Jetzt lesen - Patrick Rohr Kommunikation

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Jetzt lesen - Patrick Rohr Kommunikation
natur / reise
unterwegs mit
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Regie führt
der Zufall
Steppen, Städte, Sonnenuntergänge: Patrick
Rohrs Roadmovie quer
durch die USA. Wie
im Film – nur schöner.
Text: Patrick Rohr | Fotos: P. Rohr, S. Ming
18 N
ein, fand ich, die USA müssten es nun wirklich nicht
sein. Mir schwebte etwas Exotischeres vor: Mongolei, Kambodscha, Peru. Aber
nicht die USA, die ich aus
Film und Fernsehen schon zu
kennen glaubte. Und in denen ich höchstens meine
Vorurteile würde bestätigen können.
Aber dann wurden es
doch die USA, mein Mann
7
hatte sich durchgesetzt. Die
USA, sagte er, prägen unsere Kultur so stark, dass er dieses Land
gerne kennenlernen würde,
gründlich, in der ganzen Breite
von Ost nach West, von New York
bis San Francisco. Und zum
Glück hat er sich durchgesetzt.
Wir flogen nach New York, im Ge-
päck unser kleines Zelt. Deckten uns
am Broadway mit Campingmaterial
ein und holten unser Mietauto ab,
ein silbergraues Ford-Mustang-Cabriolet.
Es war heiss, sehr heiss. 35 Grad sind
die Regel, 40 Grad keine Ausnahme.
Während sich die Einheimischen in
ihre gekühlten Häuser zurückzogen,
wälzte ich mich nachts in unserem Zelt
im Schweiss und träumte von meilenlangen Einfallstrassen mit hässlichen Shoppingmalls, Godfather’s-Pizza-Restaurants,
McDonald’s-Buden, Starbucks-Cafés, Sub­
way-Sandwicherias, Cindy-Burgers, Burger Kings. Meine schlimmsten Vorurteiè
le schienen sich zu bestätigen. 1 New York by night – von
der Rooftop-Bar «Le Bain».
2 Kornkammer der USA:
Felder im Hinterland NYs.
3 Pulsierendes Leben
in Chicago
4 Treuer Begleiter auf fast
7000 km: unser Cabriolet.
5 Wilderness Camping
in den Rocky Mountains.
6 Das Monument Valley –
Indianerreservat und
heilige Stätte der Navajo.
7 Überwältigender Blick
auf Downtown Manhattan.
8 Die «Cloud» im Millen­
nium Park von Chicago.
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natur / reise
Wir fuhren weiter Richtung Nordwest,
vorbei an morschen Strommasten, an
denen wilde Leitungsgeflechte hingen.
Vorbei an verlassenen Fabriken, die von
einer längst vergangenen blühenden Zeit
berichteten. Und dann, plötzlich, nahm
es mir den Ärmel rein. Ich weiss nicht
mehr, ob es der erste malerische Sonnenuntergang in Pennsylvania war. Das Warhol Museum in Pittsburgh, der Geburtsstadt meines liebsten Künstlers? Oder
die furchteinflössende Gewitternacht am
Eriesee? Vielleicht war es auch die Architekturrundfahrt durch die Kanäle Chicagos, die mich diese angenehme Erregung
spüren liess, von der ich die nächsten
drei Wochen nicht mehr loskommen
sollte. Ich war überwältigt von der Grös­
se, der Vielfältigkeit, der Verschiedenheit, von den Menschen und den Kulturen, die dieses Land prägten.
«Eine Reise wie
ein Roadmovie
– mit meinem
Mann und mir in
den Hauptrollen.»
1
1 Blick auf Manhattans Strassen vom Hotel
Rivington on Street in New York.
2 Essen am Abgrund:
Frühstück am Rand des Grand Canyon.
3 Zelten inmitten des Monument Valley:
Frühstück kurz nach Sonnenaufgang.
4 Ziel erreicht nach knapp vier Wochen und
7000 km: San Francisco.
der New York mit San Francisco verbindet, auf der Route der Siedler, die ihr
Glück im Osten nicht fanden und weiter
nach Westen zogen, in der Hoffnung auf
3
nem Mann und mir in den Hauptrollen.
Und dem Zufall als Regisseur.
ein Stück Land oder wenigstens etwas
Gold. Wir fuhren durch Iowas Maisfelder,
die keinen Anfang und kein Ende zu
haben schienen. Der Tempomat auf 57
Meilen eingestellt, im Radio die Musik
Amerikas, Lieder, die von staubiger Erde
und weiten Flüssen, von verlorener Liebe und unerfüllter Sehnsucht erzählten.
Eine Reise wie ein Roadmovie, mit mei-
Wir fuhren auf dem Lincoln Highway,
4
2
Auf den weiten Steppen Wyomings und
Nebraskas grasten Pferde wie in einem
alten Wildwestfilm. In der Ferne sahen
wir die Rocky Mountains. Dort schlugen
wir unser Zelt auf, auf 2700 Metern, und
stiegen hoch auf 4000 Meter, um hinauf-
Tipps von Patrick rohr
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nach San Francisco, dem Ziel unserer
Reise. Eine Reise, die meine Vorurteile
wegzauberte. Und für diesen Zauber liebe ich dieses unfassbare Land. Ich möchte gerne zurück. Bald. Für lange. n
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Natur: Rocky Mountain National Park,
Colorado. Hier entspringt der Colorado
River, der weiter südlich den Grand
Aber so fuhren wir trotzdem weiter
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Tradition: Frontier Days in Cheyenne,
Wyoming. Immer in der letzten Juli­
woche. Rechtzeitig ein Hotel reservieren,
kurzfristig lässt sich im Umkreis von
100 km nichts finden. www.cfdrodeo.com
irgendwo hier am Pazifik aufgeschlagen
und wären nie mehr weggegangen.
James Bay
Banff
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Heimat: New Glarus, Wisconsin. Schweizer Auswandererdorf mit Glarner Stras­
sennamen. Hübsch gestaltetes Museum
mit vielen zeitgeschichtlichen Dokumenten. Besitzer Streiff ist der Urururenkel
eines Auswanderers und spricht noch
immer Glarnertüütsch. In Esther’s Swiss
Store im Zentrum gibt’s sogar HeroRösti, Schweizer Schoggi und Souvenirs.
www.swisstown.com
115ϒ
Vancouver Island
Salinas
Kultur I: Warhol Museum in Pittsburgh,
Pennsylvania. Andy Warhols wichtigste
Lebensstationen und Werke versammelt
in einem wunderschönen Bau in Warhols
Geburtsstadt. 117 Sandusky Street.
www.warhol.org
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Erstes Abendessen: Restaurant
Buddakan in New York. Berauschendes
Esserlebnis im schwarz bemalten Untergeschoss einer alten Fabrik, überall
goldene Buddha-Statuen. 75 9th Avenue.
www.buddakannyc.com
deren Grösse, deren Wucht, deren Farbenpracht mir den Atem nahmen.
Irgendwann verliessen wir den Lincoln Highway, bogen ein auf die Route
66, gepackt von der Lust, über den Highway No 1 hinauf nach San Francisco zu
fahren. Und hätte uns nicht plötzlich
eine kalte Nebelwalze wie in Watte
gepackt – wir hätten unser Zelt wohl
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130ϒ
R
Übernachtung: Im Hotel on Rivington,
107 Rivington Street, New York.
21 Stockwerke, Glasfront, phantastische
Aussicht auf Manhattan.
www.hotelonrivington.com
zuschauen zu den Fünftausendern, die
uns umgaben. In der Nacht fiel das Thermometer auf drei Grad, und ich weiss
nicht, ob es die Kälte war, die mich zittern
liess, oder die Vorstellung, dass hier
Bären und Elche leben.
Dann kam die Wüste, kamen die In­
dianerreservate, das Monument Valley
und der Grand Canyon. Naturdenkmäler,
Metanzas
TURKS & CAICOS
ISLANDS
Great Inagua
Island
Santa Clara
Cienfuegos
80ϒ
C U B A
75ϒ
70ϒ
Canyon formt. Es gibt Bären und Elche
(die hier «Mooses» genannt werden).
Kurvenreiche Bergstrasse bis auf 3700 m,
atemberaubendes Panorama mit
Blick auf viele Vier- und Fünftausender.
www.nps.gov/romo
Kultur II: San Francisco Museum of
Modern Art, ein Bau des Tessiner Architekten Mario Botta. Zahlreiche zeitgenössische Werke, zum Teil überraschende
Zugänge und Kombinationen, wechselnde Sonderausstellungen. 151 Third
Street. www.sfmoma.org
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