Schiller, Jesus und Jack
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Schiller, Jesus und Jack
KINO 64. Berlinale Außer Konkurrenz und sicher trotzdem im Mittelpunkt wie kein zweiter Film bei dieser Berlinale: „The Monuments Men“ mit Matt Damon (links) und George Clooney. Foto: © 2013 Twentieth Century Fox Schiller, Jesus und Jack Der deutsche Film prägt das Programm der 64. Berlinale Foto: © Senator Film Henriette Confurius (links), Florian Stetter und Hannah Herzsprung spielen die Hauptrollen in Dominik Grafs Historienfilm „Die geliebten Schwestern“. 60 CHILLI Februar 2014 „Ein Kino ist wieder auferstanden“, schwärmt Festival-Direktor Dieter Kosslick und meint den legendären Zoo Palast in der Nähe des Kurfürstendamms. Sicher, nachdem vor einigen Jahren dessen aufwendiger Umbau begann, konzentrierte sich das Festival vor allem auf die Gegend rund um den Potsdamer Platz. Vom Berlinale-Palast für die Premieren über das CinemaxX und CineStar – die Wege waren kurz. Und sie bleiben es in diesem Jahr auch, nachdem die Häuser weiterhin Teil des Festivals sind. Und doch richten sich alle Augen auf den neu gestalteten Zoo Palast, dessen Kinos nunmehr rund 1700 Gästen Platz bieten. Bei der Berlinale werden dort Filme aus den Sektionen Berlinale Special, Generation, Forum, Berlinale Shorts und NATIVe gezeigt. Vor allem aber kehrt die beim Publikum besonders beliebte „Panorama“Reihe am Abend wieder in den Zoo zurück. Foto: © Jens Harant N icht immer ist den deutschen Filmen, die bei der Berlinale im offiziellen Wettbewerb gezeigt werden, danach auch ein Erfolg im Kino beschieden. Im Gegenteil: „Gold“, ein Western mit Nina Hoss in der Hauptrolle, kam 2013 weder im Festival noch später beim Kinopublikum sonderlich gut an. In diesem Jahr jedoch hat das Ausrichterland der Filmfestspiele gleich mehrere Eisen im Feuer. Insgesamt vier deutsche Filme laufen im Wettbewerb, so viele wie seit über 25 Jahren nicht mehr. Auch wenn die Hauptrolle den 409 Produktionen zufällt, die in diesem Jahr vom 6. bis 16. Februar in der Landeshauptstadt gezeigt werden: Wer die Berlinale mag, richtet diesmal seinen Blick zuerst einmal vor allem auf eine außergewöhnliche Spielstätte. „Jack“ mit Ivo Pietzcker und Luise Heyer erzählt von einem zehnjährigen Jungen, der sich gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder auf die Suche nach seiner verschwundenen Mutter macht. KINO 64. Berlinale Foto: © Stephan Rabold 20 Filme konkurrieren im Wettbewerb um die begehrten Goldenen und Silbernen Bären. Vier deutsche Filme sind dabei. Mit Spannung und einer gehörigen Portion Respekt wird Dominik Grafs 170-Minuten-Epos „Die geliebten Schwestern“ erwartet, der am 31. Juli deutschlandweit in die Kinos kommt. Hannah Herzsprung, Henriette Confurius und Florian Stetter spielen die Hauptrollen in dem Historienfilm, der von der Liebe zweier Schwestern zu Friedrich Schiller erzählt. Die Regisseurin Feo Aladag vertritt Deutschland mit dem Drama „Zwischen Welten“. Ein Höhepunkt aus deutscher Sicht im diesjährigen Panorama: „Stereo“ mit Moritz Ronald Zehrfeld, Mohamad Mohsen Bleibtreu (links) und Jürgen Vogel. und Burghart Klaußner gehören zur Besetzung des Films, der die Situation von Bundeswehrangehörigen in AfghanisWettbewerb schickt. Aus Skandinavien Beouf und Christian Slater. Sexszenen tan beschreibt und am 27. März in die kommt „Kraftidioten“ von Hans Petter gibt es in Berlinale-Filmen fast schon Kinos kommt. Moland mit Stellan Skarsgård. traditionell reichlich. Von Triers Film Dritter deutscher Wettbewerbsbeitrag Die meisten Autogrammjäger werden dürfte dennoch von einigen Schlagzeiist Edward Bergers „Jack“ über einen indes bei George Clooney zu sehen sein. len im Boulevard befeuert werden. zehnjährigen Jungen, der sich gemeinEr stellt „The Monuments Men“ vor, der Im „Panorama“ werden diesmal 52 sam mit seinem jüngeren Bruder auf die außer Konkurrenz im Wettbewerb und Langfilme aus 34 Ländern gezeigt. Mit Suche nach seiner verschwundenen Mutbereits ab 20. Februar bundesweit in den Jürgen Vogel, Moritz Bleibtreu und Peter macht. Dietrich Brüggemanns „KreuzKinos läuft. Clooney, der Regie führte tra Schmidt-Schaller namhaft besetzt weg“ (Bundesstart: 20. und mit Bill Murray ist der deutsche Thriller „Stereo“ (ReMärz) schließlich erund Matt Damon die gie: Maximilian Erlenwein). Insgesamt deutsche zählt von einem 14-jähHauptrolle spielt, ersind es 107 deutsche Produktionen und rigen Mädchen, dassind zählt von einer ameriKo-Produktionen, die in Berlin zu sehen sein Leben ganz Jesus kanischen Einheit, die sein werden. widmen möchte. Vier sehr unterschiedligegen Ende des Zweiten Weltkriegs den Der Goldene Ehrenbär geht diesmal an che und dabei auch inhaltlich ungewöhnAuftrag erhält, die von Hitler befohlene den Regisseur Ken Loach (am 13. Februliche Filme sind es, die die internationale Zerstörung wertvoller Kunstwerke zu ar im Berlinale Palast). In der begleitenJury rund um den Jurypräsidenten James verhindern. den Hommage werden insgesamt zehn Schamus zu sehen bekommt. Ebenfalls außer Konkurrenz läuft zweiFilme des 77-jährigen Briten gezeigt. Stammgast bei der Berlinale ist der einhalb Stunden lang „Nymphomaniac Die Berlinale Kamera geht diesmal an Regisseur Richard Linklater, der diesVolume I“, die mit Spannung erwartete den Produzenten und Filmverleiher Karl mal seinen Film „Boyhood“ mit PatriLangfassung des Regisseurs Lars von Baumgartner. cia Arquette und Ethan Hawke in den Trier mit Charlotte Gainsbourg, Shia La Kai-Oliver Derks Vier Filme am Start Foto: © Bjoern Kommerell / Independent Artists Filmproduktion Foto: © Alexander Sass Die Regisseurin Feo Aladag vertritt Deutschland mit dem Drama „Zwischen Welten“. Im Bild: Ronald Zehrfeld (rechts) und Mohamad Mohsen. Im Mittelpunkt von Dietrich Brüggemanns „Kreuzweg“ steht das Thema „Religion und Jugend“. Im Bild: Lea van Acken und Lucie Aron. Februar 2014 CHILLI 61 Kino KINO Filmtipps interview Lovely Louise Winter‘s Tale Mittsommernachtstango Schweiz/Deutschland 2013 USA 2013 Argentinien, Finnland, Deutschland 2013 Regie: Bettina Oberli Regie: Akiva Goldsman Regie: Viviane Blumenschein Mit: Stefan Kurt, Annemarie Düringer, Mit: Colin Farrell, Jessica Brown Findlay, Mit: Aki Kaurismäki, Reijo Taipale, Paulo Stanley Townsend u.a. Jennifer Connelly u.a. Greco, Diego Kvitko u.a. Verleih: Camino Verleih: Warner Verleih: Neue Visionen Start: 13.2.2014 Start: 13.2.2014 Start: 13.3.2014 Symbiotische Beziehungen Fantasy-Frau des Lebens Spinnen die Finnen? Es sind schrullig schöne Bilder, die gerade zu Anfang genutzt werden, um die Situation zu verharmlosen. Konfiszierte Bälle von den Nachbarskindern, die Hausschuhe, alles hat seinen Platz in der kleinen Wohnung des Mittfünfzigers André und seiner achtzigjährigen Mutter Louise. André führt ein unspektakuläres Leben als Taxifahrer und Tüftler. Plötzlich steht der Amerikaner Bill vor der Tür in der Zürcher Vorstadt. Er habe von seinem sterbenden Vater erfahren, dass er doch eine Mutter hat. Sie wollte einst in Hollywood ein Star werden, kehrte dann aber doch zurück in die Heimat, wo ihr vierjähriger Sohn bei ihren Eltern lebte. Bill will nicht mehr, als seine Familie kennenlernen, den Bruder, den er nie hatte, und die Mutter, die er tot wähnte. Der beleibte Amerikaner unterhält in der Folge die Damen der Pokerrunde, und natürlich will sich auch Louise von ihrer besten Seite zeigen ... Oberli lässt in ihrem charmant-dramatischen Film das Ringen um genug Abstand und Anerkennung liebenswert und sympathisch wirken. Claudia Nitsche Ein echter Klopper: 1983 erschien in den USA „Winter‘s Tale“, eine epische Geschichte, die sich über mehr als 100 Jahre und 800 Seiten erstreckte. Es geht um Gut und Böse, um Liebe und Hass und immer wieder auch um das einzigartige New York ... Peter Lake, ist ein Mechaniker, der seine Kenntnisse am liebsten zum Safeknacken einsetzt. Als er in einem vermeintlich verlassenen Haus auf Beverly trifft, hängt er allerdings sämtliche Halunkenpläne an den Nagel: Die exzentrische, aber todgeweihte junge Frau verzaubert ihn von Anfang an. Er will an ihrer Seite bleiben, so lange es eben geht. Doch ihre Liebe steht unter keinem guten Stern: Peters einstiger Bandenboss Pearly hat noch ein Hühnchen mit ihm zu rupfen – und steht mit unheimlichen Mächten im Bunde. „Winter‘s Tale“ ist ein Herzensprojekt von Akiva Goldsman. Der Regisseur tritt auch als Produzent auf und adaptierte den Roman selbst für die Leinwand. Sabine Metzger Der Tango ist keine argentinische Erfindung. Behauptet Aki Kaurismäki: Er sei zuerst im dünn besiedelten Norden Finnlands gesungen worden – um die Wölfe von menschlichen Behausungen fernzuhalten. Seeleute hätten ihn dann über Uruguay nach Buenos Aires gebracht. Auf der Fahrt durch die Straßen dieser engen, lauten Stadt hören drei mit Leib und Seele dem Tango verschriebene Musiker zum ersten Mal von dieser abenteuerlichen These – durch ihren finnischen Taxifahrer. Woraufhin sich die Argentinier ihrerseits zu der These hinreißen lassen, dass die Finnen spinnen. Auf der Suche nach Beweisen reisen sie in das Land der tausend Seen – und sind bald fasziniert von der dort herrschenden Ruhe und Weitläufigkeit. Und von der Musik, in der sie unerwartete Übereinstimmungen mit ihrer eigenen Musik, ihrem eigenen Lebensgefühl finden. Eine heiter-absurde Geschichte über die Annäherung zweier Kulturen, in der die Akteure schließlich ohne Übersetzer auskommen, weil ihre Musik die beste Übersetzerin ist. Erika Weisser DVD Neuerscheinungen Prince Avalanche Drei Stunden Da geht noch was USA 2013 Deutschland 2012 Deutschland 2013 Regie: David Gordon Green Regie: Boris Kunz Regie: Holger Haase Mit: Paul Rudd, Emile Hirsch u.a. Vertrieb: Kool Film Mit: Claudia Eisinger, Nicholas Reinke u.a. Mit: Florian David Fitz, Henry Hübchen u.a. Vertrieb: Filmwelt Vertrieb: Paramount Laufzeit: 94 Minuten Laufzeit: 101 Minuten Laufzeit: 101 Minuten Preis: ca. 16 Euro Preis: ca. 18 Euro Preis: ca. 18 Euro Abenteuer Mittelstreifen Sommer-Screwball Qualverwandtschaften Man muss schon zweimal hingucken, um die beiden Schauspieler wiederzuerkennen: Emile Hirsch sieht als Hallodri Lance aus wie der Zwillingsbruder von Jack Black, und Paul Rudd versteckt sich hinter einem Magnum-Schnurrbart, der den Zuschauer schon schmunzeln lässt, wenn die beiden das erste Mal in der Szenerie auftauchen. Rudd spielt den verantwortungsbewussten Naturliebhaber Alvin und Hirsch ausgerechnet einen Naturhasser. Gemeinsam machen sich die beiden im Sommer 1988 auf, um in einem abgebrannten Waldgebiet in Texas die gelben Markierungsstreifen einer so gut wie unbefahrenen Straße zu erneuern. Eine unglaublich eintönige Arbeit, die die beiden aneinanderkettet. Während der ehrgeizige Alvin versucht, nebenbei mit Hilfe von Sprachtrainingskassetten Deutsch zu lernen, hört Möchtegern-Macho Lance lieber ohrenbetäubende Musik und fiebert dem Wochenende entgegen. Green versteht es wie kaum ein anderer, diese herrlich surrealen Momente des Lebens auf die Leinwand zu bannen. Gabriele Summen Er ist Regisseur und Dichter, sie ist Aktivistin für allerlei Umweltschutz-Organisationen. Beide sind um die 30 und, klar, sie gehören zusammen. Gleich zu Beginn liefern sich die Großstadtsingles Martin und Isabel einen wunderbaren Geschlechterkampf. Sie will ihn zu einer Unterschrift gegen die genetische Verunreinigung von Saatgut zwingen, er verbietet ihr als Gelegenheitskellner, ihren Stand im Straßenbereich seines Lokals aufzustellen. Für kurze Zeit entspinnt sich eine Dialogkomödie vom Feinsten. Ein Wort gibt das andere – da entwickelt sich was ... „Drei Stunden“ ist eine Sommerkomödie, die sich sehen lassen kann. Die Protagonisten (Claudia Eisinger und Nicholas Reinke) spielen sich gute eineinhalb Stunden lang (fast) um Kopf und Kragen. Ihre Skrupel gegenüber der Liebe und der Zusammengehörigkeit fürs Leben machen sie zu einem durchaus spannenden Balanceakt, dem der Zufall immer dann weiterhilft, wenn mal Sand ins Getriebe kommt … Wilfried Geldner Der erfolgreiche Geschäftsmann Conrad hat sein Leben perfekt geregelt: Er hat die ehrgeizige Tamara geheiratet, das Fundament für sein Traumhaus ist schon gegossen, und Sprössling Jonas besucht eine Eliteschule. Was will man mehr? Doch dann setzt Mama Helene den verdutzten Sohn davon in Kenntnis, dass sie ihren Mann Carl verlassen hat und bittet ihn um einen Besuch im Elternhaus. Den will Conrad auf dem Weg zum Urlaubsflieger noch schnell hinter sich bringen. Da muss er aber plötzlich Krankenpfleger spielen, als sein Vater in den leeren Pool stürzt. Conrads Credo: Bloß nicht so werden wie der Vater! Denn der pensionierte Gewerkschaftsboss hatte für seinen Sohn nie mehr als Kritik übrig. Er ist ein selbstverliebter, bequemer Kotzbrocken, der sich selbst beim Heiratsantrag an Helene nicht mal die Mühe gemacht hat, aus dem Sessel aufzustehen ... Die verbalen Scharmützel zwischen den beiden ungleichen Männern in Carls muffigem Bungalow sind das Herz der Geschichte. Sebastian Köhler 3 DVDs zu gewinnen! Teilnahme über www.chilli-freiburg.de – Stichwort: „Prince Avalanche “ 3 DVDs zu gewinnen! Teilnahme über www.chilli-freiburg.de – Stichwort: „Drei Stunden“ 3 DVDs zu gewinnen! Teilnahme über www.chilli-freiburg.de – Stichwort: „Da geht noch was“