schat das alleine. Dragor sah ihn an und nickte grimmig. Wollen dem imperialen Scheiÿer nicht den Ruhm stehlen. Silias und er waren anscheinend wieder ein Herz und eine Seele. Und sollte unser Freund versagen , murmelte Silias, dann sei unbesorgt, Windbeutel, wir werden ihn schon rächen. Windbeutel?! , wiederholte Hallia entrüstet. Das ist nicht der Punkt. , sprach Veridian und machte einen Schritt auf Dragor zu. Ihr macht einen Fehler. , fuhr er fort, Ihr unterschätzt dieses Ungeheuer! Dragor setzte ihm eine seiner Klingen an die Kehle. So wie ich dich unterschätzt habe, Arschloch!? Veridian schluckte. Ich... Hallia wischte den Arm des Räuberhauptmanns beiseite und materialisierte sich so nah, dass ihr Gesicht sein Blickfeld füllte. Rühre ihn an und ich erteile dir eine Lektion im Fliegen. Sie huschte zu Silias. Für dich gilt das gleiche, Bohnenstange. Die beiden Anführer tauschten einen vielsagenden Blick. Es war oenkundig, dass sie es nicht wagten, sich mit dem Windgeist anzulegen. Derweil hatte Veridian nach ihrem Freund geschaut. Es sah nicht gut aus. Der Schatten hatte inzwischen sein Schwert an die Kehle des Hauptmanns gesetzt. Hallia! , rief Veridian alarmiert. Seine Gefährtin lieÿ von den beiden Schurken ab und folgte seinem Fingerzeig. In Windeseile fuhr sie herum, bedeutete den Räubern mit zwei Fingern, dass sie unter Beobachtung standen und raste mit einem Donnerknall in den Abendhimmel. Die Schockwelle riss die Umstehenden schier von den Füÿen. Veridian zog sein Schwert. Ihr habt sie gehört. , sprach er grimmig. Die beiden Räuber winkten ihren Männern, von denen einige einen Kreis bildeten. Die anderen machten sich auf den Weg ins Stadion, um die Kämpfenden an der Flucht zu hindern. Mach dir nicht in die Hose , sprach Silias, sondern genieÿe einfach das Spektakel. Was ist schon ein Mann, der es nicht vermag, nach seinen eigenen Regeln zu leben? Hallia hörte den Gedanken und war sich gewiss, dass die Verbindung mit dem Hauptmann geglückt war. Nur ein Granitschädel wie er konnte so einen Unfug denken, während er eine Klinge am Hals hatte. Hallia? Seine Gedanken waren plötzlich auf sie gerichtet. Psst. Sie bedeutete ihm vor seinem inneren Auge, zu schweigen. In eine schöne Scheiÿe hast du dich da reingeritten. , urteilte sie fachkundig. Das ist nicht die Zeit für... , gab der Hauptmann zurück. Hallia lächelte vor seinem inneren Auge. Noch wartet der Schatten auf deine Antwort. , gab sie zurück, Und wir unterhalten uns gedankenschnell. 123 Zerbas begri. Was ist mit Veridian? Hallias Freude schwappte zu ihm hinüber und es waren keine Worte nötig. Und jetzt bist du hier, um mich zu retten? Hallia tätschelte ihm vor seinem inneren Auge den Kopf. Es sei denn, du willst lieber sterben, um etwas zu beweisen. Zerbas Geist wurde still und vor ihr önete sich ein dunkler Abgrund. Das letzte Mal hatte er viele seiner Geheimnisse vor ihr verborgen. Dieses Mal war er nicht mehr stark genug dazu. Oder vielleicht nicht willens genug. Hallia hätte beinahe ein schlechtes Gewissen gehabt, aber die Neugierde und der Sog der Finsternis waren stärker. Sie tauchte ein und sah eine Frau, schön und grausam, die den Hauptmann niedergerungen hatte, so wie er es nun war. Und sie fühlte, was er in diesem Moment gefühlt hatte. Die Bitterkeit, dass der Imperator ihn verstoÿen hatte. Den Trotz und die Scham, nun der schlimmsten Agentin des Chaos zu unterliegen. Hallia sank noch tiefer in die Schwärze, an einen Ort, dessen Existenz Zerbas vor sich selbst geleugnet hätte. Die Prinzipien des Imperiums waren die Pfeiler, auf die er sein Leben errichtet hatte. Aber unter dem Fundament waren andere Dinge, Gespinste, die er hier eingesperrt hatte. Schlaf oder Tod, das war die Wahl gewesen und er hatte den Schlaf gewählt. Weil er nicht für den Statthalter sterben wollte. Das war ein guter Grund, um die Gespinste auszusperren. In Wahrheit aber hatte er einfach nicht sterben wollen, hatte sogar für einen Herzschlag erwägt, in den Dienst der Blauen Königin zu treten. Nicht seine Prinzipien hatten ihn an dem Verrat gehindert, sondern das Wissen, was sie mit ihren Leuten tat. Er hatte eine ihrer Kriegerinnen während des Turniers in den Tod gehen sehen, ein freundliches, lebensfrohes Mädchen. Hallia hörte ihren Namen wie ein Echo. Thareya. Sie hatte dem Hauptmann das Leben gerettet, obwohl sie Feinde waren. In ihrem Gedenken hatte er sich der Blauen Königin verweigert. Und in ihrem Gedenken hatte die Blaue Königin Gnade gezeigt. Und während sein Feinde so edel zu ihm gewesen waren, hatte er mit ansehen müssen, wie Statthalter Zerbas die Stadt vor die Hunde gehen lieÿ, wie gute Männer auf sein Geheiÿ in der Arena starben und wie schlieÿlich ein Meuchelmörder als General nach Karnapolis geschickt wurde. Nicht er, der Karn so lange Jahre treu gedient hatte, kein junger Krieger, der an das Imperium geglaubt hatte, sondern ein Hund, der für Geld tötete. Das war die Realität, mit der seine Prinzipien unvereinbar waren und die er infolgedessen tief in sich vergraben hatte. Hallia sah all das voller Sorge und begri nun, warum die Worte des Schattens so schwer auf Zerbas lasteten. Vielleicht waren seine Prinzipien im Weg? Vielleicht war die Vision des Imperators nur umzusetzen, wenn man das Volk wie einen Garten pegte und das Unkraut mit Stumpf und Stiel ausrottete? Nicht nur die Räuber, sondern auch Männer wie den Statthalter und seinen Meuchelmörder-General? Hallia schloss Zerbas' Essenz in ihre Arme. Du sturer Holzkopf. , üsterte sie behutsam, Du siehst einen Widerspruch, wo keiner ist. Die Gedanken des Hauptmanns verhärteten sich. Wenn ich in meinem langen Leben eines gelernt habe, dann, dass auch gute Menschen Böses tun und böse Menschen zu 124 Gutem fähig sind. Also glaubst du, ich soll ihn gewähren lassen? , fragte Zerbas. Hallia lachte ein glockenhelles Lachen. Weiÿt du, wozu Prinzipien gut sind? Die Stützpfeiler, auf die man sein Leben baut. Der Windgeist verdrehte die Augen. Keine Stützpfeiler, sondern ein Richtmaÿ. Etwas, wonach man strebt, und das man nie völlig erreicht. Sie fühlte, wie sich der Widerstand in seinem Schädel ballte, wie sein ganzes Ich sich dagegen wehrte, diese Wahrheit zu akzeptieren. Es war, als wolle er schreien, dass er anders war, besser, dass er seine Prinzipien niemals brechen musste, niemals brechen durfte... Das Gedankengewitter verzog sich. Er hatte sich unter Kontrolle. Richtmaÿ. , dachte er. Nun nimm es und richte. , gri seine Gefährtin den Gedanken auf. Zerbas tat es: Er ist ein Mann, der Böses tut. Vielleicht ein guter Mann... Dann müssen wir ihn wohl daran hindern. , stellte Hallia fest. Ihre Zuversicht leuchtete wie eine Fackel durch das dunkle Gedankengewölbe des Hauptmanns. Wie? Hallia zeigte es ihm. Sie mussten eins werden, auf die Sinne des anderen vertrauen und ihre Angrie miteinander koordinieren. Es verlange Oenheit, Vertrauen, denn wenn einer von ihnen einen Fehler machte, dann war es um beide geschehen. Bereit? , fragte sie. Zerbas nickte und sie kehrten zum Ort des Geschehens zurück. Der Schatten war noch immer auf sein Schwert gestützt und erwartete ruhig eine Antwort. Er hatte Hallias Ankunft nicht bemerkt. Tret eure Wahl. , sprach er dunkel, Leben oder Tod. Er nahm den Fuÿ vom Nacken der Hauptmanns. Gemeinsam blickten Zerbas und seine unsichtbare Gefährtin in seine Augen. Hallia dachte nur ein Wort: Los! Zerbas tat, wie ihm geheiÿen, sprang auf die Füÿe und riss sein Schwert empor. Gleichzeitig schoss Hallia aus ihm heraus und formte eine Lanze aus Wind. Der Schatten hatte damit gerechnet, dass Zerbas angri und holte aus, um seinen Hieb abzuwehren. Das allerdings entblöÿte seinen Rumpf für Hallia, die ihm einen donnernden Hammerschlag in die Niere versetzte, der eine hässliche Delle in der Rüstung hinterlieÿ. Übermenschlich oder nicht, das saÿ. Ächzend krümmte sich der Schatten, das veruchte Schwert sank, gerade genug, dass Zerbas Hieb sein Ziel fand. Mit einem hässlichen Geräusch fuhr die Schneide über das veruchte Gesicht und nahm das rechte Ohr des Mörders mit. Hallia, die immer noch mit Zerbas verbunden war, spürte das Aufbäumen des Schattens. Zurück! , befahl sie. Zerbas allerdings hob sein Schwert über den Kopf, versessen, noch eine weitere Wunde zu schlagen. Damit bot er nun aber selbst eine Blöÿe, die der Schatten augenblicklich ausnutzte. Als seien die Schmerzen fortgewaschen, preschte er 125 mit dem Schwert wie mit gehobener Lanze vorwärts. Hallia spürte es, formte eine Böe und riss ihren Kameraden damit von den Füÿen. Der Fall rettete ihm das Leben, denn keine Sekunde später schoss das veruchte Schwert knapp über ihn hinweg. Vermaledeit! , dachte Hallia, Vertrauen! Schon vergessen? Zerbas grunzte und rollte sich beiseite, als das gestreckte Schwert wie ein Fallbeil nach unten raste. Rechtes Schienbein! , befahl Hallia, die einen Herzschlag Zeit gehabt hatte, sich umzusehen. Ohne groÿe nachzudenken tat Zerbas, wie ihm geheiÿen war. Zur gleichen Zeit schlug Hallia mit einer Windlanze gegen das andere Bein und es riss den Schatten von den Füÿen. Dumpf prallte er Gesicht voran neben Zerbas auf die Steine. Hoch! , befahl Hallia und schob den Hauptmann mit einer energischen Böe auf die Füÿe. Derweil rollte sich der Schatten auf die Seite und schwang das Schwert wie eine Sense. Zerbas, der ihm den Rücken zugedreht hatte, sah es nicht, wohl aber Hallia. Sprung! , bellte sie in Gedanken und gemeinsam erhoben sie sich in die Luft, gerade lang genug, dass die veruchte Klinge unter den Füÿen des Hauptmanns durchrutschte. Diesmal war es Zerbas, der weiterdachte. Im Zenit des Sprungs packte er sein Schwert mit beiden Händen und stieÿ es zu Boden, um seinen Widersacher im Fall aufzuspieÿen. Hallia half ihm, indem sie die Wae des Schattens mit aller Kraft zu Boden wehte. Der gefallene Soldat drehte sich blitzschnell auf den Rücken, lieÿ mit einer Hand sein Schwert los und gri damit nach der fallenden Klinge. Stahl fraÿ sich in Fleisch, als die bleichen Finger sich darum schlossen, aber der Schatten verzog nicht einmal den Mund. Zerbas war sich dennoch sicher, dem Ungeheuer den Schädel zu durchbohren, aber plötzlich spürte er einen Ruck. Mit monströsen Kräften warf der Schatten ihn mitsamt seinem Schwert aus der Bahn und anstatt zu Boden og er nun geradezu auf die Kante der Mauer zu. Zerbas! Er hörte den Schrei mit den Ohren wie mit dem Herzen. Dann geschah alles gleichzeitig: Er kam an der Kante zu Boden, konnte aber sein Gleichgewicht nicht nden und taumelte über den Abgrund. Der Schatten, dessen Schwertarm nun frei war, hob seine bläulich funkelnde Wae. Ein Sturm erhob sich in seinem Rücken. Ausholen! , befahl Hallia ihm im selben Augenblick, in dem er zu kippen begann. Zerbas Instinkt wäre gewesen, das Schwert nach vorne zu reiÿen, im verzweifelten Versuch, den Fall umzukehren. Nun auszuholen würde in vollends in den Abgrund schicken. Er spürte Hallia beben wie sein eigenes Herz. Ich vertraue dir. , dachte er und riss sein Schwert nach hinten. Tatsächlich war er für einen widerlichen Augenblick schwerelos, aber kurz bevor seine Stiefelspitzen sich von der Mauer des Stadions lösen konnten, ergri ihn eine Böe wie ein Dutzend helfender Hände. Der Windgeist gab ihm einen groben Schubs und er raste dem Schatten entgegen, der auf ihn wartete wie ein Ballspieler mit einem Knüppel. Das veruchte Schwert schnitt durch den Abendhimmel und hinterlieÿ eine kalt leuchtende Narbe. Im Flug passte Zerbas die Bahn der Wae ab und schwang seine eigene dazwischen. Funken stoben, als beide Klingen aufeinander prallten. Zerbas hörte den Stahl kreischen 126 und war sich gewiss, seine Wae oder seine Arme brächen entzwei. Aber ehe er die Zerreiÿprobe verlieren konnte, wehte Hallia an ihm vorbei und gerann zwischen den beiden Kämpfern zu einer festen Gestalt. Zerbas hörte noch einen Gedanken. Um alles in der Welt, halte stand! Der Schatten sah sie wohl, sein Schwert aber war gebunden. Kuckuck! , rief der Windgeist freudig und fuhr fauchend unter seine Robe. Der Koloss verdoppelte seine Anstrengungen, Zerbas niederzuzwingen und als sich ihre Blicke trafen, da sah der Hauptmann in seinen Augen zum ersten Mal Verzweiung. In Windeseile schoss Hallia um ihn herum und löste die Riemen seiner Rüstung. Der Schatten biss nach ihr, aber genauso gut hätte er versuchen können, einen Sonnenstrahl in der Hand zu fangen. Sein Brustpanzer glitt auseinander, prallte mit einem blechernen Geräusch auf die Mauerkante und el in die Tiefe. Beiseite! , brüllte Hallia ins Ohr des Hauptmanns und warf sich gegen den Schatten. Die Last des veruchten Schwerts löste sich ein kleines Stück und ihr Kamerad nutzte die Gelegenheit, um sich in Sicherheit zu bringen. Der Schatten schlug mit seinem freigewordenen Schwert nach Hallia, aber die hatte schon von ihm abgelassen und schoss in einer bläulichen Windfontäne in den grauen Himmel. Knapp verfehlte er ihren Schweif. Atemlos blickte Zerbas auf und sah gerade noch, wie Hallia sich zu einer Wolke ballte und schier explodierte. Pfeile!!! Der Himmel selbst schien das Wort zu brüllen. Zerbas begri, aber so tat es auch der Schatten. Die Bahn zwischen ihm und den Schützen auf den Dächern war frei und er hatte gerade seinen Schutz verloren. Als die Pfeile schon zischten, hüllte ihn die Wae in blaues Feuer. Die ersten beiden schte er aus der Lauft, mit nahezu übermenschlicher Präzision, aber selbst seiner Macht waren Grenzen gesetzt. Mit einem hässlichen Geräusch bohrte sich der dritte Pfeil in die Schulter des Schattens. Er hatte ihn nur knapp verfehlt, aber jetzt war der Damm gebrochen. Innerhalb eines Wimpernschlags schlugen zwei weitere ein und warfen den gefallenen Soldaten zurück zur Kante der Mauer. Das schwere Schwert ward ihm schlieÿlich zum Verhängnis. Der nächste Pfeil bohrte sich in seinen Schwertarm, die Wae sank in den Abgrund und riss ihn glatt mit. Wie gelähmt blickte Zerbas ihm hinterher. Konnte es tatsächlich ausgestanden sein? Vorsicht! Hallia kam vom Himmel hinabgestürzt und riss ihn von den Füÿen. Sekunden später schwirrte ein verirrter Pfeil über sie hinweg. Das ist das Beste, was die imperiale Armee zu bieten hat? , spottete seine Gefährtin, als sie sich im Fall mit ihm verband. Der Imperiale knirschte innerlich mit den Zähnen, während sie seinen Fall bremste. Sie haben ihr Handwerk gut gemacht. , murmelte Zerbas und rappelte sich auf. Nicht gut genug. Die knarrende Stimme lieÿ beiden, Soldat und Schutzgeist, das Blut in den Adern gefrieren. Langsam, wie aus Angst, dem Schatten durch Anerkennung seiner Existenz Form zu geben, wandten sie sich um. Blut tropfte von seiner Hand, die Fingernägel waren abgebrochen. Er hatte sich Im Fallen in die Mauer gekrallt und war mit bloÿen Händen wieder hinaufgeklettert. Seine Brust war einziger Tümpel aus Blut und Lumpen, aus dem die Pfeilschäfte noch hervorragten. Mit der freien Hand brach er sie ab, ungeachtet der Spitzen, die noch in seinem 127 Fleisch steckten. Mord stand in seinen Augen geschrieben, unverhohlene Zerstörungswut, eine lüsterne Gier nach Tod. Zerbas wischte sich den Schweiÿ von der Hand und packte den Schwertgri noch fester. Die Fassade war fort. Nun war nur noch das Ungeheuer übrig. Von blauen Flammen umhüllt stapfte der halbtote Krieger auf sie zu, unnachgiebig wie eine Naturgewalt. Pfeile! , donnerte Hallia abermals und mit dem Ruf konnte Zerbas ihre Furcht spüren, als sei es die seine. Alles in ihrer Natur drängte sie, die feste Form aufzugeben, zu iehen und all dies weit hinter sich zu lassen. Zerbas mahnte sie zur Tapferkeit, wie er es bei einem seiner Soldaten getan hatte. Hallia salutierte vor seinem inneren Auge, aber sie waren verbunden und so merkte er, dass die Entschlossenheit nur Fassade war. Die Pfeile kamen ein weiteres Mal, aber dieses Mal war das veruchte Schwert schnell genug. Wie ein Schild hielt der Schatten es über seine Schulter und wehrte so ein Geschoss nach dem anderen ab. Scheiÿe. , murmelte Zerbas und stellte sich dem Schatten entgegen. Der erste Hieb riss ihn schier von der Mauer und wäre sein Schwert nicht dazwischen gewesen, dann wäre er gewiss entzweigeteilt worden. Der Schatten hob das Schwert über den Kopf und schlug ein zweites Mal zu. Zerbas sah den Hieb auf sich herabrasen, als etwas seine Hände ergri und ihm die Wae führte. Wie ein Glockenschlag prallte sein Schwert auf das des Räubers und das blaue Feuer leckte gierig nach ihm. Dann der Tritt, dieses Mal zu schnell für ihn. Der Stiefel traf Zerbas mitten in die Brust und schleuderte ihn in hohem Bogen an den Mauerrand. Ihm war, als hätte ihn ein Pferd erwischt. Aber noch bevor er auch nur keuchen konnte, war der Schatten über ihm, ein Alptraum aus Blut, bleicher Haut und Knochen. Gierig holte das Monstrum aus, und Zerbas war sich gewiss, dass es das letzte Mal war. Flieh! , dachte er in Hallias Richtung, aber der Windgeist, dachte nicht im Geringsten daran. Granitschädel... , hörte er nur noch, als sie sich von ihm trennte. Blau bäumte sie Hallia zwischen ihm und dem tödlichen Angri auf, eine vielarmige Gestalt, auf der trotz allem noch der Mädchenkopf thronte. Nicht einmal einen Herzschlag vermochte diese ERscheinung den Schatten aufhalten. Gnadenlos schlug er in das Winddickicht, das auseinanderstob und über ihn herel wie ein Rudel wilder Katzen. Hallia schrie, vor Schmerz, vor Wut, vor Verzweiung. Das Windwesen fügte dem Schatten schreckliche Wunden zu, riss ihm die Haut auf, brach ihm Rippen und stach ihm schlieÿlich ein Auge aus. Aber Hallia hatte einen hohen Preis dafür zu zahlen. Das veruchte Schwert fraÿ sich tief in ihren schimmernden Körper und saugte Licht und Farbe heraus. Stück für Stück wurde sie zurückgedrängt, aber sie hatte Zerbas genug Zeit verschat, um sich aufzurappeln. Sein Brustkorb fühlte sich an, als sei ein Hammer hineingerammt worden. Er schluckte den stechenden Schmerz hinunter und eilte Hallia mit gezücktem Schwert zur Hilfe. 128 Ohne auf die eigenen Wunden zu achten, stürmte er an ihr vorbei und rammte die Schulter in den Schwertarm des Schattens. Die veruchte Klinge glitt aus dem Windgeist heraus und sie zog sich seufzend zurück. Grau war ihr Körper da geworden, wo er sie verwundet hatte und sie hatte Schwierigkeiten, ihre Form zurückzugewinnen. Später. Zerbas wich aus, als der Schatten ihm den Schwertknauf in die Magengrube treiben wollte. Er war übel zugerichtet, wie eine Vogelscheuche, vor der die Krähen den Respekt verloren hatten. Blut lief aus der leeren Augenhöhle, aber der Hass im anderen Auge war ungebrochen. Zerbas war hinter den Schatten gewichen und hote, ihn so von Hallia abzulenken. Es gelang. Hauptmann. Die Stimme des gefallenen Soldaten rasselte. Er spuckte einen Schwall Blut in den Wind. Ich habe euren Schutzgeist nicht getötet. Zerbas quittierte die Worte mit einem grimmigen Lächeln. Dass er reden wollte bewies, dass er Angst hatte, zu unterliegen. Ich hätte es können. Statt mit Worten antwortete der Hauptmann mit einem Angri, den der Schatten allerdings parierte. Verdammt! Trotz allem war er noch so schnell. Was erwartest du? , fragte Zerbas also, Meinen Dank? Der Schatten etschte die Zähne und machte einen Schritt auf ihn zu. Ich erwarte, dass ihr begreift! Sein Lippen rissen bei den Worten. Das ihr dieses Geschenk nicht wegwerft! Dass ihr das Imperium nicht im Chaos versinken lasst, nur, weil eure Finger nicht schmutzig werden dürfen! Der Hieb war schnell, aber Zerbas hatte ihn kommen sehen. Statt sich auf eine Kraftprobe mit dem veruchten Schwert einzulassen, wich er zurück. Du bist am Ende. , urteilte er, Fluch oder nicht, du wirst verbluten. Die Antwort war ein trockenes Lachen. Ich muss nur ein Leben nehmen und meines wird erneuert. , sprach er, Also lasst mich dort hinunter und die gute Arbeit tun. Hinter ihm rang Hallia damit, ihre Form zurückzugewinnen. Sie war nicht tot, das stimmte. Und hätte der Schatten sie getötet, so wäre er nun wieder ganz. Auch wenn es für Zerbas niemals in Frage käme, seinen Widersacher gewähren zu lassen, so schlich sie nun doch eine Frage in seinen Hinterkopf: Was, wenn? Der Schatten lieÿ sein Schwert sinken. Bitte. Seine Stimme klang beinahe menschlich. Ich will so nicht sterben. Er reichte dem Hauptmann die Hand. So sinnlos. Zerbas schluckte. Konnte er einen Mann töten, der ihm Frieden anbot? Dennoch blieb sein Schwert, wo es war. Ich will nicht deinen Tod. , sprach er, Aber wie kann ich dich leben lassen? Der Schatten schloss das heile Auge. Er war alt, selbst wenn das gestohlene Leben in seinem Körper es verbarg. Ich bitte euch inständig. Er üsterte. Es wird Krieg geben, das wissen wir beide. Er hatte recht. Zerbas war sich gewiss, spätestens seit er der Blauen Königin gegenübergestanden war. Dann lasst ihn kommen. , antwortete er, Krieg dient dem Frieden. Ein alte Militärweisheit. Dann lasst mich dem Krieg dienen. Auch der gefallene Soldat kannte die imperiale Militärphilosophie. Phrase oder nicht, es war nicht von der Hand zu weisen. Im Krieg blieb keine Hand sauber und die einzige Rechtfertigung war, dass der Krieg dem Frieden 129 diente. Und wenn der Schatten dazu bereit war, dann mochte er vielleicht am Leben bleiben. Unterwirf dich. , befahl Zerbas, Du bist Soldat. Sie blickten einander an, ein stummes Kräftemessen. Beide hatte sie dieses Duell an den Rand des Abgrunds geführt. Nun aber war es der Schatten, der begreifen musste, dass er unterlegen war. Der blutüberströmte Soldat ging auf die Knie. Wie ihr befehlt, Hauptmann. Über seine Schulter sah Zerbas Hallia, die schwer atmend auf dem Mauersitz waberte. Sie schüttelte entsetzt den Kopf. Er sah sie unnachgiebig an. Sie selbst hatte gesagt, dass Prinzipien niemals wahrhaft gehalten werden konnten. Wieder dieses Nagen in seinem Hinterkopf. Er biss die Zähne zusammen. Wer war er, dem Imperator solch einen Krieger zu verweigern? Nicht, nachdem er in seinem Dienst versagt hatte. Und wenn er ihn in die Hauptstadt brachte, dann könnte er diese Schande vielleicht ungeschehen machen. Karn wird über dich richten. , sprach Zerbas. Der Schatten nickte. Azaroyd ackerte bläulich auf. Gebt mir die Räuber. , bat er, Als Wegzehrung. Dann mögt ihr mich in Ketten legen. Hinter ihm bauschte sich Hallia auf. Zerbas konnte schon hören, was sie sagen wollte und er war ihrer Meinung. Nein. Der Schatten hob den Kopf. Ein Tag , sagte er tonlos, Für jeden Tod. Das war nicht von der Hand zu weisen. Zerbas blickte hinunter auf den Vorplatz, wo die Räuber in einem stummen Kreis um Veridian herumstanden und zu ihm hochblickten. Wer, wenn nicht sie? Gebt mir nur die Anführer. , bat der Schatten, Dann haben wir Zeit, um weitere zu suchen, die den Tod verdienen. Silias hatte es verdient, daran bestand kein Zweifel. Und was Dragor anging, so klebte an seinen Händen sicherlich mehr Blut las an denen des Schattens. Der Hauptmann zögerte. Keine Mitläufer und Taschendiebe. Monate würden vergehen, bevor die beiden Banden sich davon erholt hatten. Und alles, was er dafür tun musste, war, den Befehl zu geben. Nennt einfach einen Namen, Hauptmann. War die Demut in der Stimme des Schattens echt? Irgendeinen Namen. Der Hauptmann knirschte mit den Zähnen. Namen gab es genug, aber dennoch ging ihm keiner über die Lippen Genug! Wie ein Donnerschlag durchbrach Hallia die Stille. Zerbas blickte auf und ihm wäre schier das Herz stehengeblieben. Hinter ihnen auf der Mauer saÿ ein Drache, gewaltig wie in den Sagen, so hoch, dass seine Schwingen sich mit den Donnerwolken verbanden. Blitze zuckten durch das Wolkenmaul. Hallia hatte sich mit dem Sturm verbunden. Ihr Grollen lieÿ das Stadion in den Grundfesten erbeben. Nun erst begri der Hauptmann wirklich, wie alt dieses Wesen war und dass die Menschlichkeit, die sie gezeigt hatte, nur eine Laune gewesen war. Und ebenfalls begri er, dass sie den Schatten nicht leben lassen würde. Der Schatten hatte das auch verstanden, denn noch während der Drache das Maul önete, sprang er auf und gri an. Ein Kugelblitz sammelte sich im Maul des Drachens 130 wie eine neugeborene Sonne und ergoss sich in einem gleiÿenden Blitzstrahl. Geblendet hob Zerbas den Arm vor die Augen. Dort, wo das Ungeheuer gekniet hatte, klate jetzt ein schwarzes Loch in der Mauer. Der Schatten war dem Angri knapp entgangen, hatte sie erreicht und stieÿ die veruchte Klinge in ihren Wolkenleib. Hallia! Zerbas sprang über die noch rauchende Lücke und setzte ihm nach. Tiefer und tiefer trieb der Schatten sein Schwert in den Drachen. Es war, als hätte man eine Nadel in einen Ballon gesteckt. Als Zerbas ihn erreichte, war es zu spät. Hallia war in sich zusammengesunken und schwebte nun als formloses, wehrloses Etwas vor ihrem Gegner. Der Tod war nur noch einen Hieb entfernt. Der Schatten hob seine Wae. Mit einem Sprung war Zerbas über ihm, rammte ihm den Stiefel in die Kniekehle und hieb nach seinem emporgereckten Schwertarm. Es gab ein hässliches Knacken, als der Knochen brach. Das veruchte Schwert glitt aus der Hand und blieb in der Mauer stecken. Das blaue Feuer ackerte gierig. Mit dem Knauf seines Schwerts verpasste der Hauptmann seinem Widersacher einen Hieb in die Schläfe und stieg über ihn hinweg zu seiner verwundeten Gefährtin. Hallia war nur noch ein diuser Nebelschweif, halb himmelblau, halb grau wie die Sturmwolken. Zähüssig sackte sie von der Mauer hinab. Zerbas streckte seine Hand aus. Hallia! Der Nebelschleier streifte sacht seine Fingerspitzen und sie waren verbunden. Sie dachte: Er hat mich erwischt. und Du Holzkopf. und Ich werde fallen. Er dachte: Es tut mir leid. und Ich Holzkopf. und Ich werde dich festhalten. Vor seinem inneren Auge schüttelte sie den Kopf. Du musst es zu Ende bringen. Ohne es Worte zu fassen, sandte er ihr seine widersprüchlichen Gedanken, seine Wünsche, seinen Gehorsam und sein Wissen um das Kommen des Kriegs. Mit einer zärtlichen Geste brachte sie ihn zum Verstummen. Hattest du es mal mit einem Säufer zu tun? Er war Hauptmann. Wenn er einen Goldtaler für jeden Soldaten hatte, den er bei der Nachtwache betrunken aufgefunden hatte. Hallia nickte vor seinem inneren Auge. Wer an der Flasche hängt, der lügt, der schmeichelt, der wütet, verhandelt, verspricht, sich zu bessern, lügt das Blaue vom Himmel, nur, damit er eins tun kann: Weiter trinken. Zerbas wusste, dass sie Recht hatte. Du meinst... Er wird alles sagen, was er sagen muss, aber er wird das Morden nicht lassen. Weil er morden will. Weil er muss. Und dieses Verlangen ist stärker als jedes Versprechen. Das waren alle Worte, die notwendig waren. Hallia lachte, ein schwaches, melancholisches Lachen. Was ist so komisch? , dachte er. Nach all den Jahrhunderten. Nach allen Seelen, denen ich mich anvertraut habe, dass gerade du es bist, für den ich... Ihr Gedanke riss ab und er war allein. All das hatte nur einen Augenblick gedauert. Sie el, sank an der Wand des Stadions hinab. Zerbas blieb allein. Nicht ganz allein, denn wie eine Marionette hatte sich der Schatten an seinen unsichtbaren Fäden hinaufgezogen. Der gebrochene Schwertarm hing verdreht hinab, aber 131 er schien es gar nicht zu bemerken. Was zählte, war das veruchte Schwert in seiner anderen Hand. Hauptmann. Die Stimme aus dieser lebenden Leiche hatte ihn lange genug genarrt. Zerbas sah ihn nun in einer Klarheit jenseits der Worte, einen Schrecken, wie man ihn nur aus Ammenmärchen kannte, einen Kinderalptraum, eine Monstrosität, die nicht existieren durfte, gleich wem sie diente. Er schüttelte den Kopf und hob seine Wae. Es war genug. Pfeile zischten durch die Luft und spickten den Schatten, der nicht einmal zuckte. Er wollte zurückweichen, wohlwissend, wie geschwächt er war, aber Zerbas lieÿ es nicht zu. Mit einem Ausfallschritt stach er ihm in den Bauch und zog sich zurück, als die veruchte Klinge auf ihn niederging. Genauso gut hätte er eine Vogelscheuche durchbohren können. Der Schatten setzte ihm mit einem wilden Stich nach, begierig, das Leben des Hauptmanns zu stehlen und seines zu retten. Zerbas schlug den Zweihänder mit dem eigenen Schwert beiseite und lieÿ den Schatten in seine gestreckte Faust rennen. Sein Nasenbein brach, aber das bremste ihn nicht im Geringsten. Brüllend wirbelte er die Klinge herum, um Zerbas von der Mauer zu stoÿen. Zerbas duckte sich unter dem Hieb weg und rammte dem Schatten das Schwert in den Oberschenkel. Sein Gegner taumelte. Gnadenlos zog der Hauptmann das Schwert aus der Wunde und schlug abermals zu. Das Bein brach. Der Schatten sackte auf die Knie und stocherte blindlinks mit seinem Schwert nach seinem Widersacher neben ihm. Zerbas wehrte den stümperhaften Schlag ab, richtete sich auf und brach ihm mit einem aufsteigenden Schwerthieb auch noch den anderen Arm. Das Schwert glitt ihm aus der Hand, prallte auf die Mauer und rutschte scheppernd bis zum Rand. Mit letzter Kraft warf der Schatten sich in einem Hechtsprung hinterher und begrub es unter sich. Zerbas setzte ihm mit zwei Schritten nach und zielte auf seinen Nacken. Noch ein Schlag, dann war es zu Ende. Er holte aus. Der Schatten bäumte sich auf und warf sich gegen die Beine des Hauptmanns. Zerbas geriet ins Taumeln, kippte schier über die Kante und musste seine Wae loslassen, um das Gleichgewicht zurückzugewinnen. Sie el hinunter ins Stadion und polterte klirrend die Zuschauerränge hinunter. Verbissen kämpfte der Schatten sich auf die Knie. Zu seinen Füÿen lag Azaroyd. Aus seinem heilen Auge blickte er Zerbas an, dann gri er mit bebenden Fingern nach dem Heft des Schwerts. Zerbas setzte einen Fuÿ auf die Klinge. Auch so hätte der Schatten wohl kaum noch die Kraft besessen, die Wae mit gebrochenen Armen zu führen. Trotzdem lieÿ er sie nicht los. Der Hauptmann ballte eine Hand zur Faust. Wir hätten... Ein Hieb in die Schläfe unterbrach den Schatten, aber brachte ihn nicht zum Schweigen. ...die Welt reinigen können. Zerbas schlug ein weiteres Mal zu. Das Schwert zu seinen Füÿen leuchtete bläulich auf. Was, wenn er es nahm und dem gefallenen Soldaten hier und jetzt ein Ende setzte? Zerbas setzte zu einem weiteren Hieb an, aber zögerte dann. Nimm mich. 132 Nimm es. , üsterte der Schatten, Töte mich. Es war, als seien die Worte nicht seine eigenen. Töte ihn. Der Schatten zerrte an der Wae. Ein letztes Aufbäumen. Nimm es und reinige die Welt. Blut lief aus seinem Mund. Tu, was getan werden muss. Sei realistisch! Zerbas blickte zwischen dem Schatten und dem Schwert hin und her. Er dachte an Hallia. Nein. , antwortete er, Ich bleibe Idealist! Er hob den Fuÿ von der Klinge und schickte seinen Widersacher über die Kante. Voller Sorge und Furcht hatte Veridian den Kampf auf dem Stadion beobachtet, umringt von Räubern und machtlos, auch nur einen Finger zu rühren. Als Hallia sich mit den Sturmwolken verband, da ahnte er, dass der Drache nicht viel mehr als ein Trugbild war. Wenn er schlief, dann konnte er manchmal ihre Träume sehen, von dem Drachen, der sie einst geboren hatte, als die ersten Menschen Fuÿ auf Relegatia gesetzt hatten. Die Drachentochter gedachte ihrer Mutter. Dann durchbohrte der Schatten sie und er sah sie schrumpfen und durch Zerbas Finger gleiten. Deine Beschützerin ist fort. , sprach Dragor drohend. Veridian würdigte ihn keines Blickes. Hallia el wie ein Seidentuch, das man dem Wind übergeben hatte. Veridian wusste, was zu tun war. Energisch schob er zwei der Räuber beiseite und rannte am Fuÿ des Stadions entlang. Hallia zog einen farblosen Kometenschweif hinter sich her. Sie war schwer verwundet. Veridian n sie auf und schloss sie in seine Arme. Du hast mich gefangen. , dachte Hallia matt, als sie in seinem Körper verschwand. Ihr Gefährte rang sich ein Lächeln ab. Ich habe nur den Gefallen erwidert, mein Schicksal. Ihre Gedanken waren langsam und zäh. Lass mich etwas schlafen... , dachte sie, Nur einen Augenblick. Dann noch: Mein Schicksal. mit einem Hauch von liebevollem Spott. Danach wurden ihre Gedanken ruhig und sanken tiefer, als Worte es vermochten. Als der Schatten stürzte, war niemand da, der ihn aung. Mit einem hässlichen Geräusch kam er zu Boden, dicht gefolgt von dem veruchten Schwert, das zwischen den Pastersteinen stecken blieb. Es war nicht mehr viel von dem gefallenen Soldaten übrig, aber zu Veridians Schrecken regte er sich noch. Obwohl jeder Knochen in seinem Körper gebrochen sein musste, begann er zu zittern. Die Finger seiner Hände gruben sich zwischen die Pastersteine. Unfähig, den Kopf zu 133 heben, zog er sich voran, Fingerbreit um Fingerbreit dem veruchten Schwert entgegen. Seine Nägel brachen, aber er grub die Finger nur noch tiefer in den Boden. Wie ein Flimmern auf der Netzhaut konnte Veridian zwischen ihm und dem Schwert Azaroyd eine Verbindung aus blauem Feuer sehen, eine brennende Nabelschnur, die verschwand, wenn man genauer hinsehen wollte. Er kam nicht weit. Auf Befehl der beiden Anführer zogen die Räuber ihre Waen und gingen auf ihn los wie eine Horde Hyänen. Dutzende Klingen waren nötig, bis das letzte gestohlene Leben aus ihm wich. Was übrig blieb, als die Räuber von ihm ablieÿen, war ein grässlicher Anblick. Veridian schloss die Augen und horchte auf Hallias ruhiges Atmen tief in seinem Inneren. Das Geräusch von Stiefeln auf dem Paster lieÿ ihn aufschrecken. Der Kreis der Räuber teilte sich und Zerbas trat hinein. Atemlos betrachtete er das, was von seinem Widersacher übrig war, dann nickte er und steckte sein Schwert weg. Nicht so schnell, Meister! Dragor winkte seinen Männern und der Kreis zog sich enger um die beiden Kameraden. Du imperialer Scheiÿer hast uns als Köder benutzt. Zerbas stellte sich ihm entgegen. Dragor. , sprach er ruhig, Was tut ein unbescholtener Bürger wie ihr an einem Ort wie diesem? Der Räuberhauptmann war kurz davor, zuzuschlagen, aber Silias ging dazwischen. Der Hauptmann hat nur seinen Teil des Handels erfüllt. Dragor knurrte seinen Rivalen an. Handel? Ein Geschäftsmann wahrt seine Geheimnisse. , sagte er mit einem Grinsen zum Reinschlagen. Es reicht. , mischte sich nun Veridian ein und trat vor die beiden Räuber. Mit dir ist auch noch eine Rechnung oen, Wiesel! , brummte Dragor. Mag sein. Veridian lieÿ sich nicht einschüchtern. Was zählt, ist, dass wir den Mörder gefunden haben und eure Leute sicher sind. Beide Räuber nickten widerwillig. Veridian sprach weiter, mit ein wenig Formulierungshilfe von Hallia: Diese Monstrum hat einen Keil zwischen euch getrieben, damit ihr euch an die Kehle geht. Und wir haben es zur Strecke gebracht. Dass wir euch beschissen haben, war nicht zu vermeiden. Silias blickte skeptisch zu Dragor hinauf. Der hob eine Hand, als wolle er sagen, dich hat er genauso beschissen wie mich. Ihr solltet uns danken. , warf Zerbas ein und stellte sich neben seinen Kameraden. Wir sollten sie zu den Fischen schicken. , murmelte Dragor. Silias nickte. Die zwei wissen zu viel. Auf einen Wink zog der Kreis der Räuber sich enger. Hallia regte sich, aber Veridian mahnte sie, sich zu schonen. Zerbas wich kalkuliert zurück. Ihr vergesst, dass ich noch immer Bogenschützen auf den Dächern habe. Silias schüttelte den Kopf. Nicht genug Schützen. , sprach er, Sobald ihr den Befehl gebt, seid ihr tote Männer. Zerbas machte noch einen Schritt zurück und fand sich neben dem veruchten Schwert, das noch immer im Boden steckte. Es leuchtete gierig auf. 134 Zwingt mich nicht. , drohte er, eine Finte, denn lieber wäre er gestorben, als das Schicksal des Schattens zu teilen. Silias hob beschwichtigend die Hände. Das ist doch die eigentliche Frage, Hauptmann, wer bekommt die Kriegsbeute? Wer bekommt das Schwert? Dragor sah zu ihm hinunter. Du sicher nicht, Silias! Er zog die beiden Schwerter. Silias hielt seine Leibwächter mit einem Fingerzeig zurück. Du sicherlich auch nicht, Dragor. , erwiderte er und hielt dem Blick des Kolosses stand. Tja. , sprach Veridian Hallias Gedanken, Was eine Zwickmühle, Jungs. Er zuckte zusammen. Das letzte Wort hatte seine Gefährtin ihm regelrecht untergeschoben. Er räusperte sich. Wenn einer von euch es haben will, dann muss er diesen kleinen Krieg wirklich zu Ende führen. Er lächelte. Und gewinnen natürlich. Dragor bleckte die silbernen Zähne. Schlau. , urteilte er. Silias nickte. Ich verstehe allmählich, wie er uns reingelegt hat. Hätte mich auch sehr gewundert, wenn so ein tumber Imperialer der Verstand hinter diesem Plan gewesen wäre. Veridian tat sein Möglichstes, Hallias Schadenfreude über diesen Kommentar und - was noch köstlicher war - Zerbas Reaktion zu verbergen. Lasst dem Imperium das Schwert. , sprach sie durch ihn, Dann wird es zerstört und wir können alle unserer Wege gehen. Zerbas nickte. Und ich halte euren Räuberfrieden. , bot er an, Zumindest, was diese Geschichte angeht. Silias kratzte sich am Kinn. Ein groÿzügiges Angebot, zweifelsohne. Seine Arroganz vermochte es nicht, seinen Ärger zu verdecken. Dragor indes sage nichts, er starrte nur auf das Schwert. Ganz so, als ob er sich überlegte, ob er sie mit der Macht des Fluchs alle erledigen konnte. Denk nicht mal dran. Hallia löste sich für einen Augenblick aus ihrem Kameraden und umschwärmte den Räuberhauptmann. Du bist nicht schneller als der Wind. Ihr Auftritt lieÿ die Räuber ringsum zurückweichen. Als sie zurückkehrte, spürte Veridian allerdings, wie viel Kraft sie dieser kleine Ausug gekostet hatte. Drachen, Arsch und Zwirn! , uchte Dragor, Diese Partie geht an euch. Er wandte sich an Silias. Abmarsch? Sein Gegenspieler nickte. Abmarsch. Beide Armeen zogen ab, nur Silias wartete noch einen Moment. Hauptmann. , sprach er, Wie ihr uns über den Tisch gezogen habt... Ich hätte es nicht geglaubt, aber für euch besteht Honung. Er lächelte ein dünnes Lächeln und wandte sich an Veridian: Falls du jemals eine Arbeit suchst... Beide Kameraden würdigten diese Abschiedsworte keiner Antwort, sondern warteten stumm, bis die Räuber in der Nacht verschwunden waren. Schlieÿlich stieÿ Zerbas einen Seufzer aus, der sich gewaschen hatte. Ich dachte, ihr beide wäret tot. Hallia erschien, nur ein winziges Abbild in Veridians Handäche. Da muss schon ein rauerer Wind wehen. Der Hauptmann verdrehte die Augen. Genug mit diesen Wind... Wortspielen. Veridian grinste. Nimm ihr doch nicht den Wind aus den Segeln. Sie hat uns beiden das Leben gerettet. 135 Das hat sie. , sprach Zerbas und beugte sich zu Hallias Miniatur hinunter, Ich stehe in deiner Schuld. Er zögerte eine Sekunde. Und ich war ein Holzkopf. Der Windgeist lächelte matt. Nur für einen Moment. Das macht dich nur menschlich. Veridian wollte ihm auf die Schulter klopfen, lieÿ seine Hand aber einen Moment schweben, bevor er es wagte. Wichtig ist nicht, ob wir wanken, sondern, ob wir fallen. Stumm erwiderte Zerbas die freundschaftliche Geste, dann wandte er sich zu den Überresten des gefallenen Soldaten. Das veruchte Schwert gab noch immer ein blasses Leuchten von sich. Ich glaube nicht einmal, dass er ein schlechter Mann war. , murmelte der Hauptmann. Seine Kameraden traten auch vor das Schwert. Du hast es versprochen. , sagte Hallia. Zerbas nickte. Wir werden es zerstören. Veridian runzelte die Stirn. Aber wie? Sie hielten Abstand, als fürchteten sie, das blaue Feuer könnte auf sie übergreifen. Die drei sahen das Schwert an und verstummten. Plötzlich schienen Worte fehl am Platz. 136 Coda 137 Schlieÿlich el Schnee auf die schweigenden Gefährten. Ein Blitz zerriss den wolkenschweren Himmel und lieÿ die drei zusammenzucken. Noch ehe der Donner kam, explodierte die Luft vor dem Stadion in blauem Feuer. Aus dem Nichts schälte sich eine Gestalt, gehüllt in blaue Flammen. Dasselbe Blau wie das des Schwerts. Azaroyd ammte auf, als könne es den Fremden spüren. Was zum... , murmelte Veridian, bis Hallia es ihm zeigte. Die dunkle Gestalt vor ihnen mit den blutroten Augen war niemand Geringeres als der Gott des Todes selbst. Die beiden Freunde zogen ihr Schwert. Wer bist du und was willst du hier? , fragte Zerbas grimmig. Der bleiche Mann vor ihnen zeigte seine leeren Handächen. Man nennt mich Athariel. , sagte er ruhig, Und ich bin hier, um zurückzuholen, was mir gehört. Er deutete auf das Schwert. Der Gott des Todes. , erklärte Veridian, Einer der Vierzehn. Hallia fuhr aus ihm heraus, gleich wie geschwächt sie war, und gri an. Er hat dieses veruchte Ding geschmiedet! , polterte sie, Er hat Mantis getötet! Er hat all diese Menschen auf dem Gewissen! Mantis, ihr Herr vor einem halben Jahrtausend. Der Mann, den sie nicht hatte fangen können. Ehrfürchtig wich Veridian zurück. Nicht so Athariel, der mit zwei Fingern zu Boden wies und den Schutzgeist so aus der Luft holte. Hallia wehrte sich nach Kräften, aber seine Magie drückte sie so fest in den Grund, dass sich die Pastersteine senkten. Sie wand sich wie unter Schmerzen. Ich werde dich... , donnerte sie, aber weiter kam sie nicht. Das wünscht du dir nicht. , sprach der Gott ruhig. Er blickte auf Zerbas, der sein Schwert gezogen hatte. Der Mann, der dieses Ding geschaen hat, ist tot. Ich muss lediglich sein Erbe tragen. Der Hauptmann schüttelt den Kopf. Dies ist das Imperium. Hier gilt Karns Befehl, nicht deiner. Wir werden euer Schwert vernichten. Der Gott hob eine Augenbraue, als sei er überrascht, dass der Imperiale es wirklich ernst meinte, dann seufzte er. Lass uns noch einmal beginnen. , sprach er versöhnlich und lockerte den Druck auf Hallia. Ihr scheint mir gute Menschen... Hallia räusperte sich. und Schutzgeister. , fügte der Gott mit einem dünnen Lächeln hinzu. Wüsste ich eure Geschichte, so wäre ich euch sicherlich zu Dank verpichtet. Er blickte auf die Leiche des Schattens. Dieses Schwert hätte niemals geschmiedet werden sollen. Ich werde seinen Weg enden. Zerbas lieÿ seine Wae ein Stück sinken. Der Fremde mit dem rabenschwarzen Haar hatte rote Augen, so wie beide Träger des Schwerts es hatten. Er zweifelte nicht, dass er war, wer er behauptete zu sein. Wir haben gesehen, was dieses Ding aus einem Mann machen kann. Wer sagt uns, dass ihr ihm nicht erliegt? Athariel nickte. Ein berechtigter Einwand. Ich trage die Erinnerung in mir, wie es ist. Unsterblichkeit... Er fasste an seine Brust. Das ist es nicht, was ich mir wünsche. Hallia bäumte sich gegen seine Fesseln auf. Was dann? Sie war ihm nah genug, dass ihre Nasenspitzen sich berührten. Wer sagt uns, dass du dieses Ding nicht benutzt und 139 die Weltherrschaft übernimmst? Veridian tauschte einen Blick mit Zerbas, als wolle er fragen, ob ein Gott dazu in der Lage wäre. Der Hauptmann nickte bleich. Ein Gott mit solch einer Wae? , bekräftige er Hallia, Das können wir nicht zulassen! Selbst für den Imperator wäre das zu viel Macht. , schloss Veridian. Athariel blickte zwischen ihnen hin und her. Ihr handelt auf eigene Faust! , schloss er. Das schien ihm zu gefallen. Ich habe den Weg des Schwerts bis zum Turnier verfolgt. , sprach er, Doch dann verlor ich die Spur. Er blickte Zerbas an. Ich hätte das Imperium um Hilfe bitten können, aber ich fürchtete, ein Mann mit Karns Ambitionen könnte von solcher Macht versucht werden. Der Hauptmann hielt seinem Blick stand. Wagt es nicht, so über den Imperator zu sprechen! Der Gott des Todes lachte düster. Und du fürchtest, ich wolle die Welt beherrschen? Wollten deine Vorgänger. , warf Hallia ein. Athariel seufzte. Das wünsche ich nicht. , wiederholte er. Wir können euch das nicht glauben. , sagte Zerbas. Hallia grinste. Es sei denn...? Ihre beiden Freunde begrien sofort. Du meinst... , murmelte Veridian. Sie nickte und zwinkerte ihm zu. Sei nicht eifersüchtig. Nun hatte auch der Gott verstanden. Du willst dich an mich binden? Der Gedanke schien ihm gar nicht zu behagen. Hallia setzte ein breites Grinsen auf. Nur, um einen Blick zu riskieren. Sie musterten einander, Schutzgeist und Gott des Todes. Schlieÿlich löste er seinen Gri und beide verschmolzen miteinander. Alles ist so unermesslich groÿ. Andere Seelen sind ein unbekanntes Land, eine Stadt, ein Welt vielleicht. Diese hier ist ein Universum. Ein Vielklang an Stimmen umfängt sie, von den Göttern, die vor Athariel kamen. Zwar sind sie tot, aber ihre Erinnerung lebt in ihm weiter. Auch sie ist ungefähr so alt wie diese Erinnerungen, aber sie ist nur eine einzige Seele. Es ist schwer, in diesem Meer von Stimmen die eigene noch zu hören. Von allen Seiten stürmen Eindrücke auf sie ein. Sie sieht einen Drachen fallen (ihren Drachen), den Zauber der Vierzehn und die, die das Erbe trugen. Sie sieht den Tod. Das vielleicht mehr als alles andere. Hallia sieht, wie Azaroyd entsteht. Wie der Gott Asdanam einen Teil seiner Seele an die Wae bindet. Sie sieht das Tor jenseits der Welten. Das Tor, durch das die Seelen nach dem Tod gehen. Und sie sieht, wie Asdanam diese Seelen der seinen opfert. Wie er dank der geraubten Seelen wieder jung wird. Dann sieht sie, wie er seine Gefährten verrät. Wie er am Ende schlieÿlich stirbt. Allein. Dann Schwärze. 140 Vor ihr erscheint ein Gang voller Türen. Barrieren gegen die vergangenen Leben. Neben ihr steht Athariel. Sie sind allein. Willkommen. , spricht er. Hallia weiÿ, dass genau so wie sie seine Seele erforscht, er in die ihre blicken kann. Und, warum sie so wütend ist auf den Gott des Todes. Er sieht, wie Mantis stürzt, wie sie verzweifelt versucht, ihn zu fangen. Und er weiÿ, dass es, wenn schon nicht seine Schuld, sein Erbe ist. Ihr alter Herr ist letzten Endes wegen des Schwertes gestorben. Das Bild löst etwas anderes in ihm aus. Thalana, das Mädchen mit dem blauen Haar. Auch sie ist gefallen. Er hat sie fallen gesehen. Er hat sie nicht heilen können. Er war zu spät. Nun ist sie tot. Athariel verbirgt dieses Bild vor ihr. Azaroyd. , spricht er und zeigt das Schwert. Er beweist Hallia, dass er es halten kann, ohne sich mit ihm zu verbinden. Sie glaubt ihm. Er zeigt ihr seine Suche. Wie er gespürt hat, als das Schwert nach Jahrhunderten erwachte. Wie er es gesucht hat und der Spur der Zerstörung folgte, bis nach Titania. Wie er es auf dem Turnier gefunden hat und dabei half, den Träger zu töten. Wie Lorzhan, der Gott der Dunkelheit ihn daran gehindert hat, es zu ergreifen. So muss es wohl in die falschen Hände geraten sein. Wie er ihnen dicht auf den Fersen war und das Haus fand, unter dem sie den ersten Mörder begraben hatten. Dann sein Umweg, weil er glaubte, Lorzhan hätte das Schwert. Beide Männer dachten, der andere will es führen. Sie haben dieses Missverständnis beigelegt. Da ist noch etwas anders, eine Zwischenstation, die er vor ihr verbirgt. Eine Lüge, aber keine für sie. Er glaubt, dass es nichts zur Sache tut. Hallia bezweifelt das. Athariel berichtet weiter. Wie er begri, dass, wenn Lorzhan das Schwert nicht hat, es immer noch in Titania sein muss. Und schlieÿlich, wie er es bei den drei Freunden gefunden hat. Hallia nickt. Der Gott des Todes hat alle Fragen beantwortet, nur die eine nicht: Warum? Weil es mein Erbe ist. , antwortet er, Weil ich es enden muss. Weil ich den Tod verabscheue, genau wie du. Er reicht ihr eine Hand und sie sieht, dass Athariel an diesem Erbe noch immer schwer trägt. Dass da ein Loch ist für den Teil von Asdanams Seele, der noch immer in dem Schwert steckt. Es tut mir leid um Mantis. , sagt er, Es tut mir leid um all die anderen. Er spricht die Wahrheit. Soviel begreift Hallia. Diesem Mensch ist der Tod zuwider, auch wenn oder vielleicht gerade weil er seinen Namen trägt. Aber es ist nicht die ganze Wahrheit. Sie blicken einander an, Rot in Blau. Ein tiefer Schatten liegt auf seinem Gesicht. Sag mir die ganze Wahrheit. , bittet Hallia sanft. Der Gott des Todes greift an seine Brust und önet das Medaillon, das dort hängt. 141 Was Hallia sieht, ist eine Welt aus Blau. Blau der Mond. Blau das Gras, das sich unter ihr wogt. Blau der Nachthimmel. Was sie fühlt - was er aber noch nicht weiÿ - ist, dass die Nacht ein Ende hat. Blutrot wartet die Morgensonne hinter dem Horizont, um seine Welt in Rot zu tauchen. Er hat Jahre in der Nacht verbracht, sich nach dem Blau gesehnt, das er noch liebt und einst verlor. Er ahnt schon - tief - dass auch das Rot, das sich nach ihm verzehrte, einen Platz in seinem Herzen hat. Aber man kann nicht Mond und Sonne haben. Athariel schweigt bedächtig. Sie begreift, dass er das Blau liebte und verlor und er das Rot verlor und dann erst lieben lernte. Er ist vor dem Sonnenaufgang geohen, weil er den Mond nicht aufgeben konnte. Nun hat ihn die Liebe entzweit - und doch ist es zu spät für beide. Nun ist die Sonne verloschen. Nun ist Athariels Himmel leer. Hallia schlieÿt ihn in die Arme und begreift, dass er nicht ewig leben will. Dass die Jahre der Einsamkeit ihm zur Last geworden sind. Athariel wäre tausend Tode gestorben, nur, um das geliebte Mädchen noch einmal zu erblicken. Also kämpft er gegen das Schicksal, gegen die Endgültigkeit an. Ein frevelhaftes Unterfangen. Dafür braucht er das Schwert, denn es hält das Geheimnis, um den Lauf der Gestirne zu verändern, die Zeit zurückzudrehen und das Blau zu retten. Was aber mit dem Rot? Drauÿen im Schneegestöber war nicht viel Zeit vergangen. Hallia löste sich aus dem Gott und verwandelte sich vor seinen Augen in eine Mädchengestalt. Athariels Augen weiteten sich. Dies musste seine Sehnsucht sein. Veridian hatte bei seiner ersten Verbindung mit Hallia ähnliches erlebt. Voll ungläubigem Staunen machte der Gott einen Schritt auf das Windwesen zu. Hallia leuchtete auf und das Bild wandelte sich. Sie ammte auf und wurde zu einer anderen. Behutsam schloss sie Athariel in die Arme. Nein. Noch ein letzter Gedanke wehte von ihm hinüber. Das wünsche ich mir nicht. Aber das war ein Lüge, die den Platz einer anderen eingenommen hatte. Dann riss die Verbindung ab. Hallia wich von ihm und sank matt in Veridians Arme. Was hast du herausgefunden? , fragte Zerbas, ohne den Gott aus den Augen zu lassen. Wenn die Erscheinung ihn gerührt hatte, so lieÿ er es sich nicht anmerken. Hallia erschien auf Veridians Handäche. 142 Ja, er braucht das veruchte Schwert. , sprach sie, Aber er hat auch fest vor, es zu vernichten. Der Hauptmann nickte, dann wandte er sich an Athariel. Stimmt das? Der Gott nickte. Ihr habt mein Wort. Hallia wandte sich an Zerbas: Sei nicht so ein Granitschädel. Ihr Kamerad nickte und machte den Weg frei. Der Gott des Todes trat vor Azaroyd und das blaue Feuer ackerte auf. Er hob die eigenen Hände, hüllte sie in blaues Feuer und machte Anstalten, das Heft zu umgreifen. Als sie sahen, wie er sich sträubte, zerstreuten sich die Zweifel der drei Kameraden. Viel Glück. , sprach Hallia sanft. Athariel wandte sich noch einmal um. Ihr werdet keinen Ruhm ernten für das, was ihr getan habt. , sprach er, Aber dennoch seid ihr Helden. Er blickte an ihnen vorbei. Gröÿere Helden als in diesem Stadion. Er wandte sich an Zerbas. Wenn euer Imperator ein Mann ist, dem es sich zu folgen lohnt, so wird er das begreifen. Der Hauptmann sah hinüber zu Hallia. Was hast du ihm erzählt? , fragte er scharf. Der Schutzgeist zuckte peinlich ertappt zusammen. So dies und das... Athariel lächelte dünn. Bringt sie nach Karnapolis und erzählt eure Geschichte. Dann werdet ihr wieder ein General sein. Mit diesen Worten wandte er sich um, packte das Schwert und verschwand in einer Explosion aus blauem Feuer. Die drei Freunde blieben allein im Regen stehen, aber keiner beneidete den Gott des Todes um sein Los. Am wenigsten Hallia. Kaum war das Schwert fort, da war ihnen, als sei eine schwere Last von ihnen genommen worden. Ein düsterer Zeitgenosse. , sprach Veridian. Zerbas nickte. Aber er hat recht. Hallia geel sein Blick gar nicht. Wer sagt dir, dass ich nach Karnapolis möchte? Der Hauptmann bleckte seine Zähne. Das war wohl seine Variante eines amüsierten Lächelns. Wer sagt, dass du das nicht zusammen mit dem Gott ausgeheckt hast? Veridian nickte. Was hast du überhaupt in seinem Herzen gesehen? Eine wahre Dame weiÿ über solche Dinge zu schweigen. Sie machte einen Schmollmund. Sonst könnte ich die Geschichte von der Küfnerstocher erzählen. Veridian verstummte. Oder die von einer gewissen grün... Untersteh dich! , el Zerbas ihr ins Wort. Veridian blickte über den menschenleeren Platz. Also nach Karnapolis? , fragte er. Hallia nickte. Aber erstmal raus aus dem Sturm. Nicht, dass er mich stört... Ein Schluck Wein wäre nicht schlecht. , meinte Zerbas. Auf nüchternen Magen möchte ich dieses Chaos nicht dem Statthalter erklären müssen. Hmmm. , machte Hallia, Wer sagt denn, dass du musst? Der Hauptmann lachte, ein kehliges, befreites Lachen, das beide Kameraden überraschte. Lass uns das beim Wein besprechen. , sprach er und legte Veridian den Arm um die Schulter. Sein Freund tat es ihm gleich. Aber nicht in den gespaltenen Schädel. 143