interview mit james gandolfini

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interview mit james gandolfini
Die ersten Paten - Historischer und soziologischer Ursprung der „Cosa Nostra“, S.6
★ info.premiere.de/sopranos ★
Der Streifschuss
Wenige wissen, dass die Mafia
ihren berühmten Namen einem
international erfolgreichen Theaterstück verdankt. 1862 wurde das
sizilianische Dialekt-Theaterstück
„I mafiusi di la Vicaria“ in
Palermo uraufgeführt. Einige Jahre später feierte die Komödie um
ein paar inhaftierte Kriminelle
auch in London und New York
Erfolge. Die Bezeichnung „Mafioso“, davor Synonym für einen
herrischen Mann oder eine bildhübsche Frau (S. 7), wurde hier
erstmals mit dem Kriminellen in
Verbindung gebracht. Seit dem
wird in unzähligen Büchern,
Bühnenstücken, Filmen und
Serien auf Geheiß der Mafia gemordet, geschmuggelt, erpresst
und abkassiert. Der Mafia-Film
hat sich zu einem der populärsten
Fiction-Genres entwickelt. 1999
brachte die amerikanische KultSerie „Die Sopranos“ mit der
Darstellung eines psychisch labilen und damit verletzlichen MafiaBosses eine neue Dimension ins
Genre. Mit vier Golden Globes,
17 Emmys und vielen anderen
Auszeichnungen überhäuft, zählt
das Drama um Tony Soprano und
seine ehrenwerte Familie mittlerweile bei Kritikern und Publikum
zu den beliebtesten Fernsehserien
aller Zeiten. Die gelungene Mischung aus Action, Drama und
Comedy machte „Die Sopranos“
zum TV-Dauerbrenner in den
USA. Der Abo-Sender HBO hat
für das Jahr 2006 bereits die
sechste Staffel eingeplant.
Politik/Der Staat im Staat
S.2
Wirtschaft/Chamäleon Mafia S.3
Medien/Wer ist wer?
S.4
Medien/Episodenguide
S.5
Wissenschaft/Die ersten Paten S.6
Initiationsriten der Mafia S.7
Interview/James Gandolfini S.8
INTERVIEW MIT
JAMES GANDOLFINI
”Tony macht alles schlimmer” S.8
Christopher Moltisanti: Ist er der brutale Copkiller?
New York. Mit zwei Kugeln
exekutierte gestern am späten
Abend ein skrupelloser Killer den
New Yorker Lieutenant Detective
Barry Haydu. Eine erste Rekonstruktion des Tathergangs ergab,
dass der Mörder seinem Opfer in
dessen Haus auflauerte. Er fesselte es mit Handschellen an ein
Treppengeländer, bevor er die tödlichen Schüsse abgab. Besonders
tragisch: Der Polizeibeamte Haydu hatte gestern seinen Ruhestand
angetreten. Nach den bisherigen
Ermittlungen der Polizei fällt der
Verdacht auf Christopher Moltisanti, der zur Tatzeit in der Nähe
von Haydus Haus gesehen wurde.
Moltisanti, Mitglied des berüchtigten Soprano-Clans aus New
Jersey, ist Neffe und Ziehsohn von
Mafia-Boss Tony Soprano. Die
Polizei vermutet, dass Moltisanti
mit der Tat den Tod seines Vaters
Dickie Moltisanti rächen wollte.
Barry Haydu hinterlässt Frau und
Tochter. (Seite 4)
„Die Sopranos“ Staffel 4
ab 15. Juni jeden Mittwoch
um 22.00 Uhr auf PREMIERE 4
in deutscher Erstausstrahlung
POLITIK
WISSENSCHAFT
„Was ist die Mafia?“, lautete die naive Eröffnungsfrage eines Staatsanwalts bei der Vernehmung
eines Mafia-Bosses in den 50ern. Bevor der Boss das
Gespräch entnervt beendete, antwortete er: „Um das
Amt des Staatsanwalts bewerben sich drei Leute. Der
Erste ist äußerst intelligent, der Zweite hat die
Unterstützung der politischen Parteien, der Dritte ist
ein Trottel. Der Trottel bekommt die Stelle. Das ist
die Mafia.“ Wie Staatsvertreter zu Marionetten der
Mafia werden konnten.
Seite 2
Es gibt zahlreiche Theorien über den Ursprung
des Wortes „Mafia“. Die frappierendste von allen
vertritt auch der ehemalige Bürgermeister von
Palermo und berüchtigte Mafiajäger Leoluca
Orlando. Demnach hat der Terminus seine Wurzeln
im Mittelalter, als Sizilien von den Arabern regiert
wurde. „Mafia“ bedeutet demnach so viel wie „es
existiert nicht“. Eine Interpretation, die zugleich
Programm ist: Denn auch wenn die Mafia scheinbar
überall ist, so bleibt sie doch stets unsichtbar. Seite 7
Seite 2
POLITIK
Die Verbindungen zwischen
Politik und Mafia reichen zurück
bis ins Sizilien des 19. Jahrhunderts. Als der Freiheitskämpfer
Giuseppe Garibaldi die Insel 1860
von den spanischen Bourbonen befreite, nutzten die mächtigen
„Gabelloti“ (mehr dazu auf Seite
6) die Zeit des Übergangs, um ihren Machtbereich im Verborgenen auszubauen. Die Bevölkerung
nahm die neue „Regierung“ dankbar an. Denn anders als die Spanier
und die unzähligen Fremdherrschaften zuvor, „kümmerten“ sich
diese „Dons“ tatsächlich um ihre
Probleme. Und die breite Anhängerschaft, die sich um diese Paten
scharte, verstand sich von Anfang
an selbst als „partito“ und gab sich
damit den Anspruch einer politischen Partei. Bis heute nennt
sich kein Mafia-Mitglied selbst
„Mafioso“. Dieses Wort ist ein
Schimpfwort. Selbst bezeichnet
man sich als „uomo d’onore“
AUFBAU DER MAFIA
(„Ehrenmann“). Dabei ist die Verwandtschaft der Bezeichnung „Ehrenmann“ mit dem Begriff „onorevole“ („Abgeordneter“) besonders
bemerkenswert. Das eigene Handeln versteht das Mafia-Mitglied
folglich nicht als kriminelles Verhalten, sondern – wie das des
Politikers – als „comportamento
sociale“, das der Allgemeinheit zu
Gute kommt.
Die Organisationsstruktur der
„ehrenwerten Gesellschaft“ (siehe
Infografik) ist der eines politischen
Systems nachempfunden. Ihrer
Stabilität ist es zu verdanken, dass
die Mafia im Lauf der Jahrzehnte
und bis in die Neuzeit hinein auf
Sizilien zu einem ernstzunehmenden politischen Parallelsystem
avanciert ist. Da verwundert es
kaum, dass Stefano Bontate, Ende
der 70er der Boss der Bosse der
Cosa Nostra, dem damaligen Ministerpräsidenten Giulio Andreotti
(Christdemokraten) bei einem
Empfang selbstbewusst und fordernd entgegentrat: „Hier auf
Sizilien haben wir die Befehlsgewalt. Und wenn Sie Ihre Partei
nicht zerstören möchten, tun Sie
besser, was wir sagen. Andernfalls
nehmen wir Ihnen unsere Stimmen
weg, nicht nur hier, sondern in
ganz Süditalien. Dann bleiben
Ihnen nur noch die Wähler im
Norden. Und die wählen ohnehin
kommunistisch.“
In sämtlichen Organen des
„Mafia-Staats“ finden sich Relikte vergangener Herrschaftsformen
auf Sizilien: Hier die hierarchische
Militärstruktur des römischen
Kaiserreichs, dort das Geburtsrecht für die Söhne von Bossen
und schließlich das demokratische Wahlrecht der Neuzeit.
Zugleich zeichnet sich die Mafia
durch eine mittelalterliche Rechtsauffassung aus.
WIRTSCHAFT
Organisationsstruktur
Die Organisationsstruktur der
Cosa Nostra war lange Zeit geheim
und geriet erst Anfang der 80erJahre durch die spektakulären
Ausführungen von Tommaso
Buscetta, dem ersten Mafia-Boss,
der mit der Justiz zusammenarbeitete, an die Öffentlichkeit. Die
Struktur zeigt die Mafia als straff
durchstrukturierten Staat, der aufgrund einer eisernen Disziplin
seiner „Parteimitglieder“ und seiner Umwelt (diese freilich von
Drohungen motiviert) eine ernome
Stabilität aufweist. In der Struktur
steckt – so Buscetta – „das
Lebensblut der Cosa Nostra“.
Der Aufbau der Mafia ist pyramidenförmig. Die unterste Zelle
bildet die „famiglia“ („Familie“),
sie ist die Basis-Station eines jeden
„uomo d’onore“. Familie ist dabei
nicht eng im verwandtschaftlichen
Sinne gemeint. In den meisten
LA COMMISSIONE, LA CUPOLA
AUS CA. 10 CAPI-MANDAMENTO
MANDAMENTO (BEZIRK)
CAPO MANDAMENTO
FAMIGLIA
FAMIGLIA
FAMIGLIA
FAMIGLIA
FAMIGLIA
FAMIGLIA
CONSIGLIERE
FAMIGLIA
FAMIGLIA
MANDAMENTO (BEZIRK)
CAPO MANDAMENTO
AUFBAU EINER „FAMIGLIA“
CAPO
SOTTO-CAPO
CONSIGLIERE
FAMIGLIA
CAPO-DECINA CAPO-DECINA
CAPO-DECINA
CAPO-DECINA
10 PICCIOTTI
10 PICCIOTTI
10 PICCIOTTI
10 PICCIOTTI
„Hier in Süditalien
haben wir die Befehlsgewalt. Und wenn
Sie Ihre Partei nicht
zerstören möchten, tun
Sie besser, was wir sagen.“
Mafia-Boss Stefano Bontate zu
Ministerpräsident Giulio
Andreotti (Christdemokrat)
CAPO DI TUTTI I CAPI
MANDAMENTO (BEZIRK)
CAPO MANDAMENTO
Fällen entsprechen die diversen
Sippen den Wohnvierteln der
Stadt. Stammt die Sippe aus einer
kleineren Stadt oder aus einem
Dorf, bekommt sie den Namen des
entsprechenden Ortes (z. B. die
„Corleonesi“ aus Corleone). An
der Spitze jeder Sippe steht ein
„capo“, der von den Ehrenmännern bzw. „Abgeordneten“ direkt
gewählt wird. Dieser Boss bestimmt seinen „sotto-capo“ („stellvertretenden Boss“) und einen
oder zwei „consiglieri“ („Berater“), die meist auch für juristische
Beratungen zuständig sind. Die
„picciotti“ (etwa „Burschen“) sind
die gewöhnlichen Fußsoldaten jeder Sippe, die in Gruppen zu je
zehn Mann organisiert sind und
von einem „capo-decina“ (etwa
„Chef über zehn“) kommandiert
und unter Kontrolle gehalten werden. In Analogie zur Politik haben
wir es auf der Familien-Ebene mit
der Gemeinde-Ebene zu tun.
In der straffen Organisationsstruktur der Mafia fließt - so Mafia-Aussteiger Tommaso Buscetta - ihr “Lebensblut”.
Die verschiedenen Mafia-Sippen werden nun wiederum mit
zwei benachbarten Sippen in
Dreier-Gruppen zu „mandamenti“
(„Bezirke“) zusammengeschlossen. So finden sich in der Provinz
Palermo etwa 30 Mafia-Sippen,
die in zehn „mandamenti“ gegliedert sind. Jeder dieser aus drei
Sippen bestehende Bezirk wählt
seinen „capo-mandamento“ (etwa
„Bezirksführer“), der die Interessen des Bezirks im obersten Gremium der Organisation, der so genannten „commissione“ oder „cupola“ („Kuppel“) vertritt. Diese
Kommission hat die Aufgabe, zukunftsweisende Entscheidungen zu
treffen, Streitigkeiten zwischen
den Sippen zu schlichten und bedeutende Tötungsbeschlüsse zu
fassen. Sie ist sozusagen die Re-
gierung der Mafia. Der Vorsitzende der Kommission, der „capo di
tutti i capi“, hat demnach die Stellung eines Ministerpräsidenten.
Mafia und Staat
Der Mantel der politischen Partei
gibt der Mafia eine innere Legitimation, die bisweilen sogar von der
offiziellen Staatsgewalt respektiert
wird. So erklärt sich die enthusiastische Grabrede eines angesehenen Staatsanwalts bei der Trauerfeier für den legendären MafiaBoss Don Calogero Vizzini 1954,
in der er sich eine produktive Koexistenz zwischen Mafia und Staat
wünschte. Interessant ist, dass sich
– bis auf wenige Ausnahmen – Mafia-Mitglieder nie selbst von politischen Parteien als Kandidaten aufstellen lassen. Das Schweigen und
die Unsichtbarkeit als Charakteristika der Organisation sind mit den
öffentlichen Auftritten der Politiker unvereinbar. Die Mafia versteht sich jedoch als eigentliche
Staatsgewalt, welche die Politik
benutzt und Politiker wie Marionetten nach ihrem Willen führt.
Die Cosa Nostra hat auf Sizilien
die Möglichkeit wahrgenommen,
das legislative und exekutive
Machtvakuum mit der systemeigenen Rechtsauffassung aufzufüllen.
Jede Sippe ist in ihrem Revier für
die Schlichtung von Streitigkeiten
(das Konsultieren der Polizei gilt
als unehrenhaft) und für die Zuteilung von Ressourcen zuständig. Da
keine Gerichte oder Polizeikräfte
existieren, greift die Mafia auf andere, visuelle Mittel zurück, um
dem Volk zu verdeutlichen, dass
die Bestrafung in ihrem „Staat“
immediat ist. Mehr noch: Innerhalb der Mafia wird von „Wahlen“
gesprochen, es gibt „Koalitionen“,
von der „Kommission“ verhängte
„Disziplinarmaßnahmen“, „Minister“ und schließlich „Mafia-Parlamente“. So entstand ein „Staat im
Staat“, der sogar außenpolitische
Beziehungen pflegt. Ein Höhepunkt der internationalen Kontakte
war ein Treffen mit Mafia-Größen
wie Lucky Luciano und Joe Bonanno im Jahr 1957 im luxuriösen
Hotel Delle Palme von Palermo.
Auf dieser Gipfelkonferenz zwischen der US-amerikanischen und
der sizilianischen Cosa Nostra
wurde die weitere Linie der Zusammenarbeit zwischen den beiden „Regierungen“ festgelegt.
Seite 3
Vom Anwalt bis zum Zahnarzt Tarnungen der Cosa Nostra
Mafiosi sind keine gewöhnlichen Verbrecher. Sie sind in der
süditalienischen Gesellschaft vollständig integriert und üben neben
ihrer „Mafia-Tätigkeit“ meist einen
regulären Beruf aus. Dieser dient
dabei überwiegend zur Tarnung
oder Unterstützung mafioser Geschäfte. So macht sich ein mafioser
Arzt seine Patienten oder ein mafioser Rechtsanwalt seine juristischen Kenntnisse zunutze, während
in einem mafiosen Restaurant
Geldwäsche im großen Stil betrieben wird. Seit dem Ursprung der
Mafia sind ihre Anführer nie
Aussätzige, sondern Männer der
Mittel- und Oberklasse, Ende des
19. Jahrhunderts Großgrundbesitzer, heute Unternehmer.
Die Gefährlichkeit der Mafia
beruht darin, dass sie überall und
nirgends ist. Als Meister der Anpassung kann sie sich hinter dem
gut besuchten Luxusrestaurant
ebenso verstecken wie hinter der
Versicherungsgesellschaft, die als
moderne Form der Schutzgeldeintreibung ganz „legal“ Versicherungspolicen verkauft oder – wie
bei den „Sopranos“ – hinter einem
Müllbeseitigungsunternehmen.
(„Die Sopranos“, Staffel 4, ab 15.
Juni jeden Mittwoch um 22.00 Uhr
auf PREMIERE 4 in dt. EA)
Ein besonderer Fall der Tarnung
wurde Ende der 70er-Jahre durch
den Fall Michele Sindona publik.
Sindona war Finanzberater des
Vatikans, Chef der amerikanischen
„Franklin National Bank“ und der
bedeutendste Hintermann der italienischen Christdemokraten. Sein
enger Freund Giulio Andreotti, der
langjährige italienische Ministerpräsident, feierte Sindona einmal
als „Retter der Lira“. Der Bankier
zählte auf der einen Seite Minister
und Kardinäle zu seinen Freunden
und ging in den Vorstandsetagen
der großen europäischen Finanzdistrikte ein und aus, verkehrte jedoch auf der anderen Seite mit dem
amerikanischen Mafia-Boss und
Drogenhändler John Gambino.
Durch die spektakulären Enthüllungen eines Mailänder Anwalts
flogen die Mafia-Geschäfte des
Bankiers 1979 auf. Die Folge war
seine Verhaftung und ein Zusammenbruch seines Imperiums. Sindona wurde in seiner Gefängniszelle mit vergiftetem Kaffee getötet. Von offizieller Seite sprach man
stets von Selbstmord.
Es ist folglich unmöglich, den
Mafioso, der den „normalen“
Geschäftsmann mimt, von dem
ehrlichen Geschäftsmann zu unterscheiden, der aufgrund von Erpressungen und ohne eigenes
Zutun mit der Organisation in
Kontakt gekommen ist. Für den
Außenstehenden entsteht so der
Mythos, jedes sizilianische oder
italo-amerikanische Unternehmen
sei in dunkle Geschäfte verwickelt.
Müllbeseitigung alla Soprano
Seite 2
POLITIK
Die Verbindungen zwischen
Politik und Mafia reichen zurück
bis ins Sizilien des 19. Jahrhunderts. Als der Freiheitskämpfer
Giuseppe Garibaldi die Insel 1860
von den spanischen Bourbonen befreite, nutzten die mächtigen
„Gabelloti“ (mehr dazu auf Seite
6) die Zeit des Übergangs, um ihren Machtbereich im Verborgenen auszubauen. Die Bevölkerung
nahm die neue „Regierung“ dankbar an. Denn anders als die Spanier
und die unzähligen Fremdherrschaften zuvor, „kümmerten“ sich
diese „Dons“ tatsächlich um ihre
Probleme. Und die breite Anhängerschaft, die sich um diese Paten
scharte, verstand sich von Anfang
an selbst als „partito“ und gab sich
damit den Anspruch einer politischen Partei. Bis heute nennt
sich kein Mafia-Mitglied selbst
„Mafioso“. Dieses Wort ist ein
Schimpfwort. Selbst bezeichnet
man sich als „uomo d’onore“
AUFBAU DER MAFIA
(„Ehrenmann“). Dabei ist die Verwandtschaft der Bezeichnung „Ehrenmann“ mit dem Begriff „onorevole“ („Abgeordneter“) besonders
bemerkenswert. Das eigene Handeln versteht das Mafia-Mitglied
folglich nicht als kriminelles Verhalten, sondern – wie das des
Politikers – als „comportamento
sociale“, das der Allgemeinheit zu
Gute kommt.
Die Organisationsstruktur der
„ehrenwerten Gesellschaft“ (siehe
Infografik) ist der eines politischen
Systems nachempfunden. Ihrer
Stabilität ist es zu verdanken, dass
die Mafia im Lauf der Jahrzehnte
und bis in die Neuzeit hinein auf
Sizilien zu einem ernstzunehmenden politischen Parallelsystem
avanciert ist. Da verwundert es
kaum, dass Stefano Bontate, Ende
der 70er der Boss der Bosse der
Cosa Nostra, dem damaligen Ministerpräsidenten Giulio Andreotti
(Christdemokraten) bei einem
Empfang selbstbewusst und fordernd entgegentrat: „Hier auf
Sizilien haben wir die Befehlsgewalt. Und wenn Sie Ihre Partei
nicht zerstören möchten, tun Sie
besser, was wir sagen. Andernfalls
nehmen wir Ihnen unsere Stimmen
weg, nicht nur hier, sondern in
ganz Süditalien. Dann bleiben
Ihnen nur noch die Wähler im
Norden. Und die wählen ohnehin
kommunistisch.“
In sämtlichen Organen des
„Mafia-Staats“ finden sich Relikte vergangener Herrschaftsformen
auf Sizilien: Hier die hierarchische
Militärstruktur des römischen
Kaiserreichs, dort das Geburtsrecht für die Söhne von Bossen
und schließlich das demokratische Wahlrecht der Neuzeit.
Zugleich zeichnet sich die Mafia
durch eine mittelalterliche Rechtsauffassung aus.
WIRTSCHAFT
Organisationsstruktur
Die Organisationsstruktur der
Cosa Nostra war lange Zeit geheim
und geriet erst Anfang der 80erJahre durch die spektakulären
Ausführungen von Tommaso
Buscetta, dem ersten Mafia-Boss,
der mit der Justiz zusammenarbeitete, an die Öffentlichkeit. Die
Struktur zeigt die Mafia als straff
durchstrukturierten Staat, der aufgrund einer eisernen Disziplin
seiner „Parteimitglieder“ und seiner Umwelt (diese freilich von
Drohungen motiviert) eine ernome
Stabilität aufweist. In der Struktur
steckt – so Buscetta – „das
Lebensblut der Cosa Nostra“.
Der Aufbau der Mafia ist pyramidenförmig. Die unterste Zelle
bildet die „famiglia“ („Familie“),
sie ist die Basis-Station eines jeden
„uomo d’onore“. Familie ist dabei
nicht eng im verwandtschaftlichen
Sinne gemeint. In den meisten
LA COMMISSIONE, LA CUPOLA
AUS CA. 10 CAPI-MANDAMENTO
MANDAMENTO (BEZIRK)
CAPO MANDAMENTO
FAMIGLIA
FAMIGLIA
FAMIGLIA
FAMIGLIA
FAMIGLIA
FAMIGLIA
CONSIGLIERE
FAMIGLIA
FAMIGLIA
MANDAMENTO (BEZIRK)
CAPO MANDAMENTO
AUFBAU EINER „FAMIGLIA“
CAPO
SOTTO-CAPO
CONSIGLIERE
FAMIGLIA
CAPO-DECINA CAPO-DECINA
CAPO-DECINA
CAPO-DECINA
10 PICCIOTTI
10 PICCIOTTI
10 PICCIOTTI
10 PICCIOTTI
„Hier in Süditalien
haben wir die Befehlsgewalt. Und wenn
Sie Ihre Partei nicht
zerstören möchten, tun
Sie besser, was wir sagen.“
Mafia-Boss Stefano Bontate zu
Ministerpräsident Giulio
Andreotti (Christdemokrat)
CAPO DI TUTTI I CAPI
MANDAMENTO (BEZIRK)
CAPO MANDAMENTO
Fällen entsprechen die diversen
Sippen den Wohnvierteln der
Stadt. Stammt die Sippe aus einer
kleineren Stadt oder aus einem
Dorf, bekommt sie den Namen des
entsprechenden Ortes (z. B. die
„Corleonesi“ aus Corleone). An
der Spitze jeder Sippe steht ein
„capo“, der von den Ehrenmännern bzw. „Abgeordneten“ direkt
gewählt wird. Dieser Boss bestimmt seinen „sotto-capo“ („stellvertretenden Boss“) und einen
oder zwei „consiglieri“ („Berater“), die meist auch für juristische
Beratungen zuständig sind. Die
„picciotti“ (etwa „Burschen“) sind
die gewöhnlichen Fußsoldaten jeder Sippe, die in Gruppen zu je
zehn Mann organisiert sind und
von einem „capo-decina“ (etwa
„Chef über zehn“) kommandiert
und unter Kontrolle gehalten werden. In Analogie zur Politik haben
wir es auf der Familien-Ebene mit
der Gemeinde-Ebene zu tun.
In der straffen Organisationsstruktur der Mafia fließt - so Mafia-Aussteiger Tommaso Buscetta - ihr “Lebensblut”.
Die verschiedenen Mafia-Sippen werden nun wiederum mit
zwei benachbarten Sippen in
Dreier-Gruppen zu „mandamenti“
(„Bezirke“) zusammengeschlossen. So finden sich in der Provinz
Palermo etwa 30 Mafia-Sippen,
die in zehn „mandamenti“ gegliedert sind. Jeder dieser aus drei
Sippen bestehende Bezirk wählt
seinen „capo-mandamento“ (etwa
„Bezirksführer“), der die Interessen des Bezirks im obersten Gremium der Organisation, der so genannten „commissione“ oder „cupola“ („Kuppel“) vertritt. Diese
Kommission hat die Aufgabe, zukunftsweisende Entscheidungen zu
treffen, Streitigkeiten zwischen
den Sippen zu schlichten und bedeutende Tötungsbeschlüsse zu
fassen. Sie ist sozusagen die Re-
gierung der Mafia. Der Vorsitzende der Kommission, der „capo di
tutti i capi“, hat demnach die Stellung eines Ministerpräsidenten.
Mafia und Staat
Der Mantel der politischen Partei
gibt der Mafia eine innere Legitimation, die bisweilen sogar von der
offiziellen Staatsgewalt respektiert
wird. So erklärt sich die enthusiastische Grabrede eines angesehenen Staatsanwalts bei der Trauerfeier für den legendären MafiaBoss Don Calogero Vizzini 1954,
in der er sich eine produktive Koexistenz zwischen Mafia und Staat
wünschte. Interessant ist, dass sich
– bis auf wenige Ausnahmen – Mafia-Mitglieder nie selbst von politischen Parteien als Kandidaten aufstellen lassen. Das Schweigen und
die Unsichtbarkeit als Charakteristika der Organisation sind mit den
öffentlichen Auftritten der Politiker unvereinbar. Die Mafia versteht sich jedoch als eigentliche
Staatsgewalt, welche die Politik
benutzt und Politiker wie Marionetten nach ihrem Willen führt.
Die Cosa Nostra hat auf Sizilien
die Möglichkeit wahrgenommen,
das legislative und exekutive
Machtvakuum mit der systemeigenen Rechtsauffassung aufzufüllen.
Jede Sippe ist in ihrem Revier für
die Schlichtung von Streitigkeiten
(das Konsultieren der Polizei gilt
als unehrenhaft) und für die Zuteilung von Ressourcen zuständig. Da
keine Gerichte oder Polizeikräfte
existieren, greift die Mafia auf andere, visuelle Mittel zurück, um
dem Volk zu verdeutlichen, dass
die Bestrafung in ihrem „Staat“
immediat ist. Mehr noch: Innerhalb der Mafia wird von „Wahlen“
gesprochen, es gibt „Koalitionen“,
von der „Kommission“ verhängte
„Disziplinarmaßnahmen“, „Minister“ und schließlich „Mafia-Parlamente“. So entstand ein „Staat im
Staat“, der sogar außenpolitische
Beziehungen pflegt. Ein Höhepunkt der internationalen Kontakte
war ein Treffen mit Mafia-Größen
wie Lucky Luciano und Joe Bonanno im Jahr 1957 im luxuriösen
Hotel Delle Palme von Palermo.
Auf dieser Gipfelkonferenz zwischen der US-amerikanischen und
der sizilianischen Cosa Nostra
wurde die weitere Linie der Zusammenarbeit zwischen den beiden „Regierungen“ festgelegt.
Seite 3
Vom Anwalt bis zum Zahnarzt Tarnungen der Cosa Nostra
Mafiosi sind keine gewöhnlichen Verbrecher. Sie sind in der
süditalienischen Gesellschaft vollständig integriert und üben neben
ihrer „Mafia-Tätigkeit“ meist einen
regulären Beruf aus. Dieser dient
dabei überwiegend zur Tarnung
oder Unterstützung mafioser Geschäfte. So macht sich ein mafioser
Arzt seine Patienten oder ein mafioser Rechtsanwalt seine juristischen Kenntnisse zunutze, während
in einem mafiosen Restaurant
Geldwäsche im großen Stil betrieben wird. Seit dem Ursprung der
Mafia sind ihre Anführer nie
Aussätzige, sondern Männer der
Mittel- und Oberklasse, Ende des
19. Jahrhunderts Großgrundbesitzer, heute Unternehmer.
Die Gefährlichkeit der Mafia
beruht darin, dass sie überall und
nirgends ist. Als Meister der Anpassung kann sie sich hinter dem
gut besuchten Luxusrestaurant
ebenso verstecken wie hinter der
Versicherungsgesellschaft, die als
moderne Form der Schutzgeldeintreibung ganz „legal“ Versicherungspolicen verkauft oder – wie
bei den „Sopranos“ – hinter einem
Müllbeseitigungsunternehmen.
(„Die Sopranos“, Staffel 4, ab 15.
Juni jeden Mittwoch um 22.00 Uhr
auf PREMIERE 4 in dt. EA)
Ein besonderer Fall der Tarnung
wurde Ende der 70er-Jahre durch
den Fall Michele Sindona publik.
Sindona war Finanzberater des
Vatikans, Chef der amerikanischen
„Franklin National Bank“ und der
bedeutendste Hintermann der italienischen Christdemokraten. Sein
enger Freund Giulio Andreotti, der
langjährige italienische Ministerpräsident, feierte Sindona einmal
als „Retter der Lira“. Der Bankier
zählte auf der einen Seite Minister
und Kardinäle zu seinen Freunden
und ging in den Vorstandsetagen
der großen europäischen Finanzdistrikte ein und aus, verkehrte jedoch auf der anderen Seite mit dem
amerikanischen Mafia-Boss und
Drogenhändler John Gambino.
Durch die spektakulären Enthüllungen eines Mailänder Anwalts
flogen die Mafia-Geschäfte des
Bankiers 1979 auf. Die Folge war
seine Verhaftung und ein Zusammenbruch seines Imperiums. Sindona wurde in seiner Gefängniszelle mit vergiftetem Kaffee getötet. Von offizieller Seite sprach man
stets von Selbstmord.
Es ist folglich unmöglich, den
Mafioso, der den „normalen“
Geschäftsmann mimt, von dem
ehrlichen Geschäftsmann zu unterscheiden, der aufgrund von Erpressungen und ohne eigenes
Zutun mit der Organisation in
Kontakt gekommen ist. Für den
Außenstehenden entsteht so der
Mythos, jedes sizilianische oder
italo-amerikanische Unternehmen
sei in dunkle Geschäfte verwickelt.
Müllbeseitigung alla Soprano
Seite 4
MEDIEN
Seite 5
MEDIEN
Darsteller: Michael Imperioli
Christopher Moltisanti ist
Tonys Neffe und Carmelas Cousin.
Sein Vater Dickie Moltisanti war
Tonys Mentor und so kam es, dass
sich Tony nach Dickies Tod wie ein
Vater um Christopher kümmerte.
Christopher ist impulsiv und gewalttätig und verfolgt zum Ärger
der Familie immer wieder
Alleingänge, die nicht abgesprochen sind.
Episode 40 – „Schuldig bleibt
schuldig“ Buch: David Chase,
Regie: Allen Coulter
Die schwache Wirtschaft beeinträchtigt das Geschäft. Das treibt
den Boss der New-Jersey-Sippe
Tony Soprano dazu, in einen potenziell lukrativen Grundstücksdeal zu investieren. Seine Frau
Carmela macht sich über die langfristige finanzielle Sicherheit der
Familie Sorgen. In Tonys krimineller Familie tauchen derweil
Probleme auf: Onkel Junior sorgt
sich um seinen laufenden RICO
(Gesetz gegen organisierte Kriminalität) Prozess und Adriana vertraut sich ihrer neuen Freundin
Danielle an, die möglicherweise
eine Undercover-Agentin des FBI
ist. Tony gibt Christopher die Adresse des Detectives, der Christophers Vater umgebracht haben
soll. Der rächt den Mord, indem er
dem Detective zwei Kugeln durch
den Kopf jagt.
Ep. 41 – „Meadow kämpft –
wer verliert?“ Buch: Terence
Winter, David Chase, Regie:
John Patterson
Christopher übernimmt neue
Aufgaben, gerät dabei jedoch zunächst mit Patsy aneinander.
Meadow erwägt, ein Jahr mit dem
College auszusetzen, um durch
Europa zu reisen. Adriana beendet
abrupt ihre Freundschaft mit
Danielle.
Darsteller: James Gandolfini
Darstellerin: Lorraine Bracco
Darsteller: Tony Sirico
Darstellerin: Edie Falco
Nach außen ist Tony der gerissene, ruchlose Pate einer Mafiafamilie in New Jersey. Als einziger
Sohn des berühmten Mafioso
Johnny Boy Soprano fühlt Tony
aber den Druck der längst überholten Rituale der Mafia auf sich
lasten. Auch seine wirkliche Familie fordert alles von ihm. Ist es
da erstaunlich, dass Tony Hilfe bei
einer Psychoanalytikerin sucht?
Dr. Jennifer Melfi ist vermutlich die letzte Person, die man mit
dem Organisierten Verbrechen in
Verbindung bringen würde. Die angesehene Psychoanalytikerin ist geschieden und hat zwei Söhne. Den
Tag, an dem Tony Soprano als die
personifizierte Cosa Nostra ihre
Praxis betrat, verflucht sie bis heute. Dennoch versucht sie seit
Jahren, dem Mafia-Boss, der unter
Angst-Attacken leidet, zu helfen.
Sie ist Tonys engste Vertraute.
Peter Paul Gualtieri ist der am
besten manikürte Capo der Familie. Er startete seine Mafia-Karriere mit 17 Jahren bei Johnny Boy
Soprano. Seitdem ist sein Aufstieg
stetig, unterbrochen nur von einem
Gefängnisaufenthalt und einer
kurzen Zeit bei der Army. Paulie
ist sehr abergläubisch und sein
Misstrauen gegenüber anderen hat
fast paranoide Züge.
Carmela und Tony sind seit
über 20 Jahren verheiratet. Sie
hat gelernt, dass das Leben einer
Mafioso-Frau nicht nur aus Geld,
Dienern und schicken Autos besteht. Carmela weiß genau, was
Tony beruflich treibt und dass er
dabei manchmal über Leichen
geht. Das macht ihr Leben und
das ihrer gemeinsamen Kinder
Anthony Jr. und Meadow nicht gerade einfacher.
Ep. 42 – „Christopher“
Buch: Michael Imperioli,
Maria Laurino, Regie: Tim Van
Patten
Silvio und Ralph wollen sichergehen, dass die Paraden am
Columbus-Feiertag ohne Zwischenfälle stattfinden. Pater Phil
veranstaltet einen italienischen
Lunch für Damen, Bobbys Frau
Karen wird in einen Verkehrsunfall verwickelt.
Ep. 43 – „Gewichtsprobleme“
Buch: Terence Winter
Regie: Jack Bender
Johnny Sack sinnt auf Rache,
als jemand eine abschätzige
Bemerkung über seine Frau
macht. Meadow erwägt, ehrenamtlich im South Bronx Law Center
zu arbeiten. Silvio und Christopher machen einem früheren
Auftragsmörder ein Angebot.
Ep. 44 – „Lauf, Pie-O-My, lauf!“
Buch: Robin Green, Mitchell
Burgess, Regie: Henry Bronchtein
Als Ralph ein Fohlen mit dem
Namen „Pie-O-My“ kauft, entdeckt Tony, dass er ein Talent für
Rennwetten hat. Ralph gewinnt
40.000 Dollar und teilt die Summe
mit Tony. Der Boss der Sippe
ist von dem Fohlen begeistert und
sein ruppiges Verhalten ändert
sich immer zum Positiven, wenn
er bei dem Tier ist. Zu Hause bei
Tony ist die Stimmung nicht ganz
so gelassen. Als Carmela ihm einen unwiderruflichen Treuhandvertrag vorlegt, weigert er sich,
das Dokument zu unterschreiben.
Ep. 45 – „Gewissensbisse“
Buch: Michael Imperioli
Regie: Steve Buscemi
Nachdem der Restaurateur
Artie Bucco die attraktive französische Hostess Elodi eingestellt
hat, erklärt er sich bereit, ihrem Bruder Geld für ein geschäftliches Unterfangen im Ausland
zu leihen. Als das Geschäft
platzt, nimmt Artie eine Überdosis
Medikamente und ruft verwirrt
bei Tony an.
Anthony Jr. ist mit seiner neuen
reichen Freundin beschäftigt.
Tony erreichen beunruhigende
Nachrichten: Seine ehemalige
Geliebte, die auch Patientin von
Dr. Melfi war, hat Selbstmord
begangen.
Ep. 46 – „Wenn man zuviel
Fernsehen sieht“
Buch: Terence Winter,
Regie: John Patterson
Als Paulie aus dem Gefängnis
entlassen wird, schmeißen Tony
und seine Gang eine große Party
im „Bada Bing“, Tonys Strip-Bar.
Es dauert jedoch nicht lange, bis
die bekannten Spannungen wieder
entstehen. Carmelas Cousin Brian,
der nun Finanzberater ist, warnt
Tony und Ralph vor einer größe-
ren Investition. Adriana setzt
Christopher mit dem Thema
Heirat unter Druck.
Ep. 47 – „Lust, Leid und Laster“
Buch: Lawrence Konner
Regie: Daniel Attias
Furio reist in sein Heimatland
Italien, um seinen kranken Vater
zu besuchen. Carmela erkundet eine neue potentielle Geldquelle.
Paulie versucht seine Mutter
Nucci in die soziale Welt von
Green Grove zu integrieren.
Ep. 48 – „Täter: unbekannt“
Buch: Robin Green, Mitchell
Burgess, Regie: Tim Van Patten
Ralphs Sohn Justin wird beim
Spielen mit einem Freund schwer
verletzt, als ihn ein Pfeil in die
Brust trifft.
Bei einem Feuer in den Ställen
sterben drei Pferde und Pie-O-My
erleidet so schwere Verbrennungen, dass sie getötet werden muss.
Tony ist erschüttert von der
Nachricht und sucht Ralph auf, um
ihm davon zu erzählen. Allerdings
bestätigt sich sein Verdacht, dass
Ralph das Feuer gelegt hat, um die
Versicherungssumme einzukassieren. Die beiden geraten in einen
tödlichen Kampf, bei dem Tony
Ralph mehr oder weniger versehentlich stranguliert. Der Boss der
Sippe ruft Christopher zu Hilfe,
um Ralphs Leiche zu beseitigen.
Ep. 49 – „Chris ist am Ende“
Buch: Terence Winter, Robin
Green, Mitchell Burgess
Regie: Alan Taylor
Tony vergleicht sich in seiner
Therapie mit dem traurigen
Clown, der gute Miene zum bösen
Spiel macht. Dr. Melfi vertritt
Tonys neueste MelancholieSelbstanalyse nicht. Christopher
gelangt nach einer Intervention
durch Tony an einen wichtigen
Punkt der Entscheidung.
Ep. 50 – „An alle Einheiten!“
Buch: David Chase, Robin
Green, Mitchell Burgess, Terry
Winter, Regie: Tim Van Patten
Nach einem Meeting mit
Johnny Sack denkt Tony über die
Zukunft der Partnerschaft mit der
HUD (Entwicklung von Städten
und Wohnungen) nach. Dr. Melfi
sinniert über die Freudsche Bedeutung von Tonys Träumen.
Ep. 51 – „Bei Eloise“
Buch: Terence Winter
Regie: James Hayman
Tony feilscht weiterhin mit
Johnny Sack um die EsplanadeGewinne. Carmela trifft sich mit
Meadow zu ihrem traditionellen,
jährlichen Teetrinken und gerät
dabei mit ihrer Tochter in Streit.
Paulie bemuttert die Damen aus
dem Seniorenheim.
Ep. 52 – „Whitecaps“
Buch: Robin Green, Mitchell
Burgess, David Chase
Regie: John Patterson
Christopher wird aus einem
Rehabilitationszentrum für Drogensüchtige entlassen. Onkel
Juniors Prozess endet ohne Ergebnis, nachdem ein von ihm eingeschüchterter Zeuge sich weigert,
ihn für schuldig zu erklären.
Johnny Sack wendet sich mit einem
gewagten Plan an Tony – es geht
darum, Carmine zu schlagen.
Tony überrascht Carmela mit
seinem Vorhaben, ein Haus am
Meer zu kaufen. Was sie aber viel
mehr erstaunt, ist ein Anruf von
Tonys früherer Geliebter. Nach
einem Streit sagt Carmela Tony,
dass sie ihn nicht mehr liebt, sondern von Furio träumt. Tony zieht
daraufhin umgehend aus.
Da sowohl seine Ehe als auch
seine Geschäfte nicht gut laufen,
denkt Tony darüber nach, seine
Therapie bei Dr. Melfi wieder aufzunehmen.
„Die Sopranos“-Wochenenden auf PREMIERE 4
Staffel I: Samstag, 28. Mai, ab 22.00 Uhr bis Montagmorgen
Staffel II: Samstag, 4. Juni, ab 22.00 Uhr bis Montagmorgen
Staffel III: Samstag, 11. Juni, ab 22.00 Uhr bis Montagmorgen
Seite 4
MEDIEN
Seite 5
MEDIEN
Darsteller: Michael Imperioli
Christopher Moltisanti ist
Tonys Neffe und Carmelas Cousin.
Sein Vater Dickie Moltisanti war
Tonys Mentor und so kam es, dass
sich Tony nach Dickies Tod wie ein
Vater um Christopher kümmerte.
Christopher ist impulsiv und gewalttätig und verfolgt zum Ärger
der Familie immer wieder
Alleingänge, die nicht abgesprochen sind.
Episode 40 – „Schuldig bleibt
schuldig“ Buch: David Chase,
Regie: Allen Coulter
Die schwache Wirtschaft beeinträchtigt das Geschäft. Das treibt
den Boss der New-Jersey-Sippe
Tony Soprano dazu, in einen potenziell lukrativen Grundstücksdeal zu investieren. Seine Frau
Carmela macht sich über die langfristige finanzielle Sicherheit der
Familie Sorgen. In Tonys krimineller Familie tauchen derweil
Probleme auf: Onkel Junior sorgt
sich um seinen laufenden RICO
(Gesetz gegen organisierte Kriminalität) Prozess und Adriana vertraut sich ihrer neuen Freundin
Danielle an, die möglicherweise
eine Undercover-Agentin des FBI
ist. Tony gibt Christopher die Adresse des Detectives, der Christophers Vater umgebracht haben
soll. Der rächt den Mord, indem er
dem Detective zwei Kugeln durch
den Kopf jagt.
Ep. 41 – „Meadow kämpft –
wer verliert?“ Buch: Terence
Winter, David Chase, Regie:
John Patterson
Christopher übernimmt neue
Aufgaben, gerät dabei jedoch zunächst mit Patsy aneinander.
Meadow erwägt, ein Jahr mit dem
College auszusetzen, um durch
Europa zu reisen. Adriana beendet
abrupt ihre Freundschaft mit
Danielle.
Darsteller: James Gandolfini
Darstellerin: Lorraine Bracco
Darsteller: Tony Sirico
Darstellerin: Edie Falco
Nach außen ist Tony der gerissene, ruchlose Pate einer Mafiafamilie in New Jersey. Als einziger
Sohn des berühmten Mafioso
Johnny Boy Soprano fühlt Tony
aber den Druck der längst überholten Rituale der Mafia auf sich
lasten. Auch seine wirkliche Familie fordert alles von ihm. Ist es
da erstaunlich, dass Tony Hilfe bei
einer Psychoanalytikerin sucht?
Dr. Jennifer Melfi ist vermutlich die letzte Person, die man mit
dem Organisierten Verbrechen in
Verbindung bringen würde. Die angesehene Psychoanalytikerin ist geschieden und hat zwei Söhne. Den
Tag, an dem Tony Soprano als die
personifizierte Cosa Nostra ihre
Praxis betrat, verflucht sie bis heute. Dennoch versucht sie seit
Jahren, dem Mafia-Boss, der unter
Angst-Attacken leidet, zu helfen.
Sie ist Tonys engste Vertraute.
Peter Paul Gualtieri ist der am
besten manikürte Capo der Familie. Er startete seine Mafia-Karriere mit 17 Jahren bei Johnny Boy
Soprano. Seitdem ist sein Aufstieg
stetig, unterbrochen nur von einem
Gefängnisaufenthalt und einer
kurzen Zeit bei der Army. Paulie
ist sehr abergläubisch und sein
Misstrauen gegenüber anderen hat
fast paranoide Züge.
Carmela und Tony sind seit
über 20 Jahren verheiratet. Sie
hat gelernt, dass das Leben einer
Mafioso-Frau nicht nur aus Geld,
Dienern und schicken Autos besteht. Carmela weiß genau, was
Tony beruflich treibt und dass er
dabei manchmal über Leichen
geht. Das macht ihr Leben und
das ihrer gemeinsamen Kinder
Anthony Jr. und Meadow nicht gerade einfacher.
Ep. 42 – „Christopher“
Buch: Michael Imperioli,
Maria Laurino, Regie: Tim Van
Patten
Silvio und Ralph wollen sichergehen, dass die Paraden am
Columbus-Feiertag ohne Zwischenfälle stattfinden. Pater Phil
veranstaltet einen italienischen
Lunch für Damen, Bobbys Frau
Karen wird in einen Verkehrsunfall verwickelt.
Ep. 43 – „Gewichtsprobleme“
Buch: Terence Winter
Regie: Jack Bender
Johnny Sack sinnt auf Rache,
als jemand eine abschätzige
Bemerkung über seine Frau
macht. Meadow erwägt, ehrenamtlich im South Bronx Law Center
zu arbeiten. Silvio und Christopher machen einem früheren
Auftragsmörder ein Angebot.
Ep. 44 – „Lauf, Pie-O-My, lauf!“
Buch: Robin Green, Mitchell
Burgess, Regie: Henry Bronchtein
Als Ralph ein Fohlen mit dem
Namen „Pie-O-My“ kauft, entdeckt Tony, dass er ein Talent für
Rennwetten hat. Ralph gewinnt
40.000 Dollar und teilt die Summe
mit Tony. Der Boss der Sippe
ist von dem Fohlen begeistert und
sein ruppiges Verhalten ändert
sich immer zum Positiven, wenn
er bei dem Tier ist. Zu Hause bei
Tony ist die Stimmung nicht ganz
so gelassen. Als Carmela ihm einen unwiderruflichen Treuhandvertrag vorlegt, weigert er sich,
das Dokument zu unterschreiben.
Ep. 45 – „Gewissensbisse“
Buch: Michael Imperioli
Regie: Steve Buscemi
Nachdem der Restaurateur
Artie Bucco die attraktive französische Hostess Elodi eingestellt
hat, erklärt er sich bereit, ihrem Bruder Geld für ein geschäftliches Unterfangen im Ausland
zu leihen. Als das Geschäft
platzt, nimmt Artie eine Überdosis
Medikamente und ruft verwirrt
bei Tony an.
Anthony Jr. ist mit seiner neuen
reichen Freundin beschäftigt.
Tony erreichen beunruhigende
Nachrichten: Seine ehemalige
Geliebte, die auch Patientin von
Dr. Melfi war, hat Selbstmord
begangen.
Ep. 46 – „Wenn man zuviel
Fernsehen sieht“
Buch: Terence Winter,
Regie: John Patterson
Als Paulie aus dem Gefängnis
entlassen wird, schmeißen Tony
und seine Gang eine große Party
im „Bada Bing“, Tonys Strip-Bar.
Es dauert jedoch nicht lange, bis
die bekannten Spannungen wieder
entstehen. Carmelas Cousin Brian,
der nun Finanzberater ist, warnt
Tony und Ralph vor einer größe-
ren Investition. Adriana setzt
Christopher mit dem Thema
Heirat unter Druck.
Ep. 47 – „Lust, Leid und Laster“
Buch: Lawrence Konner
Regie: Daniel Attias
Furio reist in sein Heimatland
Italien, um seinen kranken Vater
zu besuchen. Carmela erkundet eine neue potentielle Geldquelle.
Paulie versucht seine Mutter
Nucci in die soziale Welt von
Green Grove zu integrieren.
Ep. 48 – „Täter: unbekannt“
Buch: Robin Green, Mitchell
Burgess, Regie: Tim Van Patten
Ralphs Sohn Justin wird beim
Spielen mit einem Freund schwer
verletzt, als ihn ein Pfeil in die
Brust trifft.
Bei einem Feuer in den Ställen
sterben drei Pferde und Pie-O-My
erleidet so schwere Verbrennungen, dass sie getötet werden muss.
Tony ist erschüttert von der
Nachricht und sucht Ralph auf, um
ihm davon zu erzählen. Allerdings
bestätigt sich sein Verdacht, dass
Ralph das Feuer gelegt hat, um die
Versicherungssumme einzukassieren. Die beiden geraten in einen
tödlichen Kampf, bei dem Tony
Ralph mehr oder weniger versehentlich stranguliert. Der Boss der
Sippe ruft Christopher zu Hilfe,
um Ralphs Leiche zu beseitigen.
Ep. 49 – „Chris ist am Ende“
Buch: Terence Winter, Robin
Green, Mitchell Burgess
Regie: Alan Taylor
Tony vergleicht sich in seiner
Therapie mit dem traurigen
Clown, der gute Miene zum bösen
Spiel macht. Dr. Melfi vertritt
Tonys neueste MelancholieSelbstanalyse nicht. Christopher
gelangt nach einer Intervention
durch Tony an einen wichtigen
Punkt der Entscheidung.
Ep. 50 – „An alle Einheiten!“
Buch: David Chase, Robin
Green, Mitchell Burgess, Terry
Winter, Regie: Tim Van Patten
Nach einem Meeting mit
Johnny Sack denkt Tony über die
Zukunft der Partnerschaft mit der
HUD (Entwicklung von Städten
und Wohnungen) nach. Dr. Melfi
sinniert über die Freudsche Bedeutung von Tonys Träumen.
Ep. 51 – „Bei Eloise“
Buch: Terence Winter
Regie: James Hayman
Tony feilscht weiterhin mit
Johnny Sack um die EsplanadeGewinne. Carmela trifft sich mit
Meadow zu ihrem traditionellen,
jährlichen Teetrinken und gerät
dabei mit ihrer Tochter in Streit.
Paulie bemuttert die Damen aus
dem Seniorenheim.
Ep. 52 – „Whitecaps“
Buch: Robin Green, Mitchell
Burgess, David Chase
Regie: John Patterson
Christopher wird aus einem
Rehabilitationszentrum für Drogensüchtige entlassen. Onkel
Juniors Prozess endet ohne Ergebnis, nachdem ein von ihm eingeschüchterter Zeuge sich weigert,
ihn für schuldig zu erklären.
Johnny Sack wendet sich mit einem
gewagten Plan an Tony – es geht
darum, Carmine zu schlagen.
Tony überrascht Carmela mit
seinem Vorhaben, ein Haus am
Meer zu kaufen. Was sie aber viel
mehr erstaunt, ist ein Anruf von
Tonys früherer Geliebter. Nach
einem Streit sagt Carmela Tony,
dass sie ihn nicht mehr liebt, sondern von Furio träumt. Tony zieht
daraufhin umgehend aus.
Da sowohl seine Ehe als auch
seine Geschäfte nicht gut laufen,
denkt Tony darüber nach, seine
Therapie bei Dr. Melfi wieder aufzunehmen.
„Die Sopranos“-Wochenenden auf PREMIERE 4
Staffel I: Samstag, 28. Mai, ab 22.00 Uhr bis Montagmorgen
Staffel II: Samstag, 4. Juni, ab 22.00 Uhr bis Montagmorgen
Staffel III: Samstag, 11. Juni, ab 22.00 Uhr bis Montagmorgen
Seite 6
WISSENSCHAFT
WISSENSCHAFT
LOKALES
Seite 7
Über den Initiationsritus der Cosa Nostra
Die sizilianische Mafia ist
streng genommen knapp 150 Jahre
alt. Ihre Geburt geht einher mit
der Gründung der italienischen
Nationalstaats und der Entstehung
einer eigenständigen lokalen
Kunstgattung, dem „teatro dialettale moderno“. In dem Debütwerk
des „Modernen Dialekttheaters“
taucht der Begriff „Mafioso“ erstmals in seiner kriminellen
Bedeutung auf (Seite 7). Doch das
Phänomen „Mafia“ ist weit älter:
Es findet sich nicht erst in der kriminellen Organisation, sondern ist
tief im Wesen des Sizilianers verwurzelt. Mafia ist zunächst einmal
eine Geisteshaltung, die sich auf
dem soziologischen Konzept der
„Sizilianität“ begründet.
Außergewöhnlichkeit der sizilianischen Gesellschaft innerhalb der
nationalen und europäischen
Geschichte begründet.“ Der aus
der „Sicilianità“ entstandene
und für das Funktionieren der
Mafia grundlegende (Sprach-)
Code kann nur von Sizilianern instinktiv entschlüsselt werden. Da
die Mafia mit Hilfe dieses Codes
kommuniziert, ist es NichtSizilianern schwer möglich, ihn
zu verstehen oder überhaupt zu
entdecken. Vor allem für Touristen, die zwar glauben, an jeder
Ecke Siziliens die Mafia in
Sonnenbrille und schwarzem
Anzug entdecken zu können,
bleibt die eigentliche Mafia in der
Regel unsichtbar.
„Sicilianità“
Unter „sicilianità“ verstehen
Soziologen die spezifische sizilianische Denkweise, die sich in der
drei Jahrtausende alten, hauptsächlich von Unterdrückung und
Ausbeuterei geprägten Geschichte
der Insel unbewusst in den Köpfen
der Menschen festgesetzt hat. Das
Misstrauen des Sizilianers richtet
sich gegen alles, was von außen
in seine Welt einwirkt. Gegen jede
neue Herrschaft (wie die der
Phönizier, Griechen, Araber oder
Normannen, um nur einige zu
nennen), die wie die Herrschaft
zuvor Leid und Elend über die
Insel bringen wird. In seiner
gesamten Geschichte hat das sich
ständig neu vermischende, bunte
sizilianische Volk nie die Möglichkeit bekommen, eine eigene politische Identität zu finden. Es wurde nie zum „Subjekt seiner
Geschichte“.
„Sicilianità“ regiert die Köpfe
der Sizilianer unbewusst. Ebenso unbewusst findet sie ihren
Ausdruck in zwei Phänomenen
der sizilianischen Kultur: zum ei-
“Sicilianità“ ist – so formulierte
es ein sizilianischer Schriftsteller
– das „gleichermaßen gewaltige
und konfuse Gefühl der Solidarität zwischen Sizilianern“, das
sich in einem „radikalisierten
Massen-Opfergefühl“ und dem
„soziologischen Bewusstsein der
nen im Konzept der Mafia, zum
anderen aber in der sizilianischen
Kunst, insbesondere dem Theater.
Mit der Befreiung Siziliens
durch Giuseppe Garibaldi im
Jahr 1860 war für die Sizilianer der Zeitpunkt gekommen,
ihr politisches Schicksal in die
eigenen Hände zu nehmen. Aus
dieser Situation heraus entstand
das „teatro dialettale moderno“,
dessen erstes Stück „I mafiusi
di la Vicaria“ das neue politische
und kulturelle Selbstbewusstsein
der Sizilianer reflektiert. Die in
dieser Komödie agierenden
Hauptfiguren
stellen
frühe
Mafiosi dar, deren Vorbild die
so genannten „Gabelloti“ (von
„gabello“ = „Steuer“, „Pacht“)
waren, die um die Mitte des
19. Jahrhunderts während der
spanischen Besetzung das sizilianische Hinterland unsicher
machten.
Frühe Mafiosi: „Gabelloti“ überwachen „ihre“ Felder.
Die „Gabelloti“
Die „Gabelloti“ waren sizilianische Wächter, die von spanischen Großgrundbesitzern zur
Beaufsichtigung ihrer Ländereien
abgestellt wurden. Dabei hatten sie nicht nur die Aufgabe, die
Latifundien ihrer Dons vor
Banditengruppen zu schützen,
sondern waren zudem dafür verantwortlich, dass die pachtenden
Bauern eine reiche Ernte einbrachten.
Um diese Aufgaben erfüllen zu
können, scharten die Wächter eine
kleine Miliz von gewalttätigen Banditen um sich. Mit dieser schlagkräftigen Unterstützung machten
sie sich auf, von den Bauern zusätzliches „Schutzgeld“ dafür zu
verlangen, dass sie selbst und ihre
Ernte vor Banditen sicher blieben.
Das daraus resultierende zusätzliche „Einkommen“ strich die
„Gesellschaft“ selbst ein. Dem eigentlichen Landbesitzer, in der
Regel ein spanischer Baron, entglitt die Kontrolle über seine Ländereien immer weiter. Schließlich
musste der Don, der sich meist
gar nicht persönlich in Sizilien
aufhielt, seine Besitztümer den erstarkten neuen „Dons“ bzw. ihrer
„ehrenwerten Gesellschaft“ überschreiben. Die Banditengruppen
übernahmen dabei nicht nur die
Ländereien ihrer adeligen Vorgänger, sondern imitierten diese
auch in ihrem Verhalten und in ihren öffentlichen Auftritten. Die
neuen Herren über Sizilien waren
geboren. Die Sizilianer zollten den
neuen „Dons“ und ihren „Parteien“ großen Respekt. Endlich
waren es Männer aus den eigenen
Reihen, die sie beschützten und
führten. Mit der Befreiung
Siziliens von den Bourbonen waren die spanischen Dons auf einen
Schlag verschwunden. Das nutzten
die neuen „Dons“, um ihre Macht
in der sizilianischen Gesellschaft
weiter auszubauen (s. a. Seite 2).
Das Bühnenstück „I mafiusi
di la Vicaria” erlangte neben seiner theatergeschichtlichen Tragweite vor allem auch deshalb
Bedeutung, da hier zum ersten Mal
der Begriff „Mafioso“ in der
heutigen Bedeutung auftauchte.
Zuvor wurden Mafiosi als „camorristi“ bezeichnet, ihre Organisation hieß noch nicht Mafia, sondern „onoratà società“, „partito“
(„Partei“) oder „fratellanza“
(„Bruderschaft“). Der Theaterautor
Gaspare Mosca wurde angeblich
zu seinem Titel inspiriert, als er in
Palermo auf der Straße den Ausruf „Chi vurrisi fari u mafiusu cu
mia?“ („Willst du etwa den
Herrischen mit mir spielen?“) hörte. Der Ausdruck erschien ihm passend für die stolzen und herrischen
kriminellen Figuren, die er auf
der Bühne darstellen wollte. Durch
den Erfolg des Stückes wurde der
Begriff zunächst in Italien und
dann im Ausland populär. Die spätere Substantivierung „Mafia“
drang Ende des 19. Jahrhunderts
auch ins Deutsche, Französische
und Englische durch.
„Mafia“ – Etymologie
Was die Etymologie des Begriffs
betrifft, so sind sich die Sprachwissenschaftler weniger einig. Die
Interpretationen reichen von einem
wahrscheinlicheren
arabischen
Ursprung des Wortes bis hin zu
einer etwas forcierten, historischen
Interpretation. So sind die
Theorien, die den Begriff mit der
so genannten „sizilianischen
Vesper“ im 13. Jahrhundert in
Verbindung bringen, wohl nur
darin begründet, dass die Sizilianer bei der Vertreibung der
Franzosen eine ähnliche Geschlossenheit an den Tag gelegt haben wie später bei der Befreiung
von den Bourbonen. „Mafia“ soll
demnach das Akronym von „Morte
Alla Francia l’Italia Anela“ („Wir
wünschen Frankreich den Tod!
Italien, atme auf!“) sein. Eine andere Theorie bringt „Mafia“ mit
dem Slogan sizilianischer Rebellen
in Verbindung, der dem verzweifelten Hilferuf einer Mutter nachempfunden ist, deren Tochter von
französischen Soldaten entführt
wird („Ma fia, ma fia!“ – „Meine
Tochter, meine Tochter!“). Eine
interessante Deutung ist auch
jene, die hinter „Mafia“ eine
Freimaurerloge
um Giuseppe
Mazzini vermutet, die sich mit
Giuseppe Garibaldi für die Befreiung Italiens eingesetzt haben
soll. Dieser Theorie zufolge ist
„Mafia“ ein Akronym aus
„Mazzini Autorizza Furti Incendi
Avvelenamenti“ („Mazzini genehmigt Überfälle, Brandstiftungen
und Vergiftungen“).
Von den Verfechtern der „arabischen Theorie“ gibt es vier Interpretationsansätze. Ansatz eins:
„Mafia“ stammt von dem arabischen Wort „mahias“, das so viel
wie „dreister Kerl“ oder „unverschämter Kerl“ bedeutet. Ansatz
zwei: Der Terminus „mafia“ setzt
sich zusammen aus dem Partikel
„mu“ (arab. „Unversehrtheit“,
„Kraft“) und „afah“ (arab. „in
Sicherheit bringen“ oder „beschützen“). „Mu afah“ in einem Wort bezeichnet folglich etwas Starkes, das
Sicherheit gewährt. Ansatz drei:
„Mafia“ lässt sich zurückführen
auf einen arabischen Volksstamm,
der zur Jahrhundertwende Palermo
regierte und sich „Ma afir“ nannte.
Mafia, arab. „es existiert nicht“
Die vielleicht spektakulärste
Interpretation wird auch von dem
ehemaligen Bürgermeister von
Palermo und Mafiajäger Leoluca
Orlando vertreten: „Mafia“ bzw.
„maffia“ bedeutet in der arabischen Umgangssprache so viel
wie „er ist nicht da“. Mit langgezogenem „a“ am Ende bekommt
der Satz insistierenden Charakter,
es heißt dann etwa „Ich habe
doch bereits gesagt, dass er nicht
da ist.“ Dieses Wort bekamen
die Normannen im 11. Jahrhundert von Haustür zu Haustür
zu hören, als sie nach der Vertreibung der Araber in den
sizilianischen Dörfern nach versteckten Soldaten suchten. Für
die Normannen blieb die „Mafia“
ein Rätsel: Sie war überall und
blieb dabei doch unsichtbar.
Eine Mafia-Sippe rekrutiert
ihren Nachwuchs im eigenen
Wohnviertel. Auf der Wunschliste
ganz oben stehen junge VollblutSizilianer, die sich nach darwinistischen Grundsätzen der Stärke
und Durchsetzungsfähigkeit von
der Masse abheben.
Ist ein Kandidat erspäht, durchläuft er unbewusst eine Beobachtungsphase, in welcher sein
„padrino“ („Pate“, der Entdecker)
– auch über Jahre hinweg – das
kriminelle Talent des Schützlings
im Auge behält. Erst wenn sich der
Neuling bewährt, wird er in ein
abgelegenes Haus gebracht und
trifft dort auf mindestens drei
Ehrenmänner aus der Sippe. Das
älteste anwesende Mitglied deklamiert das Haus als „Ort des
Schutzes der Schwachen vor der
Willkür der Mächtigen“. Danach
sticht er dem Neuling mit einer
Nadel in den Finger und lässt
das austretende Blut auf ein Heiligenbild tropfen. Das Bild wird
angezündet und dem Neuling in
die Hände gelegt. Der Neuling
lässt das Bild von einer Hand in
die andere wandern, bis es ganz
vom Feuer verzehrt ist. Dabei
schwört er, den Grundsätzen der
Cosa Nostra treu zu bleiben. Er gelobt: „Möge mein Fleisch verbrennen wie dieser Heilige, wenn ich
diesem meinem Eid untreu werde.“
Das Initiationsritual der Mafia
lässt sich wie ein religiöser Ritus
in Trennungsphase, Schwellen-
phase und Angliederungsphase
aufteilen. Im Mittelpunkt der
Zeremonie steht der Neuling.
Seine physische Verwundbarkeit
wird durch den Nadelstich angedeutet. Der Körper ist in seinem
Jetzt-Zustand verwundbar, das
Verlassen der profanen Welt und
der darauffolgende Eintritt in die
elitäre Welt der Mafia bekommt
hiermit seine Rechtfertigung, ja
Notwendigkeit. Das austretende
Blut ist zugleich Zeichen für das
Leben und die Regeneration. Es
impliziert die Möglichkeit einer
„Wiedergeburt der Seele“.
Die besondere Körpererfahrung während des Rituals mit
der Andeutung einer Opfer- und
Schmerzsituation hat sakralen
Charakter. Sie hebt den Akt der
Transformation zum MafiaMitglied in eine spannungsvolle
Grenzebene zwischen Religiösem
und Säkularem. Der mafiose Initiationsritus kann also zwischen
die Kategorien „Kult“ und „Zeremonie“ eingeordnet werden.
Ebenso in religiösem Kontext stehen die Heiligenkarte, die dem im
Ritual vermittelten Kodex eine höhere Verbindlichkeit gibt, und die
Feuersymbolik, die im christlichen
Glauben Zeichen für Tod und
Wiederauferstehung ist. Am Ende
des Schwurs findet sich der
Neuling im Status „uomo d’onore“
wieder. Seine neue symbolische
Mutter ist die höchste mafiose
Instanz: Die „mammasantissima“
(etwa: „heiligste Mutter“).
Nach dem Ritual wird der Mafia-Neuling ausgiebig gefeiert.
Seite 6
WISSENSCHAFT
WISSENSCHAFT
LOKALES
Seite 7
Über den Initiationsritus der Cosa Nostra
Die sizilianische Mafia ist
streng genommen knapp 150 Jahre
alt. Ihre Geburt geht einher mit
der Gründung der italienischen
Nationalstaats und der Entstehung
einer eigenständigen lokalen
Kunstgattung, dem „teatro dialettale moderno“. In dem Debütwerk
des „Modernen Dialekttheaters“
taucht der Begriff „Mafioso“ erstmals in seiner kriminellen
Bedeutung auf (Seite 7). Doch das
Phänomen „Mafia“ ist weit älter:
Es findet sich nicht erst in der kriminellen Organisation, sondern ist
tief im Wesen des Sizilianers verwurzelt. Mafia ist zunächst einmal
eine Geisteshaltung, die sich auf
dem soziologischen Konzept der
„Sizilianität“ begründet.
Außergewöhnlichkeit der sizilianischen Gesellschaft innerhalb der
nationalen und europäischen
Geschichte begründet.“ Der aus
der „Sicilianità“ entstandene
und für das Funktionieren der
Mafia grundlegende (Sprach-)
Code kann nur von Sizilianern instinktiv entschlüsselt werden. Da
die Mafia mit Hilfe dieses Codes
kommuniziert, ist es NichtSizilianern schwer möglich, ihn
zu verstehen oder überhaupt zu
entdecken. Vor allem für Touristen, die zwar glauben, an jeder
Ecke Siziliens die Mafia in
Sonnenbrille und schwarzem
Anzug entdecken zu können,
bleibt die eigentliche Mafia in der
Regel unsichtbar.
„Sicilianità“
Unter „sicilianità“ verstehen
Soziologen die spezifische sizilianische Denkweise, die sich in der
drei Jahrtausende alten, hauptsächlich von Unterdrückung und
Ausbeuterei geprägten Geschichte
der Insel unbewusst in den Köpfen
der Menschen festgesetzt hat. Das
Misstrauen des Sizilianers richtet
sich gegen alles, was von außen
in seine Welt einwirkt. Gegen jede
neue Herrschaft (wie die der
Phönizier, Griechen, Araber oder
Normannen, um nur einige zu
nennen), die wie die Herrschaft
zuvor Leid und Elend über die
Insel bringen wird. In seiner
gesamten Geschichte hat das sich
ständig neu vermischende, bunte
sizilianische Volk nie die Möglichkeit bekommen, eine eigene politische Identität zu finden. Es wurde nie zum „Subjekt seiner
Geschichte“.
„Sicilianità“ regiert die Köpfe
der Sizilianer unbewusst. Ebenso unbewusst findet sie ihren
Ausdruck in zwei Phänomenen
der sizilianischen Kultur: zum ei-
“Sicilianità“ ist – so formulierte
es ein sizilianischer Schriftsteller
– das „gleichermaßen gewaltige
und konfuse Gefühl der Solidarität zwischen Sizilianern“, das
sich in einem „radikalisierten
Massen-Opfergefühl“ und dem
„soziologischen Bewusstsein der
nen im Konzept der Mafia, zum
anderen aber in der sizilianischen
Kunst, insbesondere dem Theater.
Mit der Befreiung Siziliens
durch Giuseppe Garibaldi im
Jahr 1860 war für die Sizilianer der Zeitpunkt gekommen,
ihr politisches Schicksal in die
eigenen Hände zu nehmen. Aus
dieser Situation heraus entstand
das „teatro dialettale moderno“,
dessen erstes Stück „I mafiusi
di la Vicaria“ das neue politische
und kulturelle Selbstbewusstsein
der Sizilianer reflektiert. Die in
dieser Komödie agierenden
Hauptfiguren
stellen
frühe
Mafiosi dar, deren Vorbild die
so genannten „Gabelloti“ (von
„gabello“ = „Steuer“, „Pacht“)
waren, die um die Mitte des
19. Jahrhunderts während der
spanischen Besetzung das sizilianische Hinterland unsicher
machten.
Frühe Mafiosi: „Gabelloti“ überwachen „ihre“ Felder.
Die „Gabelloti“
Die „Gabelloti“ waren sizilianische Wächter, die von spanischen Großgrundbesitzern zur
Beaufsichtigung ihrer Ländereien
abgestellt wurden. Dabei hatten sie nicht nur die Aufgabe, die
Latifundien ihrer Dons vor
Banditengruppen zu schützen,
sondern waren zudem dafür verantwortlich, dass die pachtenden
Bauern eine reiche Ernte einbrachten.
Um diese Aufgaben erfüllen zu
können, scharten die Wächter eine
kleine Miliz von gewalttätigen Banditen um sich. Mit dieser schlagkräftigen Unterstützung machten
sie sich auf, von den Bauern zusätzliches „Schutzgeld“ dafür zu
verlangen, dass sie selbst und ihre
Ernte vor Banditen sicher blieben.
Das daraus resultierende zusätzliche „Einkommen“ strich die
„Gesellschaft“ selbst ein. Dem eigentlichen Landbesitzer, in der
Regel ein spanischer Baron, entglitt die Kontrolle über seine Ländereien immer weiter. Schließlich
musste der Don, der sich meist
gar nicht persönlich in Sizilien
aufhielt, seine Besitztümer den erstarkten neuen „Dons“ bzw. ihrer
„ehrenwerten Gesellschaft“ überschreiben. Die Banditengruppen
übernahmen dabei nicht nur die
Ländereien ihrer adeligen Vorgänger, sondern imitierten diese
auch in ihrem Verhalten und in ihren öffentlichen Auftritten. Die
neuen Herren über Sizilien waren
geboren. Die Sizilianer zollten den
neuen „Dons“ und ihren „Parteien“ großen Respekt. Endlich
waren es Männer aus den eigenen
Reihen, die sie beschützten und
führten. Mit der Befreiung
Siziliens von den Bourbonen waren die spanischen Dons auf einen
Schlag verschwunden. Das nutzten
die neuen „Dons“, um ihre Macht
in der sizilianischen Gesellschaft
weiter auszubauen (s. a. Seite 2).
Das Bühnenstück „I mafiusi
di la Vicaria” erlangte neben seiner theatergeschichtlichen Tragweite vor allem auch deshalb
Bedeutung, da hier zum ersten Mal
der Begriff „Mafioso“ in der
heutigen Bedeutung auftauchte.
Zuvor wurden Mafiosi als „camorristi“ bezeichnet, ihre Organisation hieß noch nicht Mafia, sondern „onoratà società“, „partito“
(„Partei“) oder „fratellanza“
(„Bruderschaft“). Der Theaterautor
Gaspare Mosca wurde angeblich
zu seinem Titel inspiriert, als er in
Palermo auf der Straße den Ausruf „Chi vurrisi fari u mafiusu cu
mia?“ („Willst du etwa den
Herrischen mit mir spielen?“) hörte. Der Ausdruck erschien ihm passend für die stolzen und herrischen
kriminellen Figuren, die er auf
der Bühne darstellen wollte. Durch
den Erfolg des Stückes wurde der
Begriff zunächst in Italien und
dann im Ausland populär. Die spätere Substantivierung „Mafia“
drang Ende des 19. Jahrhunderts
auch ins Deutsche, Französische
und Englische durch.
„Mafia“ – Etymologie
Was die Etymologie des Begriffs
betrifft, so sind sich die Sprachwissenschaftler weniger einig. Die
Interpretationen reichen von einem
wahrscheinlicheren
arabischen
Ursprung des Wortes bis hin zu
einer etwas forcierten, historischen
Interpretation. So sind die
Theorien, die den Begriff mit der
so genannten „sizilianischen
Vesper“ im 13. Jahrhundert in
Verbindung bringen, wohl nur
darin begründet, dass die Sizilianer bei der Vertreibung der
Franzosen eine ähnliche Geschlossenheit an den Tag gelegt haben wie später bei der Befreiung
von den Bourbonen. „Mafia“ soll
demnach das Akronym von „Morte
Alla Francia l’Italia Anela“ („Wir
wünschen Frankreich den Tod!
Italien, atme auf!“) sein. Eine andere Theorie bringt „Mafia“ mit
dem Slogan sizilianischer Rebellen
in Verbindung, der dem verzweifelten Hilferuf einer Mutter nachempfunden ist, deren Tochter von
französischen Soldaten entführt
wird („Ma fia, ma fia!“ – „Meine
Tochter, meine Tochter!“). Eine
interessante Deutung ist auch
jene, die hinter „Mafia“ eine
Freimaurerloge
um Giuseppe
Mazzini vermutet, die sich mit
Giuseppe Garibaldi für die Befreiung Italiens eingesetzt haben
soll. Dieser Theorie zufolge ist
„Mafia“ ein Akronym aus
„Mazzini Autorizza Furti Incendi
Avvelenamenti“ („Mazzini genehmigt Überfälle, Brandstiftungen
und Vergiftungen“).
Von den Verfechtern der „arabischen Theorie“ gibt es vier Interpretationsansätze. Ansatz eins:
„Mafia“ stammt von dem arabischen Wort „mahias“, das so viel
wie „dreister Kerl“ oder „unverschämter Kerl“ bedeutet. Ansatz
zwei: Der Terminus „mafia“ setzt
sich zusammen aus dem Partikel
„mu“ (arab. „Unversehrtheit“,
„Kraft“) und „afah“ (arab. „in
Sicherheit bringen“ oder „beschützen“). „Mu afah“ in einem Wort bezeichnet folglich etwas Starkes, das
Sicherheit gewährt. Ansatz drei:
„Mafia“ lässt sich zurückführen
auf einen arabischen Volksstamm,
der zur Jahrhundertwende Palermo
regierte und sich „Ma afir“ nannte.
Mafia, arab. „es existiert nicht“
Die vielleicht spektakulärste
Interpretation wird auch von dem
ehemaligen Bürgermeister von
Palermo und Mafiajäger Leoluca
Orlando vertreten: „Mafia“ bzw.
„maffia“ bedeutet in der arabischen Umgangssprache so viel
wie „er ist nicht da“. Mit langgezogenem „a“ am Ende bekommt
der Satz insistierenden Charakter,
es heißt dann etwa „Ich habe
doch bereits gesagt, dass er nicht
da ist.“ Dieses Wort bekamen
die Normannen im 11. Jahrhundert von Haustür zu Haustür
zu hören, als sie nach der Vertreibung der Araber in den
sizilianischen Dörfern nach versteckten Soldaten suchten. Für
die Normannen blieb die „Mafia“
ein Rätsel: Sie war überall und
blieb dabei doch unsichtbar.
Eine Mafia-Sippe rekrutiert
ihren Nachwuchs im eigenen
Wohnviertel. Auf der Wunschliste
ganz oben stehen junge VollblutSizilianer, die sich nach darwinistischen Grundsätzen der Stärke
und Durchsetzungsfähigkeit von
der Masse abheben.
Ist ein Kandidat erspäht, durchläuft er unbewusst eine Beobachtungsphase, in welcher sein
„padrino“ („Pate“, der Entdecker)
– auch über Jahre hinweg – das
kriminelle Talent des Schützlings
im Auge behält. Erst wenn sich der
Neuling bewährt, wird er in ein
abgelegenes Haus gebracht und
trifft dort auf mindestens drei
Ehrenmänner aus der Sippe. Das
älteste anwesende Mitglied deklamiert das Haus als „Ort des
Schutzes der Schwachen vor der
Willkür der Mächtigen“. Danach
sticht er dem Neuling mit einer
Nadel in den Finger und lässt
das austretende Blut auf ein Heiligenbild tropfen. Das Bild wird
angezündet und dem Neuling in
die Hände gelegt. Der Neuling
lässt das Bild von einer Hand in
die andere wandern, bis es ganz
vom Feuer verzehrt ist. Dabei
schwört er, den Grundsätzen der
Cosa Nostra treu zu bleiben. Er gelobt: „Möge mein Fleisch verbrennen wie dieser Heilige, wenn ich
diesem meinem Eid untreu werde.“
Das Initiationsritual der Mafia
lässt sich wie ein religiöser Ritus
in Trennungsphase, Schwellen-
phase und Angliederungsphase
aufteilen. Im Mittelpunkt der
Zeremonie steht der Neuling.
Seine physische Verwundbarkeit
wird durch den Nadelstich angedeutet. Der Körper ist in seinem
Jetzt-Zustand verwundbar, das
Verlassen der profanen Welt und
der darauffolgende Eintritt in die
elitäre Welt der Mafia bekommt
hiermit seine Rechtfertigung, ja
Notwendigkeit. Das austretende
Blut ist zugleich Zeichen für das
Leben und die Regeneration. Es
impliziert die Möglichkeit einer
„Wiedergeburt der Seele“.
Die besondere Körpererfahrung während des Rituals mit
der Andeutung einer Opfer- und
Schmerzsituation hat sakralen
Charakter. Sie hebt den Akt der
Transformation zum MafiaMitglied in eine spannungsvolle
Grenzebene zwischen Religiösem
und Säkularem. Der mafiose Initiationsritus kann also zwischen
die Kategorien „Kult“ und „Zeremonie“ eingeordnet werden.
Ebenso in religiösem Kontext stehen die Heiligenkarte, die dem im
Ritual vermittelten Kodex eine höhere Verbindlichkeit gibt, und die
Feuersymbolik, die im christlichen
Glauben Zeichen für Tod und
Wiederauferstehung ist. Am Ende
des Schwurs findet sich der
Neuling im Status „uomo d’onore“
wieder. Seine neue symbolische
Mutter ist die höchste mafiose
Instanz: Die „mammasantissima“
(etwa: „heiligste Mutter“).
Nach dem Ritual wird der Mafia-Neuling ausgiebig gefeiert.
PA N O R A M A
Tony Soprano bei der Arbeit.
Was hat Sie an der Rolle gereizt?
James Gandolfini: Das Drehbuch
war total bizarr, aber sehr gut geschrieben. In der einen Minute
muss man lachen, in der nächsten
spritzt das Blut. Wie im richtigen
Leben: Man weiß nie, was einen
erwartet. Das Drehbuch war mal
etwas anderes. David Chase,
Drehbuchschreiber und Produzent, ist auch in New Jersey aufgewachsen. Er weiß, was dort läuft.
Seine Geschichten sind echt und
voller Leben. Denn als Kind hat er
sie dort erlebt.
Was unterscheidet diese Serie
von anderen Fernsehserien?
JG: Der Zuschauer erlebt eine
Familie, die er sonst nie kennen
lernen würde. Wie soll ich es beschreiben? Also Dominic zum
Beispiel ist über 65 Jahre alt und
rennt den Weibern hinterher.
Welche Serie zeigt so etwas? Das
ist das Geheimnis der Serie: Wir
zeigen Dinge, die andere sich
nicht trauen würden.
Wie würden sie Tony beschreiben?
JG: Er ist schon eine tragische
Figur. Immer wenn er denkt, dass
er das Richtige tut, dann ist es
hundertprozentig nicht richtig.
In der einen Episode jagt er das
Restaurant seines Freundes in die
Luft, nur um zu verhindern, dass
jemand erschossen wird. Ja, so denkt
Tony eben. Er macht immer alles
schlimmer, als es eh schon ist.
Was ist sein Dilemma?
JG: Dass er eine Familie hat. Er
hat Kinder. Als seine Tochter anfing, Fußball zu spielen, musste er
sich mit dem Fußballtrainer auseinander setzen. Er hat einfach
zu viele Probleme neben seiner
Arbeit mit der Mafia. Seine richtige Familie macht ihm fast mehr
Scherereien als seine MafiaFamilie. Und genau hier entsteht
die Komik des Ganzen. Immer
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wenn Tony gerade ein Feuer gelöscht hat, dann brennt es auf
der anderen Seite. Diese Rolle ist
schon ein bisschen komisch: Seine
Mutter macht Tony fertig, seine
Freunde machen ihn fertig, seine
Familie macht ihn fertig ...
Was ist Ihre Lieblingsepisode?
JG: Hmm, ich glaube „College“ mit
meiner Tochter Meadow. Tony ist
mit seiner Tochter unterwegs, um
sich ein College anzusehen. Da trifft
er auf einen Typen, der noch auf seiner Abschussliste steht. Also muss
er seine Tochter loswerden, den
Typen finden und ihn umbringen.
Die Mafia faszinierte die
Zuschauer schon immer. Woran
mag das liegen?
JG: Die Leute stehen einfach auf
Gesetzlose. Die Mafia ist auch ein
Haufen von Gesetzlosen und
Untreuen.
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Time Warner Entertainment
Die wichtigsten Gruppierungen der Mafia
Der Begriff „Mafia“ ist streng
genommen eine literarische
Schöpfung. Jede von dem
Phänomen betroffene Region hat
einen anderen Namen für die
„ehrenwerte Gesellschaft“.
„Cosa Nostra“: Der Begriff bedeutet wörtlich übersetzt „Unsere
Sache“ und meint sowohl die sizilianische als auch die von sizi-
lianischen Immigranten Ende des
19. Jahrhunderts gegründete italoamerikanische Mafia.
„Camorra“: Die ursprünglichste Bezeichnung für das
Phänomen „Mafia“ bedeutet
wörtlich „Streit (suchen)“ und
betitelt heute vor allem die Mafia
in Kampanien. Hauptstadt der
Camorra ist Neapel.
„N’Drangheta“: Der Begriff
meint die „ehrenwerte Gesellschaft“ Kalabriens. Das Zentrum
der „N’Drangheta“ liegt in der
Provinz Crotone.
„Sacra Corona Unita“: Die
„Heilige vereinigte Krone“ ist die
jüngste Gruppierung der Mafia.
Sie wirkt vor allem in Apulien
(Hauptstadt: Bari).
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