die weltwirtschaft: eine millenniumsperspektive
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die weltwirtschaft: eine millenniumsperspektive
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September 1961 in Kraft getretenen Übereinkommens fördert die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) eine Politik, die darauf gerichtet ist: – in den Mitgliedstaaten unter Wahrung der finanziellen Stabilität eine optimale Wirtschaftsentwicklung und Beschäftigung sowie einen steigenden Lebensstandard zu erreichen und dadurch zur Entwicklung der Weltwirtschaft beizutragen; – in den Mitglied- und Nichtmitgliedstaaten, die in wirtschaftlicher Entwicklung begriffen sind, zu einem gesunden wirtschaftlichen Wachstum beizutragen, und – im Einklang mit internationalen Verpflichtungen auf multilateraler und nicht diskriminierender Grundlage zur Ausweitung des Welthandels beizutragen. Die Gründungsmitglieder der OECD sind: Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Irland, Island, Italien, Kanada, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Österreich, Portugal, Schweden, Schweiz, Spanien, Türkei, Vereinigtes Königreich und Vereinigte Staaten. Folgende Staaten wurden zu den nachstehend genannten Daten Mitglieder der OECD: Japan (28. April 1964), Finnland (28. Januar 1969), Australien (7. Juni 1971), Neuseeland (29. Mai 1973), Mexiko (18. Mai 1994), die Tschechische Republik (21. Dezember 1995), Ungarn (7. Mai 1996), Polen (22. November 1996), Korea (12. Dezember 1996) und die Slowakische Republik (14. Dezember 2000). Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften nimmt an den Tätigkeiten der OECD teil (Artikel 13 des Übereinkommens über die OECD). Das Entwicklungszentrum der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung wurde auf Beschluss des Rats der OECD am 23. Oktober 1962 gegründet. Dem Zentrum sind 23 OECD-Mitgliedsländer angeschlossen: Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Island, Italien, Kanada, Korea, Luxemburg, Mexiko, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, Schweiz, Spanien, Slowakische Republik und Tschechische Republik. Seit März 1994 nehmen auch Argentinien und Brasilien, seit November 1998 Chile und seit Februar 2001 Indien daran teil. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften ist ebenfalls im Beirat des Zentrums vertreten. Aufgabe des Zentrums ist es, die in den Mitgliedsländern verfügbaren Kenntnisse und Erfahrungen über Wirtschaftsentwicklung und die Formulierung und Umsetzung allgemeiner wirtschaftspolitischer Maßnahmen zusammenzutragen, diese Kenntnisse und Erfahrungen den realen Erfordernissen der im Entwicklungsprozess befindlichen Länder und Regionen anzupassen und ihnen die Ergebnisse im Rahmen geeigneter Mechanismen zur Verfügung zu stellen. Das Zentrum hat innerhalb der OECD einen besonderen und autonomen Status, der ihm wissenschaftliche Unabhängigkeit bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben gewährt. Es kann aber auf die in der OECD verfügbaren Erfahrungen und Kenntnisse über Entwicklungsfragen zurückgreifen. FÜR DIE IN DIESER VERÖFFENTLICHUNG WIEDERGEGEBENEN AUFFASSUNGEN UND ARGUMENTE ZEICHNET ALLEIN DER VERFASSER VERANTWORTLICH. SIE DECKEN SICH NICHT ZWANGSLÄUFIG MIT DENEN DER OECD ODER DER REGIERUNGEN IHRER MITGLIEDSLÄNDER. Originalfassungen veröffentlicht unter dem Titel: The World Economy: A Millennial Perspective L’économie mondiale : une perspective millénaire © OECD 2001 © OECD 2004 Genehmigungen zum Nachdruck von Teilen dieses Werks für nichtkommerzielle Zwecke oder zur Verwendung im Unterricht sind einzuholen beim Centre français d’exploitation du droit de copie (CFC), 20, rue des Grands-Augustins, 75006 Paris, Frankreich, tel: (33-1) 44 07 47 70, fax: (33-1) 46 34 67 19. Dies gilt für alle Länder mit Ausnahme der Vereinigten Staaten, wo das Copyright Clearance Center Inc. (CCC), Customer Service, tel: (508)750-8400, 222 Rosewood Drive, Danvers, MA 01923, USA oder CCC online: www.copyright.com die entsprechenden Genehmigungen erteilt. Alle sonstigen Anträge auf Überlassung von Nachdruck- oder Übersetzungsrechten für das gesamte Dokument oder Teile davon sind zu richten an: OECD Publications, 2, rue André-Pascal, 75775 Paris Cedex 16, Frankreich. Geleitwort Kurz nach meinem Amtsantritt bei der OECD im Jahr 1996 stieß ich auf Angus Maddisons Untersuchung „Monitoring the World Economy 1820-1992“. Dieses zugleich faszinierende und geistig anregende Werk vermittelt einen vollständigen Überblick über die Weltwirtschaft innerhalb des besagten Zeitraums. Es enthält Angaben über rund 56 Länder, auf die 93% der Weltproduktion und 87% der Weltbevölkerung sowie der Weltexporte entfallen. Dieses Buch befindet sich seitdem stets griffbereit neben mir. Ich stehe mit meiner Wertschätzung für dieses außergewöhnliche Werk offensichtlich nicht alleine, entdecke ich doch immer wieder, dass auch in anderen Untersuchungen ständig daraus zitiert wird. Angesichts der nahenden Jahrhundertwende schien mir der Zeitpunkt gekommen, eine leichte Überarbeitung des Buches vorzunehmen, um es einer breiten Leserschaft zugänglich zu machen und die darin enthaltene Analyse um die Daten für das Ende des 20. Jahrhunderts bzw. des 2. Jahrtausends zu ergänzen. Ich erörterte diese Idee mit Professor Maddison, der ihr zu meiner großen Freude zustimmte. Was der Autor dank seiner enormen Schaffenskraft und Geistesgaben jedoch letztlich daraus gemacht hat, ist ein Werk von einem Umfang und Tiefgang, wie ich es nicht für möglich gehalten hätte: Es deckt die Entwicklung der gesamten Weltwirtschaft während der vergangenen 2000 Jahre ab. Der Autor gibt einen im wahren Sinne des Wortes globalen Überblick über das weltweite Wachstum innerhalb dieses Zeitraums, wobei er die Veränderungen während dieser Zeitspanne sowohl in chronologischer als auch in geographischer Hinsicht untersucht. Damit greift dieses Werk weiter aus als irgendeine der bisherigen OECDVeröffentlichungen, ja, man könnte fast sagen, als jede andere Veröffentlichung, die derzeit auf dem Weltbuchmarkt existiert. Schon der Umfang der Analyse ist atemberaubend. Und es gibt wohl kaum ein anderes wirtschaftshistorisches Buch mit einem so weit gespannten geographischen und zeitlichen Horizont. Schließlich beschränkt sich die Analyse trotz ihrer vorwiegend ökonomischen Ausrichtung nicht allein auf diesen Aspekt, sondern bezieht vielmehr nach und nach zahlreiche andere Bereiche mit ein, wie Geschichte, Geographie oder Demographie, um nur einige zu nennen. Es ist dieser multidisziplinäre Ansatz, der den eigentlichen, unverwechselbaren Wert des Buches ausmacht. Angesichts seiner Bedeutung und seiner weltumspannenden Thematik wird das vorliegende Werk zweifelsohne überall in der Welt eine breite Leserschaft finden und zu einem Referenzwerk für Hochschulkreise, Schüler, Studenten und Fachleute, aber auch für die allgemeine Öffentlichkeit werden. Ich bin überzeugt, dass dieses Buch zu Hause, in Büros und Büchereien überall auf der Welt seinen Platz finden und für lange Zeit Einzug halten wird. Und in dem neuen Jahrtausend, dessen Schwelle wir gerade erst überschritten haben, wird es zweifellos Ausgangspunkt und Anregung für weitere Untersuchungen dieser Art bilden. Wir alle schulden Angus Maddison, der die an ihn herangetragene Herausforderung nicht nur angenommen, sondern auch Ergebnisse vorgelegt hat, die meine ursprünglichen Erwartungen bei weitem übertreffen, großen Dank. John Maynard Keynes schrieb einmal, dass ein Wirtschaftswissenschaftler die Gegenwart im Licht der Vergangenheit und in der Perspektive der Zukunft betrachten sollte. Nie zuvor stand uns für die Verfolgung dieses Ziels ein ähnlich reiches Grundlagenmaterial zur Verfügung. Donald Johnston Generalsekretär der OECD 3 Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Geleitwort ............................................................................................................................................... 3 Dank ....................................................................................................................................................... 13 Vorwort .................................................................................................................................................. 15 Einleitung und Zusammenfassung ......................................................................................................... 17 Kapitel 1 Die weltweite Entwicklung in ihren großen Konturen ....................................................... 29 Kapitel 2 Entwicklung des Abendlands und Auswirkungen auf die übrige Welt, 1000-1950 ........... 53 Kapitel 3 Die Weltwirtschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts .......................................... 141 Anhang A Wachstum und Niveau der Weltbevölkerung, des BIP und des Pro-Kopf-BIP, Referenzjahre 1820-1998 .................................................................................................... 189 Anhang B Weltweites Wachstum von Bevölkerung, BIP und Pro-Kopf-BIP, vor 1820 ...................... 255 Anhang C Jährliche Schätzungen der Bevölkerung, des BIP und des Pro-Kopf-BIP für 124 Länder, 7 Regionen und die Welt insgesamt, 1950-1998 ............................................ 297 Anhang D Wachstum und Leistungsniveau von 27 ehemals kommunistischen Ländern, 1990-1998 .... 365 Anhang E Beschäftigung, geleistete Arbeitsstunden und Arbeitsproduktivität ................................... 373 Anhang F Wert und Volumen der Ausfuhr, 1870-1998 ...................................................................... 387 Literaturverzeichnis ................................................................................................................................ 393 Texttabellen 1.1 Bevölkerungszahl und Bevölkerungswachstum: Welt und Hauptregionen, 0-1998 ................. 30 1.2 Niveau und Zuwachsrate des Pro-Kopf-BIP, Welt und Hauptregionen, 0-1998 ....................... 30 1.3 Niveau und Zuwachsrate des BIP: Welt und Hauptregionen, 0-1998 ....................................... 30 1.4 Lebenserwartung und Säuglingssterblichkeit, beide Geschlechter zusammen, 33-1875 ............. 31 1.5a Geburtenraten und Lebenserwartung, 1820-1998/99 ................................................................ 32 1.5b Durchschnittliche Lebenserwartung für die Gruppen A und B, 1000-1999 .............................. 33 1.5c Zuwachsrate der Lebenserwartung in den Gruppen A und B, 1000-1999 ................................ 33 1.6a Bevölkerungszahlen Westeuropa, 0-1998 ................................................................................. 34 1.6b Bevölkerungswachstum Westeuropa, 0-1998 ........................................................................... 34 1.7a Bevölkerungswachstum: große Einwanderungsländer einschl. Lateinamerika in vergleichender Perspektive, 1500-1998 ................................................................................ 37 Vergleich des Bevölkerungswachstums in Amerika und in den früheren europäischen Mutterländern, 1500-1998 ......................................................................................................... 37 1.7b 5 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive 1.7c Verschiffung afrikanischer Sklaven nach Amerika, 1500-1870 ................................................ 37 1.7d Nettomigration nach Brasilien, Australien und den Vereinigten Staaten sowie aus dem Vereinigten Königreich, 1500-1998 .......................................................................................... 37 1.8a Vergleich des Bevölkerungswachstums: Japan, China und Westeuropa, 0-1998 ..................... 44 1.8b Bevölkerungszuwachsraten: Japan, China und Westeuropa, 0-1998 ......................................... 44 1.8c Urbanisationsquote: Japan, China und Westeuropa, 1000-1890 ............................................... 44 1.9a Wachstum des Pro-Kopf-BIP nach großen Regionen, 1000-1998 ............................................ 50 1.9b Höhe des Pro-Kopf-BIP: Gruppen A und B, 1000-1998 ........................................................... 50 1.9c Bevölkerung der Gruppen A und B, 1000-1998 ....................................................................... 50 1.9d BIP der Gruppen A und B, 1000-1998 ...................................................................................... 50 2.1 Bevölkerung des Venezianischen Imperiums im Jahr 1557 ...................................................... 58 2.2 Größe und Ladekapazität venezianischer Handelsgaleeren, 1318-1559 ................................... 59 2.3 Bevölkerung der 31 größten westeuropäischen Städte, 1500-1800 .......................................... 60 2.4 Zuckerproduktion nach Herkunftsgebieten, 1456-1894 ............................................................ 64 2.5 Sklavenverschiffung über den Atlantik durch Portugal und seine Konkurrenten, 1701-1800 .. 65 2.6 Zahl der auf der Asien-Route verkehrenden Schiffe aus 7 europäischen Ländern, 1500-1800 .. 70 2.7 Fahrten portugiesischer Schiffe nach und von Asien, 1500-1800 ............................................. 70 2.8 Gold- und Silberlieferungen von Amerika nach Europa, 1500-1800 ........................................ 70 2.9 Chinesische Silberimporte nach Herkunftsland, 1550-1700 ...................................................... 71 2.10 Silber- und Goldexporte aus Westeuropa, 1601-1780 .............................................................. 71 2.11 Chinesische Schifffahrtsdiplomatie: Fahrten zu den „westlichen Meeren“, 1405-1433 ........... 75 2.12 Umtauschkurse zwischen Papiergeld der Ming-Dynastie und Silber, 1376-1426 .................... 76 2.13 Warenmäßige Zusammensetzung der brasilianischen Exporte, 1821-1951 .............................. 80 2.14 Gegenüberstellung der Wirtschaftsergebnisse Brasiliens und der USA in den fünf Hauptphasen der brasilianischen Entwicklung, 1500-1998 .................................... 83 2.15 Frachtkapazität der niederländischen und anderer Handelsflotten, 1470-1824 ......................... 86 2.16 Niederländische Handelsschiffe, nach Aktivitäten, um das Jahr 1670 ...................................... 86 2.17 Beschäftigung in der niederländischen Schifffahrt, nach Aktivitäten, 1610-1770 .................... 86 2.18a Beteiligung der Niederlande an militärischen Auseinandersetzungen in Europa, sechziger Jahre des 16. Jahrhunderts bis 1815 .......................................................................... 91 2.18b Größe der europäischen Armeen, 1470-1814 ............................................................................ 91 2.19 Niederländischer Warenhandel, 1650 bis 1770er Jahre ............................................................. 91 2.20 Warenmäßige Zusammensetzung der europäischen Exporte von Asien nach Europa, 1513-1780 ................................................................................................................................. 95 2.21a „Punktion“ Indonesiens durch die Niederlande, 1698-1930 ..................................................... 99 2.21b „Punktion“ Indiens durch England, 1868-1930 ......................................................................... 99 2.21c Wachstum der indonesischen Bevölkerung und Realeinkommen nach ethnischen Gruppen, 1700-1929 ....................................................................................... 99 2.22a Höhe des Pro-Kopf-BIP der europäischen Kolonialmächte und der früheren Kolonien, 1500-1998 ................................................................................................................................. 101 6 Inhaltsverzeichnis 2.22b Wachstum des Pro-Kopf-BIP der europäischen Kolonialmächte und der früheren Kolonien, 1500-1998 .................................................................................................. 101 2.23 Struktur des britischen Warenhandels nach Herkunfts- und Bestimmungsregionen, 1710-1996 .. 106 2.24 Beschäftigungsstruktur in den Niederlanden, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten, 1700-1998 ......................................................................................... 108 2.25a Frachtkapazität der britischen und der internationalen Schifffahrt, 1470-1913 ........................ 108 2.25b Komparative Wachstumsraten der britischen und der internationalen Frachtkapazität sowie des BIP, 1570-1913 ......................................................................................................... 108 2.26a Bruttonominalwert des im Ausland investierten Kapitals im Jahr 1914 ................................... 113 2.26b Bruttonominalwert des im Ausland investierten Kapitals im Jahr 1938 ................................... 113 2.27 Bruttonominalwert des in neun wichtigen Empfängerländern investierten Auslandskapitals, 1913 .............................................................................................................. 113 Bevölkerung der britischen Kolonien und ehemaligen britischen Besitzungen in Amerika, 1750 und 1830 ........................................................................................................................... 120 Bevölkerung der britischen Besitzungen in Asien, Afrika, Australien und Europa im Jahr 1830 .............................................................................................................................. 128 2.30 Vergleich der makroökonomischen Ergebnisse Indiens und Englands, 1600-1947 ................. 128 3.1a Wachstum von Pro-Kopf-BIP, Bevölkerung und BIP: Welt und große Regionen, 1000-1998 ..... 142 3.1b Niveau des Pro-Kopf-BIP und Gefälle zwischen den Regionen, 1000-1998 ............................ 142 3.1c Anteile am Welt-BIP, 1000-1998 .............................................................................................. 143 3.2a Wachstum des Warenexportvolumens, Welt und große Regionen, 1870-1998 ........................ 143 3.2b Warenexporte in Prozent des BIP zu Preisen von 1990, Welt und große Regionen, 1870-1998 .. 143 3.2c Prozentualer Anteil der Regionen an den Weltexporten, 1870-1998 ........................................ 143 3.3 Bruttowert der Auslandskapitalbestände in Entwicklungsländern, 1870-1998 ......................... 144 3.4 Nettomigration: Westeuropa, Japan und große Einwanderungsländer, 1870-1998 .................. 144 3.5 Pro-Kopf-BIP in den drei erfolgreichsten Phasen des kapitalistischen Zeitalters ..................... 145 3.6 Wirtschaftliche Merkmale der zwanzig größten Länder, 1998 ................................................. 146 3.7 Westeuropa und Vereinigte Staaten: Konvergenzgrad bei Produktivität und Pro-Kopf-BIP, 1950-1998 .................................................................................................. 148 3.8 Arbeitslosigkeit und Inflation in fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern, 1950-1998 ........ 150 3.9 Gesamte Staatsausgaben in Prozent des BIP zu jeweiligen Preisen: Westeuropa, Vereinigte Staaten und Japan, 1913-1999 ................................................................................. 151 Bestand an Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland: Vereinigte Staaten, Japan, Deutschland und Vereinigtes Königreich, 1989-1998 .................... 154 Wachstum des Warenimportvolumens und BIP-Anteil der Importe: Westeuropa, Japan und Vereinigte Staaten, 1950-1998 ............................................................ 154 3.12 Aktienkursindizes in Landeswährung, Japan, Vereinigte Staaten und Westeuropa, 1950-1999 ... 158 3.13 Wechselkurse: nationale Währungseinheiten je US-Dollar, Japan und Westeuropa,1950-1999 ... 158 3.14 Veränderungen des Pro-Kopf-BIP-Wachstums: die wirtschaftliche Renaissance Asiens in vergleichender Perspektive, 1913-1999 ................................................................................ 161 2.28 2.29 3.10 3.11 7 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive 3.15 Merkmale der Wachstumsergebnisse in den wieder erstarkenden Ländern Asiens, 1950-1999 ... 164 3.16 Bestand ausländischer Direktinvestitionen, insgesamt und pro Kopf, wichtigste Länder und Regionen sowie Welt insgesamt, 1998 ............................................................................... 165 Jährliche prozentuale Veränderung des realen Pro-Kopf-BIP, Japan und wieder erstarkende asiatische Länder, 1997-1999 ..................................................................... 166 Wechselkurse: nationale Währungseinheiten je US-Dollar in den asiatischen Ländern, 1973-1999 ................................................................................................................................. 166 Gesamtwirtschaftliche Ersparnis fünf ostasiatischer Länder vor und nach der Krise, in Prozent des BIP, 1990-1998 .................................................................................................. 167 3.20 Pro-Kopf-BIP in sechs Problemvolkswirtschaften Ostasiens, 1950-1998 ................................ 168 3.21 Weltproduktion von Rohöl und Erdgas, 1950-1999 .................................................................. 169 3.22 Wirtschaftsergebnisse Lateinamerikas, 1870-1999 ................................................................... 172 3.23 Pro-Kopf-Wachstum in der ehemaligen UdSSR und in Osteuropa, 1950-1998 ....................... 176 3.24 Veränderungen von Produktion und Verbrauch in Weißrussland, Russland und der Ukraine, 1990-1998 ................................................................................................................................. 177 Prozentualer Anteil der in Armut lebenden Bevölkerung in der ehemaligen UdSSR und in Osteuropa, 1987-1988 und 1993-1995 .................................................................................. 177 Jahresdurchschnittliche Veränderungsrate der Verbraucherpreise: ehemalige UdSSR und Osteuropa, 1990-1998 ........................................................................................................ 178 3.27 Analphabetentum in Afrika, 1997 ............................................................................................. 184 3.28 Veränderung des Einkommensniveaus innerhalb Afrikas, 1998 ............................................... 185 3.29 Ausmaß und Dauer des drastischen Pro-Kopf-Einkommensverfalls in den 13 größten afrikanischen Ländern südlich der Sahara ................................................................................. 186 Gesamte Auslandsverschuldung von Afrika, Asien, Lateinamerika, Osteuropa und der ehemaligen UdSSR, 1980, 1990 und 1998 ................................................................................ 187 Zahlungsrückstände bei den Auslandsschulden in Afrika und anderen Kontinenten, 1980-1998 .. 187 3.17 3.18 3.19 3.25 3.26 3.30 3.31 Abbildungen 1.1 Bevölkerung Westeuropas: Gegenüberstellung von zwei Jahrtausenden ................................. 34 1.2 Jährliche Veränderung der schwedischen Geburten- und Sterberaten, 1736-1987 ................... 35 1.3 Vergleich der Bevölkerungszahl der drei größten Länder Amerikas und ihrer früheren europäischen Mutterländer, 1500-1998 ..................................................................................... 39 1.4 Vergleich der Höhe des Pro-Kopf-BIP: China und Westeuropa, 400-1998 .............................. 46 1.5 Vergleich der Höhe des Pro-Kopf-BIP: China und Vereinigtes Königreich, 1700-1998 ......... 47 1.6 Vergleich der Höhe des Pro-Kopf-BIP: China und Vereinigte Staaten, 1700-1998 ................. 47 3.1 Pro-Kopf-BIP: Binäre Gegenüberstellung USA/Japan, USA/Europa, 1950-1998 ........................ 149 3.2a Pro-Kopf-BIP: Binäre Gegenüberstellung Japan/Ostasien, 1950-1999 ...................................... 162 3.2b Pro-Kopf-BIP: Binäre Gegenüberstellung Japan/Ostasien, 1950-1999 ...................................... 163 3.3 Pro-Kopf-BIP: Binäre Gegenüberstellung USA/Lateinamerika, 1950-1998 .............................. 171 3.4 Pro-Kopf-BIP: Binäre Gegenüberstellung USA/Afrika, 1950-1998 ........................................... 183 8 Inhaltsverzeichnis Kästen 2.1 Sozialstruktur Indiens zur Zeit des Mogulreiches ..................................................................... 126 2.2 Sozialstruktur Indiens bei Ende der britischen Herrschaft ........................................................ 127 3.1 Auswirkungen der jüngsten Umstellung der Messmethoden auf Niveau und Wachstum des amerikanischen BIP, 1929-1998 ......................................................................................... 155 Anhangstabellen A.a Erfassungsbereich der BIP-Stichprobe und relative Bedeutung der indirekten Schätzungen, 1820-1998 .......................................................................................... 194 Art der KKP-Umrechner für die Schätzung des BIP-Niveaus in internationalen Dollar für das Referenzjahr 1990 ......................................................................................................... 195 Vergleich der Daten von Maddison (1995a) und der aktuellen Bevölkerungs- und BIP-Schätzungen für die Regionen und die Welt, 1820-1990 .................................................. 196 A.d Der Effekt der Grenzveränderungen in Deutschland ................................................................ 198 A.e Bevölkerung und BIP in 13 kleinen westeuropäischen Ländern, 1950-1998 ........................... 200 A.f BIP und Bevölkerung in den Nachfolgerepubliken des ehemaligen Jugoslawien, 1990-1998 .. 201 A1.a Bevölkerung der europäischen Länder, der ehemaligen UdSSR und der großen Einwanderungsländer, Referenzjahre 1820-1998 ..................................................................... 204 Höhe des BIP: europäische Länder, ehemalige UdSSR und große Einwanderungsländer, Referenzjahre 1820-1998 .......................................................................................................... 205 Pro-Kopf-BIP: europäische Länder, ehemalige UdSSR und große Einwanderungsländer, Referenzjahre 1820-1998 .......................................................................................................... 206 Zuwachsraten des Pro-Kopf-BIP: europäische Länder, ehemalige UdSSR und große Einwanderungsländer, in fünf Phasen der Entwicklung, 1820-1998 .............................. 207 BIP-Zuwachsraten: europäische Länder, ehemalige UdSSR und große Einwanderungsländer, in fünf Phasen der Entwicklung, 1820-1998 ............................................................................. 208 Bevölkerungszuwachsraten: europäische Länder, ehemalige UdSSR und große Einwanderungsländer, in fünf Phasen der Entwicklung, 1820-1998 ........................................ 209 A1.g Berechnung des BIP für das Referenzjahr 1990 in internationalen Dollar für 22 OECD-Länder .. 210 A1.h Berechnung des BIP-Niveaus in internationalen Dollar im Referenzjahr 1990 für 5 osteuropäische Länder und die UdSSR ............................................................................ 211 A.g BIP und Bevölkerung 21 kleiner karibischer Länder, 1950-1998 ............................................. 214 A2.a Bevölkerung in 44 lateinamerikanischen Ländern, Referenzjahre 1820-1998 .......................... 215 A2.b BIP-Niveau in 44 lateinamerikanischen Ländern, Referenzjahre 1820-1998 ........................... 216 A2.c Pro-Kopf-BIP in 44 lateinamerikanischen Ländern, Referenzjahre 1820-1998 ........................ 217 A2.d Zuwachsraten des Pro-Kopf-BIP in 44 lateinamerikanischen Ländern, in fünf Phasen der Entwicklung, 1820-1998 ........................................................................................................... 218 BIP-Zuwachsraten in 44 lateinamerikanischen Ländern, in fünf Phasen der Entwicklung, 1820-1998 .................................................................................................................................. 219 A.b A.c A1.b A1.c A1.d A1.e A1.f A2.e 9 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive A2.f Bevölkerungszuwachsraten in 44 lateinamerikanischen Ländern, in fünf Phasen der Entwicklung, 1820-1998 ..................................................................................................... 220 Abgeleitete Schätzungen des BIP von 1990 in internationalen Dollar für 18 lateinamerikanische Länder .................................................................................................. 221 A.h Indien: BIP, Bevölkerung und Pro-Kopf-BIP, jährliche Schätzungen, 1820-1998 ................... 226 A.i Rekonstruktion des japanischen BIP nach Wirtschaftszweigen, 1874-1890 ............................. 227 A.j Japan: BIP, Bevölkerung und Pro-Kopf-BIP, jährliche Schätzungen, 1820-1998 .................... 228 A.k Bevölkerung und BIP in 19 kleinen ostasiatischen Ländern, 1950-1998 .................................. 233 A.l Arabische und jüdische Bevölkerung und BIP in Palästina und Israel, 1922-1950 .................. 235 A.m Indirekte Schätzungen zur Schließung von Lücken in den BIP- und Pro-Kopf-BIP-Datenreihen für 1870 und 1913 ......................................................................... 236 A3.a Bevölkerung in 56 asiatischen Ländern, Referenzjahre 1820-1998 ............................................ 237 A3.b BIP-Niveau in 56 asiatischen Ländern, Referenzjahre 1820-1998 ............................................. 238 A3.c Pro-Kopf-BIP in 56 asiatischen Ländern, Referenzjahre 1820-1998 .......................................... 239 A3.d Wachstumsraten des Pro-Kopf-BIP in 56 asiatischen Ländern, in fünf Phasen der Entwicklung, 1820 -1998 .......................................................................................................... 240 A3.e BIP-Wachstumsraten in 56 asiatischen Ländern, in fünf Phasen der Entwicklung, 1820-1998 ... 241 A3.f Bevölkerungszuwachsraten in 56 asiatischen Ländern, in fünf Phasen der Entwicklung, 1820-1998 ................................................................................................................................. 242 Ableitung des BIP-Niveaus im Referenzjahr 1990 in internationalen Dollar für 15 ostasiatische Länder ............................................................................................................. 243 Ableitung des BIP-Niveaus im Referenzjahr 1990 in internationalen Dollar für fünf ostasiatische Länder .................................................................................................................. 244 Ableitung des BIP-Niveaus im Referenzjahr 1990 in internationalen Dollar für drei westasiatische Länder ................................................................................................................ 244 A4.a Bevölkerung in 57 afrikanischen Ländern, Referenzjahre 1820-1998 ........................................ 247 A4.b BIP-Niveau in 57 afrikanischen Ländern, Referenzjahre 1820-1998 ......................................... 248 A4.c Pro-Kopf-BIP in 57 afrikanischen Ländern, Referenzjahre 1820-1998 ...................................... 249 A4.d Pro-Kopf-BIP-Zuwachsraten in 57 afrikanischen Ländern, in fünf Phasen der Entwicklung, 1820-1998 ................................................................................................................................. 250 A4.e BIP-Zuwachsraten in 57 afrikanischen Ländern, in fünf Phasen der Entwicklung, 1820-1998 .... 251 A4.f Bevölkerungswachstumsraten in 57 afrikanischen Ländern, in fünf Phasen der Entwicklung, 1820-1998 ................................................................................................................................. 252 Alternative Schätzungen des BIP-Niveaus im Jahr 1990 auf der Basis von ICP und PWT in 24 afrikanischen Ländern ...................................................................................................... 253 B.1 Alternative Schätzwerte der regionalen Aufteilung der Weltbevölkerung, 0-1700 .................. 258 B.2 Bevölkerung West- und Osteuropas sowie der großen Einwanderungsländer, 0-1820 ............ 259 B.3 Europäische und asiatische Bevölkerung Russlands, 0-1870..................................................... 259 B.4 Ethnische Zusammensetzung der brasilianischen Bevölkerung, 1500-1870 ............................ 262 B.5 Alternative Schätzwerte der lateinamerikanischen Bevölkerung, 0-1820 ................................. 262 A2.g A3.g A3.h A3.i A4.g 10 Inhaltsverzeichnis B.6 Alternative Schätzwerte der indischen Bevölkerung, 0-1820 .................................................. 264 B.7 Alternative Schätzwerte der japanischen Bevölkerung, 0-1820 ................................................ 265 B.8 Asiatische Bevölkerung, 0-1820 ............................................................................................... 266 B.9a Alternative Schätzwerte der afrikanischen Bevölkerung, 0-1950 ............................................. 267 B.9b Regionale Verteilung der afrikanischen Bevölkerung, 0-1820 ................................................. 267 B.10 Weltbevölkerung, 20 Länder und regionale Gesamtwerte, 0-1998 ........................................... 268 B.11 Weltbevölkerungswachstum, 20 Länder und regionale Gesamtwerte, 0-1998 ......................... 269 B.12 Aufteilung der Weltbevölkerung, 20 Länder und regionale Gesamtwerte, 0-1998 ................... 270 B.13 Regionale Aufschlüsselung des BIP, der Bevölkerung und des Pro-Kopf-BIP der britischen Inseln, 1500-1920 ............................................................................................... 275 B.14 Anteil der Stadtbevölkerung in Europa und Asien, 1500-1890 ................................................. 276 B.15 Ethnische Zusammensetzung der US-Bevölkerung, 1700-1820 ............................................... 278 B.16 Ethnische Zusammensetzung der lateinamerikanischen Bevölkerung im Jahr 1820 ................ 278 B.17 Japanische Getreideproduktion und verfügbare Mengen pro Kopf, 1600-1874 ....................... 285 B.18 Weltweites BIP, 20 Länder und regionale Gesamtwerte, 0-1998 ............................................. 292 B.19 Weltweites BIP-Wachstum, 20 Länder und regionale Gesamtwerte, 0-1998 ........................... 293 B.20 Aufteilung des weltweiten BIP, 20 Länder und regionale Gesamtwerte, 0-1998 ..................... 294 B.21 Weltweites Pro-Kopf-BIP, 20 Länder und regionale Durchschnittswerte, 0-1998 ................... 295 B.22 Weltweites BIP-Pro-Kopf-Wachstum, 20 Länder und regionale Gesamtwerte, 0-1998 ........... 296 C1.a Bevölkerung der europäischen Länder, der ehemaligen UdSSR und der großen Einwanderungsländer, jährliche Schätzungen, 1950-1998 ........................................................ 298 BIP in den europäischen Ländern, der ehemaligen UdSSR und den großen Einwanderungsländern, jährliche Schätzungen, 1950-1998 ...................................................... 302 Pro-Kopf-BIP in den europäischen Ländern, der ehemaligen UdSSR und den großen Einwanderungsländern, jährliche Schätzungen, 1950-1998 ...................................................... 306 C2.a Bevölkerung lateinamerikanischer Länder, jährliche Schätzungen, 1950-1998 ....................... 310 C2.b BIP lateinamerikanischer Länder, jährliche Schätzungen, 1950-1998 ...................................... 314 C2.c Pro-Kopf-BIP lateinamerikanischer Länder, jährliche Schätzungen, 1950-1998 ..................... 318 C3.a Bevölkerung asiatischer Länder, jährliche Schätzungen, 1950-1998 ........................................ 322 C3.b BIP asiatischer Länder, jährliche Schätzungen, 1950-1999 ....................................................... 328 C3.c Pro-Kopf-BIP asiatischer Länder, jährliche Schätzungen, 1950-1999....................................... 334 C4.a Bevölkerung in 57 afrikanischen Ländern, jährliche Schätzungen, 1950-1998 ........................ 340 C4.b BIP in 57 afrikanischen Ländern, jährliche Schätzungen, 1950-1998 ...................................... 346 C4.c Pro-Kopf-BIP in 57 afrikanischen Ländern, jährliche Schätzungen, 1950-1998 ...................... 352 C5.a Weltbevölkerung nach Regionen, jährliche Schätzungen, 1950-1998 ...................................... 358 C5.b Welt-BIP nach Regionen, jährliche Schätzungen, 1950-1998 .................................................. 359 C5.c Welt-Pro-Kopf-BIP nach Regionen, jährliche Schätzungen, 1950-1998 .................................. 360 C6.a Jährliche prozentuale Veränderungen der Weltbevölkerung, nach Regionen, 1950-1998 ........ 361 C1.b C1.c 11 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive C6.b Jährliche prozentuale Veränderungen des Welt-BIP-Volumens, nach Regionen, 1950-1998 .. 362 C6.c Jährliche prozentuale Veränderungen des Welt-Pro-Kopf-BIP, nach Regionen, 1950-1998 ... 363 D.1a BIP in osteuropäischen Ländern, 1990-1999 ............................................................................ 366 D.1b Bevölkerung in osteuropäischen Ländern, 1990-1999 .............................................................. 366 D.1c Pro-Kopf-BIP in osteuropäischen Ländern, 1990-1999 ............................................................ 366 D.2a BIP in den Nachfolgerepubliken des ehemaligen Jugoslawien, 1990-1998 .............................. 367 D.2b Bevölkerung in den Nachfolgerepubliken des ehemaligen Jugoslawien, 1990-1999 ............... 367 D.2c Pro-Kopf-BIP in den Nachfolgerepubliken des ehemaligen Jugoslawien, 1990-1998 ............. 367 D.3a BIP in den Nachfolgestaaten der ehemaligen UdSSR, 1990-1998 ........................................... 368 D.3b Bevölkerung in den Nachfolgestaaten der ehemaligen UdSSR, 1990-1998 ............................. 369 D.3c Pro-Kopf-BIP in den Nachfolgestaaten der ehemaligen UdSSR, 1990-1998 ........................... 370 D.4 Gegenüberstellung der Schätzungen von OECD und Maddison zum realen BIP in den 15 Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion, 1990 ............................................... 371 E.1 Erwerbsbevölkerung in Europa, Japan und den großen Einwanderungsländern, 1870-1998 ... 374 E.2 Erwerbsbevölkerung in Lateinamerika und Asien, 1950-1998 ................................................. 375 E.3 Jahresarbeitsstunden je Erwerbstätigen, 1870-1998 .................................................................. 376 E.4 Gesamtarbeitszeit, 1870-1998 ................................................................................................... 377 E.5 BIP pro Erwerbstätigen in Europa, Japan und den großen Einwanderungsländern, 1870-1998 .. 378 E.6 BIP pro Erwerbstätigen in Lateinamerika und Asien, 1950-1998 ............................................. 379 E.7 Arbeitsproduktivität (BIP je geleistete Arbeitsstunde), 1870-1998 .......................................... 380 E.8 BIP-Wachstum je geleistete Arbeitsstunde, 1870-1998 ............................................................ 381 E.9 BIP je geleistete Arbeitsstunde, 1870-1998 .............................................................................. 382 E.10 Jahresarbeitszeit je Einwohner, 1870-1998 ............................................................................... 383 E.11 Erwerbstätige im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung in Europa, Japan und den großen Einwanderungsländern, 1870-1998 ........................................................................................... 384 E.12 Erwerbstätige im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung in Lateinamerika und Asien, 1950-1998 .. 385 F.1 Warenexporte zu jeweiligen Preisen (56 Länder), 1870-1998 .................................................. 388 F.2 Warenexporte zu konstanten Preisen (35 Länder), 1820-1998 ................................................. 390 F.3 Aufschlüsselung der weltweiten Exporte nach Regionen zu konstanten Preisen, 1870-1998 .. 391 F.4 Mengenmäßiges Wachstum der Warenexporte, 11 Länder und weltweit, 1870-1998 .............. 391 F.5 Warenexporte in Prozent des BIP zu Preisen von 1990, 11 Länder und weltweit, 1870-1998 ... 393 12 Dank Dank gebührt zum einen Saskia van Bergen, Catherine Girodet, Ly Na Tang Dollon und Erik Monnikhof für ihre beträchtliche Hilfe bei der Verarbeitung des statistischen Datenmaterials und der Erstellung der Graphiken sowie andererseits Sheila Lionet für die Aufbereitung des Manuskripts zu einer druckfertigen Fassung. Besonders tiefen Dank schulde ich meinem Freund und Mentor Moses Abramovits (1912-2000) für seine ermutigenden Worte, seine Weisheit und Großzügigkeit, mit der er dieses Manuskript wie viele andere in den vergangenen vierzig Jahren kommentiert hat. Sehr wertvoll waren für mich die Diskussionen im Anschluss an die Kuznets Memorial Lectures 1998, die ich an der Universität Yale gehalten habe, sowie die Kommentare zu Vorträgen über dieses Thema an der Academy of Social Sciences in Australien, beim Brazil Forum in Porto Alegre, anlässlich von Seminaren bei der Academia Sinica, der Universität Hitotsubashi, der Universität Keio in Fujisawa, der Universität Osaka und der Universität Osaka Gakuin. Auch vieles von dem, was ich 1990 während eines dreimonatigen Aufenthalts an der Universität Ca’ Foscari in Venedig gelernt habe, ist mir im Gedächtnis geblieben. Nützliche Hinweise und Kommentare zu verschiedenen Entwurfsfassungen erhielt ich von Bart van Ark, Ian Castles, François Crouzet, Charles Feinstein, Colm Foy, David Henderson, Paolo Malanima, Jim Oeppen, Osamu Saito, Graeme Snooks, Victor Urquidi und Sir Tony Wrigley. Ratschläge bzw. Antworten auf meine Fragen übermittelten mir ferner auch Michèle Alkilic, Heinz Arndt, Jean-Pascal Bassino, Joel Bergsman, Luis Bertola, Derek Blades, Yves Blayo, Lidia Bratanova, Henk-Jan Brinkman, J.W. Drukker, Nick Eberstadt, Pierre van der Eng, Jean-Yves Garnier, Roland Granier, Maria Alice Gusmâo Veloso, Akira Hayami, André Hofman, Yuri Ivanov, Masaaki Kawagoe, Peter Lindert, Cormac O Grada, Debin Ma, Elizabeth Maddison, Paul McCarthy, Nanno Mulder, Peter Hein van Mulligen, Konosuke Odaka, Dirk Pilat, Richard Ruggles, Serguei Sergueev, Miyohei Shinohara, Siva Sivasubramonian, Marcelo Soto, T.N. Srinivasan, Kaoru Sugihara, Jean-Claude Toutain, Richard Wall, Michael Ward und Harry X. Wu. Der größte Dank gebührt jedoch meiner Frau, Penelope Maddison, für ihre stetige Ermutigung und ihre nie erlahmende moralische und materielle Unterstützung. 13 Vorwort Angus Maddison besuchte 1986 die Universität Nova in Lissabon, wo wir uns zum ersten Mal persönlich begegneten. Ich kannte bereits seine Arbeit, da mein verstorbener Vater, der selbst Wirtschaftshistoriker war, mich schon viele Jahre zuvor auf deren Bedeutung aufmerksam gemacht hatte. Als ich dann als neu berufener Präsident des Entwicklungszentrums regelmäßig mit Angus zu tun hatte, geschah dies nicht ohne eine gewisse Emotion. Die Verbindung zwischen dem Entwicklungszentrum und Angus Maddison hat eine lange Geschichte. Er war bereits bei der Gründung des Entwicklungszentrums zugegen und beeinflusste nicht nur dessen Entwicklung, sondern auch den Charakter der vom Zentrum durchgeführten Forschungsarbeiten. Das Entwicklungszentrum ist auf vielfältige Weise untrennbar mit Angus Maddison verbunden. Dies ist einer der Gründe, warum ihm die Aufgabe, diese außergewöhnliche Geschichte der Weltwirtschaft zu schreiben, geradezu auf den Leib geschnitten war. Darüber hinaus dürfte Angus wohl der größte lebende „Zahlenliebhaber“ sein, wie er dies auch in seinen früheren Arbeiten für das Zentrum, insbesondere The World Economy 1820-1992 und Chinese Economic Performance in the Long Run unter Beweis gestellt hat, die beide weltweit zu Standardwerken der quantitativen Wirtschaftsgeschichte geworden sind. Eines der Hauptanliegen des Entwicklungszentrums ist der Platz der Governance (oder „Gouvernanz“) in der neuen Weltordnung. Unsere Forschungsanstrengungen sind darauf gerichtet, den Ländern zu helfen, Wege zur Reform der Governance-Systeme auf allen Ebenen der Gesellschaft zu finden. Dieses Thema zieht sich denn auch wie ein roter Faden durch das vorliegende Buch. In den insgesamt tausend Jahren, die hier untersucht werden, können die Governance-Strukturen als ein Faktor betrachtet werden, der entweder wachstumsfördernd oder wachstumshindernd wirkte. Wir sind davon überzeugt, dass diese Frage auch für die heute in der Entwicklung befindlichen Gesellschaften von entscheidender Bedeutung ist. Wir sind ebenso davon überzeugt, dass den OECD-Ländern selbst Verantwortung für die Umsetzung einer guten Staats- und Regierungsführung sowie für deren Förderung in anderen Ländern zukommt. Jorge Braga de Macedo Präsident des OECD-Entwicklungszentrums April 2001 15 Einleitung und Zusammenfassung Einleitung und Zusammenfassung Ein Abriss der Weltentwicklung Im vergangenen Jahrtausend wuchs die Weltbevölkerung um das 22fache. Das Pro-Kopf-Einkommen stieg um das 13fache und das Welt-BIP um nahezu das 300fache. Diese Entwicklung steht in scharfem Gegensatz zum vorangegangenen Jahrtausend, in dem die Weltbevölkerung lediglich um ein Sechstel und das Pro-Kopf-Einkommen überhaupt nicht zugenommen hatten. Vom Jahr 1000 bis 1820 stieg das Pro-Kopf-Einkommen sehr langsam und nahm im Weltdurchschnitt nur um rd. 50% zu. Der größte Teil dieses Wachstums war durch den Anstieg der Bevölkerung um das Vierfache bedingt. Seit 1820 verläuft die weltweite Entwicklung wesentlich dynamischer. Das Pro-Kopf-Einkommen ist um mehr als das Achtfache, die Bevölkerung um mehr als das Fünffache gestiegen. Das Wachstum des Pro-Kopf-Einkommens ist aber nicht der einzige Indikator für die Verbesserung der Lebensverhältnisse. Langfristig gesehen kam es zu einem drastischen Anstieg der Lebenserwartung. Im Jahr 1000 betrug diese für das durchschnittliche Neugeborene rd. 24 Jahre. Ein Drittel der Kinder starb im ersten Lebensjahr, während später dann Hungersnöte und epidemische Krankheiten einen Großteil der Überlebenden dahinrafften. Der Anstieg, der sich vorwiegend auf Westeuropa konzentrierte, war bis 1820 kaum wahrnehmbar. Zu den spektakulärsten Fortschritten kam es aber erst nach diesem Zeitpunkt. Heute beträgt die durchschnittliche Lebenserwartung 66 Jahre. Der Wachstumsprozess verlief sowohl räumlich als auch zeitlich uneinheitlich. Der rascheste Anstieg bei Lebenserwartung und Einkommen war in Westeuropa, Nordamerika, Australasien und Japan zu beobachten. Im Jahr 1820 wies diese Ländergruppe ein Einkommensniveau auf, das doppelt so hoch war wie das der übrigen Welt. 1998 betrug der Abstand 7:1. Zwischen den Vereinigten Staaten (dem derzeit führenden Land der Welt) und Afrika (der ärmsten Region) liegt das Verhältnis heute bei 20:1, und die Kluft nimmt weiter zu. Derartige Divergenzen überwiegen mittlerweile zwar, sind aber nicht unausweichlich. Im letzten halben Jahrhundert haben die wieder erstarkenden asiatischen Länder unter Beweis gestellt, dass ein solcher Rückstand weitgehend wettgemacht werden kann. Gleichwohl hat sich das Wachstum der Weltwirtschaft seit 1973 erheblich verlangsamt, und die in Asien erreichten Fortschritte werden durch Stagnation oder Rückschritte andernorts kompensiert. Ziel und Zweck dieser Studie Die vorliegende Untersuchung dient dem Zweck, die langfristigen Veränderungen von Welteinkommen und -bevölkerung auf umfassende Weise zu quantifizieren, die Kräfte zu identifizieren, die den Erfolg der reichen Länder erklären, die Hindernisse zu analysieren, die den Fortschritt in anderen Regionen gehemmt haben, so dass diese zurückblieben, und die Interaktion zwischen den reichen Ländern und der übrigen Welt unter die Lupe zu nehmen, um zu evaluieren, wieweit die Politik der westlichen Welt möglicherweise für den Rückstand der anderen Länder verantwortlich ist. Sehr langfristige Untersuchungen der Wirtschaftsergebnisse sind keineswegs neu. In seinem bahnbrechenden Werk von 1776 hatte Adam Smith sich bereits einen sehr weiten Zeithorizont gesetzt. 17 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Aber auch andere machten sich eine ähnlich ehrgeizige Sichtweise zu Eigen. Die historische Demographie hat in den letzten Jahren ebenfalls spektakuläre Fortschritte gemacht1. Neu ist bei der vorliegenden Studie die systematische Quantifizierung der vergleichend nebeneinander gestellten Wirtschaftsergebnisse. In der Vergangenheit konzentrierte sich die quantitative wirtschaftshistorische Forschung vor allem auf das 19. und 20. Jahrhundert, da in diesem Zeitraum das rascheste Wachstum eingetreten war. Weiter zurückzugehen bedeutet, sich auf weniger gesicherte Belege zu stützen und stattdessen stärker auf Indizien und Vermutungen zu setzen. Dennoch ist dies ein wichtiges, nützliches und notwendiges Unterfangen; denn die Wurzeln der Unterschiede in Bezug auf Tempo und Struktur des Wandels in den großen weltwirtschaftlichen Regionen reichen weit in die Vergangenheit zurück. Die Quantifizierung erhellt Fragen, die von der qualitativen Analyse nur unvollkommen beantwortet werden können. Andererseits ist sie aber leichter anfechtbar und wird wahrscheinlich auch eher angefochten werden. Sie akzentuiert die wissenschaftliche Diskussion, reizt zu Gegenannahmen und trägt zur Dynamik des Forschungsprozesses bei. Sie kann dies aber nur dann bewirken, wenn die quantitativen Datenbelege wie auch die Art der Schätzverfahren in aller Transparenz dargelegt werden, so dass der Leser, der anderer Meinung ist, die vorgelegten Daten ganz oder teilweise ergänzen oder verwerfen bzw. alternative Hypothesen aufstellen kann. Die Analysen in den Kapiteln 1, 2 und 3 stützen sich auf sechs Anhänge, in denen eben dieser Grad an Transparenz angestrebt wurde. Bestimmungsfaktoren für das Wirtschaftswachstum Das Bevölkerungs- und Einkommenswachstum im vergangenen Jahrtausend wurde durch drei interaktive Prozesse gefördert: a) Eroberung bzw. Besiedlung relativ menschenleerer Gebiete mit fruchtbarem Land, neuen biologischen Ressourcen bzw. dem notwendigen Potential zur Aufnahme von Menschen, Nutzpflanzen und Viehbeständen; b) internationaler Handel und Kapitalbewegungen; c) technologische und institutionelle Innovation. a) Eroberung und Besiedlung Ein bedeutendes Beispiel für diesen Prozess war die chinesische Besiedlung der relativ menschenleeren und sumpfigen Gebiete südlich des Jangtse sowie die Einführung neuer, schnell reifender Reissorten aus Vietnam, die sich für Mischkulturen eigneten. Dieser Prozess vollzog sich zwischen dem 8. und 13. Jahrhundert, einem Zeitraum, in dem sich das Bevölkerungswachstum beschleunigte, die Pro-Kopf-Einkommen um ein Drittel stiegen und die Verteilung von Bevölkerung und Wirtschaftsaktivitäten einen Umbruch erlebte. Im 8. Jahrhundert lebte lediglich ein Viertel der chinesischen Bevölkerung südlich des Jangtse. Im 13. Jahrhundert waren es mehr als drei Viertel. Die neue Technologie erforderte einen höheren Arbeitsinput, so dass die Produktivität weniger stark zunahm als das Pro-Kopf-Einkommen2. Noch spektakulärer war die Begegnung zwischen Europa und Amerika. Die Existenz dieses Kontinents war den Europäern vor 1492, also bis zur Entdeckungsreise von Christoph Kolumbus, unbekannt3. Die Entdeckung Amerikas eröffnete den Zugang zu einem riesigen Gebiet, das größtenteils nur dünn besiedelt war. Mexiko und Peru waren die fortgeschrittensten und am dichtesten bevölkerten Gebiete, wurden aber gleichwohl rasch erobert, und drei Viertel ihrer Bevölkerung wurden 18 Einleitung und Zusammenfassung durch Krankheiten dezimiert, die die Europäer unabsichtlich eingeschleppt hatten. Auf dem neuen Kontinent gab es Kulturpflanzen, die andernorts unbekannt waren – Mais, Kartoffeln, Süßkartoffeln, Maniok, Chilischoten, Tomaten, Erdnüsse, Ananas, Kakao und Tabak. Diese wurden in Europa, Afrika und Asien eingeführt, wo sie das Produktionspotential und die Kapazität zur Ernährung der wachsenden Bevölkerung stärkten. Aber es kam auch umgekehrt zu einem Transfer nach Amerika, der das dortige Potential erheblich vergrößerte. Bei den neuen Nutzpflanzen handelte es sich um Weizen, Reis, Zuckerrohr, Weinreben, Blattgemüse, Oliven, Bananen und Kaffee. Aber es wurden auch Rinder, Schweine, Hühner, Schafe und Ziegen sowie, als Last- und Zugtiere, Pferde, Ochsen, Esel und Maultiere eingeführt. Die große Anziehungskraft Amerikas beruhte zunächst hauptsächlich auf den reichen Silbervorkommen Mexikos und Perus sowie auf der Entwicklung der Plantagenlandwirtschaft mit Hilfe von aus Afrika importierten Sklaven. Die neoeuropäischen Volkswirtschaften Nordamerikas und des Südzipfels von Lateinamerika entwickelten sich später. Es dauerte aber bis zur ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, bis die Bevölkerung Amerikas wieder ihren Stand von 1500 erlangte. Die volle Ausschöpfung des amerikanischen Potentials setzte erst im 19. Jahrhundert ein, und zwar im Zuge der massiven Einwanderung aus Europa und der durch die Eisenbahn ermöglichten Ausdehnung der Produktion in die neu erschlossenen Gebiete des Westens. Das heutige Gefälle der Wirtschaftsleistung innerhalb des amerikanischen Kontinents – zwischen den Vereinigten Staaten, Lateinamerika und der Karibik – ist teilweise auf eine unterschiedliche Ausstattung mit Ressourcen, teilweise aber auch auf das institutionelle und gesellschaftliche Erbe der Vergangenheit zurückzuführen. In Nordamerika und Brasilien wurde die relativ kleine indigene Bevölkerung an den Rand gedrängt oder ausgerottet, in den ehemaligen spanischen Kolonien wurde die einheimische Bevölkerung zur Unterschicht abgestempelt, und in allen Gebieten, in denen die Sklaverei eine große Rolle gespielt hatte, bilden die Nachkommen der Sklaven eine immer noch benachteiligte Gruppe. Ganz abgesehen davon bestanden in der Kolonialzeit erhebliche Unterschiede zwischen den iberischen Institutionen und den Institutionen Nordamerikas, die sich auch in der Folgezeit auf die Wachstumsergebnisse auswirkten4. b) Internationaler Handel und Kapitalbewegungen Der internationale Handel hatte für den wirtschaftlichen Aufschwung Westeuropas eine hohe, für die Geschichte Asiens oder Afrikas hingegen wesentlich geringere Bedeutung. Venedig spielte von 1000 bis 1500 eine Schlüsselrolle bei der Öffnung des Handels innerhalb Europas (von Italien nach Flandern, Frankreich, Deutschland und dem Balkan) wie auch im Mittelmeerraum. Venedig entwickelte auch den Handel mit chinesischen Produkten über die Karawanenrouten und die Schwarzmeerhäfen. Es handelte mit indischen und anderen asiatischen Produkten über Syrien und Alexandria. Der Handel spielte eine wichtige Rolle für die Einfuhr hochwertiger Gewürze und Seiden nach Europa, trug aber ebenso zum Technologietransfer aus Asien, Ägypten und Byzanz bei (Herstellung von Seiden- und Baumwolltextilien, Glasbläserei, Reisanbau in Italien, Anbau und Verarbeitung von Zuckerrohr in den venezianischen Kolonien Kreta und Zypern). Die maritime Expansion Venedigs beruhte in erheblichem Maße auf den verbesserten Schiffbautechniken im Rahmen des Arsenals, der Benutzung des Kompasses und anderen neuen Navigationstechniken. Auch institutionelle Innovationen – Entwicklung des Bankwesens, der Buchhaltung, des Geldwechsels und der Kreditmärkte, Schaffung eines solventen öffentlichen Finanzsystems, Einrichtung eines kompetenten diplomatischen Dienstes – trugen entscheidend dazu bei, Venedig als führende Volkswirtschaft jener Epoche zu etablieren. Venedig hatte ferner auch großen Anteil an der intellektuellen Entwicklung Westeuropas. Ihm verdankt die Welt die ersten Manuskriptbibliotheken, und auch auf dem Gebiet des 19 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Buchverlagswesens spielte es eine Pionierrolle. Seine Glasindustrie stellte erstmals Brillen in großem Maßstab her. In der Renaissance gingen insofern entscheidende Impulse von Venedig aus, als es dem Westen die Werke der Griechen nahe brachte. Die Universität von Padua war ein bedeutendes Zentrum der europäischen Wissenschaft mit Galilei als einem ihrer herausragenden Lehrer. Die Kontakte Venedigs mit Asien wurden schließlich durch den Fall von Byzanz, den Aufstieg des osmanischen Reichs, den Zusammenbruch der Kreuzfahrerstaaten in der Levante und das Mamelucken-Regime in Ägypten durchtrennt. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts setzte dann in Portugal ein wesentlich ehrgeizigerer Handelsverkehr zwischen Europa und dem Rest der Welt ein. Portugal spielte die Hauptrolle bei der Öffnung des europäischen Handels, der Navigation, der Besiedlung der atlantischen Inseln und der Erschließung von Handelsrouten um Afrika bis in den Indischen Ozean, nach China und Japan. Das Land wurde zum größten Gewürzspediteur für Europa im gesamten 16. Jahrhundert und verdrängte damit Venedig aus dieser Rolle. Seine Seefahrer entdeckten Brasilien. Den portugiesischen Diplomaten gelang es, Spanien dazu zu bringen, die territorialen Ansprüche Portugals in Brasilien anzuerkennen und ihm das Monopol für den Handel mit Gewürzen aus den Molukken und Indonesien zu überlassen. Wenngleich das spanische Reich von seiner Ausdehnung her größer war als das portugiesische, besaß es doch als einzige wichtige Basis außerhalb Amerikas nur die Philippinen. Seine beiden größten Seefahrer waren Christoph Kolumbus – ein in Portugal ausgebildeter Genuese – und Magellan, ein Portugiese. Portugal verfügte bei der Entwicklung seines überseeischen Handels und der Ausdehnung seines Reichs über beträchtliche Trümpfe. Strategisch war die geographische Lage an der Südatlantikküste Europas in unmittelbarer Nähe des Mittelmeers eindeutig ein Vorteil. Tiefseefischer lieferten dem Land einen wichtigen Teil der von ihm benötigten Nahrungsmittel und erwarben so einzigartige Kenntnisse der atlantischen Wind-, Wetter- und Strömungsverhältnisse. Diese wertvollen Fähigkeiten wurden noch verstärkt durch die Tatsache, dass die Krone die Erforschung des Atlantiks, die wissenschaftliche Untersuchung der Navigation, die Ausbildung von Steuermännern und die Dokumentation der seefahrerischen Kenntnisse und Kompetenzen in Form von Seekarten mit Kompassangaben (Kurskarten) und die Entwicklung der Kartographie förderte. Portugiesische Schiffbauer in Lissabon und Porto passten die Konstruktion ihrer Schiffe jeweils an die wachsenden Kenntnisse über die Schifffahrtsbedingungen im Atlantik an. Die größten Veränderungen betrafen die Takelage. Zunächst konzentrierten sie sich auf Lateinersegel, bevor sie dann zu einer Mischung von Ra- und Lateinersegeln für ein immer weiteres Vordringen in den Südatlantik übergingen und zusätzliche Veränderungen für die wesentlich längere Route um das Kap hinzufügten. Eine weitere Erklärung für den Erfolg Portugals war die Fähigkeit des Landes, „neue Christen“ zu assimilieren – d.h. jüdische Händler und Gelehrte, die auf der iberischen Halbinsel während der Besetzung durch die islamischen Mauren eine große Rolle gespielt hatten. Sie wurden aus Spanien vertrieben, und viele fanden Zuflucht in Portugal, wo sie den Kreis der bereits vorhandenen Gemeinde vergrößerten. Sie mussten pro forma konvertieren und wurden bis zu einem gewissen Grade verfolgt, doch verfügten sie über wichtige Fähigkeiten und Kompetenzen für die Entwicklung der portugiesischen Wirtschaftsinteressen in Afrika, Brasilien und Asien, aber auch für die Entwicklung der Wissenschaft, als Mittelsleute im Handel mit der moslemischen Welt sowie für die Mobilisierung genuesischen und katalanischen Kapitals für portugiesische Wirtschaftsunternehmungen. Portugal war es zu verdanken, dass die Zuckerrohrproduktions- und -verarbeitungstechnik auf die Atlantikinseln Madeira und São Tomé sowie später nach Brasilien gelangten. Es führte den Sklavenhandel ein, um der Neuen Welt Arbeitskräfte für die Industrie zur Verfügung stellen zu können. Seine Schiffe transportierten rund die Hälfte aller Sklaven, die zwischen 1500 und 1870 aus Afrika nach Amerika verbracht wurden. Im 15. Jahrhundert war Zucker in Europa eine sehr rare und teure Ware; am Ende des 18. Jahrhunderts war er ein weit verbreiteter Konsumartikel, dessen Handelsvolumen wesentlich stärker gewachsen war als das jedes anderen tropischen Erzeugnisses. 20 Einleitung und Zusammenfassung Zu der Zeit, als Portugal eine Vorreiterrolle bei der Schaffung dieser weltweiten Verbindungen spielte, wurden die Handelsbeziehungen zwischen verschiedenen Teilen Nordeuropas durch die phänomenale Entwicklung der niederländischen Seeschifffahrt intensiviert. 1570 war die Tonnage der niederländischen Handelsschiffe ungefähr so groß wie die der Flotten Englands, Frankreichs und Deutschlands zusammengenommen. Pro Kopf der Bevölkerung war sie 25-mal so groß wie in diesen drei nördlichen Ländern. Die Entwicklung der Schifffahrt und des Schiffbaus, der Übergang der niederländischen Landwirtschaft zum Gartenbau, die Schaffung eines weit verzweigten Kanalnetzes, die Nutzung der mit Hilfe von Windmühlen und Torf gewonnenen Energie ließen die Niederlande zwischen 1400 und Mitte des 17. Jahrhunderts zur dynamischsten europäischen Volkswirtschaft werden. Die internationale Spezialisierung wurde von den Niederlanden wesentlich weiter getrieben als von irgendeinem anderen Land. Ein Großteil des Volkseinkommens entfiel auf die Schifffahrt und Handelsdienste. Die Niederlande importierten Getreide und Lebendvieh, exportierten Hering und Milchprodukte. Im Jahr 1700 waren lediglich 40% der Erwerbsbevölkerung in der Landwirtschaft tätig. Bis 1580 waren die Niederlande Teil eines größeren politischen Gebildes, zu dem auch Flandern und Brabant gehörten. Als das wohlhabendste Industriegebiet Europas und Zentrum von Bank- und Finanzwesen sowie internationalem Handel stellte es ein nördliches Gegenstück zu Venedig dar. Das gesamte Gebiet stand bis Ende des 15. Jahrhunderts unter burgundischer Herrschaft und ging dann an die Habsburger über, die auch Herrscher über Spanien waren. Wegen exzessiver Steuerforderungen, politischer und religiöser Unterdrückung erhoben sich die Niederländer gegen diese ausbeuterische Herrschaft. Sie schufen einen modernen Nationalstaat, der die Eigentumsrechte von Kaufleuten und Unternehmern schützte, das weltliche Bildungswesen förderte und religiöse Toleranz praktizierte. Die meisten Angehörigen der Finanz- und Unternehmerelite wie auch viele der besten Handwerker von Flandern und Brabant emigrierten in die neue Republik. Die Niederländer verhängten mehr als 200 Jahre lang eine Blockade über die Schelde und den Hafen von Antwerpen und zerstörten das iberische Monopol des Handels mit Afrika, Asien und Amerika. Die Geschehnisse in den Niederlanden von 1580 bis zum Ende der napoleonischen Kriege liefern ein anschauliches Beispiel für die Art und Weise, in der Westeuropa in jener Epoche mit der Weltwirtschaft interagierte. Der anfängliche wirtschaftliche Erfolg der niederländischen Republik und ihre Vorherrschaft zur See und im Handel gründeten sich in erheblichem Maße auf kriegerische Erfolge sowie auf eine in Konkurrenz zu Portugal und Spanien verfolgte Handelspolitik nach dem Motto „beggar-yourneighbour“. Im 18. Jahrhundert büßten die Niederlande dann diese Vorherrschaft ein, nachdem mit England und Frankreich zwei neue Rivalen ihre Stärke zur See erheblich befestigt hatten und mit Hilfe der gleichen Techniken die Niederländer von den Märkten zu verdrängen suchten, die sie zu beherrschen trachteten. Das Volumen des niederländischen Außenhandels ging von 1720 bis 1820 um 20% zurück. Im selben Zeitraum wuchsen die Exporte des Vereinigten Königreichs dem Volumen nach um mehr als das Siebenfache und die französischen um das Zweidreiviertelfache. Von 1700 bis 1820 ging das Pro-Kopf-Einkommen in den Niederlanden um ein Sechstel zurück, während das britische um die Hälfte und das französische um ein Viertel zunahm. Großbritannien verzeichnete zwischen den achtziger Jahren des 17. Jahrhunderts und 1820 ein höheres Wachstum des Pro-Kopf-Einkommens als jedes andere europäische Land. Dies war auf die Verbesserung der Bank-, Finanz- und Fiskalstrukturen, die Entwicklung der Landwirtschaft gemäß den zuvor von den Niederländern angewendeten Methoden sowie auf eine sprunghafte Zunahme der Industrieproduktivität am Ende des Zeitraums zurückzuführen. Ferner bescherte auch der Aufstieg zur hegemonialen Handelsmacht mit Hilfe einer geschickten Strategie auf Kosten der anderen Staaten (beggar-your-neighbour) dem Land große Vorteile. 21 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Sechzig Jahre der bewaffneten Konflikte und die äußerst strenge Navigationsakte verdrängten die Wettbewerber von den Märkten, auf denen Großbritannien eine Monopolstellung anstrebte. Das Land übernahm die führende Rolle beim Sklaventransport von Afrika in die Karibik und errichtete bis 1820 ein überseeisches Reich mit einer Bevölkerung von rd. 100 Millionen Menschen. Die Verlierer des britischen Kampfs um die Vorherrschaft waren andere europäische Mächte. Bis zum Ende der napoleonischen Kriege hatten die Niederländer ihre gesamten asiatischen Territorien, mit Ausnahme Indonesiens, verloren. Die Franzosen waren auf eine symbolische Kolonialpräsenz in Asien zurückgedrängt und hatten ihre größte Besitzung in der Karibik eingebüßt. Kurz nach dem Krieg machte sich Brasilien von Portugal unabhängig. Spanien verlor sein riesiges Kolonialreich in Lateinamerika und behielt lediglich Kuba, Puerto Rico und die Philippinen. Großbritannien übernahm die früheren Besitzungen Frankreichs und der Niederlande in Asien und Afrika, dehnte seine Kontrolle über Indien aus und etablierte eine privilegierte Handelspräsenz in Lateinamerika. Zu den anderen Verlierern gehörten die ehemaligen Herrscher über Indien, deren Macht und Einkommen großenteils von den Beschäftigten der britischen Ostindien-Kompanie usurpiert wurden. Unter ihrer Herrschaft von 1757 bis 1857 sank das indische Pro-Kopf-Einkommen, während die Briten erhebliche Gewinne erzielten. Zwischen 1820 und 1913 stiegen die britischen Pro-Kopf-Einkommen rascher als je zuvor in der Vergangenheit – dreimal so schnell wie zwischen 1700 und 1820. Der wichtigste Grund hierfür war die Beschleunigung des technischen Fortschritts, der mit einem raschen Wachstum des Sachkapitalstocks und einer Verbesserung von Ausbildung und Qualifikationen der Erwerbsbevölkerung einherging, wobei aber auch Veränderungen in der Handelspolitik eine große Rolle spielten. 1846 wurden die Schutzzölle auf Agrarimporte und 1849 die Navigationsakte abgeschafft. 1860 waren sämtliche Handels- und Zollbeschränkungen einseitig aufgehoben worden, und es bestanden mit Frankreich und anderen europäischen Ländern Abkommen auf Gegenseitigkeit für einen freieren Handel. Dazu gehörten Meistbegünstigungsklauseln, was bedeutete, dass die bilaterale Liberalisierung für alle Länder gleichermaßen Gültigkeit hatte. Der Freihandel wurde Indien und anderen britischen Kolonien aufgezwungen, und dasselbe galt für das informelle britische Empire. China, Persien, Thailand und das osmanische Reich waren keine Kolonien und dennoch auf Grund von Verträgen gezwungen, ihre Zölle niedrig zu halten, wodurch ihre Souveränität in Handelsangelegenheiten beschränkt wurde und Ausländer exterritoriale Rechte erhielten. Dieses Regime des Freihandelsimperialismus begünstigte die britischen Exporte, war jedoch für die Interessen der Kolonien weniger schädlich als die Situation im 18. Jahrhundert, wo Jamaika nur mit England und seinen Kolonien und Guadeloupe nur mit Frankreich Handel treiben durfte. Die britische Freihandelspolitik und die Bereitschaft Englands, einen Großteil seiner Nahrungsmittel zu importieren, wirkte sich positiv auf die Weltwirtschaft aus. Die Effekte des technischen Fortschritts wurden so verstärkt und verbreitet. Die größten positiven Auswirkungen wurden in Nordamerika, an der Südspitze Lateinamerikas und in Australasien verzeichnet, die reiche natürliche Ressourcen besaßen und erhebliche Kapitalzuflüsse für sich verbuchten, doch waren positive Effekte bis zu einem gewissen Grade auch in Indien zu spüren, das den größten und ärmsten Teil des Empires darstellte. Innovationen im Kommunikationswesen spielten eine wichtige Rolle bei der Verbindung der nationalen Kapitalmärkte untereinander und der Erleichterung des internationalen Kapitalverkehrs. Das Vereinigte Königreich war auf Grund der Solidität seines staatlichen Kredit- und seines Währungssystems, der Größe seines Kapitalmarkts und seiner Staatsverschuldung sowie des Festhaltens am Goldstandard bereits ein wichtiger Akteur im internationalen Finanzsystem. Die Existenz des Empires als solches hatte ein System von Eigentumsrechten hervorgebracht, das ebenso zuverlässig schien wie 22 Einleitung und Zusammenfassung die Schutzrechte, von denen die Anleger in britische Wertpapiere profitierten. Das Vereinigte Königreich war ein wohlhabendes Land, das sich der damals modernsten Technologien bediente, so dass Auslandsanlagen selbst dann attraktiv waren, wenn die zusätzliche Gewinnspanne nur gering war. Nach 1870 kam es zu einem massiven Abfluss britischen Kapitals nach Übersee. Das Vereinigte Königreich leitete die Hälfte seiner Ersparnis ins Ausland. Auch die französischen, deutschen und niederländischen Investitionen erreichten ein beträchtliches Ausmaß. Die alte liberale Ordnung wurde durch zwei Weltkriege und den Zusammenbruch der Kapitalströme, der Migration und des Handels in den erneut von erbitterter Konkurrenz geprägten dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts zerstört. Zwischen 1913 und 1950 wuchs die Weltwirtschaft wesentlich langsamer als zwischen 1870 und 1913, der Welthandel nahm wesentlich weniger stark zu als das Welteinkommen, und der Grad der Ungleichheit zwischen den Regionen verschärfte sich erheblich, wobei der größte Rückschlag in Asien verzeichnet wurde. 1950 befand sich der Kolonialismus in einem fortgeschrittenen Stadium des Zerfalls. Bis auf ein oder zwei Ausnahmen waren die Kolonialreiche in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts mehr oder weniger verschwunden. Die britische Kolonialordnung hatte ebenso wie die Belgiens, Frankreichs, der Niederlande und Japans aufgehört zu existieren. Im Westen waren die Vereinigten Staaten zur Hegemonialmacht aufgestiegen und rivalisierten mit dem Sowjetblock um Einfluss in den neuen unabhängigen Ländern Asiens und Afrikas. Die Weltwirtschaft wuchs von 1950 bis 1973 sehr viel rascher als je zuvor. Es war ein goldenes Zeitalter nie gekannten Wohlstands. Das weltweite Pro-Kopf-BIP stieg um nahezu 3% jährlich (was einer Verdopplung alle 25 Jahre entspricht). Das Welt-BIP nahm jährlich um nahezu 5% und der Welthandel um fast 8% zu. Diese Dynamik erstreckte sich auf alle Regionen. Am stärksten war die Beschleunigung in Europa und Asien. Bis zu einem gewissen Grade war auch eine tendenzielle Konvergenz zwischen den einzelnen Regionen zu beobachten, wenngleich ein Großteil dieser Entwicklung die Verkleinerung des Abstands zwischen den Vereinigten Staaten und den anderen fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern (Westeuropa und Japan) betraf. Für die ungewöhnlich günstigen Ergebnisse in diesem „goldenen Zeitalter“ gab es mehrere Gründe. Zunächst riefen die modernen kapitalistischen Länder eine neue Art liberaler internationaler Wirtschaftsordnung mit expliziten, rationalen Verhaltenskodizes ins Leben und gründeten Institutionen der Zusammenarbeit, die zuvor nicht existiert hatten (OEEC, OECD, IWF, Weltbank und GATT). Nach 1948 kam es zu einer schweren Spaltung zwischen Ost und West, die aber die Interessengleichheit zwischen den kapitalistischen Volkswirtschaften noch verstärkte, so dass sich das Beggar-yourneighbour-Verhalten der Vorkriegsjahre nicht wiederholte. Die Vereinigten Staaten leisteten Europa in erheblichem Umfang Hilfe, als dies am dringendsten nötig war, was der Einführung expliziter Kooperationsverfahren und einer liberalen Handelspolitik Vorschub leistete. Bis zu den siebziger Jahren bildeten sie darüber hinaus weltweit einen starken Anker der internationalen monetären Stabilität. In den Nord-Süd-Beziehungen trat ein Wandel von der kolonialen Bevormundung der Vorkriegsjahre zu einer Situation ein, bei der das Gewicht stärker auf Maßnahmen zur Ankurbelung der Entwicklung gelegt wurde. Von der enormen Expansion des Handels in den fortgeschrittenen kapitalistischen Volkswirtschaften gingen dynamische Impulse auf die gesamte Weltwirtschaft aus. Als zweites neues Element der wirtschaftlichen Stärke kam noch die Gestaltung der inländischen Politiken hinzu, die bewusst darauf abgestellt waren, in den fortgeschrittenen Ländern hohe Nachfrage- und Beschäftigungsniveaus zu fördern. Das Wachstum war nicht nur höher als je zuvor, sondern darüber hinaus waren praktisch keine zyklischen Konjunkturschwankungen mehr zu beobachten. Die Investitionen erreichten ein beispielloses Niveau, und die Erwartungen wurden geradezu euphorisch. Bis zu den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts war der Inflationsdruck überdies wesentlich geringer, als bei einem solchen langfristigen Boom eigentlich zu erwarten gewesen wäre. 23 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Der dritte Pfeiler des goldenen Zeitalters war das Wachstumspotential auf der Angebotsseite. In ganz Europa und Asien bestand nach wie vor ein erheblicher Spielraum für die gewissermaßen „normalen“ Faktoren der „Erholung“ von den Jahren der Depression und des Krieges. Hinzu kam – und das war sogar noch wichtiger – die kontinuierliche Beschleunigung des technischen Fortschritts im führenden Land der Welt. Die Vereinigten Staaten trugen überdies im goldenen Zeitalter – ganz im Gegensatz zu ihrer Haltung zwischen den beiden Weltkriegen – zur Verbreitung der Wohltaten des Fortschritts bei. Seit dem goldenen Zeitalter hat sich das Bild weltweit beträchtlich gewandelt. Das Pro-KopfWachstum verringerte sich um mehr als die Hälfte. Die Unterschiede zwischen den Wirtschaftsergebnissen der verschiedenen Regionen haben wesentlich zugenommen. In Westeuropa und Japan sank das Pro-Kopf-Wachstum weiter unter das des goldenen Zeitalters, war aber gleichwohl deutlich stärker als im Zeitraum 1870-1913. In den wieder erstarkenden asiatischen Ländern, die die Hälfte der Weltbevölkerung auf sich vereinen, wurden hingegen außergewöhnliche Fortschritte erreicht. Ihr ProKopf-Wachstum stieg nach 1973 rascher als im goldenen Zeitalter und mehr als zehnmal so schnell wie unter der alten liberalen Wirtschaftsordnung. Würde die Welt nur aus diesen zwei Gruppen von Ländern bestehen, könnte das Muster der weltwirtschaftlichen Entwicklung als klarer Beweis für die bestehenden Konvergenzchancen interpretiert werden. Dank ihres Erfolgs bei der effizienten Mobilisierung und Allokation von Ressourcen sowie der Verbesserung ihres Human- und Sachkapitals mit dem Ziel der Assimilierung und Anpassung geeigneter Technologien haben die wieder erstarkenden asiatischen Länder gegenüber der Spitzengruppe der kapitalistischen Länder ihren Rückstand in erheblichem Maße aufgeholt. Es gibt indessen eine weitere Gruppe von 168 Ländern mit rund einem Drittel der Weltbevölkerung, in denen die Verschlechterung der Wirtschaftsergebnisse seit dem goldenen Zeitalter ein alarmierendes Ausmaß erreicht hat. In Afrika hat das Pro-Kopf-Einkommen im letzten Vierteljahrhundert überhaupt nicht zugenommen. In Osteuropa und der ehemaligen UdSSR betrug das Pro-KopfEinkommen 1998 lediglich rund drei Viertel des Stands von 1973. In Lateinamerika und vielen asiatischen Ländern erreichten die Einkommenszuwächse nur einen Bruchteil der im goldenen Zeitalter verzeichneten Werte. Statt aufzuschließen, sind die Volkswirtschaften dieser heterogenen Gruppe von Ländern mit schwacher wirtschaftlicher Verfassung noch weiter zurückgefallen. Die meisten dieser Länder waren nicht in der Lage, sich erfolgreich an die gegenüber dem goldenen Zeitalter erheblich veränderte internationale Wirtschaftsordnung anzupassen. Wie die neue Wirtschaftsordnung der Nachkriegszeit heute funktioniert, ist in Kapitel 3 dargestellt. Die Struktur dieser Analyse basiert auf Tabelle 3.5, in der die komparativen Ergebnisse der wichtigsten Regionen zusammengestellt sind. c) Technologische und institutionelle Innovation In der Zeit zwischen dem Jahr 1000 und 1820 waren die technologischen Fortschritte zwar wesentlich langsamer als danach, doch stellten sie gleichwohl eine wichtige Komponente des Wachstumsprozesses dar. Ohne die Verbesserungen in der Landwirtschaft hätte die Weltbevölkerung nicht in dem beobachteten Rhythmus wachsen können. Ohne die technischen Fortschritte in der Seeschifffahrt und ohne die Handelsinstitutionen wäre die Öffnung der Weltwirtschaft nicht möglich gewesen. Die in wichtigen Bereichen erzielten technischen Fortschritte setzten wiederum grundlegende Verbesserungen der wissenschaftlichen Methoden, der experimentellen Erprobung, der systematischen Akkumulierung und der Veröffentlichung der neuen Kenntnisse voraus. Die Anstrengungen vieler Jahrhunderte bildeten das geistige und institutionelle Fundament für die wesentlich rascheren Fortschritte des 19. und 20. Jahrhunderts. 24 Einleitung und Zusammenfassung Dieser Prozess der kumulativen Fortschritte lässt sich anhand der Geschichte der Seefahrtstechnik und der Navigation klar belegen. Im Jahr 1000 waren die Schiffe und die Navigationskunst in Europa nicht weiter entwickelt als zur Zeit des Römischen Reiches. Der Fortschritt setzte ein, als Venedig 1104 seine staatliche Werft, das Arsenal, errichtete, um seine Galeeren zu bauen und die Konstruktion der Schiffe zu verbessern. Die Einführung des Kompasses sowie der Sanduhr zwecks Zeitmessung auf See trug zur Verdopplung der Produktivität der Schiffe bei. Es wurde möglich, auch bei schlechtem Wetter zu navigieren und pro Jahr zwei Hin- und Rückreisen zwischen Venedig und Alexandria zu unternehmen statt nur einer. Die Vorbereitungen der Portugiesen für die Erschließung des Seewegs nach Indien waren ein Großforschungsprojekt, das Jahre des Experimentierens mit neuen Schifffahrtstechnologien, die Verbesserung von Navigationsinstrumenten und Seekarten, angewandte Astronomie und die Vervollkommnung der Kenntnisse über Wind- und Strömungsverhältnisse sowie über mögliche alternative Routen umfasste. Die Holländer erfanden einen neuen Typ von Schiff, nämlich eine Art Fabrik zur sofortigen Verarbeitung der Heringsfänge auf See. Sie begannen mit der Massenproduktion eines billigen Allzweckfrachtschiffs (des Fluyt). Die englische Regierung finanzierte und förderte Forschungsarbeiten in Astronomie und Erdmagnetismus, die Herstellung des ersten verlässlichen Seechronometers sowie die Erstellung der ersten nautischen Handbücher (Nautical Almanacs). Darüber hinaus wurde die Wirksamkeit von Sauerkraut und Zitronensaft bei der Prävention von Skorbut nachgewiesen. Am Ende des 18. Jahrhunderts konnten die Schiffe im Vergleich zu einer venezianischen Galeere des 14. Jahrhunderts die zehnfache Menge an Fracht transportieren – und dies mit einer wesentlich kleineren Besatzung. Die Sicherheit von Langstreckenreisen auf See hatte ebenfalls deutlich zugenommen. Bei ihren ersten Reisen nach Asien verloren Da Gama und Cabral ihre halbe Besatzung und mehr als die Hälfte ihrer Schiffe. Magellan verlor bei seiner ersten Weltumsegelung mehr als 90% seiner Besatzung. Cooks erfolgreiche Weltumrundung 240 Jahre später entsprach bereits sehr weitgehend den modernen Sicherheitsnormen der Seeschifffahrt. Bis zum 15. Jahrhundert beruhten die in Europa erzielten Fortschritte in vielen Bereichen auf Technologietransfers aus der asiatischen oder der arabischen Welt. Zwischen 1405 und 1433 stellte China seine Überlegenheit in der Schifffahrtstechnologie mit sieben großen Expeditionen in die „westlichen Meere“ (vgl. Tabelle 2.11) unter Beweis. Die chinesischen Schiffe waren wesentlich größer als die portugiesischen, seegängiger und komfortabler, mit wasserdichten Schotts, sehr viel mehr Kabinen und einer Auslegung für Langstreckenreisen bis nach Afrika. Als China sich dann von der Weltwirtschaft abwandte, verfiel auch seine Seefahrtstechnik zusehends. Am Ende des 17. Jahrhunderts war die Führungsrolle Europas auf den Gebieten Schifffahrts- und Waffentechnik offenkundig. Aber auch im institutionellen Bereich waren wichtige Fortschritte erzielt worden. Bank- und Kreditgeschäft, Devisenmärkte, Finanz- und Haushaltsmanagement, Buchführung, Versicherungswesen und Corporate Governance (in den Händen der niederländischen und britischen Ostindien-Kompanien) waren weiter entwickelt als in Asien und stellten grundlegende Elemente der erfolgreichen europäischen Politik der Verwirklichung einer offenen Weltwirtschaft dar. Innerhalb Westeuropas verbreiteten sich die neuen Technologien recht schnell, und der technische Abstand zwischen den Nationen war trotz der häufigen Kriege nicht besonders groß. Die enger werdenden Verbindungen wurden durch das Wachstum der Geisteswissenschaften, die Einrichtung von Universitäten und die Erfindung des Buchdrucks gefördert. Im 16. und 17. Jahrhundert vollzog sich in der westlichen Wissenschaft dank der intensiven Beziehungen zwischen Gelehrten und Wissenschaftlern wie Kopernikus, Erasmus, Bacon, Galilei, Hobbes, Descartes, Petty, Leibnitz, Huyghens, Halley und Newton ein revolutionärer Wandel qualitativer Art. Viele dieser Gelehrten standen in engem Kontakt mit Kollegen in anderen Ländern oder verbrachten Jahre im Ausland. Diese Art der Kooperation wurde durch die Einrichtung wissenschaft25 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive licher Akademien institutionalisiert, die Diskussionen und Forschung förderten und ihre jeweiligen Ergebnisse veröffentlichten. Ein Großteil dieser Arbeit hatte praktische Bedeutung, und viele der führenden Persönlichkeiten befassten sich mit Angelegenheiten der öffentlichen Politik. Außerhalb Europas fanden diese Fortschritte eine relativ begrenzte Verbreitung. Nahezu zwei Jahrhunderte lang befanden sich jesuitische Gelehrte in Peking, von denen einige, wie Ricci, Schall und Verbiest, sehr enge Kontakte zu den herrschenden Kreisen unterhielten, doch zeigte die chinesische Elite nur geringes Interesse an der geistes- und naturwissenschaftlichen Entwicklung im Westen. In Japan war der Kontakt mit westlichem Wissen noch begrenzter als in China, doch ging die Wirkung dort tiefer. Die Portugiesen und die Jesuiten waren nahezu ein Jahrhundert in Japan, wo erhebliches Interesse an europäischen Schiffen, Landkarten, Navigationskenntnissen und Waffen bestand. Nach der Ausweisung der Portugiesen kam Japan mit westlicher Gelehrsamkeit lediglich über die Wissenschaftler unter den Vertretern der niederländischen Ostindien-Kompanie (Kaempfer, Thunberg und von Siebold) in Berührung. Wenngleich diese Kontakte begrenzt waren, trugen sie doch dazu bei, die Achtung der Japaner für „alles Chinesische“ zu untergraben und ihre Neugier in Bezug auf „alles Westliche “ zu verstärken (vgl. Anhang B). Die Vertreter der Ostindien-Kompanie, die von 1757 bis 1857 praktisch über Indien herrschten, waren stark vom Bentham‘schen Radikalismus geprägt und von der Idee besessen, die Rechts- und Eigentumsstrukturen Indiens zu verändern. Nach dem indischen Aufstand von 1857 und der Einführung der direkten Kontrolle durch das Empire wurden diese radikalen Ambitionen der „Verwestlichung“ fallen gelassen. In Indonesien bestanden in der Zeit der britischen Verwaltung während der napoleonischen Kriege ähnliche Bestrebungen, doch wurde das Ziel der Verwestlichung nach der Diponogoro-Revolte in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts aufgegeben. Die einzige effektive Übertragung europäischer Technologie und Wissenschaft nach Übersee fand gegen Ende des 18. Jahrhunderts in den 13 britischen Kolonien in Nordamerika statt. 1776 bestanden dort neun Universitäten für 2,5 Millionen Einwohner, und es gab eine intellektuelle Elite (z.B. Benjamin Franklin und Thomas Jefferson), die mit den Aktivitäten ihrer europäischen Zeitgenossen vollkommen vertraut war. In den spanischen Kolonien, in Brasilien und der Karibik gab es mehr als 17 Millionen Einwohner, aber lediglich zwei Universitäten (in Mexiko City und Guadalajara), die sich auf Theologie und Recht konzentrierten. Eine recht detaillierte Analyse der Gründe für die Beschleunigung des technischen Fortschritts seit 1820 findet sich in meiner früheren Untersuchung Monitoring the World Economy (1995), insbesondere in Kapitel 2 und auf den Seiten 71-73, weshalb sie in der vorliegenden Arbeit nicht noch einmal ausführlich behandelt werden. Jedoch steht außer Zweifel, dass sich der technische Fortschritt verlangsamt hat. Er verlief von 1913 bis 1973 erheblich rascher als danach. Die Verlangsamung im letzten Vierteljahrhundert ist einer der Gründe für das Nachlassen des Weltwirtschaftswachstums. Die Verfechter der „New Economy“ weisen die Behauptung, der technische Fortschritt habe sich verlangsamt, weit von sich und versuchen, dieses Argument durch anekdotische oder mikroökonomische Daten zu widerlegen. Gleichwohl hatte sich der Effekt der von ihnen verteidigten technologischen Revolution bis vor kurzem noch nicht in den makroökonomischen Statistiken niedergeschlagen, und ich kann mich den euphorischen Erwartungen dieser Gruppe keineswegs anschließen5. 26 Einleitung und Zusammenfassung Anmerkungen 1. Wrigley und Schofield (1981) sowie Wrigley and Associates (1997) haben Kirchenregister über Geburten, Todesfälle und Eheschließungen mit Hilfe von Techniken der genealogischen Rückverfolgung sowie Umkehrprojektionen ausgewertet. Als Ergebnis besitzen wir heute Jahresschätzungen der englischen Bevölkerungs- und Demographiemerkmale seit 1541. Bagnall und Frier (1994) benutzten Fragmente römischer Zensusdaten, um die Demographie und Wirtschaft im Ägypten des dritten Jahrhunderts zu rekonstruieren. Der Arbeit von de Vries (1984) für Europa und Rozman (1973) für Asien ist es zu verdanken, dass wir die verhältnismäßige Bedeutung der Urbanisierung über lange Zeiträume in der Vergangenheit messen können. Die chinesische Bürokratie führte Bevölkerungsregister, die mehr als 2000 Jahre zurückreichen. Diese amtlichen Aufzeichnungen dienten der Beurteilung der Besteuerungsfähigkeit und beinhalten Informationen über Anbauflächen und Ernteerträge, die von Perkins (1969) verwendet wurden, um die langfristige Entwicklung des chinesischen Pro-Kopf-BIP zu schätzen. Die Arbeit von Perkins hat mich zu meiner Untersuchung Chinese Economic Performance in the Long Run (OECD-Entwicklungszentrum, 1998) angeregt, für die dieselbe zeitliche Perspektive verwendet wurde wie für die vorliegende Studie. 2. Vgl. Maddison (1998a), S. 24-33, wegen einer Analyse der historischen Entwicklung der chinesischen Landwirtschaft; vgl. Boserup (1965) wegen einer brillanten Widerlegung der zu stark vereinfachenden These von Malthus, der zufolge der demographische Druck auf ein festes Angebot natürlicher Ressourcen unweigerlich zu abnehmenden Erträgen führt. Sie zeigt, wie die „traditionelle“ asiatische Landwirtschaft den Bevölkerungsdruck durch eine ganze Reihe von Veränderungen in der technischen Praxis bewältigte. Die Intensität der Landnutzung entwickelte sich von Jäger/Sammleraktivitäten zur Wald-/Brachlandwirtschaft, zur sesshaften Landwirtschaft mit verbesserten Geräten, von Trockenfeldbau und Brachlandwirtschaft zur Bewässerung und Mischkultur. Im Verlauf dieses Prozesses ist es wahrscheinlich zu einem signifikanten Rückgang der Arbeitsproduktivität gekommen, bevor moderne Düngemittel und Maschinen eingeführt wurden. 3. Vgl. Morison (1971) wegen der norwegischen Vorstöße von Island nach Grönland und Leif Ericson’s Reise im Jahr 1001 über Baffin Island, Belle Isle und die Labradorsee zur Nordspitze Neufundlands, wo bei L’Anse aux Meadows eine sehr kurzlebige und seit langem vergessene Siedlung bestanden hatte. 4. Adam Smith, Der Wohlstand der Nationen, 1776, Buch IV, Kapitel VII, Teil II, enthält eine in gewisser Hinsicht prophetische Beurteilung dieser institutionellen Unterschiede und deren Konsequenzen für die spätere Entwicklung. Besonders hob er die Konzentration von Landbesitz, die dessen Entwicklung und Übertragung behinderte, die schwere Steuerlast, mit der der Pomp der zivilen und kirchlichen Hierarchie finanziert wurde, sowie die staatliche Kontrolle der Märkte als Missstände in den spanischen Kolonien hervor. Vgl. Kapitel II der vorliegenden Studie wegen meiner Beurteilung des portugiesischen Einflusses auf Brasilien sowie des Unterschieds zwischen dem kolonialen Erbe in Mexiko und den Vereinigten Staaten. 5. Vgl. die Erörterung der amerikanischen Wirtschaftsergebnisse in Kapitel 3 und Kasten 3.1. 27 Die weltweite Entwicklung in ihren großen Konturen Kapitel 1 Die weltweite Entwicklung in ihren großen Konturen Im 2. Jahrtausend unserer Zeitrechnung waren die Wirtschaftsergebnisse weltweit sehr viel besser als im ersten. Zwischen dem Jahr 1000 und 1998 wuchs die Bevölkerung um das 22fache, und das Pro-Kopf-Einkommen stieg um das 13fache. Im Jahrtausend zuvor nahm die Bevölkerung um ein Sechstel zu, während das Pro-Kopf-Einkommen leicht zurückging. Das 2. Jahrtausend umfasste zwei unterschiedliche Epochen. Im Zeitraum 1000-1820 war das Pro-Kopf-Einkommen durch eine langsam gleitende Aufwärtsbewegung gekennzeichnet, und weltweit betrug der Anstieg etwa 50%. Das Wachstum war weitgehend „extensiver“ Art und diente überwiegend zum Unterhalt der um das Vierfache gewachsenen Bevölkerung. Seit 1820 verlief die weltweite Entwicklung weitaus dynamischer und „intensiver“. Das Pro-Kopf-Einkommen wuchs schneller als die Bevölkerung; 1998 war es 8,5-mal so hoch wie im Jahr 1820, während die Bevölkerung sich um das 5,6fache ausweitete. In beiden Zeiträumen verzeichneten die verschiedenen Regionen stark voneinander abweichende Ergebnisse. Am dynamischsten war die Gruppe A: Westeuropa, die großen Einwanderungsländer (Vereinigte Staaten, Kanada, Australien und Neuseeland) sowie Japan. Im Zeitraum 1000-1820 stieg das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen dieser Gruppe nahezu viermal so schnell wie im Durchschnitt der übrigen Welt. Auch zwischen 1820 und 1998 blieben diese Disparitäten bestehen, als das Pro-Kopf-Einkommen der ersten Gruppe um das 19fache zunahm, während es in der zweiten Gruppe um das 5,4fache wuchs. Gegenwärtig sind die Einkommensdisparitäten wesentlich größer als je zuvor. Zu Beginn unserer Zeitrechnung lagen die Gruppen A und B im Durchschnitt auf vergleichbarem Niveau. Im Jahr 1000 war der Durchschnitt von Gruppe A infolge des wirtschaftlichen Zusammenbruchs nach dem Untergang des Römischen Reiches niedriger. Bis 1820 hatte sich diese Gruppe auf ein Einkommensniveau vorgearbeitet, das in etwa doppelt so hoch war wie das der übrigen Welt. Im Jahr 1998 betrug die Kluft nahezu 7:1, während sie sich zwischen den großen Einwanderungsländern und Afrika (den reichsten und ärmsten Regionen) auf 19:1 belief. Die in der Gruppe B seit 1820 verzeichnete Wirtschaftsentwicklung verlief nicht ebenso homogen wie in der Gruppe A. So wuchs das Pro-Kopf-Einkommen in Lateinamerika schneller als in Osteuropa und Asien und nahezu zweimal so schnell wie in Afrika. Gleichwohl ist die wirtschaftliche Leistung all dieser Regionen vom westlichen Standpunkt aus bisher enttäuschend. Im Hinblick auf die wirtschaftliche Bedeutung der verschiedenen Regionen ist es zu erheblichen Veränderungen gekommen. Im Jahr 1000 entfielen auf Asien (ohne Japan) über zwei Drittel des WeltBIP, während Westeuropa weniger als 9% hervorbrachte. Im Jahr 1820 betrugen die entsprechenden Anteile 56% bzw. 24%. 1998 belief sich der Beitrag Asiens auf rd. 30% gegenüber 46% für Westeuropa und die großen Einwanderungsländer zusammengenommen. 29 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle 1.1 Bevölkerungszahl und Bevölkerungswachstum: Welt und Hauptregionen, 0–1998 0 1000 1820 1998 (in Millionen) 0–1000 1000–1820 1820–1998 (kumulierte jahresdurchschnittliche Zuwachsraten) Westeuropa Große Einwanderungsländer Japan Gruppe A insgesamt 24.7 1.2 3.0 28.9 25.4 2.0 7.5 34.9 132.9 11.2 31.0 175.1 388 323 126 838 0.00 0.05 0.09 0.02 0.20 0.21 0.17 0.20 0.60 1.91 0.79 0.88 Lateinamerika Osteuropa und ehem. UdSSR Asien (ohne Japan) Afrika Gruppe B insgesamt 5.6 8.7 171.2 16.5 202.0 11.4 13.6 175.4 33.0 233.4 21.2 91.2 679.4 74.2 866.0 508 412 3 390 760 5 069 0.07 0.05 0.00 0.07 0.01 0.08 0.23 0.17 0.10 0.16 1.80 0.85 0.91 1.32 1.00 Welt 230.8 268.3 1 041.1 5 908 0.02 0.17 0.98 Quelle: Anhang B. Tabelle 1.2 Niveau und Zuwachsrate des Pro-Kopf-BIP: Welt und Hauptregionen, 0–1998 0 1000 1820 1998 (internationale Dollar von 1990) 0–1000 1000–1820 1820–1998 (kumulierte jahresdurchschnittliche Zuwachsraten) Westeuropa Große Einwanderungsländer Japan Gruppe A insgesamt 450 400 400 443 400 400 425 405 1 232 1 201 669 1 130 17 921 26 146 20 413 21 470 –0.01 0.00 0.01 –0.01 0.14 0.13 0.06 0.13 1.51 1.75 1.93 1.67 Lateinamerika Osteuropa und ehem. UdSSR Asien (ohne Japan) Afrika Gruppe B insgesamt 400 400 450 425 444 400 400 450 416 440 665 667 575 418 573 5 795 4 354 2 936 1 368 3 102 0.00 0.00 0.00 –0.00 –0.00 0.06 0.06 0.03 0.00 0.03 1.22 1.06 0.92 0.67 0.95 Welt 444 435 667 5 709 –0.00 0.05 1.21 Quelle: Anhang B. Tabelle 1.3 Niveau und Zuwachsrate des BIP: Welt und Hauptregionen, 0–1998 0 1000 1820 1998 (Mrd. internationale Dollar von 1990) 0–1000 1000–1820 1820–1998 (kumulierte jahresdurchschnittliche Zuwachsraten) Westeuropa Große Einwanderungsländer Japan Gruppe A insgesamt 11.1 0.5 1.2 12.8 10.2 0.8 3.2 14.1 163.7 13.5 20.7 198.0 6 961 8 456 2 582 17 998 –0.01 0.05 0.10 0.01 0.34 0.35 0.23 0.32 2.13 3.68 2.75 2.57 Lateinamerika Osteuropa und ehem. UdSSR Asien (ohne Japan) Afrika Gruppe B insgesamt 2.2 3.5 77.0 7.0 89.7 4.6 5.4 78.9 13.7 102.7 14.1 60.9 390.5 31.0 496.5 2 942 1 793 9 953 1 939 15 727 0.07 0.05 0.00 0.07 0.01 0.14 0.29 0.20 0.10 0.19 3.05 1.92 1.84 1.99 1.96 102.5 116.8 694.4 33 726 0.01 0.22 2.21 Welt Quelle: Anhang B. 30 Die weltweite Entwicklung in ihren großen Konturen I Natur der demographischen Veränderungen und deren Auswirkungen auf den wirtschaftlichen Wohlstand Das raschere Bevölkerungswachstum im vergangenen Jahrtausend könnte auf die höheren Geburten- oder niedrigeren Sterberaten zurückzuführen sein. Die vorliegenden Daten (Tabelle 1.4) lassen darauf schließen, dass der nur langsame und ungleichmäßige Rückgang der Sterblichkeit vor 1820 der Hauptgrund war. Seit 1820 ging die Sterberate sehr viel stärker zurück, und dies war eindeutig der ausschlaggebende Faktor. Die Fertilität ist seit 1820 de facto erheblich gesunken (vgl. Tabelle 1.5a). Die Erhöhung der Lebenserwartung ist ein deutliches Symptom des größeren Wohlstands der Tabelle 1.4 Lebenserwartung und Säuglingssterblichkeit, beide Geschlechter zusammen, 33-1875 Quelle und Autoren Lebenserwartung bei Geburt in Jahren Mortalitätsrate je 1 000 Säuglinge im ersten Lebensjahr Röm. Ägypten, 33–258 24.0 329 Fragmente der römischen Volkszählungen und Bagnall sowie Bagnall und Frier England, 1301–1425 24.3 218 Sehr grobe Schätzungen, abgeleitet von Finanzregistern: Russell England, 1541–1556 England, 1620–1626 England, 1726–1751 England, 1801–1826 33.7 37.7 34.6 40.8 n.v. 171 195 144 Familienrekonstitution und inverse Projektion auf Grund von Geburten- und Sterberegistern: Wrigley et al. Frankreich, 1740–1749 Frankreich, 1820–1829 24.8 38.8 296 181 Familienrekonstitution: Blayo Schweden, 1751–1755 37.8 203a Kirchenregister und Zensusergebnisse: Gille Japan, 1776–1875 Japan, 1800–1850 Japan, 1751–1869 32.2 33.7 37.4 277 295 216 Tempelregister: Jannetta Tempelregister: Yasuba Bevölkerungsregister: Saito Land und Zeitraum a) 1751–1800. Quelle: Ägypten: aus Bagnall und Frier (1994), S. 70 und 100. England: 1301–1425 aus Russell (1948), S. 186 und 218. England: 1541-1826 (ohne Monmouth) aus Wrigley et al. (1997), S. 614 für die Lebenserwartung und S. 219 für die Säuglingssterblichkeit. Frankreich: aus Blayo (1975), S. 141 für die Lebenserwartung, S. 138–139 für die Säuglingssterblichkeit. Schweden: aus Gille (1949). Japan: aus Jannetta und Preston (1991), S. 428 und 433–435, Yasuba (1987), S. 291, abzüglich eines Jahres zur Anpassung an die westliche Rechnung. Saito (1997), S. 143, durch Ermittlung des Durchschnitts für beide Geschlechter auf der Basis der von ihm geschätzten hohen Säuglingssterblichkeit. Die ersten beiden Schätzungen wurden von Tempelregistern (kakocho) abgeleitet, die dritte von Bevölkerungsregistern (shumon aratame cho). Informationen über Säuglingssterblichkeit sind in japanischen Quellen sehr viel seltener enthalten als in europäischen Registern, da Kinder nicht darin erfasst wurden. In Tempelregistern sind die nach Alter gegliederten Todesfälle, jedoch keine Bevölkerungsdaten enthalten. Ein weiteres Problem besteht darin, dass sich das japanische System der Altersberechnung von dem des Westens unterscheidet, und zwar insbesondere bei Kleinkindern: Das Alter der japanischen Kinder bei ihrer Geburt wurde mit eins angesetzt, und am darauf folgenden Neujahrstag wurden sie dann zwei Jahre alt. Das wirkliche Alter eines japanischen Kindes konnte daher irgendwo zwischen zwei Tagen und einem Jahr liegen, wenn es nach dem japanischen System zwei Jahre alt wurde (vgl. Saito, 1997). Daher handelt es sich bei Schätzungen der Säuglingssterblichkeit um hypothetische bzw. abgeleitete Werte. Saito verwendete eines der Wahrscheinlichkeitsmodelle, die Coale und Demeny (1983) konstruiert hatten, um die bestehenden Datenlücken bei den nach Alter gegliederten Sterbeziffern zu überbrücken. Saito (1997), S. 136, zeigt andere Schätzungen, bei denen die Lebenserwartung sehr viel höher ist als bei den drei von mir zitierten. Diese Schätzungen sind aber meiner Ansicht nach nicht plausibel, denn sie zeigen bzw. unterstellen unwahrscheinlich niedrige Säuglingssterblichkeitsziffern. Nach Kalland und Pederson (1984), S. 54 und 61, betrug die durchschnittliche Lebenserwartung im Zeitraum 1700–1824 in Kanezaki 44 Jahre, und die Säuglingssterblichkeitsquote belief sich auf weniger als 100. Smith (1977), S. 57 und 162, veranschlagt die Lebenserwartung in Nakahara im Zeitraum 1717–1830 auf 43.2 Jahre und zeigt eine Reihe von Säuglingssterblichkeitsoptionen, für die Saito einen Durchschnitt von 145 errechnet. Hanley und Yamamura (1977), S. 222, weisen die Lebenserwartung für Nishikata im Zeitraum 1782– 1796 mit 45 Jahren und für Fujito im Zeitraum 1800–1835 mit 43 Jahren aus, ohne jedoch irgendwelche Angaben über die Säuglingssterblichkeit zu machen. 31 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Menschen. Dieser Faktor wird in unserer BIP-Messgröße nicht erfasst, doch besteht eine signifikante Kongruenz – im Zeitablauf und in den verschiedenen Regionen – zwischen der Entwicklung des ProKopf-Einkommens und der Lebenserwartung. Im Jahr 1000 betrug die Lebenserwartung im Weltdurchschnitt wahrscheinlich etwa 24 Jahre – nicht mehr als zu Beginn unserer Zeitrechnung. Bis 1820 war die Lebenserwartung auf etwa 26 Jahre gestiegen (vgl. Tabelle 1.5a). Der stärkste Zuwachs – von 24 auf 36 Jahre – fand in der Gruppe A statt, Tabelle 1.5a Geburtenraten und Lebenserwartung, 1820–1998/1999 Geburten je 100 Einwohner Lebenserwartung bei der Geburt (in Jahren) (Durchschnitt für beide Geschlechter) 1820 1900 1950 1998 1820 1900 1950 1999 Frankreich Deutschland Italien Niederlande Spanien Schweden Vereinigtes Königreich Durchschnitt Westeuropa 3.19 3.99 3.90 3.50 4.00 3.40 4.02a 3.74 2.19 3.60 3.30 3.16 3.39 2.69 2.93 3.08 2.05 1.65 1.94 2.27 2.00 1.64 1.62 1.83 1.26 0.96 0.93 1.27 0.92 1.01 1.30 1.00 37 41 30 32 28 39 40a 36 47 47 43 52 35 56 50 46 65 67 66 72 62 70 69 67 78 77 78 78 78 79 77 78 Vereinigte Staaten 5.52 3.23 2.40 1.44 39 47 68 77 Japan 2.62b 3.24 2.81 0.95 34 44 61 81 Russland 4.13 4.80 2.65 0.88 28c 32 65 67 27e Brasilien Mexiko Lateinamerika Durchschnitt 5.43d n.v. 4.60 4.69 4.44 4.56 2.10 2.70 n.v. 36 33 45 50 67 72 n.v. n.v. 4.19 2.51 (27) (35) 51 69 China Indien Asien Durchschnittj n.v. n.v. 4.12f 4.58g 3.70 4.50h 1.60 2.80 n.v. 21i 24f 24g 41 32h 71 60 n.v. n.v. 4.28 2.30 (23) (24) 40 66 Afrika Durchschnitt n.v. n.v. 4.92 3.90 (23) (24) 38 52 Welt n.v. n.v. 3.74 2.30 26 31 49 66 a) 1821; b) 1811–1829; c) 1880; d) 1818; e) 1872; f) 1929–1931; g) 1891–1911; h) 1941–1951; i) 1833; j) ohne Japan. Quelle: Geburtenraten 1820 und 1900: für die europäischen Länder hauptsächlich aus Maddison (1991a), S. 241; 1821: für England aus Wrigley et al. (1997), S. 614; Brasilien 1818: aus Marcilio (1984), sonst Brasilien und Mexiko: aus Maddison and Associates (1992); Vereinigte Staaten 1820 und 1900: aus Historical Statistics of the United States (1975), Bd. 1, S. 49; China 1929–1931: aus Barclay et al. (1976); Die Angaben über Indien für 1900 und 1950 stammen aus Mari Bhat (1989), S. 96; Japan 1816–1820 (in Yokoucho): aus Hayami (1973), S. 160, 1900 und 1950: aus Japan Statistical Association (1987). 1950: in der Regel aus OECD (1979) und nationalen Quellen. 1998: aus OECD, Labour Force Statistics, Population et Sociétés, INED, Paris Juli–August 1999, und UN Population Division (1997). Lebenserwartung 1820: Frankreich: aus Blayo (1975); Deutschland: aus Knodel (1988), S. 59 (Durchschnitt seiner alternativen Schätzungen); Italien: abgeleitet aus Caselli (1991), S. 73; Spanien: abgeleitet aus Livi Bacci und Reher (1993), S. 68; Schweden: aus Gille (1949), S. 43; Vereinigtes Königreich: aus Wrigley et al. (1997), S. 614; Russland (1874–1884): aus Ohlin (1955), S. 411; Vereinigte Staaten: aus Historical Statistics of the United States (1975), Bd. 1, S. 56 (bezieht sich auf Massachusetts im Jahr 1850); Japan 1820: Durchschnitt der drei Schätzungen in Tabelle 1.4; Brasilien 1872 und 1900: aus Merrick und Graham (1979), S. 41, 42 und 57; China (1929–1931): aus Barclay, Coale, Stoto und Trussell (1976, S. 621); Indien (1833): für Delhi aus Visaria und Visaria (1983), S. 473, 1891–1911 und 1941–1951: aus Mari Bhat (1989), S. 92, unter Verwendung des Durchschnittswerts der drei dargestellten alternativen Messgrößen. Für 1900: aus Maddison (1995a), S. 27, außer Vereinigtes Königreich: aus Wrigley et al. 1950; für die meisten OECD-Länder aus: OECD (1979), Mexiko: aus Maddison and Associates (1992), China: aus Lee und Wang (erscheint demnächst). Indien: aus Mari Bhat (1989). Japan: aus Japan Statistical Association (1987). Sonstige Länder und Regionen 1950: aus UN Population Division (1997). 1999: aus Population et Sociétés. Regionen 1820–1900: abgeleitet durch Gewichtung von Länderschätzungen. Weltdurchschnitte: errechnet durch Gewichtung der regionalen Durchschnitte mit der regionalen Bevölkerung. 32 Die weltweite Entwicklung in ihren großen Konturen wo sich die Lebenserwartung bis heute auf 78 Jahre erhöht hat. Der Anstieg war nach 1820 zehnmal so hoch wie in den acht vorausgegangenen Jahrhunderten. Nach unseren nur sehr groben Schätzungen ist anzunehmen, dass in den Ländern der Gruppe B zwischen dem Jahr 1000 und 1820 keine Verbesserung stattgefunden hat. Bis 1998 hatte sich die Lebenserwartung dann jedoch in spektakulärer Weise auf durchschnittlich 64 Jahre erhöht. 1999 war die Lebenserwartung für die Länder der Gruppe A recht homogen. In der Gruppe B, in der die durchschnittliche Lebenserwartung 67 Jahre betrug, waren keine nennenswerten Unterschiede zwischen Russland, Lateinamerika und Asien zu verzeichnen. Hingegen lag die Lebenserwartung in Afrika mit 52 Jahren deutlich niedriger. Wenngleich die tendenzielle Verbesserung der Lebenserwartung und des Pro-Kopf-Einkommens ähnlich verlief, ist derzeit bei den Einkommen zwischen den Regionen eine erheblich stärkere Spreizung festzustellen. 1999 war die Kluft bei der Lebenserwartung zwischen dem Spitzenland Japan (81 Jahre) und Afrika (52 Jahre) besorgniserregend tief. Allerdings war sie bedeutend geringer als das Gefälle beim Einkommensniveau, das zwischen Japan und Afrika ein Verhältnis von 15:1 erreichte. Tabelle 1.5b Durchschnittliche Lebenserwartung für die Gruppen A und B, 1000-1999 (in Jahren bei Geburt; Durchschnitt für beide Geschlechter) Gruppe A Gruppe B Welt Quelle: 1000 1820 1900 1950 1999 24 24 24 36 24 26 46 26 31 66 44 49 78 64 66 Die Daten für 1820-1999 sind gewichtete Durchschnitte für die in Tabelle 1.5a dargestellten Regionen. Die Zahlen für das Jahr 1000 wurden von den ersten zwei Zeilen der Tabelle 1.4 und anderen Teildaten abgeleitet. Tabelle 1.5c Zuwachsrate der Lebenserwartung in den Gruppen A und B, 1000-1999 (kumulierte jahresdurchschnittliche Zuwachsraten) Gruppe A Gruppe B Welt 1000–1820 1820–1900 1900–1950 1950–1999 0.05 0.00 0.01 0.31 0.10 0.22 0.72 1.06 0.92 0.34 0.77 0.61 Erfahrung der westeuropäischen Länder Tabelle 1.6 enthält die Daten über das langfristige Bevölkerungswachstum in Westeuropa. Die Veränderungen erfolgten in einem sehr ungleichmäßigen Tempo. Im 6. und 14. Jahrhundert ereigneten sich große Katastrophen, und im 17. Jahrhundert kam es in mehreren Ländern zu erheblichen Rückschlägen. Bis zum 19. Jahrhundert wurde das Bevölkerungswachstum wiederholt durch mehr oder weniger häufige Krisen unterschiedlichen Ausmaßes unterbrochen. Die drei wichtigsten Ursachen waren: Hungersnöte infolge von Missernten, epidemieartig auftretende Infektionskrankheiten oder Krieg, zwischen denen es natürlich zu Wechselwirkungen unterschiedlicher Intensität kam. Da sich die Wirtschaftsleistung der europäischen Länder in der Vergangenheit – im Vergleich zu heute – sehr viel näher an dem zur Deckung des Existenzminimums nötigen Niveau bewegte und es zudem nur unzureichende Transportmittel und Lagerhaltungsmöglichkeiten gab, konnten Missernten zu hohen Sterberaten führen. Auch auf die Geburtenraten wirkten sie sich aus, da es infolge 33 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Abbildung 1.1 Bevölkerungswachstum in Westeuropa: zwei Jahrtausende im Vergleich (in Tausend) 1 000 000 100 000 1000-1998 0-1000 10 000 0 1000 1000 2000 Quelle: Vgl. Tabelle 1.6a. Die Ordinatenachse ist logarithmisch. Tabelle 1.6a Bevölkerungszahlen in Westeuropa, 0-1998 (in Tausend) 0 200 400 600 800 1000 1200 24 700 27 600 22 900 18 600 20 400 25 413 40 885 1300 1400 1500 1600 1700 1820 1998 58 353 41 500 57 268 73 776 81 460 Quelle: 132 888 388 399 McEvedy und Jones (1978) sowie Anhang B. Der auf die fünf Mittelmeerländer (Frankreich, Griechenland, Italien, Portugal und Spanien) entfallende Anteil ist von 77% im Jahr 0 auf 67% im Jahr 1000, 60% im Jahr 1500, 52% im Jahr 1820 und 45% im Jahr 1998 gesunken. Tabelle 1.6b Bevölkerungswachstum in Westeuropa, 0-1998 (kumulierte jahresdurchschnittliche Zuwachsraten) Quelle: 0–200 200–600 600–1000 1000–1300 1300–1400 0.06 –0.10 0.08 0.28 –0.34 1400–1500 1500–1600 1600–1700 1700–1820 1820–1998 0.32 0.24 0.08 0.41 0.60 Wie bei Tabelle 1.6a. 34 Die weltweite Entwicklung in ihren großen Konturen Abbildung 1.2 Jährliche Entwicklung der schwedischen Geburtenraten und Sterbeziffern, 1736-1987 (je Tausend Einwohner) 60 Sterbeziffer 50 40 30 20 10 1740 1760 1780 1800 1820 1840 1860 1880 1900 1920 1940 1960 1980 1780 1800 1820 1840 1860 1880 1900 1920 1940 1960 1980 60 Geburtenrate 50 40 30 20 10 1740 1760 Quelle: H. Gille, “The Demographic History of the Northern Countries in the Eighteenth Century”, in Population Studies, Juni 1949; Historical Statistics for Sweden, Vol. I, CBS, Stockholm, 1955; OECD Labour Force Statistics, Paris, mehrere Ausgaben. 35 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive mangelhafter Ernährung zu Amenorrhö kam oder junge Paare die Eheschließung hinausschoben. Ein eindrucksvolles Beispiel für eine derartige Katastrophe war die in Irland auf Grund der Kartoffelkrankheit aufgetretene Hungersnot, die in den sechs Jahren zwischen 1846 und 1851 eine Verdopplung der normalen Sterberate in Irland zur Folge hatte. Die Sterbe-„Überschüsse“ beliefen sich auf nahezu eine Million oder etwa 12% der Bevölkerung des Jahres 1845 (vgl. Ó Gráda, 1988). Die immer wieder auftretenden Infektionskrankheiten hatten einen starken Anstieg der Mortalität zur Folge. Am schlimmsten wirkte sich die Beulenpest aus, die im 6. und erneut im 14. Jahrhundert ein Drittel der europäischen Bevölkerung hinwegraffte. Das zweite Auftreten dieser Epidemie zog sich über mehrere Jahrhunderte hin, um schließlich 1665 in England und 1720-1721 in Frankreich ihr Ende zu finden. John Graunt, der erste wissenschaftliche Demograph, berichtete über die verheerenden Auswirkungen dieser Epidemie in London in den Jahren 1592, 1603, 1625, 1630, 1636 und 1665, dem schlimmsten Jahr, in dem insgesamt 97 000 Beerdigungen registriert wurden (rd. 16% der Bevölkerung). Biraben (1972) schätzte die Zahl der Pestopfer in der Provence im Jahr 1720-1721 auf insgesamt 94 000 (rd. 32% der Bevölkerung), nachdem die Krankheit durch ein in Marseille vor Anker gegangenes Schiff aus Syrien eingeschleppt worden war. Durch Verhängung einer strikten Ein- und Ausreisekontrolle in der Region konnten die Auswirkungen der Epidemie begrenzt werden. Die Pest verschwand, doch gab es weiterhin viele andere tödliche Krankheiten – Cholera, Diphtherie, Dysenterie, Grippe, Masern, Pocken, Tuberkulose, Fleckfieber und Typhus. Nachdem die Schwächsten von solchen Seuchen hinweggerafft worden waren, waren diese Krankheiten vorübergehend rückläufig. In einigen Fällen, wie bei der Pest, hat der wiederholte Kontakt mit der Krankheit offensichtlich langfristig zu einer gewissen Widerstandsfähigkeit oder Immunität geführt. In anderen Fällen dürften die für die Infektion verantwortlichen Bakterien oder Viren mutiert sein. Art und Dauer der erworbenen Immunität variierten aus nicht völlig geklärten Gründen, doch gingen die Effekte der Epidemien in Westeuropa am Ende des 19. und im 20. Jahrhundert ganz erheblich zurück. Die weltweite Grippeepidemie von 1918-1919 forderte allerdings erneut einen hohen Todeszoll. Die neue von AIDS ausgehende Gefahr scheint in den Ländern der Gruppe A unter Kontrolle zu sein. Ein wichtiger Faktor, der bis zum 20. Jahrhundert einem Rückgang der Sterberaten entgegenwirkte, war die zunehmende Urbanisierung. Wenngleich die Stadtbevölkerung über höhere Einkommen und besser organisierte Nahrungsmittelmärkte verfügte als die Landbevölkerung, waren ihre Mortalitätsraten doch deutlich höher. John Graunt stellte dies für London im 17. Jahrhundert fest und berichtete, dass dort die Zahl der Beerdigungen deutlich höher sei als die der Taufen. In London lagen die Sterberaten eindeutig über denen kleiner Städte wie Romsey, Tiverton und Cranbrook, deren Entwicklung er ebenfalls untersuchte. Die Expansion Londons war auf den hohen Zuwanderungsüberschuss zurückzuführen, doch bildete die große Stadt eine Brutstätte für Infektionen, und die unzureichenden sanitären Bedingungen stellten vor allem für Säuglinge und neu zugewanderte Personen eine tödliche Gefahr dar. Wrigley et al. (1997), S. 218, berichten, dass die Säuglingssterblichkeit in London zu Beginn des 18. Jahrhunderts etwa doppelt so hoch war wie auf das ganze Land gesehen. Hayami (1986a) stellt das gleiche Phänomen in Japan fest und führt entsprechendes Datenmaterial für die Hauptstadt Edo im Zeitraum 1840-1868 an. Im Verlauf des 20. Jahrhunderts wurde diese Differenz aufgehoben (vgl. Preston und van der Walle, 1978, in Bezug auf das rückläufige Gefälle der Sterberaten im 19. Jahrhundert in Frankreich). Bei Betrachtung längerer Zeiträume waren die Jahrhunderte vor 1820 durch eine langsame Steigerung der Agrarproduktivität und eine bessere Nahrungsmittelversorgung gekennzeichnet. Hungerkrisen traten seltener auf und waren weniger gravierend. Die höhere Widerstandsfähigkeit gegenüber Krankheiten wurde ferner auch durch den steigenden Lebensstandard, veränderte Trinkgewohnheiten, d.h. Umstellung auf Wein, Bier und Tee anstelle von verseuchtem Wasser, sowie Verbesserungen bei der Bekleidung und den Schlafstätten begünstigt. Im 19. und 20. Jahrhundert sank infolge besserer sanitärer Bedingungen und öffentlicher Gesundheitsversorgung, fortschrittlicheren medizinischen Wissens und 36 Die weltweite Entwicklung in ihren großen Konturen Tabelle 1.7a Bevölkerungswachstum: große Einwanderungsländer einschl. Lateinamerika in vergleichender Perspektive,1500–1998 (kumulierte jahresdurchschnittliche Zuwachsraten) 1500–1700 1700–1820 1820–1950 1950–1973 1973–1998 Vereinigte Staaten Kanada Australien & Neuseeland –0.35 –0.11 0.00 1.94 1.18 – 0.20 2.12 2.20 2.45 1.45 2.18 2.16 0.98 1.19 1.27 Brasilien Sonstige lateinamerik. Länder u. Karibik 0.11 –0.21 1.07 0.36 1.92 1.63 2.91 2.65 2.00 2.02 0.18 0.28 0.17 0.41 0.12 0.47 0.64 0.77 0.58 0.70 1.15 2.09 0.32 0.61 1.85 Westeuropa Japan Rest der Welt Quelle: Anhänge A und B. Tabelle 1.7b Vergleich des Bevölkerungswachstums in Nord-, Mittel- und Südamerika und in den früheren europäischen Mutterländern, 1500–1998 Bevölkerungsstand (Mio.) Brasilien Portugal Sonst. lateinamerik. Länder Spanien Multiplikationskoeffizient 1500 1998 1500–1998 1 1 170 10 170 10 16.5 6.8 338 39 20 6 Bevölkerungsstand (Mio.) Ver. Staaten Ver. Königreich Kanada Frankreich Multiplikationskoeffizient 1500 1998 1500–1998 2.00 3.94 271 59 136 15 0.25 15.00 30 59 120 4 Quelle: Anhänge A und B. Tabelle 1.7c Verschiffung afrikanischer Sklaven nach Amerika, 1500–1870 (in Tausend) Brasilien Karibika Hispanoamerika Vereinigte Staaten 1500–1600 1601–1700 1701–1810 50 – 75 – 560 464 293 – 1 891 3 234 579 348 1811–1970 1 145 96 606 51 1500–1870 3 647 3 793 1 552 399 a) Britische, französische, holländische und dänische Kolonien. Quelle: Curtin (1969), S. 268. Vgl. auch Tabelle 2.5 weiter unten. Tabelle 1.7d Nettomigration nach Brasilien, Australien und den Vereinigten Staaten sowie aus dem Vereinigten Königreich, 1500–1998 1500–1600 Brasilien Australien Vereinigte Staaten Verein. Königreich Quelle: +40 – – n.v. 1600–1700 1700–1820 1820–1869 +60 – +131 –714 +400 +33 +587 –672 +400 +1 069 +6 131 –5 548 1870–1913 +2 200 +885 +15 820 –6 415 1913–1950 +1 294 +673 +6 221 –1 405 1950–1998 n.v. +4 184 +24 978 +132 Brasilien: aus Marcilio (1984), Merrick und Graham (1979) und IBGE (1960); Australien 1788–1973: aus Vamplew (1987), S. 4–7; danach aus OECD, Labour Force Statistics; Vereinigte Staaten 1630–1780: aus Galenson (1996), S. 178, und Potter (1965) für 1790–1820. Ich habe unterstellt, dass die Immigration im Zeitraum 1780–1790 Potters Schätzung für 1790–1800 entsprach; Vereinigtes Königreich 1600–1820: aus Henry und Blanchet (1983) mit Angaben über die Nettomigration aus England (dabei ausgeklammert sind Todesfälle auf See sowie in Kriegen im Ausland); 1820–1869: aus Mitchell (1975), S. 137–140, die Bruttoemigration im Zeitraum 1820–1854 wurde – auf der Basis des Emigrations-/Immigrationskoeffizienten für 1855-1869 – um ein Sechstel verringert. Vereinigtes Königreich und Vereinigte Staaten ab 1870: aus Maddison (1991), S. 240, und aus OECD Labour Force Statistics. 37 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive besserer Einrichtungen die Zahl der vorzeitigen Todesfälle auf Grund von Infektionskrankheiten (vgl. Fogel, 1986, wegen einer Kausalanalyse der rückläufigen Mortalität). Das herausragendste Merkmal war der Rückgang der Säuglingssterblichkeit. Um das Jahr 1820 lag sie wahrscheinlich zwischen 150 und 200 pro Tausend in Westeuropa und bei etwa 200 in Japan. In den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts betrug sie etwa 7 in Westeuropa und 4 pro Tausend Personen in Japan. Der Anstieg der Lebenserwartung der älteren Menschen in Westeuropa, den großen Einwanderungsländern und Japan seit 1950 ging mit einer starken Zunahme der Gesundheitsausgaben einher. Der davor verzeichnete Rückgang der Mortalität im 19. und 20. Jahrhundert war mit weitaus geringeren Kosten verbunden. Abbildung 1.2 zeigt ein recht repräsentatives Bild von der Entwicklung der europäischen Mortalität und Fertilität seit dem Jahr 1736, als in Schweden zum ersten Mal derartige Register angelegt wurden. Vallin (1991) legt ähnliche Abbildungen über die Entwicklung der Mortalität in England, Frankreich, Finnland und Norwegen seit 1720 vor. Vor der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war die Mortalitätsstruktur in diesen Ländern unregelmäßiger als danach, da die aus Krisensituationen resultierende Mortalität seither stark zurückgegangen ist. Abbildung 1.2 zeigt auch den demographischen Umbruch, der Mitte des 19. Jahrhunderts in den meisten westeuropäischen Ländern einsetzte. Die Geburtenraten sind stärker gesunken als die Sterberaten. 1998 betrugen sie nur noch rund ein Drittel ihres Niveaus von 1820. Folglich hat sich das Bevölkerungswachstum sehr verlangsamt, und die demographischen Strukturen haben sich radikal verändert. In England, das für die Entwicklung in Westeuropa als repräsentativ betrachtet werden kann, waren nahezu 39% der Bevölkerung im Jahr 1821 unter 15 Jahre alt und weniger als 5% 50 Jahre oder älter. 1998 betrugen die entsprechenden Prozentsätze 19% und nahezu 16%. Der Anteil der Personen in der Altersgruppe der 15- bis 64-Jährigen stieg von 60% auf 65%. Der amerikanische Kontinent und Australasien Durch die ersten Kontakte mit Westeuropa veränderte sich die Struktur von Mortalität, Migration und Bevölkerungswachstum auf dem amerikanischen Kontinent und in Australien grundlegend. Im 16. Jahrhundert wurden die im relativ dicht bevölkerten Mexiko und Peru etablierten agrarischen Zivilisationen von den spanischen Konquistadoren in kurzer Zeit zerstört, was primär auf die unbeabsichtigte Einschleppung von Krankheiten aus Europa zurückzuführen war (Pocken, Masern, Grippe und Fleckfieber). Bald darauf wurden durch den Sklavenhandel das Gelbfieber und die Malaria ins Land gebracht. Die Folgen waren für die einheimische Bevölkerung verheerend. Mindestens drei Viertel der Menschen wurden dahingerafft (vgl. Anhang B). In Gesamt-Lateinamerika war die Sterberate verhältnismäßig etwa doppelt so hoch wie in Europa zur Zeit des Schwarzen Todes. In Teilen des amerikanischen Kontinents, deren Bevölkerung vorwiegend aus Jägern und Sammlern bestand und die eine weniger dichte Besiedlung aufwiesen (z.B. Brasilien sowie die Regionen, die später zu Kanada und den Vereinigten Staaten wurden), lag die krankheitsbedingte Mortalität etwas niedriger. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts trat der Westen mit Australien und den übrigen Pazifikinseln in Kontakt. Die krankheitsbedingten Effekte auf die Sterberaten sind mit denen auf dem amerikanischen Kontinent vergleichbar, und es wurde dort eine noch systematischere Politik der Ausrottung der einheimischen Bevölkerung betrieben als im spanischen Amerika (vgl. Butlin, 1983 und 1993). So verheerend die Folgen der spanischen Eroberung und Kolonisierung für die indigene Bevölkerung waren, bewirkten sie doch langfristig eine erhebliche Vergrößerung des Wirtschaftspotentials des amerikanischen Kontinents. Durch die Einführung neuer Anbaupflanzen und Nutztiere konnte eine größere Bevölkerung ernährt werden (vgl. Crosby, 1972). Neu eingeführt wurden Weizen, Reis, Zuckerrohr, Weinstöcke, Grüngemüse, Oliven, Bananen und Kaffee. Zur menschlichen Ernährung wurden 38 Die weltweite Entwicklung in ihren großen Konturen Abbildung 1.3 Bevölkerungsniveau der drei größten Länder des amerikanischen Kontinents und ihrer Mutterländer im Vergleich, 1500-1998 1 000 000 Portugal und Brasilien (in Tausend) 1 00 000 Brasilien 10 000 Portugal 1 000 100 1500 1550 1600 1650 1700 1750 1800 1850 1900 1950 2000 1900 1950 2000 1900 1950 2000 1 00 000 Spanien und Mexiko (in Tausend) Spanien 10 000 Mexiko 1 000 100 1500 1550 1600 1650 1700 1750 1800 1850 1 000 000 Vereinigtes Königreich und Vereinigte Staaten (in Tausend) 1 00 000 Vereinigtes Königreich 10 000 Vereinigte Staaten 1 000 100 1500 1550 1600 1650 1700 1750 1800 Quelle: Vgl. Anhänge A, B und C. die Ordinatenachse ist logarithmisch. 39 1850 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Rinder, Schweine, Hühner, Schafe und Ziegen heimisch gemacht. Die Einführung von Last- und Zugtieren – Pferde, Ochsen, Esel, Maultiere – im Verein mit Wagen (mit Rädern) und Pflügen (die an die Stelle von Spaten traten) trug ebenfalls stark zur Verbesserung der Produktionskapazität bei. Es fand aber auch ein Transfer von Pflanzenkulturen aus der Neuen Welt nach Europa, Asien und Afrika statt – Mais, Kartoffeln, Süßkartoffeln, Maniok, Paprika, Tomaten, Erdnüsse, Ananas, Kakao, Tabak –, der das weltweite Produktionspotential verbesserte und ein stärkeres Bevölkerungswachstum ermöglichte. Die Eröffnung neuer Wirtschaftshorizonte und die Hinzugewinnung großer Territorien hatten einen gewaltigen Bevölkerungstransfer aus Europa und Afrika zur Folge. Im Zeitraum 1500-1870 wurden nahezu 9½ Millionen afrikanische Sklaven zur Arbeit auf landwirtschaftlichen Plantagen (Zucker, Tabak, Kaffee und Baumwolle) auf dem Seeweg nach Brasilien, in die Karibik und den Süden der Vereinigten Staaten verschleppt. Die Auswanderung spanischer und portugiesischer Siedler nach Lateinamerika während der Kolonialzeit (vor 1820) lag zahlenmäßig unter dem Sklaventransfer. Die portugiesische Emigration erreichte wahrscheinlich rund eine halbe Million (Marcilio, 1984) und die spanische weniger als eine Million (Sanchez-Albornoz, 1984). Galenson (1996) schätzt die Zahl der britischen Auswanderer in die Karibik im Zeitraum 1630-1780 auf etwa eine viertel Million. Bei Einbeziehung der französischen und niederländischen Migration dürfte der weiße Wanderungssaldo nach Lateinamerika vor 1820 insgesamt 2 Millionen Personen betragen haben, gegenüber einem Zugang von 7,5 Millionen Sklaven. Die Lebenserwartung der Sklaven war allerdings beträchtlich niedriger. Merrick und Graham (1979, S. 56-57) geben einen Schätzwert von 18 Jahren für männliche Sklaven in Brasilien im Jahr 1872 an, gegenüber 27 Jahren für die Gesamtbevölkerung. Auch die Fruchtbarkeit der Sklaven war infolge der mehr als unsicheren Aussichten auf ein normales Familienleben geringer. Der Anteil der Frauen an der weißen Immigrantenbevölkerung war gering – diese Gruppe bestand zu drei Vierteln oder mehr aus erwachsenen Männern. Ihre Fertilität war infolge formloser Verbindungen mit Partnern aus der indigenen und schwarzen Bevölkerung recht hoch. Die Folge war in Lateinamerika eine bedeutend stärkere ethnische Mischung als in Nordamerika. Seit 1820 ist die Bevölkerung Lateinamerikas schneller gewachsen als die Westeuropas. Hauptgrund hierfür waren höhere Geburtenraten, da der Rückgang der Mortalität erst später einsetzte und weniger stark war. Vor 1913 war die Migration von Europa nach Lateinamerika für einen substantiellen Teil der Diskrepanz verantwortlich, danach nahm die Rolle der Migration jedoch ab. In der Region der Vereinigten Staaten und Kanadas begann die Ansiedlung von Europäern im 17. Jahrhundert und expandierte im 18. Jahrhundert stark, wobei im gleichen Zeitraum massive Sklavenströme ins Land kamen. Die indigene Bevölkerung wurde ausgerottet oder aus den von Europäern besiedelten Gebieten vertrieben. Im Jahr 1700 bestanden drei Viertel der Bevölkerung aus indigenen Gruppen, um 1820 machten sie nur noch 3% aus (vgl. Tabelle B.15). Im Süden herrschte die Plantagenkultur vor, wobei Sklaven die Hauptkomponente der Arbeitskräfte darstellten. Im Norden waren mehrheitlich weiße Siedler niedergelassen, die vorwiegend als Farmer in Familienbetrieben tätig waren. In Nordamerika war die Lebenserwartung der Weißen mit der in Westeuropa vergleichbar. Die Lebenserwartung der Sklaven lag niedriger, wobei das Gefälle jedoch geringer war als in Brasilien. Für die Zeit um 1850 geben Merrick und Graham (1979, S. 57) 35,5 Jahre für Sklaven und 40,4 Jahre für die Bevölkerung der Vereinigten Staaten insgesamt an. Die Fertilität war hoch. Im Jahr 1820 betrug die Geburtenrate in den Vereinigten Staaten 5,5 v.H., in Kanada (Quebec) 5,7 v.H., womit sie weit über den Raten des Vereinigten Königreichs (4,0) und Frankreichs (3,2) lag. Seit 1820 ist die US-amerikanische Bevölkerung sehr viel schneller gewachsen als die europäische. Die Sterberate war jedoch ähnlich. Die Geburtenrate verharrte auf einem höheren Niveau, ist allerdings proportional genauso stark gesunken wie in Westeuropa. Die Einwanderung in die Vereinigten Staaten ist weiterhin beträchtlich. Vor den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts kam die 40 Die weltweite Entwicklung in ihren großen Konturen Mehrzahl der Einwanderer aus Europa, so dass sich ein Großteil des Wachstumsgefälles zwischen den Vereinigten Staaten und Europa durch diese Migration erklären lässt. Japan Vom 7. Jahrhundert bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts bemühte sich Japan, seine Wirtschaft, Gesellschaft und Institutionen am chinesischen Modell auszurichten; seine demographische Entwicklung verlief jedoch völlig anders: a) langfristig wurde die Bevölkerungsexpansion Japans vorwiegend durch Hungersnöte und Hungerkrisen begrenzt. Krankheiten und Kriege spielten eine weitaus geringere Rolle als in China (und Europa); b) in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und bereits früher war die Lebenserwartung der Japaner mit dem Niveau Westeuropas vergleichbar und lag weit über der der Chinesen. Auftreten von Hunger, Krankheiten und Kriegen im Vergleich Macfarlane (1997) liefert eine vergleichende Untersuchung über die Bestimmungsfaktoren, die langfristig Einfluss auf die Sterberaten in England und Japan hatten; Jannetta (1986) führte eine detaillierte Analyse über die japanischen Erfahrungen mit Epidemien durch, und von Saito (1996) wurde eine vergleichende Langzeitstudie zum Auftreten von Hunger und Krankheiten in Japan vorgelegt. Zentraler Punkt der vorstehenden Arbeiten ist, dass Japan von der Beulenpest verschont blieb, wofür primär die völlige Abschottung des Landes von der Außenwelt verantwortlich war. Japan war von Korea durch 200 km häufig sturmgepeitschter See getrennt. Der nächste Punkt auf dem chinesischen Festland war 750 km entfernt. Diese Meeresbarriere und die offizielle Politik bildeten einen effizienten cordon sanitaire. Reisen nach und von Japan unterlagen strengen Restriktionen. Die mit Japan Handel treibenden Ausländer lebten mehr oder weniger permanent in quarantäneähnlichem Zustand in einem kleinen Gebiet bei Nagasaki. Es wurden weder Getreide noch andere Produkte eingeführt, die Krankheitserreger ins Land hätten einschleppen können. Die zwei Versuche der Mongolen – 1274 und 1281 –, Japan zu unterwerfen, waren gescheitert. Hätten die Mongolen Erfolg gehabt, wäre die demographische Entwicklung Japans (und vieles mehr) sehr anders verlaufen. Dass Japan pestfrei blieb, war der Hauptgrund dafür, dass die Bevölkerung des Landes während der ersten 1 500 Jahre unserer Zeitrechnung schneller wuchs als die Europas und Chinas. Die häufigste Seuche in Japan waren die Pocken. Die Mortalität infolge anderer Krankheiten – Cholera, Dysenterie, Malaria, Masern, Tuberkulose und Typhus – war geringer als in Europa, und Fleckfieberepidemien waren im Land unbekannt. Diese Situation war in erster Linie auf die hygienischen Gewohnheiten der Japaner und deren nur sehr begrenzte Kontakte mit Tieren zurückzuführen. Japan besitzt eine Unmenge von Gebirgsflüssen und heißen Quellen, und das mit der Shinto-Religion einhergehende Bedürfnis nach körperlicher Reinheit führte zu täglichem Baden zu Hause oder in öffentlichen Badehäusern. Japanische Häuser waren nur höchst sparsam eingerichtet, jedoch äußerst sauber und gut durchlüftet. Schuhe wurden am Eingang abgestellt, und es gab praktisch keine Möbel oder Vorhänge außer Moskitonetzen. Wasser wurde größtenteils abgekocht in Form von Tee konsumiert. Die Japaner ernährten sich von Reis, Fisch, Sojabohnen, einer Vielzahl von Gemüsearten, Bambussprossen und Rettichen. Nach buddhistischer Tradition aßen die Japaner praktisch kein Fleisch. Es wurden keine Kühe, Schweine, Schafe oder Ziegen gehalten, und Viehdung war unbekannt. Wenngleich die menschlichen Ausscheidungen als Dünger verwendet wurden, waren die wenigen Ausländer, die das Land bereisten, von der absoluten Sauberkeit der Toiletten und der sanitären 41 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Behandlung der Abwässer äußerst beeindruckt. 1853 gelang es den Ausländern, die Öffnung des Landes zu erzwingen, was zu einer erheblichen Zunahme der Kontakte mit der Außenwelt führte. Kurz danach kam es im Zeitraum 1858-1860 zu einer größeren Cholera-Epidemie, und Japan sah sich verstärkt mit Grippe, Tuberkulose, Typhus, Fleckfieber und Diphtherie konfrontiert (vgl. Saito, 1996 und Honda, 1997). Die japanische Sterberate nahm daher bis zur letzten Dekade des 19. Jahrhunderts signifikant zu (vgl. Ishii, 1937, S. 124-125). Saito (1996) hat die in amtlichen Aufzeichnungen enthaltenen Angaben über Hungersnöte und Missernten in Japan vom 8. bis zum 20. Jahrhundert zusammengestellt. Wenngleich das Ausmaß dieser Hungerkrisen nicht mit Genauigkeit ermittelt werden kann, so sind doch gewisse Aussagen zur Veränderung ihrer Häufigkeit möglich. Zwischen dem 8. und 10. Jahrhundert wurde jedes dritte Jahr eine Hungerkrise verzeichnet, zwischen dem 11. und 15. Jahrhundert jedes fünfte Jahr, zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert jedes vierte Jahr, im 19. Jahrhundert jedes neunte Jahr und im 20. Jahrhundert überhaupt nicht mehr. Die japanischen Hungerperioden können in ihrem Ausmaß nicht mit denen in China oder Europa verglichen werden. Japanische und europäische Ernährungsweisen wichen jedoch stark voneinander ab. Die Europäer nahmen erhebliche Mengen an Fleisch, Milch und sonstigen tierischen Produkten zu sich, die in Japan nicht verbreitet waren. In Europa konnten dank ausreichender Getreideproduktion große Mengen an Bier erzeugt werden, was in Japan nicht der Fall war. Auf Grund der bedeutend größeren Knappheit an Bodenfläche mussten die Japaner sehr viel intensiver arbeiten als die Europäer. Die härteren Lebensbedingungen der Japaner und die stärkeren körperlichen Anforderungen dürften die Japaner Hungersnöten gegenüber anfälliger gemacht haben als Europäer, jedoch kaum anfälliger als die Chinesen. Ein drittes großes Hindernis für das Bevölkerungswachstum war der Krieg. Japan hat im Vergleich zu China nur sehr wenig unter Kriegen gelitten und wahrscheinlich weniger als Westeuropa. China erlitt durch die Invasion der Mongolen in Nordchina im Jahr 1234 hohe Verluste. Die Mongolen machten viele Städte dem Erdboden gleich, fügten der Landwirtschaft großen Schaden zu, machten Teile der Landbevölkerung zu Leibeigenen oder Sklaven und vertrieben sie von ihrem Land, das sie zu Weideland für ihre Pferde umfunktionierten. Der spätere Ansturm der Mongolen auf Südchina im Jahr 1279 war weitaus weniger zerstörerisch, doch schleppten die mongolischen Reiter 1353 die Beulenpest ein. Die kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Mongolen forderten unter der chinesischen Bevölkerung insgesamt rund 30 Millionen Menschenleben. Der Übergang von der Mongolenherrschaft zur Ming-Dynastie war nicht mit einer hohen Sterberate verbunden. Die nächste große Katastrophe war die Ablösung der Ming-Kaiser durch die MandschuDynastie. Die Machtübernahme der Mandschu erfolgte 1644 in Nordchina zügig, während sich der Kampf mit den Anhängern der Ming-Dynastie im Süden bis 1683 hinzog. Die Grausamkeit des Krieges forderte im Verein mit den Folgen von Pockenepidemien und Hungersnöten über 20 Millionen Menschenleben. Gleichzeitig fand eine starke Migration aus Festland-China statt. Die Mandschu praktizierten in ihrem Kampf gegen Koxinga, der von Taiwan aus operierte, eine Politik der verbrannten Erde an den Küsten der gegenüberliegenden Provinzen Kwangtung, Fukien und Chekiang, indem sie auf einem etwa 12-50 km breiten Landstreifen Ernten und Dörfer vernichteten. Die Folge war eine massive Bevölkerungsabwanderung aus dem Gebiet nach Taiwan sowie eine erste Migrationswelle von „Übersee“-Chinesen nach Südostasien (vgl. Purcell, 1965). In den fünfziger und sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts forderten der Aufstand von Taiping und andere Erhebungen gegen die Mandschu-Herrschaft weitere starke Verluste an Menschenleben. Diesen Kämpfen sowie den damit verbundenen Hungersnöten und Krankheiten fielen zwischen 1850 und 1870 über 50 Millionen Menschen zum Opfer. 42 Die weltweite Entwicklung in ihren großen Konturen Im Zeitraum 1840-1945 erlitt China durch die Aggression westeuropäischer Länder sowie Japans und Russlands und ebenfalls durch den Bürgerkrieg im eigenen Land, der sich von 1937-1949 hinzog, erneut erhebliche Verluste an Menschenleben. Japan wurde nie von fremden Invasionen heimgesucht, und die zwei wichtigsten Bürgerkriegsepisoden – in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts anlässlich der Gründung des ersten Shogunats (Kamakura) sowie im Zeitraum 1467-1568 – hatten weitaus schwächere Auswirkungen als die Kriege auf chinesischem Boden. Früher demographischer Wandel im Japan der Tokugawa-Zeit Nach einem Jahrhundert rascher Expansion verlangsamte sich das Wachstum der japanischen Bevölkerung vom Beginn des 18. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts merklich. Diese Verlangsamung resultierte aus dem vergleichsweise frühen Übergang zu niedrigeren Mortalitäts- und Fertilitätsraten sowie zu einer über der asiatischen Norm liegenden Lebenserwartung. Dieser Wandel entsprach in gewisser Weise der demographischen Entwicklung in den westeuropäischen Ländern von der Mitte des 19. bis zum 20. Jahrhundert. Die japanischen Bevölkerungsregister des 18. Jahrhunderts sind zwar mit manchen Fehlern behaftet, doch weitaus aussagefähiger als die Register früherer Jahrhunderte. In den vergangenen 40 Jahren wurden sie von einer neuen Generation historisch orientierter Demographen – angeregt durch die bahnbrechenden und umfangreichen Arbeiten von Akira Hayami – einer sorgfältigen Prüfung unterzogen. Aus diesen Untersuchungen ergab sich eine völlig neue Interpretation dieser Epoche. Die Verlangsamung des Bevölkerungswachstums im 18. Jahrhundert, die zunächst auf eine in den Malthus‘schen Bevölkerungsgesetzen beschriebene Verarmung zurückgeführt wurde, wird nunmehr als Folge einer Epoche zunehmenden Wohlstands interpretiert. Es ist kaum zu bezweifeln, dass die Bevölkerung im Zeitraum 1721-1846, für den die besten statistischen Daten des Tokugawa-Regimes zur Verfügung stehen, stagnierte, und es sind stichhaltige Belege dafür vorhanden, dass sie sich im 17. Jahrhundert sehr viel rascher vermehrt hatte. Es besteht ebenfalls Grund zu der Annahme, dass die Geburtenraten relativ niedrig und die Lebenserwartung relativ hoch waren, wenngleich letzteres umstritten ist. Die plausibelsten Schätzungen liegen bei 32-37 Jahren, wobei die Unsicherheit auf fehlende direkte Angaben über die Säuglingssterblichkeit sowie auf die Notwendigkeit zurückzuführen ist, mit abgeleiteten Werten zu arbeiten (vgl. Fußnoten zu Tabelle 1.4). Die herkömmlichen Methoden der Geburtenbeschränkung in Japan (wie in China) waren Abtreibung und Kindesmord. Im 18. Jahrhundert wurde die Größe der Familien durch Spätehen sowie niedrigere Fruchtbarkeitsraten der Ehepaare weiter reduziert. Diese Entwicklung resultierte aus neuen institutionellen Regelungen, wachsendem Pro-Kopf-Einkommen sowie höherem Pro-Kopf-Arbeitsaufwand. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts zwang das Tokugawa-Regime seine militärische Elite (Daimyo), ihre Vasallen (Samurai) vom Land in Burgstädte umzusiedeln. Die Bauernschaft stand daher nicht mehr unter strenger Kontrolle und verfügte über weitaus mehr Möglichkeiten, Produktivitätsgewinne für sich selbst in Anspruch zu nehmen. Es wurden hohe Reisabgaben für den Unterhalt der Samurai verlangt, doch handelte es sich dabei um mehr oder weniger fixe Abgaben, und die Steuerlast ging im Laufe der Zeit zurück. Im 17. Jahrhundert wurden umfangreiche Landerschließungs- und Bewässerungsprojekte durchgeführt; ferner wurden besseres Saatgut und mehr Düngemittel verwendet. Der Anteil der Landflächen, auf denen Reisarten angebaut wurden, die zwei Ernten zuließen, nahm enorm zu, und die Menge 43 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle 1.8a Vergleich des Bevölkerungswachstum in Japan, China und Westeuropa, 0–1998 (in Tausend) 0 1000 1300 1400 1500 1600 1700 1820 1850 1870 1998 Japan China 3 000 7 500 10 500 12 700 15 400 18 500 27 500 31 000 32 000 34 437 126 469 59 600 59 000 100 000 72 000 103 000 160 000 138 000 381 000 412 000 358 000 1 242 700 Westeuropa 24 700 25 413 58 353 41 500 57 268 73 778 81 460 132 888 164 428 187 532 388 399 Quelle: China: aus Anhang 3 und Maddison (1998a); Westeuropa: aus Tabelle 1.6a; Japan: aus Farris (1985), Honjo (1935), Taeuber (1958), nach einigen Interpolationen. Tabelle 1.8b Bevölkerungszuwachsraten in Japan, China und Westeuropa, 0–1998 (kumulierte jahresdurchschnittliche Zuwachsraten) 0–1500 Japan China Westeuropa 0.11 0.04 0.06 1500–1700 1700–1850 0.28 0.15 0.18 1850–1998 0.10 0.73 0.47 0.93 0.75 0.58 Quelle: Abgeleitet von Tabelle 1.8a. Tabelle 1.8c Urbanisationsquote in Japan, China und Westeuropa, 1000–1890 (Anteil der in Städten mit mindestens 10 000 Einwohnern lebenden Bevölkerung in %) 1000 1500 1820 1890 Quelle: Japan China Westeuropa n.v. 2.9 12.3 16.0 3.0 3.8 3.8 4.4 0.0 6.1 12.3 31.0 Anhangstabelle B.14, de Vries (1984), Perkins (1969) und Ishii (1937). der kommerziell verwerteten landwirtschaftlichen Produkte (Baumwolle, Seide aus der Seidenraupenzucht, Ölsaaten, Zucker und Tabak) sowie die industrielle Nebennutzung weiteten sich rasch aus. Diese Veränderungen führten zu höheren Realeinkommen, erforderten jedoch gleichzeitig einen intensiveren Arbeitseinsatz, wobei die Zusatzbelastung für Frauen besonders groß war (Saito, 1996). Unter diesen Umständen wurden große Familien als Belastung empfunden. Durch eine Reduzierung der Zahl der abhängigen Familienangehörigen konnte das Pro-Kopf-Einkommen erhöht oder zumindest leichter aufrechterhalten werden. Geburtenbeschränkung war auch vom gesellschaftlichen Standpunkt her akzeptabel. Die Dorfgemeinschaft war kollektiv für die obligatorischen Steuerabgaben auf Reis verantwortlich, so dass niedrigere Abhängigkeitsraten der Wohlfahrt des ganzen Dorfes zugute kamen. Das Risiko des Aussterbens einer Familie wurde durch die weitverbreitete Praxis der Erwachsenenadoption beseitigt – indem z.B. Schwiegersöhne den Familiennamen und letztlich auch 44 Die weltweite Entwicklung in ihren großen Konturen den Familienbesitz übernahmen. Das japanische Erbschaftssystem entsprach mehr oder weniger dem Erstgeburtsrecht, bei dem der Besitz einem einzigen Erben zufällt, im Gegensatz zu dem in China praktizierten System der Aufteilung des Erbes auf sämtliche Angehörigen. Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts erhöhten sich die japanischen Sterbe- und Geburtenraten leicht. Hierbei könnte es sich allerdings teilweise nicht um einen effektiven, sondern einen nur scheinbaren Anstieg infolge der geänderten staatlichen Haltung und Praxis gehandelt haben. An die Stelle der in der Tokugawa-Zeit geübten Toleranz gegenüber Abtreibung und Kindesmord war nunmehr die Repression dieser Praktiken getreten, die leichter aufzudecken waren, da das neue BevölkerungsRegistrierungssystem der Meiji-Periode eine bedeutend effizientere Erfassung ermöglichte. Die japanische Familiengröße und das Bevölkerungswachstum waren jedoch weiterhin recht gering, gemessen an den Normen anderer asiatischer Länder. II Pro-Kopf-BIP Die langfristigen Schätzungen des Welt-BIP stammen aus allerjüngster Zeit. Die quantitativ ausgerichteten Forschungsarbeiten von Wirtschaftshistorikern über das Wachstum der Realeinkommen blieben primär auf Europa konzentriert und waren in der Regel auf die letzten zwei Jahrhunderte beschränkt. Das Wissen über frühere Jahrhunderte beruhte bis vor kurzem weitgehend auf Annahmen. In Maddison (1995a) waren detaillierte Schätzwerte für verschiedene Sektoren der Weltwirtschaft ab 1820 sowie eine sehr grobe vorläufige Analyse für den Zeitraum 1500-1820 enthalten. In der vorliegenden Untersuchung wurde sehr viel gründlicher auf die Daten für die Jahrhunderte vor 1820 eingegangen, unter Einbeziehung der Ergebnisse der Arbeiten von Maddison (1998a) über die chinesische Wirtschaftsleistung der letzten 2000 Jahre. Zwar beruhen meine Ausführungen auch weiterhin in erheblichem Maße auf Annahmen, doch werden meine Daten und Hypothesen in Anhang A und B so transparent wie möglich dargestellt, so dass der kritische Leser meine Resultate ohne weiteres abändern, anpassen oder erhöhen kann, wenn sie ihm anfechtbar erscheinen. Die Höhe und Veränderung des Pro-Kopf-BIP sind die wichtigsten allgemeinen Indikatoren für die Veränderungen von Wohlstand und Produktionspotential; es ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Pro-Kopf-Verbrauch langfristig weniger stark gestiegen ist, da ein zunehmender Anteil des Inlandsprodukts für Investitionen sowie für die öffentliche Verwaltung verwendet wurde. Die Arbeitsproduktivität entwickelt sich nicht immer parallel zum Pro-Kopf-Einkommen. Die in China unter der SongDynastie (960-1279) sowie in Japan im 17. und 18. Jahrhundert erzielten Fortschritte erforderten eine erhebliche Steigerung des Pro-Kopf-Arbeitseinsatzes. Im 20. Jahrhundert erleben wir das umgekehrte Phänomen. Der Pro-Kopf-Arbeitseinsatz ging in Westeuropa und in den großen Einwanderungsländern erheblich zurück (vgl. Anhang E). Tabelle 1.8 enthält eine Zusammenfassung meiner Ergebnisse für das vergangene Jahrtausend. Aus ihr gehen deutlich die außergewöhnlich langsame Aufwärtsentwicklung Westeuropas sowie einige Ursachen der starken Diskrepanz zwischen dem Westen (Gruppe A) und der übrigen Welt (Gruppe B) hervor. Aus den langfristigen quantitativen Daten sind meines Erachtens folgende wichtige Schlussfolgerungen zu ziehen: a) Das Einkommen der westeuropäischen Bevölkerung hatte um das Jahr 1000 einen Tiefpunkt erreicht. Das Einkommensniveau lag merklich unter dem des 1. Jahrhunderts, und es war niedriger als in China, Indien und anderen Teilen Ost- und Westasiens. 45 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Abbildung 1.4 Pro-Kopf-BIP im Vergleich: China und Westeuropa, 400-1998 20 000 10 000 5 000 2 000 Westeuropa 1 000 China Quelle: Vgl. Anhänge A, B und C. Die Ordinatenachse ist logarithmisch. 46 2000 1950 1900 1850 1800 1750 1700 1650 1600 1550 1500 1450 1400 1350 1300 1250 1200 1150 1100 1050 950 1000 900 850 800 750 700 650 600 550 500 450 400 450 Die weltweite Entwicklung in ihren großen Konturen Abbildung 1.5 Pro-Kopf-BIP: China und Vereinigtes Königreich, 1700-1998 100 000 10 000 Vereinigtes Königreich 1 000 China 100 1700 1750 1800 1850 1900 1950 2000 Abbildung 1.6 Pro-Kopf-BIP: China und Vereinigte Staaten, 1700-1998 100 000 10 000 Vereinigte Staaten 1 000 China 100 1700 1750 1800 1850 Quelle: Anhang A, B und C. Die Ordinatenachse ist logarithmisch. 47 1900 1950 2000 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive b) Im 11. Jahrhundert fand eine Wende statt; damals setzte der wirtschaftliche Aufstieg Westeuropas ein. Diese Entwicklung verlief zunächst langsam, aber bis 1820 hatte sich das Realeinkommen bereits verdreifacht. Die geographischen Zentren und Merkmale der Wirtschaftsmacht veränderten sich. Die norditalienischen Stadtstaaten und insbesondere Venedig führten den Wachstumsprozess an und reaktivierten den Handel im Mittelmeerraum. Portugal und Spanien eröffneten Handelsrouten zum amerikanischen Kontinent und nach Asien, waren jedoch nicht so dynamisch wie die Niederlande, die um 1600 die wirtschaftliche Führungsmacht wurden, an deren Stelle dann im 19. Jahrhundert das Vereinigte Königreich trat. c) Im 14. Jahrhundert holte Westeuropa China (die führende asiatische Wirtschaftsmacht) bei der Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung ein (vgl. Abb. 1.4). Danach stagnierten dann die Pro-KopfErgebnisse Chinas und der meisten anderen asiatischen Länder mehr oder weniger bis zur zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Zunächst war die Stagnation auf die einheimischen Institutionen und die nationale Politik zurückzuführen, sie wurde aber in der Folge durch die von den westlichen Hegemonialmächten betriebene kolonialistische Ausbeutung – besonders ausgeprägt ab dem 18. Jahrhundert – noch verstärkt. d) Die Aneignung der natürlichen Ressourcen Nordamerikas durch die westeuropäischen Länder, die Einwanderung europäischer Siedler und die Einführung ihrer Technologien und Organisationsprinzipien haben den wirtschaftlichen Aufstieg des Westens vom 18. Jahrhundert an um eine wichtige neue Dimension erweitert. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Vereinigten Staaten zur führenden Wirtschaftsmacht der Welt. e) Japan war eine Ausnahme unter den asiatischen Ländern. Im Laufe des 17. und 18. sowie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts holte es China beim Pro-Kopf-Einkommen ein und überholte es schließlich. Die Machtübernahme durch das Meiji-Regime im Jahr 1868 brachte einen bedeutenden institutionellen Wandel mit sich, der das Land in die Lage versetzen sollte, den Westen einzuholen. In den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts war dies bei den Einkommen der Fall, jedoch noch nicht bei der Produktivität. f) Die Kolonialisierung Lateinamerikas verlief in gewisser Weise ähnlich wie die Nordamerikas, doch waren die iberischen Institutionen dem kapitalistischen Entwicklungsprozess weniger förderlich als die in Nordamerika eingeführten. In Lateinamerika gab es eine zahlenmäßig sehr viel größere indigene Bevölkerung, deren Mitglieder wie Menschen zweiter Klasse behandelt wurden, denen jeglicher Zugang zu Landbesitz oder Bildung verwehrt war. Die soziale Ordnung wurde nach der Unabhängigkeit nicht grundlegend verändert. Langfristig verlief der Anstieg der Pro-Kopf-Einkommen sehr viel langsamer als in Nordamerika, jedoch rascher als in Asien oder Afrika. g) 1820 war das afrikanische Pro-Kopf-Einkommen niedriger als im 1. Jahrhundert. Seither ist es langsamer gestiegen als in allen anderen Regionen. 1998 lag das Einkommensniveau nur leicht über dem westeuropäischen Niveau von 1820. Das Bevölkerungswachstum verläuft gegenwärtig rascher als in jeder anderen Region – achtmal so rasch wie in Westeuropa. h) Die dynamischsten Wachstumsergebnisse wurden in den letzten zwei Jahrhunderten erzielt. Seit 1820 ist das Pro-Kopf-Einkommen in der Gruppe A um das 19fache und in der übrigen Welt um mehr als das 5fache gestiegen – was alle früheren Verbesserungen unbedeutend erscheinen lässt, zumal diese positive Entwicklung in einem äußerst knappen Zeitraum erfolgte. Der Leser mag sich fragen, was an diesen Feststellungen neu ist. Die Antwort darauf lautet, dass zunächst quantitative Angaben gemacht werden, die eine Klärung von Fragen erlauben, die bei einer rein qualitativen Analyse im Unklaren belassen würden. Die Quantifizierung ermöglicht die Trennung stilisierter Fakten von stilisierten Fantasievorstellungen, die gelegentlich mit der Realität verwechselt 48 Die weltweite Entwicklung in ihren großen Konturen werden. Quantitative Angaben können leichter in Frage gestellt werden, was wohl auch der Fall sein wird. Sie tragen zur Präzisierung der wissenschaftlichen Debatte und zur Dynamik des Forschungsprozesses bei. Zudem ist ein globaler Überblick nützlich, da er eine Unterscheidung dessen ermöglicht, was normal und was außergewöhnlich ist. Die vorliegenden Ergebnisse weichen in gewisser Hinsicht von früheren Interpretationen im Hinblick auf Dauer und Tempo des wirtschaftlichen Aufstiegs Westeuropas ab. In der Regel wurde der Beginn um das Jahr 1500 angesetzt, als die erste Begegnung der Europäer mit Amerika stattfand und Europa zum ersten Mal mit der Handelswelt Asiens direkt in Berührung kam. Max Weber schrieb den Aufstieg Europas der Ausdehnung des Protestantismus zu, und seiner These wurde Aufmerksamkeit zuteil, da sie mit der herkömmlichen Ansicht über den Beginn des europäischen Aufstiegs übereinstimmte. Ich hingegen bin nicht länger davon überzeugt, dass es um das Jahr 1500 beim Tempo der Verbesserung des Pro-Kopf-Einkommens eine Zäsur gegeben hat. Nach Kuznets (1966, Kapitel 1) ist unter „modernem Wirtschaftswachstum“ eine bestimmte Wirtschaftsära zu verstehen, der „vom Ende des 15. bis zur zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts“ der westeuropäische Handelskapitalismus sowie eine „frühere Epoche der Feudalorganisation“ vorausgegangen waren. Kuznets (1973, S. 139-141) machte plausibel erscheinende Ausführungen über das Tempo des Pro-Kopf-Wachstums des BIP in Westeuropa in der Zeit des Handelskapitalismus. In Maddison (1995a) habe ich Kuznets Hypothese bezüglich der Epoche des Handelskapitalismus akzeptiert, glaube jedoch nunmehr, dass das Wachstum langsamer vonstatten ging als von Kuznets angenommen und dass sich das Tempo der Verbesserung zwischen dem 11. und dem 15. Jahrhundert nicht sehr verändert hat. Daher besteht offensichtlich kein Grund, zwischen Epochen der „Feudalorganisation“ und des „Handelskapitalismus“ zu unterscheiden. Ich würde den gesamten Zeitraum 1000-1820 folglich eher als „protokapitalistisch“ bezeichnen. Ich teile ebenso wenig die Meinung von Kuznets hinsichtlich des Zeitpunkts, an dem der Übergang zu einem „modernen Wirtschaftswachstum“ (von mir als „kapitalistische Entwicklung“ bezeichnet) stattgefunden hat. Aus den heute vorliegenden Belegen ist zu schließen, dass dieser Übergang nicht 1760, sondern um das Jahr 1820 anzusetzen ist. Die von dieser neuen Sicht ausgehenden Arbeiten von Crafts (1983 und 1992) und anderen Autoren haben dazu beigetragen, das alte Konzept eines plötzlich einsetzenden rapiden Aufschwungs im England der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Frage zu stellen. Aus jüngsten Forschungsarbeiten über die Niederlande geht hervor, dass das Einkommen dort Ende des 18. Jahrhunderts höher war als im Vereinigten Königreich. Arbeiten aus den letzten zwanzig Jahren über die aus quantitativer Sicht betrachtete Geschichte anderer westeuropäischer Länder enthalten weitere Gründe, den Übergang später anzusetzen und die bisher gültige These der britischen Ausnahmeentwicklung aufzugeben. Meine Analyse der Wirtschaftsleistung der Vereinigten Staaten zeigt – im Gegensatz zu den Ergebnissen von Gallman (1972) sowie Mancall und Weiss (1999) – eine rasche Steigerung im 18. Jahrhundert. Dieser Unterschied ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass in meiner Untersuchung ungefähre Schätzwerte über die indigene Bevölkerung und ihr BIP sowie über die Aktivität der europäischen Siedler berücksichtigt wurden (ebenso für Australien, Kanada und Neuseeland). Meine Beurteilung der Entwicklung Japans weicht von der herkömmlichen Meinung ab. Ich habe die Wirtschaftsleistung des Landes während der Tokugawa-Zeit quantitativ erfasst und sie der Entwicklung Chinas gegenübergestellt. Die meisten Analysten konzentrieren sich auf Vergleiche zwischen Japan und Westeuropa während der Meiji-Ära und lassen den asiatischen Kontext unberücksichtigt. Gerschenkron (1965) und Rostow (1960 und 1963) betonten beide, dass das plötzliche „Abheben“ der Wirtschaftsaktivität in den westeuropäischen Ländern über das gesamte 19. Jahrhundert gestaffelt erfolgte. Kuznets (1979, S. 131) schloss sich diesem Standpunkt an. Das Wachstum beschleunigte sich in Westeuropa jedoch synchroner, als es diese Autoren dargestellt haben. 49 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle 1.9a Wachstum des Pro-Kopf-BIP nach großen Regionen, 1000–1998 (kumulierte jahresdurchschnittliche Zuwachsraten) 1000–1500 1500–1600 1600–1700 1700–1820 1820–1998 Westeuropa Große Einwanderungsländer Japan Durchschnitt Gruppe A 0.13 0.00 0.03 0.11 0.14 0.00 0.03 0.13 0.15 0.17 0.09 0.12 0.15 0.78 0.13 0.18 1.51 1.75 1.93 1.67 Lateinamerika Osteuropa und ehem. UdSSR Asien (ohne Japan) Afrika Durchschnitt Gruppe B 0.01 0.04 0.05 –0.01 0.04 0.09 0.10 0.01 0.00 0.02 0.19 0.10 –0.01 0.00 0.00 0.19 0.10 0.01 0.04 0.03 1.22 1.06 0.92 0.67 0.95 Tabelle 1.9b Höhe des Pro-Kopf-BIP: Gruppen A und B, 1000–1998 (internationale Dollar von 1990) 1000 1500 1600 1700 1820 1998 Durchschnitt Gruppe A 405 704 805 907 1 130 21 470 Durchschnitt Gruppe B 440 535 548 551 573 3 102 Tabelle 1.9c Bevölkerung der Gruppen A und B, 1000–1998 (in Millionen) 1000 1500 1600 1700 1820 1998 Gruppe A insgesamt 35 76 95 110 175 838 Gruppe B insgesamt 233 362 461 493 866 5 069 Tabelle 1.9d BIP der Gruppen A und B, 1000–1998 (in Mrd. internationalen Dollar von 1990) 1000 1500 1600 1700 1820 1998 Gruppe A insgesamt 14.1 53.2 76.1 100.0 198.0 17 998 Gruppe B insgesamt 102.7 194.0 252.9 271.8 496.5 15 727 Quellen für Tabellen 1.9a bis 1.9d: Anhang B. In Bezug auf die relativen Wirtschaftsergebnisse Europas und Asiens gibt es zwei Denkschulen. Die gängigste Auffassung wurde 1776 von Adam Smith klar artikuliert. Er war kein Spezialist der politischen Arithmetik, stellte jedoch für die siebziger Jahre des 18. Jahrhunderts unter Zugrundelegung der „Arbeitskosten“ und anderer Daten folgende ordinale Klassifizierung in abnehmender Rangordnung auf: Niederlande England Frankreich 50 Die weltweite Entwicklung in ihren großen Konturen Britische Kolonien in Nordamerika Schottland Spanien Spanische Kolonien in Amerika China Bengalen (dessen Wirtschaft infolge der Ausbeutung durch die Ostindien-Kompanie gebeutelt war). Diese Standardtheorie wird auch von Landes (1973, S. 27) vertreten, dessen globale Beurteilung – wie die von Smith – im Großen und Ganzen der meinen entsprach. „Westeuropa verfügte also, anders ausgedrückt, bereits vor der industriellen Revolution über einen gewissen Wohlstand – zumindest im Verhältnis zu anderen Teilen der damaligen Welt und den vorindustriellen Gesellschaften von heute. Er war das Produkt jahrhundertlanger allmählicher Akkumulation, deren Grundlage Investitionen, die Aneignung außereuropäischer Ressourcen und Arbeitskräfte sowie substantielle technologische Fortschritte bildeten, die sich nicht nur in der Erzeugung materieller Güter, sondern auch in der Organisation und Finanzierung ihres Austausches und ihrer Verteilung niederschlugen ... Trotzdem stieg in der Zeit zwischen dem Jahr 1000 und dem 18. Jahrhundert das Pro-Kopf-Einkommen beträchtlich – es hat sich möglicherweise verdreifacht.“ In Maddison (1983) wurde der Standpunkt von Landes mit den von Bairoch zusammengestellten Daten zum relativen Pro-Kopf-Einkommen (1981) verglichen. Bairoch zufolge war China im Jahr 1800 Westeuropa weit voraus, das Einkommen Japans und der übrigen Länder Asiens lag nur 5% niedriger als das Europas, Lateinamerika hatte einen weiten Vorsprung vor Nordamerika und Afrika erreichte etwa zwei Drittel des westeuropäischen Einkommensniveaus. Dieses äußerst unwahrscheinliche Szenario wurde im Fall Asiens, Lateinamerikas und Afrikas nie dokumentiert. Die für diese Regionen angegebenen Zahlen sind im Wesentlichen auf Annahmen beruhende Schätzungen. Bairoch vertrat konsequent die Ansicht, dass die reichen Länder die Länder der Dritten Welt in die Armut gestürzt hätten (vgl. Bairoch, 1967), und er untermauerte seine Hypothesen durch speziell konstruierte Argumente (vgl. die Kritik von Chesnais, 1987). Seine Behauptungen fanden trotz der dürftigen Basisdaten Gehör. Nach Braudel (1985, Bd. 3, S. 597) „können Historiker auch hier wieder einmal auf die Dienste Paul Bairochs zurückgreifen“, und Braudel stellte fest, dass „kaum ein Zweifel besteht, dass Europa selbst nach Napoleons Sturz weniger reich war als das von ihm ausgebeutete Universum“. André Gunder Frank (1998, S. 171 und 284) führt Bairoch an und erklärt, dass „um 1800 Europa und die Vereinigten Staaten, nachdem sie lange im Rückstand gewesen waren, plötzlich aufholten und dann Asien wirtschaftlich und politisch überflügelten“. Pomeranz (2000) zitiert Bairoch sorgfältiger (S. 16), seine Sinophilie führt ihn dann jedoch zu der gleichen Schlussfolgerung. Seiner Ansicht nach (S. 111) „besteht kaum Grund zu der Annahme, dass die Westeuropäer vor 1750 oder sogar 1800 produktiver waren als ihre Zeitgenossen in verschiedenen anderen dicht besiedelten Regionen der alten Welt.“ Maddison (1983) verglich die Evaluierungen von Landes und Bairoch miteinander und stellte fest: „Diese quantitativen, bemerkenswert widersprüchlichen Schlussfolgerungen haben sehr verschiedene analytische Konsequenzen. Wenn Bairoch Recht hat, muss ein Großteil der Rückständigkeit der Dritten Welt wohl auf die koloniale Ausbeutung zurückgeführt werden, und der europäische Vorsprung kann zu einem sehr viel geringeren Teil der fortschrittlichen Wissenschaft, Jahrhunderten langsamer Wohlstandsakkumulation sowie den soliden Organisations- und Finanzstrukturen Europas zugeschrieben werden.“ 51 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Auf Grund meiner langwierigen Bemühungen um Zusammenstellung quantitativer Daten zu diesem Thema komme ich zu dem Schluss, dass Bairoch und seine Epigonen hier gänzlich irren. Die Ablehnung ihrer Thesen bedeutet jedoch nicht, dass die Bedeutung der kolonialen Ausbeutung geleugnet werden soll; es dient hingegen dem besseren Verständnis, wenn die Stärke des Westens und die Schwäche Asiens um das Jahr 1800 realistischer betrachtet werden. Das größte Problem bei der Analyse des Wachstums besteht darin zu erklären, warum sich eine so starke Diskrepanz zwischen der fortgeschrittenen kapitalistischen Gruppe und dem Rest der Welt entwickelt hat. Es gibt natürlich einige historische Beispiele für konvergierende Entwicklungen, so z.B. der Aufstieg Europas aus der Talsohle, das schließlich China überholt hat, sowie Japan, das in der Tokugawa-Zeit China und später die fortgeschrittene kapitalistische Gruppe einholte. In den „goldenen Jahren“ nach dem Zweiten Weltkrieg hat Westeuropa einen Großteil seines Rückstands gegenüber den Vereinigten Staaten aufgeholt; in den letzten 25 Jahren konnte auch das wieder erstarkende Asien (China, Indien, die so genannten Tigerstaaten und andere Länder) seinen Rückstand ganz erheblich verringern. Wenn wir versuchen, die Ursachen für die Diskrepanz zwischen den Ländern zu ermitteln und zu verstehen, wie der Rückstand verschiedener Teile der Weltwirtschaft aufgeholt werden kann, müssen wir feststellen, dass es kein allgemein gültiges Schema für das gesamte Jahrtausend gibt. Je nach Ort oder Zeitraum wirkten unterschiedliche Kräfte. In Kapitel 2 wird der Versuch unternommen, die Veränderungen herauszuarbeiten, die sich in Bezug auf die Wesensmerkmale sowohl der wirtschaftlichen Führungsmächte als auch der wirtschaftlich rückständigen Länder während des vergangenen Jahrtausends vollzogen haben. 52 Entwicklung des Abendlands und Auswirkungen auf die übrige Welt Kapitel 2 Entwicklung des Abendlands und Auswirkungen auf die übrige Welt, 1000-1950 Eines der Hauptmerkmale der Weltentwicklung, das unsere makroökonomischen Statistiken verdeutlichen, ist der außergewöhnliche Charakter der langfristigen Wirtschaftsleistung Westeuropas. Bis zum Jahr 1000 war das Einkommensniveau Westeuropas unter das Asiens und Nordafrikas gesunken. Nach einer längeren Phase des Wiederaufstiegs hatte es im 14. Jahrhundert China (das damals reichste Land) eingeholt. Bis 1820 erreichte es ein Einkommens- und Produktivitätsniveau, das mehr als doppelt so hoch war wie in der übrigen Welt. 1913 lag das Einkommensniveau in Westeuropa und in den großen Einwanderungsländern mehr als sechs Mal so hoch wie in der übrigen Welt. Um zu verstehen, welche Kräfte den Aufstieg des Okzidents herbeiführten und wie sich seine stärkere Dynamik gegenüber der übrigen Welt erklärt, ist es sinnvoll, die Interaktionen des Okzidents mit den anderen Weltregionen über einen längeren Zeitraum hinweg zu untersuchen. Da eine umfassende Analyse aller Facetten der Weltwirtschaft in diesem Rahmen nicht realisierbar ist, beschränkt sich das vorliegende Kapitel auf vier historische Fälle. Ein großer Vorteil dieser Detailanalyse besteht darin, dass sie zeigt, wie irreführend es ist, die Erfahrungen der westlichen Länder als homogen oder monolithisch zu betrachten. Beim ersten Fallbeispiel handelt es sich um die Republik Venedig – die vom 11. bis zum 16. Jahrhundert die reichste und dynamischste westeuropäische Volkswirtschaft war. Der zweite Fall ist Portugal. Wenn der Wohlstand dieses Landes auch zu keiner Zeit den Venedigs erreichte, so wurden dort doch Schiffe konstruiert und Navigationstechniken entwickelt, die es ermöglichten, neue Seewege zu erschließen und Handelsbeziehungen zu Afrika und Asien aufzunehmen. Portugal war der Wegbereiter der europäischen Expansion im Atlantik, entdeckte im Jahr 1500 Brasilien und gab den Auftakt zu drei Jahrhunderten Kolonialherrschaft in Amerika. Der dritte Fall sind die Niederlande, die im Zeitraum 1600-1820 mit ihrem Pro-Kopf-Einkommen in Europa an erster Stelle lagen, sich durch einen hohen Grad internationaler Öffnung und Spezialisierung auszeichneten und in Asien über ein weit ausgedehntes Handelsimperium verfügten. Der vierte untersuchte Fall ist das Vereinigte Königreich, das dem niederländischen Modell internationaler Spezialisierung und Handelsentwicklung folgte, ein noch weit größeres Kolonialreich gründete und im Bereich der Industrie- und Verkehrstechnik bahnbrechende Leistungen hervorbrachte. Dass wir uns hier auf die außergewöhnliche Geschichte des Okzidents konzentrieren, könnte als Eurozentrismus interpretiert werden, aber die westlichen Länder waren nun einmal die erfolgreichsten, und ihre Erfahrungen bilden die beste Basis, wenn man die maßgeblichen Faktoren für wirtschaftliches Wachstum ergründen will. Eine Analyse ihrer Interaktion mit dem Rest der Welt erhellt die Ursachen für wirtschaftliche Rückständigkeit und gibt Aufschluss darüber, inwieweit der Vorsprung der westlichen Länder hierzu beigetragen haben könnte. 53 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Der Aufstieg des Okzidents war von Gewalt gegenüber anderen Teilen der Welt begleitet. Die Kolonisierung Amerikas durch die Europäer bedeutete die Ausrottung, Ausgrenzung oder Unterwerfung seiner Ureinwohner. Das Schwergewicht der Beziehungen Europas zu Afrika lag drei Jahrhunderte lang auf dem Sklavenhandel. Das Ziel der Kriege, die Europa von Mitte des 18. bis Mitte des 20. Jahrhunderts mit asiatischen Ländern führte, bestand darin, Kolonien oder Handelsprivilegien zu erwerben bzw. zu behalten. Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung des Okzidents kam es aber auch zu verheerenden Kriegen innerhalb Europas und einer Beggar-your-Neighbour-Politik. Der Vorsprung Venedigs führte zu Auseinandersetzungen mit Genua, und Portugal geriet mit den Niederlanden in Konflikt. Die Niederlande kämpften achtzig Jahre lang um die Unabhängigkeit von Spanien, führten vier Kriege gegen England und noch mehr gegen Frankreich. Das Vereinigte Königreich lebte in der Zeit von 1688 bis 1815 über 60 Jahre lang und in der Zeit von 1914 bis 1945 nochmals zehn Jahre lang im Krieg mit anderen westeuropäischen Ländern. Vor den ausführlichen Fallstudien empfiehlt sich ein kurzer Überblick über den Entwicklungsprozess der westeuropäischen Länder vom 1. bis zum 10. Jahrhundert und in der Zeit von 1000 bis 1500. I Der Niedergang Europas zwischen dem 1. und 10. Jahrhundert Das 1. und 2. Jahrhundert sahen die Blütezeit des Römischen Reichs, eines politischen Gebildes, das sich von der schottischen Grenze bis nach Ägypten erstreckte und in Europa eine Bevölkerung von 20 Millionen, in Westasien von nochmals 20 Millionen und in Nordafrika von 8 Millionen umfasste1. Innerhalb dieses Gebiets galt ein gemeinsamer Rechtsrahmen, und Sicherheit wurde durch die Pax Romana gewährleistet. Es gab etwa 65 000 km gepflasterte Straßen2; 5% der Bevölkerung waren Städter mit einer regen Säkularkultur3. Die größten Städte waren mit Aquädukten, öffentlichen Bädern und Brunnen, Amphitheatern, Büchereien, Tempeln und anderen öffentlichen Gebäuden ausgestattet. Das Mittelmeer war ein römisches Binnengewässer, über das als Tribut zu entrichtende Getreidelieferungen von Alexandrien und Karthago zu den römischen Hafenstädten Puteoli (bei Neapel) und Portus Novus (bei Rom) gelangten. Seide und Gewürze aus Asien wurden auf dem Landweg über Antiochia sowie am Roten Meer entlang bis nach Ägypten befördert. Bereits im 1. Jahrhundert wussten die Bürger des Römischen Reichs (Griechen, Syrer und Juden) die Monsun-Winde zu nutzen, um mit Westindien direkten Handel zu treiben4. Der römische Imperialismus basierte auf Plünderungen, Sklavenhaltung und der Fähigkeit, durch Militärmacht Kontrolle auszuüben. Die Schwierigkeiten, ein so großes System zu verwalten, traten bereits im Jahr 285 zu Tage, als Diokletian die Aufteilung in ein West- und ein Ostreich vornahm. Mit der Zeit wurde die Kapazität des Weströmischen Reiches, Steuern und Tribut zu erheben, ausgehöhlt. Zur Verstärkung seiner Truppen musste es sich mehr und mehr auf Barbaren stützen. Als diese revoltierten, brach das System zusammen. Im 5. Jahrhundert war das Weströmische Reich vollständig zerfallen. Die Herrschaft über Gallien, Spanien, Karthago und den größten Teil Italiens übernahmen des Schreibens und Lesens unkundige barbarische Invasoren, und Britannien wurde aufgegeben. Im 6. Jahrhundert wurden Italien, Spanien und Nordafrika durch den oströmischen Kaiser vorübergehend zurückerobert. Das endgültige Aus kam mit der Eroberung Ägyptens, Nordafrikas, Spaniens, Siziliens, Syriens und Palästinas durch die Araber zwischen 640 und 800. Von der römischen Zivilisation blieb allein das Byzantinische Reich. 54 Entwicklung des Abendlands und Auswirkungen auf die übrige Welt Die wichtigsten zwischen dem 1. und dem 10. Jahrhundert eingetretenen Veränderungen waren: a) der Zusammenbruch einer riesigen zusammenhängenden politischen Einheit, die sich nie wieder erheben konnte und an deren Stelle eine zersplitterte, fragile und instabile Struktur trat; b) das Verschwinden städtischer Zivilisation und das Überwiegen von autarken, relativ isolierten, völlig ungebildeten ländlichen Gemeinwesen in Regionen, wo Feudalherren einer geknechteten Bauernschaft Einkünfte in Form von Sachleistungen abpressten; c) ein fast völliger Abbruch der Handelsbeziehungen zwischen Westeuropa, Nordafrika und Asien5. Der belgische Historiker Pirenne (1939) gibt eine prägnante Beschreibung der Situation im 9. Jahrhundert: „Wenn man bedenkt, dass zur Zeit der Karolinger keine Goldmünzen mehr geprägt wurden, der Geldverleih mit Zinsen verboten war, es den Berufsstand der Kaufleute nicht mehr gab, keine orientalischen Erzeugnisse (Papyrus, Gewürze und Seide) mehr eingeführt wurden, sich der Geldumlauf auf ein Minimum beschränkte, der einfache Mann weder lesen noch schreiben konnte, Steuern nicht mehr systematisch erhoben wurden und die Städte lediglich Festungen waren, so kann man ohne weiteres sagen, dass es sich hier um eine Zivilisation handelte, die auf ein rein agrarwirtschaftliches Entwicklungsstadium zurückgefallen war und die für die Erhaltung ihres sozialen Gefüges keinen Handel, keine Kredite und keinen regelmäßigen Warenaustausch mehr brauchte“6. II Westeuropa nimmt einen neuen Aufschwung und drängt an die Spitze, 1000-1500 In der Zeit von 1000 bis 1500 erhöhte sich die Bevölkerungszahl in Westeuropa schneller als in irgendeinem anderen Teil der Welt. Die Bevölkerung nahm in den nordischen Ländern wesentlich stärker zu als in den ans Mittelmeer grenzenden Ländern. Der Anteil der städtischen Bevölkerung (die in Städten mit mehr als 10 000 Einwohnern lebte) stieg von 0 auf 6%, ein klares Indiz für ein Aufblühen von Handel und Gewerbe. Ernährt werden konnte diese wachsende Bevölkerung dank der Ausweitung der ländlichen Siedlungsgebiete, vor allem in den Niederlanden, Norddeutschland und an der Ostseeküste, sowie dank der allmählich fortschreitenden Verbreitung technischer Neuerungen, die die Produktivität in der Landwirtschaft steigerten. Die klassische Analyse dieser Veränderungen auf dem Lande liefert Lynn White (1962): „ ... der Großpflug, offene Felder, die neue Integration von Landwirtschaft und Viehzucht, die Dreifelderwirtschaft, moderne Pferdegeschirre, Hufeisenbeschlag und Eggen-Zugbalken, all dies fügte sich bis zum Jahr 1100 zu einem kompletten landwirtschaftlichen Produktionssystem zusammen, womit eine Zone bäuerlichen Wohlstands entstand, die sich vom Atlantik bis zum Dnjepr über ganz Nordeuropa erstreckte.“ White dürfte den Zeitpunkt der von diesen technischen Verbesserungen ausgehenden Effekte zu früh angesetzt und auch das Ausmaß des Wohlstands überzeichnet haben, doch waren diese Neuerungen zweifellos von grundlegender Bedeutung. Die Umstellung von einer Zweifelder- auf eine Dreifelderwirtschaft sicherte zudem eine bessere Lebensmittelversorgung und verringerte das Auftreten von Hungersnöten. Ein wachsender Teil der landwirtschaftlichen Erzeugung wurde als Ausgangsmaterial für die Herstellung von Kleidung (Wolle), Wein und Bier (Getreide und Trauben) sowie als Viehfutter für den größer werdenden Pferdebestand verwendet. Es kam zu einer gewissen regionalen Spezialisierung in der Nahrungsmittelproduktion, und der internationale Handel mit Getreide, Lebendvieh, Käse, Fisch und Wein nahm zu. Der expandierende Salzhandel und die Wiederaufnahme der Gewürzeinfuhren trugen zur Verfeinerung des Geschmacks von Fleisch und Fisch und zur Verbesserung der Konservierungsmöglichkeiten bei. 55 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Der verstärkte Einsatz von Wasser- und Windmühlen erhöhte das Energieangebot für industrielle Verfahren, besonders in neuen Gewerbezweigen wie z.B. der Zucker- und Papierherstellung. In der Wollindustrie kam es zu einer internationalen Spezialisierung. Englische Wolle wurde nach Flandern ausgeführt und dort zu Tuch verarbeitet, das dann in ganz Europa vertrieben wurde. Die im 12. Jahrhundert entstandene Seidenindustrie erreichte im Jahr 1500 in Südeuropa einen erstaunlichen Umfang. Die Qualität der Textilwaren hatte sich wesentlich verbessert und die Auswahl an Farben und Mustern vergrößert. Genua begann im 13. Jahrhundert, Brügge regelmäßig mit Alaun aus Chios zu beliefern. Die Fortschritte in der Bergbautechnik und der Metallurgie ermöglichten Veränderungen und Weiterentwicklungen in der europäischen Waffenherstellung (vgl. Nef, 1987, und Cipolla, 1970). Verbesserungen im Schiffbau und im Bereich der Navigationstechniken begünstigten vom 11. bis zum 15. Jahrhundert die Ausweitung des Handels im Mittelmeerraum, in der Ostsee, auf den AtlantikInseln und an der Nordwestküste Afrikas. In dieser Zeit waren bedeutende Fortschritte im Bankwesen, in der Buchhaltung und im Bereich der Seefahrtversicherung zu verzeichnen. Mit der Entwicklung und Verbreitung von Universitäten, der Expansion der humanistischen Bildung und – Ende des 15. Jahrhunderts – der Erfindung der Buchdruckerkunst kam es zu einem allgemeinen Aufschwung des geistigen Lebens. In der politischen Ordnung traten bedeutende Veränderungen ein. Skandinavische Freibeuter, die Angriffe auf England, die Niederlande und die Normandie verübt hatten und bis tief ins Innere Russlands eingefallen waren, waren zu Kaufleuten geworden, die in Skandinavien selbst, in England, in der Normandie und Sizilien effektive Regierungssysteme errichteten. Es begann sich ein nationalstaatliches System herauszubilden mit einer weniger starken Aufsplitterung politischer Macht, wie sie für das Mittelalter charakteristisch war. Der Hundertjährige Krieg (1337-1453) war nicht die letzte Auseinandersetzung zwischen England und Frankreich, nach Beendigung dieses Krieges war die nationale Identität beider Länder jedoch wesentlich klarer definiert. Am Ende des 15. Jahrhunderts bildete sich mit der Reconquista die spanische Identität moderner Prägung heraus. Umgekehrt verhielt es sich im östlichen Mittelmeerraum. Nach der Einnahme Konstantinopels im Jahr 1453 dehnte das Osmanische Reich seine Vormachtstellung binnen kurzer Zeit auf den Balkan, Syrien, Palästina, Ägypten und Nordafrika aus. Bei Schätzungen der BIP-Entwicklung in Europa und der übrigen Welt in diesem Zeitraum ist natürlich eine erhebliche Fehlermarge gegeben. In Kapitel I und Anhang B wird die Ausgangsbasis für meine Schätzungen so transparent wie möglich erläutert. Meine Schlussfolgerung lautet, dass sich das Pro-Kopf-Einkommen in Westeuropa im Zeitraum 1000-1500 nahezu verdoppelte, während es sich in China um etwa ein Drittel und in anderen Teilen Asiens weniger erhöhte und in Afrika etwas zurückging. Es besteht kein Zweifel daran, dass das Einkommens- und Produktivitätsniveau Westeuropas am Ende des Zeitraums über dem Asiens und Afrikas lag, wohingegen es im Jahr 1000 darunter gelegen hatte. Was Westasien und Ägypten betrifft, so scheint diese Auffassung auch von Spezialisten islamischer Geschichte, wie z.B. Abulafiah (1987) und Abu-Lughod (1989), geteilt zu werden; das dem Vergleich zwischen China und Westeuropa zu Grunde liegende Material wird in Maddison (1998a) eingehend untersucht. Die Regionen, die innerhalb Europas in diesem Zeitraum die größten wirtschaftlichen Fortschritte erzielten, waren a) Flandern, als Zentrum der Wolleherstellung, des internationalen Bankwesens und des Handelsverkehrs in Nordeuropa und b) die italienischen Stadtstaaten – Florenz, Genua, Pisa, Mailand und Venedig. Der erfolgreichste und reichste dieser Stadtstaaten war Venedig. Im folgenden Abschnitt werden daher die Antriebskräfte der kapitalistischen Entwicklung Venedigs näher untersucht. 56 Entwicklung des Abendlands und Auswirkungen auf die übrige Welt III Die Republik Venedig Venedig spielte eine ganz wesentliche Rolle dabei, die Wirtschaft des Mittelmeerraums wieder dem Handel mit Westeuropa zu öffnen und Verbindungen zu Nordeuropa aufzubauen. Es schuf die institutionellen Grundlagen für den Handelskapitalismus, erzielte bedeutende Verbesserungen in der Seeverkehrstechnik und ermöglichte es dem Westen, in Asien und Ägypten angewandte Techniken für die Erzeugung und Verarbeitung von Rohrzucker sowie Verfahren der Seidenherstellung, Glasbläserei und Juwelierskunst kennen zu lernen. Von allen Stadtstaaten Norditaliens gelang es Venedig am besten, eine von einer kapitalistischen Handelselite beherrschte Republik zu gründen und aufrechtzuerhalten. Dank seiner geographischen Lage und seiner eigenen Verteidigungsbereitschaft, konnte Venedig seine Autonomie sichern und sich Forderungen von Feudalherren und Monarchen entziehen. Venedig schuf politische und rechtliche Institutionen, die Eigentumsrechte und die Einhaltung von Verträgen garantierten. Es spielte eine Vorreiterrolle bei der Entwicklung von Devisen- und Kreditmärkten, Bankwesen und Buchhaltung7. Es führte ein System ein, das effektiv einen Staatsanleihemarkt darstellte, zunächst mit Zwangsanleihen, für die regelmäßig Zinsen gezahlt wurden. Sein Fiskalsystem war effizient und begünstigte Handelsgewinne sowie die Kapitalakkumulation. Die Einnahmen kamen aus Verbrauchsteuern und auf Grundbucheintragungen basierenden Vermögensteuern. Venedig war ein toleranter und relativ weltlicher Staat, in dem ausländische Kaufleute (Armenier, Griechen und Juden) ihrem Gewerbe ebenso frei nachgehen konnten wie einheimische. Obwohl die Lagunenrepublik theoretisch zur katholischen Welt gehörte, genoss sie privilegierte Beziehungen zum Byzantinischen Reich. Sie verstärkte 828 ihre Unabhängigkeit von der Kirche, indem sie die Reliquien des hl. Markus von Alexandria erwarb. Venedig war de facto sowohl vom Papst wie auch vom Patriarchen unabhängig. Die venezianische Diplomatie zeichnete sich durch einen hohen Grad an Professionalität, Pragmatismus und Opportunismus aus und war besonders auf die Wahrung ihrer Handelsinteressen bedacht. Sie passte sich politischen Veränderungen erstaunlich gut an. Im 9. und 10. Jahrhundert bestanden die Handelsaktivitäten Venedigs hauptsächlich darin, Konstantinopel mit Getreide und Wein aus Italien, Holz und Sklaven aus Dalmatien und Salz aus seinen Lagunen zu beliefern und Seide und Gewürze zurückzubringen. Gegen Ende des 11. Jahrhunderts geriet Byzanz unter Druck, als die türkischen Seldschuken Anatolien einnahmen und die Franken in seine süditalienischen Territorien einfielen. Als Gegenleistung für die Unterstützung der byzantinischen Seestreitkräfte erhielt Venedig im Jahr 1082 von Byzanz Handelsprivilegien (Befreiung von Verbrauchsteuern). 1204 dagegen spielte Venedig eine maßgebliche Rolle dabei, die Anführer des 4. Kreuzzugs dazu zu bewegen, Konstantinopel und nicht den Islam als Angriffsziel zu wählen. Venedig brachte dies Stützpunkte in Dalmatien und ein Kaiserreich in der Ägäis ein. Es erwarb die südliche Hälfte des Peloponnes, Korfu und Kreta, besetzte nahezu die Hälfte Konstantinopels und bekam Zutritt zum Handel im Schwarzen Meer und im Asow’schen Meer. 1261 eroberte der Kaiser von Byzanz Konstantinopel zurück und gewährte Venedigs Rivalin, Genua, Handelspräferenzen und einen territorialen Stützpunkt. Venedig behielt jedoch seine griechischen Kolonien, und venezianische Schiffe konnten bald ins Schwarze Meer zurückkehren, wo der Handel florierte, nachdem die Mongolen die Seidenstraße durch Zentralasien wieder frei gemacht hatten. Die westeuropäischen Kreuzfahrer gründeten nach erfolgreichen Angriffen auf die Küsten Syriens und Palästinas im Zeitraum 1099-1291 kleine christliche Staaten in Antiochia, Akko und Jerusalem. Sie gewährten den Kaufleuten aus Pisa und Genua, die ihren Eroberungskrieg mitfinanziert 57 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive hatten, Handelsprivilegien. Die Venezianer hatten hierzu keinen Beitrag geleistet, konnten aber dennoch einen Handelsstützpunkt in Tyrus gründen. Das türkische Mamelucken-Regime eroberte Syrien und Palästina 1291 zurück und herrschte in Ägypten bis zum Jahr 1517. Auch hier gelang es den Venezianern, privilegierte Handelsbeziehungen herzustellen, indem sie große Mengen der asiatischen Gewürze aufkauften, die von den KarimiKaufleuten Alexandriens von Asien über das Rote Meer nach Ägypten gebracht wurden. Die Venezianer hatten dafür Metalle, Rüstungen, Wollwaren und Sklaven anzubieten. Die Sklaven stammten aus dem Balkan und aus Russland. Die Männer waren für den Militärdienst in der Armee der Mamelucken, die Frauen für deren Harems bestimmt. Als die Türken 1453 Konstantinopel einnahmen, verhandelte Venedig unverzüglich über die Aufrechterhaltung seiner Handelsrechte, doch verriegelten die Osmanen 1479 den Zugang zum Schwarzen Meer. 1517 eroberten sie Ägypten und setzten dem venezianischen Gewürzhandel praktisch ein Ende. Venedig verfügte über wichtige Verbindungen zu Nordeuropa. Der Handel mit Flandern wurde größtenteils auf Messen in der Champagne abgewickelt, wo italienische Händler Wollwaren kauften und Seide, Gewürze, Alaun, Zucker und Lacke verkauften8. Nach der Öffnung der Seeverbindung zwischen dem westlichen Mittelmeerraum und dem Atlantik erfolgte der Warenaustausch mit Flandern direkt auf dem Seeweg. Eine zweite Route führte von Venedig über den Brennerpass nach Augsburg, Nürnberg, Prag und Wien. Deutsche Kaufleute brachten Metalle und Metallwaren (vor allem Silber) nach Venedig, die die Venezianer bis in die Poebene und im Mittelmeerraum vertrieben. Um für die deutschen Kaufleute Unterkünfte und die für den Handel erforderlichen Einrichtungen bereitzustellen, wurde 1318 in Venedig das Handelshaus Fondaco dei Tedeschi gegründet. Mit dem Aufbau seines Handelssystems schuf Venedig ein politisches Imperium. Im Jahr 1171 zählte die Stadt Venedig etwa 66 000 Einwohner und blieb bis zum 16. Jahrhundert, als die Bevölkerung mit rund 170 000 ihren Höchststand erreichte, eine der drei größten Städte Westeuropas. Venedig wurde von drei demographischen Katastrophen erschüttert. 1347-1348 starben nahezu 40% der Bevölkerung an der Pest, die von einer Galeere aus dem Schwarzmeer-Hafen Kaffa eingeschleppt worden war. Zwei weitere Pestepidemien traten 1575-1577 und 1630 auf, wobei jeweils etwa ein Drittel der Bevölkerung hinweggerafft wurde9. Im überseeischen Teil des Reichs (dominio da mar) lebten etwa eine halbe Million Menschen. Im Zeitraum 1388-1499 erwarb Venedig auf dem italienischen Festland (terraferma) ein Territorium, das Udine, Friaul, Vicenza, Padua, Verona, Bergamo, Rovigo und Cremona umfasste. Die Bevölkerung dieser Territorialstaaten betrug 1557 etwa 1,5 Millionen (vgl. Tabelle 2.1). Tabelle 2.1 Bevölkerung des venezianischen Imperiums im Jahr 1557 (in Tausend) Stadt Venedig Laguneninseln Istrien Dalmatien Quelle 158 50 52 93 Ionien Kreta Terraferma Insgesamt 52 194 1 542 2 141 Beloch (1961), S. 164 und 352. Die Bevölkerung Zyperns (das von 1489–1573 unter venezianischer Herrschaft stand) betrug um die Mitte der fünfziger Jahre des 16. Jahrhunderts wahrscheinlich etwa 160 000, vgl. McEvedy und Jones (1978), S. 119. 58 Entwicklung des Abendlands und Auswirkungen auf die übrige Welt Tabelle 2.2 Größe und Ladekapazität venezianischer Handelsgaleeren, 1318–1559 Länge 1318 für Fahrten nach Zypern 1320 für Fahrten nach Flandern 1420 für Fahrten nach Flandern 1549–1559 Handelsgaleeren Quelle: Breite (Meter) 40.4 40.4 41.2 47.8 5.3 5.7 6.0 8.0 Tiefe 2.4 2.4 2.7 3.1 Ladekapazität (Tonnen) 110 115 170 280 Lane (1966), S. 369. Der venezianische Staat spielte als größter Schiffbauer eine führende Rolle im Handel; er verpachtete staatseigene Galeeren an Privatunternehmen, er organisierte Galeerenkonvois und legte ihre Terminkalender fest. Er entwickelte die für den venezianischen Handel und die Handelsverhältnisse im Mittelmeer geeigneten Schiffstypen. Diese staatliche Aktivität verringerte die Kosten für private Kaufleute, indem sie den Handel vor feindlichen Angriffen sicher machte. Hierdurch war es zudem auch kleineren Handelsunternehmen mit begrenztem Kapital möglich, am internationalen Handel teilzunehmen. Das größte Unternehmen in Venedig war das Arsenal, eine 1104 gegründete staatliche Werft. Sie blieb jahrhundertelang in Betrieb und hat Tausende von Arbeitern beschäftigt. Zwischen dem 10. und 14. Jahrhundert kam es zu bedeutenden Veränderungen im Schiffbau und bei den Navigationstechniken. Beim Bau römischer Schiffe wurde zunächst der Schiffsrumpf gefertigt, der durch eine aufwendige wasserdichte Holzkonstruktion aus Zapfenverbindungen Halt bekam; in einem zweiten Arbeitsgang wurden dann Spanten und Streben eingefügt. Im 11. Jahrhundert kam es zur Umstellung auf ein Verfahren, das die Kosten wesentlich senkte. Kiel und Spanten wurden zuerst hergestellt und dann ein Rumpf aus genagelten Planken hinzugefügt; für die wasserdichte Versiegelung der Schiffe wurden Fasern und Teer verwendet. Eine spätere Entwicklung war das AchterstevenSteuerruder, das an die Stelle des Schwanzruders trat und mit dem die Schiffe besser zu steuern waren. Erleichtert wurde die Steuerung durch das Anbringen von Kurbeln und Riemenscheiben10. Auch die Segel wurden verbessert, namentlich durch die Einführung des schräg zum Mast angebrachten dreieckigen Lateinersegels, das an die Stelle des senkrecht zum Mast befestigten rechteckigen Segels trat. Mit der Zeit nahm auch die Größe der Schiffe zu (vgl. Tabelle 2.2). Bald nach 1270 wurde der Kompass im Mittelmeerraum angewendet. Dies und die bessere Qualität des Kartenmaterials machten die Segelschifffahrt das ganze Jahr über möglich. Vorher waren die im Handel mit Ägypten tätigen Schiffe zwischen Oktober und April nicht ausgelaufen. Mit dem Kompass konnten sie nun statt einer zwei Hin- und Rückfahrten im Jahr von Venedig nach Alexandrien unternehmen. Es existierten zwei venezianische Schiffstypen. Die Frachtschiffe für die Beförderung von Massengütern („Koggen“) wurden auf privaten Werften gebaut. Sie wurden ausschließlich als Segelschiffe betrieben und hatten eine Länge, die etwa dem Dreifachen ihrer Breite entsprach. Die Galeeren für den Passagiertransport, hochwertige Güter und die Kriegsmarine wurden im Arsenal gebaut. Sie waren länger, hatten einen breiteren Ladebaum und 200 Besatzungsmitglieder, die meisten davon Ruderer. Die Galeeren waren schneller und für die Hafenein- und -ausfahrt sowie bei Windstille leichter manövrierbar. Die venezianischen Galeeren hatten üblicherweise 25 Bänke auf jeder Seite, und auf jeder Bank saßen drei Ruderer. Die Bänke waren schräg angeordnet und die Ruder unterschiedlicher Länge, so dass sich die Ruderer nicht gegenseitig behinderten. Zur Besatzung dieser Art von Schiffen gehörten 150 Ruderer und etwa 30 Armbrustschützen für Verteidigung und Angriff, die 59 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle 2.3 Bevölkerung der 31 größten westeuropäischen Städte, 1500–1800 (in Tausend) 1500 1600 1700 1800 Neapel Venedig Mailand Florenz Genua Rom Bologna Palermo 150 100 100 70 60 55 55 55 281 139 120 70 71 105 63 105 216 138 124 72 80 138 63 100 427 138 135 81 91 163 71 139 Paris Lyon Rouen Bordeaux 100 50 40 20 220 40 60 40 510 97 64 50 581 100 81 88 Antwerpen Gent Brüssel Brügge Amsterdam 40 40 35 30 14 47 31 50 27 65 70 51 80 38 200 60 51 74 32 217 Nürnberg Köln Lübeck Danzig Augsburg Wien 36 30 24 20 20 20 Deutschland und Österreich 40 40 40 42 23 n.a. 50 50 48 21 50 114 27 42 23 40 28 231 Granada Valencia Lissabon Barcelona Cordoba Sevilla Madrid 70 40 30 29 27 25 0 Iberische Halbinsel 69 n.a. 65 50 100 165 43 43 45 28 90 96 49 110 55 80 180 115 40 96 167 London 40 200 Italien Frankreich Niederlande England Quelle: 575 865 de Vries (1984), S. 270–277. aber auch das Rudern mit übernahmen. Die Galeeren waren staatliches Eigentum und wurden für jede Fahrt auf öffentlichen Auktionen meistbietend an Privatleute verpachtet. Die Galeeren fungierten auch als staatliche Transportmittel, denn diejenigen, die die Schiffe mieteten, mussten Güter anderer Kaufleute übernehmen, wenn sie noch Laderaum hatten. Im Jahr 1291 fügten die Genueser einer marokkanischen Flotte, die die Meerenge von Gibraltar kontrollierte, eine Niederlage zu und öffneten dem europäischen Handel den Zufahrtsweg vom Mittelmeer zum Atlantik11. Von diesem Zeitpunkt an benutzten die venezianischen Galeeren diese Route für den Handel mit London und Brügge. 60 Entwicklung des Abendlands und Auswirkungen auf die übrige Welt Wenngleich der internationale Handel, das Bankwesen, der Schiffbau und die damit verbundenen Handwerkszweige (Bauholzgewinnung, Tischlerei, Seilerei und Segelherstellung) die größten Wirtschaftssektoren Venedigs darstellten, gab es auch ein bedeutendes Verarbeitendes Gewerbe, das Güter für den lokalen Gebrauch wie auch für den Export fertigte. Einer der ältesten Gewerbezweige war die Glasherstellung, die bereits im 10. Jahrhundert begonnen hatte. Venedig war in Europa führend in der Glasbläserei und produzierte Gläser, Becher, Krüge, Schüsseln, Flaschen, Vasen, Spiegel, Schmuck, Kerzenhalter und dekorative Erzeugnisse von sehr hoher Qualität. Ab dem 13. Jahrhundert wurden in Venedig dünnwandige Sanduhren hergestellt, die den Seeleuten als Zeitmessgeräte dienten. Im 14. Jahrhundert begann die Herstellung von Brillen, und dank dieser italienischen Erfindung konnten Handwerker und Gelehrte ihre Produktivität deutlich steigern12. Angelo Barovier, der berühmteste Glasbläser des 15. Jahrhunderts, perfektionierte das Verfahren zur Herstellung von Kristall. Zu dieser Zeit gab es eine Vielfalt an Glaswaren in den verschiedensten Farben und Mustern, graviert, filigran, lackiert und mit Gold überzogen. Im Jahr 1291 wurde die gesamte Glasbläserei durch einen Erlass des Maggior Consilio auf die Insel Murano verlegt. Dies ermöglichte es Venedig, Handels- und Produktionsgeheimnisse besser zu schützen. Ebenfalls ihrer Zeit voraus waren die Venezianer auf dem Gebiet der Goldschmiede-, der Mosaik-, der Holzschnitz- und der Dekorationskunst; nach diesen Fertigkeiten und Erzeugnissen bestand eine große Nachfrage, insbesondere um das Innere von Kirchen, öffentlichen Gebäuden und Privatpalästen zu Kunstwerken zu gestalten. Der venezianische Stil wurde durch die Arbeiten früherer Generationen von Mosaizisten und Ikonographen aus Ravenna beeinflusst sowie durch die Objekte, die nach der Plünderung von Konstantinopel im 13. Jahrhundert nach Venedig gelangten. Der Rohseide- und Seidenwarenhandel mit Asien führte in Europa letztlich zu einer Importsubstitution. Die Seidenherstellung hatte sich bereits von China nach Indien und Syrien ausgebreitet, und gelangte im 12. Jahrhundert nach Italien – zunächst nach Lucca, dann nach Venedig, Florenz, Genua, Mailand und Bologna – und später nach Lyon in Frankreich. In der arabischen Welt kam die Seidenherstellung von Syrien nach Spanien. Die venezianische Seidenherstellung ist bereits für das 13. Jahrhundert belegt. Die Regierung Venedigs reglementierte die Herstellung, um die Qualität zu garantieren, Konkurrenten fern zu halten und das Risiko der Industriespionage zu verringern. Die Seiden-, Satin- und Samterzeugnisse Venedigs waren von höchster Qualität, und die Muster stellten eine unverkennbare Mischung aus einheimischer Kreativität und orientalischem Einfluss dar. Mehrfarbiger Samtbrokat, meist mit Gold- und Silberfäden durchwirkt, wurde zu festlichen Kleidungsstücken für die regierende Elite Venedigs, zu Möbeln, Wandbehängen, Tischtüchern und zu Dekorationsgegenständen für die Ausstattung der Gondeln verarbeitet. Diese Produkte stellten einen wesentlichen Anteil der venezianischen Ausfuhr. Ein weiterer wichtiger Bereich war die Buchherstellung. Im 9. und 10. Jahrhundert fertigten die in den Schreibstuben der Klöster tätigen Schreiber und Illuminatoren hauptsächlich sakrale Bücher. Später gab es dann bürgerliche Melderegister, historische Aufzeichnungen, Übersetzungen von Aristoteles und anderen griechischen Texten, die für die Büchereien von San Marco sowie für herzogliche, bürgerliche und private Sammler bestimmt waren. Hierdurch entstanden Arbeitsplätze für professionelle Schreiber, Buchbinder, Spezialisten ornamentaler Kalligraphie und Illustratoren. Weniger als fünfzehn Jahre nach der Erfindung des Buchdrucks durch Gutenberg brachte ein deutscher Einwanderer die Technik 1469 nach Venedig. Dies führte zu einer enormen Produktivitätssteigerung in diesem Bereich, wobei Auflagen von bis zu 4 500 Exemplaren erreicht wurden. Jetzt ging ein wesentlich höherer Anteil der Produktion in den Export, als es bei den handgeschriebenen Büchern der Fall gewesen war. Venedig entwickelte sich schnell zum wichtigsten Setzereizentrum Italiens und zu einem der größten in Europa. Bis Mitte des 16. Jahrhunderts erschienen etwa 20 000 Werke. Die venezianischen Buchdruckereien trugen zur Belebung des kulturellen und geistigen Lebens in Europa bei, indem sie Musiknoten, Landkarten, Bücher über Heilkunde und Übersetzungen der griechischen 61 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Klassiker lieferten. Der 1494 gegründete Aldine-Verlag verlegte und veröffentlichte griechische Originaltexte, und Venedig wurde zum größten Herausgeber von Büchern für die griechischsprachige Welt13. Zucker war ein anderes wichtiges Produkt. Venedig richtete Zuckerplantagen und –verarbeitungsanlagen auf Kreta und Zypern ein, die von Sklaven mit Hilfe aus Syrien übernommener Techniken betrieben wurden. Die von Venedig angewandten Methoden wurden später von den Portugiesen in Madeira und Brasilien kopiert. Venedigs Bedeutung im Gewürzhandel wurde zu Beginn des 16. Jahrhunderts auf Grund der von den neuen Herrschern des Osmanischen Reichs verhängten Beschränkungen des Handels zwischen Syrien und Ägypten und der Konkurrenz durch direkte portugiesische Lieferungen aus Asien erheblich geschwächt. Nach Schätzungen von Lane (1966, S. 13) gingen die Gewürzeinfuhren Venedigs vom Ende des 15. Jahrhunderts bis zum ersten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts von rd. 1 600 Tonnen pro Jahr auf weniger als 500 Tonnen zurück. Lane geht davon aus, dass die eingeführten Pfeffermengen absolut gesehen bis zu den sechziger Jahren des 16. Jahrhunderts wieder ihr früheres Niveau erreichten, seine führende Position in diesem Handel hatte Venedig aber offenbar eingebüßt. Auch auf den westlichen Routen nach England und Flandern waren die venezianischen Schiffe immer schärferem Wettbewerb ausgesetzt, und die Zuckerindustrie auf Kreta und Zypern verlor auf Grund der Konkurrenz durch die portugiesische Zuckerproduktion auf Madeira, und später in Brasilien, zunehmend an Bedeutung. Außerdem machten die Neuerungen in der Schiffbautechnik in den am Atlantik gelegenen Ländern die venezianische Rudergaleere bald obsolet. Die beiden bedeutendsten Entwicklungen waren die Takelung der Rundschiffe und das Aufkommen von Feuerwaffen im Laufe des 15. Jahrhunderts. Lane (1966, S. 15-16) beschrieb diese Veränderungen folgendermaßen: „Der Übergang von der Einmastkogge zu einem Dreimastvollschiff mit Sprietsegel, Marssegel und Besan-Lateinersegel erfolgte etwa Mitte des Jahrhunderts – die Segelschiffe von 1485 unterschieden sich in ihrem Erscheinungsbild weniger von den Segelschiffen des Jahres 1785 als denen des Jahres 1425 –, wobei der zunehmende Einsatz von Kanonen bei Seegefechten eine ebenso wichtige Rolle spielte, denn damit ging auch der besondere Sicherheitsvorteil der Handelsgaleere, der allein noch ihre Existenz rechtfertigte, verloren.“ Die Folge hiervon waren ein starker Rückgang des wichtigsten Produktionszweigs des Arsenals und eine Vergrößerung des Anteils der Koggen an der venezianischen Handelsflotte. Die venezianischen Kaufleute erwarben ihre Schiffe zunehmend im Ausland, denn zum Problem der technologischen Anpassung kam hinzu, dass Venedig zu preiswertem Bauholz in viel geringerem Maße Zugang hatte als die Schiffbauer in den Ländern am Atlantischen Ozean. Ab 1500 wurde ein Großteil des venezianischen Kapitals für die Gewinnung und Erschließung landwirtschaftlicher Nutzflächen und den Bau palladianischer Villen und Landgüter in der Terraferma aufgewendet. Im 16., 17. und 18. Jahrhundert stiegen Bevölkerungszahl und Pro-Kopf-Einkommen Venedigs nicht wesentlich, es blieb aber bis zur Eroberung durch die Niederländer im 17. Jahrhundert einer der reichsten Teile Italiens und Europas. 62 Entwicklung des Abendlands und Auswirkungen auf die übrige Welt IV Portugal Die Befreiung Portugals von arabischer Herrschaft vollzog sich zwischen 1147, dem Jahr der Einnahme Lissabons, und 1249, dem Zeitpunkt der Begründung vollständiger staatlicher Souveränität über ein Gebiet, das in etwa dem Verlauf der heutigen Landesgrenzen entsprach. Das politische System Portugals unterschied sich von dem Venedigs ganz wesentlich. Die portugiesische Reconquista kam in erster Linie durch militante Kreuzritterorden zustande. Militäraristokratie und Kirche wurden zu den größten Landbesitzern. In Portugal waren wie in Spanien die Interessen von Kirche und Staat eng miteinander verflochten. Im Rahmen eines unter dem Begriff „padroado real“ bekannten Patronagesystems konnte die Krone Bischöfe ernennen und Kirchensteuern erheben. Selbst wenn es zwischen Portugal und Spanien wiederholt zu Auseinandersetzungen kam und in Portugal eine Zeit lang (1580-1640) spanische Könige herrschten, fand zwischen beiden Ländern über einen langen Zeitraum hinweg ein außerordentlich gut funktionierender territorialer Interessenausgleich statt. Auf Grund mehrerer vom Papst sanktionierter Verträge konnte Portugal seine wirtschaftliche und imperiale Interessensphäre in Afrika, ganz Asien (mit Ausnahme der Philippinen) und Brasilien ohne wesentliche Behinderung durch Spanien ausbauen. Bei der Ausweitung seines Handels und seines Imperiums in Übersee wurde Portugal im Wesentlichen durch drei Faktoren begünstigt. Ein klarer strategischer Vorteil war seine Lage an der südatlantischen Küste Europas nahe dem Ausgang des Mittelmeers. Hochseefischer deckten einen wesentlichen Teil des portugiesischen Lebensmittelbedarfs und waren in ihren Kenntnissen über die Wind-, Wetter- und Gezeitenverhältnisse im Atlantischen Ozean unübertroffen. Wesentlich verbessert wurden diese Kenntnisse noch durch die von der Krone gewährte Förderung bei der Erforschung des Atlantiks, Forschungsarbeiten im Bereich der Navigationstechnik, der Ausbildung von Steuermännern und der schriftlichen Fixierung der von den Seefahrern gesammelten Erfahrungen in Form von Seekarten mit Kompasspeilungen (Kurskarten) und Kartographie. Die portugiesischen Schiffbauer in Lissabon und Porto passten die Konstruktion ihrer Schiffe (Karavellen) und die Takelung gemäß den zunehmenden Kenntnissen über die Schifffahrtsverhältnisse im Atlantischen Ozean an. Besonders einschneidende Veränderungen erfolgten im Bereich der Takelung. Die Schiffbauer konzentrierten sich anfangs auf Lateinersegel, fügten dann, um weiter in den Südatlantik vorzustoßen, eine Kombination aus viereckigen Segeln und Lateinersegeln hinzu und nahmen für die wesentlich längere Strecke um das Kap der Guten Hoffnung herum weitere Veränderungen vor. Die Weitergabe dieser Techniken wurde durch das Verbot verhindert, Schiffe an andere Länder zu verkaufen. Ein dritter wirtschaftlicher Vorteil war Portugals Fähigkeit, „neue Christen“ aufzunehmen – d.h. jüdische Kaufleute und Gelehrte, die während der moslemischen Herrschaft eine bedeutende Rolle gespielt hatten. Diese fanden nach ihrer Vertreibung aus Spanien in Portugal Zuflucht und vergrößerten die dort bereits vorhandene jüdische Gemeinschaft. Sie mussten der Form halber zum christlichen Glauben übertreten und waren in gewissem Umfang Verfolgungen ausgesetzt, verfügten aber über wichtige Kenntnisse, die es Portugal ermöglichen sollten, seine wirtschaftlichen Interessen in Afrika, Brasilien und Asien zu entwickeln und den Stand der Wissenschaft zu verbessern, indem sie im Handel mit der islamischen Welt als Mittler fungierten und genuesisches und katalanisches Kapital für Investitionen in portugiesische Wirtschaftsunternehmungen mobilisierten. Ein vierter wichtiger Faktor, der die Entwicklung der Wirtschaftsstrukturen der portugiesischen Unternehmungen wesentlich bestimmte, war das Erbe der Sklavenhaltung, die im größten Teil Westeuropas im Mittelalter mehr oder weniger verschwunden war, selbst wenn sie im venezianischen Handel mit Byzanz und der islamischen Welt noch eine Rolle am Rande spielte. Portugal hatte mit der arabischen Welt in engerem Kontakt gestanden als irgendein anderes Land Westeuropas. Die 63 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle 2.4 Zuckerproduktion nach Herkunftsgebieten, 1456–1894 (in Tonnen) Zypern 1456 1500 1580 1700 1760 1787 1815 1894 a) 800 375 Madeira São Tomé Brasilien 80 2 500 500 2 200a 2 300 20 000 28 000 19 000 75 000 275 000 Britische Französ. Andere Karibikinseln Karibikinseln Karibikinseln 22 000 71 000 106 000 168 000 260 200 10 000 81 000 125 000 36 600 79 400 5 000 20 000 36 000 66 200 1 119 000 Übrige Welt 18 500 6 523 600 Fünfziger Jahre des 16. Jahrhunderts. Quelle: 1486–1787 vgl. Blackburn (1997), S. 109, 172, 403 sowie Schwartz (1985), S. 13; 1815–1894 vgl. Williams (1970), S. 366, 377–380. Die Zahl für die übrige Welt umfasst 10 000 Tonnen Rübenzucker im Jahr 1815 und 4 725 000 Tonnen Rübenzucker im Jahr 1894. Der Zuckerrübenanbau begann in Europa während der napoleonischen Kriege. Portugiesen hatten die Sklaverei am eigenen Leibe erfahren, und rd. 10% der Bevölkerung Lissabons waren Berber- oder schwarze Sklaven. Diese wurden auch als Arbeitskräfte in den Zuckerplantagen und Zuckermühlen eingesetzt, die Portugal in Madeira und São Tomé einrichtete. Der portugiesische Sklavenhandel in Afrika begann in größerem Umfang um das Jahr 1445, kurz nachdem portugiesische Seefahrer die Kapverdischen Inseln (vor der Küste Senegals) entdeckten und besiedelten. Im Austausch gegen Kleidung, Pferde, wertlosen Schmuck und Salz konnten sie von afrikanischen Händlern der Region Sklaven kaufen. Zwischen 1450 und 1600 wurden rd. 175 000 Sklaven auf dem Seeweg nach Portugal und auf die portugiesischen Inseln im Atlantik verbracht. Mit der Ausweitung des Handels beteiligte sich Portugal mittlerweile auch unmittelbarer an der Sklavenjagd weiter südlich in Angola. Die Krone richtete in den achtziger Jahren des 14. Jahrhunderts in Lissabon die Casa de Escravos ein. Der äußerst lukrative Handel erfuhr Ende des 16. und im 17. Jahrhundert insofern einen immensen Aufschwung, als Portugal Sklaven nach Brasilien verschiffte und (durch Erwerb der von der spanischen Regierung angebotenen Sklavenhandelsgenehmigungen – „asiento“) den überwiegenden Teil der Sklavenlieferungen nach den spanischen Besitzungen in Amerika abwickelte. Der Sklavenhandel wurde 1455 durch Erlass des Papstes (Romanus-Pontifex-Bulle) legitimiert, der ihn als eine Art missionarischer Tätigkeit auslegte. Zwischen 1500 und 1870 wurden 9,4 Millionen Sklaven nach Amerika verbracht, davon 4,5 Millionen durch Portugal. Die portugiesische Krone ergriff die Initiative, die Inseln im Atlantischen Ozean zu erkunden und für den Zuckeranbau zu erschließen sowie eine Seeverbindung parallel zu der ehemaligen Karawanenstraße herzustellen, auf der Gold von Timbuktu (Mali) an die marokkanische Küste befördert wurde. Über diese Straße waren bis dahin zwei Drittel der an Europa gelieferten Goldmenge transportiert worden. Die entscheidende Rolle in Bezug auf diese beiden Entwicklungen kam Prinz Heinrich zu (dem dritten Sohn des portugiesischen Königs Johann I. und Neffen des englischen Königs Heinrich IV.). Vierzig Jahre lang (1420-1460) ließ er seine beachtlichen finanziellen Mittel diesen Vorhaben zukommen und schuf durch die Verbesserung der Navigationskenntnisse die Voraussetzungen für den späteren bahnbrechenden Erfolg Portugals im Handelsverkehr mit Asien14. 64 Entwicklung des Abendlands und Auswirkungen auf die übrige Welt Tabelle 2.5 Sklavenverschiffung über den Atlantik durch Portugal und seine Konkurrenten, 1701–1800 (in Tausend) England Portugal Frankreich Niederlande Quelle: 2 532 1 796 1 180 351 Nordamerika Dänemark Sonstige Insgesamt 194 74 5 6 132 Lovejoy (1982), S. 483. Im Jahr 1420 übernahm die Krone die Führung der reichen Militärorden. So stand Heinrich dem Christus-Orden (der in Portugal den Templern folgte) vor, und sein Bruder erlangte die gleiche Stellung im Santiago-Orden. Mit dem Vermögen seines Ordens finanzierte Heinrich Vorhaben im Atlantik und in Afrika und bewog die aufeinander folgenden Herrscher (seine Brüder) dazu, ihm persönlich in beiden Gebieten bedeutende Eigentumsrechte zu übertragen. 1420 wurde (im Atlantischen Ozean in etwa 560 km Entfernung von der marokkanischen Küste) Madeira entdeckt. Auf dieser unbewohnten und äußerst fruchtbaren Insel wurde – ähnlich wie von den Venezianern in Zypern und Kreta – unter Einsatz von Sklaven eine Zuckerindustrie aufgebaut. Letztere setzte sich aus den beiden Sektoren Zuckerplantagen und Zuckermühlen zusammen, wobei größere Unternehmen beide Aktivitäten auf sich vereinten. Durch die Verpachtung an genuesische Unternehmen und „neue Christen“ wurde die Zuckerindustrie weiter ausgebaut. Der Kapitalbedarf war relativ groß, denn in den Zuckermühlen wurden die neuesten Techniken eingesetzt. Anstelle des großen Mahlsteins, der in den venezianischen Fabriken über das geschnittene Zuckerrohr gerollt wurde, gelang es mit einer neuartigen Presse mit zwei zylinderförmigen Walzen, mehr Saft aus dem Zuckerrohr zu pressen, das zudem nicht mehr geschnitten werden musste. Die Pressen wurden nicht mehr manuell, sondern durch Tier- oder Wasserkraft betrieben15. Als die Kontrolle über diesen Industriezweig nach dem Tode Heinrichs gelockert wurde, erhöhte sich die Produktion besonders stark und stieg bis 1500 auf mehr als das Sechsfache der Produktion Zyperns, die ihrerseits stark gesunken war. Der portugiesische Zucker verdrängte den Zyperns auf den Märkten von Antwerpen und Bristol. Madeira war zudem ein bedeutender Bauholzlieferant. Auch die Weizen- und Weinproduktion spielte eine wichtige Rolle. Als Rebsorte wurde Malvasier angebaut, den die Venezianer von Syrien nach Kreta gebracht hatten. 1427 wurden mitten im Atlantik (etwa 1 300 bis 1 500 km von Portugal entfernt) die unbewohnten Azoren entdeckt und ab 1439 besiedelt. Für die Zuckererzeugung war die Inselgruppe zwar so gut wie ungeeignet, bildete aber eine gute Etappe für die spätere Ausweitung des Handels im Atlantik und ermöglichte den Portugiesen eine Verbesserung ihrer Navigationskenntnisse im Atlantischen Ozean. Mit zunehmender Schifffahrt entlang der afrikanischen Küste gründete Portugal auf zwei weiteren wichtigen Inseln Kolonien. Die Kapverdischen Inseln wurden 1460 besiedelt und dienten als Stützpunkt für den Sklavenhandel. In diesem Gebiet fanden die Portugiesen Malagettapfeffer, einen minderwertigen Pfefferersatz, und später in Benin eine Pfeffersorte besserer Qualität. Weiter östlich wurden nach 1480 São Tomé und Príncipe (in der Bucht von Guinea) kolonisiert. Mit der Einführung des Zuckeranbaus gelang es São Tomé und Príncipe bis 1550, Madeira als wichtigstes Zentrum der Zuckerproduktion im Atlantischen Ozean zu verdrängen. 1482 wurde an der Küste des heutigen Ghana das Fort Elmina errichtet. Es war das Zentrum des Goldhandels. Gold wurde zur wichtigsten Einnahmequelle der portugiesischen Krone. In Elmina kam das meiste Gold aus dem Gebiet der Aschanti, an den Umschlagplätzen an der Küste Guineas handelte 65 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive es sich um Gold, das zuvor über die Karawanenstraße von Timbuktu nach Marokko transportiert worden war, nunmehr aber für portugiesische Händler abgezweigt wurde. Die Goldausfuhren von Westafrika erreichten im Zeitraum 1471-1500 insgesamt 17 Tonnen. Sie ermöglichten der portugiesischen Krone die Finanzierung ihres kostenaufwendigsten Vorhabens – die Erschließung des Seewegs um das Kap der guten Hoffnung für den Handel mit Asien16. Die Umschiffung Afrikas mit dem Ziel, direkten Zugang zu den Gewürzen Asiens zu bekommen, war an sich kein neuer Einfall. Die Brüder Vivaldi waren hierzu 1291 von Genua aus aufgebrochen und bei diesem Versuch verschollen. Ende des 15. Jahrhunderts herrschte zwar Gewissheit darüber, dass ein solches Vorhaben mit sehr hohen Kosten und Risiken verbunden sein würde, doch ließen die politischen Ereignisse im östlichen Mittelmeerraum darauf schließen, dass die alte venezianische Route über ägyptische und syrische Zwischenhändler in Gefahr war und dass sich die Erschließung einer neuen Route auf Grund der zu erwartenden potentiellen Gewinne durchaus auszahlen würde. Die Portugiesen waren in ihren Kenntnissen der Schifffahrtsverhältnisse im Atlantischen Ozean und bis zur Mitte der afrikanischen Küste unübertroffen. Bei Schiffbautechnik, Takelung und Navigation war es zu Fortschritten gekommen, die es ihnen ermöglichten, weite Fahrten in unruhigeren Gewässern ins Auge zu fassen, als sie die Venezianer im Mittelmeer antrafen. Die Vorbereitungen für dieses Unternehmen wurden mit aller Sorgfalt geplant und erstreckten sich über mehrere Jahrzehnte. Dazu gehörten Forschungsarbeiten im Bereich der Navigationstechnik, Astronomie und Kartographie sowie die Sammlung von Informationen über die Handelsbedingungen in Asien und Ostafrika. Die zweite Komponente war eine Reihe von Testreisen zur Erkundung möglicher Routen und der Windverhältnisse über die Gesamtlänge der afrikanischen Küste. Die dritte Komponente bildete eine Reise nach Indien zur Erkundung der Handelsbedingungen und Möglichkeiten der Gründung von Stützpunkten, wie sie bereits an der afrikanischen Küste existierten. Im Mittelmeer verließen sich die Seefahrer des 13. Jahrhunderts auf den Kompass, um die Richtung zu bestimmen, die Sanduhr zur Zeitmessung und die Koppeltafel zur Feststellung von Kursabweichungen. Die wichtigsten Seewege waren seit dem Altertum bekannt, die Seefahrer verfügten über brauchbares Kartenmaterial, hatten eine ungefähre Vorstellung von der zurückzulegenden Strecke und kannten primitive Verfahren zur Abschätzung der Geschwindigkeit. Da sich die Portugiesen nun in unbekannte Gewässer begaben, waren sie wesentlich stärker auf die Navigation nach den Gestirnen angewiesen. In der nördlichen Hemisphäre wussten die portugiesischen Seefahrer, dass Position und Höhe des Polarsterns im Wesentlichen unverändert blieb, da er auf einem bestimmten Breitengrad in etwa die gleiche Höhe behielt. Auf einer Fahrt von Norden nach Süden konnte ein Seefahrer den Polarstern täglich bei Sonnenauf- und Sonnenuntergang sehen (wenn er den Stern und den Horizont gleichzeitig wahrnehmen konnte). Durch die während der Fahrt festgestellten Höhenunterschiede konnte er eine Vorstellung von den Positionsveränderungen seines Schiffes gewinnen. Auf der Fahrt von Ost nach West konnte er den Kurs halten, indem er darauf achtete, dass die Polhöhe konstant blieb. Dies geschah auf sehr ungenaue Art und Weise, indem die Höhenveränderungen durch Fingerspreizung und andere einfache Mittel geschätzt wurden. Zu einer wesentlichen Verfeinerung der Messtechnik führte die Erfindung des Quadranten, der erstmals im Jahre 1460 in den Aufzeichnungen von Gomes, eines professionellen Seefahrers im Dienste Prinz Heinrichs, Erwähnung fand. Parry (1974, S. 174) beschreibt den Quadranten mit folgenden Worten: „Der Quadrant des Seefahrers war eine ganz einfache Vorrichtung: ein Viertelkreis mit Gradeinteilung an der gekrümmten Seite und zwei Visierlöchern an einer der beiden Geraden. Von der Spitze hing ein Bleilot. Durch die Visierlöcher wurde der Polarstern angepeilt und die Position an der Schnittstelle von Lotschnur und Gradeinteilung abgelesen. Die in Grad gemessene Polhöhe war dann der Breitengrad, auf dem sich der Beobachter befand.“ Auf diese Art konnte der Seefahrer seine Entfernung von Lissabon oder von jedem beliebigen Ort messen, dessen Polhöhe ihm bereits bekannt war. 66 Entwicklung des Abendlands und Auswirkungen auf die übrige Welt In der südlichen Hemisphäre ist der Polarstern nicht sichtbar, und es gibt kein anderes Gestirn mit denselben Eigenschaften. Daher musste dort die Höhe der Sonne zu Grunde gelegt werden, deren Position indessen nicht mit dem bloßen Auge geprüft werden konnte. 1484 setzte Johann II. eine Expertenkommission aus Mathematikern und Astronomen zu dem Zweck ein, den Stand der Sonne zu beobachten und zu messen. Als Instrument für die Messung der Entfernung zum Äquator diente das Schiffsastrolabium, das sich aus den im Mittelalter von den Astronomen benutzten Astrolabien entwickelte. Dabei handelte es sich um eine Messingscheibe mit Gradeinteilung, auf der sich ein Stab befand, der solange gedreht wurde, bis der durch das oben liegende Visierloch fallende Lichtstrahl auf das untere traf. Dieses Instrument wurde mittags benutzt, wenn die Sonne im Zenit stand. Da es keine genauen Uhren gab, mussten um die vermutete Mittagszeit herum mehrere Werte gemessen werden, um den höchsten Stand der Sonne zu ermitteln. Da die Entfernung zwischen dem Äquator und der Sonne von Tag zu Tag und von Jahr zu Jahr unterschiedlich ist, brauchten die Seefahrer genaue Tabellen über die Deklination der Sonne. Die von Johann II. eingesetzte Kommission fertigte eine vereinfachte Fassung des von dem jüdischen Astronomen Zacuto geschaffenen Almanachs an und führte auf einer Reise an die afrikanische Küste im Jahre 1485 einen erfolgreichen Test der Möglichkeiten zur Messung des Breitengrads durch. Die geschätzten Neigungswinkel der Sonne wurden in ein Navigationshandbuch, das Regimento do Astrolabio e do Quadrante, aufgenommen, das Vasco da Gama zur Verfügung stand, als er 1497 nach Indien aufbrach. Da Gama stand in direktem Kontakt mit Zacuto, der als Flüchtling aus Spanien nach Lissabon gekommen war. Das Regimento enthielt zudem eine Übersetzung der Arbeiten eines englischen Mathematikers aus dem 13. Jahrhundert, Holywood (er war unter dem Namen Sacrobosco bekannt), der als Wissenschaftler im Bereich der sphärischen Astronomie wegbereitend war, Irrtümer im Julianischen Kalender aufzeigte und eine Korrektur vorschlug, wie sie mehr oder weniger exakt 350 Jahre später im Rahmen des Gregorianischen Kalenders umgesetzt wurde. Von diesen portugiesischen Leistungen in Forschung und Entwicklung bis zur Veröffentlichung der Werke des Kopernikus über die Umlaufbahnen der Gestirne (1543) sollten zwar noch 50 Jahre vergehen, doch hätte die Kommission die Tragweite seiner Erkenntnisse sicherlich sofort erfasst. Vorbereitende Reisen, um die Durchführbarkeit einer Fahrt nach Indien zu sondieren, wurden von Diogo Câo (1482-1484) und Bartolomeu Dias (1487-1488) unternommen. Câo entdeckte die Mündung des Kongo-Flusses und fuhr an den später Luanda und Benguela genannten Orten in Angola vorbei. Besonders ergebnisreich war die Reise Bartolomeu Dias‘. Er hatte zwei Karavellen und ein Proviantschiff zur Verfügung, fand eine bessere Route nach Angola und entdeckte in der LüderitzBucht, als er an der Küste Namibias mit widrigen Winden zu kämpfen hatte, dass es sinnvoller war, weiter nach Westen in den Atlantik vorzustoßen, um dort Windverhältnisse vorzufinden, die ihm die Umrundung des Kaps ermöglichten. Nachdem er vom Kap aus noch 1 000 Kilometer nach Osten gesegelt war, kehrte er um und trat die Heimreise an. Die Fahrt dauerte 18 Monate. Von Lissabon aus legte er nahezu 13 000 Kilometer zurück. Die Dauer der Rückfahrt war etwas kürzer, weil vom Kap bis zu den Azoren günstige Windverhältnisse herrschten. Er hatte unter Beweis gestellt, dass der Atlantische und der Indische Ozean miteinander verbunden waren. Auch auf dem Landwege wurde eine Entdeckungsreise unternommen. Pero da Covilhã hatte sich als Spion in Spanien und Marokko aufgehalten, sprach fließend arabisch und konnte sich leicht als Moslem ausgeben. Mit Beglaubigungsschreiben versehen begab er sich über Barcelona, Neapel, Rhodos und Alexandria nach Kairo, reiste dann mit einer Karawane an der Küste des Roten Meeres entlang, ging in Aden an Bord eines Schiffes nach Calicut (in Kerala), das als wichtigstes Gewürzhandelszentrum Indiens bekannt war und im Hinterland über ein reiches Gewürzanbaugebiet verfügte. Er erkundete eingehend die Westküste Indiens bis ins weiter nördlich gelegene Goa und fuhr dann die ostafrikanische Küste hinunter bis zum Hafen von Sofala. 1490 übermittelte er über einen portugiesischen Emissär in Kairo den Bericht über seine Erkundungen und besuchte dann nach Entgegennahme neuer Instruktionen Hormuz, das Zentrum des Gewürzhandels am Persischen Golf. 67 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Über die Handelsbedingungen in Indien und Ostafrika sowie die Navigationsmöglichkeiten im Atlantischen Ozean war die portugiesische Kommission daher bereits gut informiert, bevor Vasco da Gama 1497-1499 mit der Erschließung eines Seewegs nach Indien beauftragt wurde. Christoph Kolumbus, ein genuesischer Seefahrer, der acht Jahre auf portugiesischen Schiffen verbracht hatte, die zu den Inseln im Atlantik und an die Küste Guineas fuhren, unterbreitete 1484 Johann II. den Vorschlag, eine solche Passage in Richtung Westen zu finden. Er bat den König, „ihm einige Schiffe zur Verfügung zu stellen, um die Insel Zipango über diesen westlichen Ozean zu erreichen und zu entdecken“ (Morison, 1974, S. 31). Die Kommission lehnte den Vorschlag ab, weil sie der Auffassung war, dass es sich bei Zipango um ein Hirngespinst Marco Polos handelte und Kolumbus die Entfernung von Lissabon nach Asien wesentlich unterschätzte. Letzten Endes wurde das Vorhaben des Kolumbus von Königin Isabella von Spanien finanziert. 1492 segelte er zu den Kanarischen Inseln und erreichte von dort aus in 33 Tagen die Bahamas. Er verbrachte über drei Monate in der Karibik, wo er Kuba und Haiti entdeckte, ohne sich darüber im Klaren zu sein, dass sich die Inseln inmitten eines riesigen unbekannten Erdteils befanden. Auf Grund heftiger Stürme während seiner Rückreise war er gezwungen, 1493 in Lissabon an Land zu gehen, um sein Schiff neu auszurüsten, und er musste König Johann II. Bericht erstatten. Die Portugiesen glaubten nicht, dass Kolumbus Asien erreicht habe, und wussten, dass er keine Gewürze gefunden hatte. In der Annahme, dass von Seiten Spaniens umfangreiche Entdeckungsreisen zur See zu erwarten seien, suchte Portugal seine Interessen jedoch zu schützen und handelte mit Spanien im Jahr 1494 den Vertrag von Tordesillas aus. Darin wurde festgelegt, dass Portugal im Westatlantik nicht mit Spanien in Konkurrenz treten würde. Auf Drängen Portugals wurde die Demarkationslinie 370 Seemeilen westlich der Azoren (rd. 48° westlich des Greenwich-Meridians) gezogen. Portugal erhielt nicht nur bei seinen Vorhaben in Asien und seinen Interessen in Afrika freie Hand, sondern begründete damit auch einen Rechtsanspruch auf Brasilien (das sechs Jahre später entdeckt wurde). Der letzte Schritt der Reisevorbereitungen Vasco da Gamas war die Beschaffung von zwei eigens für die Überfahrt mit Hilfe von Dias als Berater gebauten Schiffen. Jones (1978), S. 30, vergleicht sie mit den von Seefahrern früherer Zeiten benutzten Karavellen: „Ein robusteres, geräumigeres Schiff mit geringem Tiefgang, in der Lage, in Küstengewässern zu fahren, und besser geeignet für lange Fahrten im Ozean, das zudem mehr Sicherheit bei Tropenstürmen und bessere Unterkünfte für die Mannschaft bot. Die von Dias konzipierten Schiffe hatten einen Fockmast und einen Großmast, eine Takelung mit rechteckigem Großsegel und Marssegel, ein rechteckiges Sprietsegel am Bug und ein kleines Besan-Lateinersegel, das sich gleich hinter dem Kastell befand. Diese bildeten wahrscheinlich (ohne die Bonnetts) eine Segelfläche von rd. 370 m2. An Großmast und Fockmast befand sich je ein Mastkorb – die Länge des Schiffsrumpfs dürfte etwas unter 22 Metern betragen haben, mit einer Schiffsbreite von etwa einem Drittel der Länge.“ Die Schiffe „hatten – auf die heutigen Maße umgerechnet – etwa 200 Registertonnen“ und waren jeweils mit 20 Kanonen ausgerüstet, deren Steingeschosse einige Unzen wogen. Darüber hinaus standen Vasco da Gama eine 50 Tonnen schwere Karavelle und ein kleines Proviantschiff zur Verfügung. Zu seiner etwa 160 Mann starken Besatzung gehörten Kanonenschützen, Musiker und drei arabische Dolmetscher. Er nahm in Westafrika gebräuchliche Handelsgüter mit (einfache Tuche, Glocken und Perlen), die in Asien praktisch wertlos waren. Da Gama segelte im Juli 1497 von Lissabon nach Kap Verde. Anstatt weiter nach Südosten zu fahren, was die normale Route an der afrikanischen Küste hinunter gewesen wäre, drehte er kurz darauf (etwa 150 km von Sierra Leone entfernt) südwestlich weit in den Atlantik hinaus ab und bekam Wind, der ihn südöstlich um das Kap herum trieb. Bis Weihnachten hatte er Afrika umrundet, fuhr dann an der Ostküste hoch und besuchte Mosambik, Mombasa und Malindi. Die Wirtschaft war dort wesentlich weiter entwickelt als in Westafrika. In den Küstenstädten gab es Kaufleute – Araber, Inder aus Gujarat und Malabar und Perser –, die Seide und Baumwolltextilien, Gewürze und chinesisches Porzellan einführten und Baumwolle, Bauholz und Gold ausführten. Sie verfügten über professionelle 68 Entwicklung des Abendlands und Auswirkungen auf die übrige Welt Steuermänner, die mit den Monsunverhältnissen im Indischen Ozean vertraut waren. Ihre Schiffe waren robust und, wie die Portugiesen feststellten, ohne Verwendung von Nägeln gebaut. Stattdessen waren die Holzplanken mit Seilen aus Kokosfasern, wie sie überall in Südindien und Ceylon verfügbar waren, miteinander vertäut. Die lokale Bevölkerung war eine Mischung aus Afrikanern und Arabern, die Arabisch und Suaheli sprachen, Baumwollkleidung trugen und Münzgeld verwendeten. Es gelang ihm, vom Herrscher von Malindi (im heutigen Kenia) einen kompetenten Gujarati-Steuermann zu bekommen, der ihn in weniger als einem Monat nach Calicut (Kerala) brachte. Die Portugiesen blieben drei Monate lang in Calicut, erfuhren viel über Preise und Bedingungen am Gewürzmarkt, konnten aber keine freundschaftlichen Beziehungen zum lokalen Herrscher anknüpfen oder ihre Handelsgüter absetzen. Die Rückreise nach Malindi dauerte drei Monate. Es erwies sich als schwierig, die Schiffe zu bemannen, denn ein Großteil der Mannschaft war an Skorbut gestorben, so dass beschlossen wurde, die São Gabriel (eines der eigens für die Reise gebauten Schiffe) zu verbrennen. Auf der Hinfahrt war bereits das Proviantschiff in seine Einzelteile zerlegt worden. Die Karavelle kehrte im Juli 1499 nach Lissabon zurück, und da Gama traf dort (nach einem Zwischenhalt auf den Azoren, wo er seinen Bruder beerdigte) im August ein. Er hatte auf der zweijährigen Reise die Hälfte seiner Mannschaft und zwei seiner Schiffe verloren und brachte nur wenig Ware mit zurück. Hingegen hatte er die Befahrbarkeit der Route unter Beweis gestellt, eine neue Goldquelle in Ostafrika entdeckt und festgestellt, dass es im Indischen Ozean keine Seestreitkräfte gab, die in der Lage gewesen wären, den Portugiesen den Zugang zum Gewürzhandel zu verwehren. Er machte auch bekannt, dass es in Kerala Christen gab17. Diese Neuigkeiten wurden in Lissabon mit Begeisterung aufgenommen, und es wurden binnen kurzer Zeit Anschlussunternehmungen eingeleitet. Im März 1500 erhielt Pedro Cabral den Befehl über 12 Schiffe und mehr als 1 000 Männer mit dem Auftrag, die Route zu verbessern, mit einer ansehnlichen Ladung zurückzukehren und an der Küste von Kerala einen Stützpunkt zu gründen. An Kosten und Gewinnen der Reise waren relativ viele Privatpersonen beteiligt. Cabral fuhr weiter westwärts in den Atlantik hinaus als da Gama und hatte das Glück, nach einem Monat auf See als erster Seefahrer auf Brasilien zu treffen. Er verweilte einige Tage an einem Ort, dem er den Namen Porto Seguro gab (etwa 350 km südlich von Bahia), und sandte unverzüglich ein Schiff zurück nach Lissabon, um die Entdeckung des Territoriums zu verkünden, das inmitten des Gebiets lag, das Portugal im Rahmen des Vertrags von Tordesillas zugeteilt worden war18. An der ostafrikanischen Küste machte er vor Sofala und Kilwa Halt, die da Gama verfehlt hatte, fand in Malindi einen Steuermann und erreichte sechs Monate nach Verlassen Lissabons Calicut. Dort blieb er zwei Monate lang und erhielt als Handelsniederlassung ein (als Faktorei bezeichnetes) geräumiges Gebäude. Er war jedoch gezwungen, völlig überstürzt aufzubrechen. Die Portugiesen hatten nämlich ein lokales Schiff auf seiner Fahrt nach Gujarat und ein weiteres auf dem Wege nach Djidda am Roten Meer gekapert. Als Vergeltungsschlag griffen örtliche moslemische Kaufleute die portugiesische Faktorei an, töteten über 50 Portugiesen und nahmen die Handelsgüter an sich. Im Gegenzug erbeutete Cabral weitere lokale Schiffe und nahm die unbefestigte Stadt unter Beschuss (vgl. Subramanyam, 1997, S. 180-181). Er fuhr 150 km weiter die Küste hinunter bis Cochin, wo er die Schiffsladung ergänzen und eine ständige Niederlassung für eine Faktorei gründen konnte. Zu diesem Zweck ließ er einen Teil seiner Leute dort zurück und nahm drei Vertreter Cochins mit auf die Heimreise nach Portugal. Bevor er nach Malindi aufbrach, machte er in Cannanur (etwa 70 km nördlich von Calicut) Halt, um eine Ladung Zimt zu übernehmen. Cabral kehrte gegen Anfang Juli 1501 mit fünf Schiffen nach Lissabon zurück. Die Fracht, überwiegend Pfeffer, dürfte bei etwa 700 Tonnen gelegen haben19, doch waren der Verlust von sieben Schiffen (sechs auf der Hinfahrt, eins auf der Rückfahrt) und die Gewalt in Calicut nicht eben ermutigend. 69 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle 2.6 Zahl der auf der Asien-Route verkehrenden Schiffe aus sieben europäischen Ländern, 1500–1800 1500–1599 Portugal Niederlande England Frankreich Sonstige Insgesamt a) 1600–1700 705 65a 1701–1800 371 1 770 811 155 54 3 161 770 196 2 950 1 865 1 300 350 6 661 Neunziger Jahre des 16. Jahrhunderts. Quelle: Portugal 1500–1800, vgl. Magalhaes Godinho in Bruijn und Gaastra (1993), S. 7 und 17; übrige Angaben nach Bruijn und Gaastra (1993), S. 178 und 183. „Sonstige“ bezieht sich auf Schiffe der dänischen und schwedischen Handelsgesellschaften sowie der Ostende-Kompanie. Tabelle 2.7 Fahrten portugiesischer Schiffe nach und von Asien, 1500–1800 Ankünfte im Orient Abfahrten aus Lissabon nach dem Indischen Ozean Ankünfte in Lissabon Abfahrten aus Indien und Malakka (Gesamtzahlen für die jeweilige Periode) 1500–1549 1550–1599 1600–1635 1636–1700 1701–1800 451 254 207 164 196 403 217 152 n.v. n.v. 262 212 95 n.v. n.v. 243 170 74 n.v. n.v. (Jahresdurchschnitt) 1500–1549 1550–1599 1600–1635 1636–1700 1701–1800 Quelle: 9.0 5.1 5.8 2.5 1.9 8.1 4.3 4.2 5.2 4.2 2.6 4.9 3.4 2.1 Magalhaes in Bruijn und Gaastra (1993), S. 7 und 17. Der Unterschied zwischen Abfahrten und Ankünften in Lissabon erklärt sich aus Verlusten und in einigen Fällen vorzeitig abgebrochenen Reisen, aber auch dadurch, dass Schiffe zur Verteidigung der Stützpunkte oder zur Teilnahme am innerasiatischen Handel in Asien blieben. Nachdem die Handelsbeziehungen erst einmal fest etabliert waren, dauerte eine Fahrt von Lissabon nach Cochin im Durchschnitt etwa 5,75 Monate und die Rückreise 6,5 Monate. Die durchschnittliche Größe der Schiffe nahm mit der Zeit zu, und die Ladekapazität erhöhte sich von 300 Tonnen im 16. Jahrhundert auf bis zu 1 000 Tonnen im 17. Jahrhundert. Tabelle 2.8 Gold- und Silberlieferungen von Amerika nach Europa, 1500–1800 (in Tonnen) Gold 1500–1600 1600–1700 1700–1800 1500–1800 insgesamt Quelle: 150 158 1 400 1 708 Morineau (1985), S. 570. 70 Silber 7 500 26 168 39 157 72 825 Entwicklung des Abendlands und Auswirkungen auf die übrige Welt Da Gama wurde mit einer Flotte von 20 Schiffen ein zweites Mal nach Indien gesandt und verließ Lissabon im Februar 1502. 15 dieser Schiffe waren für die Rückreise bestimmt, und weitere fünf (unter dem Befehl von da Gamas Onkel) sollten zurückbleiben, um die portugiesischen Stützpunkte in Indien zu schützen und die Zufahrt von Indien zum Roten Meer zu versperren. Im Juni hatte da Gama das Kap umschifft und machte in Sofala Halt, um Gold anzukaufen. In Kilwa zwang er den dortigen Herrscher, die Entrichtung eines jährlichen Tributs in Form von Perlen und Gold zu akzeptieren, und brach von dort nach Indien auf. Vor der Küste von Cannanur wartete er auf Schiffe, die aus dem Roten Meer zurückkehrten. Er kaperte ein Schiff, das sich mit Pilgern aus Mekka und einer wertvollen Ladung an Bord auf dem Rückweg befand. Er konfiszierte einen Teil der Ladung und verbrannte das Schiff mit dem überwiegenden Teil seiner Passagiere und Mannschaft (siehe Subramanyan, 1997, S. 205-209). Er ging dann in Cannanur an Land und tauschte mit dem dortigen Herrscher Geschenke aus (er bot Silber und erhielt dafür Edelsteine), wurde jedoch nicht handelseinig, da ihm der Preis der Gewürze zu hoch erschien. Er fuhr in Richtung Cochin, ankerte mit seinen Schiffen vor der Küste von Calicut und forderte den Herrscher auf, die gesamte Gemeinschaft moslemischer Kaufleute (4 000 Haushalte), die den Hafen als Stützpunkt im Handel mit dem Roten Meer benutzten, des Landes zu verweisen. Der Samudri, der dortige indische Herrscher, lehnte dies ab, und da Gama nahm die Stadt unter Beschuss, wie dies bereits Cabral getan hatte. Er gelangte Anfang November nach Cochin, wo er für Silber, Kupfer und die Textilien, die aus dem von ihm versenkten Schiff stammten, Gewürze kaufte. In Cochin wurde eine ständige Handelsniederlassung gegründet, und fünf Schiffe wurden zurückgelassen, um die Interessen Portugals zu schützen. Tabelle 2.9 Chinesische Silberimporte nach Herkunftsland, 1550–1700 (in Tonnen) Japan Philippinen 1 280 1 968 1 586 41 4 875 584 719 108 137 1 548 1550–1600 1601–1640 1641–1685 1686–1700 1550–1700 insgesamt Quelle: Portugiesische Lieferungen an Macau 380 148 0 0 428 Insgesamt 2 244 2 835 1 694 178 6 951 Von Glahn (1996), S. 140 und 232. Tabelle 2.10 Silber- und Goldexporte aus Westeuropa, 1601–1780 (in Tonnen „Silberäquivalent”) 1601–1650 1651–1700 1701–1750 1751–1780 1601–1780 insgesamt Quelle: Nach dem Ostseeraum Nach dem östlichen Mittelmeer 2 475 2 800 2 800 1 980 10 055 2 500 2 500 2 500 1 500 9 000 Holländische Britische Exporte Exporte (niederl. (brit. OstindienOstindienKompanie) Kompanie) nach Asien nach Asien 425 775 2 200 1 445 4 845 Barrett, in Tracy (1990), S. 251 (er gibt nicht an, wie Gold in dieses Äquivalent umgerechnet wurde). 71 250 1 050 2 450 1 450 5 200 Insgesamt 5 650 7 125 9 950 6 375 29 100 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Vor der Heimfahrt wurde da Gamas Flotte durch über 30 von den moslemischen Kaufleuten von Calicut finanzierte Schiffe angegriffen. Sie wurden von den Portugiesen unter Beschuss genommen und in die Flucht geschlagen, so dass ein Teil der moslemischen Kaufleute in Calicut beschloss, ihre Handelsgeschäfte an einen anderen Ort zu verlegen. Diese Seeschlachten waren ein deutlicher Beweis für die Überlegenheit der bewaffneten portugiesischen Schiffe über die der asiatischen Länder. Mit 13 seiner Schiffe und nahezu 1 700 Tonnen Gewürzen, also in etwa der Menge, die Venedig Ende des 15. Jahrhunderts jährlich aus dem Nahen Osten einführte, kehrte da Gama im Oktober 1503 nach Lissabon zurück. Die portugiesischen Gewinnspannen waren bei diesem Handel jedoch wesentlich größer als die Venedigs. Der überwiegende Teil dieser Gewürze wurde über Antwerpen, den wichtigsten Hafen der Spanischen Niederlande, in Europa vertrieben. Die Reisen von Dias, Cabral und da Gama hatten die Ausgangsbasis für das portugiesische Handelsimperium in Ostafrika und Asien geschaffen. Portugal besaß bis zum letzten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts das Monopol im Handelsverkehr um das Kap der Guten Hoffnung. Das Mamelucken-Regime in Ägypten sandte 1509 eine Flotte aus, die versuchen sollte, der Behinderung des Schiffsverkehrs auf dem Weg zum Roten Meer ein Ende zu bereiten. Diese Flotte wurde jedoch in Diu vor der Küste von Gujarat von den Portugiesen geschlagen. Portugal gelang es indessen nicht, einen Stützpunkt am Roten Meer zu gründen, Aden wurde 1538 von den Türken eingenommen, und die traditionellen Handelsbeziehungen zwischen Asien und Ägypten kamen Mitte des 16. Jahrhunderts wieder in Gang. Portugal nahm die Festung Hormuz ein, die etwa ein Jahrhundert lang die Zufahrt zum Persischen Golf kontrollierte. Es wurde zwar keine Handelsblockade gegen die neu gegründete Herrschaft der Safawiden in Persien verhängt, doch mussten die in den Golf einfahrenden Kaufleute und diejenigen, die andere portugiesische Stützpunkte benutzten, für Briefe (cartazes) zahlen, die ihnen sicheres Geleit versprachen. Außerdem erhob Portugal Zölle auf Güter, die seine Stützpunkte in Asien passierten. Wake (1979), S. 377, lieferte grobe Schätzungen des jährlichen Gewürzeinfuhrvolumens der Portugiesen. In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts lag es bei durchschnittlich 1 475 Tonnen pro Jahr, und bei 1 160 in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. 1600 dürfte der Gewürzkonsum in Westeuropa insgesamt etwa das Zweifache des Niveaus von 1500 erreicht haben, während sich der Pro-Kopf-Verbrauch wohl um die Hälfte erhöht hatte20. V Der Handel im Indischen Ozean Die Bevölkerungszahl Asiens war im Jahr 1500 fünfmal so hoch wie die Westeuropas (284 Millionen gegenüber 57 Millionen), und 1600 war das Verhältnis in etwa dasselbe. Auf diesem besonders großen Markt war ein Netz asiatischer Kaufleute im Handel zwischen Ostafrika und Indien sowie Ostindien und Indonesien tätig. Östlich der Straße von Malakka wurde der Handel von China beherrscht. Die indischen Schiffe waren nicht robust genug, um den Taifunen des Chinesischen Meeres standzuhalten, und sie besaßen auch keine ausreichende Bewaffnung, um sich gegen die Piraten an der chinesischen Küste wehren zu können (Chaudhuri, 1982, S. 410). Die Portugiesen verdrängten die asiatischen Kaufleute, die zuvor Gewürze in die Häfen am Roten Meer und Persischen Golf zum Weiterverkauf an venezianische, genuesische und katalanische Händler geliefert hatten. Doch dies war nur ein Bruchteil, vielleicht nur ein Viertel des asiatischen Handels mit den Produkten einer bestimmten Warengruppe. Gehandelt wurde in asiatischen Gewässern auch 72 Entwicklung des Abendlands und Auswirkungen auf die übrige Welt mit Textilien, Porzellan, Edelmetallen, Teppichen, Parfum, Juwelen, Pferden, Bauholz, Salz, Rohseide, Gold, Silber, Heilkräutern und vielen anderen Gütern. Gewürze waren somit für die Portugiesen bzw. später für andere europäische Kaufleute (Niederländer, Briten, Franzosen und andere), die auf die Portugiesen folgten, nicht das einzige mögliche Handelsgut. Seide und Porzellan spielten eine immer größere Rolle, und im 17. und 18. Jahrhundert wurden auch Baumwolltextilien und Tee sehr wichtig. Es bestand zudem die Möglichkeit, sich am innerasiatischen Handel zu beteiligen. Im Zeitraum von 1550 bis in die dreißiger Jahre des 17. Jahrhunderts war diese Art des Handels zwischen China und Japan für Portugal eine besonders gewinnbringende Einnahmequelle. Die asiatischen Kaufleute waren mit den jahreszeitlich wechselnden Windverhältnissen und Problemen im Indischen Ozean vertraut, es gab erfahrene Steuermänner, wissenschaftliche Arbeiten über Astronomie und Navigation sowie Navigationsinstrumente, die denen der Portugiesen nicht wesentlich unterlegen waren21. Von Ostafrika nach Malakka (an der schmalen Meerenge zwischen Sumatra und Malaya) lag der Asienhandel in den Händen von Kaufleuten, die ohne bewaffnete Schiffe oder wesentliche Einmischung seitens der Herrschenden operierten. Zwar stand Südindien, wo die Portugiesen ihren Asienhandel aufgenommen hatten, unter der Herrschaft des Reichs von Vijayanagar, doch wurden die Bedingungen für den Küstenhandel von Herrschern viel kleinerer politischer Einheiten bestimmt, die den Kaufleuten Geleitschutz und Absatzmöglichkeiten boten und hieraus Einnahmen bezogen. Die Einkünfte der Herrscher von Vijayanagar, und später der Herrscher des Mogulreichs, stammten aus der Erhebung von Grundsteuern, so dass sie an ausländischen Handelsaktivitäten kein wesentliches finanzielles Interesse hatten. Anders war die Situation in China und Japan. Die asiatischen Händler operierten im Rahmen interaktiver gemeinschaftlicher Netzwerke mit ethnischen, religiösen, familiären oder sprachlichen Bindungen und einer klar opportunistischen Ausrichtung auf Profit. Ihre Handelsgepflogenheiten unterschieden sich in dieser Hinsicht nicht wesentlich von denen der Venezianer oder der jüdischen Händler in der arabischen Welt des Mittelmeerraums22. In Westasien und im Nahen Osten waren die Händler meist Araber und Moslems, weiter östlich jedoch auch „vaniyas aus Gujarat, tamilisch und Telugu sprechende Chettis, syrische Christen aus Südwestindien, Chinesen aus Fujian und den Nachbarprovinzen“23. Durch Zahlungen für Schutz und Marktzugang erwarben sie das Recht, nach Belieben Handel zu treiben. Wurde dieser Schutz zu kostspielig, hatten sie gewöhnlich einen gewissen Spielraum, um den Standort zu wechseln. Das portugiesische Handelsnetz unterschied sich hiervon in zweierlei Hinsicht. Es bestand aus einer Kette von schwer befestigten Stützpunkten, die miteinander durch eine Flotte bewaffneter Schiffe verbunden waren, was bedeutete, dass die Marktkräfte durch äußeren Zwang verändert wurden. Im Gegensatz zu den asiatischen Händlern oder den europäischen Handelsunternehmen, die zu einem späteren Zeitpunkt in Asien eindrangen, verfolgte Portugal auch das Ziel der Christianisierung. Die Hauptniederlassung des portugiesischen Handelsimperiums wurde 1510 in Goa gegründet, dessen Hafen die Portugiesen von den Arabern eroberten. Der auf halber Höhe der westindischen Küste gelegene Inselhafen von Goa blieb nahezu 460 Jahre lang portugiesische Kolonie24. Dort befanden sich der Sitz des portugiesischen Vizekönigs und ab 1542 die Zentrale des Jesuiten-Ordens für dessen gesamte Aktivitäten in Asien. Der Hafen Malakka, von dem aus der Handel und Schiffsverkehr von Indien nach Indonesien und China kontrolliert werden konnte, wurde 1511 eingenommen und blieb bis 1641, d.h. bis zur Eroberung durch die Niederländer, in portugiesischer Hand. Ein Stützpunkt für den Zimthandel wurde in Jaffna, im heutigen Sri Lanka, gegründet. Der Großteil portugiesischer Pfeffer- und Ingwerlieferungen kam von der indischen Malabarküste, doch für wertvollere Gewürze erwarb Portugal einen Stützpunkt auf Ternate, einer Insel der Molukken (zwischen Celebes und Neuguinea), der als Zentrum für den Handel mit Nelken, Muskatnüssen und Muskatblüten diente. 73 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive VI Der Handel Chinas, Japans und der Philippinen Ganz anders waren die Handelsbedingungen in Asien östlich der Straße von Malakka. Die Aufnahme von Handelsbeziehungen mit China und Japan war ein viel schwierigeres Unternehmen als mit den Ländern im Indischen Ozean. Gesuche um den Zugang zu China in den Jahren 1513 und 15211522 wurden abgelehnt. Erst im Jahr 1557 erwarb Portugal Macau, war aber schon zuvor am Schwarzhandel entlang der chinesischen Küste beteiligt. 1543 wurde Kontakt zu Japan aufgenommen, und der eigentliche Handel mit diesem Land begann vom Stützpunkt Macau aus um die Mitte des 16. Jahrhunderts. China China hatte im 15. Jahrhundert seine aktive Rolle im Asienhandel eingestellt und strenge Kontrollen für den privatwirtschaftlichen Handel sowie ein Embargo über den Handel mit Japan verhängt. Angesichts der historischen Bedeutung dieses Rückzugs soll im Folgenden ein kurzer Überblick über die Geschichte Chinas im Zeitraum 1100-1433 gegeben werden, als China die dynamischste Macht im asiatischen Handel war. Chinas Rolle im Welthandel expandierte erheblich, als die Song-Dynastie aus Nordchina vertrieben wurde und ihre Hauptstadt in das südlich des Jangtse gelegene Hangzhou verlegte. Die Region, in der Reis angebaut wurde, war reich und dicht besiedelt. Es war daher nicht nötig, Nahrungsmittel aus entlegenen Gebieten dorthin zu befördern. Die Song-Dynastie stützte sich stärker auf Handelszölle als die meisten anderen chinesischen Dynastien und förderte die Gründung von Häfen sowie die Entwicklung des Außenhandels. Der wichtigste Hafen war Ch’üan-chou, etwa 600 km nördlich von Kanton. Die Dynastie baute eine groß angelegte Keramikproduktion für den Exportmarkt auf, und die Keramiköfen von Ching-te-chen (in der Provinz Kiangsi) erfuhren einen bedeutenden Aufschwung. Zur Verteidigung des Jangtse und der Küstengebiete gegen die Angriffe der Mongolen wurde 1232 die erste professionelle Kriegsmarine Chinas gegründet. Innerhalb eines Jahrhunderts wuchs sie auf 20 Geschwader mit 52 000 Mann an, deren Hauptstützpunkt sich nahe Shanghai befand. Zu dieser Flotte gehörten auch mit Tretmühlen angetriebene gepanzerte Schaufelradschiffe, die auf dem Jangtse eingesetzt wurden. Sie waren mit schweren Katapulten versehen, die große Steine oder andere Geschosse gegen feindliche Schiffe schleuderten. Nach der Niederlage der Song wurden die Schiffbauaktivitäten für den Außenhandel, den Getreidetransport nach Peking (die neue Hauptstadt) im Norden Chinas, den Seehandel mit Asien und für Unternehmungen zur See von der mongolischen Yuan-Dynastie in noch größerem Umfang fortgesetzt. 1274 und 1281 wurden für einen erfolglosen Invasionsversuch in Japan zwei große Flotten zusammengezogen. Die erste Flotte bestand aus 900 Schiffen, die zweite war noch wesentlich größer und transportierte eine Invasionsstreitmacht von einer viertel Million Soldaten. Die Mongolen öffneten über die Seidenstraße erneut den Handelsverkehr mit Europa und dem Nahen Osten auf dem Landwege. Wie zur Zeit der Song-Dynastie kam auch während der Yuan-Herrschaft ein Großteil der Kaufleute aus allen Teilen der islamischen Welt. Dies geht deutlich aus den Beschreibungen Marco Polos hervor, des Venezianers, der im letzten Viertel des 13. Jahrhunderts nach China reiste, sowie aus denen Ibn Battutas aus Marokko über fünfzig Jahre später. Beide hinterließen beeindruckende Berichte über die Dynamik des internationalen Handels im China der damaligen Zeit. 74 Entwicklung des Abendlands und Auswirkungen auf die übrige Welt Tabelle 2.11 Chinesische Schifffahrtsdiplomatie: Fahrten zu den „westlichen Meeren“, 1405–1433 Periode 1405–1407 Zahl der Schiffe 62 große Schiffe Schiffsbesatzung, militärisches und sonstiges Personal 27 000 Anlaufziele in westlichen Meeren Anlaufziele in östlichen Meeren Calicut Champa, Java, Sumatra 1407–1409 n.v. n.v. Calicut & Cochin Siam, Sumatra, Java 1409–1411 48 30 000 Malakka, Quilon Sumatra 1413–1415 63 29 000 Hormus, Rotes Meer, Malediven, Bengalen Champa, Java, Sumatra 1417–1419 n.v. n.v. Hormus, Aden, Mogadischu, Malindi Java, Ryukyu-Inseln, Brunei 1421–1422 41 n.v. Aden, Ostafrika Sumatra 1431–1433 100 27 500 Ceylon, Calicut, Hormus, Aden, Djidda, Malindi Vietnam, Sumatra, Java, Malakka Quelle: Needham (1971) und Levathes (1994). Die offiziellen Register mit Einzelheiten über diese Fahrten wurden später von der chinesischen Bürokratie zerstört, die einer Wiederaufnahme solcher Expeditionen ablehnend gegenüberstand. Die Daten basieren auf den Aufzeichnungen der Teilnehmer und späteren kaiserlichen Geschichtsdokumenten. In den ersten Jahren der Ming-Dynastie unternahm der Kaiser Yongle eine ganze Reihe von Seeexpeditionen außerhalb der „östlichen Meere“, die traditionell die chinesische Interessensphäre bildeten. Bei diesen Expeditionen handelte es sich um groß angelegte Operationen mit überwiegend politischen Beweggründen, selbst wenn der Staatshandel dabei eine wichtige Komponente war. Yongle war ein Usurpator, der seinen Neffen bei einer erfolgreichen Militärrebellion abgesetzt hatte. Die Unternehmungen zur See sollten Chinas Macht und Reichtum demonstrieren und seine eigene Legitimität stärken. Sie dienten ferner dem Zweck, das Hoheitsgebiet Chinas deutlich auszudehnen. Korea gehörte permanent diesem auf Tributzahlungen beruhenden System an, und Yongle brachte Japan 1404 dazu, einen ähnlichen Status zu akzeptieren (der mit einer kurzen Unterbrechung bis 1549 andauerte). Bei diesem Tributsystem wurden anfangs „Geschenke“ ausgetauscht (von chinesischer Seite landestypische Waren wie Seide, Gold, Lack und Porzellan). Dieser Geschenkeaustausch wiederholte sich in regelmäßigen Zeitabständen von einigen Jahren, und vor Yongles Herrschaft waren im Anschluss daran private Handelsbeziehungen entstanden. Yongle jedoch verbot den privaten Handel. Diese nach dem Tributsystem organisierten Beziehungen dienten China als Mittel, seine moralische und kulturelle Überlegenheit zu demonstrieren, gegenüber den Barbaren jenseits der Grenzen als zivilisierende Kraft aufzutreten und dadurch China besser zu schützen. Zu diesem Zweck waren die Regierenden bestrebt, eine führende Rolle bei der Ausweitung und Überwachung der Handelsbeziehungen zu übernehmen. Im Hintergrund stand dabei nicht der Gedanke, ein Kolonialreich zu gründen, sondern die hegemoniale Stellung Chinas zu behaupten. Diese traditionelle Auffassung von den Beziehungen Chinas zur Außenwelt unterschied sich erheblich von der Sichtweise der mongolischen Dynastie, deren Ziel darin bestand, die Welt zu erobern, und so sah sich Yongle möglicherweise genötigt, wieder ein positiveres Bild von der chinesischen Zivilisation zu vermitteln. Von 1405 bis 1433 drangen sieben Expeditionen besonders weit in die „westlichen Meere“ vor. Sie segelten unter dem Kommando von Admiral Zheng-he, der seit dem Alter von 15 Jahren im Haushalt des Kaisers lebte und dessen Waffengefährte geworden war. Zheng-he war Eunuch, wie es 75 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle 2.12 Umtauschkurse zwischen Papiergeld der Ming-Dynastie und Silber, 1376–1426 Offizieller Kurs 1376 1397 1413 1426 1436 Quelle: 1.00 0.07 0.05 0.0025 n.v. Marktkurs 1.00 0.0009 Atwell in Twitchett und Mote (1998), S. 382. sie im kaiserlichen Haushalt der Ming-Dynastie zu Tausenden gab. Für die Kaiser dieser Dynastie stellten die Eunuchen ein vertrauenswürdiges und loyales Gegengewicht zur Macht der Verwaltung dar. Letztere betrachtete die Expeditionen überwiegend als Geldverschwendung zu einer Zeit, da die Verlegung der Hauptstadt der Ming-Dynastie von Nanking nach Peking und der Wiederaufbau des Großen Kanals mit sehr hohen finanziellen Verpflichtungen verbunden waren. Diese Vorhaben gingen mit einer schweren Belastung des Staatshaushalts einher, und den Küstenprovinzen wurden Sonderabgaben auferlegt. Yongle erhöhte seine Einnahmen, indem er große Mengen von Papiergeld drucken ließ. Die hieraus resultierende Inflation (vgl. Tabelle 2.12) führte dazu, dass Papiergeld aus privatwirtschaftlichen Geschäften völlig verbannt wurde. Ab etwa 1430 dominierte Silber als Tauschmittel und wurde auch für die Steuerzahlung akzeptiert. In der Herrschaftszeit des Kaisers Yongle bestanden die Seestreitkräfte der Ming-Dynastie „aus insgesamt etwa 3 800 Schiffen, darunter 1 350 Küstenwachbooten und 1 350 Kampfschiffen, die den Wachposten oder Inselstützpunkten angegliedert waren, eine Hauptflotte von 400 großen Kriegsschiffen, die in der Nähe von Nanking stationiert waren, und 400 Frachtschiffen für den Getreidetransport. Hinzu kamen 250 Schatzschiffe für Ferntransporte“ (Needham, 1971, S. 484). Die Schatzschiffe waren bei den Expeditionen in die westlichen Meere das wichtigste Transportmittel. Sie waren mit 120 Metern Länge und nahezu 50 Metern Breite fünfmal so groß wie die Schiffe da Gamas. Die chinesischen Schiffe unterschieden sich von den im Indischen Ozean oder von Portugal verwendeten ganz wesentlich. Die Schatzschiffe hatten neun Masten, und auch kleinere Schiffe waren mit mehreren Masten ausgestattet. Quer zum Segeltuch angebrachte Bambusstangen ermöglichten ein präzises stufenweises Reffen. Wenn die Segel eingeholt wurden, fielen sie sofort in Falten zusammen. Wenn sich Risse im Segel bildeten, blieb der Schaden auf Grund der Querstangen begrenzt. Die großen Schiffe hatten mindestens 15 wasserdichte Schotten, so dass ein teilweise beschädigtes Schiff nicht sank und auf See repariert werden konnte. Sie hatten bis zu 60 Kabinen und somit bequemere Unterkünfte für die Mannschaft als portugiesische Schiffe. Aus Tabelle 2.11 gehen die Einzelheiten der sechs Seeexpeditionen des Kaisers Yongle und die der siebten Expedition nach seinem Tod hervor. Die Stärke der Flotten und die Größe der Schiffe sollten die Herrscher der besuchten Länder einschüchtern. Die Fahrten wurden zwar in friedlicher Absicht unternommen, doch reichte die militärische Stärke der Schiffe aus, um Angriffe auf die Flotte erfolgreich abzuwehren, was aber nur dreimal vorkam. Ziel der ersten Expedition war Indien mit seinen Gewürzen. Die übrigen dienten der Erkundung der afrikanischen Ostküste, des Roten Meers und des Persischen Golfs. Ein Hauptzweck dieser Reisen bestand darin, durch Überbringen von Geschenken gute Beziehungen herzustellen und Botschafter oder Herrscher auf ihrer Reise von und nach China zu eskortieren. Es wurde nicht versucht, Handels- oder Militärstützpunkte zu gründen. Das Interesse galt u.a. der 76 Entwicklung des Abendlands und Auswirkungen auf die übrige Welt Suche nach neuen Heilpflanzen, und an einer der zu diesem Zweck unternommenen Fahrten nahmen 180 Heilkundige teil. Von Interesse waren auch in China unbekannte afrikanische Tiere. Die Expeditionen kehrten mit Straußen, Giraffen, Zebras, Elefantenstoßzähnen und Rhinozeroshörnern zurück. Dies waren jedoch rein exotische Produkte; ein wesentlicher internationaler Austausch von Pflanzen und Tieren, wie er durch die Begegnung der Europäer mit Amerika in Gang gesetzt worden war, fand jedoch nicht statt. Nach dem Tode Zheng-hes nahm die Unterstützung für diese diplomatischen Initiativen in entfernten Regionen rasch ab. Die Ausdehnung des Tributsystems in den Beziehungen Chinas zu Ländern der „westlichen Meere“ hatte die Sicherheit Chinas nicht erhöht, und die Kosten der Seeexpeditionen hatten die Budget- und Geldkrise weiter verschärft. Die nach dem Leistungsprinzip organisierte Verwaltung hatte einem Vorhaben, das den Einfluss der Eunuchen verstärkte, schon immer ablehnend gegenübergestanden. Die Beamten festigten ihre Position weiter, indem sie die amtlichen Aufzeichnungen über die Expeditionen nach Übersee vernichteten. Die Notwendigkeit, die neue Hauptstadt im Norden gegen potentielle Invasoren aus der Mongolei oder der Mandschurei zu verteidigen, wurde immer dringlicher. Die Nahrungsmittelversorgung der neuen Hauptstadt war durch den Großen Kanal gesichert, der 1415 über seine Gesamtlänge hinweg wieder geöffnet wurde (2 300 km – d.h. die Entfernung Paris-Istanbul). Der Kanal funktionierte besser denn je, da er durch neue Schleusen ganzjährig schiffbar war25. Die Belieferung der Hauptstadt mit Getreide auf dem Seeweg war bereits eingestellt worden, und an die Stelle seetüchtiger Getreideschiffe traten für die Fahrt auf dem Kanal geeignete Lastkähne. Da die Diplomatie zur See beendet war, wurden keine Schatzschiffe mehr gebraucht, die Verteidigungsanlagen an den Küsten waren reduziert worden, und es wurde großer Druck ausgeübt, die Seestreitkräfte auch in ihrem Grundbestand abzubauen. Bis 1474 wurde die Flotte großer Kriegsschiffe von 400 auf 140 verkleinert. Die meisten Werften wurden geschlossen, und die Seestreitkräfte sahen sich durch Personalabbau und Desertion dezimiert. Das Tributsystem bestand gegenüber Ländern der östlichen Meere weiter, d.h. Schiffe aus Japan durften in Zeitabständen von mehreren Jahren wiederkehren, doch wurde das von Yongle verhängte Embargo für den Privathandel aufrechterhalten, und seetüchtige Dschunken mit mehr als zwei Masten waren verboten. Dieses System des Verbots und der Regulierung führte letztlich zur immer weiteren Verbreitung des illegalen Privathandels und der Piraterie. Die Küstenwacht war bestechlich. Als die Portugiesen 1557 ihren Stützpunkt in Macau gründeten, waren sie sich der Handelssituation voll bewusst und konnten zu den chinesischen und japanischen Piraten leicht Kontakt aufnehmen. 1567 hoben die chinesischen Behörden das Verbot des privatwirtschaftlichen Handels auf, untersagten aber den Handel mit Japan. Für die Portugiesen ergab sich hieraus eine außergewöhnlich günstige Gelegenheit. Japan 1539 hatten die Chinesen die Ladung japanischer Schiffe beschlagnahmt, die sich am offiziellen Handel im Rahmen des Tributsystems beteiligten. 1544 hatten sie japanische Versuche vereitelt, diesen Handel wieder aufzunehmen. Dies genügte, um auf Seiten Japans eine feindselige Haltung auszulösen, die durch die politischen Veränderungen in Japan noch verstärkt wurde. Mitte des 16. Jahrhunderts stand das Ashikaga-Shogunat, das die chinesische Oberhoheit akzeptiert hatte, kurz vor dem Zusammenbruch. Ihm folgten hintereinander drei besonders grausame Militärdiktatoren, 77 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Nobunaga, Hideyoshi und Ieyasu, die ein mächtiges geeintes Regierungssystem schufen. Den Gedanken einer chinesischen Oberhoheit lehnten sie völlig ab. Diese politischen Entwicklungen fielen in die Zeit, als Japan sich zu einem bedeutenden Silberproduzenten entwickelte. Reiche Vorkommen wurden in den dreißiger Jahren des 16. Jahrhunderts entdeckt. Das Exportpotential war sehr groß. Auf dem chinesischen Markt herrschte eine stürmische Nachfrage nach Silber, und das Gold-Silber-Preisverhältnis war in China für Silber günstiger als in Japan. Da die Chinesen keine japanischen Schiffe in ihre Häfen einlaufen ließen, wurde das japanische Silber in erster Linie von chinesischen Piratenschiffen und den Portugiesen nach China befördert. Die portugiesischen Schiffe konnten indonesische Gewürze von Malakka nach Macau befördern, sie in China absetzen, dort chinesische Seide und Gold ankaufen, von Macau aus die Häfen im Süden Japans (zunächst Hirado, dann Nagasaki) anlaufen, diese Produkte dort verkaufen, japanisches Silber ankaufen, es in Macau veräußern und dann wieder Seide kaufen, um sie nach Japan oder in ihre Lagerhäuser in Goa zu liefern. Der portugiesische Handelsverkehr ging auch mit Jesuiten-Missionen einher. So hielt sich Franz Xavier 1549-1551 in Japan auf, und die Jesuiten waren bei der Missionierung im Süden Japans sehr erfolgreich. Die Zahl der japanischen Christen stieg schließlich auf rd. 300 000 (also mehr, als die Jesuiten in Goa oder China bekehrten). Die Japaner interessierten sich für die Schiffe, die Karten und die Navigationsmethoden der Portugiesen und lernten in diesen Techniken hinzu. Noch mehr interessierten sie aber Feuerwaffen. Die portugiesische Technologie dieser Zeit wurde durch die japanische Namban-Kunst (Namban = „von den südlichen Barbaren“) reproduziert, die in besonders großen lackierten Wandschirmen mit mehreren Tafeln ihren deutlichsten Ausdruck fand. Die ersten Portugiesen, die 1543 landeten, führten Feuerwaffen mit sich, die in Japan unbekannt waren. Die japanischen Militärs lernten das Potential dieser neuen Waffen schnell schätzen, und es gelang ihnen, sie zu kopieren und in Japan herzustellen. Diese Waffen hatten bedeutende Auswirkungen auf den Ausgang der japanischen Bürgerkriege. Nach 1615 beschloss das neue Shogunat, die Schusswaffen aus dem Verkehr zu ziehen und den Gebrauch von Schwertern auf die Samurai zu beschränken. 1596 versuchten die spanischen Herrscher in Manila, die Erfolge der Portugiesen in Japan zu kopieren, und sandten zur Christianisierung eine Abordnung von Franziskaner-Missionaren dorthin. Die Japaner gewannen den Eindruck, dass die Spanier möglicherweise die Macht an sich reißen wollten, wie sie es auf den Philippinen getan hatten, und auf Befehl Hideyoshis wurden die spanischen Missionare und 19 der von ihnen Bekehrten in Nagasaki gekreuzigt. Von diesem Augenblick an nahm die feindselige Haltung Japans gegenüber portugiesischen Missionierungsaktivitäten stetig zu, und das Land nahm Kontakt zu englischen und niederländischen Händlern auf, die keinerlei religiöse Ambitionen verfolgten. Das Christentum wurde schließlich verboten, und die Portugiesen wurden 1639 des Landes verwiesen. Der Handel mit dem japanischen Festland war fortan allein chinesischen und niederländischen Kaufleuten vorbehalten. Manila Fernao de Magalhaes hatte 1511 an der ersten portugiesischen Expedition auf die Gewürzinseln der Molukken teilgenommen und war bei seiner Rückkehr nach Portugal enttäuscht über seine Entlohnung und Zukunftsaussichten. 1517 lief er nach Spanien über, änderte seinen Namen in Magellan und überzeugte die spanische Krone, eine Reise auf der Westroute zu finanzieren. Die unter seinem Befehl stehende Expedition (1519-1522) vollbrachte die erste Weltumsegelung. Ihre Route führte südlich an Argentinien vorbei. Magellan wurde bei einem Kampf auf den Philippinen getötet, doch wurde die Reise zu den Gewürzinseln auch ohne ihn fortgesetzt und schließlich in Spanien beendet. Nur fünfzehn Männer kehrten zurück, über 200 überlebten die Reise nicht. 78 Entwicklung des Abendlands und Auswirkungen auf die übrige Welt Spanien trat gegen einen Geldbetrag seinen Anspruch auf die Molukken an Portugal ab, erlangte aber 1571 effektiv die Kontrolle über die Philippinen. Sie waren die einzige nennenswerte spanische Besitzung außerhalb Amerikas. Die Route zwischen Acapulco (an der Westküste Mexikos) und Manila hatte eine Monopolstellung im Handel mit spanischem Silber gegen chinesische Seide und Porzellanerzeugnisse. Die Spanier beteiligten sich kaum direkt am Handel mit China, der hauptsächlich mit chinesischen Schiffen abgewickelt wurde, die sich für den Zwischenhandel der großen chinesischen Gemeinde in Manila bedienten. Ende des 16. Jahrhunderts lebten in Manila 2 000 Spanier und 10 000 Chinesen. Die Beziehungen zu China waren niemals besonders freundschaftlich. 1603 entstand durch einen Besuch besonders dreister chinesischer Händler, die die amtlichen Autoritäten der Provinz Fujian vertraten, fälschlich der Eindruck, dass China eine Invasion der Philippinen plante. Die Spanier reagierten hierauf mit einem Angriff, bei dem sie den überwiegenden Teil der in Manila lebenden Chinesen töteten. Der chinesische Kaiser Wanli ließ den Händler hinrichten, der die Spanier provoziert hatte, und der Handel mit China bestand auch nach diesem Zwischenfall fort. Der Besitz der Philippinien war jedoch für Spanien nie ein besonders einträgliches Unternehmen, und die Menge des von Mexiko über Manila nach China gelieferten Silbers war wesentlich geringer als die entsprechenden Ausfuhren Japans (Tabelle 2.9). VII Die Portugiesen in Brasilien Als die Portugiesen im Jahr 1500 in Brasilien landeten, unterschied sich ihre Situation als Kolonisatoren ganz erheblich von der der Spanier in Mexiko und Peru. Sie trafen in Brasilien weder eine fortgeschrittene Zivilisation mit zu plündernden Schätzen von Edelmetallen an noch eine gesellschaftliche Disziplin oder Organisationsform, die in der Lage gewesen wäre, regelmäßig Tribute zu leisten, die sie sich hätten aneignen können. Die Indianer Brasiliens waren in erster Linie Jäger und Sammler, selbst wenn einige im Begriff standen, zum Ackerbau überzugehen und für den Anbau von Maniok Brandrodung zu betreiben. Auf Grund ihrer Techniken und Ressourcen lebten diese Menschen über große Räume verstreut. Es gab weder Städte noch Viehzucht. Sie befanden sich auf dem Entwicklungsstand des Steinzeitmenschen, ernährten sich von Jagd und Fischfang, waren unbekleidet, konnten weder lesen noch schreiben. Während des ersten Jahrhunderts der Kolonisierung wurde deutlich, dass sich die Indianer kaum für die Sklavenarbeit eigneten. Sie waren nicht fügsam, hatten bei Kontakt mit westlichen Krankheiten eine hohe Sterblichkeitsziffer, konnten relativ leicht entlaufen und sich verstecken. Portugal führte daher für schwere körperliche Arbeiten Sklaven aus Afrika ein. Den Indianern Brasiliens war letztlich dasselbe Schicksal beschieden wie denen Nordamerikas. Sie wurden an den Rand der Kolonialgesellschaft gedrängt. Der Hauptunterschied bestand in Brasilien darin, dass es zu einem höheren Grad der Mischung mit den weißen Invasoren und den schwarzen Sklaven kam. Im Gegensatz zu Spanien mit seinen Kolonien erzielte Portugal einen wesentlich größeren Teil seiner Einnahmen in Brasilien durch die Ausweitung der Güterausfuhren und die Steigerung der Handelsgewinne. Im 16. und 17. Jahrhundert waren die offiziellen Einnahmen aus Brasilien gering – 1588 machten sie rd. 3% und 1619 5% der öffentlichen Einnahmen Portugals aus (vgl. Bethell, 1984, Bd. I, S. 286). Im 16. Jahrhundert war die Wirtschaftstätigkeit in den Händen einer kleinen Zahl von Siedlern konzentriert, die im Nordosten Brasiliens eine äußerst einträgliche Zuckerproduktion für den Export betrieben. Die Techniken für diesen Gewerbezweig, darunter der Einsatz schwarzer Sklaven, 79 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle 2.13 Warenmäßige Zusammensetzung der brasilianischen Exporte, 1821–1951 (in Prozent der Gesamtexporte) 1821–1823 1871–1873 1901–1903 1927–1929 1949–1951 Quelle: Baumwolle Zucker Kaffee Kautschuk Kakao 25.8 16.6 2.6 2.0 10.0 23.1 12.3 2.4 0.5 0.3 18.7 50.2 55.7 71.1 60.5 0.0 0.0 22.5 2.0 0.2 n.v. n.v. 2.5 3.8 4.8 821–1873 vgl. Leff (1982), Bd. II, S. 9; 1901–1951 vgl. O Brasil em Numeros. waren zuvor in Madeira und São Tomé entwickelt worden. Die Rinderzucht in den Trockengebiete des Hinterlands (der sertao) lieferte Nahrungsmittel für die in der Zuckerproduktion tätigen Menschen. Die brasilianischen Zuckerausfuhren erreichten in den fünfziger Jahren des 17. Jahrhunderts ihren Höchststand. In der Zeit danach verringerten sich die Einnahmen infolge niedrigerer Preise und der Konkurrenz durch die schnell expandierende Produktion in der Karibik (vgl. Tabelle 2.4). Mit dem Einbruch der Zuckerproduktion fielen weite Teile des Nordostens in das Stadium der Subsistenzwirtschaft zurück. In den neunziger Jahren des 17. Jahrhunderts eröffneten die Entdeckung von Goldvorkommen und um 1720 Diamantfunde weiter südlich in Minas Gerais neue Möglichkeiten. Das 18. Jahrhundert war durch starke Einwanderungsströme aus Europa und eine Binnenmigration aus dem Nordosten in Richtung Minas geprägt, die auf der Anziehungskraft der Gold- und Diamantenvorkommen beruhten. Der Wohlstand, der im 18. Jahrhundert in Minas herrschte, ist auch heute noch an den zahlreichen kunstvollen Bauten und Kirchen in Ouro Preto zu erkennen, das einst das Zentrum der Bergbauaktivitäten war. Auf Grund des äußerst kargen Bodens in Minas Gerais gingen vom Nahrungsmittel- und Transportbedarf des Bergbaugebiets stimulierende Effekte auf die Nahrungsmittelproduktion in den Nachbarprovinzen im Süden und im Nordosten sowie auf die Maultierzucht am Rio Grande do Sul aus. Die Goldindustrie stand mit einer Produktion von rd. 15 Tonnen jährlich um das Jahr 1750 in voller Blüte; mit zunehmender Erschöpfung der ergiebigsten Lagerstätten gingen die Produktions- und Ausfuhrmengen danach jedoch zurück. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts betrugen die an das Mutterland abgeführten Erlöse aus der Goldgewinnung durchschnittlich 5,23 Mio. Milreis (1,4 Mio. £) pro Jahr, wovon der Krone, soweit erfassbar, etwa 18% zuflossen (Alden, 1973, S. 331). Insgesamt erreichten die brasilianischen Goldlieferungen über das gesamte 18. Jahrhundert zwischen 800 und 850 Tonnen (vgl. Morineau, 1985). In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts befanden sich die portugiesischen Finanzen in einem desolaten Zustand. Die Einkünfte, die das Mutterland aus Brasilien bezog, waren wegen der rückläufigen Goldproduktion geschrumpft. Die Einnahmequellen in Asien waren versiegt, und Portugal wurde durch die Kosten für den Wiederaufbau Lissabons nach dem Erdbeben von 1755 belastet. Um dieses Problem zu lösen, ließ der portugiesische Premierminister Pombal die Jesuiten aus Brasilien ausweisen (1759), ihre umfangreichen Besitztümer beschlagnahmen und sie zu Gunsten der Krone an wohlhabende Landbesitzer und Kaufleute veräußern. Auch der überwiegende Teil der Güter anderer Orden ging einige Jahre später in den Besitz der Krone über. Mit dem Versiegen der Goldproduktion wandte sich Brasilien erneut dem Export von Agrarerzeugnissen zu. Zum Zeitpunkt der Unabhängigkeit Brasiliens 1822 wurden in erster Linie Baumwolle, Zucker und Kaffee ausgeführt. Die Kaffeeproduktion begann Anfang des 19. Jahrhunderts, als die Produktion auf Grund einer Sklavenrevolte in Haiti zurückging. Kaffee wurde im Südosten angebaut, Zucker und Baumwolle dagegen waren seit jeher Produkte des Nordostens. 80 Entwicklung des Abendlands und Auswirkungen auf die übrige Welt Am Ende der Kolonialzeit bestand die Hälfte der Bevölkerung aus Sklaven. Diese bekamen als Nahrung eine dürftige Kost aus Bohnen und getrocknetem Rindfleisch und überlebten die harte Arbeit gewöhnlich nur wenige Jahre. Eine kleine Minderheit privilegierter Weißer bezog ein hohes Einkommen, der Rest der Bevölkerung (freie Schwarze, Mulatten, Indianer und viele Weiße) waren arm. Der Landbesitz konzentrierte sich auf die Sklavenhalter, so dass eine sehr ungleiche Vermögensverteilung eine in hohem Grade ungleiche Einkommensverteilung begünstigte. Zwischen den einzelnen Regionen gab es wesentliche Unterschiede. Das ärmste Gebiet war der Nordosten. Auch in Minas Gerais waren die besten Zeiten vorüber. Am wohlhabendsten war das Gebiet um die neue Hauptstadt Rio de Janeiro. Die Unabhängigkeit errang Brasilien, an lateinamerikanischen Maßstäben gemessen, ohne größere Erschütterungen. 1808 flohen die portugiesische Königin und der Regent nach Rio, um der französischen Invasion des Mutterlands zu entkommen. Mit ihnen gingen etwa 10 000 Vertreter des „Establishments“ – Aristokratie, Verwaltungsbeamte und ein Teil des Militärs –, die in Rio eine Regierung bildeten und Brasilien mit Portugal vom Königshof in Petropolis aus als Doppelmonarchie regierten (beide Teile hatten zu dieser Zeit in etwa dieselbe Bevölkerungsstärke). Nach den napoleonischen Kriegen trennten sich beide Länder ohne allzu große Feindseligkeiten. Brasilien wurde unabhängig – mit einem Kaiser, der der Sohn des portugiesischen Monarchen war. Mit der Unabhängigkeit hatte Brasilien zwar keine offiziellen Tributzahlungen an Portugal mehr zu entrichten, doch führte das aufwendige kaiserliche Herrschaftssystem zu einer höheren inländischen Steuerlast. Die Briten, der neue Protektor Brasiliens, repatriierten ihre wachsenden Handelserträge. Mit der Unabhängigkeit konnte Brasilien jedoch sein eigenes Bankensystem errichten, Papiergeld drucken, eine moderate Inflation verkraften und auf dem internationalen Kapitalmarkt Geld leihen. Von den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts an floss immer wieder ausländisches Kapital nach Brasilien, meist in Form von Direktkrediten an die Regierung oder in Form von Erlösen aus der Veräußerung brasilianischer Staatspapiere im Ausland. In der Zeit des brasilianischen Kaiserreichs wurden 17 Auslandsanleihen begeben. Die Tilgung erfolgte fristgerecht, und Brasilien genoss bei den britischen Banken, die sämtliche Mittel bereitstellten, eine gute Bonität. Die Unabhängigkeit hatte gewisse Änderungen in der Handelspolitik zur Folge. Bis 1808 durften in die brasilianischen Häfen nur englische oder portugiesische Schiffe einlaufen26, und merkantilistische Restriktionen verhinderten die Herstellung von Industrieprodukten. Diese Beschränkungen wurden 1808 aufgehoben, doch behielt das Vereinigte Königreich bis 1827 bestimmte exterritoriale Rechte und Zollpräferenzen. Dann wurden auch diese Präferenzen abgeschafft, doch musste Brasilien die Zölle bis 1844 auf 15% ad valorem begrenzen. Für eine Regierung, die die hohen Kosten für den ganzen Hofstaat einer Monarchie zu tragen hatte und politisch nicht über die Möglichkeit verfügte, Boden oder Einkommen zu besteuern, stellte dies eine schwere Belastung dar. Diese Situation leistete der Tendenz zu einer inflationären Finanzpolitik und Entwertung des Papiergelds Vorschub. Als Brasilien 1844 seine Zollhoheit wiedererlangte, wurde der allgemeine Zollsatz für Fertigprodukte auf 30% angehoben, die Zölle auf Rohstoffe und Maschinen hingegen wurden abgeschafft, was die Entstehung von Baumwollspinnereien und -webereien förderte. In der Zeit des Kaiserreichs stellten die Zolleinnahmen zwei Drittel der Steuereinnahmen der Regierung dar, und die Zölle spielten eine wesentliche Rolle beim Schutz der lokalen Industrie. Die Zolleinnahmen erreichten einen höheren Anteil an den Einfuhren als in irgendeinem anderen Land, mit Ausnahme Portugals27. 1833 schaffte das Vereinigte Königreich die Sklavenhaltung auf den Westindischen Inseln ab und begann, aktiv gegen den Sklavenhandel vorzugehen. Im Zeitraum 1840-1851 wurden 370 000 Sklaven nach Brasilien verbracht, doch bereitete die britische Marine diesem Handel anschließend ein Ende. Die Sklavenhaltung existierte zwar noch ungefähr vierzig Jahre lang, doch bewirkte das Ende des Sklavenhandels eine wesentliche Veränderung des Wirtschaftssystems. Ein sofortiger Effekt war die Verdopplung der Sklavenpreise, so dass sich der Gewinn verringerte, wenn ein Sklave frühzeitig an 81 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive der harten Arbeit starb. Die Geschlechter- und Altersstruktur der schwarzen Bevölkerung begann sich zu verändern, was dazu führte, dass die Erwerbsquote sank. 1888 wurde die Sklaverei abgeschafft, wobei die ehemaligen Sklaven weder eine Entschädigung noch irgendeine andere Art der Hilfe erhielten, um sich an einem anderen Ort anzusiedeln. Zu dieser Zeit betrug der Sklavenanteil an der Gesamtbevölkerung nur 7%, während er sich in den Vereinigten Staaten im Jahr 1860, kurz vor Ausbruch des Amerikanischen Bürgerkriegs, auf 13% belief. Der Kaiser wurde 1889 vom Militär abgesetzt, das eine von Oligarchien beherrschte Republik gründete. Es erfolgte die Trennung von Kirche und Staat. Nur Grundbesitzer hatten das Wahlrecht. Das Amt des Präsidenten wechselte zwischen Politikern aus São Paulo und Minas Gerais auf Grund vorheriger Absprachen. Die Monarchie hatte als Zentralgewalt geherrscht, doch nun wurden aus den Provinzen Bundesstaaten, die über ein hohes Maß an Autonomie und namentlich die Zollhoheit verfügten, so dass Zölle im Warenhandel mit dem Ausland wie auch zwischen einzelnen Bundesstaaten erhoben werden konnten. Auf bundesstaatlicher Ebene konzentrierte sich die Macht in den Händen einer kleinen politischen Klasse, die ihre Freunde und Verwandten begünstigte. Auf lokaler Ebene herrschte der „coronelismo“ (in etwa: Herrschaft der Obristen). Die fast als Banditen zu bezeichnenden Angehörigen dieser „Kaste“ hatten ihr Grundeigentum mit nicht immer legalen Mitteln erworben und herrschten über die weniger begüterten Bürger wie Feudalherren. In den ersten Jahren der Republik traten die durch den Übergang vom Sklaventum zur Lohnarbeit bedingten Belastungen deutlich zu Tage. Da der Kaffeeanbau im Gebiet um Rio nicht mehr rentabel war, wurde auf Rinderzucht umgestellt. Die Wettbewerbsposition von São Paulo wurde gestärkt. Klima- und Bodenverhältnisse waren dort für den Kaffeeanbau günstiger als in den durch die Bodenerosion ausgezehrten Tälern in der Nähe von Rio. Seit 1840, als Senator Vergueiro begonnen hatte, weiße Arbeitskräfte für seine Plantagen einzustellen, war dort ein Arbeitskräftereservoir weißer Einwanderer vorhanden. Die Regierung des Bundesstaats subventionierte die Einwanderung (in erster Linie italienischer Staatsangehöriger) von 1880 bis 1928 in großem Stil. In den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts kamen viele Einwanderer in São Paulo aus Japan. Dieser Landesteil wurde zudem durch die Ausweitung des Schienenverkehrs und den Ausbau des Hafens von Santos begünstigt. Das durchschnittliche Bildungsniveau der Einwanderer war wesentlich höher als das der in Brasilien geborenen Menschen. Ihre Alphabetisierungsquote lag doppelt so hoch, und der Anteil von Personen mit Sekundar- und Hochschulniveau war bei ihnen dreimal so hoch wie in der brasilianischen Bevölkerung (Merrick und Graham, 1979, S. 111). Auf Grund ihres Lohnniveaus waren sie teurer als Sklaven, konnten dafür aber eine höhere Produktivität vorweisen, und ihre Zahl ließ sich durch Einwanderung leicht erhöhen. In der Zeit der Republik stagnierte die Wirtschaft im Nordosten. Dort wie auch in anderen Regionen eines Landes, in dem Schwarze und Mulatten kein Wahlrecht, keinen Zugang zu Landbesitz, Bildung oder jeglicher Form staatlicher Hilfe während der Umstellung auf eine Lohnwirtschaft hatten, konnten diese Bevölkerungsgruppen im Allgemeinen kaum von den Früchten des Wirtschaftswachstums profitieren. Die portugiesische Herrschaft in Brasilien hatte eine ganze Reihe dauerhafter Konsequenzen: a) Brasilien ist durch sehr große Unterschiede bei Einkommen, Wohlstand, Bildung und wirtschaftlichen Perspektiven gekennzeichnet. Diese Disparitäten sind extremer als in Asien, Europa oder Nordamerika. Die Gesellschaftsstruktur spiegelt noch immer in starkem Maße die Kolonialzeit wider, als im Hinblick auf den Zugang zu Grundeigentum große Ungleichheit herrschte und der überwiegende Teil der Arbeitskräfte Sklaven waren. Die fortdauernde Vernachlässigung der Bildung für die Masse der Bevölkerung ist selbst nach lateinamerikanischen Maßstäben besonders krass und hat den Anstieg der Arbeitsproduktivität gehemmt. Ein weiterer Aspekt der Ungleichheit ist regionaler Art. Die Unterschiede beim Pro-Kopf-Einkommen zwischen dem ärmsten Bundesstaat Piaui und dem 82 Entwicklung des Abendlands und Auswirkungen auf die übrige Welt Tabelle 2.14 Gegenüberstellung der Wirtschaftsergebnisse Brasiliens und der USA in den fünf Hauptphasen der brasilianischen Entwicklung, 1500–1998 Wachstumsbilanz Brasiliens Bevölkerung (Tsd.) 1500 1820 1890 1929 1980 1998 1 000 4 507 14 199 32 894 122 936 169 807 BIP (Mio. int. $ von 1990) 400 2 912 11 267 37 415 639 093 926 919 Pro Kopf BIP (int. $ von 1990) 400 646 794 1 137 5 199 5 459 Wachstumsraten in jeder Phase (kumulierte Jahresrate) Bevölkerung 1500–1820 Kolonie 1820–1890 Reich 1890–1929 Oligarchische Republik 1929–1980 Entwicklungsphase 1980–1998 Anpassungsphase 1500–1998 0.47 1.65 2.18 2.62 1.81 1.04 BIP 0.62 1.95 3.13 5.72 2.09 1.57 Pro-Kopf-BIP 0.15 0.30 0.92 3.03 0.27 0.53 Wachstumsbilanz der USA Bevölkerung (Tsd.) 1500 1820 1890 1929 1980 1998 2 000 9 981 63 302 122 245 227 757 270 561 BIP (Mio. $ von 1990) 800 12 548 214 714 843 335 4 239 558 7 394 598 Pro-Kopf-BIP ($ von 1990) 400 1 257 3 392 6 899 18 575 27 331 Wachstumsraten der USA in jeder Phase (kumulierte Jahresrate) Bevölkerung 1500–1820 1820–1890 1890–1929 1929–1980 1980–1998 1500–1998 Quelle: 0.50 2.67 1.70 1.23 0.96 0.99 BIP 0.86 4.14 3.57 3.21 3.15 1.85 Pro-Kopf-BIP 0.36 1.43 1.83 1.96 2.17 0.85 Anhänge A, B und C sowie Maddison (1995a). Distrito Federal liegt bei rund 7:1. Die einzigen Länder, die einen ebenso hohen Grad der regionalen Unterschiede aufweisen, sind Mexiko und China. b) Einkommensgefälle und Chancenungleichheit sind in Brasilien eng mit der Rassenzugehörigkeit verknüpft, doch hat das Erbe der Sklaverei dort zu weniger ausgeprägten sozialen Spannungen geführt als in den Vereinigten Staaten. So hat etwa Gilberto Freyre (1959) behauptet, Brasilianer seien mehr oder weniger „farbenblind“ und Brasilien sei ein soziales Kontinuum von reich bis arm, ohne scharfe soziale Antagonismen. Brasilien unterscheide sich von den Vereinigten Staaten hauptsächlich dadurch, dass die portugiesische Gesellschaft und der Sittenkodex zur Zeit der Kolonisation stark von dem engen Kontakt zur islamischen Welt beeinflusst wurden. Florestan Fernandes (1969) vertrat eine wesentlich kritischere Auffassung von der brasilianischen Gesellschaft, die eine faktische, im Allgemeinen aber diskrete gesellschaftliche Diskriminierung praktizierte. 83 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive c) Brasilien kam der Vorteil zugute, dass sich politische Veränderungen dort auf sanftere Art und Weise vollzogen als in anderen Ländern Lateinamerikas. Der Vertrag von Tordesillas (1494) teilte Amerika freundschaftlich zwischen Portugal und Spanien auf. Darin erhielt Portugal ein Gebiet, das sich bis 48 Grad westlich vom Greenwich-Meridian erstreckte, doch schließen die derzeitigen Grenzen Brasiliens ein nahezu dreimal so großes Territorium ein – eine Situation, die 1750 durch den Vertrag von Madrid friedlich besiegelt wurde. Der territoriale Zugewinn ist überwiegend auf Übergriffe durch Bewohner der Grenzregionen zurückzuführen. Die einzige größere Invasion war die Besetzung des Nordostens durch die Niederländer (1630-1654). Auseinandersetzungen zum Schutz des Grenzverlaufs vor französischen oder spanischen Übergriffen waren unerheblich, und der letzte territoriale Erwerb, das Acre-Territorium, erfolgte durch Kauf von Bolivien. Der größte Krieg mit dem Ausland wurde gegen Paraguay (1865-1870) geführt. Dies ist ein großer Unterschied zu Mexiko, das die Hälfte seines Territoriums durch Kriege mit den Vereinigten Staaten einbüßte, oder zu den Kriegen, die die Länder Europas und Asiens auf Grund von Grenzkonflikten führten. d) Auffällig ist auch die Leichtigkeit, mit der sich in Brasilien politische Transformationen vollzogen haben. Die Unabhängigkeit erlangte Brasilien ohne größere Kämpfe, indem der portugiesische Kronprinz 1822 Kaiser von Brasilien wurde. Die Sklaverei wurde 1888 abgeschafft, ohne dass ein Bürgerkrieg ausbrach. Das Kaiserreich wurde 1889 kampflos zu einer Republik. Die Vargas-Diktatur von 1930-1945 begann und endete mit relativ wenig Gewalt, was auch für die Militärherrschaft von 1964-1985 galt. e) Das Zusammentreffen von drei Faktoren – sanfte politische Übergänge, das Fehlen von Konflikten mit anderen Ländern und relativ spannungslose soziale Beziehungen zwischen den ethnischen Gruppen – ermöglichten es Brasilien, ein Völkergemisch aus den ursprünglich portugiesischen Kolonisatoren, den Abkömmlingen afrikanischer Sklaven und späteren Einwanderern aus Italien, Japan, Deutschland und dem Libanon zu assimilieren. Brasilien ist ein junges Land mit einem hohen Maß an Selbstvertrauen, ohne Ressentiments etwa auf Grund des Gefühls der Ausbeutung durch mächtige Nachbarn. Seine föderale Struktur ist lockerer als die vieler anderer großer Länder, und es zeichnet sich durch ein vielseitiges geistiges Leben aus. VIII Die Niederlande In der Zeit von 1400 bis 1700 erzielten die Niederlande das rascheste Pro-Kopf-Einkommenswachstum in ganz Europa, und von 1600 bis in die zwanziger Jahre des 19. Jahrhunderts wiesen sie das höchste Pro-Kopf-Einkommensniveau auf. Vor dem 17. Jahrhundert war diese Wirtschaftsleistung auf die Nutzung der Handelschancen in Nordeuropa sowie die erfolgreiche Umstrukturierung der Landwirtschaft durch den Wasserbau zurückzuführen. In der Folgezeit konnten die Niederländer ihren Wohlstand dank ihrer Rolle im Welthandel mehren. 1579 spalteten sich die nördlichen Provinzen als Utrechter Union – aus der die Republik der Vereinigten Niederlande hervorging – von den größeren Südprovinzen ab, die unter spanischer Herrschaft verblieben28. Der Kampf um die Erlangung und Behauptung der Unabhängigkeit zog sich über nahezu 80 Jahre hin. Den Vereinigten Niederlanden gelang es, sich gegen eine Weltmacht wie Spanien durchzusetzen, zu der damals Kastilien, Portugal (1580-1640), Neapel, Sizilien, das Herzogtum Mailand, die Franche-Comté, Mexiko, Peru, die Philippinen, Westindien, Tunis, Flandern, Brabant, Luxemburg, Lille, Artois und das Hennegau gehörten. 84 Entwicklung des Abendlands und Auswirkungen auf die übrige Welt Es ist nützlich, den wirtschaftlichen und politischen Kontext, in dem sich der Aufschwung der niederländischen Wirtschaft vollzog, näher zu betrachten. Vom 12. Jahrhundert an waren Flandern und Brabant die reichsten Provinzen Nordeuropas. Die führenden Städte Flanderns – Brügge, Gent und Ypern – waren damals die Zentren der europäischen Wollverarbeitung. Es wurden dort hochwertige Tuche, Tapisserien und andere Möbeltextilien hergestellt, die in ganz Europa Absatz fanden. Die Rohmaterialien wurden großenteils importiert: Die Wolle stammte aus England und der Alaun, der in der Textilindustrie als Reinigungsmittel Verwendung findet, wurde von Genueser Kaufleuten aus Chios eingeführt. Beim Waid und den anderen Färbemitteln, der Bleicherde und den übrigen Hilfsstoffen handelte es sich großenteils um einheimische Produkte. Um die Mitte des 14. Jahrhunderts (vgl. Postan, 1987, S. 180) exportierte England annähernd 7 000 Tonnen Wolle im Jahr, wovon der größte Teil über den damals englischen Hafen Calais nach Flandern ging. Bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts waren die englischen Wollexporte um vier Fünftel zurückgegangen. Die in Flandern verarbeitete Wolle kam nunmehr aus Spanien und wurde in Bilbao oder anderen spanischen Atlantikhäfen verschifft. England war in der Zwischenzeit vom Importeur zum Exporteur von Wollerzeugnissen geworden. Bei einem großen Teil seiner Textilexporte handelte es sich jedoch um ungefärbte Tuche, die zur Endbearbeitung nach Flandern geschickt wurden. McNeill (1974, S. 53-54) vermittelt einen Eindruck vom Umfang der Genueser Alaunlieferungen nach Flandern zwischen Mitte des 14. und Mitte des 16. Jahrhunderts. Er berichtet, dass die Genueser Chios nach der Eroberung der Insel im Jahre 1346 in ein gewaltiges Schieferlager verwandelten, in dem sie die Ausbeute sämtlicher Alaunschieferbrüche Kleinasiens zentralisierten. Auf diese Weise konnten sie ständig ausreichende Mengen an Alaun bereithalten, um die Laderäume riesiger, extra zu diesem Zweck gebauter Schiffe zu füllen. Rund zwanzig solcher Schiffe – größer als alle Holzschiffe, die je zuvor und danach gebaut wurden – fuhren regelmäßig, sommers wie winters, von Chios nach Brügge und wieder zurück. Auf ihrer langen Fahrt gingen sie nur einmal, in Cadiz, vor Anker, um Wasser und andere Vorräte zu fassen. Postans Schätzungen zufolge wurden in Flandern im 14. und 15. Jahrhundert pro Jahr über 150 000 Ballen Tuch à 25,8 Meter hergestellt. Zudem wurde in Flandern aus dem heimischen Flachs Leinen für den Export gewoben. Flandern war stark urbanisiert und deckte seinen Nahrungsmittelbedarf zum Großteil durch Importe. Es wurden umfangreiche Getreidemengen (Weizen und Gerste aus Frankreich und England, Roggen aus dem Ostseeraum) bezogen, Fisch kam aus Holland und der Ostsee und Wein aus Frankreich. Postan schätzt, dass sich die jährlichen Weinexporte der Bordeaux-Region Anfang des 14. Jahrhunderts auf rund 95 Millionen Liter beliefen. Ein großer Teil dieser Exporte ging nach England, ein kleinerer in den Ostseeraum; besonders starke Abnehmer waren Flandern und Brabant. Mitte des 14. Jahrhunderts holten die Städte Brabants – Antwerpen, Löwen und Brüssel – gegenüber Flandern wirtschaftlich auf, was sich durch die Versandung des Schiffswegs nach Brügge, die größere Dynamik Antwerpens und die englische Konkurrenz für die flämische Tuchindustrie erklärte. In Flandern unterlagen Produktion, Verkauf und Herstellungsmethoden den strengen Auflagen der Gilden. Der Außenhandel wurde auf regelmäßig stattfindenden Messen oder über Globalvereinbarungen abgewickelt, die Auslandstransaktionen auf bestimmte Städte beschränkten und deutschen Kaufleuten der Hanse privilegierten Zugang einräumten. Antwerpen besaß nicht nur einen prächtigen Hafen an der Scheldemündung, es verfolgte auch eine kaufmännisch orientierte, weniger von Auflagen bestimmte Handelspolitik. Es war das Zentrum des internationalen Bankgeschäfts in Nordeuropa und versorgte ausländische Herrscher mit Krediten, darunter auch Heinrich VIII. von England. Die Antwerpener Börse wurde zu einem Modell für die später gegründete Londoner Börse. Sowohl Flandern als auch Brabant wickelten einen beträchtlichen Teil ihrer internationalen Geschäfte auf dem Landweg ab, für schwere Importgüter war der Transport auf dem Seeweg jedoch wesentlich kostengünstiger. Ein Großteil dieser Importe wurde daher über Meer und Flüsse in Schiffen oder Booten aus Holland, Seeland und den anderen nördlichen Provinzen herangeschafft. 85 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle 2.15 Frachtkapazität der niederländischen und anderer Handelsflotten, 1470-1824 (in Tonnen) Niederlande Deutschland England Frankreich Italien, Portugal, Spanien Dänemark, Norwegen und Schweden Nordamerika a) 1470 1570 1670 1780 1824 60 000 60 000 n.v. n.v. n.v. 232 000 110 000 51 000 80 000 n.v. 568 000 104 000 260 000 80 000 250 000 450 000 155 000 1 000 000 700 000 546 000 555 000 450 000 140 000 1786-1787. Quelle: Daten der Jahre 1470-1670 für die Niederlande, Deutschland und Frankreich sowie 1570 für Großbritannien aus Vogel (1915), S. 331. Daten der Jahre 1670 und 1780 für Großbritannien, 1780 und 1824 für die Niederlande und 1780 für Frankreich aus de Vries und van der Woude (1997), S. 411, 484, 490 und 492. Dänemark, Norwegen und Schweden, Deutschland, Italien, Portugal und Spanien 1786-1787 aus Unger (1992), S. 258. Italien, Portugal und Spanien 1670 aus Petty (1690), S. 251. Tabelle 2.16 Niederländische Handelsschiffe nach Aktivitäten, um das Jahr 1670 Schiffe Norwegen Archangelsk Grönland Mittelmeerraum Ostseeraum und übriges Europa Heringsfang Küstenschifffahrt Westafrika, Westindien Asien Insgesamt Quelle: Frachtkapazität (Tonnen) 200 25 150 200 735 1 000 1 000 100 100 3 510 40 000 9 000 40 000 72 000 207 000 60 000 40 000 40 000 60 000 568 000 Durchschnittskapazität je Schiff (Tonnen) 200 360 267 360 282 60 40 400 600 162 Vogel (1915), S. 319. Tabelle 2.17 Beschäftigung in der niederländischen Schifffahrt nach Aktivitäten, 1610–1770 1610 a) b) c) 1630–1640 1680 1770 Ostseeraum Norwegen Archangelsk Nordsee England Frankreich Iberische Halbinsel und Mittelmeerraum Westafrika und Amerika Handelsmarine insgesamt 4 000 4 000 500 500 1 000 4 500 5 000 2 000 21 500 4 000 4 200 1 000 800 1 000 4 500 6 000 4 000 25 500 2 000 4 000 1 200 800 500 4 000 6 000 2 000 22 500 n.v. n.v. n.v. n.v. n.v. n.v. n.v. n.v. 21 000 Asiena Hochseefischerei Walfang Admiralitätenb Insgesamt 2 000 6 500 0 3 000 33 000 4 000 7 000 1 500 8 000 46 000 8 500 6 500 9 000 11 000c 57 500 11 500 4 000 6 000 2 000 44 500 Monopol der niederländische Ostindien-Kompanie. Kriegsmarine. 1670. Quelle: De Vries und van der Woude (1997), S. 406, vgl. S. 98-100 zur Funktionsweise der „Admiralitäten“; die Zahlenangabe 1770 für die Admiralitäten stammt von Israel (1995), S. 263. In Kriegszeiten konnte die Mannschaftsstärke der Kriegsmarine erhöht werden, indem Personal aus der Handelsmarine und der Fischereiflotte abgezogen wurde, vgl. Israel (1995), S. 768. 86 Entwicklung des Abendlands und Auswirkungen auf die übrige Welt Die sieben nördlichen Provinzen, die sich zur Republik der Vereinigten Niederlande zusammenschlossen (zu der sich zwischen 1579 und 1580 nacheinander Holland, Seeland, Utrecht, Geldern, Overijssel, Friesland und Groningen bekannt hatten), unterschieden sich deutlich von Flandern und Brabant29. Sie erstreckten sich über eine Tiefebene, in der Land und Wasser eine sehr enge Symbiose bildeten, und sie verfügten über große natürliche Wasserstraßen. Über den Rhein konnten Güter bis weit nach Deutschland hinein, insbesondere nach Köln und Frankfurt am Main, transportiert werden. Im Rheindelta befanden sich zahlreiche Inseln und natürliche Häfen. Die Geldersche Ijssel mündete in den Zuidersee, und mit der Ems bestand ein idealer Verbindungsweg zur norddeutschen Küste. In diesem Umfeld entwickelten sich Fischerei, See- und Flussschifffahrt sowie Schiffbau zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen. Die Landwirtschaft war ihrerseits stark von den Möglichkeiten des Wasserbaus und der Bewässerung geprägt. Im 14. Jahrhundert hatte sich die Handelsmarine der nördlichen Provinzen bereits eine wichtige Stellung in der Nord- und Ostsee gesichert. Über den Danziger Hafen transportierte sie Roggen und Holz aus Ostdeutschland und Polen, über Narwa und Riga Pelze, Wachs, Honig, Pech, Teer und Holz aus Russland; Kupfer, Eisenerz, Waffen und Salzheringe wurden aus Schweden und gepökelter Kabeljau und Holz aus dem norwegischen Bergen herangeschafft. Im Gegenzug brachten die niederländischen Schiffe wieder ausgeführte englische Wollerzeugnisse, Salz zum Pökeln von Fisch und Fleisch und reexportierte französische Weine in diese Regionen. Wenn sich die Gelegenheit ergab, übernahmen sie zusätzlich zu ihren Handelsaktivitäten auch Spediteursdienste, z.B. zwischen Danzig und Riga. Schifffahrt und Handel im Ostseeraum waren zuvor das Monopol einer Vereinigung deutscher Kaufleute, der Hanse, gewesen, deren Hauptsitz sich damals in Lübeck befand und die u.a. Handelskontore in London und Brügge unterhielt. Ein Großteil des Ostseehandels der Hanse stütze sich auf die kurze Landroute zwischen Lübeck und Hamburg. Die Niederländer waren die Ersten, die den zwar längeren, aber kostengünstigeren Seeweg von der Nord- in die Ostsee durch den Öresund nutzten. In den Jahren zwischen 1437 und 1441 mussten sie daher die Angriffe der Hanse abwehren, die sie aus dem Ostseeraum zu vertreiben suchte. Dank der Unterstützung Danzigs gelang es den Niederländern jedoch, ihr Handelsrecht in der Ostsee zu verteidigen. Der niederländische Ostseehandel ist gut dokumentiert, da Dänemark – zu dem damals auch Südschweden gehörte – die Einfahrt in die Ostsee kontrollierte und dort Zoll erhob. Um die Wende zum 16. Jahrhundert fuhren pro Jahr 300 bis 400 holländische Schiffe durch den Öresund in die Ostsee; in den sechziger Jahren des 16. Jahrhunderts waren es über 1 300. In dem letztgenannten Zeitraum wurden auf diesem Weg pro Jahr rund 100 000 Tonnen Getreide transportiert. Die Heimathäfen der niederländischen Schiffe, die in der Ostsee Handel trieben, befanden sich an den Küsten Seelands, Hollands und Frieslands. Dordrecht war der wichtigste Knotenpunkt für den Schiffsverkehr über den Rhein nach Deutschland und über die Maas nach Lüttich. Die Stadt Middelburg auf der vor der Scheldemündung gelegenen Insel Walcheren importierte englische Tuche, französischen Wein, Getreide und Salz und im 16. Jahrhundert auch Gewürze und Zucker aus Portugal. Die niederländische Handelsflotte war bei weitem die größte in Europa. In den sechziger Jahren des 16. Jahrhunderts, der Zeit kurz vor Gründung der Republik, verfügte allein die Provinz Holland über 1 800 hochseetüchtige Schiffe (Israel, 1995, S. 117). Die Ladekapazität der niederländischen Handelsflotte entsprach 1570 in etwa der der französischen, deutschen und englischen Flotte zusammen genommen (vgl. Tabelle 2.15). Auf die Einwohnerzahl bezogen war die Frachtkapazität in den Niederlanden 25-mal so groß wie in diesen drei Ländern. Der Heringsfang spielte in der niederländischen Schifffahrt eine wichtige Rolle. Der Hering wurde frisch oder leicht eingesalzen in Hafennähe verkauft oder für den Außenhandel verarbeitet und in Fässer abgefüllt. Die zum Pökeln am besten geeigneten Heringe, die vor 1400 vor der schwedischen Küste gefangen wurden, zogen im 15. Jahrhundert in die Nordsee, so dass der Großteil des Fangs 87 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive nunmehr an die Niederländer ging. Zudem konnte die Produktivität durch eine bahnbrechende technische Neuerung erheblich gesteigert werden. Die niederländischen Schiffswerften hatten ein neuartiges Fabrikschiff mit Netzen, Takelage und Verarbeitungsvorrichtungen entwickelt, das es einer 18 bis 30 Mann starken Mannschaft ermöglichte, den Hering noch auf hoher See auszunehmen, zu säubern, einzusalzen und in Fässer zu füllen. Schiffe dieser Art konnten während der Fischfangzeit zwischen Juni und Dezember dreimal für fünf bis acht Wochen auf Fahrt gehen. In den sechziger Jahren des 16. Jahrhunderts gab es in den Niederlanden 400 Schiffe dieser Art, die von der Provinz Holland aus operierten und deren Eigentümer größtenteils städtische Investoren waren. Zu dieser Zeit exportierten die Niederländer bereits Hering in den Ostseeraum, anstatt ihn von dort zu importieren (vgl. de Vries und van der Woude, 1997, S. 243-254). Im 17. Jahrhundert gingen niederländische Schiffe vor Spitzbergen in der Arktis auch auf Walfang. Die Trockenlegung spielte eine wichtige Rolle für die Entwicklung der niederländischen Landwirtschaft. Marschen, Sümpfe und tief liegende, häufig überschwemmte Gebiete eigneten sich in ihrem Naturzustand nicht für die Landwirtschaft. Im Mittelalter siedelten sich die Bauern auf Hügeln an, deren Umland sie in Polder verwandelten, indem sie Deiche zum Schutz vor Überschwemmungen bauten. Im Laufe der Jahre wuchsen die Fertigkeiten der Holländer im Wasserbau, und damit konnten große Flächen an Neuland gewonnen werden. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurden Fachleute mit Wasserwirtschaft und Wasserbau betraut, die für die Entwicklung und Wartung der erforderlichen Anlagen zuständig waren. Die bäuerlichen Gemeinden erhoben Steuern, um die Wasserbauräte mit Mitteln auszustatten. Windmühlen trieben Pumpen an, mit denen der Wasserstand in den Kanälen reguliert wurde. Wie de Vries (1974, S. 27) bemerkte, war das Holland des 14. Jahrhunderts in weiten Teilen ein neu geschaffenes Land. Nur in Deutschland lassen sich östlich der Elbe andere Beispiele für eine derart systematisch und auf so großer Fläche betriebene Landgewinnung finden. Diese Bezwingung der Natur hatte wichtige soziale Konsequenzen. Nur ein kleiner Teil der holländischen Bevölkerung hatte die Fron der Feudalzeit zu erdulden. Die Bauern waren freier als irgendwo sonst in Europa. Einige besaßen selbst Land, die meisten waren jedoch Pächter oder arbeiteten gegen Lohn. Die Abhängigkeit von der Wasserwirtschaft schuf eine solidarische Einstellung, die sich noch heute in der niederländischen Gesellschaft beobachten lässt. Die niederländische Landwirtschaft erreichte einen hohen Grad der Spezialisierung. Ein Großteil des Getreidebedarfs wurde durch Einfuhren gedeckt, und die heimische Produktion konzentrierte sich vor allem auf Fleisch, Milch, Butter und Käse. Zwei Wirtschaftsformen waren stärker entwickelt als in anderen Teilen Europas: zum einen die Stallhaltung der Tiere während der Wintermonate und zum anderen der Gemüseanbau. Mit der Zeit wurde der Schwerpunkt zunehmend auf landwirtschaftliche Erzeugnisse gelegt, die in der Industrie Verwendung fanden: Hopfen für die Bierherstellung, Flachs, Hanf und Färberröte für die Textilindustrie, und später Tabak und Tulpenzwiebeln. Nach und nach kam es zu einer Umstellung von der landwirtschaftlichen Erzeugung auf die Blumenzucht. Weite Teile der nördlichen Niederlande waren mit mehrere Meter tiefen Torfschichten bedeckt, die als billige Energiequelle für vielerlei Zwecke genutzt werden konnten. Nach 1600 wurden rund 275 000 ha Torfmoor abgetragen. Die auf dem Gebiet der Landgewinnung, Entwässerung und des Pumpenbaus vorhandenen Ingenieurkenntnisse ließen sich leicht auf die Torfwirtschaft übertragen. Im Gebiet von Groningen gründeten städtische Investoren Firmen, die den Torfabbau auf dem beschlagnahmten Landbesitz der Klöster in großem Rahmen betrieben. Der Transport von Torf, Heu, Weizen, Vieh, Holz, Baumaterial und sonstigen schweren Gütern wurde ab Mitte des 17. Jahrhunderts dank der Schaffung eines ausgedehnten, von Treidelpfaden gesäumten Kanalnetzes wesentlich billiger. Die von Pferden gezogenen Schleppkähne transportierten Fracht, Post und Passagiere. Sie verkehrten nach Fahrplan in kurzen Abständen zwischen fast allen Teilen des Landes und fuhren Tag und Nacht mit einer Geschwindigkeit von ca. 7 km/h. In den 88 Entwicklung des Abendlands und Auswirkungen auf die übrige Welt sechziger Jahren des 17. Jahrhunderts wurden pro Jahr auf der Strecke zwischen Amsterdam und Haarlem fast 300 000 Fahrgäste befördert, 140 000 zwischen Haarlem und Leiden und rund 200 000 zwischen Leiden und den Nachbarstädten Den Haag und Delft (de Vries und van der Woude, 1997, S. 187). Kein anderes Land besaß ein so billiges und so dichtes Verkehrsnetz. Der Transport auf dem Landweg in Lastkarren war wesentlich langsamer und teurer. Hierzu eine Bemerkung von Sir William Temple (1693) S. 152: „Ein Pferd kann mit einem Boot mehr transportieren als 50 Pferde mit einem Karren – und durch diese bequeme Art des Reisens verliert ein fleißiger Mann keine Zeit bei seinen Geschäften, denn er kann schreiben, essen oder schlafen, während er sich fortbewegt.“ Die wichtigsten Wirtschaftszweige der niederländischen Provinzen zum Zeitpunkt der Unabhängigkeit waren der Schiffbau, die Segelmacherei, die Fischernetzflechterei, die Seilerei, die Böttcherei und verwandte Handwerke, die Salzgewinnung, die Bierbrauerei, die Ziegel- und Bauholzherstellung sowie die Tuch- und Leinenindustrie, die einen beträchtlichen Umfang hatte. Die Begleitumstände der Teilung der Niederlande hatten äußerst positive Konsequenzen für das Wirtschaftspotential der neuen Republik, während sie den wirtschaftlichen Interessen Portugals, Spaniens und der Spanischen Niederlande schadeten. Während des Kampfs gegen die spanische Herrschaft war es sowohl in den südlichen wie den nördlichen Provinzen zu Repression und Widerstand gekommen. Die Inquisition hatte 1523 mit der Hinrichtung zweier andersdenkender Geistlicher auf dem Scheiterhaufen in Brüssel begonnen. Im Verlauf der folgenden 50 Jahre erlitten mehr als 2 000 Personen dasselbe Schicksal, viele davon aus dem Südteil der Niederlande. Der Statthalter der Provinz Flandern, Graf von Egmont – ein Katholik, der sich in der spanischen Armee ausgezeichnet hatte –, wurde 1567 hingerichtet, weil er sich gegen die spanischen Steuerforderungen und die Beschneidung der politischen Rechte des Adels der Südprovinzen aufgelehnt hatte. Mecheln wurde 1572 von spanischen Truppen geplündert, ein Teil der Bevölkerung wurde grausam niedergemetzelt. Antwerpen hatte 1576 zahlreiche Tote und schwere Sachschäden zu beklagen, als spanische Söldner plündernd durch die Straßen zogen. Noch größer waren jedoch die Verluste, die Antwerpen während der spanischen Belagerung in den Jahren 1583-1585 erlitt. Diese Ereignisse lösten eine gewaltige Migrationswelle von Flandern und Brabant in die neue Republik aus. Zwischen 1583 und 1589 sank die Einwohnerzahl von Antwerpen von 84 000 auf 42 000. In Brügge und Gent nahm der Exodus der Flüchtlinge ähnliche Proportionen an. Die Einwohnerzahl von Mecheln schrumpfte um zwei Drittel. In der Republik war die umgekehrte Entwicklung zu beobachten: Die Einwohnerzahl von Middelburg verdreifachte, die von Leiden verdoppelte sich. Nicht weniger als 30 000 Flüchtlinge strömten nach Amsterdam (vgl. Israel, 1995, S. 307-312). Insgesamt siedelten etwa 150 000 Einwohner der südlichen Provinzen – über 10% der dortigen Bevölkerung – in die Republik über, was einen prozentual noch stärkeren Zuwachs für die nördlichen Provinzen darstellte. Da in den nördlichen Provinzen große Mengen an Getreide und Fisch angelandet wurden, die nun nicht mehr in den Süden weitergeleitet werden mussten, konnte der mit dem Bevölkerungszuwachs verbundene höhere Nahrungsmittelbedarf problemlos gedeckt werden. Die Beschlagnahme von klösterlichen Ländereien erleichterte die Unterbringung der Umsiedler. Unter den Flüchtlingen befand sich auch ein großer Teil der Angehörigen der südniederländischen Kaufmanns- und Bankiersschicht (obwohl einige davon später nach Deutschland gingen). Sie brachten Kapital, Fachkenntnisse und internationale Kontakte mit. Nahezu die gesamte jüdische Bevölkerung siedelte in den Norden über. Die Einwanderung qualifizierter Arbeitskräfte kam insbesondere der Leidener Textilindustrie zugute. Auch auf anderen Gebieten bewanderte Arbeitskräfte, z.B. in der Buchdruckerei, dem Verlagswesen und der Zuckerraffinerie, stärkten die Wirtschaft der Nordprovinzen. Vor der Teilung gab es in den Niederlanden nur die 1425 gegründete Universität von 89 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Löwen, eine der größten und angesehensten Hochschulen Europas, an der die Freiheit der Lehre jedoch durch die Inquisition stark beschnitten war. 1575 wurde im Norden die Universität von Leiden gegründet; es folgten Franeker (1585), Harderwijk (1600), Groningen (1614) und Utrecht (1634). Die Universität von Leiden war die größte und zählte mehrere Fakultäten. An ihr wurde im Geist des Humanismus nach dem Vorbild des Erasmus von Rotterdam gelehrt. Bald schon lockte ihr Ruf zusätzlich zu den Flüchtlingen aus den südlichen Provinzen auch zahlreiche Studenten aus dem Ausland, aus Deutschland, England und Skandinavien an. Mit der veränderten politischen Lage eröffneten sich der niederländischen Schifffahrt Möglichkeiten für eine weltweite Expansion, die zu Lasten Portugals und Spaniens ging. Im letzten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts begannen die Niederländer, in den Asienhandel vorzudringen, und starteten die ersten Fahrten um das Kap in den Indischen Ozean, auf die „Gewürzinseln“ (Molukken) und entlang der Westroute durch die Magellanstraße nach Japan. Barents suchte 1596-1597 nach einer nordöstlichen Durchfahrt über Archangelsk und Nowaja Semlja, scheitere jedoch bei diesem Vorhaben. Hudson entdeckte 1609 New York auf der Suche nach einer Nordwestpassage. Innerhalb eines Zeitraums von 30 Jahren gelang es den Niederländern, Portugal als wichtigste europäische Handelsmacht in Asien zu verdrängen. In Westafrika konnten sie portugiesische Stützpunkte erobern und so einen großen Teil des Gold- und Sklavenhandels in ihre Hand bringen. In Amerika forderten sie die Spanier heraus. Von 1630 bis 1654 (als Portugal unter spanischer Herrschaft stand) hielten sie den Nordosten Brasiliens besetzt, womit sie sich die reichen Erträge aus der dortigen Zuckerindustrie sicherten. Später verlegten sie ihren Stützpunkt in die Karibik (Curaçao und Suriname). Auch auf dem Gebiet der Seeräuberei machten sich die Niederländer einen Namen. Den größten Coup landete Piet Heijn, der 1628 vor Kuba die gesamte spanische Silberflotte erbeutete. Von 1585 bis 1795 verhängten die Holländer eine erfolgreiche Blockade über die Scheldemündung, um ihre militärischen und maritimen Interessen zu verteidigen und sich wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen. Sie besiegelten damit den Niedergang der Hafenstadt Antwerpen und engten zugleich die wirtschaftlichen Möglichkeiten der spanischen Niederlande stark ein. Im Laufe des 17. Jahrhunderts wurde das militärische Potential der Spanier deutlich geschwächt. Die Holländer hatten jedoch kein Interesse daran, die südlichen Niederlande zu erobern, die einen nützlichen Puffer gegen territoriale Ambitionen der Franzosen darstellten. Während des gesamten 17. Jahrhunderts und über weite Strecken des 18. Jahrhunderts haben britische Nationalökonomen die Überlegenheit der holländischen Wirtschaft und Politik anerkannt. William Petty lieferte in seinem bahnbrechenden Werk über die Politische Arithmetik, das 1676 geschrieben und 1690 veröffentlicht wurde, vielleicht die genaueste Beurteilung. Er wies darin nach, dass ein kleines Land mit weniger Menschen ebenso wohlhabend und mächtig sein kann wie ein sehr viel größeres und bevölkerungsreiches Land. Mit seiner vergleichenden Untersuchung der niederländischen und französischen Wirtschaftsleistung leitete Petty einen Denkprozess ein, der später von Adam Smith und Douglass North weiter verfolgt werden sollte. Die Einwohnerzahl Frankreichs entsprach in der damaligen Zeit mehr als dem Zehnfachen der holländischen, und doch war die Handelsflotte der Vereinigten Niederlande seinen Schätzungen zufolge neunmal so groß wie die der Franzosen, belief sich ihr Außenhandelsvolumen auf das Vierfache, waren ihre Zinssätze nur etwa halb so hoch und verfügten sie über einen beträchtlichen Auslandsbesitz, im Vergleich zu dem der Auslandsbesitz Frankreichs verschwindend gering war. Die Wirtschaft der Niederlande war stark spezialisiert; ein Großteil ihres Nahrungsmittelbedarfs wurde durch Importe gedeckt, für die Kriege wurden Söldner angeworben, und ihre Arbeitskräfte konzentrierten sich auf Sektoren mit hoher Produktivität. Das flache Land ermöglichte eine intensive Nutzung der Windkraft. Auf Grund der hohen städtischen Siedlungsdichte und der gut ausgebauten Häfen und Binnenwasserstraßen reduzierten sich die Transport- und Infrastrukturkosten, wurden die staatlichen Dienstleistungen preisgünstiger und konnten die Lagerbestände gering gehalten werden. Die holländischen Institutionen waren dem Wirtschafts90 Entwicklung des Abendlands und Auswirkungen auf die übrige Welt Tabelle 2.18a Beteiligung der Niederlande an militärischen Auseinandersetzungen in Europa, sechziger Jahre des 16. Jahrhunderts bis 1815 Kriege mit Spanien zur Erlangung und Behauptung der Unabhängigkeit Handelskriege mit England Kriege um das europäische Mächtegleichgewicht, Territorial- und Religionskriege 60er Jahre des 16. Jh. bis 1609 1621-1648 1652-1654 1665-1667 1672-1674 1780-1783 1618-1648: Dreißigjähriger Krieg 1688-1697: Krieg der Augsburger Allianz 1701-1713: Spanischer Erbfolgekrieg 1756-1763: Siebenjähriger Krieg 1795-1815: Revolutions- und napoleon. Kriege Quelle: Israel (1989 und 1995). Tabelle 2.18b Größe der europäischen Armeen, 1470-1814 (in Tausend) Frankreich Spanien Niederlande Vereinigtes Königreich Schweden Russland 40 50 80 150 100 120 400 600 20 150 200 300 100 70 50 0 0 20 50 29 110 100 25 20 30 n.v. 70 15 87 250 n.v. n.v. 15 45 70 63 100 n.v. n.v. n.v. 35 n.v. 130 170 500 70er Jahre d. 15. Jh. 50er Jahre d. 16. Jh. 90er Jahre d. 16. Jh. 30er Jahre d. 17. Jh. 50er Jahre d. 17. Jh. 70er Jahre d. 17. Jh. 1700-1710 1812-1814 Quelle: 70er Jahre des 15. Jh. bis 1710 aus Parker (1979), S. 96; außer für die Niederlande in den 50er Jahren des 17. Jh., wo die Zahlenangabe Israel (1998), S. 602, entnommen ist, sowie für das Vereinigte Königreich in den 70er Jahren des 17. Jh. und dem Zeitraum 1812-1814, wo sich die Angaben auf Brewer (1989), S. 8, bzw. Kennedy (1987), S. 99, stützen. Tabelle 2.19 Niederländischer Warenhandel, 1650er bis 1770er Jahre (in Mio. jeweiligen Gulden) 50er Jahre des 17. Jh. 20er Jahre des 18. Jh. 70er Jahre des 18. Jh. Einfuhren Waren europäischen Ursprungs Sonstige Insgesamt 125 15 140 84 24 108 105a 38 143 Ausfuhren und Wiederausfuhrenb Für Europa bestimmte Waren Sonstige Insgesamt davon: Wiederausfuhren a) b) 115 5 120 60 83 7 90 48 92 8 100 69 Einschl. von England (5 Mio.) und Frankreich (20 Mio.) wiederausgeführte Kolonialerzeugnisse. Ohne Exporte von Sklaven und Schiffen, Einnahmen aus Schifffahrt und Versicherungsgeschäft sowie Einnahmen aus Auslandskrediten. Quelle: De Vries und van der Woude (1997), S. 498. 91 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive wachstum förderlich. Die religiöse Toleranz lockte qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland an. Die Eigentumsrechte waren klar geregelt, und Eigentumsübertragungen wurden durch die Einrichtung von Katastern erleichtert. Ein effizientes Rechtssystem und ein solides Bankwesen förderten das Unternehmertum. Die Steuern waren hoch, doch wurden sie weniger auf das Einkommen als auf die Ausgaben bezogen. Auf diese Weise wurden Sparsamkeit, Genügsamkeit und Arbeitseifer belohnt. Die Holländer waren daher ein Musterbeispiel wirtschaftlicher Effizienz, an dem sich die britische Politik in der Folgezeit eindeutig orientiert hat. Analog dazu erstellte Gregory King (1696) eine vergleichende Untersuchung über die in England, Frankreich und den Niederlanden für den Krieg der Augsburger Allianz mobilisierten Ressourcen. Dem niederländischen Statthalter und König von England Wilhelm III. war es in diesem neun Jahre langen Konflikt gelungen, das Vereinigte Königreich, die Niederlande, die protestantischen Gebiete Deutschlands, Spanien und Savoyen gegen Frankreich zu verbünden, das ihm seinen Anspruch auf den englischen Thron streitig gemacht und die Nachbarländer durch Eroberungsversuche gegen sich aufgebracht hatte. King errechnete, dass die Steuereinnahmen pro Einwohner in Frankreich und England 1695 in etwa vergleichbar, in den Niederlanden jedoch über zweieinhalbmal so hoch waren. Die Behauptung ihrer Unabhängigkeit war für die Niederlande mit hohen Kosten verbunden. Sowohl an der Süd- wie auch an der Ostgrenze, wo den Niederländern Gefahren von Seiten der katholischen Gebiete Deutschlands – insbesondere dem Bistum Münster – drohten, musste eine Festungskette errichtet werden. Die Ausgaben für die Armee und die Kriegsschiffe waren hoch. Es musste eine Rüstungsindustrie aufgebaut werden. Die Niederländer waren in eine Reihe von Kriegen verstrickt, in denen sie im 17. und 18. Jahrhundert vor allem England und Frankreich gegenüberstanden. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts verlangsamte sich das niederländische Wirtschaftswachstum. Statt selbst aus ihr Nutzen zu ziehen, wurden die Niederlande zu einem Opfer der in der Ära des Handelskapitalismus verfolgten Beggar-your-Neighbour-Politik. Schifffahrt, Handel und Industrie wuchsen in England und Frankreich wesentlich schneller als in den Niederlanden. Beide Länder verfolgten eine protektionistische Politik, die den holländischen Interessen schadete. Am schwersten fielen in diesem Zusammenhang die britischen Navigationsakte und ähnliche von Frankreich erlassene Gesetze ins Gewicht. Ab 1651 hatten die niederländischen Schiffe und Schiffsexporte nur noch begrenzt Zugang zu den britischen Häfen; der Handel mit den britischen und französischen Kolonien war ihnen gänzlich verwehrt. Als Frankreich und England gegen die Niederlande ins Feld zogen, taten sie dies mit der geballten Energie moderner Nationalstaaten – ganz anders als seinerzeit Spanien, das seine Kraft nicht auf einen Punkt zu konzentrieren gewusst hatte. Der Hauptgrund für die schwindende Dynamik der Niederlande im 18. Jahrhundert war die Zerschlagung der holländischen Handelsmonopole in den Kriegen gegen Frankreich und Großbritannien, in deren Folge die Niederländer auf die Zuschauerplätze verwiesen wurden. Als die niederländische Wirtschaft nicht mehr in der Lage war, ausländische Arbeitskräfte anzuziehen, ließ auch das Bevölkerungswachstum nach. Im industrialisierten Westen der Niederlande kam es zu Stagnation, während die stark von der Landwirtschaft geprägte Provinz Overijssel ein kräftiges Wachstum verzeichnete. Die landwirtschaftliche Produktion nahm zu, die Importe gingen zurück und die Agrarexporte stiegen. Die Produktion und Ausfuhr von Textilien (vor allem in der Leidener Wollindustrie), die Fischerei und der Schiffbau verloren an Bedeutung. Das Außenhandelsvolumen sank zwischen 1720 und 1820 um 20%. Im gleichen Zeitraum konnte Großbritannien sein Ausfuhrvolumen mehr als versiebenfachen und Frankreich seine Exporte nahezu verdreifachen. Die niederländische Dienstleistungsindustrie spielte weiterhin eine wichtige Rolle in der Wirtschaft, und die Auslandsinvestitionen nahmen erheblich zu. 1790 beliefen sich die gesamten Auslandsinvestitionen vermutlich auf 800 Mio. Gulden – zu einer Zeit, als das Volkseinkommen rund 92 Entwicklung des Abendlands und Auswirkungen auf die übrige Welt 440 Millionen betrug. Geht man davon aus, dass die Auslandsinvestitionen damals eine Rendite von rund 4% brachten, so dürfte sich das Auslandseinkommen auf etwa 30 Mio. Gulden belaufen haben, womit sich ein um rd. 8% höheres Nationaleinkommen ergibt als auf Grund des Inlandsprodukts. Mit den steigenden Einkommen der Rentiers sowie der Verarmung und Arbeitslosigkeit in den alten Industrieregionen verschärften sich die sozialen Ungleichheiten. Niederländische Wirtschaftstätigkeit im außereuropäischen Raum a) Afrika In Afrika ging es den Niederländern darum, sich Zugang zu den Goldvorkommen der guineischen Küste zu verschaffen, am Sklavenhandel mit Amerika teilzunehmen und einen Stützpunkt für ihre Asienexpeditionen aufzubauen. Es gelang ihnen 1637, Elmina sowie mehrere andere portugiesische Stützpunkte für den Goldund Sklavenhandel in Westafrika zu erobern. Sie konnten auch vorübergehend in Angola, dem Hauptstützpunkt des portugiesischen Sklavenhandels, Fuß fassen, mussten ihre Position dort jedoch wieder aufgeben. Der Versuch der Eroberung Mosambiks (Ostafrika) scheiterte ebenfalls. In Südafrika, am Kap der Guten Hoffnung, konnten die Niederländer dafür einen neuen Stützpunkt errichten, den sie durch die Ansiedlung europäischer Auswanderer als Zwischenstation und Versorgungsbasis für ihre Asienreisen ausbauten. Den größten ökonomischen Nutzen brachte die Teilnahme am Sklavenhandel. Zum Teil wurden die Sklaven nach Nordostbrasilien und Suriname verschickt, um auf den holländischen Zuckerplantagen zu arbeiten; andere wurden nach Curaçao gebracht und dort an britische oder französische Zuckerplantagenbesitzer verkauft. Insgesamt spielten die Niederlande im Sklavenhandel jedoch eine wesentlich geringere Rolle als Portugal, England und Frankreich (vgl. Tabelle 2.5). b) Amerika Die erste große Aktion der Niederländer auf dem amerikanischen Kontinent war die Eroberung der Zuckeranbauregion um Recife im Nordosten Brasiliens, die sie von 1630 bis 1654 halten konnten. Der brasilianische Zucker wurde zur Weiterverarbeitung in die Niederlande gebracht, wo es gegen Mitte des 17. Jahrhunderts 40 Zuckerraffinerien gab. Die Brasilienexpedition erhielt starke Unterstützung durch Militär und Marine, die Zuckerplantagen wurden allerdings von Privatunternehmen geleitet. Die meisten befanden sich im Besitz von Sepharadim-Juden aus Amsterdam, von denen viele portugiesischer Abstammung waren. In der Zeit, als Portugal unter spanischer Herrschaft stand, wurden die Holländer in Brasilien relativ gut aufgenommen. Nachdem Portugal seine Unabhängigkeit wiedererlangt hatte, wurden sie jedoch vertrieben. Viele Plantagenbesitzer siedelten anschließend in die Karibik über, wo sie die gleichen Anbautechniken und Verkaufsmethoden einführten wie in Brasilien. Durch ihre Ankunft erfuhr die Wirtschaft von Barbados einen Wandel. Auf der 1627 von den Briten besetzten Insel hatten weiße Siedler zuvor Tabak angebaut. Innerhalb kurzer Zeit kamen 30 000 Sklaven auf die Insel, die inzwischen ganz auf den Zuckerrohranbau umgestellt war (vgl. Elis, 1995, wegen einer ungefähren Schätzung des BIP von Barbados im Zeitraum 1644-1701). Auf Guadeloupe und Martinique, die seit 1635 zu Frankreich gehörten, lösten die aus Brasilien eingewanderten Plantagenbesitzer ähnliche Veränderungen aus (vgl. Verlinden, 1972, S. 642-644). In den sechziger und siebziger Jahren des 17. Jahrhunderts gelang es den Briten und Franzosen, die Niederländer zu vertreiben, die ihr Zuckergeschäft daraufhin nach Suriname verlegten. 93 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Im frühen 17. Jahrhundert konzentrierte sich der Zuckerrohranbau im amerikanischen Raum auf Brasilien. Ab Mitte des Jahrhunderts begann die dortige Produktion jedoch zu stagnieren, während Frankreich und Großbritannien nunmehr den Markt beherrschten, der sich enorm vergrößert hatte. Die niederländische Produktion auf Suriname erreichte einen wesentlich geringeren Umfang (vgl. Tabelle 2.4). Eine weitere Unternehmung der Niederländer auf dem amerikanischen Kontinent war die zufällige Entdeckung eines prachtvollen natürlichen Hafens und eines großen Flusses durch Henry Hudson im Jahre 1609. Der englische Seefahrer im Dienst der niederländischen Ostindien-Kompanie hätte eigentlich die Nordwestdurchfahrt nach Asien erkunden sollen, war jedoch weit vom Kurs abgekommen. 1614 wurde die Neuniederländische Kompanie gegründet, um dort eine Kolonie zu errichten, deren Hauptstadt Neuamsterdam (1623) heißen sollte. 1664 wurde sie von den Briten erobert und 1674 – unter dem Namen New York – offiziell an sie abgetreten. Im Gegenzug erhielten die Holländer freie Hand für ihre Zuckergeschäfte in Suriname (de Vries und van der Woude, 1997, S. 397 und 467). c) Asien Die größten Erfolge außerhalb Europas konnten die Niederländer in Asien verzeichnen. Die Niederländer waren äußerst gut über die Handelsmöglichkeiten in Asien informiert, da viele von ihnen auf portugiesischen Schiffen gearbeitet hatten. Einer dieser holländischen Seefahrer, Jan Huygen van Linschoten, verfasste 1595 und 1596 zwei Reisejournale, die detaillierte Karten sowie Informationen über Märkte, Winde und mögliche Fahrtrouten enthielten. 1602 mussten sich sämtliche in Asien tätigen Kaufleute auf staatlichen Druck der niederländischen Ostindien-Kompanie (Vereenigde Oost-Indische Compagnie) anschließen, die Monopolrechte für den Asienhandel und die Befugnis erhielt, militärische Stützpunkte einzurichten und mit ausländischen Herrschern zu verhandeln. Die Kompanie war Eigentümer aller ihrer Schiffe, die sie auch selbst baute. Das Volumen des niederländischen Asienhandels im europäischen Vergleich ist aus Tabelle 2.6 ersichtlich. Im 17. Jahrhundert entsandten die Niederländer fast fünfmal so viele Schiffe wie die Portugiesen und im 18. Jahrhundert 15-mal so viele. Ihre Schiffe waren im Durchschnitt kleiner als die der Portugiesen, die große galeonenartige Kaufmannsschiffe von 1000 Tonnen einsetzten (während im Durchschnitt die niederländischen Schiffe 600 Tonnen fassten). Eine gefährlichere Konkurrenz als die Portugiesen stellte für die Niederländer die britische Ostindien-Kompanie (East India Company) dar. Die Briten erschlossen den Asienhandel etwa zur gleichen Zeit wie die Niederländer. Ihre Hauptstützpunkte befanden sich in Indien: in den von ihnen gegründeten Städten Madras (1639) und Kalkutta (Ende 17. Jahrhundert) und in Bombay, das anlässlich der Hochzeit Karl II. 1661 von Portugal an England abgetreten wurde. Das Handelsvolumen der britischen Ostindien-Kompanie belief sich im 17. Jahrhundert auf etwa die Hälfte und im 18. Jahrhundert auf rund zwei Drittel des Volumens der niederländischen Ostindien-Kompanie. Die Franzosen nahmen den Asienhandel mit der Gründung der Compagnie des Indes Orientales durch Colbert im Jahre 1664 auf. 1673 errichteten sie einen Stützpunkt in Pondicherry an der Koromandelküste. Im 18. Jahrhundert gelang es einer neuen, seit 1719 bestehenden französischen Handelskompanie, eine wichtige Stellung im Asienhandel zu erobern. Später kamen Kompanien aus Dänemark und Schweden hinzu. Zwischen 1715 und 1732 war auch die Ostende-Kompanie tätig, deren Schiffe von dem neuen Hafen aus in See stachen, den die österreichische Verwaltung im Südteil der Niederlande eingerichtet hatte. Das Gesamtvolumen des europäischen Handels in Asien war im 18. Jahrhundert etwa neunmal so hoch wie im 17. Jahrhundert. Der Absatzmarkt der traditionellen Ausfuhrgüter Pfeffer und Gewürze war jedoch begrenzt. Da die Niederländer stärker in diesem Geschäft engagiert waren als die Briten, Franzosen und andere später hinzugekommene Nationen, mussten sie darauf achten, dass das Angebot 94 Entwicklung des Abendlands und Auswirkungen auf die übrige Welt nicht zu stark zunahm, um Preiseinbrüche zu verhindern. Die Chancen für neue Exporte nach Europa – Baumwollstoffe aller Art, Kaffee und Tee – waren wesentlich vielversprechender, und der Anteil dieser Produkte am Handel stieg für alle Markteilnehmer rasch an (vgl. Tabelle 2.20). Die niederländische Ostindien-Kompanie verfolgte ursprünglich die Absicht, die Portugiesen dadurch zu umgehen, dass sie eine neue Route befuhr, die um das Kap der Guten Hoffnung direkt nach Indonesien führte, d.h. auf die Molukken, wo die wertvollsten Gewürzpflanzen (Nelken, Muskatnuss, Macis) wuchsen. In Indonesien war es für sie auch leichter als in Indien, an Pfeffer heranzukommen. Die einheimischen Fürsten des indonesischen Archipels waren schwächer als jene in Indien, Persien, China und Japan, so dass sie schneller dem Druck der Niederländer nachgaben, die ihnen Handelsmonopole und niedrige Preise abzuringen suchten. 1627 richtete die niederländische Ostindien-Kompanie ihr Hauptquartier an der javanischen Küste in Batavia, dem heutigen Jakarta, ein. 1603 vertrieben die Niederländer die Portugiesen aus Ternate und 1641 zerstörten sie deren Stützpunkt auf Malakka. Die moslemischen Kaufleute, die zuvor an der javanischen Küste Handel getrieben hatten, wurden ebenfalls vertrieben. Tabelle 2.20 Warenmäßige Zusammensetzung der europäischen Exporte von Asien nach Europa, 1513-1780 Portugal (Estado da India – Staatshandel, Hauptkontor Goa) (in % nach Gewicht) 1513-1519 Pfeffer Molukkische Gewürze Sonstige Gewürze Stoffe Indigo Sonstige 1608-1610 80.0 9.0 9.4 0.2 0.0 1.4 69.0 0.03 10.9 7.8 7.7 4.6 Niederländische Ostindien-Kompanie (Monopolunternehmen, Hauptkontor Batavia) (in % nach Wert) 1619-1621 Pfeffer Sonstige Gewürze Stoffe, Rohseide Kaffee, Tee Sonstige 56.4 17.6 16.1 0.0 9.9 1778-1780 11.0 24.4 32.7 22.9 9.0 Britische Ostindien-Kompanie (Monopolunternehmen, Hauptkontore Bombay, Kalkutta und Madras) (in % nach Wert) 1668-1670 Pfeffer Stoffe Rohseide Tee Sonstige Quelle: 25.3 56.6 0.6 0.03 17.5 Prakash (1998), S. 36, 115 und 120. 95 1758-1760 4.4 53.5 12.3 25.3 4.5 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Die einheimische Bevölkerung der Molukken erhob sich 1621 gegen die Niederländer, die den Aufstand blutig niederschlugen und die Überlebenden deportierten. An ihre Stelle traten holländische Siedler, die Sklaven für sich arbeiten ließen. Zur Finanzierung der Geschäfte in Indonesien errichtete die niederländische Ostindien-Kompanie ein Handelskontor in Masulipatnam an der indischen Ostküste (Koromandel). Sie erhielt dort das Agrément des Sultans von Golkonda, der ihr Handelsprivilegien gewährte. Das Hauptinteresse der Kompanie galt Baumwollstoffen, insbesondere bemaltem Chintz, der in Indonesien stark nachgefragt wurde. In der Folgezeit verlagerten sich die Aktivitäten der niederländischen Ostindien-Kompanie weiter nach Süden, weshalb sie 1690 ihr Kontor nach Negapatam verlegte, wo sie die Stoffe billiger beziehen konnte. 1617 wurde der niederländischen Ostindien-Kompanie vom Mogulreich die Erlaubnis erteilt, ein Kontor in Surat, im nordwestindischen Gujarat, einzurichten, womit sie den Portugiesen in dieser Region die Geschäftsgrundlagen entzog. Sie konnte dort Pfeffer und Gewürze gegen grobe Baumwollstoffe tauschen, die wiederum als Tauschgut im afrikanischen Sklavenhandel Verwendung fanden. Im späteren 17. Jahrhundert versuchten die Niederländer, die Portugiesen aus ihren Stützpunkten in Goa und Ceylon zu vertreiben. Sie verhängten eine Blockade über Goa, doch es gelang ihnen nicht, die Provinz in ihren Besitz zu bringen. Sie konnten aber Jaffna in Ceylon erobern und so die Stellung der Portugiesen im Zimthandel und als Herrscher über die Insel übernehmen. Die Niederländer behinderten auch den portugiesischen Handel an der Malabarküste, verfolgten in dieser Region jedoch keine wichtigen Geschäftsinteressen. Bereits früh wurde der Versuch unternommen, Handelsverbindungen mit China und Japan anzuknüpfen, was Portugal seinerzeit große Gewinne eingebracht hatte. Anders als die Portugiesen waren die Niederländer von keinerlei missionarischem Eifer beseelt, weshalb sie die einzigen Europäer waren, die zwischen 1639 und 1853 in Japan Handel treiben durften. Ab 1641 war diese Erlaubnis jedoch auf eine sehr kleine Insel (Deshima) im Hafen von Nagasaki beschränkt. Der Japanhandel war für die Niederländer nur wenige Jahrzehnte rentabel, da die Japaner später den Export von Edelmetallen verboten und darauf bestanden, selbst die Preise festzusetzen, zu denen die Holländer ihre Waren verkaufen konnten. In Japan konnte nicht die Rede davon sein, dass die Holländer die einheimische Bevölkerung ausbeuteten. Es waren vielmehr die Japaner, die die Holländer benutzten, um sich Informationen über westliche Techniken zu verschaffen (vgl. Anhang B). Der niederländischen Ostindien-Kompanie gelang es nicht, die Portugiesen aus Macau zu vertreiben. In den zwanziger Jahren des 17. Jahrhunderts eröffnete sie ein Kontor auf den Pescadoresinseln, 1624 konnte sie nach Formosa übersiedeln. 1662 mussten die Niederländer die Insel jedoch aufgeben, und sie schafften es auch nie wieder, einen anderen Stützpunkt in China zu erobern. Gegen Mitte des 17. Jahrhunderts brach die Ming-Dynastie zusammen. Die für ihre Porzellan- und Keramikherstellung berühmte Stadt Ching-te-Chen wurde verwüstet, und die chinesischen Porzellanexporte mussten bis in die achtziger Jahre des Jahrhunderts unterbrochen werden. Dies veranlasste die Holländer dazu, in Delft eine eigene Fayencenindustrie aufzubauen, um dort preisgünstige Nachahmungen des chinesischen Blauweißporzellans herzustellen. Zur gleichen Zeit begannen auch die Japaner, als Ersatz für die ausbleibenden chinesischen Importe Porzellan herzustellen, so dass die Niederländer bald auch Nachahmungen der japanischen Kopien fertigten. Die europäischen Porzellanmanufakturen in Sèvres und Meißen nahmen den Betrieb erst später auf. In den dreißiger Jahren des 17. Jahrhunderts machte die niederländische Ostindien-Kompanie Bengalen zum Zentrum ihrer Geschäftsaktivitäten, da dort eine Vielzahl hochwertiger Stoffe – Baumwolle und Seide – erhältlich war. Die Niederländer traten in Bengalen in die Fußstapfen der Portugiesen, die 1632 von den Mogulherrschern aus Hugli vertrieben worden waren. 96 Entwicklung des Abendlands und Auswirkungen auf die übrige Welt Zunächst konzentrierte sich die niederländische Ostindien-Kompanie auf den Export von bengalischer Rohseide und von Seidenbaumwollstoffen, die für den japanischen Markt bestimmt waren, sowie von Opium, das in Indonesien abgesetzt wurde. Im Gegenzug verkaufte sie Kupfer, Silber und Gold aus Japan in Bengalen. Der japanische Markt schrumpfte stark nach 1680, doch dafür stieg die europäische Nachfrage nach bengalischen Stoffen rapide. Zwischen 1680 und 1740 waren die bengalischen Stoffe der größte Posten unter den Exporten der Ostindien-Kompanie in die Niederlande (vgl. Prakash, 1998, S. 198 und 218). Feine Baumwollstoffe, Musselin, Seide und Meterware aus Mischgeweben entsprachen den neuen modischen Ansprüchen der Europäer, die mit den Einkommen gewachsen waren. Allerdings war es schwieriger, die Absatzchancen für diese Modeartikel abzuschätzen als für Rohseide oder Opium. Ab dem letzten Viertel des 17. Jahrhunderts waren auch die britischen und französischen Handelskompanien stark an den bengalischen Stoffen interessiert, die sie in noch größerem Umfang exportieren als die Niederländer. Allerdings verboten sowohl die Franzosen (1686) als auch die Briten (1700) den Import bedruckter oder handbemalter Baumwollstoffe, um ihre heimische Textilindustrie vor Konkurrenz zu schützen. Beide Länder importierten diese Stoffe jedoch weiterhin für die Wiederausfuhr (obwohl ein großer Teil davon nach England zurückgeschmuggelt wurde). Die Niederländer, die keine Vorkehrungen zum Schutz ihrer heimischen Textilindustrie trafen, konnten letztlich die Vermarktung eines Großteils der französischen und eines etwas geringeren Anteils der britischen Wiederausfuhren indischer Stoffe in Europa übernehmen (vgl. Tabelle 2.19). Zugleich kam es zu einem starken Anstieg der britischen Importe an weiß gebleichten Geweben aus Bengalen, die in England weiterverarbeitet wurden (vgl. Rothermund, 1999). Ab Mitte des 17. Jahrhunderts nahm die europäische Nachfrage nach Kaffee sehr stark zu. Das erste Londoner Kaffeehaus wurde 1652 eröffnet. In Frankreich erfreute sich das Getränk ab den sechziger Jahren und in den Niederlanden ab den siebziger Jahren des Jahrhunderts großer Beliebtheit. Die niederländische Ostindien-Kompanie begann Anfang des 18. Jahrhunderts, Kaffee in Mokka (Jemen) einzukaufen. Zwischen 1711 und 1720 stieg das Volumen der Kaffeeimporte aus Jemen von 300 Tonnen auf 875 Tonnen. Um das Geschäft weiter auszubauen, wurden jemenitische Kaffeesträucher nach Java gebracht und dort angepflanzt. Ende der zwanziger Jahre des 18. Jahrhunderts produzierte Java bereits rund 2 000 Tonnen Kaffee pro Jahr. Die niederländische Ostindien-Kompanie schrieb den javanischen Kleinherrschern Anbauquoten vor, so dass diese ihre Untertanen zwingen mussten, Kaffee zu pflanzen. Ab den dreißiger Jahren des 18. Jahrhunderts bekamen die javanischen Kaffeeplantagen Konkurrenz aus Suriname, wo Produktion und Export wesentlich schneller wuchsen (vgl. Bulbeck and Associates, 1998). Wenige Jahre später kam es zu einem sprunghaften Anstieg der Nachfrage nach Tee in Europa, vor allem in England und den Niederlanden. Die Chinesen hatten Kanton 1685 ausländischen Kaufleuten geöffnet. Die britischen Teeimporte stiegen zwischen 1669 und 1760 von rund 100 kg auf 28 000 Tonnen (vgl. Chaudhuri, 1978, S. 539). Die Niederländer bezogen den Großteil ihres Tees von chinesischen Dschunkenbesitzern, die Batavia belieferten. Im Jahre 1729 ging jedoch auch eine Direktlieferung von Kanton nach Amsterdam. Die britische Kompanie konnte ihre Teeeinkäufe in Kanton durch den Verkauf von Opium und Rohbaumwolle aus Bengalen finanzieren, während die Niederländer gezwungen waren, mit Goldbarren zu bezahlen (vgl. Glamann, 1981, S. 212-243). Der neue Geschmack, den die Europäer für Kaffee und Tee entwickelt hatten, ging mit einem entsprechenden Anstieg des Zuckerverbrauchs einher. Ein erheblicher Teil der Nachfrage nach Bier und Gin verlagerte sich sowohl in England wie auch in den Niederlanden auf Kaffee und Tee. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts hörte die niederländische Ostindien-Kompanie auf, ein profitables Unternehmen zu sein. Sie ging 1795 in Konkurs, nachdem sie über mehrere Jahrzehnte hinweg mehr Dividenden ausgezahlt als Gewinne eingenommen hatte. 97 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Einer der Gründe dafür war der Zerfall des Mogulreichs in Indien und die britische Machtübernahme in Bengalen (1757), in deren Folge die niederländische Ostindien-Kompanie wegen der Benachteiligung der niederländischen Kaufleute große Gewinneinbußen hinnehmen musste. Die Feindseligkeiten zwischen England und den Niederlanden im Zeitraum 1781-1784 (als die beiden Länder im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg unterschiedliche Seiten einnahmen) hatten erhebliche Auswirkungen auf die Situation in Asien. Der Ausbruch der napoleonischen Kriege führte schließlich in Indien, Malakka, Ceylon, Südafrika und vorübergehend auch in Indonesien zur völligen Einverleibung der niederländischen Interessen durch die Briten. Die napoleonischen Kriege setzten auch allen nennenswerten Beziehungen zwischen Frankreich und Indien ein Ende. Mitverantwortlich für die schwindenden Gewinne waren die sehr hohen Gemeinkosten, die der Kompanie durch die Anwerbung von Soldaten und Seeleuten entstanden, die zur Sicherung ihrer Herrschaft erforderlich waren, seit Java und Ceylon zu Territorialbesitzungen geworden waren. Die Angestellten der niederländischen Ostindien-Kompanie erhielten nur ein mageres Gehalt und neigten daher zunehmend dazu, die Schiffe der Kompanie für die Abwicklung privater Geschäfte zu nutzen. Es gab auch ein erhebliches Maß an Korruption in den Verwaltungen auf Java und Ceylon, wovon die Beamten, nicht jedoch die Aktionäre der Kompanie, profitierten. Hinzu kam, dass Batavia als Standort des Hauptkontors nicht mehr ideal war, da sich die Warenstruktur und damit auch die Umschlagzentren des Handels verlagert hatten. Nach 1815 wurde Indonesien eine Kolonie des neu gegründeten Königreichs der Vereinigten Niederlande. Der Anbau von Tropengewächsen für den Export wurde intensiviert. Unter der britischen Besatzung während der Kriegszeit waren Maßnahmen eingeführt worden, um die Verwaltung, die Eigentumsrechte und die Landbesteuerung nach westlichem Vorbild zu reformieren. Nach dem Aufstand unter der Führung von Prinz Diponegoro 1825-1830 wurde diese Politik aufgegeben. Die Niederländer verfolgten danach konsequent eine Politik der „dualen Verwaltung“, wobei sie an den angestammten Herrschern und überlieferten Gesetzen und Bräuchen als wichtigem Instrument für die Konsolidierung ihrer Machtstellung festhielten. Sie waren auch auf die Wahrung ihres Handelsmonopols bedacht, da der Großteil der Gewinne im Falle einer Marktöffnung an mächtige britische und amerikanische Kaufleute gegangen wäre. 1830 wurde der Cultuursteesel eingeführt. Die Niederländer machten damit ihre Ansprüche auf das Einkommen der lokalen Bevölkerung geltend und erhöhten ihre Abgabenforderungen: An die Stelle von Grundsteuern traten Zwangsablieferungen der Ernteerträge oder Arbeitsdienst. Zwischen 1816 und 1914 wurde die Bewegungsfreiheit der einheimischen und chinesischen Bevölkerung durch ein Residenzpflichtgesetz (pass-law) eingeschränkt, das auf die Stärkung der Arbeitsdisziplin und die Durchsetzung der ethnischen Apartheid abzielte. Ab den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts hatten die Niederländer bemerkenswerten Erfolg bei der Steigerung ihrer Einnahmen aus der indonesischen Kolonie. In der Zeit zwischen 1830 und 1870 ging die Hälfte der Einnahmen als Steuertribut aus dem Cultuursteesel direkt an die niederländische Regierung. Hinzu kamen die Einnahmen aus dem Transport der Exporterzeugnisse, auf den die in königlichem Besitz befindliche NHM-Schiffskompanie das Monopol hatte, sowie aus dem Verkauf von Monopolkonzessionen für den Opiumhandel. Die Regierung bestimmte über die Zuckerrohr- und Kaffeeproduktion, die meisten Tabakplantagen befanden sich jedoch in privater Hand. Günstlinge der Obrigkeit erhielten Zuschüsse für die Einrichtung von Zuckerraffinerien. Es boten sich zahlreiche Korruptionsmöglichkeiten innerhalb der holländischen Verwaltung unter den insgesamt 76 einheimischen Fürsten und den 34 000 javanesischen Dorfvorständen. 1844 wurde Indonesien eine fiktive Schuld in Höhe von 236 Mio. Gulden angelastet, mit der die Kosten der Tilgung der Schulden der niederländischen Ostindien-Kompanie und der Niederschlagung des Aufstands der Jahre 1825-1830 gedeckt werden sollten. 98 Entwicklung des Abendlands und Auswirkungen auf die übrige Welt Tabelle 2.21a „Punktion“ Indonesiens durch die Niederlande, 1698-1930 Indonesischer Exportüberschuss in % des indonesischen Nettoinlandsprodukts Indonesischer Exportüberschuss in % des niederländischen Nettoinlandsprodukts 0.7 0.9 7.4 7.6 10.3 1.1 1.7 5.5 8.7 8.9 1698-1700 1778-1780 1868-1872 1911-1915 1926-1930 Quelle: Maddison (1989b), S. 646-647. Vgl. van der Eng (1998) wegen eines Kommentars zu diesen Schätzungen. Tabelle 2.21b „Punktion“ Indiens durch England, 1868-1930 Indischer Exportüberschuss in % des indischen Nettoinlandsprodukts Indischer Exportüberschuss in % des britischen Nettoinlandsprodukts 1.0 1.3 0.9 1.3 1.2 0.9 1868-1872 1911-1915 1926-1930 Quelle: Maddison (1986b), S. 646-648, mit Neuberechnung des Einkommensverhältnisses England/Indien. Die „Punktion“ (d.h. die mit der Kolonialwirtschaft verbundene Belastung, gemessen am Handelsüberschuss der Kolonie) nimmt in der Literatur über die nationale Bewegung in Indien breiten Raum ein, angefangen mit Naoroji in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts (vgl. Naoroji, 1901). Ich habe das gleiche Konzept auf Indonesien angewandt, um die für die beiden Länder mit der Kolonialwirtschaft verbundene Belastung im Verhältnis zu ihrem Nationaleinkommen sowie die Gewinne der Kolonialherren im Verhältnis zu deren Nationaleinkommen miteinander zu vergleichen. Vgl. auch Maddison (1971), S. 63-66. Tabelle 2.21c Wachstum der indonesischen Bevölkerung und Realeinkommen nach ethnischen Gruppen, 1700-1929 (Einwohner in Tausend, Pro-Kopf-Einkommen in Gulden von 1928) Chinesen und andere nicht einheimische asiatische Bevölkerungsgruppen Indonesier Einwohner Pro-KopfEinkommen Einwohner Pro-KopfEinkommen Einwohner Pro-KopfEinkommen 13 015 17 829 28 594 49 066 58 297 47 49 50 64 78 80 90 279 739 1 334 156 193 187 240 301 7.5 8.3 49.0 129.0 232.0 1 245 2 339 2 163 3 389 4 017 1700 1820 1870 1913 1929 a) Europäera Einschließlich Eurasier. Quelle: Maddison (1989b), S. 665, mit revidierten Schätzungen der indonesischen Einwohnerzahlen und Pro-Kopf-Einkommen. 99 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Nach der Abschaffung des Sklavenhandels in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts stiegen die Ausfuhrpreise für Zucker und Kaffee. Seine Beendigung ruinierte die Konkurrenz in der Karibik und erhöhte die Kosten in Brasilien. Nachdem das politische System in den Niederlanden 1848 demokratischer geworden war, wuchs die Kritik an den ausbeuterischen Methoden und der bürokratischen Vetternwirtschaft in Indonesien. Der Druck der Öffentlichkeit, zu dem die Effekte der Öffnung des Suezkanals und der Entwicklung der Dampfschifffahrt hinzukamen, bewegte die niederländische Obrigkeit schließlich dazu, die Kolonie für private Unternehmen und Investitionen zu öffnen. In den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts tendierte der staatliche Anteil am Exportvolumen gegen Null. Tabelle 2.21a liefert eine grobe Messung der Belastung durch die Kolonialherrschaft im Zeitraum 1700 und 1930 sowie der Gewinne, die die Niederlande während dieser Periode aus der Kolonie ziehen konnten. Das Exportvolumen stieg nach der Auflösung der niederländischen OstindienKompanie wesentlich rascher und machte einen weitaus größeren Teil des indonesischen BIP aus. Die proportionalen Gewinne für die Niederlande erhöhten sich ebenfalls kräftig. Tabelle 2.21b enthält ähnliche Schätzungen für Indien, wo die mit der Kolonialherrschaft verbundene Belastung und die daraus resultierenden Gewinne im Verhältnis gesehen wesentlich geringer waren. In Tabelle 2.21c sind grobe Schätzungen der indonesischen Bevölkerung und deren Einkommensniveaus, aufgeschlüsselt nach ethnischen Gruppen, für den Zeitraum 1700-1929 wiedergegeben. IX Großbritannien Bei der Untersuchung der Wirtschaftsleistung der britischen Inseln empfiehlt es sich, eine Unterscheidung zwischen Irland und dem übrigen Königreich vorzunehmen. Wales wurde 1301 politisch angegliedert. Die Eingliederung Schottlands erfolgte erst 1707, der Grundstein hierfür wurde jedoch bereits im Jahre 1603 gelegt, als ein Schotte den englischen Thron bestieg. Irland wurde Mitte des 17. Jahrhunderts in einem blutigen Eroberungsfeldzug unterworfen. Pettys Anatomy of Ireland (1691) ist zu entnehmen, dass die irische Bevölkerung damals auf Grund von Krieg, Hungersnot, Pest und Verschleppungen um ein Viertel schrumpfte. Auf den Krieg folgten eine massive Beschlagnahme irischen Eigentums und eine gewaltige gesellschaftliche Umstrukturierung. Zwei Drittel der zuvor in irischem Besitz befindlichen landwirtschaftlichen Nutzfläche ging an englische Grundeigentümer über. Von 1700 bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war das Pro-Kopf-Einkommen in Irland nur halb so hoch wie im übrigen Königreich (vgl. Tabelle B.13). Auch hinsichtlich der demographischen Geschichte gab es große Unterschiede. Die Hungersnot der Jahre 1846-1851 und die anschließende Auswanderungswelle halbierten die Einwohnerzahl Irlands zwischen 1840 und 1913. Es scheint daher gerechtfertigt, Irland als britische Kolonie zu behandeln, was ich in Tabelle 2.22 getan habe. Die wirtschaftliche und politische Entwicklung Großbritanniens und die Geschichte seiner Auslandsaktivitäten in der Zeit von der normannischen Eroberung im Jahre 1066 bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts lässt sich in mehrere große Etappen unterteilen. 100 Entwicklung des Abendlands und Auswirkungen auf die übrige Welt Tabelle 2.22a Höhe des Pro-Kopf-BIP der europäischen Kolonialmächte und der früheren Kolonien, 1500-1998 (in internationalen Dollar von 1990) Großbritanniena Frankreich Italien Niederlande Portugal Spanien China Indien Indonesien Brasilien Mexiko Vereinigte Staaten Irlandb 1500 1700 1820 1913 1950 1998 762 727 1 100 754 632 698 1 405 986 1 100 2 110 854 900 2 121 1 230 1 117 1 821 963 1 063 5 150 3 485 2 564 4 049 1 244 2 255 6 907 5 270 3 502 5 996 2 069 2 397 18 714 19 558 17 759 20 224 12 929 14 227 600 550 565 400 425 400 526 600 550 580 460 568 527 715 600 533 612 646 759 1257 880 552 673 904 811 1 732 5 301 2 736 439 619 840 1 672 2 365 9 561 3 446 3 117 1 746 3 070 5 459 6 655 27 331 18 183 Tabelle 2.22b Wachstum des Pro-Kopf-BIP der europäischen Kolonialmächte und der früheren Kolonien, 1500-1998 (kumulierte jahresdurchschnittliche Zuwachsraten) a) b) 1500-1700 1700-1820 1820-1913 1913-1950 1950-1998 Großbritanniena Frankreich Italien Niederlande Portugal Spanien 0.31 0.15 0.00 0.52 0.15 0.13 0.34 0.18 0.01 –0.12 0.10 0.14 0.96 1.13 0.90 0.86 0.27 0.81 0.80 1.12 0.85 1.07 1.38 0.17 2.10 2.77 3.44 2.56 3.89 3.78 China Indien Indonesien Brasilien Mexiko Vereinigte Staaten Irlandb 0.00 0.00 0.01 0.07 0.15 0.14 0.15 0.00 –0.03 0.04 0.28 0.24 0.73 0.17 –0.08 0.25 0.42 0.24 0.89 1.56 1.23 –0.62 –0.23 –0.20 1.97 0.85 1.61 0.63 4.17 2.18 2.74 2.50 2.18 2.21 3.53 Bezieht sich auf England, Schottland und Wales für die Jahre1500-1913. Nordirland ist von 1950 bis 1998 einbezogen. Bezieht sich auf ganz Irland von 1500 bis 1913, auf die Republik Irland von 1950 bis 1998. Quelle: Anhang A und B. Die normannisch-angevinische Herrschaft, 1066-1485 Von Anfang des 11. bis Ende des 14. Jahrhunderts lag das britische Bevölkerungswachstum, wie höchstwahrscheinlich auch das Pro-Kopf-Einkommen, etwas unter dem westeuropäischen Durchschnitt. Um 1500 war das Einkommensniveau (vgl. Tabelle B.21 und 2.22) in Großbritannien wesentlich niedriger als in Italien, Flandern und Brabant, den Wirtschaftszentren des damaligen Europas. 101 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Zwischen dem 11. und der Mitte des 15. Jahrhunderts war die britische Nationalidentität noch nicht klar definiert. Das Königtum und die herrschende Oberschicht wurde von anglofranzösischen Kriegsherren gestellt, deren Eigentumsrechte und Einnahmen auf Gebietseroberungen in England und Frankreich zurückgingen. Die Ressourcen, die der Staat mobilisieren konnte, stammten aus den Tributen der Lehnsmänner und der von ihnen abhängigen Bauern. Eine relativ willfährige Kirche stärkte die politische Legitimität des Staats und diente als gesellschaftliches Machtinstrument. Wilhelm der Eroberer erhob seinen Freund Lancfranc zum Erzbischof von Canterbury und besetzte die übrigen Bischofssitze mit normannischen Adligen. Heinrich II. ließ 1170 kurzerhand den damaligen Erzbischof Thomas Becket ermorden, als dieser sich ihm zu widersetzen wagte. Die Hauptinvestitionen der herrschenden Schicht galten dem Bau von Festungen, wie den zur Verteidigung der walisischen Eroberungen errichteten Burgen Carnarvon und Harlech, sowie von mächtigen Kathedralen und Abteien, z.B. der Abbaye des Hommes in Caen, der Grabstätte Wilhelm des Eroberers, und der Abbaye des Dames, ebenfalls in Caen, der Grabstätte seiner Frau. Die Aneignung von Land und Vermögen in Frankreich wurde mit Kriegen und Eheschließungen betrieben. Die englischen Besitzungen erreichten ihre größte Ausdehnung in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts nach der Heirat Heinrich II. mit Eleonore von Aquitanien, der früheren Frau des französischen Königs Ludwig VII. Zu dieser Zeit gehörte die Hälfte Frankreichs zu England. Die Engländer siegten 1346 in Crécy, 1356 in Poitiers und 1415 in Azincourt. Mit der Hilfe Burgunds gelang es ihnen 1430, Johanna von Orleans gefangen zu nehmen und hinzurichten. In der Folge wechselte Burgund jedoch die Seiten, und nach dem Ende des Hundertjährigen Krieges im Jahre 1453 blieb den Engländern von ihren französischen Besitzungen nur noch Calais, das die Franzosen erst 1558 zurückerobern konnten. In dieser Zeit wurden in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht manche Fortschritte erzielt. Die landwirtschaftliche Nutzfläche wurde durch die Rodung der Wälder vergrößert, und der Bodenertrag stieg, wie in anderen Teilen Nordeuropas auch, dank der Einführung neuer Techniken (vgl. White, 1962). Die Wollproduktion für den Export nach Flandern wurde stark ausgebaut. Ab der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts war eine allmähliche Verlagerung auf den Export von fertigem Tuch zu beobachten. Ein Großteil des Außenhandels wurde jedoch von ausländischen Kaufleuten abgewickelt. Zudem war England stark von den Antwerpener Bankiers abhängig. Der Anteil der Stadtbevölkerung lag um 1500 weit unter dem westeuropäischen Durchschnitt (vgl. Tabelle B.14). In England und Wales lebten nur 3% der Bevölkerung in Städten mit mehr als 10 000 Einwohnern, im Vergleich zu 21% in Flandern und Brabant, 16% in den Niederlanden und 15% in Italien. Die finanziellen Schwierigkeiten der Krone führten dazu, dass sich in einem beginnenden parlamentarischen Prozess ein schwaches politisches Gegengewicht herausbilden konnte. In der Landwirtschaft wurden die feudalen Eigentumsrechte teilweise durch Marktkräfte in Frage gestellt – eine Entwicklung, die durch den Schwarzen Tod beschleunigt wurde, der die Einwohnerzahlen um ein Drittel dezimierte und so zu einem Anstieg des pro Kopf verfügbaren Landes führte und Forderungen nach höheren Arbeitseinkommen hervorrief. Im 14. Jahrhundert wurde ein wichtiger Schritt unternommen, um Englisch zur Hauptlandessprache zu machen. Bis dahin waren alle rechtlichen Angelegenheiten in Französisch abgewickelt worden, was eine klare Chancenungleichheit bei der Wahrnehmung der Eigentumsrechte zur Folge hatte. Um dagegen vorzugehen, wurde 1362 eine neue Gerichtsordnung verabschiedet. In diesem Statute of Pleading stand zu lesen: „Das Französische ist im Königreich weithin unbekannt, so dass die Menschen, die vor dem Königlichen Gerichtshof oder vor einem anderen Gerichtshof Klage erheben oder gegen die Klage erhoben wird, nicht wissen oder verstehen, was für oder gegen sie vorgebracht wird“ (zitiert nach Baugh und Cable, 1993, S. 145). 102 Entwicklung des Abendlands und Auswirkungen auf die übrige Welt Entstehen eines modernen Nationalstaats und Aufbau einer dem Handelskapitalismus förderlichen Institutionsstruktur, 1485-1700 Zwischen dem Ende des 15. Jahrhunderts und dem Ende des 17. Jahrhunderts wuchs die englische Bevölkerung um das Vierfache (im Vergleich dazu hatten sich die Einwohnerzahlen in den Niederlanden verdoppelt, in Frankreich um nicht ganz 50% und in Deutschland und Italien um rund 25% erhöht). Auch die Lebenserwartung stieg (vgl. Tabelle 1.4) und erreichte ein wesentlich höheres Niveau als in Frankreich. Der in der Landwirtschaft tätige Teil der Erwerbsbevölkerung schrumpfte beträchtlich (im Jahre 1700 lag er bei 56%). Die Produktivität der landwirtschaftlichen Betriebe stieg, und die Nahrungsmittelversorgung wurde zuverlässiger (vgl. Wrigley, 1988). Da es der Küstenschifffahrt zudem immer besser gelang, örtliche Nahrungsengpässe zu überbrücken, konnten Hungersnöte als Todesursache in England und Wales bereits zu einer Zeit so gut wie ausgemerzt werden, als sie in Frankreich noch weit verbreitet waren30. Die Urbanisationsquote stieg auf mehr als das Vierfache (Tabelle B.14), und die Einwohnerzahl Londons, das inzwischen zur größten Stadt Europas geworden war, wuchs um das Vierzehnfache (vgl. Tabelle 2.3). Das britische Pro-Kopf-Einkommen erhöhte sich zwischen 1500 und 1700 um nahezu das Doppelte, gegenüber einem Anstieg um ein Drittel in Frankreich und Deutschland und einer Stagnation in Italien (vgl. Tabelle B.21). Nur in den Niederlanden stiegen die Einkommen damals schneller und erreichten um 1700 ein noch höheres Niveau. Der niederländische Einkommensvorsprung war auf eine höhere Produktivität in Landwirtschaft, Schifffahrt, Bankwesen und Dienstleistungssektor sowie eine stärkere internationale Spezialisierung zurückzuführen. Obwohl die Niederlande nur ein Viertel der britischen Einwohnerzahl hatten, verfügten sie über eine größere Flotte. Nur 40% der niederländischen Erwerbsbevölkerung war in der Landwirtschaft beschäftigt. Die britischen Nationalökonomen und Diplomaten des 17. Jahrhunderts (Petty, King, Davenant und Temple) betrachteten die Niederlande als ein nachahmenswertes wirtschaftliches Vorbild. Die britischen Wirtschaftsinstitutionen folgten daher stark der von den Niederlanden eingeschlagenen Richtung – ein Prozess, der 1688 durch die Erhebung des niederländischen Statthalters auf den englischen Königsthron zusätzlich gefestigt wurde. Der Aufbau eines modernen Nationalstaates, der den Interessen des Handelskapitalismus entgegenkam, erfolgte in mehreren Etappen. Die stark fragmentierte Macht- und Besitzstruktur der Feudalzeit musste nach und nach einem wesentlich zentralisierteren System weichen. Der Waliser Heinrich VII., der 1485 als Sieger aus den Rosenkriegen hervorging, enteignete viele der alten Lehnsherren und ließ deren Besitz dem aufstrebenden Kleinadel, der so genannten „Gentry“, zukommen. Er schaffte auch das Recht des Adels auf eigene Truppen ab, weshalb die Adelssitze in der Folge nicht mehr befestigt wurden. Sein Sohn Heinrich VIII. brach mit Rom und schuf eine neue Staatskirche, die eine abgemilderte Form des Protestantismus praktizierte; er verbot die Ordensgemeinschaften und konfiszierte deren Besitz (zu dem u.a. über ein Viertel der britischen Landfläche gehörte). Seine Tochter Elisabeth I. verschleuderte später den Besitz der Bischöfe. Der Großteil des Kirchenbesitzes gelangte so durch Veräußerungen oder Schenkungen in die Hände einer weltlichen Oberschicht aus Kaufleuten und Adligen. Im 17. Jahrhundert kam es zu großen Veränderungen in der britischen Herrschaftsform (u.a. wurde vorübergehend eine Republik eingerichtet und das Oberhaus – House of Lords – abgeschafft). Diese Entwicklung endete mit der finanziellen Abhängigkeit des Königtums vom Unterhaus (House of Commons), das unter der Führung einer weltlichen Elite aus Kaufleuten und Großgrundbesitzern stand. 103 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Im Bereich der Wirtschaftspolitik war gegen Ende des 17. Jahrhunderts eine Modernisierung der Verwaltungsstrukturen zu beobachten. Berufliche Kompetenz wurde zunehmend zu einem Kriterium für die Besetzung öffentlicher Ämter, und verbessertes statistisches Material entwickelte sich zu einer wichtigen Entscheidungshilfe für die Politik. Die Günstlingswirtschaft spielte zwar noch immer eine Rolle, doch trat an die Stelle des herkömmlichen Nepotismus eine politisch motivierte Variante. Die für die Eintreibung der Kaminsteuer zuständigen Steuerpächter mussten ab 1679 ordentlich geführte Bücher vorweisen können. Die Einziehung von Zöllen durch Steuerpächter war bereits 1671 abgeschafft worden, und 1696 wurde das Amt eines Oberinspektors der Ein- und Ausfuhren geschaffen. 1783 wurde das System der Steuerpacht auch für die Akzisen abgeschafft, und der Nationalökonom Davenant wurde mit dem Amt des für diesen Bereich zuständigen Regierungskommissars betraut. 1696 wurde das Handelsministerium (Board of Trade) eingerichtet, in dem der Philosoph John Locke den Posten eines Regierungskommissars bekleidete. Samuel Pepys betrieb indessen die Modernisierung des Marineministeriums. 1702 wurde Gregory King, ein weiterer Nationalökonom, zum Regierungskommissar für das öffentliche Rechnungswesen ernannt. Alle diese neu geschaffenen Verwaltungsposten waren gut bezahlt, um die Unbestechlichkeit der Amtsträger zu gewährleisten. 1694 wurde die Bank von England gegründet, und 1696 fand eine umfangreiche Münzneuprägung statt. Die Geldpolitik wurde modernisiert, und es konnte sich ein geregelter Markt für die Staatsschuld herausbilden. Die Briten waren so in der Lage, im 18. Jahrhundert ein stabiles öffentliches Finanzsystem aufzubauen, worin sie sich deutlich vom kränkelnden Ancien Régime in Frankreich unterschieden. Die Zahlungsfähigkeit der Regierung war gesichert, zumal es sich bei einem Großteil der Staatsschuld um ewige Renten handelte. Es gab keine Ausnahmeregelungen für besonders begünstigte soziale Gruppen, keine Steuerpacht, keinen Ämterkauf und keine Gebietseinheiten mit Steuerautonomie. Die politische Legitimität der Steuern wurde durch eine parlamentarische Kontrolle gewährleistet, und das Verhältnis zwischen Einwohner- und Beamtenzahl belief sich nur auf einen Bruchteil der entsprechenden Zahl in Frankreich31. Das Geistesleben war rege und im 17. Jahrhundert zunehmend weltlich geprägt, und es bestanden enge Kontakte mit ähnlichen Strömungen in anderen Teilen Nordeuropas. Mit dem Gresham College, das auf eine großzügige Stiftung des wohlhabenden Bankiers und königlichen Steuerbeamten Sir Thomas Gresham zurückging, erhielt diese Entwicklung 1579 ein organisatorisches Fundament. Das Kollegium bot freien Zugang zu höherer Bildung in Form von täglich stattfindenden Vorlesungen zu verschiedenen Themen. Besonders groß war sein Erfolg im Bereich der angewandten Mathematik, der Erforschung und Entwicklung von Navigationsinstrumenten und im Schiffbau. Um die Mitte des 17. Jahrhunderts wurde das Gresham College zum Zentrum intensiver Diskussionen über neue Erkenntnisse der Experimentalwissenschaft und damit zum Vorläufer der Royal Society, die 1662 unter seinem Dach gegründet wurde. Zu den führenden Köpfen der Royal Society gehörten Christopher Wren, der Astronomie in Gresham und Oxford lehrte und als Architekt für den Wiederaufbau der Londoner Kirchen nach der großen Feuersbrunst des Jahres 1666 verantwortlich zeichnete, der Mathematiker und Rektor des Wadham College John Wilkins, der Chemiker und Anatom Robert Boyle sowie William Petty, der Begründer der politischen Ökonomie, der zunächst Anatomie in Oxford lehrte, später die Katastererfassung Irlands leitete und sich auch als Erfinder hervortat (er entwickelte einen dem Katamaran ähnlichen Schiffstyp mit Doppelrumpf, schnellere Formen des Landtransports, neue Möglichkeiten zur Verbesserung des Postdienstes, diverse Wasserpumpen und eine Methode zur Entsalzung von Meerwasser). In jenem Zeitalter der Aufklärung befassten sich viele herausragende Persönlichkeiten des englischen Geisteslebens, namentlich Bacon, Hobbes, Locke und Newton, mit konkreten Fragen der staatlichen Politik (Newton war beispielsweise zunächst Münzwardein und ab 1695 königlicher Münzmeister, ein Amt, das er bis zu seinem Tod bekleidete). In vielen Fällen hatte ihre Arbeit erhebliche Rückwirkungen auf die technische Entwicklung. 104 Entwicklung des Abendlands und Auswirkungen auf die übrige Welt Die Monarchie der Restaurationszeit war an der Förderung praktischer und theoretischer Forschungsarbeiten im Bereich der Navigation interessiert. Sie gründete das königliche Observatorium und schuf das Amt eines königlichen Astronomen. Unter denjenigen, die dieses Amt bekleideten, befand sich der Mathematiker und Astronom Edmund Halley. Er begann im Alter von 20 Jahren seine vielversprechende Karriere, indem er in zweijährigen Beobachtungen auf Sankt Helena den Grundstein für die Sternkunde der südlichen Hemisphäre legte. 1693 unterbreitete er einen grundlegenden Aufsatz über die Berechnung der Lebenserwartung, der sich auf von Leibniz zur Verfügung gestellte Sterblichkeitsdaten aus Breslau stützte, und schuf damit die wissenschaftlichen Voraussetzungen für die Entwicklung der Lebensversicherungsbranche. Ähnlich intensiv wie in England war die Forschungstätigkeit in den Niederlanden, und auch in Frankreich wurde auf diesem Gebiet vieles geleistet. Ganz anders sah die Situation hingegen in Spanien aus, wo Frömmelei und Inquisition sich dem Wissensdrang entgegenstellten. Auch in Italien schlug die Gegenreformation Wellen, sie behinderte die Arbeiten Galileis und bremste die Kreativität eines Landes, das in der Vergangenheit so herausragende wissenschaftliche Leistungen erzielt hatte. Im Bereich der überseeischen Aktivitäten und der Außenpolitik kam es zwischen Mitte des 16. und Ende des 17. Jahrhunderts zu großen Veränderungen. Der Gedanke, Teile des europäischen Festlands zu erobern, wurde aufgegeben. An seine Stelle trat eine geschickte Ausnutzung der strategischen Vorteile der britischen Insellage. Die britische Handelsflotte wurde erheblich vergrößert, und die Kriegsmarine wurde unter Elisabeth I. so stark ausgebaut, dass ein spanischer Invasionsversuch erfolgreich abgewehrt werden konnte. Um 1700 verfügte die Kriegsflotte über eine beachtliche Angriffsstärke. Den Berechnungen von Gregory King zufolge konnte die britische Handelsmarine 1697 mehr als 2 000 Schiffe mit einer Gesamttonnage von 323 000 Tonnen und die Kriegsmarine 189 Schiffe mit einer Gesamttonnage von 120 000 Tonnen32 aufbieten. Großbritannien war damit hinsichtlich seiner Flottenstärke allen anderen Großmächten der damaligen Zeit, mit Ausnahme der Niederlande, überlegen (vgl. Tabelle 2.15). Die Briten investierten relativ wenig in die Landstreitkräfte (vgl. Tabelle 2.18b). Von 1688 bis 1815 waren sie zwar an zahlreichen Kriegen gegen verschiedene Kontinentalmächte beteiligt, die Hauptlast der Kriegführung zu Lande wurde jedoch von den jeweiligen Verbündeten getragen. Diese Lastenteilung wurde durch eine opportunistische Diplomatie, finanzielle Zuwendungen sowie die für England sehr günstigen Animositäten zwischen den großen Kontinentalmächten gesichert, die einander wegen Erbstreitigkeiten, territorialen Ansprüchen und religiösen Zwistigkeiten bekriegten. Vom 16. bis zum 19. Jahrhundert war die Handelspolitik von merkantilistischen Überlegungen bestimmt. In England ebenso wie in Kontinentaleuropa galt es als selbstverständlich, dass der internationale Wettbewerb den Prinzipien der Beggar-your-Neighbour-Politik zu gehorchen hatte. Diese Einstellung war vor allem darauf zurückzuführen, dass der wirtschaftliche Fortschritt vor dem 19. Jahrhundert auf einem – rückblickend – relativ langsamen technischen Fortschritt mit nach heutigen Maßstäben niedrigen Inlandsinvestitionsraten gegründet war. In England lag die Investitionsrate laut den Schätzungen von Gregory King 1688 bei unter 7% des BIP. Die höchsten Gewinnaussichten versprach man sich damals von einer verstärkten Spezialisierung und Arbeitsteilung, wie sie die Niederländer bereits durchgesetzt hatten, von der Nutzung neuer Geschäftsmöglichkeiten in Amerika, vom Ausbau des Handels mit afrikanischen Sklaven sowie vom Import von Gewürzen, Stoffen und Porzellan aus Asien. In Anbetracht der in Großbritannien und den Niederlanden erreichten Einkommensniveaus standen die nötigen Mittel zur Finanzierung solcher Übersee-Expeditionen zur Verfügung, und es war auch das erforderliche unternehmerische Know-how vorhanden, um aus diesen Reisen wirtschaftlich Nutzen zu ziehen. Dank der im Bereich der Nagivationstechnik und des Schiffbaus erzielten Fortschritte konnten Expeditionen durchgeführt werden, die selbst dann noch rentabel waren, wenn allein die Rückfahrt ganze zwei Jahre dauerte, wie dies bei Ostasienreisen der Fall sein konnte. 105 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle 2.23 Struktur des britischen Warenhandels nach Herkunftsund Bestimmungsregionen, 1710-1996 (in Prozent des jeweiligen Gesamtwerts) Europa Asien Afrika Nordamerika BritischWestindien Übriges Amerika Australien, Neuseeland Einfuhren 1710a 1774 1820 1913 1950 1996 63.6 46.1 26.8 40.7b 27.8b 61.7 6.9 11.4 24.6 15.7 17.2 18.8 0.4 0.4 0.5 3.0 11.0 2.2 7.3 12.5 14.6 22.6 15.9 14.1 21.7 29.3 26.0 0.8c 5.1c 0.3c 0.1 0.3 7.5 9.6 8.6 1.7 0.0 0.0 0.0 7.6 14.4 1.2 0.6 0.1 9.3 8.7 7.2 1.5 0.0 0.0 0.0 10.3 15.8 1.8 Ausfuhren und Wiederausfuhren 1710a 1774 1820 1913 1950 1996 a) b) c) 87.6 58.5 61.8 37.4b 28.8b 63.3 2.1 3.9 7.1 22.7 18.9 16.8 1.2 6.0 1.1 6.4 13.2 3.0 5.1 21.5 11.7 13.5 14.4 13.3 3.4 10.0 9.0 1.0c 1.7c 0.3c England und Wales. Einschl. Nordafrika. Einschl. der gesamten Karibik. Quelle: Mitchell und Deane (1962), S. 309-311 (für 1710-1820), S. 317-323 (für 1913). Mitchell und Jones (1971), S. 136-139 (für 1950). UN Yearbook of International Trade Statistics (1996), S. 1065, für 1996. Aus Mitchell und Deane (1962), S. 2679–2684, ist ersichtlich, dass die Wiederausfuhren in den zwanziger und siebziger Jahren des 18. Jahrhunderts 58% der inländischen Exporte ausmachten (bzw. 37% der Gesamtexporte). Im Vergleich dazu betrug dieses Verhältnis in den Niederlanden in den zwanziger Jahren des 18. Jahrhunderts 53% und in den siebziger Jahren 220% (vgl. Tabelle 2.19). 1913 machten die britischen Wiederausfuhren 20.8% der inländischen Exporte aus, 1950 3.9%. 1710 entfielen 78% der inländischen Exporte auf Woll- und Kammgarn sowie Wollerzeugnisse, 1774 49%, 1820 12% und 1913 6%. 1774 bestanden 2% der inländischen Exporte aus Baumwollgarn und Baumwollerzeugnissen, 1820 62%, 1913 24% und 1938 11%. Ein weiterer Vorteil des Überseehandels war die Entdeckung neuer Produkte. Im 16. Jahrhundert war Zucker dem Volk noch so gut wie unbekannt; um 1700 lag der Zuckerverbrauch pro Einwohner in England und Wales bereits bei 2,6 kg. Der Pro-Kopf-Verbrauch von Tabak war währenddessen von Null auf rund 1 kg gestiegen. Auch Tee und Kaffee begannen sich durchzusetzen33. Unter dem Einfluss der aus Indien importierten bedruckten und bemalten Baumwollstoffe wandelten sich die Moden und geschmacklichen Vorlieben. Porzellan und Keramik aus China lösten ähnlich starke Veränderungen im Haushaltsbereich aus. Die Nachfrageelastizität war bei diesen neuen Konsumgütern sehr hoch, so dass auf sie bald ein großer Teil des persönlichen Verbrauchs entfiel. 1688 machten die Aufwendungen für Nahrungsmittel, Getränke und Textilien in England und Wales laut den Schätzungen von Gregory King 58,5% des Bruttoinlandsprodukts aus (im Vergleich zu rd. 16% Ende des 20. Jahrhunderts). Immer häufiger kam es zu Kriegen um die Handelschancen in Übersee. Im Vierteljahrhundert nach 1652 befand sich Großbritannien nicht weniger als dreimal im Krieg mit den Niederlanden. Am Ende dieser Konflikte stand eine deutliche Beschneidung der Handelsmöglichkeiten der Niederländer in Afrika und Amerika. Die Briten konnten indessen ihre Flotte stark vergrößern, indem sie niederländische Schiffe erbeuteten, darunter auch so genannte Fluyts, nicht bewaffnete, für die kostengünstige Serienproduktion entwickelte Schiffe, die auf Grund ihres geringeren Mannschaftsbedarfs auch eine Reduzierung der Betriebskosten ermöglichten34. 106 Entwicklung des Abendlands und Auswirkungen auf die übrige Welt Die Handelspolitik stand ebenfalls im Dienst der in diesen Handelskriegen verfolgten Ziele. Ab 1651 wurde eine Reihe von Navigationsakten erlassen, die bis 1849 Gültigkeit behielten. Diese Gesetze verwehrten ausländischen Schiffen den Handel mit den britischen Kolonien und zwangen letztere, ihre Exporte über britische Häfen abzuwickeln. Auf diese Weise bildete sich eine spezifische Handelsstruktur heraus, in der für die Wiederausfuhr bestimmte Importe von Kolonialwaren einen großen Platz einnahmen. Auch die niederländischen und französischen Handelsbeziehungen folgten diesem Muster (vgl. Tabelle 2.19 und Anmerkungen zu Tabelle 2.23). Die geographische Umschichtung des britischen Handels, die bereits im 17. Jahrhundert einsetzte, ist aus Tabelle 2.23 deutlich ersichtlich. Großbritannien auf dem Weg zur Hegemonie, 1700-1820 Zwischen 1700 und 1820 war ein deutlicher Anstieg des britischen Bevölkerungswachstums auf eine Rate zu verzeichnen, die sich gegenüber dem von Bürgerkriegen und Pest gezeichneten 17. Jahrhundert mehr als verdoppelte. Das Wirtschaftswachstum war höher als in allen anderen europäischen Ländern, und der Anteil der Stadtbevölkerung stieg in sämtlichen Teilen des Königreichs deutlich an, was wiederum in starkem Kontrast zu der im übrigen Europa zu beobachtenden Entwicklung stand (vgl. Tabelle B.14). Das Wachstum der Pro-Kopf-Einkommen war etwas höher als im 17. Jahrhundert und gegenüber dem europäischen Durchschnitt mehr als doppelt so hoch. Die niederländische Wirtschaftsleistung war im Vergleich dazu katastrophal. In den Niederlanden verlangsamte sich das Bevölkerungswachstum drastisch, und das Pro-Kopf-BIP sank. Im Jahre 1700 war das britische BIP (ohne Irland) doppelt so hoch wie das niederländische; 1820 belief es sich demgegenüber auf das Siebenfache. In der britischen Wirtschaft vollzog sich ein deutlicher Strukturwandel: Der Anteil der in der Landwirtschaft beschäftigten Erwerbspersonen ging deutlich zurück, während Industrie und Dienstleistungssektor rapide wuchsen (vgl. Tabelle 2.24). In den Niederlanden nahmen Industrialisierung und Verstädterung hingegen ab, und der Anteil der in der Landwirtschaft Beschäftigten stieg. Angesichts der schwindenden Investitionsmöglichkeiten im Inland und in Übersee wurden die niederländischen Ersparnisse zunehmend im Ausland angelegt, ein Großteil davon in britischen Staatsanleihen. So wurde das britische Wachstum u.a. durch niederländisches Kapital untermauert (vgl. Maddison, 1991a, S. 34-35 und 45-46). Zwischen 1720 und 1820 wuchs das Volumen der britischen Exporte pro Jahr um 2%, während die niederländischen Ausfuhren jährlich um 0,2% sanken (vgl. Maddison, 1982, S. 247). Im Jahre 1700 entfiel nur ein Fünftel der weltweiten Frachtkapazität auf die britische Flotte und ein Viertel auf die niederländische. Um 1820 belief sich der britische Anteil am weltweiten Frachtvolumen auf über 40%, während die Niederländer nur noch knapp über 2% stellten (vgl. Tabellen 2.15 und 2.25a). Es war dies die Zeit, in der das Vereinigte Königreich durch eine geschickte Beggar-yourNeighbour-Politik zur Hegemonie im Welthandel aufstieg. Die britische und französische Handelspolitik sowie die verheerenden Auswirkungen der Kriege zwischen 1795 und 1815 waren die Hauptursachen für den Niedergang der niederländischen Wirtschaft. In der Zeit von 1700 bis 1820 war Großbritannien in eine Reihe von Kriegen verstrickt, in denen es verschiedenen europäischen Mächten in unterschiedlichen Konstellationen gegenüberstand (17001713, 1739-1748, 1756-1763 und 1793-1815). Hinzu kam der amerikanische Unabhängigkeitskrieg (1776-1783), in dem Großbritannien allein gegen seine alten Kolonien und deren europäische Verbündete (Frankreich, die Niederlande und Spanien) stand. Großbritannien ging es bei diesen Konflikten vor allem um die Erlangung einer Vormachtstellung im Welthandel. Die Friedensverträge der Jahre 107 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle 2.24 Beschäftigungsstruktur in den Niederlanden, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten, 1700-1998 (in Prozent der Gesamtbeschäftigung) a) b) Niederlande Vereinigtes Königreich Vereinigte Staaten 1700 Landwirtschaft Industrie Dienstleistungen 40 33 27 56 22 22 n.v. n.v. n.v. 1820 Landwirtschaft Industrie Dienstleistungen 43 26 31 37 33 30 70 15 15 1890 Landwirtschaft Industrie Dienstleistungen 36 32 32 16 43 41 38 24 38 1998 Landwirtschaft Industrie Dienstleistungen 3 22 75 2 26 72 3 23 74 1807. 1889. Quelle: Maddison (1991), S. 32, für 1700; Maddison (1995a), S. 253, für das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten 1820–1890; Niederlande 1807 und 1889 aus Smits, Horlings und van Zanden (2000), S. 19; 1998 aus OECD, Labour Force Statistics 1978–1998. Der Begriff Landwirtschaft umfasst auch Forstwirtschaft und Fischerei; zur Industrie gehören Bergbau, Verarbeitendes Gewerbe, Strom-, Gas-, Wasser- und Bauwirtschaft. Unter den Dienstleistungen sind alle anderen privaten und staatlichen Tätigkeitsbereiche (einschl. Militär) zusammengefasst. Tabelle 2.25a Frachtkapazität der britischen und der internationalen Schifffahrt, 1470-1913 (in Tausend Tonnen) Segelschiffe 1470 1570 1670 1780 1820 1850 1900 1913 Quelle: Dampfschiffe Gesamtfrachtkapazität (umgerechnet in Segelschiffe) Vereinigtes Königreich n.v. 51 260 1 000 2 436 3 397 2 096 843 0 0 0 0 3 168 7 208 11 273 n.v. 51 260 1 000 2 448 4 069 30 928 45 935 Segelschiffe Dampfschiffe Gesamtfrachtkapazität (umgerechnet in Segelschiffe) Weltweit 320 730 1 450 3 950 5 800 11 400 6 500 4 200 0 0 0 0 20 800 22 400 41 700 320 730 1 450 3 950 5 880 14 600 96 100 171 000 Vereinigtes Königreich 1470-1780 aus Tabelle 2.15, 1820-1913 aus Mitchell und Deane (1962), S. 217-219. Weltweit 1470-1780 aus Tabelle 2.15, nach oben berichtigt für die Jahre 1470, 1570 und 1670 wegen unzureichendem Datenmaterial über die europäischen Flotten. Der angewandte Koeffizient war 1,85 für 1470, 1,34 für 1570 und 1,07 für 1670. Für 1470-1780 habe ich weitere 100 000 Tonnen hinzugefügt, die einer groben Schätzung der Flotte der asiatischen Länder entsprechen. 1800-1913 aus Maddison (1989), S. 145. Der Umrechnungskoeffizient Dampfschiff/Segelschiff 1:4 aus Day (1921), S. 290, trägt der größeren Geschwindigkeit und Verlässlichkeit der Dampfschiffe Rechnung. Tabelle 2.25b Komparative Wachstumsraten der britischen und der internationalen Frachtkapazität sowie des BIP, 1570-1913 (kumulierte jahresdurchschnittliche Zuwachsraten) 1570-1820 1820-1913 Britische Schifffahrt Britisches BIP Schifffahrt weltweit BIP weltweit 1.56 3.20 0.79 2.13 0.84 3.69 0.33 1.47 Quelle: Frachtkapazität aus Tabelle 2.25a, BIP aus Anhang B, Tabelle B.13 und B.18. 108 Entwicklung des Abendlands und Auswirkungen auf die übrige Welt 1713 und 1763 brachten den Briten große Gewinne. Der Vertrag von 1763 machte der französischen Präsenz in Kanada ein Ende und schwächte die Position der Spanier in der Karibik und in Florida. Der Unabhängigkeitskrieg der Jahre 1776 bis 1783 endete für Großbritannien hingegen mit einer großen Niederlage und dem Verlust der dreizehn nordamerikanischen Kolonien. Die Revolutionskriege und die napoleonischen Kriege waren für Großbritannien in realer Rechnung mit wesentlich geringeren Kosten verbunden als für Frankreich, die Niederlande, Spanien und die anderen Kontinentalmächte. Der Radius der napoleonischen Feldzüge erstreckte sich von Ägypten bis Moskau und von Spanien bis Norddeutschland. Auf französischer Seite kamen über eine halbe Million Soldaten ums Leben, und in den anderen Ländern waren es mindestens noch einmal so viele. Die französischen Truppen wurden hauptsächlich durch Sonderabgaben finanziert und die Kosten ihrer Einquartierung gingen zu Lasten der jeweiligen besetzten Gebiete. Weite Teile Russlands, Deutschlands und Spaniens wurden verwüstet (vgl. Kennedy, 1987, S. 115-139, zu den Kriegskosten). Zudem wurden während des Krieges auch Handelsblockaden verhängt, die die industrielle Entwicklung in Kontinentaleuropa verzögerten (vgl. Crouzet, 1964, wegen einer Analyse hierzu). Die Kontinentalmächte mussten in Bezug auf ihre Kolonial- und Handelsinteressen in Übersee große Einbußen hinnehmen. Die Niederländer verloren alle ihre Besitzungen in Asien, mit Ausnahme Indonesiens, sowie ihren Stützpunkt in Südafrika. Die Franzosen konnten in Asien nur noch eine Scheinpräsenz aufrechterhalten und verloren Santo Domingo, ihre wichtigste Besitzung in der Karibik. Kurz nach dem Krieg gelang es Brasilien, seine Unabhängigkeit von Portugal durchzusetzen. Spanien musste sein riesiges Kolonialreich in Lateinamerika aufgeben und konnte nur Kuba, Puerto Rico und die Philippinen halten. Großbritannien gelang es indessen, die ehemaligen französischen und niederländischen Besitzungen in Asien und Afrika an sich zu reißen, seine Herrschaft über Indien auszubauen und eine Vormachtstellung im Lateinamerikahandel zu erobern. 1750 zählte das britische Empire rund anderthalb Millionen Untertanen in Amerika (vgl. Tabelle 2.28) und weitere 2,4 Millionen in Irland. Zudem unterhielt es Stützpunkte in Kalkutta, Madras und Bombay. Um 1820 hatte Großbritannien zwar seine dreizehn nordamerikanischen Kolonien verloren, doch dafür erstreckte sich sein Herrschaftsbereich inzwischen über Territorien in Indien mit rund 100 Millionen Einwohnern. Das britische Wachstum wurde zwischen 1700 und 1820 durch eine erfolgreiche, an den Prinzipien der Beggar-your-Neighbour-Politik ausgerichtete Handelsstrategie vorangetrieben. Dass Großbritannien seinen Vorsprung ausbauen konnte, war jedoch noch anderen Faktoren zu verdanken. Anders als bei den europäischen Nachbarn wurde die binnenwirtschaftliche Entwicklung in Großbritannien nicht (wie noch im 17. Jahrhundert) durch bewaffnete Konflikte beeinträchtigt. Die Integration der Binnenmärkte wurde durch die Schaffung eines Mautstraßen- und Kanalnetzes und die Entwicklung der Küstenschifffahrt deutlich verbessert, was eine effizientere Spezialisierung und Arbeitsteilung zwischen den verschiedenen Regionen möglich machte. Die Ressourcenallokation wurde zusätzlich durch gesunde öffentliche Finanzen und einen expandierenden Bankensektor gestärkt. Ab ungefähr 1760 setzte ein spektakuläres Wachstum der Baumwollindustrie ein. Die seit anderthalb Jahrhunderten nach Großbritannien importierten indischen Stoffe hatten dort eine starke Nachfrage nach Kleidung und Heimtextilien aus Baumwolle entfacht. Nunmehr eröffnete eine Welle technischer Innovationen neue Perspektiven für eine Expansion der heimischen Baumwollindustrie. Baumwolle ließ sich wesentlich leichter maschinell verarbeiten als Wolle, so dass die Mechanisierung der Produktionsverfahren bereits bei einem relativ geringen Kapitaleinsatz gewaltige Auswirkungen auf die Arbeitsproduktivität hatte. Mit der von J. Hargreaves erfundenen Jenny-Maschine (1764-1767) konnte bei der Herstellung von feinem Gewebe eine 16fache Produktivitätssteigerung erzielt werden. 109 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Arkwright entwickelte 1768 eine mit Wasserkraft angetriebene Flügelspinnmaschine, mit der ein stabiler Kettfaden gefertigt werden konnte. Die 1779 von Crompton erfundene Mule-Maschine ermöglichte zugleich die Herstellung von Kett- und von Schussfaden. Nach der Erfindung des mechanischen Webstuhls durch Cartwright 1787 konnten auch beim Weben große Produktivitätssteigerungen erzielt werden. Die Baumwollentkörnungsmaschine, die der Amerikaner Eli Whitney 1793 entwickelt hatte, führte schließlich zu einer deutlichen Verringerung der Kosten der aus Amerika importierten Rohbaumwolle. Zwischen 1774 und 1820 nahmen die Rohbaumwollimporte um mehr als das 20fache zu. Der Anteil der in der Baumwollindustrie Beschäftigten stieg zwischen den siebziger Jahren des 18. Jahrhunderts und 1820 von nahe Null auf 6% der Erwerbsbevölkerung. Der Anteil der Erzeugnisse von Baumwollspinnereien und -webereien an den britischen Exporten erhöhte sich zwischen 1774 und 1820 von 2% auf 62%, und dies trotz eines drastischen Preisrückgangs. Der Anteil der Wollerzeugnisse an den Exporten sank während des gleichen Zeitraums von 49% auf 12% (vgl. Anmerkungen zu Tabelle 2.23). Auch in anderen europäischen Ländern erlebten die Baumwollindustrie und das an sie geknüpfte technische Wissen einen Aufschwung, doch erreichte der Pro-Kopf-Verbrauch an Baumwollerzeugnissen in Frankreich beispielsweise nur rund ein Viertel des britischen Niveaus. Im 18. Jahrhundert konnten im Bereich der Navigationstechnik große Fortschritte erzielt werden, was nicht zuletzt der vom Staat geförderten Arbeit der königlichen Astronomen zu verdanken war. Eine wichtige Rolle spielte auch die Auslobung eines Preises in Höhe von 20 000 £, mit dem die Entwicklung eines Schiffschronometers belohnt werden sollte, der dank seiner großen Genauigkeit und Stabilität eine Messung der Längengrade auf hoher See gestattete. Der erste einer ganzen Reihe von Naval Almanacs mit praktischen Anleitungen für Seefahrer wurde 1767 veröffentlicht, und der für die Entwicklung des Chronometers ausgesetzte Preis ging 1773 an John Harrison. Bewaffnet mit einer Kopie von Harrisons Schiffschronometer sowie einer Reihe anderer im Laufe des 18. Jahrhunderts entwickelter Navigationsinstrumente gelang es James Cook, die australische und neuseeländische Küste zu erkunden und mit Erfolg zu kartographieren, ohne dass auch nur ein einziges Mitglied seiner Mannschaft an Skorbut gestorben wäre. Beschleunigung des technischen Fortschritts und des Realeinkommenswachstums, 1820-1913 Zwischen 1820 und 1913 weitete sich das Pro-Kopf-Einkommen rascher aus als je zuvor – dreimal so rasch wie von 1700 bis 1820. Für Großbritannien und die übrigen westeuropäischen Länder hatte eine neue Ära begonnen. Die Einkommenserhöhungen waren im Wesentlichen durch die Beschleunigung des technischen Fortschritts, das rasche Wachstum des Bestands an Sachanlagen sowie die besseren Bildungsgrundlagen und Qualifikationen der Erwerbsbevölkerung bedingt. Die Fortschritte bei der internationalen Arbeitsteilung schlugen sich in einer effizienteren Ressourcenallokation nieder, so dass die britischen Exporte um 3,9% jährlich zunahmen (fast doppelt so rasch wie das BIP). Das Ausbleiben gravierender militärischer Konflikte erleichterte die wirtschaftlichen Fortschritte – ganz im Gegensatz zu den Jahren 1688-1815, als sechs große Kriege mit einer Dauer von insgesamt 63 Jahren die wirtschaftliche Entwicklung ganz erheblich gebremst hatten. Das britische Empire vergrößerte sich zwischen 1820 und 1913 in territorialer Hinsicht. Nach 1870 verleibte es sich größere Teile Afrikas, darunter Ägypten, Ghana, Kenia, Nigeria, Rhodesien, Sudan, Transvaal, Oranjefreistaat und Uganda, ein. In Asien kamen Aden und die Scheichtümer um Arabien, aber auch Birma, die Malaiischen Staaten, Hongkong und einige pazifische Inseln hinzu. Das britische Empire dehnte seine Herrschaft auch über ganz Indien aus. Die Bevölkerung betrug 1913 in den afrikanischen Territorien rund 52 Millionen, in Asien rund 330 Millionen, in der Karibik rund 1,6 Millionen und in Australien, Kanada, Irland und Neuseeland rund 18 Millionen. Die Gesamt110 Entwicklung des Abendlands und Auswirkungen auf die übrige Welt bevölkerung des Empire belief sich auf 412 Millionen – das heißt, das Zehnfache der Bevölkerung im Mutterland selbst. Den harten Kern des Empire bildete Indien mit drei Vierteln aller Einwohner. Aus den indischen Steuereinnahmen wurde eine große Armee unter britischer Kontrolle unterhalten, die dazu eingesetzt werden konnte, in ganz Asien, im Nahen Osten und schließlich auch in Europa britische Interessen zu verteidigen. Die Vormachtstellung der britischen Marine und ein Netzwerk von Militär- und Marinestützpunkten in Gibraltar, Malta, Zypern, Ägypten, im Suez-Kanal, in Aden und Hongkong gewährleisteten die Sicherheit des Empire. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden erhebliche Änderungen in der britischen Handelspolitik vorgenommen. 1846 wurden die Schutzzölle auf Agrarimporte abgeschafft und 1849 die Navigationsakte aufgehoben. Bis zum Jahr 1860 waren alle Handels- und Zollbeschränkungen einseitig abgeschafft worden. In den Niederlanden wurde eine ähnliche Politik verfolgt. 1860 wurden im Rahmen des Cobden-Chevalier-Vertrags Absprachen über die gegenseitige Liberalisierung der Handelsbeziehungen mit Frankreich getroffen. Frankreich schloss ähnliche Verträge mit Belgien, Italien, Spanien und der Schweiz. Diese Verträge enthielten Meistbegünstigungsklauseln, so dass alle Länder gleichermaßen von der bilateralen Handelsliberalisierung profitierten. Auf dem Kontinent wurde diese Liberalisierung gegen Ende des 19. Jahrhunderts wieder rückgängig gemacht, das Vereinigte Königreich hielt jedoch bis 1931 am Freihandel fest. Der Freihandel wurde auch in Indien und den anderen britischen Kolonien eingeführt ebenso wie im „informellen“ britischen Empire. China, Persien, Thailand und die Türkei waren zwar keine Kolonien, auf Grund von Verträgen, die ihre Hoheitsrechte im Handelsbereich einschränkten und Ausländern exterritoriale Rechte einräumten, jedoch verpflichtet, niedrige Zölle aufrechtzuerhalten. In China übernahm England die Zollverwaltung, um sicherzustellen, dass das Land seinen Schuldendienstverpflichtungen nachkam. Obgleich für das britische Empire ab Mitte des 19. Jahrhunderts das Prinzip des Freihandels galt, wurden die britischen Exporte doch durch das Kolonialsystem begünstigt. In den asiatischen und afrikanischen Ländern hatten britische Interessen im Schifffahrts-, Banken- und Versicherungswesen faktisch eine Monopolstellung inne. Die Kolonien wurden nicht länger durch monopolistische Handelsgesellschaften, sondern durch eine effizient und korruptionsfrei arbeitende Bürokratie des britischen Empire verwaltet, die allerdings von Weißen beherrscht wurde. Diese wohnten in eigenen Wohnbezirken und verkehrten in britischen Clubs, womit britische Waren automatisch den Vorzug hatten und die staatliche Beschaffungspolitik mitunter durch eine recht offene Diskriminierung zu Gunsten britischer Produkte gekennzeichnet war. Die britische Handelspolitik und die Bereitschaft, den Nahrungsmittelbedarf großenteils durch Importe zu decken, hatten sehr günstige Auswirkungen auf die Weltwirtschaft. Der technische Fortschritt wurde dadurch gefördert und stärker verbreitet. Am meisten profitierten hiervon die großen Einwanderungsländer, die über reichliche natürliche Ressourcen verfügten. Aber auch in Indien, dem größten und ärmsten Teil des britischen Empire, machten sich bis zu einem gewissen Grad positive Effekte bemerkbar. Die Beschleunigung des technischen Fortschritts – die die Weltwirtschaft seit Beginn des 19. Jahrhunderts prägt – wird oft als „industrielle Revolution“ bezeichnet. Das Wort „industriell“ deutet jedoch fälschlicherweise an, die Auswirkungen der Innovation seien eng auf einen bestimmten Sektor beschränkt gewesen. In Wirklichkeit wurde ein sehr breites Spektrum wirtschaftlicher Aktivitäten von der technischen Entwicklung erfasst, und es kam überdies zu organisatorischen Verbesserungen, die das Wachstum ebenfalls förderten. Am wichtigsten waren für die weltweite Ausbreitung des Wirtschaftswachstums die Innovationen im Verkehrs- und Kommunikationswesen. 1812 erschien in England das erste Dampfschiff, und in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts verwendeten faktisch alle neuen Schiffe Kohle als Treibstoff. 111 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive 1913 machten Segelschiffe weniger als 2% aller britischen Schiffe aus. Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurden die Schiffsmotoren immer stärker und sparsamer im Verbrauch. Aus Eisen und Stahl konstruierte Schiffe waren bald sehr viel größer, schneller und zuverlässiger als Holzkonstruktionen. Ab 1880 verkehrten regelmäßig Schifffahrtslinien über den Atlantik, die nur zehn Tage für die Strecke von Liverpool nach New York benötigten. Durch die Eröffnung des Suez-Kanals im Jahr 1869 wurde die Strecke von London nach Bombay um 41%, nach Madras um 35%, nach Kalkutta um 32% und nach Hongkong um 26% verkürzt. Dadurch wurden auch die Treibstoffkosten der Dampfschiffe gesenkt, und Segelschiffe hatten wegen der schlechten Windverhältnisse im Kanal das Nachsehen. Mit dem kostengünstigeren und verlässlicheren Passagierschiffsverkehr setzte ein großer Auswanderungsstrom von Europa in die Vereinigten Staaten, nach Kanada, Australien, Neuseeland, Argentinien und Brasilien ein. Die Nettoabwanderung aus dem Vereinigten Königreich in den Jahren 1820 bis 1913 belief sich auf etwa 12 Millionen (davon kam die Hälfte aus Irland). Aus den übrigen europäischen Ländern waren es etwa 14 Millionen. Die Nettoabwanderung aus Indien lag bei über 5 Millionen – wovon etwa 4,5 Millionen nach Birma, Malakka und Sri Lanka, eine drittel Million nach Afrika und eine weitere drittel Million in die Karibik gingen (vgl. Davis, 1951, S. 99-101). Aus China wanderten mehr Menschen in die anderen asiatischen Länder ab als aus Indien (vgl. Purcell, 1965). Durch die Auswanderung aus Westeuropa nach Nordamerika, Lateinamerika und Australien konnten die enormen Naturschätze dieser Länder beschleunigt genutzt werden, womit auch das Einkommen der Auswanderer stieg. Deren Heimatüberweisungen kamen wiederum den jeweiligen Herkunftsländern zugute. Die Auswanderung trug insofern zu einem rascheren Wachstum des Pro-Kopf-Einkommens in Irland und Italien bei, als sie den Arbeitskräfteüberschuss in den verarmten ländlichen Gebieten verringerte (vgl. O’Rourke und Williamson, 1999, S. 155). Auch die Abwanderung aus Indien und China in die südostasiatischen „Überschussabfluss“-Länder (Birma, Malakka, Sri Lanka, Thailand und Vietnam) hatte ähnliche Auswirkungen. Die beschleunigte Entwicklung der Schifffahrts- und Navigationstechnik war die Fortsetzung eines Prozesses, der bereits im 13. Jahrhundert begonnen hatte35. In Bezug auf die Geschwindigkeit konnten sich die amerikanischen Klipperschiffe bis in die sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts mit den Dampfschiffen messen. Beim Transport auf dem Landweg waren die Fortschritte lange Zeit weniger bemerkenswert, erst der Übergang vom Pferdefuhrwerk zur Eisenbahn stellte einen spektakulären Entwicklungssprung dar. Der Eisenbahnverkehr hatte 1826 in Nordengland begonnen, und im Jahr 1913 waren weltweit bereits Schienenstrecken von fast 1 Mio. km Länge in Betrieb. Davon befanden sich nahezu die Hälfte in den Vereinigten Staaten und den anderen großen Einwanderungsländern und weitere 30% in Europa. Länder wie Indien und Argentinien verfügten 1913 jedoch über ein größeres Schienennetz als das Vereinigte Königreich. Die massiven und kostspieligen Eisenbahninvestitionen erschlossen neue Landgebiete und vergrößerten nicht nur den effektiven Umfang der Märkte, sondern auch den Radius der Binnenwanderung und der Urbanisierung. Sie veränderten die ökonomischen Aspekte der industriellen Standortpolitik und boten sehr viel größere Möglichkeiten für die internationale Spezialisierung (eine detailliertere Analyse der sinkenden Transportkosten und ihrer Auswirkungen findet sich in O’Rourke und Williamson, 1999, S. 41-54). Bei der Entwicklung der Eisenbahn spielte England ebenso wie in der Schifffahrt eine führende Rolle, was die Verbreitung und Finanzierung der neuen Technologie anging. Durch die Erfindung der Kühltechnik konnten Fleisch, Molkereiprodukte und Früchte auf dem Bahn- oder Seeweg über weite Strecken transportiert werden. 1870 wurden auf den amerikanischen Schienenstrecken Kühlwaggons eingeführt. 1879 kamen in England die ersten Schiffsladungen mit Gefrierfleisch aus Australien und 1882 dann auch aus Neuseeland an. 1882 wurde in Buenos Aires die erste industrielle Gefrieranlage für die Verschiffung von Fleisch nach England errichtet. 112 Entwicklung des Abendlands und Auswirkungen auf die übrige Welt Tabelle 2.26a Bruttonominalwert des im Ausland investierten Kapitals im Jahr 1914 (in Mio. Dollar zu jeweiligen Wechselkursen) Vereinigtes Königreich Frankreich Deutschland Sonstige Vereinigte Staaten Insgesamt Quelle: Europa Große Einwanderungsländer Lateinamerika Asien Afrika 1 129 5 250 2 979 3 377 709 13 444 8 254 386 1 000 632 900 11 173 3 682 1 158 905 996 1 649 8 390 2 873 830 238 1 913 246 6 100 2 373 1 023 476 779 13 4 664 Insgesamt 18 311 8 647 5 598 7 700 3 514 43 770 Maddison (1995a), S. 63. „Sonstige“ bezieht sich auf Belgien, die Niederlande, Portugal, Russland, Schweden, die Schweiz und Japan. Tabelle 2.26b Bruttonominalwert des im Ausland investierten Kapitals im Jahr 1938 (in Mio. Dollar zu jeweiligen Wechselkursen) Vereinigtes Königreich Frankreich Deutschland Niederlande Sonstigeb Vereinigte Staaten Japan Insgesamt a) b) Europa Große Einwanderungsländer Lateinamerika Asien Afrika Insgesamt a 1 139 1 035 274 1 643 1 803 2 386 53 8 331 6 562 582 130 1 016 1 143 4 454 48 13 935 3 888 292 132 145 820 3 496 1 8 774 3 169 906 140 1 998 101 997 1 128 8 439 1 848 1 044 – 16 646 158 – 3 712 17 335 3 859 676 4 818 4 579 11 491 1 230 43 988 Beinhaltet nicht nach Regionen aufgeschlüsselte Investitionen, wovon 729 auf das Vereinigte Königreich entfallen. Umfasst 19 europäische Länder. Quelle: Vereinigtes Königreich: vgl. Bank of England, United Kingdom Overseas Investments 1938 to 1948, London, 1950, S. 14; alle anderen Länder: vgl. C. Lewis, The United States and Foreign Investment Problems, Brookings, Washington, 1948, S. 292 und 294. Tabelle 2.27 Bruttonominalwert des in neun wichtigen Empfängerländern investierten Auslandskapitals, 1913 Insgesamt (in Mio. $ zu jeweiligen Wechselkursen) Pro Kopf (in $) China Indien Indonesien 1 600 2 100 600 3.7 6.9 12.0 Argentinien Brasilien Mexiko 3 136 1 932 1 700 409.8 81.7 113.6 Australien Kanada Südafrika 1 800 3 850 1 650 373.4 490.3 268.2 Quelle: Bestand an Auslandskapital (Portfolio- und Direktinvestitionen) vgl. Maddison (1989), S. 45. Bevölkerung vgl. Anhang A. 113 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive England richtete 1840 eine moderne Postverwaltung mit einem einheitlichen Gebührensystem für die gesamte Brief- und Paketpost im Vereinigten Königreich ein und nutzte die neuen Möglichkeiten der Eisenbahn dazu, die Postzustellung gegenüber dem Transport per Postkutsche zu beschleunigen. Die Einführung des Telegrafen in den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts hat die Kommunikation im Unternehmens- und Staatssektor jedoch noch sehr viel tiefgreifender verändert. 1870 stand das Vereinigte Königreich mit Indien und Nordamerika bereits ständig in direktem Kontakt. Diese Innovation hat die Integration der internationalen Finanzmärkte wesentlich vorangetrieben, da hierdurch Informationen nahezu augenblicklich verfügbar waren. 1913 wurde die Rolle des Telegrafen noch durch die Erfindung des Telefons und die ersten Entwicklungen im Bereich des Funkverkehrs verstärkt. Die Innovationen im Kommunikationswesen leisteten einen wichtigen Beitrag zur Verbindung der nationalen Kapitalmärkte untereinander und erleichterten den internationalen Kapitalverkehr. Das Vereinigte Königreich nahm dank der Solidität seines öffentlichen Kredit- und seines Währungssystems, der Größe seines Kapitalmarkts und seiner Staatsverschuldung sowie des Festhaltens an dem 1821 zur Stabilisierung seiner Währung eingeführten Goldstandard bereits einen wichtigen Platz in der internationalen Finanzwelt ein. Mit dem Empire war ein System der Eigentumsrechte geschaffen worden, das als ebenso sicher galt wie die Schutzrechte, von denen die Anleger in britische Wertpapiere profitierten. Das Vereinigte Königreich war ein wohlhabendes Land, das sich der damals modernsten Technologien bediente, so dass ausländische Kapitalanlagen selbst dann attraktiv waren, wenn die zusätzliche Gewinnspanne nur gering war. Nach 1870 kam es zu einem massiven Abfluss britischen Kapitals nach Übersee. Etwa die Hälfte der englischen Ersparnis wurde im Ausland investiert. Auch die französischen, deutschen und holländischen Investitionen erreichten ein erhebliches Ausmaß. 1913 beliefen sich die britischen Vermögenswerte im Ausland auf das Eineinhalbfache des BIP, und dank der so erzielten Kapitaleinkommen war das Volkseinkommen um über 9% höher als das BIP. Tabelle 2.26a zeigt Herkunftsund Bestimmungsländer dieser ausländischen Kapitalströme im Jahr 1914. Der Kapitalverkehr leistete einen wesentlichen Beitrag zum Wirtschaftswachstum in Australien, Kanada, Neuseeland, Argentinien, Südbrasilien, Uruguay, Russland und Südafrika. In Asien war der Pro-Kopf-Effekt jedoch nur gering (vgl. Tabelle 2.27). Bei den Investitionen handelte es sich zum größten Teil um Obligationen, wovon ein beträchtlicher Teil zur Finanzierung der Eisenbahnen diente. Von 1870 bis 1913 erhöhte sich das Pro-Kopf-BIP weltweit um 1,3% jährlich (verglichen mit 0,5% in den Jahren 1820-1870 und 0,07% in den Jahren 1700-1820). Diese Beschleunigung war durch den rascheren technologischen Fortschritt und die Diffusionskräfte bedingt, die durch die vor allem vom Vereinigten Königreich etablierte liberale Wirtschaftsordnung freigesetzt wurden. Es handelte sich zwar nicht um einen Prozess der weltweiten Angleichung (vgl. Tabelle 3 über die Ausweitung des interregionalen Einkommensgefälles), doch wurden gleichwohl in allen Erdteilen erhebliche Einkommenszuwächse verzeichnet. Im Jahr 1913 war das Einkommensniveau in Australien und in den Vereinigten Staaten höher als im Vereinigten Königreich. In den meisten west- und osteuropäischen Ländern, in Irland, in allen großen Einwanderungsländern, in Lateinamerika und Japan übertraf das Wachstum das des Vereinigten Königreichs. In Indien, den übrigen asiatischen Ländern (ausgenommen China) und in Afrika waren die Steigerungsraten sehr viel bescheidener. Dennoch weitete sich das Pro-Kopf-Einkommen zwischen 1870 und 1913 um über ein Viertel aus. Im Weltdurchschnitt wie auch in fast allen Ländern expandierte der Handel in den Jahren 1870 bis 1913 rascher als das Einkommen (vgl. Tabelle 3.2a und F.4). In all diesen Bereichen hatte sich die Situation gegenüber dem 18. Jahrhundert, als der Sklavenhandel von seinem Ausmaß her die Wanderungsbewegungen übertraf, die Kapitalflüsse und der Technologietransfer nur begrenzt ins Gewicht fielen und eine Handelspolitik nach den Gesichtspunkten der Beggar-your-Neighbour-Politik betrieben wurde, ganz erheblich verbessert. 114 Entwicklung des Abendlands und Auswirkungen auf die übrige Welt Keynes (1920, S. 7) zeichnet ein anschauliches Bild vom Lebensstil der Patrizier und von den Möglichkeiten, über die in England Menschen seines Milieus gegen Ende der liberalen Ära verfügten: „Der Bewohner Londons konnte, seinen Morgentee im Bette trinkend, durch den Fernsprecher die verschiedenen Erzeugnisse der ganzen Erde in jeder beliebigen Menge bestellen und mit gutem Grund erwarten, dass man sie alsbald an seiner Tür ablieferte. Er konnte im selben Augenblick und auf demselben Wege seinen Reichtum in den natürlichen Hilfsquellen und neuen Unternehmungen jeder Weltgegend anlegen ... Er konnte nach Wunsch sofort billige und bequeme Verkehrsgelegenheiten nach jedem Lande oder Klima ohne Pässe und andere Förmlichkeiten bekommen, seinen Dienstboten zu einer benachbarten Bankstelle nach so viel Edelmetall schicken, wie er brauchte, und dann nach fremden Gegenden reisen, ohne ihre Religion, ihre Sprache oder ihre Sitten zu kennen, nur mit seinem gemünzten Reichtum in der Tasche, und sich bei dem geringsten Hindernis schwer beleidigt und höchlich überrascht dünken. Aber – und das ist wichtiger als alles – er betrachtete diesen Zustand der Dinge auch als normal, sicher und dauernd ...“ Kriege, Weltwirtschaftskrise und Zerfall des Empire, 1913-1950 Nun folgten schwierige, düstere Jahre, stark geprägt durch die Schockwirkungen zweier Weltkriege und die Wirtschaftskrise der Zwischenkriegszeit36. Die liberale Wirtschaftsordnung war in ihren Grundfesten erschüttert. Im Verhältnis zum weltweiten Einkommen hatte der Welthandel 1950 im Vergleich zu 1913 stark an Volumen eingebüßt. Die internationalen Wanderungsbewegungen machten nur noch einen Bruchteil von dem aus, was sie im 19. Jahrhundert gewesen waren. Ein Großteil der ausländischen Vermögenswerte der westeuropäischen Länder war verkauft, beschlagnahmt oder zerstört. Die Kolonialreiche waren dahingeschwunden oder in einem fortgeschrittenen Stadium der Auflösung begriffen. Trotz dieser verheerenden Erschütterungen und der tiefgreifenden Neuorientierungen der Wirtschaftspolitik und ihrer Instrumente waren die Auswirkungen auf das Weltwirtschaftswachstum weniger stark, als eigentlich zu erwarten gewesen wäre, da die technologische Entwicklung im 20. Jahrhundert sehr viel rascher voranschritt als im 19. Jahrhundert. Die Entwicklung des Automobils setzte die vorangegangene Revolution im Verkehrswesen fort. Die Zahl der Passagierfahrzeuge in Westeuropa erhöhte sich zwischen 1913 und 1950 von etwa 300 000 auf nahezu 6 Millionen und in den Vereinigten Staaten von 1,1 Millionen auf 40 Millionen (vgl. Maddison, 1995a, S. 72). Parallel dazu wurde der Güterverkehr auf die Straße verlagert, und in der Landwirtschaft war der Ersatz von Pferden durch Traktoren von großer Tragweite. Die Luftfahrt war vor 1950 vor allem für die Kriegsführung von Bedeutung, doch war schon damals klar, dass die dadurch möglich werdende Verringerung der Entfernungen wichtige wirtschaftliche Folgen haben würde. Die Nutzung der Elektrizität zur Wärme-, Licht- und Stromerzeugung hatte ebenfalls massive Auswirkungen in allen Bereichen. „Die Elektrizität befreite Maschinen und Werkzeuge von ihrer Ortsgebundenheit; Strom war überall verfügbar und für jedermann erreichbar“ (Landes, 1966, S. 509). So entstand eine neue Form von Fabriken, wo Automobile und eine Vielzahl von neuen Haushaltsgeräten – Nähmaschinen, Kühlschränke, Waschmaschinen, Staubsauger, Radios und Fotoapparate – montiert und in Massenproduktion hergestellt werden konnten. Dank der Elektrizität verbreitete sich eine äußerst populäre neue Form der Unterhaltung – das Kino. Bahnbrechende Fortschritte wurden in der Chemie erzielt. Sie ermöglichten die Herstellung von synthetischen Stoffen, Düngemitteln und Medikamenten, was mit tiefgreifenden Folgen für das wirtschaftliche Potential und das Gebiet der Medizin verbunden war. 115 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Die führende Rolle bei der Entwicklung der Technologien des 20. Jahrhunderts spielten die Vereinigten Staaten, die im Hinblick auf Produktivität und Pro-Kopf-Einkommen weltweit die erste Stelle eingenommen hatten. Die Triebkräfte der Innovation hatten sich seit dem 19. Jahrhundert verändert: Der Einzelerfinder trat in den Hintergrund, und das Schwergewicht lag stattdessen auf der angewandten Forschung, in der die Vereinigten Staaten die Pionierrolle spielten. Die Innovation wurde auf eine Art und Weise institutionalisiert, wie dies im Vereinigten Königreich nie geschehen war. 1913 gab es im amerikanischen Verarbeitenden Gewerbe etwa 370 Forschungseinheiten mit 3 500 Beschäftigten. 1946 waren es bereits 2 300 Einheiten mit 118 000 Beschäftigten, und im amerikanischen Verarbeitenden Gewerbe entfielen vier wissenschaftliche Arbeiter auf je 1 000 Lohnempfänger – das heißt: fünfmal soviel wie im Vereinigten Königreich. In den USA spielte die staatlich finanzierte Forschung in der Landwirtschaft und im Bergbau eine sehr viel bedeutendere Rolle als im Vereinigten Königreich, und die Verbindungen zwischen Unternehmen und Hochschulen waren enger (vgl. Mowery und Rosenberg, 1989). Die Vereinigten Staaten entwickelten neue Formen der professionellen Unternehmensführung, bei denen große Unternehmen eine strategische Rolle bei der Standardisierung und Erweiterung der Märkte spielten. Aus zahlreichen unterschiedlichen Betriebseinheiten bestehende Firmen koordinierten Werbung, Verpackung, Transport, Absatz und Vermarktung. Sie investierten massiv in eine Vielzahl neuer Industriezweige, wodurch sie die Risiken streuten und die Produktivität erhöhten. Es ist nicht einfach, das Tempo des technischen Fortschritts oder seine Beschleunigung insgesamt abzuschätzen; einen Annäherungswert liefert jedoch die Zuwachsrate der gesamten Faktorproduktivität (Reaktion der Produktion auf die kombinierten Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital) des führenden Landes mit dem höchsten Produktivitätsniveau. 1913 waren es die Vereinigten Staaten und nicht mehr Großbritannien, die die modernsten Techniken zum Einsatz brachten. Zwischen 1913 und 1950 wuchs die gesamte Faktorproduktivität in den Vereinigten Staaten um 1,6% jährlich, also viermal so rasch wie in den USA oder im Vereinigten Königreich in den Jahren 1870-1913. Dies war die erste Etappe eines Technologiebooms, der die nächsten 60 Jahre hindurch andauern sollte. Auch im Vereinigten Königreich hat sich das gesamte Faktorproduktivitätswachstum von 1913 bis 1950 beschleunigt, allerdings nicht so stark wie in den Vereinigten Staaten (vgl. Maddison 1995a, S. 40-50 und S. 252-255). In den meisten westeuropäischen Ländern kam es gleichzeitig auch zu einem rascheren Wachstum der Arbeitsproduktivität (vgl. Anhang E, Tabelle E.8). Die Bedeutung dieser Beschleunigung für das Wachstumspotential wurde verschleiert durch das Verhalten der Vereinigten Staaten in der Zwischenkriegszeit wie auch durch das Wesen der amerikanischen Wirtschaftspolitik. In den dreißiger Jahren hatten die tiefe wirtschaftliche Depression in Amerika, die durch die Erhöhung seiner Zolltarife und den Rückzug der USA aus Auslandsinvestitionen noch verstärkt wurde, starke deflationäre Impulse für die Weltwirtschaft zur Folge. In Europa wurde das Wachstumspotential durch die beiden Weltkriege, in denen massive Ressourcen zum Zweck der wechselseitigen Zerstörung der Krieg führenden Länder eingesetzt wurden, im Keim erstickt. Die Verluste der britischen Truppen beliefen sich im Ersten Weltkrieg auf 750 000 Soldaten und 7,8 Mio. Tonnen an Schiffsmaterial (vor allem durch U-Boot-Angriffe). Proportional gesehen waren diese Verluste jedoch weit geringer als die Frankreichs, Deutschlands und Russlands. Der Nominalwert des britischen Auslandsvermögens war bei Kriegsende mehr oder minder unverändert gegenüber 1914, während das deutsche Vermögen in Form von Reparationszahlungen konfisziert wurde und zwei Drittel der französischen Vermögensbestände durch die Inflation und die Zahlungsunfähigkeit Russlands verloren gingen. Großbritannien vergrößerte seine überseeischen Besitzungen durch Akquisition der ehemaligen deutschen Kolonien in Tanganjika und Namibia und durch Übernahme der ehemaligen türkischen Besitzungen im Nahen Osten (Irak, Jordanien und Palästina); jedoch wurde ein großer Teil Irlands zu einer unabhängigen Republik. 116 Entwicklung des Abendlands und Auswirkungen auf die übrige Welt In den zwanziger Jahren wurde das britische Wirtschaftswachstum durch eine stark deflationäre Wirtschaftspolitik gebremst, durch die die Löhne gesenkt und das überbewertete Pfund Sterling auf seiner Vorkriegsparität gehalten werden sollte. Zweck dieser Maßnahmen war es, London wieder zu dem internationalen Finanzzentrum zu machen, das es vor dem Krieg gewesen war, und die Interessen der Anleger zu verteidigen, die auf Pfund Sterling lautende Papiere besaßen. Das führte zu hoher Arbeitslosigkeit und Wettbewerbsverlusten auf den Exportmärkten. In den zwanziger Jahren schnitt Großbritannien im Hinblick auf BIP und Exportwachstum unter allen westeuropäischen Ländern am schlechtesten ab. Die Wirtschaftskrise der dreißiger Jahre hatte eine Abwertung des Pfund Sterling, drastische Zinssenkungen, die Abkehr vom Freihandel und die Schaffung eines Netzwerks von Präferenzzöllen innerhalb des britischen Empire zur Folge. Mit diesen Maßnahmen konnten die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise auf die englische Wirtschaft gedämpft werden. Die Wohnungsbauinvestitionen, die in den zwanziger Jahren durch die hohen Zinssätze gebremst worden waren, reagierten positiv auf die Zinssatzsenkung. Ein völliger Zusammenbruch des Bankensystems, wie in den Vereinigten Staaten, Deutschland und Österreich, fand in England in dieser Form nicht statt. Die Exporte in das britische Empire wurden durch die Pfundabwertung und das System der Zollpräferenzen gestützt. Infolgedessen nahmen die Konsequenzen der Weltwirtschaftskrise im Vereinigten Königreich eine mildere Form an als in allen anderen westeuropäischen Ländern (mit Ausnahme Dänemarks). Im Zweiten Weltkrieg war England wesentlich näher daran, den Krieg zu verlieren als im Ersten, da Deutschland in seinem Blitzkrieg den gesamten westeuropäischen Raum in seine Gewalt gebracht hatte. Dass der Krieg letztlich doch mit einem Sieg endete, war der sehr intensiven Ressourcenmobilisierung im Inland, der Veräußerung ausländischer Vermögenswerte, der finanziellen, materiellen und militärischen Hilfe der USA, Kanadas, Indiens und Australasiens sowie dem russischen Widerstand gegen die deutsche Armee an der Ostfront zu verdanken. Der Krieg hat die ökonomischen Grundlagen des Empire verändert. Japan eroberte rasch die britischen Kolonien in Ostasien, die nicht angemessen verteidigt werden konnten. Angesichts der Stärke der nationalistischen Bewegung war es politisch nicht länger möglich, die Militärausgaben in Indien aus lokalen Steuern zu bestreiten; fortan mussten sie vielmehr durch Kreditaufnahme finanziert werden. Indien war dadurch in der Lage, 1,2 Mrd. $ seiner Vorkriegsschulden zu begleichen und ein Sterling-Guthaben im Wert von über 5 Mrd. $ zu erwerben. Die Kosten für die Erhaltung des Empire überwogen nunmehr ganz erheblich den Nutzen, und die Beschleunigung des technischen Fortschritts erhöhte die Attraktivität von Inlandsinvestitionen. Großbritannien zog sich 1947 aus Indien und 1948 aus Sri Lanka und Birma zurück. Der Rückzug aus den afrikanischen Kolonien folgte wenige Jahre später, nachdem die Vereinigten Staaten 1956 den Rückzug der britischen Streitkräfte aus Ägypten gefordert hatten. Damit war die britische Kolonialherrschaft, ebenso wie die Belgiens, Frankreichs, der Niederlande und Japans, zu Ende. Im Westen hatten die Vereinigten Staaten die Vormachtstellung erlangt und wetteiferten mit dem Ostblock unter sowjetischer Führung um den Einfluss in den neuen unabhängigen afrikanischen und asiatischen Staaten. Der wirtschafts- und handelspolitische Kurs der Vereinigten Staaten gegenüber dem Ausland unterschied sich stark von dem der Vorkriegszeit. Die USA unternahmen beträchtliche Anstrengungen zur Technologieverbreitung, zur Förderung von Kapitalabflüssen und zur Liberalisierung des Welthandels. Diese Neuorientierung zeigte sich bereits 1948 in der Marshallplan-Hilfe für den Wiederaufbau in Europa. 117 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive X Die Auswirkungen der britischen Expansion in den amerikanischen, afrikanischen und asiatischen Staaten Als größter Inselstaat Europas hat sich Großbritannien von jeher stark in Übersee engagiert. Bis zum 11. Jahrhundert war Großbritannien Zielscheibe für Eroberungen und Invasionen barbarischer Völker. Unter der Herrschaft des normannischen Königshauses und des Hauses Plantagenet unternahm England zwischen dem 12. und 15. Jahrhundert mehrfach den Versuch, Territorien in Frankreich zu erobern. In der Folgezeit war England in zahlreiche Kriege in Europa, vor allem mit Spanien, Frankreich und den Niederlanden, verwickelt, die der Verfolgung wirtschaftlicher oder diplomatischer Ziele dienten. Mitte des 16. Jahrhunderts wurde die Idee möglicher Eroberungen in Kontinentaleuropa fallen gelassen. England entwickelte zwar auch Handelsbeziehungen im baltischen Raum und im Mittelmeer, doch konzentrierten sich seine Ambitionen auf Amerika und Asien. In Afrika galt sein einziges wirkliches Interesse bis zum 19. Jahrhundert dem Sklavenhandel. Die wichtigsten Aktivitäten Englands außerhalb Europas bestanden im 16. Jahrhundert vorwiegend in Freibeuterei bzw. Erkundungsreisen, auf denen die Möglichkeiten für die Entwicklung eines Kolonialreichs erforscht werden sollten. Das kühnste Unterfangen war in diesem Zusammenhang die Unterstützung der Expedition von Francis Drake von 1577 bis 1580 durch das englische Königshaus. Drake segelte mit fünf Schiffen und 116 Mann durch die Magellanstraße, kaperte und plünderte vor der chilenischen und peruanischen Küste mit Schätzen beladene spanische Schiffe und knüpfte auf dem Rückweg nützliche Kontakte auf den Gewürzinseln des Molukken-Archipels, auf Java, dem Kap der Guten Hoffnung und in Guinea an. Die Freibeuterei und die Unterstützung der niederländischen Republik durch England führten 1585 zum Krieg mit Spanien, der zwanzig Jahre dauern sollte. Zu diesem Zeitpunkt waren Englands Stärke auf den Meeren und seine seefahrerischen Kenntnisse bereits genügend entwickelt, um die spanische Armada zu schlagen – eine aus 130 Schiffen bestehende Kriegsflotte, die von Cadiz aus mit einer Flotte kleinerer Kriegsschiffe in den spanischen Niederlanden zusammentreffen sollte. Der britische Sieg bei Gravelines verhinderte jedoch dieses Zusammentreffen und zwang die spanische Flotte, über die Nordwestküste von Schottland den Rückweg anzutreten. Spanien verlor mehr als die Hälfte seiner Flotte, und es war somit klar, dass Großbritannien nun über hinreichende Macht zur See verfügte, um sich an größere Unternehmungen in Amerika und Asien zu wagen. Angesichts der großen Vielfalt der überseeischen Unternehmungen und der Tatsache, dass sie einen größeren Umfang erreichten als die aller anderen europäischen Mächte, kann hier naturgemäß nur ein selektiver Überblick gegeben werden, der wie folgt in vier Themenkreise untergliedert ist: a) Entwicklung der Zuckerrohrkolonien in der Karibik und Beteiligung an dem damit verbundenen Handel mit Sklaven aus Afrika ab 1620; b) zwischen 1607 und 1713 Besiedlung der 13 nordamerikanischen Kolonien, aus denen dann 1776 die Vereinigten Staaten wurden; c) Gründung einer ostindischen Handelskompanie im Jahr 1600 und Vereinnahmung Indiens als Teil des britischen Empire ab 1757; d) China wird zum Handel mit England gezwungen; Begründung eines Systems des Freihandelsimperialismus und Einrichtung von Vertragshäfen. 118 Entwicklung des Abendlands und Auswirkungen auf die übrige Welt a) Die Karibik und der Sklavenhandel Die Karibischen Inseln waren die ersten spanischen Besitzungen in Amerika. Die Arawaks, d.h. die Eingeborenen von Hispaniola (Haiti und Dominikanische Republik), waren durch Krankheiten bald ausgerottet und die Kariben auf den Antillen wurden ebenfalls stark dezimiert. Nachdem aber um die Mitte des 16. Jahrhunderts die Silberminen erstmals in großem Maßstab ausgebeutet wurden, verlagerten sich die spanischen Interessen auf Peru und Mexiko. England eroberte 1627 die unbewohnte Insel Barbados und legte Tabakplantagen an, die zunächst von weißen Siedlern bewirtschaftet wurden, die sich für einen festen Zeitraum als Arbeitskräfte verpflichten mussten, um so die Kosten ihrer Überfahrt abzuarbeiten, die sie nicht selbst hatten finanzieren können (indentured workers). Von holländischen Seefahrern, die mit brasilianischem Zucker handelten, stammte die Idee, zur Arbeit auf den karibischen Zuckerrohrplantagen Sklaven einzusetzen. Nach ihrer Vertreibung aus Brasilien legten holländische Unternehmer Zuckerrohrplantagen auf Barbados an. Da genügend Wasser auf der Insel vorhanden war und die günstigen Windverhältnisse eine rasche Überfahrt nach Europa ermöglichten, war Barbados die größte englische Zuckerrohrkolonie, bevor sich die Briten 1655 des zuvor in spanischem Besitz befindlichen Jamaikas bemächtigten. Ebenfalls mit Hilfe der Holländer wurden von den Franzosen Zuckerrohrplantagen auf Martinique und Guadeloupe angelegt, zu denen später noch weit größere Anbaugebiete auf Saint Domingue (Haiti) hinzukamen. Die Niederländer wurden aus den englischen und französischen Kolonien vertrieben und bauten in bescheidenerem Umfang eine Zuckerindustrie in Suriname auf. 1763 dehnte England seine Herrschaft auf einige zuvor in französischem Besitz befindliche Inseln aus (St. Vincent, Grenada, Dominica und Tobago), und 1727 vertrieb es die Spanier aus Trinidad. Mit Hawkins stieg 1562 auch England erstmals in den Sklavenhandel ein. Die englische Teilnahme an diesem Handel erreichte im 17. und 18. Jahrhundert ihren Höhepunkt, wo England zum größten Betreiber von Sklavenschiffen wurde und insgesamt 2,5 Millionen Afrikaner nach Amerika transportierte (vgl. Tabelle 2.5). Seinen größten Umfang erreichte der Sklavenhandel auf den Antillen. Im 17. Jahrhundert nahmen die Engländer Sierra Leone und die nördliche Küste von Guinea als Nachschubgebiete für sich in Anspruch, während die Franzosen ihre Sklaven vorwiegend aus der Region Senegal-Gambia bezogen und die Holländer sich auf die Goldküste konzentrierten. Die Portugiesen holten sich die Sklaven für den Handel zwischen Afrika und Brasilien weiter südlich in Angola. Die Royal Africa Company hatte von 1672 bis 1698 das Monopol für den britischen Sklavenhandel inne; im 18. Jahrhundert wurde dieser Handel dann jedoch zumeist von „Einzelunternehmern betrieben, die eine oder mehrere Sklavenfahrten durchführten“ (vgl. Klein, 1999, S. 80). Außer von europäischen Händlern wurde der Sklavenhandel auch von Kaufleuten aus Neuengland, Virginia, den Westindischen Inseln und Brasilien finanziell unterstützt. Die Sklavenhändler finanzierten ihre Sklavenkäufe meist mit Handelsgütern (ostindische Stoffe, Alkohol, Tabak, Stabeisen, Waffen, Schmuck oder Kaurimuscheln von den Malediven, die in Afrika als Zahlungsmittel dienten). „In der großen Mehrheit aller Fälle befanden sich die Sklaven vor ihrem Verkauf an die Schiffskapitäne im Gewahrsam afrikanischer Sklavenhändler: Diese Sklavenfänger kamen in einem relativ stetigen und berechenbaren Strom zu den bekannten Umschlagplätzen an der Küste oder den Flussmündungen. Die europäischen Händler hielten sich meist einige Monate an der Küste auf oder zogen flussaufwärts, um die Sklaven in kleinen Gruppen in Empfang zu nehmen“ (Klein, 1999, S. 90-91). Bei den afrikanischen Sklaven handelte es sich zu einem Großteil um Gefangene aus Stammesfehden, eine Form des Tributs, der von unterworfenen Stämmen entrichtet wurde, bzw. um verurteilte Verbrecher. Darüber hinaus wurden in Afrika aber auch groß angelegte Sklavenjagden veranstaltet bzw. Sklaven einzeln entführt. Klein (1999, S. 129) schätzt, dass von den 18 Millionen afrikanischen Sklaven, die von 1500 bis 1900 verschleppt wurden, „11 Millionen der atlantischen Wirtschaft zugeführt wurden. Die anderen wurden über den Indischen Ozean oder über die Sahara auf Sklavenmärkte im Orient gebracht“. 119 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle 2.28 Bevölkerung der britischen Kolonien und ehemaligen britischen Besitzungen in Amerika, 1750 and 1830 (in Tausend) 1750 1830 A. 19 karibische Sklaven- und Zuckerinseln Insgesamt 1625 St. Kitts 1627 Barbados 1632 Antigua 1655 Jamaika 1763 Grenada 1797 Trinidad 1803 Britisch-Guayana 12 sonstige Inseln Insgesamt (19) 21.8 63.4 31.1 127.9 12.0 0.3 8.0 66.0 371.2 Sklaven in % Insgesamt 88.3 78.9 89.3 90.1 87.3 42.4 91.0 79.4 85.3 23.4 102.2 37.0 378.1 28.4 42.1 100.6 132.1 843.7 Sklaven in % 81.6 80.3 80.0 84.4 84.1 54.1 88.1 75.6 81.2 B. 13 nordamerikanische Kolonien und USA Insgesamt 1679 New Hampshire 1620 Massachusetts 1635 Connecticut 1644 Rhode Island 1664 New York 1664 New Jersey 1681 Pennsylvania 1704 Delaware 1632 Maryland 1607 Virginia 1662 Nordkarolina 1662 Südkarolina 1713 Georgia 13 Bundesstaaten insgesamt Sonstige Bundesstaaten Insgesamt 27.5 188.0 111.3 33.2 76.7 71.4 119.7 28.7 141.1 231.0 73.0 64.0 5.2 1 170.8 Schwarze in % Insgesamt 2.0 2.2 2.7 10.1 14.4 7.5 2.4 5.2 30.8 43.9 27.1 60.4 19.2 20.2 269 610 298 97 1 919 321 1 348 77 447 1 221 738 581 517 8 443 4 458 12 901 Schwarze in % 0.4 1.1 2.7 4.1 2.3 6.5 2.8 24.7 34.9 42.6 35.9 55.6 42.6 19.2 15.7 18.1 C. Kanada 1713 Nova Scotia 1759 Ober- und Unter-Kanada Sonstige Provinzen Kanada insgesamt Quelle: 143 612 83 838 Feld A: Higman (1996), S. 302. Links steht das Jahr, in dem die Kolonie erworben wurde. Feld B: Historical Statistics of the United States (1975) Teil l, S. 14, S. 24–37 für 1830, Teil 2, S. 1168 für 1750. Links steht das Jahr, in dem die Kolonie erworben wurde, die Gebiete sind in der Reihenfolge von Norden nach Süden angeführt. Die gesamte schwarze Bevölkerung lag 1830 bei 2,3 Millionen, wovon 2 Millionen Sklaven waren (15.6% der Gesamtbevölkerung der USA). Feld C: Pebrer (1833), S. 386, die Zahlen beziehen sich auf 1829. Eine normale Schiffsladung bestand aus 400 bis 500 Sklaven. Klein (1999, S. 139) schätzt die Sterblichkeitsrate bei der Überfahrt nach Amerika in der Zeit von 1590 bis 1867 auf 12% und vergleicht dies mit der Sterblichkeitsrate von 10%, wie sie in den Jahren 1787-1800 auf den Sträflingsschiffen während der noch längeren Überfahrt nach Australien beobachtet wurde. 120 Entwicklung des Abendlands und Auswirkungen auf die übrige Welt Die Fahrt der Sklavenschiffe von Europa nach Afrika, nach Westindien und zurück dauerte durchschnittlich etwa 20 Monate, einschließlich eines Aufenthalts von mehreren Monaten für die Zusammenstellung einer Schiffsladung in Afrika sowie von zwei Monaten für die Reise nach Westindien. Nach den Angaben für die englischen und französischen Überfahrten dürften die Kosten der Handelsgüter das Doppelte der Überfahrtskosten, Versicherungsspesen und Soldkosten für die Besatzungsmitglieder ausgemacht haben. Laut Klein (1999, S. 125) machten Ende des 18. Jahrhunderts europäische Handelsgüter weniger als 5% des Einkommens der westafrikanischen Staaten aus. Seiner Ansicht nach „dürften die Gewinne aus dem Sklavenhandel nach europäischen Maßstäben nicht außergewöhnlich hoch gewesen sein. Die durchschnittliche Gewinnrate von 10% galt damals als sehr guter Ertrag, war aber im Vergleich zu anderen zeitgenössischen Investitionen keineswegs ungewöhnlich“ (S. 98 ff.)“. Der transatlantische Sklavenhandel hatte starke Auswirkungen auf das afrikanische Bevölkerungswachstum. Zwischen 1700 und 1800 wuchs die Bevölkerung in Afrika von 61 auf 70 Millionen (vgl. Tabelle B.9a). In der gleichen Zeit wurden von den Sklavenhändlern 6,1 Millionen Sklaven in die amerikanischen Staaten verschifft. Bei einer Sterblichkeitsrate von 12% während der Überfahrt bedeutete dies den effektiven Transport von etwa 6,9 Millionen Sklaven. Berücksichtigt man die „Geburtsausfallraten“, so wäre das afrikanische Bevölkerungswachstum ohne den transatlantischen Sklavenhandel u.U. dreimal so hoch gewesen. Ohne die Sklavenexporte in die amerikanischen Staaten wäre das Wirtschaftswachstum in den karibischen Staaten, Virginia, Maryland, Nord- und Südkarolina wesentlich geringer ausgefallen. Mit weniger hohen Gewinnüberweisungen aus den Kolonien an das Mutterland und ohne das Einkommen aus dem Sklavenhandel wäre die englische Wirtschaft langsamer gewachsen, und der Zuckerverbrauch in Europa wäre weit geringer gewesen. Zudem hätte dies auch negative Auswirkungen auf die Kolonien in Neuengland gehabt, da deren Wohlstand z.T. den Warenexporten und dem Schiffsverkehr nach den Westindischen Inseln zu verdanken war. England schaffte 1807 den Sklavenhandel und 1833 die Sklaverei ab. Die Sklavenbesitzer erhielten Kompensationszahlungen in Höhe von 20 Millionen Pfund, während die Sklaven selbst leer ausgingen. Nach dem erfolgreichen Sklavenaufstand in Haiti, der 1804 mit der Unabhängigkeit der Insel endete, verlor Frankreich seine wichtigste Zuckerrohrkolonie. In Frankreich wurden der Sklavenhandel 1817 und die Sklaverei 1848 abgeschafft. Die Abschaffung der Sklaverei in Großbritannien war zu einem guten Teil den humanitären Reformbewegungen zuzuschreiben, denen es gelang, die öffentliche Meinung davon zu überzeugen, dass diese widerwärtige Form der Ausbeutung ein Ende haben musste. Der Erfolg der Unabhängigkeitsbewegungen in Nordamerika 1783 und in Lateinamerika in den zwanziger Jahren des 18. Jahrhunderts, der erfolgreiche Sklavenaufstand in Haiti und die fehlgeschlagene Revolte in Jamaika von 1831-1832 zwang die Pflanzer zu der Einsicht, dass ihre Tage gezählt waren und dass es in ihrem eigenen Interesse war, die Sklaven gegen Entschädigungen freizulassen. Brasilien führte bis in die fünfziger Jahre des 19. Jahrhunderts weiter Sklaven ein, bis dem Sklavenhandel durch eine Intervention der britischen Marine ein Ende gesetzt wurde. Brasilien hielt bis 1888 an der Sklaverei fest. Nachdem Spanien bis 1789 Beschränkungen für Sklavenimporte in seine Kolonien festgesetzt hatte, liberalisierte es in der Folgezeit den Zugang für alle Sklavenhändler. Im 19. Jahrhundert unternahm Spanien einen bedeutenden Vorstoß, um die Zuckerproduktion in Kuba und Puerto Rico zu erhöhen (die einzigen amerikanischen Kolonien, die in Spaniens Besitz blieben, nachdem die anderen die Unabhängigkeit erhalten hatten). 1873 wurde die Sklaverei in Puerto Rico und 1880 in Kuba abgeschafft. 1894 lag die Zuckerproduktion in Kuba bei 1,1 Mio. Tonnen, in der britischen Karibik bei 260 000 Tonnen, in der französischen Karibik bei 79 000 Tonnen, in Puerto Rico bei 49 000 Tonnen und in Suriname bei 8 000 Tonnen (vgl. Williams, 1970, S. 378). 121 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Als Ersatz für die Arbeitskräfteimporte aus Afrika wurden 1838 erstmals Arbeitsverpflichtete aus Indien nach Britisch Guayana gebracht. Zwischen diesem Zeitpunkt und 1914 betrug der in den britischen Karibikstaaten verzeichnete Zustrom von Indern insgesamt 450 000. Zahlreiche Javanesen wurden nach Suriname verbracht, und Kuba importierte von 1849 bis 1875 150 000 Chinesen unter ähnlichen Bedingungen. Nach Abschaffung der Sklaverei stiegen jedoch die Kosten der karibischen Zuckerwirtschaft, wodurch ihre Wettbewerbsposition geschwächt wurde. 1787 entfielen auf die karibischen Staaten 90% der weltweiten Zuckerproduktion. 1894 betrug dieser Anteil nur noch 22% (vgl. Tabelle 2.4). Obwohl sich die Produktion in der Karibik mit dem vermehrten Anbau von Kaffee und Baumwolle stärker diversifizierte, war die Folge doch in erster Linie ein stagnierendes oder rückläufiges Pro-Kopf-Einkommen. Eisner (1961, S. 119 und 153) zeigt, dass das Pro-KopfRealeinkommen in Jamaika 1930 nur etwa drei Viertel so hoch war wie 1830. Aus Tabelle 2.23 geht der drastische Rückgang des britischen Handels mit den karibischen Staaten nach 1820 hervor. b) Die 13 nordamerikanischen Kolonien Die Situation in Nordamerika war ganz anders als auf den Antillen. In den fünf Kolonien, die sich am stärksten auf Sklavenarbeit stützten (Maryland, Virginia, Nord- und Südkarolina sowie Georgia), machten Sklaven 1750 etwa 40% der Bevölkerung aus, im Vergleich zu 85% in den Kolonien auf den Antillen. Weiße (Arbeitsverpflichtete wie auch andere) stellten einen beträchtlichen Teil der Erwerbsbevölkerung. Auf den Plantagen wurden vor allem Tabak, Reis und Indigo angebaut. Diese Kulturen waren weniger arbeitsintensiv als die Zuckerplantagen, und die klimatischen Bedingungen waren gesünder als in der Karibik; entsprechend besser waren mithin auch die Lebenserwartung und die Möglichkeiten einer natürlichen Vermehrung der schwarzen Bevölkerung. Die Ausweitung der Erwerbsbevölkerung war weniger vom Sklavenhandel abhängig. In den Kolonien des Nordens, in denen 1750 56% der Kolonialbevölkerung lebten, lag der Sklavenanteil bei unter 5%. Ein großer Teil der Erwerbsbevölkerung war in der Landwirtschaft beschäftigt, wo pro Kopf weit mehr Land zur Verfügung stand als im Vereinigten Königreich. Ein durchschnittlicher landwirtschaftlicher Familienbetrieb in Neuengland, den mittelatlantischen Staaten und in Pennsylvania umfasste 1807 weit über 40 ha Land (Lebergott, 1984, S. 17). Die meisten nordamerikanischen Kolonien waren von Protestanten unterschiedlicher Glaubensrichtung gegründet worden, die sich sehr für Bildung und Erziehung interessierten. So gab es im Norden 8 Universitäten (Harvard, gegründet 1636; Yale 1701; die Universität Pennsylvania 1740; Princeton 1746; Columbia 1754; Brown 1764; Rutgers 1766; Dartmouth 1769), in den Südstaaten hingegen nur eine (William and Mary, gegründet 1693) und auf den Antillen keine einzige. Das Bildungsniveau in den nordamerikanischen Kolonien war höher als im Vereinigten Königreich, während das Pro-Kopf-Einkommen in etwa dem englischen entsprach, aber gleichmäßiger verteilt war. Die englische Navigationsakte schrieb zwar vor, dass die Kolonien ihre wichtigsten Exporte nach Europa und ihre Importe aus den europäischen Ländern über England lenken mussten, sie sah andererseits aber auch den begünstigten Zugang zu den Märkten des Empire vor, die für den Export von Schifffahrtsdienstleistungen und Schiffen besonders bedeutsam waren. An der Schwelle zum Unabhängigkeitskrieg umfasste die Handelsmarine in den Kolonien über 450 000 Tonnen, die allesamt (ob Küstenschiffe, Westindien-Schoner, Fisch- und Walfangboote oder Schiffe für den Handel mit England) in den Schiffswerften Neuenglands gebaut wurden, da diese leichten Zugang zu billigem Bauholz, Pech und Teer hatten (vgl. Tabelle 2.15). Außerdem wurde im 18. Jahrhundert in den amerikanischen Schiffswerften ein zunehmender Anteil der britischen Handelsflotte hergestellt. 1774 waren 30% der 1 Mio. Tonnen umfassenden englischen Handelsflotte in Amerika gebaut worden (vgl. Davis, 1962, S. 66-68). 122 Entwicklung des Abendlands und Auswirkungen auf die übrige Welt In den nordamerikanischen Kolonien lebten große Teile der Bevölkerung in den Städten Boston, New York und Philadelphia. Es gab eine politisch gebildete Oberschicht, die den Ideen und Idealen der französischen Aufklärung nahe stand. Der Wunsch dieser Kolonien, mit der Kolonialherrschaft zu brechen, bekam 1763, nach Ende des siebenjährigen Krieges, durch den Großbritannien der französischen Herrschaft in Kanada ein Ende setzte und Frankreich auf alle territorialen Ansprüche westlich der 13 Kolonien verzichten musste, neuen Auftrieb. Bis dahin hatte nur die Alternative zwischen britischer und französischer Oberhoheit bestanden. Nach diesem Zeitpunkt gab es jedoch die Alternative der Unabhängigkeit. Auffallend war – im Gegensatz zum Nachbarland Mexiko, das bis 1825 unter spanischer Kolonialherrschaft verblieb – die weit größere Dynamik des amerikanischen Wirtschaftswachstums nach der Unabhängigkeit. Es dürfte daher nützlich sein, die unterschiedlichen institutionellen, gesellschaftlichen und politischen Einflüsse miteinander zu vergleichen, die einerseits von Spanien und andererseits von England ausgingen. Der Rückstand Mexikos gegenüber den ehemaligen britischen Kolonien in Nordamerika hatte wahrscheinlich vor allem folgende Ursachen: a) Das Mutterland Spanien zog von seiner Kolonie vergleichsweise mehr Ressourcen ab. Erstens wanderte ein beträchtlicher Teil des Volkseinkommens in die Taschen der Inselspanier, die nicht in der Kolonie blieben und ihre Ersparnisse in ihr europäisches Heimatland mitnahmen. Und zweitens musste ein amtlicher Tribut von etwa 2,7% des BIP entrichtet werden (vgl. Maddison, 1995b, S. 316-317). b) Die britische Kolonialherrschaft unterwarf den Außenhandel zwar gewissen merkantilistischen Beschränkungen, doch waren diese bei weitem nicht so einschneidend wie in Neuspanien. Laut Thomas (1965) könnten die Nettokosten der britischen Handelsrestriktionen in den amerikanischen Kolonien 1770 etwa 42 Cents pro Kopf betragen haben (rd. 0,6% des BIP). c) Die Bevölkerung der britischen Kolonien war gebildeter, verfügte über größere intellektuelle Freiheit und war gesellschaftlich mobiler. Das Schulwesen war weder religiös noch weltanschaulich geprägt, und das Schwergewicht lag auf praktischen Fertigkeiten und der für die Yankees so typischen findigen Intelligenz, deren Prototyp Benjamin Franklin verkörperte. 1776 gab es in den 13 britischen Kolonien neun Universitäten für 2,5 Millionen Einwohner. Neuspanien mit seinen 5 Millionen Einwohnern wies lediglich zwei Universitäten auf, nämlich Mexiko City und Guadalajara, wo der Schwerpunkt auf Theologie und Rechtswissenschaften lag. Die ganze Kolonialzeit hindurch wurde von der Inquisition eine strenge Zensur ausgeübt, und jede Art von Andersgläubigkeit wurde unterdrückt. d) In Neuspanien wurden die fruchtbarsten Ländereien von den Hazienda-Besitzern mit Beschlag belegt. In Nordamerika hatte die weiße Bevölkerung sehr viel leichteren Zugang zu Landbesitz, und in Neuengland war der Familienfarmbetrieb an der Tagesordnung. Sowohl Adam Smith als auch der Vizekönig von Neuspanien betrachteten den beschränkten Zugang zu Landbesitz in den spanischen Kolonien als Wachstumshindernis. Rosenzweig (1963) zitiert letzteren (Revillagigedo) folgendermaßen: „Die mangelhafte Landverteilung stellt ein großes Hindernis für den Fortschritt der Landwirtschaft und des Handels dar, insbesondere dort, wo die Eigentümer abwesend oder zumindest nachlässig sind. Es gibt hier Untertanen seiner Majestät, die Hunderte von Hektar Land besitzen – groß genug für ein kleines Königreich –, aber kaum etwas von Wert produzieren“. e) Die gesellschaftliche Spitze in Neuspanien bildete eine privilegierte Oberschicht mit einem luxuriösen Lebensstil. Die gesellschaftlichen Klassenunterschiede – Erbadel, privilegierte Eliten aus Vertretern der Kirche und des Militärs, die von Steuerbefreiungen und gesetzlicher Immuni123 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive tät profitierten, hatten zur Folge, dass der Unternehmergeist sehr viel weniger ausgeprägt war als in den britischen Kolonien. Die Elite in Neuspanien war hauptsächlich auf ihre persönlichen Vorteile bedacht und wenig geneigt, produktive Investitionen zu tätigen. f) Die Regierungsgewalt in Neuspanien war stark zentralisiert, während das britische Nordamerika aus 13 voneinander unabhängigen Kolonien bestand, deren politische Gewalt aufgespalten war, so dass der Einzelne über sehr viel mehr Freiraum für die Verfolgung seiner eigenen wirtschaftlichen Interessen verfügte. g) Auch das durch die starken Zuwanderungsströme bedingte erhebliche Bevölkerungswachstum wirkte sich vorteilhaft für Nordamerika aus. Zwischen 1700 und 1820 erhöhte sich die Bevölkerung in Nordamerika um das Zehnfache, in Mexiko hingegen um weniger als die Hälfte. Bei derart rasch expandierenden Märkten war natürlich auch der wirtschaftliche Unternehmungsgeist sehr viel ausgeprägter. c) Indien Die britischen Verbindungen zu Indien reichen bis ins Jahr 1600 zurück, wo eine Monopolhandelsgesellschaft – die Ostindien-Kompanie – gegründet worden war. Eineinhalb Jahrhunderte lang operierte diese Gesellschaft von ihren Stützpunkten in Kalkutta, Madras und Bombay aus im indischen Küstenbereich. Mitte des 18. Jahrhunderts wurden hauptsächlich Textilien und Rohseide aus Indien und Tee aus China exportiert. Der Kauf indischer Erzeugnisse wurde vor allem durch den Export von Goldbarren und der Kauf chinesischer Waren durch den Export von Opium und unverarbeiteter Baumwolle aus Bengalen finanziert (vgl. Tabelle 2.20 sowie die obigen Ausführungen zur Rivalität zwischen den britischen, holländischen und französischen Handelsgesellschaften). Bis zum 18. Jahrhundert unterhielten die Briten weitgehend friedliche Beziehungen zu den Mogulherrschern, deren Autorität und militärische Macht zu groß waren, als dass sie hätten angefochten werden können. Nach dem Tode Aurangzebs im Jahr 1707 zerfiel das Mogulreich. Der Kaiser spielte nur noch pro forma die Rolle des Herrschers, jedoch waren es die Provinzgouverneure, die als Nabobs der Nachfolgestaaten de facto die Regentschaft ausübten37. Angesichts der Größe Indiens, das mehr Einwohner hatte als Europa, sowie in Anbetracht seiner rassischen, sprachlichen und religiösen Vielfalt ist die Tatsache, dass dieses Reich schließlich zerfiel, nicht weiter verwunderlich. Auf dem Höhepunkt seiner Macht unter Akbar war im Mogulreich religiöse Toleranz praktiziert worden. Das war auch einer der Gründe, weshalb es dieser Dynastie besser als den früheren islamischen Sultanaten von Delhi gelang, ein großes Reich aufzubauen. Aurangzeb schwor dann jedoch der Politik der religiösen Toleranz ab, zerstörte hinduistische Tempel, führte wieder die Jizya (eine Kopfsteuer für Nichtmoslems) ein und konfiszierte einige nicht moslemische Fürstentümer, als die Titel der jeweiligen Fürsten erloschen. Nach seinem Tod wurde eine Reihe von Kriegen um die verbleibenden Teile des Reichs geführt. In Westindien errichteten die Mahratten einen unabhängigen Hindustaat mit der Hauptstadt Puna. Der Nizam-ul-Mulk, ein hoher mogulischer Würdenträger, der den Zusammenbruch des Reiches voraussah, ließ sich 1724 zum autonomen Herrscher von Hyderabad ausrufen. 1739 drang der persische Kaiser Nadir Shah in Indien ein, richtete unter der Bevölkerung von Delhi ein Blutbad an und nahm so viel Beute (darunter auch den Pfauenthron Shah Jehans und den Diamanten Kohinoor), dass er in Persien drei Jahre lang alle Steuern erlassen konnte. Er annektierte auch den Pandschab und errichtete ein unabhängiges Königreich in Lahore. Der Pandschab wurde in der Folge von den Sikhs erobert. In anderen Gebieten, die nur dem Namen nach zum Mogulreich gehörten, wie Bengalen, Mysore und Oudh, gingen die Macht wie auch die Einkünfte des Mogulherrschers zurück. Von den ständigen Kriegszügen im Landesinneren wurden auch die Wirtschaft und der Handel des Landes in Mitleidenschaft gezogen. 124 Entwicklung des Abendlands und Auswirkungen auf die übrige Welt Infolge dieser internen politischen und religiösen Konflikte gelang es der Ostindien-Kompanie, die Herrschaft über Indien zu erlangen. Sie machte sich die kulturellen Unterschiede gekonnt zunutze, indem sie zeitweilige Allianzen einging und die lokalen Potentaten einen nach dem anderen entmachtete. Ihre Truppen bestanden überwiegend aus Soldaten, die im Land selbst rekrutiert wurden, durch große Disziplin gekennzeichnet waren und ordnungsgemäß besoldet wurden. 1757 eroberten sie die Mogulprovinz Bengalen, 1803 die Provinzen Madras und Bombay und 1848 annektierten sie den Pandschab von den Sikhs. Es gelang ihnen auch, ihre Handelskonkurrenten, d.h. Franzosen und Holländer, aus Indien zu vertreiben. Erst nach der indischen Rebellion von 1857, als die OstindienKompanie aufgelöst wurde, übernahm die englische Krone die Direktherrschaft über Indien. Nach ihrem militärischen Sieg bei Plassey 1757 setzte die Ostindien-Kompanie in Bengalen ein duales System ein, bei dem sie selbst die Herrschaft über das Land innehatte und der Nabob nur eine Marionettenrolle spielte. Die Kompanie war in erster Linie daran interessiert, ihren eigenen Mitarbeitern zu Reichtum zu verhelfen und ihre Exporte aus den Provinzsteuereinnahmen zu finanzieren, statt Goldbarren nach Indien zu transportieren. Mit zunehmender Ausdehnung ihres Territorialbesitzes verlagerte sich die Rolle der Ostindien-Kompanie vom Handel zur staatlichen Verwaltung. 1813 verlor die Gesellschaft ihr Handelsmonopol für Indien, 1833 auch das für China. Die Politik der Kompanie wurde 1773 der parlamentarischen Kontrolle unterstellt, und an die Stelle des Nabob trat ein Generalgouverneur (Warren Hastings), dem die direkte Zuständigkeit für die Verwaltung des Landes, die allerdings mit indischen Beamten besetzt war, übertragen wurde. 1762 wurde Hastings abgesetzt, und Cornwallis legte dann ab 1785 die Grundlagen für das koloniale Regierungssystem in Indien. Führungsposten wurden ausnahmslos mit Briten besetzt, Inder waren von höheren Funktionen ausgeschlossen. Es wurde ein Beamtenapparat geschaffen, der weit effektiver und kostengünstiger arbeitete als die Verwaltung unter der Mogulherrschaft. Ab 1806 wurden die Nachwuchskräfte der Ostindien-Kompanie im Haileybury College bei London ausgebildet. Ab 1833 mussten sich die Einstellungskandidaten einer Ausleseprüfung unterziehen. Ab 1853 wurden Stellenneubesetzungen nur noch nach Leistungskriterien vorgenommen. 1829 wurde das Verwaltungssystem weiter verstärkt: Alle Provinzen Britisch-Indiens wurden in Distrikte unterteilt, die gerade groß genug waren, um der Kontrolle eines einzelnen britischen Verwaltungsbeamten unterstellt werden zu können, der als Steuereintreiber, Richter und Polizeichef eine autokratische Machtstellung innehatte. In der Verwaltung der Ostindien-Kompanie gab es eine ganze Anzahl radikaler Vertreter der Bentham‘schen Ideen. James Mill, John Stuart Mill und Macaulay hatten einflussreiche Positionen in der Kompanie inne, und Malthus fungierte als Professor der Volkswirtschaft im Haileybury College. Bentham selbst wurde bei der Reform der indischen Institutionen konsultiert, und die Utilitaristen nutzten Indien als Experimentierfeld für Ideen (z.B. Ausleseprüfungen für die Aufnahme in den öffentlichen Dienst), die sie auch in England gerne verwirklicht gesehen hätten. Als nach der indischen Meuterei 1857 die britische Regierung die Kolonialherrschaft über Indien übernommen hatte, wurden diese radikalen, westlich orientierten Konzepte fallen gelassen, und die Politik wurde insgesamt konservativer. Es wurden keine weiteren Versuche mehr unternommen, die Direktherrschaft auch auf die Provinzen auszudehnen, die von indischen Fürsten mit Unterstützung englischer Berater regiert wurden38. Das britische Kolonialregime stützte sich auf eine bemerkenswert kleine Zahl von Personen. 1805 waren nicht mehr als 31 000 Briten in Indien (davon 22 000 in der Armee und 2 000 in der Zivilverwaltung). 1931 waren es 168 000 (davon waren 60 000 in der Armee und Polizei, 4 000 in der Zivilverwaltung und 60 000 in der Privatwirtschaft tätig). Der Anteil der Briten überstieg niemals 0,05% der Gesamtbevölkerung – und stellte damit eine sehr viel dünnere Schicht dar als das Verwaltungspersonal zur Zeit der islamischen Herrschaft. 125 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Kasten 2.1 Sozialstruktur Indiens zur Zeit des Mogulreiches Prozentualer Anteil an der Erwerbsbevölkerung 18 Prozentualer Anteil am Volkseinkommen nach Steuern AUSSERHALB DER DORFGEMEINSCHAFT 52 1 Mogulherrscher und Hofstaat Mansabdare Jagirdare Eingeborene Fürsten Ernannte Zamindare Erbliche Zamindare 15 17 Kaufleute und Geldverleiher Traditionelle Berufe Kleine Händler und Unternehmer Soldaten und niedere Beamte Städtische Handwerker und Bauarbeiter Diener Straßenkehrer Latrinenreiniger 37 72 DORFGEMEINSCHAFT 45 Herrschende Kasten Bauern und ländliche Handwerker Landarbeiter ohne Landbesitz Diener Straßenkehrer Latrinenreiniger 10 STAMMESGEMEINSCHAFT Quelle: Maddison (1971), S. 33. 126 3 Entwicklung des Abendlands und Auswirkungen auf die übrige Welt Kasten 2.2 Sozialstruktur bei Ende der britischen Herrschaft Prozentualer Anteil an der Erwerbsbevölkerung Prozentualer Anteil am Volkseinkommen nach Steuern 18 AUSSERHALB DER DORFGEMEINSCHAFT 44 0.05 Britische Beamte und Militär Britische Kapitalisten, Plantagenbesitzer, Händler, Bankiers und Verwalter 5 Eingeborene Fürsten Große Zamindare und Jagirdare 3 Indische Kapitalisten, Kaufleute und Verwalter 3 Die neue Klasse von Indern in höheren Angestellten- und freien Berufen 3 0.95 17 75 Kleine Händler und kleine Unternehmer, traditionelle Berufe, Angestellte und Arbeiter im Staatsdienst, Soldaten, Eisenbahnarbeiter, Industriearbeiter, städtische Handwerker, Diener, Straßenkehrer und Latrinenreiniger DORFGEMEINSCHAFT 30 54 9 Rentiers in den Dörfern, Geldverleiher, kleine Zamindare, Hauptpächter 20 20 Arbeitende Landbesitzer, geschützte Pächter 18 29 Vertraglose Pächter, Farmpächter, ländliche Handwerker und Diener 12 17 Landlose Bauern, Latrinenreiniger 4 7 STAMMESGEMEINSCHAFT Quelle: Maddison (1971), S. 69. 127 2 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle 2.29 Bevölkerung der britischen Besitzungen in Asien, Afrika, Australien und Europa im Jahr 1830 a) Bevölkerung (Tsd.) Fläche (Quadratmeilen) 69 710 13 509 6 252 11 000a 100 578 40 000a 220 312 141 924 59 438 91 200 512 874 614 610 Asien Präsidentschaft Bengalen Präsidentschaft Fort St. George (Madras) Präsidentschaft Bombay Dekkan-Bezirke Besitzungen der britischen Ostindien-Kompanie insgesamt „Protektorate“ der britischen Ostindien-Kompanie Ceylon Mauritius Singapur, Malakka, Penang 933 101 107 b) Afrika Kap der Guten Hoffnung Sierra Leone Senegal, Goree und Fernando Po c) 129 15 10 70b Australien (weiße Bevölkerung) d) Europa Gibraltar Malta a) b) 17 120 Grobe Schätzungen von Pebrer. 1839. Quelle: Indien vgl. Pebrer (1833), S. 454 und 465. Die Streitkräfte der britischen Ostindien-Kompanie umfassten 223 461 Mann, darunter 36 606 Europäer. Ceylon und Mauritius vgl. S. 410, Singapur usw. vgl. S. 454. Ceylon wurde 1795 und Malakka 1825 den Niederländern abgenommen; Mauritius 1795 den Franzosen. Die Sklavenbevölkerung betrug in Mauritius 79 000, in Ceylon 20 000. Afrika vgl. S. 418; das Kap der Guten Hoffnung wurde 1806 den Niederländern abgenommen; 1830 lag die Sklavenbevölkerung bei 36 000. Australien 1839 vgl. Vamplew (1987), S. 44. Gibraltar und Malta vgl. Pebrer (1833), S. 374. Tabelle 2.30 Vergleich der makroökonomischen Ergebnisse Indiens und Englands, 1600–1947 1600 1700 1757 1857 1947 520 2 717 618 6 361 227 000 28 187 414 000 49 519 118 040 76 584 255 852 314 969 Pro-Kopf-BIP (int. $ von 1990) Indien Vereinigtes Königreich 550 974 550 1 250 540 1 424 Bevölkerung (Tausend) Indien Vereinigtes Königreich 135 000 6 170 165 000 8 565 185 000 13 180 BIP (Mio. int. $ von 1990) Indien Vereinigtes Königreich Quelle: 74 250 6 007 90 750 10 709 99 900 18 768 Anhang B und Maddison (1995a). 128 Entwicklung des Abendlands und Auswirkungen auf die übrige Welt Die Veränderungen, die die Briten am Verwaltungssystem vornahmen, hatten tiefgreifende sozioökonomische Konsequenzen (vgl. Kästen 2.1 und 2.2, in denen die gesellschaftlichen Strukturen auf dem Höhepunkt des Mogulreichs und am Ende der britischen Herrschaft einander gegenübergestellt werden). Die Briten übernahmen vom Mogulreich ein Besteuerungssystem, bei dem die Grundsteuereinnahmen 15% des Volkseinkommens darstellten, während die Grundsteuer am Ende der Kolonialzeit nur noch 1% des Volkseinkommens und die Gesamtsteuerlast 6% ausmachte. Der Löwenanteil der Gewinne aus den Steuersenkungen und den damit verbundenen Veränderungen der Eigentumsrechte kam den oberen Kasten der Dorfwirtschaft, nämlich den als Grundherren eingesetzten Steuereintreibern (Zamindare) und den dörflichen Geldverleihern zugute. Die verschwenderische Kriegsherren-Aristokratie aus der Mogulzeit wurde abgesetzt und durch eine kleine europäisch geprägte Elite ersetzt, die einen geringeren Anteil am Volkseinkommen hatte. Bis in die zwanziger Jahre dieses Jahrhunderts bestand die neue Führungsschicht fast zur Gänze aus Briten mit britischen Konsumgewohnheiten. Dadurch ging die Nachfrage nach den Luxuserzeugnissen des traditionellen indischen Handwerks stark zurück. Als dann im 19. Jahrhundert britische Baumwollstoffe steuerfrei eingeführt werden konnten, entstand ein noch erheblich größerer Schaden für den wichtigsten Wirtschaftzweig Indiens. Infolge der Veränderungen der gesellschaftlichen Strukturen und der Einführung neuer Regierungs- und Verwaltungsformen setzte sich der Rückgang des Pro-Kopf-Einkommens, der sich zu Beginn des 18. Jahrhunderts mit dem Zerfall des Mogulreichs angebahnt hatte, im ersten Jahrhundert der britischen Kolonialherrschaft weiter fort. Von 1857 bis zur Unabhängigkeit im Jahr 1947 stieg das Pro-Kopf-Einkommen dann wieder langsam an und das Bevölkerungswachstum beschleunigte sich. Tabelle 2.27 gibt eine grobe Vorstellung von der komparativen Einkommens- und Bevölkerungsentwicklung in Indien und England von 1600 bis zum Ende der Kolonialherrschaft im Jahr 1947. Tabelle 2.21 vermittelt eine ungefähre Vorstellung von dem Ressourcenentzug, den die Fremdherrschaft des Vereinigten Königreichs für Indien nach sich zog. Von 1868 bis in die dreißiger Jahre dieses Jahrhunderts wurden dem Land Ressourcen von etwa 0,9-1,3% seines Volkseinkommens entzogen. Dies entsprach einem Transfer von etwa einem Fünftel der indischen Nettoersparnis, die anderenfalls für den Import von Kapitalgütern hätte eingesetzt werden können. Ab Ende des 19. Jahrhunderts wurde dieser Ressourcenentzug von den indischen Nationalisten heftig kritisiert. Noch schwerwiegender war in ihren Augen die Tatsache, dass 5% des Volkseinkommens auf Konsumausgaben des britischen Personals in Indien entfielen. Der größte Teil davon hätte der indischen Elite zugute kommen können, wenn der Abzug der Briten aus Indien schon fünfzig Jahre früher erfolgt wäre – und eine auf Modernisierung bedachte indische Elite hätte wohl durchaus eine für die Entwicklung Indiens günstigere Politik verfolgen können. Wenn allerdings die Briten (bzw. ihre französischen Rivalen) nicht von Mitte des 18. bis Ende des 19. Jahrhunderts in Indien an der Macht gewesen wären, hätten aus den Ruinen des Mogulreichs wohl kaum eine der Modernisierung verschriebene Elite noch die notwendigen rechtlichen und institutionellen Strukturen hervorgehen können. Angesichts der Tatsache, dass meine Schlussfolgerungen über Auswirkungen und Konsequenzen der britischen Herrschaft umstritten sind, dürfte es sich empfehlen, in den folgenden Abschnitten (die sich mit der sozioökonomischen Struktur, die die Briten vom Mogulreich übernommen haben, sowie mit dem britischen Einfluss auf die indische Landwirtschaft und die Industrie befassen) genauer auf die Gründe einzugehen, die mich zu diesen Schlussfolgerungen bewogen haben. Die sozioökonomische Struktur des indischen Mogulreichs Vom 13. Jahrhundert bis zur Machtübernahme durch die Briten stand Indien unter dem Einfluss einer islamischen Führungsschicht. Die Moguln verfügten über die notwendige militärische Macht, um aus einer passiven, in Dörfern organisierten Gesellschaft hohe Überschüsse herauszupressen. Die 129 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive herrschende Klasse hatte einen extravaganten Lebensstil und ließ ihre Bedürfnisse durch das städtische Handwerk decken, das hochwertige Baumwollstoffe, Seiden, Schmuck, kunstvoll verzierte Schwerter und Waffen anfertigte. Die Mitglieder der mogulischen Aristokratie waren keine Grundbesitzer, hatten jedoch Anspruch auf die Steuereinnahmen innerhalb eines bestimmten Gebiets (das als Jagir bezeichnet wurde). Ein Teil der Einkünfte war für ihren eigenen Lebensunterhalt bestimmt, der übrige Teil wurde bar oder in Form militärischer Unterstützung an das zentrale Schatzamt entrichtet. Die Adelstitel waren grundsätzlich nicht erblich. Die Praktiken der Moguln leiteten sich von den Traditionen der nomadischen Völker her, die den Islam in Arabien und im osmanischen Reich eingeführt hatten. Die Adeligen wurden in regelmäßigen Abständen in einen neuen Jagir versetzt, und ihre Ländereien fielen nach ihrem Tod wieder an die Krone zurück. Die Folge dieses ausbeuterischen Kriegsherrensystems war eine beträchtliche Vergeudung von Ressourcen. Es bestand kaum ein Anreiz, den Wert des Landbesitzes zu vermehren. Die mogulischen Amtsträger brauchten ein hohes Einkommen, weil sie für den Unterhalt zahlreicher Personen aufkommen mussten. Sie standen polygamen Haushalten mit einer Vielzahl von Sklaven und Dienern vor. Die Militärausgaben waren ebenfalls sehr hoch, da die wichtigste Funktion der mogulischen Elite in Kriegsdienst und -führung bestand. Der Jagirdar besaß also ein Interesse daran, die Dorfbevölkerung bis zum Existenzminimum auszubluten, soviel wie möglich für seinen persönlichen Konsum auszugeben und nach seinem Tod dem Staat Schulden zu hinterlassen. Es gab auch eine adelige Hindubevölkerung (Zamindare), deren Funktion als Steuereintreiber in der Dorfgemeinschaft erblich war. Die autonomen Staaten innerhalb des Mogulreichs, wie z.B. Rajputana, wurden weiterhin von Fürsten regiert, die das Steuereinzugsrecht besaßen. Wenn die Moguln so hohe Steuereinnahmen erzielen konnten, obwohl es keine herrschende Klasse gab, die den Produktionsprozess direkt überwacht hätte, so war dies der Unterwürfigkeit der Dorfgesellschaft zu verdanken. Das Hauptmerkmal der indischen Gesellschaft, das sie von allen anderen unterschied, war das Kastenwesen. Dieses System trennte die Bevölkerung in verschiedene, völlig voneinander abgegrenzte gesellschaftliche Gruppen. Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Funktionen der einzelnen Kasten waren genau bestimmt und die Kastenzugehörigkeit erblich bedingt. In alten religiösen Schriften werden die Hindus in vier Hauptgruppen unterteilt: An der Spitze der gesellschaftlichen Rangordnung standen die Brahmanen, eine Priesterkaste, deren zeremonielle Reinheit nicht durch manuelle Arbeit verunreinigt werden durfte; danach kamen die Kshatriyas oder Krieger, an dritter Stelle standen die Vaishyas oder Händler und an letzter Stelle die Shudras oder Ackerbauern. Noch weiter unten rangierten die Melechas oder Kastenlosen, die schmutzige oder unreine Tätigkeiten verrichteten. Angehörige unterschiedlicher Kasten durften weder untereinander heiraten noch gemeinsame Mahlzeiten einnehmen und hielten sich auch im gesellschaftlichen Leben voneinander fern. Das theoretische Modell der Rigveda ist eine sehr vereinfachte Version der Situation in Indien. Brahmanen und Unberührbare waren überall ohne weiteres erkennbar. Zwischen den einzelnen Kasten gab es jedoch sehr komplizierte hierarchische Abstufungen, die oft nicht der Einteilung in Kshatriya, Vaishya und Shudra entsprachen. In den Beziehungen zum Staat trat das Dorf im Allgemeinen als Einheit in Erscheinung. Landsteuern wurden in der Regel kollektiv entrichtet, und die interne Aufteilung der Steuerlast blieb dem Dorfvorsteher bzw. -rechnungsführer überlassen. Die mit dem Staat verbündete Oberschicht profitierte ebenfalls von dem System der Ausbeutung. In allen Dörfern bestand die unterste Schicht aus den Unberührbaren, die am äußersten Rand des Existenzminimums dahinvegetierten. Ohne die Kasten wären Klassenunterschiede in der Dorfgesellschaft wahrscheinlich weniger krass gewesen, und eine homogenere Bauernschaft hätte sich u.U. nicht so widerstandslos in die hohe Steuer- und Abgabenbelastung gefügt. 130 Entwicklung des Abendlands und Auswirkungen auf die übrige Welt Aus wirtschaftlicher Sicht bestand das interessanteste Merkmal des Kastenwesens darin, dass auch der Berufsstand erblich war. Für Priester oder Barbiere mag die Aussicht, dem gleichen Berufsstand anzugehören wie die Reihe ihrer Vorväter, nicht ganz so trübselig gewesen sein. Für diejenigen aber, die den Beruf des Latrinenreinigers geerbt hatten, bot dieses System keinerlei Aussicht auf irgendwelche irdischen Freuden. Dass diese Situation dennoch akzeptiert wurde, war u.a. auch durch den hinduistischen Glauben an die Wiedergeburt bedingt, der denjenigen, die die ihnen auf dieser Welt zugewiesene Aufgabe loyal erfüllten, die Hoffnung bot, in einer höheren sozialen Kaste wiedergeboren zu werden. Unterhalb der Dorfgesellschaft lebten etwa 10% der Bevölkerung in einer Vielzahl von Stammesgemeinschaften. Die Eingeborenenstämme gaben sich in aller Unabhängigkeit einem heidnischen Leben als Jäger oder Waldbewohner hin, völlig losgelöst von der hinduistischen Gesellschaftsordnung und jeglicher Steuerpflicht gegenüber den Moguln. Der britische Einfluss auf die indische Landwirtschaft Die Kolonialregierung veränderte die traditionellen Strukturen des Agrarsystems und führte Eigentumsrechte ein, deren Merkmale an die kapitalistischen Systeme des Westens erinnerten. Mit Ausnahme der autonomen Fürstentümer wurde die alte Aristokratie der Kriegsherren enteignet. Deren bis dahin aus den Jagirs erzielten Steuereinkünfte wurden ebenso wie die des Mogulreichs von den Briten vereinnahmt. Im bengalischen Einflussbereich (d.h. im heutigen Bengalen, in Bihar, Orissa und einem Teil von Madras) wurde die zweite Schicht des mogulischen Eigentumsrechtssystems, die von den Steuereintreibern (Zamindare) gebildet wurde, verstärkt. Sie vererbten ihren Titel, sofern sie ihre Grundsteuern bezahlten, und ihre Steuerschuld wurde auf dem Stand von 1793 eingefroren. In den Provinzen Madras und Bombay wurde der größte Teil des alten mogulischen und mahrattischen Adels sowie der Zamindare von den Briten enteignet, und deren Eigentumsrechte wurden an die traditionell herrschenden Kasten in den Dorfgemeinschaften übertragen. Die den unteren Kasten angehörenden Bauern wurden deren Pächter. Nachdem die Eigentumsrechte somit besser geklärt waren, konnten Hypothekaranleihen auf Grundbesitz aufgenommen werden. Mit der Umstellung von moslemischem auf britisches Recht verbesserte sich auch der Status der Geldverleiher. Zwar gab es diesen Berufsstand bereits zur Zeit der Moguln, doch erlangte er unter britischer Herrschaft wesentlich größere Bedeutung, und im Laufe der Zeit wechselte viel Land auf Grund von Zwangsvollstreckungen seinen Besitzer. Zwei Faktoren führten dazu, dass das Einkommen der Grundbesitzer nach und nach stieg. Zum einen wurde mit dem Bevölkerungswachstum Land immer knapper, wodurch sich der Grund- wie auch der Pachtwert erhöhte. Zum anderen gingen die Grundsteuern zurück, so dass die Einkommen stiegen und die Ungleichheit innerhalb der Dorfgemeinschaft zunahm. Durch die geringere Grundsteuerbelastung und die höheren Pachteinnahmen erhöhten sich die Einkommen der Gutsherren, während das Einkommen der Pächter und Landarbeiter zurückging, da ihre traditionellen Rechte beschnitten wurden und ihre Verhandlungsposition sich infolge des immer knapper werdenden Angebots verschlechterte. Unter der britischen Herrschaft vergrößerte sich die Klasse der Landarbeiter ohne eigenen Landbesitz. Die Kolonialregierung weitete die bewässerte Landfläche um nahezu das Achtfache aus. Im Endergebnis war mehr als ein Viertel der gesamten Fläche von Britisch-Indien bewässert, gegenüber nur 5% in der Mogulzeit. Der Ausbau der Bewässerung diente einerseits der Einkommenssteigerung und andererseits dem Kampf gegen Hungersnöte. Ein Großteil der Bewässerungsarbeiten konzentrierte sich auf das Pandschab und Sindh, um Land für pensionierte indische Armeeangehörige zu 131 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive schaffen, von denen viele aus dem Pandschab stammten, und um in dem von Grenzstreitigkeiten mit Afghanistan betroffenen Gebiet für eine stärkere Besiedlung zu sorgen. So wurden ehemalige Wüstengebiete zur größten bewässerten Region der Welt und zu einem wichtigen Weizen- und Baumwolllieferanten für den Export wie auch für andere Landesteile Indiens. Die Verbesserung der Verkehrsmittel (insbesondere durch die Eisenbahn, aber auch durch das Dampfschiff und den Bau des Suezkanals) förderte die Landwirtschaft, indem sie eine gewisse Spezialisierung bei Handelspflanzen ermöglichte. Dadurch nahmen die Ernteerträge etwas zu, doch blieb das Land ganz überwiegend auf Subsistenzlandwirtschaft angewiesen. Es wurden Indigo-, Zucker-, Jute- und Teeplantagen angelegt. Diese Agrarprodukte trugen signifikant zum Exportwachstum bei, spielten aber für die indische Agrarwirtschaft insgesamt keine größere Rolle. 1946 machten die beiden Hauptexportartikel, Tee und Jute, weniger als 3,5% des Bruttowerts der Ernteerträge aus. Die Ausweitung der Märkte durch den internationalen Handel war daher in Indien weniger interessant als in anderen asiatischen Ländern wie Birma, Ceylon, Indonesien oder Thailand. Auch unter der britischen Herrschaft wurde das indische Volk immer wieder von Hungersnöten und Seuchen heimgesucht. 1876-1878 und 1899-1900 starben Millionen von Menschen an Hungersnot. In den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts grassierte die Beulenpest, und 1919 trat eine große Grippeepidemie auf. In den zwanziger und dreißiger Jahren gab es keine Hungersnöte, und die Hungersnot von 1944 in Bengalen war nicht durch Missernten, sondern durch die Kriegszustände und durch Transportschwierigkeiten bedingt. Die größere Stabilität nach 1920 war jedoch möglicherweise weniger auf konstantere landwirtschaftliche Erträge als vielmehr auf eine günstige Wende im Wetterzyklus zurückzuführen. Der britische Einfluss auf die indische Industrie Während der Mogulherrschaft hatte Indien eine größere Industrie als irgendein anderes der von den europäischen Kolonialmächten eroberten Länder und war als einziges Land auch schon in vorkolonialer Zeit als Exporteur von Fertiggütern in Erscheinung getreten. Weite Teile dieser Industrie fielen der britischen Kolonialherrschaft zum Opfer. Zwischen 1757 und 1857 wurden der Hofstaat des Mogulreichs und drei Viertel der Aristokratie (ausgenommen in den Fürstentümern) von den Briten abgeschafft. Ebenfalls abgesetzt wurde über die Hälfte der lokalen Dorfvorsteher (Zamindare). An deren Stelle trat eine Bürokratie mit europäischen Konsumgewohnheiten. Die neuen Herrscher trugen europäische Kleider und Schuhe, tranken importiertes Bier, Wein und Spirituosen und bedienten sich europäischer Waffen. Ihre Gewohnheiten und Vorlieben wurden von den männlichen Angehörigen der neuen indischen „Mittelschicht“ imitiert, die als deren Verwaltungsgehilfen und Vermittler fungierten. Das Ergebnis dieser politischen und gesellschaftlichen Veränderungen war ein Einbruch der Inlandsnachfrage nach Luxusgütern des indischen Handwerks um nicht weniger als drei Viertel. Das war ein vernichtender Schlag für die Hersteller von feinen Musselinstoffen, Juwelen und luxuriösen Bekleidungs- und Schuhwaren sowie kunstvoll verzierten Schwertern und Waffen. Meiner eigenen Einschätzung nach machte der inländische Markt für diese Waren in der Mogulzeit etwa 5% und der Exportmarkt für Textilien vermutlich weitere 1,5% des indischen Volkseinkommens aus. Den zweiten schweren Schlag bildeten nach Ende der napoleonischen Kriege die massiven Importe billiger englischer Textilwaren. Die Heimspinnerei, die von den Dorfbewohnerinnen als Nebenerwerbstätigkeit ausgeübt wurde, ging daraufhin stark zurück. Die Nachfrage nach dörflichen Handwebearbeiten nahm in dem Maße ab, wie fabrikmäßig hergestelltes statt selbst gesponnenes Garn verarbeitet wurde. 132 Entwicklung des Abendlands und Auswirkungen auf die übrige Welt Im Jahr 1851 wurden in Bombay erstmals moderne Baumwollspinnereien errichtet, 20 Jahre früher als in Japan und 40 Jahre früher als in China. Hergestellt wurden vor allem Rohgarne, die im Land selbst bzw. nach China oder Japan verkauft wurden. Etwa die Hälfte der Produktion wurde exportiert. In den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts begann Indien unter der japanischen Konkurrenz zu leiden, und ab 1898 gingen praktisch keine Exporte mehr nach Japan. Kurz darauf begann auch die Erosion des indischen Absatzmarkts in China infolge der dort errichteten japanischen Fabriken. Ende der dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts gingen keine indischen Garnexporte mehr nach China und Japan, die Stoffexporte waren zurückgegangen, und Indien importierte fortan sowohl Garne als auch Stoffe aus China und Japan. Hätten sich die Briten mit Schutzzöllen einverstanden erklärt, so hätte Indien die Textiltechnologie von Lancashire schneller kopieren können. Stattdessen wurden britische Waren zollfrei nach Indien importiert. In den zwanziger Jahren, als Textilien vor allem aus Japan nach Indien importiert wurden, änderte sich die britische Politik. Bis 1934 waren die Zolltarife für Baumwollstoffe auf 50% erhöht worden, mit einer Präferenzspanne für britische Erzeugnisse. Dadurch kam es zu einer erheblichen Substitution von Importen durch einheimische Textilien. Hatten die indischen Manufakturen 1896 lediglich 8% des indischen Stoffverbrauchs gedeckt, so waren es 1913 bereits 20% und 1945 76%. 1945 wurde keine Meterware mehr importiert. Die moderne Jutefabrikation begann 1854 und breitete sich im Umkreis von Kalkutta rasch aus. Die Industrie war vor allem im Besitz von Ausländern (vorwiegend Schotten). Zwischen 1879 und 1913 verzehnfachte sich die Zahl der Jutespinnereien und wuchs damit sehr viel rascher als die Baumwolltextilindustrie. Der größte Teil der Juteproduktion war für den Export bestimmt. Der vor allem in Bengalen betriebene Kohlebergbau war ein weiterer Industriezweig, der Bedeutung erlangte. Die Kohleförderung (die im Jahr 1914 15,7 Mio. Tonnen erreichte) deckte weitgehend den Bedarf der indischen Eisenbahn. 1911 errichtete die Tata Company in Jamshedpur in Bihar das erste indische Stahlwerk. Die Stahlindustrie in Indien entwickelte sich 15 Jahre später als in China, wo das erste Stahlwerk bereits 1896 in Hangyang errichtet worden war. Das erste japanische Stahlwerk wurde 1898 gebaut. Sowohl in China als auch in Japan waren die ersten Stahlwerke (wie auch die ersten Textilmanufakturen) Staatsbetriebe. Die indischen Industrie-, Versicherungs- und Bankunternehmen erhielten ab 1905 starken Auftrieb durch die Swadeshi-Bewegung, bei der es sich um einen nationalistisch motivierten Boykott von britischen Waren zu Gunsten indischer Erzeugnisse handelte. Im Ersten Weltkrieg erlangten indische Firmen auf den heimischen Textil- und Stahlmärkten wieder größeres Gewicht, da die britischen Importe ausblieben. Nach dem Krieg begann die Regierung, unter dem Druck der Nationalisten im Rahmen ihrer Beschaffungen indische Unternehmen zu begünstigen, und willigte 1921 ein, eine Zolltarifkommission einzusetzen, die aus protektionistischen Gründen die Zölle heraufsetzte. Viele der bestbezahlten Arbeitsplätze in der modernen Wirtschaft, sei es im Handel, im Finanzwesen, im Unternehmenssektor oder in den Plantagen, waren mit Ausländern besetzt. Lange nachdem die gesetzlich verankerten Monopolprivilegien der Ostindien-Kompanie abgeschafft waren, hatten die Briten durch ihre Kontrolle des Bankensektors39 und das System der „Managementstellen“ (managing agencies) noch immer de facto eine beherrschende Stellung inne. Diese ursprünglich von ehemaligen Angestellten der Ostindien-Kompanie eingerichteten Managementstellen verwalteten die Industrieunternehmen und wickelten den überwiegenden Teil des indischen Außenhandels ab. Sie hatten enge Verbindungen zu britischen Banken, Versicherungs- und Schifffahrtsgesellschaften und besaßen quasi ein Monopol für den Zugang zu Kapital. Da ihre jeweiligen Führungsgremien miteinander verzahnt 133 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive und verschachtelt waren, kontrollierten sie Warenlieferungen und Märkte. Sie beherrschten die asiatischen Auslandsmärkte. Sie kamen leichter als Inder an Regierungsbeamte heran und hatten immer wieder Gelegenheit, anstehende Entscheidungen so zu beeinflussen, dass diese weniger den Aktionären als vielmehr ihren eigenen Interessen entgegenkamen. Sie erhielten Provisionen auf der Basis der Bruttogewinne bzw. der Gesamtumsätze und fungierten häufig als Agenten für die Rohstoffe, die die von ihnen verwalteten Gesellschaften benötigten. So kam es, dass auch indische Kapitalisten, die sich etablieren konnten, sehr stark von britischem Geschäftskapital abhängig waren, und zahlreiche Wirtschaftssektoren – z.B. Schifffahrt, Bank- und Versicherungswesen, Kohlebergbau, Plantagenwirtschaft und Juteherstellung – wurden von britischen Unternehmen dominiert. Dass die Fachausbildung von der britischen Verwaltung vernachlässigt wurde und weder die britischen Unternehmen noch die Managementstellen wirklich bereit waren, Inder auszubilden oder ihre eigenen Managementerfahrungen an diese weiterzugeben, behinderte die Effizienzsteigerung in der indischen Industrie. Selbst in der Textilindustrie von Bombay, wo sich das Kapital überwiegend in indischen Händen befand, waren 28% der leitenden Angestellten und des Aufsichtspersonals 1925 Briten (gegenüber 42% im Jahr 1895), und dieser Anteil war in komplexeren Industriezweigen sogar noch höher. Dadurch erhöhten sich natürlich die indischen Produktionskosten40. Auf den unteren betrieblichen Ebenen wurden die Einstellung der Arbeitskräfte und die Verantwortung für deren Disziplin meist Maklern überlassen. Die Arbeiter selbst waren völlig ungelernt und mussten die Makler bestechen, um einen Arbeitsplatz zu bekommen bzw. zu behalten. Außerdem ergaben sich zwischen Management, Aufsehern und Arbeitern Probleme infolge der unterschiedlichen Rassen-, Sprachen- und Kastenzugehörigkeit. Die nur begrenzte Unternehmensgröße und die stark diversifizierte Produktionspalette erschwerten einen effizienten Betrieb. Dies (und die Überbewertung der Währung) waren mit ein Grund dafür, dass sich die indischen Exporte gegenüber der japanischen Konkurrenz nur schwer behaupten konnten. d) China Bis zum 19. Jahrhundert war China allen anderen europäischen oder asiatischen Staaten an Größe und Macht weit überlegen. Die schon früh erlangte technische Reife des Landes und eine leistungsorientierte Bürokratie sorgten in China vom 5. bis zum 14. Jahrhundert für ein höheres Einkommensniveau als in Europa (vgl. Abb. 1.4). Danach überholte Europa dann allmählich China in Bezug auf das Pro-Kopf-Einkommen, doch wies China ein rascheres Bevölkerungswachstum auf. Das chinesische BIP hatte 1820 um nahezu 30% über dem Niveau Westeuropas und der von den Westeuropäern besiedelten großen Einwanderungsländer zusammengenommen gelegen41. Als der europäische Handel zu expandieren begann, war China in den ersten drei Jahrhunderten dieser Expansion sehr viel schwerer zu erobern als Nord- und Südamerika, Afrika oder irgendein anderes asiatisches Land. Die dennoch bestehenden Handelsbeziehungen mit China wurden nach den von China festgelegten Konditionen abgewickelt. Zwischen den vierziger Jahren des 18. und des 19. Jahrhunderts kam es zu einem völligen Zusammenbruch der chinesischen Wirtschaft. Das Pro-Kopf-BIP machte 1950 weniger als drei Viertel des BIP von 1820 aus. Das Bevölkerungswachstum kam durch schwere kriegerische Auseinandersetzungen zeitweilig zum Stillstand. 1950 betrug das chinesische BIP nicht einmal ein Zwölftel des BIP der westeuropäischen und der großen Einwanderungsländer zusammengerechnet. Der wirtschaftliche Verfall in China fiel zeitlich mit der kommerziellen Durchdringung durch ausländische Mächte und dem japanischen Eroberungsversuch zusammen. Zwischen diesen beiden Entwicklungen bestand eindeutig ein Zusammenhang, doch war der Rückfall Chinas auch durch binnenwirtschaftliche Faktoren bedingt. 134 Entwicklung des Abendlands und Auswirkungen auf die übrige Welt Anfang des 15. Jahrhunderts, als China Europa in der Seefahrttechnik überlegen war, schottete sich das Land gegen die Weltwirtschaft ab (vgl. Tabelle 2.11). In der Folgezeit verfügte China dann nicht mehr über die Möglichkeit der Verteidigung zur See. Die hoch gebildete Elite Chinas war völlig uninteressiert an der technologischen Entwicklung und dem militärischen Potential Westeuropas. 1793 versuchte eine englische Mission, diplomatische Beziehungen anzuknüpfen. Sie brachte 600 Kisten voller Geschenke mit (darunter Chronometer, Teleskope, ein Planetarium, chemische und Metallerzeugnisse), um die wissenschaftlichen und technischen Errungenschaften des Westens zu demonstrieren. Im offiziellen chinesischen Ablehnungsschreiben hieß es: „Es fehlt uns an nichts – wir haben auf Kuriositäten und Raritäten seit jeher wenig Wert gelegt und haben keine Verwendung für weitere Erzeugnisse Eures Landes“. Erst 1877 begann China, ausländische Gesandtschaften einzurichten. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts befand sich die Mandschu-Dynastie im Zustand der Auflösung, und das auf diese Dynastie folgende Kuomintang-Regime erwies sich als ebenso unfähig. Der Zusammenbruch der Dynastie in China fiel mit dem Ende des Mogulreichs in Indien zusammen, wo die Briten sodann die Herrschaft antraten. In China nahm der westliche Kolonialismus jedoch eine völlig andere Form an als in Indien, und es waren nicht die westlichen Kolonialmächte, die China zu erobern suchten, sondern Japan. Der Einbruch der Kolonialmächte begann mit der Einnahme Hongkongs durch britische Kanonenboote im Jahr 1842. Das unmittelbare Ziel bestand darin, den freien Zugang nach Kanton zu sichern, um indisches Opium gegen chinesischen Tee tauschen zu können. Im Zuge eines zweiten, englisch-französischen Angriffs (1858-1860) wurde über den Jangtse und das riesige Netz von Binnenschifffahrtswegen, das bis nach Shanghai führte, der Weg in das Landesinnere Chinas freigelegt. Nun folgte eine Ära des Freihandelsimperialismus. Die westlichen Handelsfirmen waren nicht Monopolgesellschaften, sondern Einzelunternehmen. Ganz im Gegensatz zu den sich feindlich gesonnenen und gegenseitig ausschließenden Handelssystemen des 18. Jahrhunderts hatten Briten und Franzosen das Cobden-Chevalier-Abkommen geschlossen, das die Öffnung des europäischen Handels gemäß der Meistbegünstigungsklausel zum Ziel hatte. Die Verträge, die China nun aufgezwungen wurden, basierten auf demselben Grundsatz. So wurden bis zum Ersten Weltkrieg zwölf anderen europäischen Ländern, Japan, den Vereinigten Staaten und drei lateinamerikanischen Ländern die gleichen Handelsprivilegien eingeräumt. Auf Grund der Verträge war China verpflichtet, die Zölle niedrig zu halten. Der Opiumhandel wurde legalisiert. Ausländer erhielten das Recht, in China zu reisen und Handel zu treiben, wobei ihnen exterritoriale Rechte und Konsulargerichtsbarkeit in 92 von 1842 bis 1917 eingerichteten „Vertragshäfen“ zugestanden wurden. Um sicherzustellen, dass China seinen Zollverpflichtungen nachkam, wurde eine Maritime Zollinspektion geschaffen (als deren Generalinspektor von 1861 bis 1908 Sir Robert Hart amtierte), die mit der Eintreibung der Zölle für die chinesische Regierung betraut war. Ein großer Teil dieser Einnahmen war für die „Entschädigungszahlungen“ vorgesehen, die die Kolonialherren zur Erstattung der Kosten einforderten, die ihnen bei ihren Angriffen auf China entstanden waren. Das Zentrum dieser multilateralen Kolonialherrschaft waren die exterritorialen Konzessionen in Shanghai. Als erste wählten die Briten 1843 einen im Norden der „Chinesenstadt“ gelegenen Standort. Die Franzosen, Deutschen, Italiener, Japaner und Amerikaner siedelten sich in der Nachbarschaft entlang des Huangpu-Flusses gegenüber von Pudong an – mit großräumigen Terrains für Firmensitze, den Kricketclub, Country Clubs, Tennisclubs, Schwimmbäder, eine Rennbahn, den Golfclub, Lichtspieltheater, Kirchen, Schulen, Hotels, Krankenhäuser, Kabaretts, Bordelle, Bars, Konsulate und die Polizeistationen der Kolonialmächte. Ähnliche Anlagen kleineren Umfangs gab es auch in Tientsin und Hankow. Bei den Chinesen, die zu diesen nach dem Prinzip der Rassentrennung organisierten Zonen Zugang hatten, handelte es sich überwiegend um Dienstpersonal42. 135 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Neben der britischen Kolonie in Hongkong gab es fünf andere an Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Japan und Russland „verpachtete“ Territorien. Dazu zählten auch die neuen, an Hongkong angrenzenden Territorien, für die 1898 ein hundertjähriger Pachtvertrag mit Großbritannien unterzeichnet wurde. Hauptnutznießer dieser Form des Freihandelsimperialismus und der exterritorialen Privilegien waren die in China ansässigen ausländischen Staatsbürger und Handelsgesellschaften. Die exterritorialen Konzessionen waren schillernde Oasen der Modernität, aber in den anderen chinesischen Städten trat keine grundlegende Besserung ein. Die durch den großen Taiping-Aufstand von 1850-1864 geschädigten Städte verfielen weiter. Die wirtschaftliche Öffnung blieb ohne größeren Einfluss auf die chinesische Landwirtschaft; der Exportanteil am chinesischen BIP war gering und mit 0,7% des BIP im Jahr 1870 bzw. 1,2% im Jahr 1913 sehr viel kleiner als in Indien. 1928 erhielt China seine Zollhoheit zurück und die übrigen Einschränkungen der chinesischen Souveränität in den Vertragshäfen wurden etwas gelockert, was allerdings durch den verstärkten Druck von japanischer Seite wieder zunichte gemacht wurde. Für die stärksten Einschnitte in die chinesische Souveränität und den größten wirtschaftlichen Schaden in China war Japan verantwortlich. Bereits in den neunziger Jahren des 16. Jahrhunderts hatte Hideyoshi versucht, über die Eroberung Koreas auch China anzugreifen, und unter der MeijiHerrschaft wurde dieser Versuch 1894/95, diesmal mit größerem Erfolg, wiederholt. Ab den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts, als Japan eine Strafexpedition nach Taiwan schickte und die Oberhoheit über die Ryukyu-Inseln (Okinawa) für sich beanspruchte, wurde der Druck allmählich immer stärker. 1876 fiel eine japanische Marineeinheit in Korea ein und stellte die Häfen von Pusan, Inchon und Wonsan unter japanische Konsulargerichtsbarkeit. 1894 erklärte Japan Korea den Krieg, und japanische Truppen setzten über den Fluss Yalu nach China über. 1895 wurde China im Vertrag von Shimonoseki gezwungen, offiziell anzuerkennen, dass es nicht länger die Oberhoheit über Korea hatte. Taiwan und die Pescadoresinseln mussten an Japan abgetreten werden. Japanern (und somit auch anderen Ausländern) war es fortan gestattet, Fabriken und verarbeitende Unternehmen in China zu errichten. China wurde gezwungen, Entschädigungsleistungen in Höhe von einem Drittel des japanischen BIP zu zahlen, wozu es Kredite im Ausland aufnehmen musste. Das löste eine Lawine von weiteren ausländischen Forderungen aus und führte dann im Jahr 1900 zu einer Kriegserklärung Chinas an die ausländischen Mächte. Innerhalb von zwei Monaten wurde China von einer Allianz dieser ausländischen Mächte besiegt, und die Mandschurei wurde von Russland besetzt. Bei den kriegerischen Auseinandersetzungen von 1905 siegte Japan über Russland und übernahm die Macht in der südlichen Mandschurei. Korea wurde zunächst zu einem japanischen Protektorat und 1910 dann zu einer japanischen Kolonie. Japan nahm 1931 die Mandschurei ein und errichtete 1933 einen Marionettenstaat (Manchukuo), der aus den drei mandschurischen Provinzen Chinas, Teilen der Inneren Mongolei sowie Hopei und Liaoning bestand. China musste sich verpflichten, das Gebiet um Peking und Tientsin zur entmilitarisierten Zone zu erklären, wodurch Nordchina nicht mehr verteidigt werden konnte. Im Juli 1937 folgte ein neuerlicher Angriff Japans. Vermutlich gedachten die Japaner, nach einem kurzen Feldzug ganz Nordchina einzunehmen und dann im Rahmen der neuen japanischen Ordnung, die sie in Asien zu etablieren beabsichtigten, eine willfährige Regierung in Südchina unter ihren Einfluss zu bringen. Die chinesische Regierung leistete jedoch heftige Gegenwehr, und der Krieg mit Japan dauerte acht Jahre. Seine Auswirkungen wurden durch den Bürgerkrieg zwischen den Kuomintang und den kommunistischen Streitkräften noch verschärft. Auf diese Weise herrschten in China von 1937 bis 1949, also zwölf Jahre lang, Kriegszustände. Die destruktiven Auswirkungen waren im Verhältnis genau so groß wie die des Taiping-Aufstands von 1850 bis 1864. 136 Entwicklung des Abendlands und Auswirkungen auf die übrige Welt Anmerkungen 1. Beloch (1886, S. 507) schätzte die Bevölkerungszahl auf insgesamt 54 Millionen (23 Millionen in Europa, 19,5 Millionen in Westasien und 11,5 Millionen in Afrika). Meine Schätzung basiert auf den Tabellen B.2, B.8 und B.9b des Anhangs B. 2. Vgl. Needham, Bd. 4 III (Civil Engineering and Nautics), 1971, S. 29, wegen seiner bereinigten Zahlen über gepflasterte Straßen im Römischen Reich, das sich über 2 Millionen Quadratmeilen erstreckte. Für das Reich der Han-Dynastie von 1,5 Mio. Quadratmeilen gab er einen Wert von 22 000 an. 3. Vgl. Goldsmith (1984), S. 271-272, wegen einer Untersuchung der Quellen zur Urbanisierung. Er gibt den Anteil mit zwischen 9% und 13% an, doch bezieht sich mein Wert von 5% lediglich auf Orte mit mindestens 10 000 Einwohnern. 4. Vgl. Warmington (1928) wegen des römischen Handels mit Asien. 5. Hopkins (1980, S. 105-106) verwendete Informationen über 545 datierte Schiffswracks vor den Küsten Italiens, Frankreichs und Spaniens, um die Veränderungen des Handelsvolumens im westlichen Mittelmeer zu schätzen. Er gelangte zu dem Schluss, dass „von der Zeit der römischen Expansion bis zur Blütezeit des Römischen Kaiserreichs (200 v.Chr. – 200 n.Chr.) ein regerer Seehandel im Mittelmeer existierte als je zuvor und als in den tausend Jahren danach“. Er zeigt, dass das Handelsvolumen im Zeitraum 400-650 n.Chr. etwa ein Fünftel des während der Zeit des intensivsten Handelsverkehrs erreichten Volumens betrug. Ashtor (1976), S. 102, analysiert die arabischen Quellen zum Mittelmeerhandel und gelangt zu dem Schluss: „Nachdem die Araber ihre Herrschaft über die Ost-, Süd- und Westküste des Mittelmeers etabliert hatten, wurde dieses Gebiet zum Grenzraum zwischen zwei Zivilisationen, die einander fremd und unbekannt und feindlich gesinnt waren. Was einmal einem großen See gleich gewesen war, an dessen Ufern Herrscher, Gesetze, Religion und Sprache dieselben oder sich zumindest ähnlich waren, wurde zum Schauplatz von Seeschlachten und Piraterie. Der Handel im Mittelmeer kam im Lauf des 8. Jahrhunderts fast völlig zum Stillstand. Gewürze, wertvolle Seidenstoffe und andere orientalische Güter waren in Westeuropa kaum mehr zu finden.“ 6. Vgl. Pirenne, Mahomet und Karl der Große (1963). Pirenne liefert zwar eine knappe, bemerkenswerte und im Großen und Ganzen korrekte Beschreibung des 9. Jahrhunderts, doch ist seine vorherige Analyse des zeitlichen Ablaufs und der Gründe für den Untergang Roms schwer zu akzeptieren. Er behauptet, bei dem Einfall der Barbaren in Gallien und Italien sei ein Großteil der Vorzüge der römischen Zivilisation erhalten geblieben, deren Zerstörung auf moslemische Invasoren und Karl den Großen zurückzuführen sei. Hodges und Whitehouse (1998) liefern eine Zusammenfassung der modernen archäologischen Befunde und früherer kritischer Stellungnahmen zur Pirenne-These. Sie kommen zu dem Schluss, dass Pirenne eine übertriebene Vorstellung vom Überleben der römischen Institutionen hatte: „Die Bedingungen, die Ende des 6. Jahrhunderts im westlichen Mittelmeer herrschten, hatten kaum eine Ähnlichkeit mit denen des 2. Jahrhunderts. Die Veränderungen waren vor dem Eintreffen der Araber praktisch abgeschlossen.“ (S. 53). 7. Vgl. Lane und Mueller (1985). 8. Diese Messen wurden sechsmal jährlich etwa 40 km südlich von Paris und 110 km von Brügge entfernt abgehalten. Zwei Messen fanden in Troyes statt, zwei in Provins, eine in Lagny und eine in Bar-sur-Aube. Dies waren im Zeitraum 1200-1350 die wichtigsten Zentren des westeuropäischen Handels. Sie zogen Kaufleute aus allen Regionen Frankreichs, aus Nord- und Mittelitalien, Flandern, dem Hennegau, Brabant, Spanien, England, Deutschland und Savoyen an. Schutzherren der Messe waren die Grafen der Champagne und später der französische König. Sie bezogen ein Einkommen aus Steuern, Zöllen und der Ausstellung von Geleitbriefen für die Kaufleute. Im Gegenzug hierzu stellten ihre Beauftragten Recht und Ordnung sicher, leisteten Rechtshilfe zur Einhaltung von Verträgen und führten notarielle Register. In Streitfällen wurden die meisten italienischen Städte durch ihre Konsuln vertreten. Mit der Einrichtung einer Seeverbindung zwischen Italien und Flandern verloren die Messen nach und nach völlig an Bedeutung (vgl. Verlinden, 1963). 9. Vgl. Lane (1973), S. 19. 10. Vgl. Lane (1996), S. 143-152, wegen einer Analyse der venezianischen Schiffbau- und Navigationstechniken, und Unger (1980), S. 161-194. 11. Handelsmöglichkeiten ergaben sich im westlichen Mittelmeer bereits durch die Rückgewinnung Siziliens (1090), Korsikas (1091), Sardiniens und Mallorcas (1232) aus arabischer Herrschaft. Dies kam dem Handel Genuas, Barcelonas und der Provence zugute. 137 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive 12. Vgl. Landes (1998), S. 46-47: „Mitte des 15. Jahrhunderts wurden in Italien, und namentlich in Florenz und in Venedig, Tausende von Brillen gefertigt, sowohl mit konkaven als auch mit konvexen Linsen, für Kurzsichtige wie für Weitsichtige“. 13. Im Bereich des Bildungswesens sei daran erinnert, dass die Universität von Padua seit ihrer Gründung im Jahr 1405 zum Herrschaftsgebiet Venedigs gehörte. Ihre kosmopolitische Fakultät trug in der Renaissance erheblich zur Gelehrsamkeit und zur Entwicklung der Wissenschaft bei. An ihr lehrten Professoren wie Galilei und der flämische Anatom Vesalius. 14. Der Einfluss Heinrichs spielte eine Rolle, als Portugal 1415 Marokko angriff. Der strategische Hafen Ceuta wurde eingenommen und portugiesischer Stützpunkt (der 1580 an Spanien abgetreten wurde). Ceuta war eine der Endstationen der Goldkarawanen aus der Sahara. Sein Hafen diente genuesischen, venezianischen und katalanischen Kaufleuten auf ihrem Weg vom Mittelmeer zum Atlantik und bot sich als erste Etappe bei der Eroberung Marokkos an. Der Versuch, Tanger einzunehmen, erwies sich jedoch als schmählicher Fehlschlag. Heinrich rettete den Rest seiner Truppen, indem er die Rückgabe Ceutas zusagte und den Arabern seinen jüngeren Bruder als Geisel ließ. Er behielt dann Ceuta und überließ seinen Bruder einem elenden Tod (vgl. Russell, 2000). 15. Vgl. Schwartz (1985), S. 4, 7 und 504. 16. Barrett in Tracy (1990), S. 247, liefert Zahlenangaben über die Goldexporte Westafrikas im Zeitraum 1471-1800. Sie erreichten von 1471 bis 1700 145 Tonnen, von denen der überwiegende Teil wohl nach Portugal gelangte. 17. Die Portugiesen waren davon überzeugt, dass es in Afrika und Asien große Gemeinschaften von Christen gab, und die Erkundungsreisen hatten u.a. den Auftrag, Nachforschungen über den Mythos des Königreichs von Priester Johannes anzustellen. Der portugiesische Spion Covilhã begab sich im Rahmen dieser Suche 1493 nach Äthiopien, wo er blieb, um für den äthiopischen König, den Negus, tätig zu werden und wo er auch noch 1520 gesehen wurde. Was andere Länder Afrikas betrifft, so waren die Kopten in Ägypten die einzige größere christliche Gemeinschaft. Kleinere christliche Gemeinschaften gab es in Südindien. 18. Um die Entdeckung Cabrals zu überprüfen, beauftragten die Portugiesen den florentinischen Seefahrer Amerigo Vespucci, im Jahr 1501 die brasilianische Küste zu erkunden. Er hatte zwei Jahre zuvor für Spanien eine Entdeckungsreise entlang der Küste Venezuelas und Guyanas durchgeführt. Needham (1971), Bd. IV:3, S. 513, erwähnt Vermutungen, wonach die Existenz Brasiliens den Portugiesen bereits bekannt war, bevor Kolumbus seine Reise in die Karibik unternahm. 19. In Subrahmanyam (1997), S. 182, ist die Rede von „4 000 Cantari“. Diese Gewichtseinheit lässt sich auf viele Arten interpretieren. Ashtor zufolge (1980), S. 756-757, entspricht „Kintars“ (eine Maßeinheit, die für die von Venedig von Alexandrien aus exportierten Gewürze verwendet wurde) 180 kg. Ich bin davon ausgegangen, dass es sich hierbei um die Gewichtseinheit handelt, die in der von Subrahmanyam genannten Quelle verwendet wird. 20. Needham (der Biochemiker war) erklärt die europäische Gewürznachfrage folgendermaßen: „Allgemein besteht die Auffassung, dass Pfeffer und andere Gewürze einzig zum Würzen von Speisen und Saucen verwendet wurden, um den Geschmack verdorbenen Fleischs zu verdecken. Da dies jedoch nicht die enormen Mengen erklärt, die das Abendland im Mittelalter einführte, muss davon ausgegangen werden, dass, ebenso wie im traditionellen China und in den islamischen Ländern, Pfeffer effektiv mit Salz vermischt wurde, um Fleisch zu konservieren. Durch das Hinzufügen richtig dosierter Gewürze gelang es, die durch Enzyme bewirkte Autolyse, das Wachstum und die Vermehrung der Bakterien und die Oxidation der Fette zu hemmen“ (vgl. Needham, Bd. IV:3, 1971, S. 520-521). Mit anderen Worten sagt dies auch Landes (1998), S. 132-133: „Die Menschen dieser Zeit konnten dies zwar noch nicht wissen, doch hatten die stärkeren Gewürze auf die den Zersetzungsprozess fördernden und sich von Zersetzungsprodukten ernährenden Bakterien und Viren eine keimtötende oder schwächende Wirkung.“ 21. Vgl. Tibbetts (1981) wegen einer Übersetzung der Arbeiten des führenden arabischen Seefahrers Ibn Majid, und Jones (1978) wegen Abbildungen der arabischen Instrumente für die Beobachtung der Gestirne und der Sonne zu Navigationszwecken. 22. Vgl. Goitein (1967) wegen der Aktivitäten jüdischer Gemeinschaften in der gesamten arabischen Welt des Mittelmeerraums. 23. Vgl. Subrahmanyam (1997), S. 96. 24. Albuquerque war portugiesischer Vizekönig in Asien in der Zeit von 1509 bis 1515. Er war es, der die Stützpunkte von Goa und Malakka gründete. Er wählte Goa nach einem gescheiterten Versuch, Calicut einzunehmen, bei dem die dort gelandeten Portugiesen niedergemetzelt worden waren. Die Beseitigung des moslemischen Stützpunkts in Goa wurde von den hinduistischen Monarchen von Vijayanagar begrüßt, mit denen die Portugiesen freundschaftliche Beziehungen anknüpften (vgl. Panikkar, 1953, S. 38-39). 25. Der Große Kanal war etwa zehnmal so lang wie der größte europäische Kanal – der Canal du Languedoc –, der unter Colbert gebaut wurde und seit 1681 in Betrieb war. Dieser hatte eine Länge von 240 km und war nur von relativ kleinen Schiffen befahrbar (vgl. Parry, 1967, S. 215). 138 Entwicklung des Abendlands und Auswirkungen auf die übrige Welt 26. Portugal ging, nachdem es seine Unabhängigkeit von Spanien erlangt hatte, mit dem Vereinigten Königreich ein enges Bündnis ein. Die Briten durften Händler in Brasilien und Portugal haben, am Verkehrsgewerbe teilhaben; ihnen wurden exterritoriale Rechte eingeräumt, und die Zölle für britische Güter wurden auf ein festes Niveau fixiert. Mit dem Methuen-Vertrag von 1703 wurde britischen Gütern freier Zugang zum brasilianischen und portugiesischen Markt gewährt. Im Gegenzug hierzu unterstützte das Vereinigte Königreich das portugiesische Reich durch Militärgarantien. 27. Mulhall (1899), S. 172, weist nach, dass die brasilianischen Zolleinnahmen 1887 21% des Handelsumsatzes (rd. 37% der Einfuhren unter Berücksichtigung der Ausfuhrabgaben von etwa 5%) erreichten, gegenüber einem weltweiten Durchschnitt von 5,6%. Der Anteil der Zolleinnahmen am Handelsumsatz lag in Portugal am höchsten (41%), der der Vereinigten Staaten (15%) an zweiter Stelle. In Holland betrug er 0,2%, in Belgien 1,1%, in Indien 2,2% und im Vereinigten Königreich 3,1%. Mulhall zeigt auch (S. 258), dass im Jahrzehnt 1871-1880 72% der brasilianischen Einnahmen aus Zöllen stammten (der Anteil war höher als in jedem anderen Land). In Indien betrug er lediglich 4% (niedrigster Wert). 28. Flandern und Brabant wurden 1384, die Provinz Holland 1428 dem Herzogtum Burgund angegliedert, das von Brüssel aus verwaltet wurde. Dort befand sich der Hof des Herzogs, der gelegentlich nach Dijon oder Brügge übersiedelte. Das Gebiet des späteren Belgien und der Niederlande setzte sich aus 17 Provinzen (staten) zusammen, die Vertreter zur jährlichen Versammlung der Generalstaaten entsandten, wo ihnen die Höhe der zu erhebenden Steuern mitgeteilt wurde. Die Provinzen unterstanden drei Statthaltern, welche dem Adel entstammten. Die Städte genossen beträchtliche ständische Freiheiten. Diese Rechte wurden von einer wohlhabenden kaufmännischen Oberschicht genutzt, die Regeln für das Handwerk aufstellte und Vereinbarungen über regelmäßig stattfindende Handelsmessen und Außenhandelskontingente traf. Drei Bistümer innerhalb des Gebiets der 17 Provinzen sowie zwei weitere in Nordfrankreich unterstanden dem unmittelbaren Einfluss Burgunds. Die Macht war fragmentiert und die Herrschaftsausübung im Vergleich zu späteren Epochen relativ milde. Obgleich das Herzogtum die französische Lehnshoheit anerkannte, war es de facto unabhängig. 1477 ehelichte die letzte Erbin Burgunds Maximilian von Habsburg, so dass die burgundischen Erblande nach ihrem Tod im Jahre 1482 dem Heiligen Römischen Reich zufielen. Maximilian I. hatte von 1493 bis 1519 die Römische Kaiserwürde inne; seine Nachfolge trat Karl V. an, der bis 1555 regierte. Die habsburgischen Herrscher beschnitten die Privilegien des burgundischen Adels und der Städte und zwangen ihnen höhere Steuern ab. Als die Provinzen unter dem Einfluss der Lutheraner, Wiedertäufer und Kalvinisten von der Reformationsbewegung ergriffen wurden, antwortete Habsburg mit einer erbarmungslosen Repression des neuen Glaubens. Karl V. dankte 1555 ab und teilte das Reich. Der Ostteil ging an seinen Bruder, der Westteil an seinen Sohn Philipp II. Letzterer regierte insgesamt fünfzig Jahre über die Niederlande, von seinem ersten Besuch in Brüssel im Jahre 1548 bis 1598. Die Niederlande waren die reichste Region seines Riesenreichs, weshalb Philipp bestrebt war, so viel Geld wie möglich aus ihr herauszupressen, um so seine weitläufigeren Unternehmungen finanzieren und seine Ambitionen realisieren zu können. Sein Ehrgeiz trieb ihn in den Krieg mit Frankreich, ließ ihn den Versuch einer Eroberung Englands unternehmen und verwickelte ihn in einen schweren Seekrieg gegen die Osmanen. Auch Eheschließungen dienten ihm als Mittel zur Verwirklichung seiner territorialen Ambitionen. Er heiratete zunächst Maria von Portugal (1543), dann Maria Tudor, die Königin von England (1554), danach Isabella von Frankreich (1559) und schließlich Anna von Österreich (1570). Er verschleuderte den mexikanischen und peruanischen Silbertribut, und wegen seiner haushaltspolitischen Verantwortungslosigkeit war der spanische Staat mehrmals zahlungsunfähig (1557, 1575 und 1597). Das Ergebnis seiner Politik war letztlich eine Schwächung Spaniens. Zwischen 1609 und 1621 herrschte Waffenruhe im Krieg zwischen Spanien und der Republik der Vereinigten Niederlande. Der Konflikt entflammte von neuem, als sich die beiden Länder im Dreißigjährigen Krieg auf unterschiedliche Seiten stellten. Die spanischen Truppen griffen die Niederlande von Deutschland aus an, sie stellten jedoch ab den dreißiger Jahren des 17. Jahrhunderts keine ernsthafte Bedrohung für die Niederländer mehr dar. Spanien herrschte noch bis 1714 über das Gebiet des späteren Belgien, das nach dem spanischen Erbfolgekrieg an Österreich fiel. 29. Die sieben nördlichen Provinzen entwickelten sich nach der Bildung der Utrechter Union im Jahre 1579 zu einem eigenständigen Staat, der sich 1581 von Spanien lossagte. Das neue Staatsgebilde war weder eine echte Republik noch eine Monarchie. Es umfasste auch die Generalitätslande, darunter Breda, Bergen op Zoom und Maastricht. Diese wurden nicht als Provinzen behandelt, u.a. wegen der umfangreichen Lehnsrechte, die das Haus Oranien in Breda genoss. Wilhelm I., Prinz von Oranien und Graf von Nassau (1533-84), spielte eine wichtige Rolle beim Aufbau des neuen Staats. Er war der wohlhabendste Vertreter des burgundisch-habsburgischen Adels und besaß ausgedehnte Ländereien in der Gegend um Breda, in Deutschland und in der Provence. Er wurde in Brüssel im katholischen Glauben erzogen, zeichnete sich in der spanischen Armee im Kampf gegen Frankreich aus und stand hoch in der Gunst Karls V., dessen Statthalter er in Holland und Seeland war. Als er sich der repressiven Politik Philipps II. widersetzte, wurde sein Besitz beschlagnahmt und ein Preis auf seinen Kopf ausgesetzt. Er organisierte den Widerstand gegen die spanischen Streitkräfte zu Lande und zur See, trat zum Kalvinismus über und wurde schließlich in der neu gegründeten Republik zum Statthalter der Provinzen Holland, Seeland, Friesland und Utrecht ernannt. 1584 wurde er ermordet. Das Haus Oranien stellte in der Folge auch weiterhin – wenngleich nicht durchgehend – die niederländischen Statthalter, bis es schließlich 1814 die erbliche Königswürde erhielt, als die Niederlande zur Monarchie wurden. Die Stammlande der Oranier im 139 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Rhonetal (Orange) wurden von Ludwig XIV. erobert und Frankreich 1685 eingegliedert. Die bedeutendsten Vertreter des Hauses Oranien waren Moritz, Prinz von Oranien (der als Feldherr eine wichtige Rolle bei der Verteidigung der Republik in den Jahren zwischen 1584 und 1625 spielte) sowie Wilhelm III. von Oranien, der ab 1672 Statthalter der Niederlande und von 1688 bis zu seinem Tod im Jahre 1702 König von England war. Der britische Botschafter in Den Haag, Sir William Temple (1693, S. 133), beschrieb die Situation in den siebziger Jahren des 17. Jahrhunderts wie folgt: „So wie die Generalstaaten die oberste Regierungsgewalt darstellten, verkörperte der Prinz von Oranien die Würde dieses Staates durch sein Gardekorps und sein Offiziersgefolge – durch die Pracht seines Hofes und das schiere Ausmaß seiner Ausgaben, die nicht nur mit den Pensionen und Ansprüchen aus seinen verschiedenen Ämtern und Kommandos, sondern auch mit den riesigen Einkünften finanziert wurden, die ihm aus seinem Erbvermögen, seinen Ländereien, souveränen Fürstentümern und Herrschaftsgebieten in Frankreich, Deutschland sowie Teilen der siebzehn Provinzen zuflossen“. 30. Vgl. Walter und Schofield (1989), S. 42: „Eine gestiegene Nachfrage nach nicht getreidehaltigen Nahrungsmitteln und nicht landwirtschaftlichen Erzeugnissen förderte die Entwicklung von landwirtschaftlichen Mischbetrieben und die Diversifikation der Tätigkeitsbereiche der Landbevölkerung, wodurch ein besseres Gleichgewicht zwischen Getreideanbau und Viehzucht entstand und die Absatznetze generell gestärkt wurden. Darüber hinaus sorgte die Zunahme sowohl der Anbauflächen als auch der Erträge aus dem Hafer- und Gersteanbau für ein vorteilhafteres Mischverhältnis, dank dessen die Auswirkungen von Ernteausfällen abgefangen werden konnten, da es nicht mehr zum gleichzeitigen Ausfall der gesamten Ernte kommen konnte“. Dupaquier weist in demselben Band auf einen weiteren wichtigen Punkt hin (S. 199): „In Frankreich gab es nur wenig überregionalen Warenverkehr mit Getreide, so dass die Auswirkungen schlechter Ernten in einzelnen Gebieten nur schwer ausgeglichen werden konnten, was in England hingegen dank der strategischen Rolle der Küstenschifffahrt möglich war.“ 31. Vgl. Brewer (1989), S. 14-20. 32. Vgl. Gregory Kings handschriftliches Notizbuch, S. 208, das in Laslett (1973) abgedruckt ist. 33. Vgl. Shammas, in Brewer und Porter (1993), S. 182 und 184. 34. Vgl. Parry (1967), S. 210-216, zu den Charakteristika der fluyts und den niederländischen Schiffbautechniken. 35. Vgl. North (1968) und Harley (1988) bezüglich einer Analyse der sinkenden Schifffahrtskosten, sowie Parry (1967), S. 216-217, zur Entwicklung des Überlandverkehrs vor dem Erscheinen der Eisenbahn. 36. Eine gründlichere Analyse dieses Zeitraums findet sich bei Maddison (1976) und (1995a), S. 65-73. 37. Die vorliegende Analyse des britischen Einflusses in Indien ist großteils Maddison (1971) entnommen. Vgl. auch Habib (1995) und Lal (1988). 38. Die von Fürsten mit Hilfe von Weisungen dort stationierter britischer Beamter regierten „indigenen Staaten“ vereinten etwa ein Fünftel der indischen Bevölkerung auf sich. Es gab mehrere Hundert solcher indigener Staaten. Die größten waren Hyderabad, Jammu und Kashmir sowie Mysore. Portugal behielt Goa mit 0,15% der indischen Bevölkerung, während der französische Anteil am indischen Territorium sogar noch kleiner war. 39. 1913 hielten ausländische Banken über drei Viertel der Gesamteinlagen, indische Joint Stock Banks weniger als ein Viertel. Im 18. Jahrhundert hatte es mächtige indische Bankhäuser gegeben (die dominiert wurden von den Jagath Seths); sie wickelten Einlagen und Vorschüsse für das Mogulreich, die Nabob von Bengalen, die Ostindien-Kompanie und andere ausländische Gesellschaften sowie indische Händler ab und führten auch Arbitragetransaktionen zwischen den indischen Währungen verschiedener Regionen und Jahrgänge durch. Diese einheimischen Bankhäuser wurden von den Briten weitgehend verdrängt. 40. Vgl. D.H. Buchanan, The Development of Capitalist Enterprise in India, Cass, London, 1966, S. 211 und 321, wo die Kosten europäischer Führungskräfte beziffert werden. In den Tata-Stahlwerken betrug das Durchschnittsgehalt einer ausländischen Führungskraft im Zeitraum 1921-1922 13 527 Rupien jährlich, während ein indischer Arbeiter lediglich 240 Rupien erhielt. Das ausländische Personal war damit doppelt so teuer wie in den Vereinigten Staaten und in der Regel weniger effizient. Der Rückgriff auf ausländische Mitarbeiter hatte zudem oft Fehlentscheidungen zur Folge, wie z.B. den Bau mehrstöckiger Werksgebäude in einem heißen Land wie Indien oder den Einsatz von Wagen- statt Ringspindeln. 41. Vgl. Maddison (1998a), S. 22-23, über Stärken und Schwächen des Regierungs- und Verwaltungssystems im traditionellen China, sowie S. 39-54 über den wirtschaftlichen Abstieg und die Demütigung Chinas durch das Ausland in der Zeit von 1840 bis 1949. 42. Vgl. Feuerwerker (1983), S. 128-207, über das Wesen der Vertragshäfen, die extraterritorialen Konzessionen in China sowie Lebensstil und Privilegien der ausländischen Kolonie. 140 Die Weltwirtschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Kapitel 3 Die Weltwirtschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Die Weltwirtschaft verzeichnete im letzten halben Jahrhundert bessere Ergebnisse als je zuvor in der Vergangenheit. Zwischen 1950 und 1998 erhöhte sich das weltweite BIP um das Sechsfache mit einer jahresdurchschnittlichen Zuwachsrate von 3,9% im Vergleich zu 1,6% im Zeitraum 1820-1950 und 0,3% im Zeitraum 1500-1820. Das beschleunigte Wachstum wurde zwar teilweise durch die raschere Zunahme der Bevölkerung absorbiert, das reale Pro-Kopf-Einkommen stieg aber gleichwohl um 2,1% jährlich, gegenüber 0,9% im Zeitraum 1820-1950 und 0,05% zwischen 1500 und 1820. Damit wuchs es 42-mal so rasch wie in der protokapitalistischen Ära und mehr als doppelt so schnell wie in den ersten 13 Jahrzehnten unseres kapitalistischen Zeitalters. Die Interdependenzen zwischen den verschiedenen Teilen der Weltwirtschaft haben stark zugenommen. Das Volumen des Warenhandels expandierte rascher als das BIP. Zwischen 1950 und 1998 weitete sich der Exportanteil am weltweiten BIP von 5,5% auf 17,2% aus (vgl. Tabelle 3.2). Der internationale Reiseverkehr, der Kommunikationssektor und andere Dienstleistungsbranchen erlebten einen enormen Boom, wodurch sich die internationale Arbeitsteilung verbesserte, die Verbreitung von Ideen und Technologien erleichtert wurde und andere Teile der Welt vom hohen Nachfrageniveau in der Gruppe der fortgeschrittenen kapitalistischen Länder profitieren konnten. Der Zustrom von Auslandsinvestitionen in ärmere Teile der Welt (Afrika, Asien mit Ausnahme Japans, sowie Lateinamerika) nahm in den vergangenen fünfzig Jahren in beeindruckendem Tempo zu (vgl. Tabelle 3.3). Infolgedessen weitete sich der Auslandskapitalbestand in diesen Ländern von 4% auf 22% ihres BIP aus. Das gegenwärtige Verhältnis entspricht aber nur zwei Dritteln des Niveaus von 1914. Die enorme Expansion der internationalen Investitionen in den vergangenen fünfzig Jahren vollzog sich im Wesentlichen innerhalb der Gruppe der fortgeschrittenen kapitalistischen Länder. Es kam zu einem Wiederaufleben der internationalen Migrationsbewegungen. Wie aus Tabelle 3.4 hervorgeht, haben die westeuropäischen Länder im Zeitraum 1950-1998 mehr als 20 Millionen Zuwanderer aufgenommen, die großen Einwanderungsländer (die so genannten Western Offshoots, d.h. USA, Kanada, Australien und Neuseeland) 34 Millionen. In Westeuropa vollzog sich eine deutliche Wende. Während es zwischen 1870 und 1949 zu einem Exodus von Menschen kam, die anderswo bessere Chancen suchten, hat sich die Situation seit 1950 vollständig umgekehrt. Die kapitalistische Epoche lässt sich in fünf verschiedene Entwicklungsphasen unterteilen (vgl. Tabelle 3.1a). Das „goldene Zeitalter“ der Jahre 1950-1973 stellte von den Wachstumsergebnissen her gesehen die mit Abstand beste Phase dar. Unser Zeitalter, das 1973 begann (und im weiteren als die „neoliberale Wirtschaftsordnung“ bezeichnet wird), schneidet am zweitbesten ab. Die alte „liberale Wirtschaftsordnung“ der Jahre 1870-1913 rangiert mit einem etwas langsameren Wachstum als in unserer 141 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle 3.1a Wachstum von Pro-Kopf-BIP, Bevölkerung und BIP: Welt und große Regionen, 1000–1998 (kumulierte jahresdurchschnittliche Zuwachsraten) 1000–1500 1500–1820 1820–1970 1870–1913 1913–1950 1950–1973 1973–1998 Pro-Kopf-BIP Westeuropa Große Einwanderungsländer Japan Asien (ohne Japan) Lateinamerika Osteuropa und Ex-UdSSR Afrika Welt 0.13 0.00 0.03 0.05 0.01 0.04 –0.01 0.05 0.15 0.34 0.09 0.00 0.15 0.10 0.01 0.05 0.95 1.42 0.19 –0.11 0.10 0.64 0.12 0.53 1.32 1.81 1.48 0.38 1.81 1.15 0.64 1.30 0.76 1.55 0.89 –0.02 1.42 1.50 1.02 0.91 4.08 2.44 8.05 2.92 2.52 3.49 2.07 2.93 1.78 1.94 2.34 3.54 0.99 –1.10 0.01 1.33 0.42 1.25 1.31 0.92 1.97 0.34 1.65 0.93 0.70 1.55 1.15 2.19 2.73 1.31 2.33 1.92 0.32 1.02 0.61 1.86 2.01 0.54 2.73 1.66 1.19 2.81 2.21 0.90 3.43 1.84 2.69 1.85 4.81 4.03 9.29 5.18 5.33 4.84 4.45 4.91 2.11 2.98 2.97 5.46 3.02 –0.56 2.74 3.01 Bevölkerung Westeuropa Große Einwanderungsländer Japan Asien (ohne Japan) Lateinamerika Osteuropa und Ex-UdSSR Afrika Welt 0.16 0.07 0.14 0.09 0.09 0.16 0.07 0.10 0.26 0.43 0.22 0.29 0.06 0.34 0.15 0.27 0.69 2.87 0.21 0.15 1.27 0.87 0.40 0.40 0.77 2.07 0.95 0.55 1.64 1.21 0.75 0.80 BIP Westeuropa Große Einwanderungsländer Japan Asien (ohne Japan) Lateinamerika Osteuropa und Ex-UdSSR Afrika Welt 0.30 0.07 0.18 0.13 0.09 0.20 0.06 0.15 0.41 0.78 0.31 0.29 0.21 0.44 0.16 0.32 1.65 4.33 0.41 0.03 1.37 1.52 0.52 0.93 2.10 3.92 2.44 0.94 3.48 2.37 1.40 2.11 Quelle: Anhänge A und B. Tabelle 3.1b Niveau des Pro-Kopf-BIP und Gefälle zwischen den Regionen, 1000–1998 (in internationalen Dollar von 1990) Westeuropa Große Einwanderungsländer Japan Asien (ohne Japan) Lateinamerika Osteuropa und Ex-UdSSR Afrika Welt Gefälle zwischen den Regionen 1000 1500 1820 1870 1913 1950 1973 1998 400 400 425 450 400 400 416 435 1.1:1 774 400 500 572 416 483 400 565 2:1 1 232 1 201 669 575 665 667 418 667 3:1 1 974 2 431 737 543 698 917 444 867 5:1 3 473 5 257 1 387 640 1 511 1 501 585 1 510 9:1 4 594 9 288 1 926 635 2 554 2 601 852 2 114 15:1 11 534 16 172 11 439 1 231 4 531 5 729 1 365 4 104 13:1 17 921 26 146 20 413 2 936 5 795 4 354 1 368 5 709 19:1 142 Die Weltwirtschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Tabelle 3.1c Anteile am Welt-BIP, 1000–1998 (in Prozent) Westeuropa Große Einwanderungsländer Japan Asien (ohne Japan) Lateinamerika Osteuropa und Ex-UdSSR Afrika Welt 1000 1500 1820 1870 1913 1950 1973 1998 8.7 0.7 2.7 67.6 3.9 4.6 11.8 100.0 17.9 0.5 3.1 62.1 2.9 5.9 7.4 100.0 23.6 1.9 3.0 56.2 2.0 8.8 4.5 100.0 33.6 10.2 2.3 36.0 2.5 11.7 3.7 100.0 33.5 21.7 2.6 21.9 4.5 13.1 2.7 100.0 26.3 30.6 3.0 15.5 7.9 13.1 3.6 100.0 25.7 25.3 7.7 16.4 8.7 12.9 3.3 100.0 20.6 25.1 7.7 29.5 8.7 5.3 3.1 100.0 Quelle: Anhänge A und B. Tabelle 3.2a Wachstum des Warenexportvolumens, Welt und große Regionen, 1870–1998 (kumulierte jahresdurchschnittliche Zuwachsraten) 1870–1913 1913–1950 1950–1973 3.24 4.71 3.37 3.29 2.79 4.37 3.40 –0.14 2.27 1.43 2.29 1.64 1.90 0.90 8.38 6.26 9.81 4.28 9.97 5.34 7.88 Westeuropa Große Einwanderungsländer Osteuropa und Ex-UdSSR Lateinamerika Asien Afrika Welt 1973–1998 4.79 5.92 2.52 6.03 5.95 1.87 5.07 Tabelle 3.2b Warenexporte in Prozent des BIP zu Preisen von 1990, Welt und große Regionen, 1870–1998 Westeuropa Große Einwanderungsländer Osteuropa und Ex-UdSSR Lateinamerika Asien Afrika Welt 1870 1913 1950 1973 1998 8.8 3.3 1.6 9.7 1.7 5.8 4.6 14.1 4.7 2.5 9.0 3.4 20.0 7.9 8.7 3.8 2.1 6.0 4.2 15.1 5.5 18.7 6.3 6.2 4.7 9.6 18.4 10.5 35.8 12.7 13.2 9.7 12.6 14.8 17.2 Tabelle 3.2c Prozentualer Anteil der Regionen an den Weltexporten, 1870–1998 Westeuropa Große Einwanderungsländer Osteuropa und Ex-UdSSR Lateinamerika Asien Afrika Welt Quelle: 1870 1913 1950 1973 1998 64.4 7.5 4.2 5.4 13.9 4.6 100.0 60.2 12.9 4.1 5.1 10.8 6.9 100.0 41.1 21.3 5.0 8.5 14.1 10.0 100.0 45.8 15.0 7.5 3.9 22.0 5.8 100.0 42.8 18.4 4.1 4.9 27.1 2.7 100.0 Die Tabellen 3.2a und 3.2c sind von Tabelle F.3 abgeleitet. In Tabelle 3.2b wurden die in Tabelle F.3 enthaltenen Angaben für die Exporte in US-Dollar von 1990 durch das BIP in internationalen Dollar von 1990 dividiert. 143 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle 3.3 Bruttowert der Auslandskapitalbestände in Entwicklungsländern, 1870–1998 (in Mrd. Dollar zum Jahresende und in Prozent) Gesamtbestand in jeweiligen Preisen Gesamtbestand in Preisen von 1990 Bestand in % des BIP der Entwicklungsländer Quelle: 1870 1914 1950 1973 1998 4.1 40.1 19.2 235.4 11.9 63.2 172.0 495.2 3 590.2 3 030.7 8.6 32.4 4.4 10.9 21.7 Die Angaben beziehen sich auf den Gesamtwert für Afrika, Asien (ohne Japan) und Lateinamerika. Die Angaben über den Bestand in jeweiligen Preisen von 1870–1973 sind Quellen entnommen, die bei Maddison (1989), S. 30, zitiert wurden. Der Bestand ausländischer Direktinvestitionen für 1998 stammt aus UNCTAD, World Investment Report, Anhang B; die Schuldenangaben für 1998 aus Weltbank, Global Development Finance, Country Tables, 1999; das Portefeuille der Aktieninvestitionen von 1998 wurde mit 200 Mrd. $ veranschlagt (abgeleitet durch Kumulierung der Aktienströme im Zeitraum 1988–1998 gemäß Weltbank a.a.O.). Der Deflator ist der US-Verbraucherpreisindex, 1870– 1980, aus Maddison (1991), Tabelle E.2, die anhand von OECD-Daten aus dem Wirtschaftsausblick, Dezember 1999, S. 210, aktualisiert wurde. Der Nenner für die dritte Reihe ist das BIP in internationalen Dollar von 1990 aus Anhang A. Der Nenner für 1914 ist das BIP von 1913, da das BIP von 1914 nicht verfügbar ist. Tabelle 3.4 Nettomigration: Westeuropa, Japan und große Einwanderungsländer, 1870–1998 (in Tausend, ein negatives Vorzeichen steht für Abwanderung) 1870–1913 Frankreich Deutschland Italien Vereinigtes Königreich Sonstigec Westeuropa insgesamt Japan Australien Neuseeland Kanada Vereinigte Staaten Große Einwanderungsländer insg. a) 1914–1949 1950–1973 1974–1998 890 –2 598 –4 459 –6 415 –1 414 –13 996 –236 –304a –1 771 –1 405b 54 –3 662 3 630 7 070 –2 139 –605 1 425 9 381 1 026 5 911 1 617 737 1 607 10 898 n.v. 197 –72 –179 885 290 861 15 820 17 856 673 138 207 6 221 7 239 2 033 247 2 126 8 257 12 663 2 151 87 2 680 16 721 21 639 1922–1939; b) ohne den Zeitraum 1939–1945; c) einschließlich Belgien, Niederlande, Norwegen, Schweden und Schweiz. Quelle: Die Angaben für den Zeitraum 1870–1973 sind generell Maddison (1991), S. 240, entnommen; die Angaben für Australien in den Jahren 1870–1873 stammen von Vamplew (1987), S. 4–7, für Neuseeland 1870–1973 von Hawke (1985), S. 11–12, und für Kanada im Zeitraum 1870–1950 von Firestone (1958). Die Angaben für den Zeitraum 1974–1998 stammen aus OECD, Labour Force Statistics, 1978– 1998. Zeit auf Platz 3. In der viertbesten Phase (1913-1950) blieb das Wachstum aus offenkundigen Gründen – den zwei Weltkriegen und dem dazwischen liegenden Zusammenbruch des Welthandels, der Kapitalmärkte und der Migrationsbewegungen – hinter dem Potential zurück. Das langsamste Wachstum wurde in der Anfangsphase der kapitalistischen Entwicklung (1820-1870) verzeichnet, wo sich die Wachstumsdynamik weitgehend auf die europäischen Länder und die großen Einwanderungsländer beschränkte. Obwohl unser Zeitalter an zweiter Stelle rangiert und sich die internationalen Wirtschaftsbeziehungen im Zuge der fortdauernden Liberalisierung intensiviert haben, ist doch eine abrupte Verlangsamung der globalen Wachstumsdynamik eingetreten, und die Wachstumsdivergenzen in den verschiedenen Weltregionen haben zu einer deutlichen Verschärfung der Ungleichgewichte geführt. Im goldenen Zeitalter hatte sich der Abstand beim Pro-Kopf-Einkommen zwischen den ärmsten und reichsten Regionen von 15:1 auf 13:1 verringert. Seither ist er auf 19:1 gestiegen (vgl. Tabelle 3.1b). 144 Die Weltwirtschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Tabelle 3.5 Pro-Kopf-BIP in den drei erfolgreichsten Phasen des kapitalistischen Zeitalters 1950–1973 (goldenes Zeitalter) 1973–1998 (neoliberale Wirtschaftsordnung) 1870–1913 (liberale Wirtschaftsordnung) Kumulierte jahresdurchschnittliche Zuwachsrate des Pro-Kopf-BIP 1998 Welt-BIP 1998 Weltbevölkerung Prozentualer Anteil Teil A Westeuropa Große Einwanderungsländer Japan Fortgeschr. kapitalistische Länder insg. 4.08 2.44 8.05 3.72 1.78 1.94 2.34 1.98 1.32 1.81 1.48 1.56 20.6 25.1 7.7 53.4 6.6 5.5 2.1 14.2 Wieder erstarkende asiatische Länder 2.61 4.18 0.38 25.2 50.9 Fortgeschr. kapitalistische Länder und wieder erstarkende asiat. Länder (49) 2.93 1.91 1.36 78.6 65.1 Teil B 40 44 27 57 andere Länder Asiens Länder Lateinamerikas osteurop. Länder und Ex-UdSSR Länder Afrikas 4.09 2.52 3.49 2.07 0.59 0.99 –1.10 0.01 0.48 1.79 1.15 0.64 4.3 8.7 5.4 3.1 6.5 8.6 6.9 12.9 Schwache Volkswirtschaften (168) 2.94 –0.21 1.16 21.4 34.9 Welt 2.93 1.33 1.30 100.0 100.0 Quelle: Anhang A. Zu den fünf Phasen des kapitalistischen Zeitalters zählen die drei oben genannten, der Zeitraum 1820–1870, als das weltweite ProKopf-Wachstum eine Jahresrate von 0,53% aufwies, und die Jahre 1913–1950, als es bei 0,91% lag. In Tabelle 3.5 werden die Erfahrungen verschiedener Teile der Weltwirtschaft in den drei erfolgreichsten Phasen der kapitalistischen Entwicklung verglichen. Die Ergebnisse von 1973-1998 werden denen des goldenen Zeitalters und der „liberalen Wirtschaftsordnung“ (1870-1913) gegenübergestellt. Teil A zeigt die Ergebnisse von 49 Volkswirtschaften, die mehr als drei Viertel des weltweiten BIP produzieren und zwei Drittel der Weltbevölkerung auf sich vereinen. Die fortgeschrittenen kapitalistischen Länder (Westeuropa, die großen Einwanderungsländer und Japan) erwirtschaften zusammen über die Hälfte des Welt-BIP. In dieser Gruppe sank das Pro-Kopf-Wachstum im Zeitraum 1973-1998 weit unter das im goldenen Zeitalter verzeichnete Niveau, war aber deutlich besser als in den Jahren 1870-1913. Im zweiten Abschnitt von Teil A sind die Ergebnisse der wieder erstarkenden asiatischen Länder dargestellt – 15 Länder, auf die ein Viertel des weltweiten BIP entfällt und die die Hälfte der Weltbevölkerung stellen. Der Erfolg dieser Länder war außergewöhnlich. Ihr Pro-Kopf-Wachstum hat sich seit 1973 rascher entwickelt als im goldenen Zeitalter und war mehr als zehnmal so hoch wie unter der alten liberalen Wirtschaftsordnung. Sie haben gegenüber den führenden Ländern erheblich aufgeholt und folgen (in unterschiedlichem Grade) dem Modell Japans, das im goldenen Zeitalter einen großen Sprung nach vorne getan hat. Würde die Welt nur die beiden Ländergruppen von Teil A umfassen, dann könnte die Struktur der Weltentwicklung als eine klare Demonstration der Möglichkeiten einer bedingten Konvergenz interpretiert werden, wie sie die neoklassische Wachstumstheorie nahe legt. Danach müssten Länder mit niedrigem Einkommen über ein „rückstandsbedingtes Aufholpotential“ verfügen und in der Lage sein, ein rascheres Wachstum zu erreichen als wohlhabendere Volkswirtschaften, die sehr viel näher an 145 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle 3.6 Wirtschaftliche Merkmale der zwanzig größten Länder, 1998 BIP in Mrd. KKP-Dollar von 1990 Vereinigte Staaten China Japan Indien Deutschland Frankreich Vereinigtes Königreich Italien Brasilien Russland Mexiko Indonesien Kanada Südkorea Spanien Türkei Australien Thailand Argentinien Taiwan 20 größte Länder insg. Welt Anmerkung: 7 394.6 3 873.4 2 581.6 1 702.7 1 460.1 1 150.1 1 108.6 1 022.8 926.9 664.5 655.9 627.5 622.9 564.2 560.1 423.0 382.3 372.5 334.3 327.0 26 755.0 33 725.6 Pro-Kopf-BIP in KKP-Dollar von 1990 27 331 3 117 20 410 1 746 17 799 19 558 18 714 17 759 5 459 4 523 6 655 3 070 20 559 12 152 14 227 6 552 20 390 6 205 9 219 15 012 7 023 5 709 Bevölkerung in Mio. Prozentualer Anteil am Welt-BIP Prozentualer Anteil an der Weltbevölkerung 270.6 1 242.7 126.5 975.0 82.0 58.8 59.2 57.6 169.8 146.9 98.6 204.4 30.3 46.4 39.4 64.6 18.8 60.0 36.3 21.8 3 809.7 5 907.7 21.9 11.5 7.7 5.0 4.3 3.4 3.3 3.0 2.7 2.0 1.9 1.9 1.8 1.7 1.7 1.3 1.1 1.1 1.0 1.0 79.3 100.0 4.6 21.0 2.1 16.5 1.4 1.0 1.0 1.0 2.9 2.5 1.7 3.5 0.5 0.8 0.7 1.1 0.3 1.0 0.6 0.4 64.5 100.0 Die KKP-Dollar von 1990 werden geschätzt, indem die Landeswährungen anhand der Kaufkraftparität und nicht des Wechselkurses umgerechnet werden. Die Schätzungen der Kaufkraftparität sind hauptsächlich dem Internationalen Vergleichsprojekt (International Comparisons Programme – ICP) von OECD, Eurostat und Vereinten Nationen entnommen. Wegen detaillierter Erläuterungen vgl. die Einleitung zu Anhang A. ihrer technologischen Grenze operieren. Realisiert werden kann dieses Potential aber nur, wenn es solchen Ländern gelingt, Ressourcen effizient zu mobilisieren und zu verteilen, das Human- und Sachkapital zu verbessern und so die geeigneten Technologien zu integrieren und anzupassen. Die wieder erstarkenden asiatischen Länder haben diese Chancen genutzt. Auf die Länder in Teil B der Tabelle trifft dies nicht zu. Ihre relative Position hat sich seit 1973 drastisch verschlechtert. Teil B zeigt die Ergebnisse „schwacher Volkswirtschaften“. Zusammengenommen erwirtschaften sie rund ein Fünftel des weltweiten BIP und vereinen etwa ein Drittel der Weltbevölkerung auf sich. In all diesen Regionen haben sich die Wirtschaftsergebnisse seit dem goldenen Zeitalter alarmierend verschlechtert. In den Nachfolgestaaten der ehemaligen UdSSR waren sie katastrophal. So ging das gesamte Pro-Kopf-Einkommen der Teil-B-Länder in den vergangenen 25 Jahren jährlich um 0,21% zurück. Im goldenen Zeitalter war das Wachstum des Pro-Kopf-Einkommens dieser Länder insgesamt noch mit dem der Teil-A-Länder identisch. Im Zeitraum 1870-1913 hatten ihre Gesamtergebnisse nicht weit unter denen der Teil-A-Länder gelegen. Vor einer detaillierten Analyse der Entwicklungen seit 1973 sollte auf vier große Schocks hingewiesen werden, die die Wachstumsdynamik gebremst und in verschiedenen Teilen der Welt zu unterschiedlichen Zeitpunkten ungleich starke Wirkungen gezeigt haben. Der erste Schock war eine dreifache Herausforderung an die Gruppe der fortgeschrittenen kapitalistischen Länder Anfang der siebziger Jahre (eine starke Beschleunigung der Inflation, der Zusammenbruch des internationalen Währungssystems von Bretton Woods und die OPEC-Entscheidung zur Anhebung der Ölpreise). Der zweite Schock stand im Zusammenhang mit der Schuldenkrise, die Lateinamerika in den frühen acht146 Die Weltwirtschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ziger Jahren traf. Der dritte Schock ergab sich durch den Verfall der japanischen Vermögenswertpreise gegen 1990, der einen außergewöhnlich starken Deflationseffekt für die bis dahin dynamischste Volkswirtschaft der Welt mit sich brachte. Der vierte Schock kam mit der Auflösung der Sowjetunion im Jahr 1991, d.h. dem Verlust der sowjetischen Kontrolle über die osteuropäischen Länder, dem Ende der Handelsvereinbarungen innerhalb des RGW und des Warschauer Pakts sowie der Aufteilung der UdSSR in 15 Nachfolgestaaten. Obwohl diese Schocks tiefgreifende Auswirkungen hatten, erwies sich die liberale internationale Wirtschaftsordnung als bemerkenswert robust. Es kam weder zu einem Zusammenbruch des Welthandels noch der Kapitalmärkte, und obwohl es eine Reihe kleinerer Kriege gab, wurden die potentiell tödlichen Gefahren eines weltweiten Konflikts, wie sie der Kalte Krieg in sich barg, doch weitgehend entschärft. Die Ereignisse, die die fünfte Phase der kapitalistischen Entwicklung kennzeichneten, hatten komplexere Ursachen, gestalteten sich in den einzelnen Regionen unterschiedlich und verliefen weniger synchron als im goldenen Zeitalter. Aus diesem Grund müssen die Erfahrungen jeder einzelnen Region getrennt untersucht werden. I Fortgeschrittene kapitalistische Länder Westeuropa Zwischen 1973 und 1998 wuchs das westeuropäische BIP jährlich um 2,1%, gegenüber 4,8% im goldenen Zeitalter. Zurückzuführen ist diese Abschwächung auf drei Faktoren: a) eine Verlangsamung des Bevölkerungswachstums von 0,7% auf 0,3% jährlich auf Grund eines deutlichen und generellen Rückgangs der Geburtenziffern, b) einen sehr starken Anstieg der Arbeitslosigkeit und anderer Formen der Unterauslastung des Arbeitskräftepotentials und c) eine langsamere Zunahme der Arbeitsproduktivität um eine Jahresrate von nur 2,3%, gegenüber 4,8% im goldenen Zeitalter. Ein Nachlassen des Produktivitätswachstums in Westeuropa war unvermeidlich. Im Zeitraum 1950-1973 boten sich einmalige Chancen, zum Niveau der Vereinigten Staaten aufzuschließen, und diese Chancen wurden auch genutzt; damals war der technische Fortschritt im führenden Land (den Vereinigten Staaten) sehr viel rascher als seit 1973. In der Tat setzte sich der Aufholprozess nach 1973 weiter fort. Das durchschnittliche Produktivitätsniveau in Westeuropa stieg zwischen 1973 und 1998 von zwei Dritteln des amerikanischen Niveaus auf über vier Fünftel. Dennoch nahm das Pro-KopfEinkommen in den meisten westeuropäischen Ländern auf Grund der Arbeitsmarktflaute langsamer zu als in den Vereinigten Staaten (vgl. Tabelle 3.7). Der beunruhigendste Aspekt in der wirtschaftlichen Entwicklung Westeuropas seit 1973 ist der dramatische Anstieg der Arbeitslosigkeit. Zwischen 1994 und 1998 lag die durchschnittliche Arbeitslosenquote bei nahezu 11% der Erwerbsbevölkerung (vgl. Tabelle 3.8). Damit erreichte sie ein höheres Niveau als zum Zeitpunkt der großen Depression in den dreißiger Jahren und war viermal so hoch wie im goldenen Zeitalter. Eine derart massive Arbeitslosigkeit hätte eine größere Wirtschaftskrise ausgelöst, wenn die Arbeitslosen nicht umfangreiche Einkommensunterstützungsleistungen aus der Sozialversicherung erhalten hätten. Der Hauptgrund für diese Zunahme der Arbeitslosigkeit war eine Neuorientierung der makroökonomischen Politikziele, die zunächst unter dem Druck der Ereignisse vorgenommen wurde, von der sich in der Folgezeit aber herausstellte, dass es sich um einen grundlegenden ideologischen Wandel handelte. 147 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle 3.7 Westeuropa und Vereinigte Staaten: Konvergenzgrad bei Produktivität und Pro-Kopf-BIP, 1950–1998 Pro-Kopf-BIP BIP je Arbeitsstunde (kumulierte jahresdurchschnittliche Zuwachsrate) 1950–1973 1973–1998 1950–1973 1973–1998 Frankreich Deutschland Italien Vereinigtes Königreich 12 Länder Westeuropas 4.1 5.0 5.0 2.4 3.9 1.6 1.6 2.1 1.8 1.8 5.0 5.9 5.8 3.1 4.8 2.5 2.4 2.3 2.2 2.3 Irland Spanien 3.0 5.8 4.0 2.0 4.3 6.4 4.1 2.9 Vereinigte Staaten 2.5 2.0 2.8 1.5 Pro-Kopf-BIP-Niveau 1950 1973 BIP-Niveau je Arbeitsstunde US = 100 1998 1950 1973 1998 Frankreich Deutschland Italien Vereinigtes Königreich 12 Länder Westeuropas 55 41 37 72 52 79 72 64 73 73 72 65 65 68 72 46 32 35 63 44 76 62 67 67 68 98 77 81 79 83 Irland Spanien 36 25 41 52 67 52 29 21 41 46 78 64 Zahl der Beschäftigten in % der Bevölkerung 1950 1973 1998 Zahl der Arbeitsstunden je Einwohner 1950 1973 1998 Frankreich Deutschland Italien Vereinigtes Königreich 12 Länder Westeuropas 47.0 42.0 40.1 44.5 43.4 41.1 44.9 41.5 44.6 43.3 38.6 44.0 42.3 45.8 43.5 905 974 800 871 904 728 811 669 753 750 580 670 637 682 657 Irland Spanien Vereinigte Staaten 41.1 41.8 40.5 34.7 37.4 41.0 40.6 34.0 49.1 925 921 756 698 805 704 672 648 791 Quelle: Anhänge A und E. Den „Standpunkt des Establishments“ zu den anzustrebenden wirtschaftspolitischen Zielen im goldenen Zeitalter beschrieb Erik Lundberg (1968, S. 37) wie folgt: „In der Nachkriegszeit wurde die Erreichung von Vollbeschäftigung und raschem Wirtschaftswachstum zu einem der wichtigsten Anliegen der nationalen Regierungen. Während des größten Teils der Zwischenkriegszeit waren es nicht diese wirtschaftspolitischen Ziele, an denen sich die Regierungen orientierten, sondern vielmehr Ziele verschiedener Art, die heute weitgehend als intermediär, zweitrangig, irrelevant oder irrational bezeichnet werden würden, wie beispielsweise die Wiederherstellung oder Wahrung eines bestimmten Wechselkurses, der jährliche Ausgleich des Staatshaushalts sowie die Stabilität des Preisniveaus auf dem laufenden bzw. zuvor erreichten Niveau“. Im Laufe der siebziger Jahre nahm man von den Zielen der Vollbeschäftigung und des raschen Wirtschaftswachstums Abstand, stattdessen wurde die Preisstabilität zur obersten Priorität. Zunächst war diese Umorientierung auf Grund der Konjunkturlage voll berechtigt. Nach dem Zusammenbruch des 148 Die Weltwirtschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Abbildung 3.1 Pro-Kopf-BIP: binäre Gegenüberstellung Vereinigte Staaten/Japan, Vereinigte Staaten/Europa, 1950-1998 (in Geary-Khamis-Dollar von 1990) 100 000 Vereinigte Staaten Vereinigte Staaten Vereinigte Staaten 10 000 Deutschland Japan Ehemalige UdSSR 1 000 1950 1960 1970 1980 1990 2000 1950 1960 1970 1980 1990 2000 1950 1960 1970 1980 1990 2000 100 000 Vereinigte Staaten Vereinigte Staaten Vereinigte Staaten Frankreich 10 000 Vereinigtes Königreich Italien 1 000 1950 1960 1970 1980 1990 2000 1950 1960 1970 1980 Quelle: Anhang C. 149 1990 2000 1950 1960 1970 1980 1990 2000 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle 3.8 Arbeitslosigkeit und Inflation in fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern, 1950–1998 Niveau der Arbeitslosigkeit (in % der Erwerbsbevölkerung) Veränderungen des Verbraucherpreisindex (kumulierte jahresdurchschnittliche Zuwachsrate) 1950–1973 1974–1983 1984–1993 1994–1998 1950–1973 1973–1983 1983–1993 1994–1998 Belgien Finnland Frankreich Deutschland Italien Niederlande Norwegen Schweden Verein. Königreich Irland Spanien Westeuropa Durchschnitt 3.0 1.7 2.0 2.5 5.5 2.2 1.9 1.8 2.8 n.a. 2.9 8.2 4.7 5.7 4.1 7.2 7.3 2.1 2.3 7.0 8.8 9.1 8.8 6.9 10.0 6.2 9.3 7.3 4.1 3.4 9.7 15.6 19.4 9.7 14.2 12.1 9.0 11.9 5.9 4.6 9.2 8.0 11.2 21.8 2.9 5.6 5.0 2.7 3.9 4.1 4.8 4.7 4.6 4.3 4.6 8.1 10.5 11.2 4.9 16.7 6.5 9.7 10.2 13.5 15.7 16.4 3.1 4.6 3.7 2.4 6.4 1.8 5.1 6.4 5.2 3.8 6.9 1.8 1.0 1.5 1.7 3.5 2.2 2.0 1.5 3.0 2.1 3.4 2.6 6.0 9.2 10.7 4.3 11.2 4.5 2.2 Australien Kanada Vereinigte Staaten Durchschnitt 2.1 4.7 4.6 3.8 5.9 8.1 7.4 7.1 8.5 9.7 6.7 8.3 8.6 9.4 5.3 7.8 4.6 2.8 2.7 3.4 11.3 9.4 8.2 9.6 5.6 4.0 3.8 4.5 2.0 1.3 2.4 1.9 Japan 1.6 2.1 2.3 3.4 5.2 7.6 1.7 0.6 Quelle: Die Arbeitslosenquoten für den Zeitraum 1950–1983 sind Maddison (1995a), S. 84, entnommen und wurden anhand von OECD, Labour Force Statistics, aktualisiert. Die Angaben zum Verbraucherpreisindex für den Zeitraum 1950–1983 stammen aus Maddison (1995a) und wurden, auf der Grundlage von OECD-Wirtschaftsausblick, Dezember 1999, aktualisiert. festen Wechselkurssystems von Bretton Woods fühlten sich die politischen Entscheidungsträger ohne einen monetären Anker orientierungslos. Die Aufgabe der festen Wechselkurse geschah zu einem Zeitpunkt wachsender inflationärer Spannungen, und die Erwartungen eines Inflationsschubs wurden durch den ersten OPEC-Schock in hohem Maße verstärkt. Man glaubte, dass eine über einen gewissen Punkt hinausgehende Akkommodierung der Inflation eine Hyperinflation nach sich ziehen und dies die gesamte soziopolitische Ordnung gefährden würde. Das war das „Auf-Messers-Schneide“-Theorem. Nachdem die Einkommenspolitik diskreditiert worden war, schien der Abbau der Inflation die einzig mögliche Option. Bestärkt wurden die politischen Entscheidungsträger in ihrer veränderten Haltung durch die neuen Theorien, die unter den Ökonomen zu jener Zeit in Mode waren. So wurden die Keynesianer gewissermaßen marginalisiert und verloren ihren Einfluss auf die Wirtschaftspolitik. Die Politiker suchten wirtschaftstheoretischen Rückhalt an anderer Stelle. Friedman, Hayek und die Neo-Österreicher sahen in der Arbeitslosigkeit ein nützliches Gegengewicht. Die Theorie der rationalen Erwartungen sprach diskretionären Politikmaßnahmen jede Nützlichkeit ab. Die Verfechter dieser Theorie argumentierten, dass sich die Wirtschaft selbst reguliere, wenn einfache Regeln lange genug verfolgt würden. Die Verantwortung für die wirtschaftspolitischen Maßnahmen sollte von den Finanzministern auf die Zentralbanken übertragen werden. Diese sollten soweit wie möglich ihre Entscheidungen frei von jedem politischen Druck treffen können. Bis 1983 hatten sich die Maßnahmen zum Inflationsabbau als recht erfolgreich erwiesen, und die OPEC hatte viel von ihrer Macht verloren. Im Zeitraum 1973-1983 hatte die Inflation in Westeuropa im Jahresdurchschnitt 11,2% erreicht, in den Jahren 1983-1993 waren es nur noch 4,5%. Zwischen 1993 und 1998 ging sie auf 2,2% zurück – eine etwa halb so hohe Rate wie im goldenen Zeitalter (vgl. Tabelle 3.8). 150 Die Weltwirtschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Tabelle 3.9 Gesamte Staatsausgaben in Prozent des BIP zu jeweiligen Preisen: Westeuropa, Vereinigte Staaten und Japan, 1913–1999 1913 1938 1950 1973 1999 Frankreich Deutschland Niederlande Vereinigtes Königreich Arithmetischer Durchschnitt 8.9 17.7 8.2a 13.3 12.0 23.2 42.4 21.7 28.8 29.0 27.6 30.4 26.8 34.2 29.8 38.8 42.0 45.5 41.5 42.0 52.4 47.6 43.8 39.7 45.9 Vereinigte Staaten Japan 8.0 14.2 19.8 30.3 21.4 19.8 31.1 22.9 30.1 38.1 a) 1910. Quelle: Die Daten für den Zeitraum 1913–1973 sind Maddison (1995a, S. 65), die Angaben für 1999 dem OECD-Wirtschaftsausblick, Dezember 1999, Tabelle 28, entnommen. Dass in den neunziger Jahren trotz hoher Arbeitslosigkeit und niedriger Inflation an einer Deflationspolitik festgehalten wurde, erklärte sich weitgehend durch ein neues Politikziel – die Währungsunion. In dem 1970 vorgelegten Werner-Bericht war die Einrichtung einer Währungsunion unter den Mitgliedern der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft empfohlen worden, von diesem Ziel wurde aber unter dem Einfluss der monetären Turbulenzen von Anfang der siebziger Jahre und des Zusammenbruchs des Systems der Wechselkursschlange (dem Vorläufer des EWS) 1976 wieder abgerückt. Das EWS wurde 1979 geschaffen, um eine Zone währungspolitischer Stabilität einzurichten, und erwies sich zwischen 1987 und 1992 als recht erfolgreich. Deshalb wurde das Ziel der Währungsunion wieder aufgegriffen und im Delors-Bericht von 1989 niedergelegt. In diesem Bericht wurde erneut die Bedeutung von Politikzielen betont, die Lundberg 1968 als zweitrangig oder irrational eingestuft hatte. Es wurden weder Beschäftigungs- oder Wachstumsziele genannt noch eine eingehende Prüfung der institutionellen, sozialen und wirtschaftlichen Kosten einer erzwungenen Konvergenz und Konformität im Preis- und Lohnverhalten sowie in der Geld- und Finanzpolitik vorgenommen. Die wichtigsten wirtschaftlichen Vorteile wurden in einer Verringerung der Transaktionskosten, mehr wirtschaftlicher Stabilität und der Realisierung von Skalenvorteilen in einem stärker integrierten und wettbewerbsfähigeren europäischen Markt gesehen. Der Vorschlag wurde von der EG 1991 angenommen und im Maastricht-Vertrag über die Europäische Union verankert, der 1993 ratifiziert wurde. Der Weg zur Währungsunion verlief nicht reibungslos. 1992 brach eine größere Währungskrise aus. Nach kostspieligen Interventionen zur Verteidigung der zu jener Zeit geltenden Wechselkurse kam es zu einer Reihe von Abwertungen. Italien und das Vereinigte Königreich schieden aus dem EWS aus. 1993 sah sich das Europäische Währungssystem auf Grund des auf dem französischen Franc lastenden Drucks gezwungen, die bis dahin geltenden Bandbreiten für die Schwankungen der Wechselkurse von 2,25% auf 15% zu erweitern. Dennoch war die Entschlossenheit, das Projekt zum Erfolg zu führen, insbesondere in den Ländern groß, die in der Vergangenheit mit besonders ausgeprägten Inflationsproblemen und Wechselkursinstabilität zu kämpfen gehabt hatten und für die sich die Vorteile einer Währungsunion langfristig gesehen am vielversprechendsten darstellten. Sie waren bereit, eine längere Phase hoher Arbeitslosigkeit in Kauf zu nehmen, um die Konvergenzverpflichtungen für die Teilnahme zu erfüllen – Reduzierung der Inflation auf ein für sie sehr niedriges Niveau, Wahrung der Wechselkursstabilität sowie Rückführung der Haushaltsdefizite. Dank dieser Maßnahmen konnte ein beachtlicher Konvergenzgrad erreicht werden. Die Währungsunion wurde Anfang 1999 eingeführt, wobei alle beitrittswilligen Kandidaten akzeptiert wurden (außer Griechenland, das der Union im Jahr 2001 beitrat). 151 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Obwohl die staatliche Politik in den westeuropäischen Ländern über einen längeren Zeitraum deflationär ausgerichtet war, wurde ihr budgetärer Spielraum doch durch die wohlfahrtsstaatlichen Zwänge, die hier sehr viel weitreichender sind als in den Vereinigten Staaten und Japan, erheblich eingeschränkt. Mit zunehmender Arbeitslosigkeit waren automatisch mehr Transferzahlungen zu leisten. In vielen Fällen, insbesondere in Frankreich und den Niederlanden, wo man die Ursache für die Arbeitslosigkeit in einem zu hohen Kräfteangebot sah, suchten die Regierungen Arbeitskräfte dazu zu bewegen, vorzeitig in den Ruhestand zu treten oder eine „Invalidenrente“ in Anspruch zu nehmen. Gleichzeitig nahm das Volumen der Rentenleistungen auf Grund des Alterungsprozesses der Bevölkerung stetig zu. Die Haushaltsdefizite waren im Zeitraum 1974-1996 sehr viel höher als im goldenen Zeitalter. Unter dem immer stärker werdenden Druck, die Konvergenzkriterien für die Währungsunion zu erfüllen, gingen sie dann 1997-1998 zurück. Die deflationäre Ausrichtung der staatlichen Politik lässt sich deutlicher am Realzinsniveau erkennen, das in der Zeit des moderaten Preisanstiegs nach 1982 sehr viel höher war als während des goldenen Zeitalters und in den Hochinflationsjahren 19741981. Seit 1973 stützen sich die westeuropäischen Länder in größerem Maße auf die Marktkräfte, um die Effizienz der Ressourcenallokation zu verbessern. Dies spiegelte sich in Entscheidungen zur Aufhebung der internationalen Kapitalverkehrskontrollen und der Privatisierung von Staatsbetrieben wider. Gleichwohl bleibt der Agrarsektor weiterhin stark geschützt, und die Regulierungs- sowie die Steuerpolitik stehen einer effizienten Funktionsweise der Arbeitsmärkte im Weg. Vereinigte Staaten Die Vereinigten Staaten haben mit ihrer seit 1973 verfolgten Wirtschaftspolitik das Potential für Einkommenszuwächse sehr viel besser auszuschöpfen gewusst als Westeuropa und Japan. Die Arbeitslosenquote sank auf weniger als die Hälfte des westeuropäischen Niveaus, während sie im Zeitraum 1950-1973 generell doppelt so hoch gewesen war wie in Europa. Die Erwerbsbeteiligung ist gestiegen, und die Beschäftigung erhöhte sich zwischen 1973 und 1998 von 41% der Bevölkerung auf 49%, gegenüber einem durchschnittlichen Anstieg in Europa von 42% auf 44% (vgl. Tabelle 3.7). Die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden je Erwerbstätigen nahm zu, während sie in Westeuropa zurückging. Die starke Konjunkturdynamik wurde mit einer in der Regel moderateren Inflationsrate als in Westeuropa erreicht. Die politischen Entscheidungsträger in den Vereinigten Staaten sahen sich bei der Steuerung ihrer Wirtschaft auf hohem Nachfrageniveau weniger Hindernissen gegenüber als ihre europäischen Kollegen. Als Land mit der wichtigsten Reservewährung der Welt, das seit langem mit dem freien internationalen Kapitalverkehr vertraut ist, haben die USA Wechselkursschwankungen generell mit einer gewissen Nonchalance hingenommen. Die Regierung Reagan nahm umfangreiche Steuersenkungen vor und ergriff weitreichende Deregulierungsmaßnahmen in der Erwartung einer positiven angebotsseitigen Reaktion, die es erlauben würde, möglicherweise entstehende inflationäre Spannungen in Schach zu halten. Die Vereinigten Staaten verfügten über flexiblere Arbeitsmärkte. Ihr Kapitalmarkt war besser gerüstet, innovative Unternehmen mit Risikokapital zu versorgen. Ihre Wirtschaft ist größenmäßig mit der Westeuropas vergleichbar, sie ist jedoch wesentlich stärker integriert. Die Nachfragedynamik wurde durch den Boom an den Aktienmärkten in den neunziger Jahren aufrechterhalten. Die Vereinigten Staaten zählten zu den großen Gewinnern des Globalisierungsprozesses an den internationalen Kapitalmärkten. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg bis 1988 hatten ihre Forderungen ihre Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland stets überstiegen, danach sank ihre Nettovermögensposition aber von rd. Null auf minus 1,5 Bill. $ (über 20% des BIP). So hat der Rest der Welt dazu beigetragen, den lang anhaltenden Boom in den Vereinigten Staaten aufrechtzuerhalten und das hohe amerikanische Zahlungsbilanzdefizit zu finanzieren (vgl. Tabelle 3.10). 152 Die Weltwirtschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Auf der anderen Seite haben die USA mit der sehr starken Ausweitung ihrer Importe zur Stützung der Weltnachfrage beigetragen. Zwischen 1973 und 1998 expandierte das Importvolumen rascher als in Westeuropa und Japan. Die hier verzeichnete Zuwachsrate war kaum niedriger als in den Jahren 1950-1973, während in den meisten westeuropäischen Ländern und in Japan demgegenüber eine deutliche Abschwächung zu beobachten war (vgl. Tabelle 3.11). Maßgeblich für den Importboom in den Vereinigten Staaten waren die Stärke der Nachfragedynamik und die Auswirkungen der sukzessiven Zollsenkungen im Rahmen des GATT und der WTO, aber auch regionale Übereinkünfte wie das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA). Obwohl es den Vereinigten Staaten gelungen ist, ein hohes Nachfrage- und Konjunkturniveau aufrechtzuerhalten, verzeichnen sie seit 1973 ein langsameres Wirtschaftswachstum als im Zeitraum 1950-1973. Zurückzuführen ist dies vor allen Dingen auf die wesentlich geringeren Produktivitätsfortschritte. In den Jahren 1950-1973 hatte die Arbeitsproduktivität jährlich um 2,8% zugenommen. Zwischen 1973 und 1998 fiel die Zuwachsrate auf 1,5%; das war die niedrigste seit 1870 jemals über längere Zeit verzeichnete Rate. Zwischen 1913 und 1973 lag das Wachstum der gesamten Faktorproduktivität (d.h. die Reaktion der Produktion auf den kombinierten Einsatz der Faktoren Arbeit und Kapital) in den Vereinigten Staaten im Schnitt bei 1,6-1,7% jährlich. Zwischen 1973 und 1998 wurde etwa ein Drittel dieses Wachstumstempos erreicht. Die Verlangsamung der Produktivitätsfortschritte wurde durch die bessere Nutzung des Potentials überdeckt; wenn dieser Trend anhält, sind jedoch sehr schwerwiegende Konsequenzen für das künftige Wachstum zu befürchten, da er durch weitere Steigerungen des Nachfrageniveaus nicht länger wettgemacht werden kann. Die schwächere Produktivitätsentwicklung in den Vereinigten Staaten hat wahrscheinlich zum Rückgang des Produktivitätswachstums in anderen fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern mit einem dem der USA annähernd vergleichbaren Technologieniveau beigetragen. Auf lange Sicht werden sich die Effekte auf ärmere Länder übertragen, die auf niedrigeren Technologieniveaus operieren. Für viele Akteure der „neuen Wirtschaft“ (Informationstechnologien und damit verbundene Aktivitäten) ist die Vorstellung von einer Verlangsamung des technischen Fortschritts inakzeptabel. In der Computer- und Kommunikationstechnologie wurden spektakuläre Fortschritte erzielt, und diese Akteure gehen davon aus, dass hiervon starke Wirkungen auf die übrige Wirtschaft ausstrahlen. Sie rechtfertigen ihre Position mit punktuellen bzw. mikroökonomischen Belegen für ihren Lieblingssektor und verweisen auf den phänomenalen Kursanstieg am NASDAQ-Aktienmarkt (der auf „neue“ Technologiewerte spezialisiert ist). Allerdings haben sich die Auswirkungen dieser technologischen „Revolution“ erst vor ganz kurzer Zeit in den makroökonomischen Statistiken niederzuschlagen begonnen. Der NASDAQ bewertet viele Unternehmen, die niedrige oder gar keine Gewinne erzielen, gleichwohl hoch und hat im zweiten Halbjahr 2000 gegenüber seinem Höchststand nahezu 50% an Wert verloren. Die Anhänger der neuen Wirtschaft haben argumentiert, dass die Statistiken der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung das Wachstum nicht korrekt messen würden. Das traf effektiv bis zu einem gewissen Grade zu, da die traditionellen Schätzungen des US-Wachstums während über 60 Jahren auf Gewichtungen jüngeren Datums basierten. Dadurch wurde das amerikanische Wachstum im Vergleich zu dem in Westeuropa angewandten Gewichtungsverfahren effektiv zu niedrig ausgewiesen. 1993 wurde das traditionelle Konzept für die Berechnung des BIP durch zwei neue Messgrößen modifiziert: a) eine Methode, bei der die Gewichtung alle fünf Jahre verändert wird (ein Verfahren, das damals in den meisten EU-Ländern galt) sowie b) einen Kettenindex mit jährlich neuer Gewichtung (ein Verfahren, das zu diesem Zeitpunkt nur in den Niederlanden offiziell angewendet wurde). Der segmentierte Fünfjahres-Index wies das höchste Wachstum aus (0,28% mehr pro Jahr als die traditionelle Messgröße und 0,04% mehr als der Kettenindex). In Maddison (1995a) wurde, soweit verfügbar, der segmentierte Fünfjahres-Index verwendet (die Daten gingen bis 1959 zurück). 153 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle 3.10 Bestand an Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland: Vereinigte Staaten, Japan, Deutschland und Vereinigtes Königreich, 1989–1998 (in Mrd. $ zu jeweiligen Wechselkursen) Forderungen Verbindlichkeiten Nettoforderungen Forderungen Vereinigte Staaten 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 2 348 2 291 2 468 2 464 3 055 3 276 3 869 4 545 5 289 5 948 2 397 2 459 2 731 2 919 3 237 3 450 4 292 5 092 6 355 7 485 864 1 100 1 146 1 175 1 285 1 432 1 656 1 691 1 759 –49 –168 –263 –455 –182 –174 –423 –547 –1 066 –1 537 595 751 818 881 1 080 1 237 1 537 1 612 1 695 Nettoforderungen Japan 1 771 1 858 2 007 2 035 2 181 2 424 2 633 2 653 2 737 2 986 1 477 1 529 1 622 1 520 1 569 1 734 1 815 1 762 1 779 1 833 Deutschland 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 Verbindlichkeiten 294 329 385 515 612 690 818 891 958 1 153 Vereinigtes Königreich 269 349 328 294 205 195 119 79 64 1 514 1 728 1 756 1 731 2 001 2 090 2 386 2 775 3 212 3 521 1 432 1 744 1 750 1 697 1 948 2 096 2 394 2 778 3 348 3 695 82 –16 6 34 53 35 –8 –3 –14 –17 Quelle:IWF, International Financial Statistics. Tabelle 3.11 Wachstum des Warenimportvolumens und BIP-Anteil der Importe: Westeuropa, Japan und Vereinigte Staaten, 1950–1998 Wachstum des Importvolumens (kumulierte Jahreszuwachsraten) 1950–1973 BIP-Anteil der Importe zu Preisen von 1990 1973–1998 1950 1973 1998 Frankreich Deutschland Italien Vereinigtes Königreich 9.3 12.6 11.3 4.8 4.6 4.7 4.0 4.0 6.1 4.1 4.9 11.4 15.2 17.6 16.3 17.2 27.7 36.1 24.9 28.2 Japan 16.0 4.0 2.5 9.7 12.4 Arithmetischer Durchschnitt 10.8 4.3 5.8 15.2 25.9 6.6 5.6 3.9 6.9 13.0 Vereinigte Staaten 154 Die Weltwirtschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Kasten 3.1 Auswirkungen der jüngsten Umstellung der Messmethoden auf Niveau und Wachstum des amerikanischen BIP, 1929–1998 (in Mio. Dollar von 1990) 1929 1950 1959 1973 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 Maddison (1995a) aktualisiert BEA (1998) 844 324 1 457 624 1 981 830 3 519 224 5 464 795 5 410 089 5 562 302 5 697 296 5 907 953 6 059 772 6 276 136 6 522 904 6 777 297 740 311 1 508 235 2 068 828 3 665 799 5 743 800 5 690 540 5 844 986 5 980 898 6 187 856 6 329 197 6 547 387 6 804 797 BEA (1999) BEA (2000) (1 455 916) 1 997 061 3 536 622 5 803 200 5 790 784 5 983 457 6 124 987 6 371 321 6 544 370 6 784 105 7 089 655 7 394 598 711 309 1 459 127 2 006 235 3 567 274 5 803 200 5 775 948 5 952 089 6 110 061 6 356 710 6 526 361 6 759 427 7 046 304 7 349 878 7 654 836 a) Die Bewegungen für den Zeitraum 1950–1959 sind BEA (Bureau of Economic Analysis) (1998) entnommen. Quelle: Die Angaben in Spalte 1 für den Zeitraum 1913–1990 sind Maddison (1995a), die aktualisierten Daten für die Jahre 1990–1997 den OECD National Accounts 1960–1997, Paris 1999, und für 1997–1998 dem OECD-Wirtschaftsausblick, Juni 1999, entnommen. Die Angaben in Spalte 2 für den Zeitraum 1929–1997 stammen aus Survey of Current Business, August 1998, die Daten in Spalte 3 aus Seskin, Survey of Current Business, Dezember 1999. Die Angaben in Spalte 4 sind den Internetseiten des BEA von Juni 2000 entnommen. Um die Aufstellung internationaler Vergleiche zu erleichtern, habe ich die Schätzungen aus BEA (1998) für 1992 in Dollar von 1990 und aus BEA (1999 und 2000) für 1996 ebenfalls in Dollar von 1990 umgewandelt. Bis zu den neunziger Jahren veröffentlichte das Bureau of Economic Analysis (BEA) Schätzungen des realen BIP, die bis zum Jahr 1929 zurückreichen, mit einer einzigen Reihe von Gewichtungen für den gesamten Zeitraum. Im Jahr 1993 veröffentlichte es dann drei alternative Schätzungen, die bis zum Jahr 1959 zurückreichen: a) gemäß den alten festen Gewichtungen, b) mit Hilfe eines Kettenindex mit jährlich neuer Gewichtung sowie c) in Form eines segmentierten Index, bei dem die Gewichtungen alle fünf Jahre angepasst werden. In Maddison (1995a) habe ich aus Gründen der internationalen Vergleichbarkeit die dritte Methode verwendet (die dann auch zum Standardverfahren der EU-Länder wurde). In Spalte 1 habe ich für den Zeitraum 1959-1990 auf die segmentierte 5-Jahres-Gewichtung zurückgegriffen; im Vergleich zur festen Gewichtung und zum Kettenindex ergab diese Methode ein um 0,28% bzw. 0,04% rascheres Wachstum. In BEA (1998), Spalte 2, wurden keine alternativen Messungen vorgenommen, für die Daten, die bis 1929 zurückreichen, wurde nur der Kettenindex verwendet. In BEA (1999) wurden die Angaben für den Zeitraum 1959–1998 erneut geändert (u.a. wurden Computerprogramme als Investition behandelt). In BEA (2000) reichen die Schätzungen nach der neuen Methode dann bis zum Jahr 1929 zurück. Auswirkungen der jüngsten Umstellung auf die BIP-Wachstumsrate der Vereinigten Staaten (gewichtete jahresdurchschnittliche Wachstumsrate) 1929–1950 1950–1973 1973–1998 Maddison (1995a) BEA (1998) BEA (1999) BEA(2000) 2.63 3.91 2.66 3.45 3.93 b 2.68 n.v. 3.93a 2.99 3.48 3.96 2.93 a) Die Bewegungen für den Zeitraum 1950–1959 sind BEA (1998) entnommen. b) Die Bewegungen für die Jahre 1997–1998 stammen aus BEA (1999). Die Auswirkungen der Umstellung auf die Wachstumsraten werden in der oben stehenden Tabelle dargestellt. Für den Zeitraum 1950–1973 zeigen die neuen Messmethoden kaum Unterschiede gegenüber den in Maddison (1995a) verwendeten Verfahren. Für die Jahre 1973-1998 weisen die Daten aus BEA (1999), die ich für die Ausarbeitung der vorliegenden Studie verwendet habe, ein Wachstum aus, das um etwa 0,3 Prozentpunkte über den mit der alten Messmethode ermittelten Werten liegt. Allerdings sind die Korrekturen für den Zeitraum 19291950 sehr viel größer, ihre Akzeptanz setzt voraus, dass die amerikanische Wirtschaftsgeschichte weitgehend neu interpretiert wird. Laut diesen Angaben lag das BIP-Niveau 1929 um 16% unter dem alten Index und würde das Niveau in den früheren Jahren entsprechend nach unten drücken, wenn es zur Indexierung herangezogen würde. Das Wachstum der Arbeitsproduktivität würde im Zeitraum 1913-1950 jährlich um 2,5-3% steigen, und das Niveau der Arbeitsproduktivität von 1913 läge unter dem entsprechenden, im Vereinigten Königreich verzeichneten Wert. Die neuen Schätzungen des BEA werden auch das Bild der Wirtschaft während des Krieges und in der unmittelbaren Nachkriegszeit verändern. Der Rückgriff auf diese neuen Messmethoden für die Jahre 1929–1950 ohne nähere Untersuchung der Gründe für diese enormen Abweichungen erscheint mir riskant. Ferner ist der Tatsache Rechnung zu tragen, dass kein anderes Land bei einem so langen und bereits zurückliegenden Zeitraum die Technik des Kettenindex oder hedonische Preisindizes anwendet. Auch viele westeuropäische Länder haben jüngst die Messmethoden für das makroökonomische Wachstum verändert. Insbesondere haben die meisten dieser Länder die neuen SVG-Empfehlungen angenommen, denen zufolge Computerprogramme nun als Investition verbucht werden. Allerdings waren diese Veränderungen generell weniger weitreichend und hatten geringere Auswirkungen auf die Wachstumsraten als in den Vereinigten Staaten. Die meisten anderen OECD-Länder sind nicht zur Kettengewichtung übergegangen und von denen, die den Kettenindex angenommen haben, sind nur Australien, Frankreich und Norwegen in ihren Berechnungen weiter zurückgegangen (Frankreich und Niederlande bis 1978, Australien bis 1960). Die meisten anderen Länder verwenden keine hedonische Preisdeflatoren (die bei Veränderungen von Produktmerkmalen qualitative Anpassungen vornehmen). Hedonische Preisindizes finden in Belgien, Finnland, Deutschland, Griechenland, Italien, Japan, Spanien bzw. dem Vereinigten Königreich keine Anwendung. In Wyckoff (1995) wird die jährliche Abnahme von 13% im amerikanischen Preisindex bei Computern und Büromaschinen für die Jahre 1976-1993 dem 2%igen jährlichen Preisrückgang für diese Kategorie von Produkten in Deutschland im selben Zeitraum gegenübergestellt. Zurückzuführen sind diese Unterschiede offensichtlich im Wesentlichen auf die Technik für die bei der Zusammenstellung des Index herangezogenen Zahlen. 155 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Seither hat das amerikanische System der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung weitere Änderungen erfahren, die sich in einem rascheren Wachstum und einem höheren BIP-Niveau niederschlagen. Nach den neueren Messgrößen ergibt sich immer noch eine deutliche Verlangsamung des Produktivitätsanstiegs für den Zeitraum 1973-1995, wohingegen für die Jahre 1995 bis 1998 Zuwachsraten ausgewiesen werden, die nicht weit hinter denen des goldenen Zeitalters zurückbleiben. Zwischen 1973 und 1995 wuchs die Arbeitsproduktivität um 1,4% und in den Jahren 1995-1998 um 2,5%. Diese jüngste Beschleunigung ist weitgehend dem zunehmenden Gewicht der „neuen Wirtschaft“ zuzuschreiben. In Kasten 3.1 werden diese Veränderungen in den statistischen Messmethoden der Vereinigten Staaten sowie deren Konsequenzen in allen Einzelheiten analysiert. Ferner wird gezeigt, dass diese Neuerungen das amerikanische Wachstum und Leistungsniveau im Vergleich zu dem etwas konservativeren Konzept, das in den europäischen Ländern und Japan für die Messung der Auswirkungen der neuen Wirtschaft verwendet wird, bis zu einem gewissen Grade zu hoch ausweisen. Jorgenson und Stiroh (2000) haben vor kurzem auf der Basis revidierter BIP-Schätzungen eine Maßstäbe setzende Analyse der amerikanischen Wachstumsergebnisse der vergangenen vier Jahrzehnte durchgeführt. Sie kamen zu der Schlussfolgerung, dass sich die Beschleunigung des technischen Fortschritts im Bereich der Computer- und Kommunikationsindustrie hauptsächlich bei der Produktion eben dieser Güter niedergeschlagen hat. In den Sektoren, in denen die Computer praktisch eingesetzt werden, blieb die Produktivitätsentwicklung hingegen weiterhin vergleichsweise schwach. Nach Meinung der Autoren „gibt es keine Anzeichen für Übergreifeffekte von der IT-Produktion auf andere Industriezweige – die empirischen Belege liefern kaum Anhaltspunkte für die These einer ‚neuen Wirtschaft‘, in der es zu kaskadenartigen Übergreifeffekten von den IT-Herstellern auf die ITNutzer kommt“. Oliner und Sichel (2000) kommen, ebenso wie Robert Gordon (2000), zu dem mehr oder minder übereinstimmenden Schluss, dass zwei Jahrzehnte hoher Investitionen in die „neue Wirtschaft“ einen zwar verzögerten, aber letztlich doch positiven Effekt auf die makroökonomische Produktivität hatten. Dass sich in den mit Computern arbeitenden Industriezweigen bisher noch keine eindeutigen Nutzeffekte gezeigt haben, liegt möglicherweise an den Kosten der Integration neuer Technologien, die einen massiven Einsatz hoch qualifizierter Kräfte erfordern, an der Tatsache, dass Anlagen und Qualifikationen rasch veralten, sowie an einigen schwerwiegenden Fehlern, wie sie beispielsweise durch die sehr kostspielige Panik im Zusammenhang mit dem Jahr-2000-Problem entstanden sind. Wenn die neuen Technologien voll integriert sind, könnte es längerfristig gesehen zu deutlichen Übergreifeffekten auf andere Wirtschaftszweige kommen. Noch ist es zu früh für ein Urteil darüber, ob die jüngsten Produktivitätssteigerungen eine Rückkehr zu dem in den Vereinigten Staaten zwischen 1913 und 1973 erreichten Niveau anzeigen, es besteht aber Grund zu der Annahme, dass die Fortschritte rascher sein könnten als im Zeitraum 1973-1995. Sonstige große Einwanderungsländer Australien verzeichnete die dynamischste Entwicklung unter den übrigen großen Einwanderungsländern. Die positiven Ergebnisse Australiens erklären sich aus einem deutlichen Abbau der Handelsschranken, dem verstärkten Wettbewerb wie auch seiner geographischen Nähe zu den rasch wachsenden asiatischen Ländern. Die Wachstumsbilanz Kanadas und Neuseelands war weit weniger günstig. Japan Während des goldenen Zeitalters verzeichnete Japan ein sehr viel rascheres Wachstum als Westeuropa. Zwischen 1950 und 1973 stieg das Pro-Kopf-Einkommen um das Sechsfache und wuchs um eine 156 Die Weltwirtschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Jahresrate von 8%, verglichen mit 4% in Westeuropa. Die Arbeitsproduktivität nahm jährlich um 7,7% zu, gegenüber 4,8% in Westeuropa, und die gesamte Faktorproduktivität um eine Jahresrate von 5,1%, gegenüber 2,9%. Das bessere Abschneiden Japans im Vergleich zu Westeuropa hat mehrere Gründe: a) 1950 lagen Pro-Kopf-Einkommen und Produktivitätsniveau in Japan bei nur etwas mehr als einem Drittel des europäischen Niveaus, so dass hier ein größeres Aufholpotential bestand; b) das Bildungsniveau der japanischen Erwerbsbevölkerung war bereits 1950 nicht weit von der westeuropäischen Norm entfernt, und Japan verfügte über ein enormes Potential an technischen Kompetenzen aus der Militärzeit, die fortan voll in den Dienst friedlicher Zwecke gestellt werden konnten; c) die Investitionsraten waren in Japan höher als in Westeuropa, und d) der Pro-Kopf-Arbeitsinput war größer. Dass Japan in der Lage war, Investitionsanstrengungen so großen Ausmaßes zu unternehmen, war vor allem der sehr hohen Sparneigung der japanischen Haushalte zu verdanken. Horioka (1990) führt eine Reihe komplexer Gründe für diese Neigung an. Hierzu zählt u.a. die traditionelle Sparsamkeit der Bevölkerung, die dazu geführt hat, dass auch bei steigendem Einkommen ein bescheidener Lebensstil beibehalten wurde. Die Japaner hatten eine ausgesprochene Risikoaversion und legten Ersparnisse an, um im Falle von Krankheit oder unvorhergesehenen Gefahren versorgt zu sein. Da die Sozialversicherungsleistungen in Japan weniger umfangreich sind als in Europa, mussten die privaten Haushalte größere Rücklagen für ihre Altersversorgung bilden. Die bedeutende Rolle, die halbjährlich ausgezahlte Pauschalprämien bei der Entlohnung spielten, sowie die relative Knappheit an Konsumkrediten trugen ebenfalls zu der hohen Sparneigung bei. Die japanische Regierung hat die Aufholbemühungen der Wirtschaft in ungewöhnlichem Maße unterstützt. Hier ging es um ein seit langem angestrebtes Ziel. Im 17. und 18. Jahrhundert hatte sich das Tokugawa-Regime mit Erfolg darum bemüht, zum Einkommensniveau Chinas aufzuschließen und dieses zu überholen. Ab 1868 bestand das Ziel darin, mit dem Westen gleichzuziehen. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Angleichungsziel von einem weit gespannten, interaktiven Netz von Interessengruppen verfolgt. Zwischen der hochgebildeten Verwaltungselite Japans, Politikern der Liberaldemokratischen Partei (die mit einer kurzen Unterbrechung seit 1955 an der Macht ist), Industriebossen und dem Bankensystem bestanden enge solidarische Kontakte. Die traditionsreichen japanischen Konglomerate (keiretsu) und die Banken unterhielten ein enges Geflecht von Finanzbeziehungen. Zwischen Großunternehmen und kleineren Firmen bestanden häufig historisch gewachsene symbiotische Beziehungen. Die japanischen Gewerkschaften waren auf Betriebsebene organisiert, die Arbeitskräfte verfügten über langfristige Arbeitsplatzsicherheit und identifizierten ihre Interessen mit denen ihrer Arbeitgeber. Die erfolgreichsten Mitglieder der Verwaltungselite gingen häufig in die Politik oder machten Karriere an der Spitze eines Unternehmens. Das Ministerium für Handel und Industrie (MITI) gab „behördliche Direktiven“ für Unternehmen und Banken heraus, die die Ressourcenallokation zu Gunsten von Bereichen beeinflussten, die hinsichtlich ihrer Wachstumsaussichten bzw. Exportmärkte als Schlüsselindustrien betrachtet wurden. Die extrem geringe Zahl an Rechtsstreitigkeiten spiegelt den Konsenscharakter all dieser Beziehungen wider. In der Tokugawa-Zeit wurde der Außenhandel streng kontrolliert, und zwar im Rahmen einer Isolationspolitik (sakoku), die darauf abzielte, ausländische Einflussnahmen in Japan zu verhindern. In der Zeit nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs waren die Handelsbeziehungen offener, obwohl die Tendenz zur Autarkie fortbestand. Die Regierung spielte bei der Förderung der technologischen Entwicklung und der Integration ausländischer Technologien eine entscheidende Rolle, wobei sie Mittel einsetzte, die die nationale Unabhängigkeit wahren sollten. Ausländische Investitionen waren in Japan sehr begrenzt und sind es auch heute noch. Wirtschaftlich schwache, aber auch einige der starken Sektoren wurden durch eine Vielzahl von Einfuhrbeschränkungen geschützt. 157 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle 3.12 Aktienkursindizes in Landeswährung, Japan, Vereinigte Staaten und Westeuropa, 1950–1999 (1989 = 100) Japan 1950 1973 1989 1992 1998 1999 4.4 14.1 100.0 53.1 45.9 54.0 Vereinigte Staaten Frankreich Deutschland Italien Vereinigtes Königreich 5.2 32.6 100.0 132.6 344.4 435.5 2.4 19.8 100.0 104.6 209.7 260.0 3.6 33.5 100.0 100.8 238.7 247.4 3.5 15.0 100.0 71.0 211.8 238.5 3.1 15.2 100.0 112.6 217.4 Quelle:IWF, International Financial Statistics. Bei den Angaben handelt es sich um Durchschnittswerte für die jeweiligen Jahre. Tabelle 3.13 Wechselkurse: nationale Währungseinheiten je US-Dollar, Japan und Westeuropa, 1950–1999 (Jahresdurchschnitt) 1950 1973 1989 1992 1998 1999 Japan Frankreich Deutschland Italien Vereinigtes Königreich 361 272 138 127 131 114 3.5 4.5 6.4 5.3 5.9 6.2 4.2 2.7 1.9 1.6 1.8 1.8 625 583 1 372 1 232 1 736 1 817 0.36 0.41 0.61 0.57 0.60 0.62 Quelle: IWF, International Financial Statistics. Obwohl sich diese Version des Kapitalismus für die Erzielung eines raschen Wachstums und einer hohen Pro-Kopf-Produktion als sehr effektiv erwies, verursachte sie doch höhere Kosten, als es bei einem stärkeren Rückgriff auf die Marktkräfte, einer weitgehenderen Berücksichtigung der Verbraucherinteressen und einem höheren Offenheitsgrad gegenüber dem Außenhandel der Fall gewesen wäre. Zu Beginn der neunziger Jahre war der Kapitalstock je Erwerbstätigen in Japan um nahezu ein Viertel größer als in Westeuropa, die Produktivität aber erheblich niedriger. Arbeiter und Angestellte hatten sehr lange Arbeitszeiten und wenig Urlaub. Zwischen den einzelnen Sektoren gab es sehr viel größere Leistungsunterschiede, als es für fortgeschrittene kapitalistische Länder die Regel ist – mit einer sehr niedrigen Produktivität in der Landwirtschaft und im Distributionssektor und einer international führenden Position in der Automobil-, der Stahl- und der Werkzeugmaschinenindustrie sowie im Bereich der Unterhaltungselektronik. In Japan war es wie in Westeuropa unvermeidlich, dass sich die Wachstumsrate nach 1973 verringerte, und es war vorauszusehen, dass die Verlangsamung wegen der besseren Ergebnisse im goldenen Zeitalter hier ausgeprägter sein würde. In der Tat war die Wachstumsverlangsamung einschneidend, obwohl Pro-Kopf-BIP und -Produktivität in Japan zwischen 1973 und 1990 rascher wuchsen als in Westeuropa. Danach hat sich die Situation jedoch stark verschlechtert. Die Pro-Kopf-Produktion expandierte in den Jahren 1990-1998 um nur 1%. Die japanische Wirtschaft operierte eindeutig unter ihrem Potential. Die Investitionen hatten in Japan in den siebziger und achtziger Jahren weiter kräftig zugenommen, und hohe Erwartungen führten zu einem Höhenflug der Vermögenswertpreise. In dem Maße, wie sich das Wachstumspotential abschwächte, sanken die Renditen und die Gewinne. Diese Faktoren trugen zu einem Einbruch der Aktienkurse in den Jahren 1989-1992 bei, von dem sich Japan bis heute 158 Die Weltwirtschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht erholt hat. 1999 erreichte der Nikkei-Index die Hälfte seines Niveaus von 1989, während sich die Aktienkurse in diesem Zeitraum in den Vereinigten Staaten vervierfacht und in Westeuropa um das Zweieinhalbfache erhöht hatten. Der Einbruch der Aktienkurse wurde durch einen Rückgang der Grundstückspreise verschärft, die zwischen 1990 und 1998 um ein Drittel nachgaben. Dieser Rückgang hatte relativ gesehen noch bedeutendere Auswirkungen als der Kursrutsch an den Aktienmärkten. 1990 entsprach das gesamte Nettovermögen der privaten Haushalte dem 8,5fachen des verfügbaren Einkommens, 1998 betrug dieser Koeffizient nur noch 6,5. Im gleichen Zeitraum stieg dieses Verhältnis in den USA von 4,8 auf 5,9, in Deutschland von 5,2 auf 5,4 und in Frankreich von 4,2 auf 5,2. Mit dem Einbruch bei Gewinnen und Vermögenswerten entstand eine sehr deflationäre Situation. Die Verbraucher entwickelten ein äußerst zurückhaltendes Ausgabengebaren. Viele Unternehmen wurden zahlungsunfähig oder gingen in Konkurs, und die Banken sahen sich einem hohen Volumen an notleidenden Krediten gegenüber. Daher waren sie weniger bereit und in der Lage, neue Kredite zu vergeben. Die Preissteigerungsrate ging im Zeitraum 1994-1998 auf 0,6% jährlich zurück. Die Regierung reagierte auf diese Situation nicht mit Steuersenkungen, sondern mit einer massiven Erhöhung der Ausgaben für extravagante öffentliche Arbeiten. Die Bank of Japan senkte ihren Diskontsatz in neun Schritten von 6% im Jahr 1991 auf 0,5% im Jahr 1995, ein Niveau, auf dem er dann nahezu fünf Jahre verharrte. Der Refinanzierungssatz der Banken lag ab 1998 zwei Jahre lang praktisch bei 0%. Die Regierung ging sehr langsam daran, Ordnung in das Durcheinander im Finanzsystem zu bringen. Sie verschlimmerte das Problem auf lange Sicht, indem sie Instituten finanzielle Unterstützung gewährte, für die der Konkurs eine bessere Lösung gewesen wäre. Mit den staatlichen Maßnahmen wurde ein größerer Zusammenbruch der Wirtschaft vermieden, eine Wiederbelebung der Nachfrage konnte dadurch aber nicht erreicht werden. Die in Japan eingetretene Verlangsamung wurde über zwei Kanäle auf den Rest der Welt übertragen. So hat sich das Importwachstum abgeschwächt, die Kapitalabflüsse haben dagegen zugenommen. Die Sparquote blieb in Japan hoch, doch ging fortan ein größerer Teil der Ersparnis in den Kapitalexport. Zwischen 1990 und 1998 sind die Nettoauslandsforderungen Japans von 10% auf 30% des BIP gestiegen. Die damit verbundenen Auswirkungen auf die Weltwirtschaft waren ein exaktes Spiegelbild der von der Entwicklung in den Vereinigten Staaten ausgehenden Effekte (vgl. Tabelle 3.10). II Wieder erstarkende asiatische Länder Seit 1950 ist Asien die dynamischste Region der Weltwirtschaft, die alle anderen Regionen übertrifft. Diese Entwicklung steht in starkem Kontrast zur Vergangenheit. In den viereinhalb Jahrhunderten von 1500 bis 1950 hatte Asien stagniert, während alle anderen Regionen vorankamen. Im Jahr 1500 entfielen auf Asien 65% des weltweiten BIP, 1950 waren es lediglich 18,5%. Seit 1950 hat sich der Anteil Asiens verdoppelt. Zwischen 1950 und 1973 erlebte Japan ein außergewöhnliches Wachstum, mit einem Anstieg des Pro-Kopf-Einkommens von über 8% jährlich, während die wieder erstarkenden asiatischen Länder auf 2,6% kamen. Im Gesamtzeitraum 1973-1999 erzielten diese Länder ein doppelt so hohes und in den neunziger Jahren ein viermal so hohes Pro-Kopf-Wachstum wie Japan. Zum wiederaufstrebenden asiatischen Raum gehören die 15 Länder, die in Tabelle 3.14 aufgeführt sind. Sieben dieser Länder (China, Hongkong, Malaysia, Singapur, Südkorea, Taiwan und Thailand) sind die dynamischsten Elemente der Weltwirtschaft. Vier weisen mittlerweile ein mit 159 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Westeuropa vergleichbares Pro-Kopf-Einkommen auf. 1999 hatte die Gruppe ein Einkommen von zusammengenommen 5,8 Billionen (ausgedrückt in internationalen Dollar von 1990 und um KKP bereinigt), was nicht weit unter dem Gesamteinkommen der zwölf Kernländer Westeuropas liegt und mehr als dem Doppelten des japanischen BIP (2,6 Bill. $) entspricht. Acht Länder gehören einer zweiten Gruppe mit einem Gesamt-BIP von 3,1 Bill. $ an (mehr als das Doppelte des deutschen BIP). Ihr Pro-Kopf-Einkommen ist niedriger als das der ersten Gruppe, und im Gesamtzeitraum 1950-1999 war ihr Pro-Kopf-Wachstum mit einer Jahresrate von 2,2% halb so hoch. Seit 1973 verzeichnen sie eine höhere Zuwachsrate als irgendeine andere Weltregion außerhalb Asiens. Tabelle 3.15 liefert einige Anhaltspunkte zur Erklärung des asiatischen Wachstums. In jeder Kategorie sind die Länder nach Einkommensniveau in absteigender Reihenfolge aufgelistet. Die Durchschnittswerte für jede Kategorie wurden arithmetisch ermittelt, während es sich in Tabelle 3.14 um gewichtete Durchschnitte handelt. Die Hochwachstumsländer der ersten Gruppe verzeichneten hohe Investitionsraten. Die Kombination aus hohen Investitionsraten und raschem BIP-Wachstum deutet darauf hin, dass ihr Sachkapitalstock rascher wuchs als in anderen Teilen der Welt. Außerdem wiesen sie eine recht hohe Beschäftigungsquote auf. Dies erklärt sich z.T. aus dem demographischen Wandlungsprozess, der sich in sinkenden Fruchtbarkeitsziffern und einem steigenden Anteil der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter niederschlug, aber auch aus der traditionell hohen Arbeitskräftemobilisierung, die für Länder mit mehrfachen Reisernten charakteristisch ist. In allen untersuchten Fällen konnte auch die Qualität des Humankapitals erheblich verbessert werden (vgl. Maddison 1995a wegen Schätzungen des Bildungsniveaus). Ebenso verblüffend waren der rasche Exportanstieg und der hohe BIP-Anteil der Exporte. Das letztgenannte Merkmal steht in krassem Widerspruch zum japanischen Entwicklungsmodell. Ein weiterer Gegensatz zu Japan besteht in der Bereitschaft dieser Länder, ausländische Direktinvestitionen als Instrument zur Integration ausländischer Technologien anzuwerben (vgl. Tabelle 3.16). Die Länder der zweiten Gruppe weisen im Durchschnitt ein wesentlich niedrigeres Einkommensniveau, weniger hohe Investitionsraten, eine schwächere Arbeitskräftemobilisierung und eine geringere Öffnung gegenüber dem internationalen Handel auf. Bis zu einem gewissen Grad legt ihr langsameres Wachstum den Schluss nahe, dass die „Aufholmöglichkeiten“ nicht in inversem Verhältnis zu dem Einkommensniveau stehen. Die Chancen, einen erfolgreichen Aufholprozess in Gang zu bringen, sind bei einem etwas höheren Einkommensniveau offenbar am größten. Es ist insofern schwierig, klare Schlussfolgerungen über die Rolle der staatlichen Politik in den sieben erfolgreichsten Ländern zu ziehen, als ihr Policy Mix recht heterogen war. Drei der Hochwachstumsländer sind marktorientierte, offene und äußerst wettbewerbsfähige kapitalistische Länder. Hongkong ist die Volkswirtschaft, die sich am stärksten an den Marktkräften orientiert, seine Dynamik ist aber auch auf spezifische Umstände zurückzuführen. So war Hongkong während des amerikanischen Embargos gegenüber China von 1952-1973 eine besonders privilegierte Drehscheibe für Handels- und Finanztransaktionen zwischen China und dem Rest der Welt. Es fungiert auch heute noch als Intermediär im Handel zwischen dem chinesischen Festland und Taiwan. Das niedrige Steuerniveau erklärt sich z.T. aus der Tatsache, dass die Regierung über große Einnahmen aus dem Monopolbesitz von nicht erschlossenem Land verfügt. Hongkong hat Zugang zu einem enormen Reservoir an billigen Arbeitskräften direkt vor seiner Tür. Es profitierte von sehr umfangreichen ausländischen Direktinvestitionen (vgl. Tabelle 3.16), und es hat selbst massiv in den benachbarten Wirtschaftszonen Chinas investiert, wo sich sein Bestand an Direktinvestitionen 1998 auf 155 Mrd. $ belief. In dieser Situation wirkte die Laisser-faire-Politik Wunder, indem sie für eine effiziente Ressourcenallokation sorgte. 1997 gingen die Hoheitsrechte an China zurück, die Natur der wirtschaftlichen Institutionen und der Wirtschaftspolitik blieben aber unverändert. 160 Die Weltwirtschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Tabelle 3.14 Veränderungen des Pro-Kopf-BIP-Wachstums: Die wirtschaftliche Renaissance Asiens in vergleichender Perspektive, 1913–1999 (kumulierte jahresdurchschnittliche Zuwachsraten) 1913–1950 1950–1999 1950–1973 1973–1990 1990–1999 0.9 4.9 8.1 3.0 0.9 China Hongkong Malaysia Singapur Südkorea Taiwan Thailand Durchschnitt der 7 Länder –0.6 n.a. 1.5 1.5 –0.4 0.6 –0.1 –0.4 4.2 4.6 3.2 4.9 6.0 5.9 4.3 4.4 2.9 5.2 2.2 4.4 5.8 6.7 3.7 3.4 4.8 5.4 4.2 5.3 6.8 5.3 5.5 5.1 6.4 1.7 4.0 5.7 4.8 5.3 3.6 5.8 Bangladesch Birma Indien Indonesien Nepal Pakistan Philippinen Sri Lanka Durchschnitt der 8 Länder –0.2 –1.5 –0.2 –0.2 n.a. –0.2 0.0 0.3 –0.3 0.9 2.0 2.2 2.7 1.4 2.3 1.6 2.6 2.2 –0.4 2.0 1.4 2.6 1.0 1.7 2.7 1.9 1.7 1.5 1.1 2.6 3.1 1.5 3.1 0.7 3.0 2.5 3.0 3.8 3.7 2.1 1.9 2.3 0.5 3.9 3.0 15 wieder erstarkende Länder Asiens –0.3 3.4 2.5 3.9 4.6 1.8 1.4 1.0 1.5 0.8 1.6 2.3a 1.7 1.0a 1.1a 2.9a 2.2 4.1 2.5 2.1 3.5 4.1 2.5 0.4 0.7 0.1 0.7 1.9 2.0 1.1b 1.4 –0.2b –4.8b 1.4b 2.1 Japan Andere Länder Asiens Lateinamerika Afrika Osteuropa und Ex-UdSSR Westeuropa Vereinigte Staaten a) 1950–1998. b) 1990–1998. Quelle: Anhang C, der anhand von ADB, Asian Development Outlook 2000, Manila, 2000, aktualisiert wurde. Die Gründe für den Aufstieg Singapurs ähneln denen, die in Hongkong wirksam waren. Singapur ist ein strategisch gut platzierter, für den Transithandel prädestinierter Stadtstaat, die Regierung hat hier aber stärkeren Einfluss auf das Wachstum des Landes genommen. Das aufgeklärte autoritäre Regime verfolgte eine Politik, die auf die Förderung hoher Ersparnisse, die Verbesserung des Bildungsniveaus, die Exportförderung und den Erwerb ausländischer Technologie abzielte. Singapur profitierte noch mehr als Hongkong von ausländischen Direktinvestitionen (vgl. Tabelle 3.16). In dem Maße, wie die Produktion seiner verarbeitenden Industrie perfektionierter wurde und die Arbeitskosten stiegen, entwickelte sich Singapur zu einem bedeutenden Kapitalexporteur, der Partnerunternehmen in Nachbarländern unterstützte. 1998 belief sich sein eigener Gesamtbestand an Direktinvestitionen im Ausland auf 48 Mrd. $. Das dritte Land, das sich inzwischen zu einer marktorientierten offenen kapitalistischen Volkswirtschaft entwickelt hat, ist Taiwan. Seine Industrie ist durch wettbewerbsstarke Kleinunternehmen gekennzeichnet. Neuanbieter haben leichten Marktzugang, und die Regierung ist bereit, gescheiterte Unternehmen in Konkurs gehen zu lassen. In den vergangenen zwanzig Jahren wurden zunehmend hochwertigere Produkte hergestellt und die Arbeitskosten verteuerten sich, was zu einem Rückgang der inländischen Investitionsraten und umfangreichen Direktinvestitionen im Ausland führte, insbesondere 161 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Abbildung 3. 2a Pro-Kopf-BIP: binäre Gegenüberstellung Japan/Ostasien, 1950-1999 (in Geary-Khamis-Dollar von 1990) 100 000 Japan Japan Japan 10 000 Hongkong Singapur 1 000 China 100 1950 1960 1970 1980 1990 2000 1950 1960 1970 1980 1990 2000 1950 1960 1970 1980 1990 2000 1990 2000 100 000 Japan Japan Japan 10 000 Taiwan Thailand 1 000 Südkorea 100 1950 1960 1970 1980 1990 2000 1950 1960 1970 Quelle: Anhang C. 162 1980 1990 2000 1950 1960 1970 1980 Die Weltwirtschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Abbildung 3.2b Pro-Kopf-BIP: binäre GegenüberstellungJapan/Ostasien, 1950-1999 (in Geary-Khamis-Dollar von 1990) 100 000 Japan Japan Japan 10 000 Indonesien 1 000 Pakistan Indien 100 1950 1960 1970 1980 1990 2000 1950 1960 1970 1980 1990 2000 1950 1960 1970 1980 1990 2000 1990 2000 100 000 Japan Japan Japan 10 000 Malaysia 1 000 Sri Lanka Birma 100 1950 1960 1970 1980 1990 2000 1950 1960 1970 Quelle: Anhang C. 163 1980 1990 2000 1950 1960 1970 1980 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle 3.15 Merkmale des Wachstums in den wieder erstarkenden asiatischen Ländern, 1950–1999 Land Pro-Kopf-BIP- Pro-Kopf-BIPVerhältnis Niveau von Zuwachsrate Anlage1999 investitionen/ BIP Jahreswachstum des Exportvolumens Verhältnis Exporte/BIP Verhältnis Beschäftigung/ Bevölkerung Int. $ von 1999 1973–1999 1973–1997 1973–1998 1998 1997 Japan 20 431 2.3 .30 5.3 0.10 0.52 Singapur Hongkong Taiwan Südkorea Malaysia Thailand China Arithm. Durchschnitt 23 582 20 352 15 720 13 317 7 328 6 398 3 259 12 851 5.4 4.1 5.3 6.1 4.1 4.8 5.4 5.0 .38 .27 .24 .31 .32 .31 .30 .30 11.1 11.7 12.1 13.9 9.5 11.7 11.8 11.7 1.30 1.05 0.42 0.41 1.03 0.47 0.19 0.70 0.49 0.48 0.44 0.46 0.41 0.55 0.52 0.48 3 451 3 031 2 291 1 952 1 818 1 050 954 835 1 923 3.3 2.7 0.6 2.8 3.0 2.0 1.7 2.0 2.3 .22 .24 .23 .17 .20 .14 .17 .14 .19 5.0 7.3 9.0 7.5 5.9 6.3 4.8 9.3 6.9 0.30 0.25a 0.31a 0.14 0.08a 0.01a 0.09 0.12 0.16 0.30 0.43 0.38 0.26 0.39b 0.40 0.39c 0.26d 0.35 28 026 6 762 5 421 2.0 1.3 1.3 .18 .19 .21 6.0 10.9 6.6 0.08 0.16a 0.07 0.52 0.40 0.38e Sri Lanka Indonesien Philippinen Pakistan Indien Birma Nepal Bangladesch Arithm. Durchschnitt Vereinigte Staaten Mexiko Brasilien a) 1997; b) 1995; c) es wird das gleiche Ergebnis wie für Indien unterstellt; d) es wird das gleiche Ergebnis wie für Pakistan unterstellt; e) 1994. Quelle: Die Angaben in Spalte 1 und 2 sind Anhang A entnommen, sie wurden anhand des Asian Development Outlook 2000, Manila, 2000, bis zum Jahr 1999 aktualisiert. Die Angaben in Spalte 3 sind ADB, Key Indicators of Developing Asia and Pacific Countries, Manila, 1999, entnommen, mit Ausnahme der Daten für China (sie stammen aus China Statistical Yearbook 1999, S. 67–68, sowie Maddison 1998a, S. 164), Taiwan (die Daten stammen aus National Income in Taiwan, Executive Yuan, Taipeh) sowie Japan (die Daten stammen aus OECD, National Accounts 1960–1997, Bd. 1, Paris 1999). Die Angaben in Spalte A sind IWF, International Financial Statistics und die Daten in den Spalten 5 und 6 überwiegend ADB, Key Statistics entnommen. in China. 1998 belief sich der Bestand an Direktinvestitionen im Ausland auf 38 Mrd. $. Die Regierung unterhält angesichts der relativen politischen Isolation des Landes als Sicherheitspolster einen sehr hohen Bestand an Devisenreserven. China weist ein ganz anderes institutionelles und politisches Umfeld auf. Bis 1978 befand sich fast die gesamte Wirtschaft in staatlichem Besitz und unter staatlicher Kontrolle. Die Wirtschaftsergebnisse waren wesentlich besser als in der Vergangenheit, und die Wirtschaftsstruktur hatte eine grundlegende Transformation erfahren. Die Beschleunigung des Wachstums kam durch eine massive Ausweitung des Einsatzes von Sach- und Humankapital zustande, es gab aber Wunden, die sich China durch den Großen Sprung nach vorn und die Kulturrevolution selbst zugefügt hatte. Während des größten Teils der Mao-Zeit hatte China kaum Kontakt zur Außenwelt. Zwischen 1952 und 1973 verhängten die Vereinigten Staaten ein Totalembargo auf Handel, Reisen und Finanztransaktionen, und ab 1960 tat die UdSSR das Gleiche. Die Ressourcenallokation war extrem ineffizient. China wuchs langsamer als andere kommunistische Volkswirtschaften und blieb auch etwas unter dem Weltdurchschnitt. Seit 1978 hat sich die ökonomische Leistung Chinas durch die Liberalisierung der Wirtschaft von Grund auf gewandelt. Die Lockerung der staatlichen Kontrolle in der Landwirtschaft war ein spektaku164 Die Weltwirtschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Tabelle 3.16 Bestand ausländischer Direktinvestitionen, insgesamt und pro Kopf, wichtigste Länder und Regionen sowie Welt insgesamt, 1998 Land Insgesamt (in Mio. $) Pro-Kopf (in $) Land Insgesamt (in Mio. $) Pro Kopf (in $) Japan 47 856 209 China Hongkong Malaysia Singapur Südkorea Taiwan Thailand Insgesamt/Durchschnitt 261 117 96 158 41 005 85 855 20 478 20 070 19 978 544 661 183 14 373 1 959 24 600 441 921 333 388 Vereinigte Staaten Kanada Australien Neuseeland Große Einwanderungsländer 875 026 141 772 104 977 34 093 1 155 868 3 234 4 679 5 598 8 946 3 574 Belgiena Frankreich Deutschland Irland Italien Niederlande Spanien Vereinigtes Königreich Sonst. Länder Westeuropas 164 093 179 186 228 794 23 871 105 397 164 522 118 926 326 809 264 441 15 448 3 047 2 789 6 443 1 830 10 798 3 021 5 517 4 311 Bangladesch Birma Indien Indonesien Nepal Pakistan Philippinen Sri Lanka Insgesamt/Durchschnitt 652 1 139 13 231 61 116 81 8 221 10 133 2 164 96 737 5 24 14 299 3 61 130 114 60 198 Argentinien Brasilien Chile Mexiko Sonst. Länder Lateinamerikas 45 466 156 758 30 481 60 783 122 126 1 254 923 2 061 617 649 Sonstige Länder Asiens 75 492 764 746 217 Welt 4 088 068 692 Afrika 93 994 124 Osteuropa 66 397 549 Ehemalige UdSSR 33 804 116 Asien insgesamt a) Einschl. Luxemburg. Quelle: UNCTAD, World Investment Report, Genf, 1999. lärer Erfolg. Es kam zu einer sehr starken Expansion kleiner und mittlerer Unternehmen, vor allem in ländlichen Gebieten. Das rigide Monopol über den Außenhandel und die Politik der Autarkie und Selbstversorgung wurden nach 1978 aufgegeben. Die Entscheidungen betreffend den Außenhandel wurden dezentralisiert. Der Yuan wurde abgewertet, und China entwickelte sich zu einer sehr wettbewerbsfähigen Volkswirtschaft. Es wurden spezifische Gewerbegebiete als Freihandelszonen eingerichtet. Mit den Maßnahmen, die den Marktkräften mehr Raum ließen, kam Wettbewerb auf, die Ressourcenallokation wurde verbessert, und die Zufriedenheit der Verbraucher nahm zu. Die Interaktionen mit der Weltwirtschaft sind durch den Handel, den Zustrom an Direktinvestitionen, die weitaus größeren Möglichkeiten für ein Auslandsstudium und für Auslandsreisen sowie die Öffnung Chinas für Besucher aus dem Ausland enorm verstärkt worden. Gleichzeitig war China sorgfältig darauf bedacht, die Kontrolle über besonders volatile internationale Kapitalströme zu behalten. Obwohl China 15 Jahre auf seine Aufnahme in die Welthandelsorganisation warten musste, ist es heute, unter Einbeziehung von Hongkong, der viertgrößte Exporteur der Welt. Infolgedessen hat China eine der höchsten Zuwachsraten des Pro-Kopf-BIP verzeichnet, und sein Wachstumspfad verläuft seit den siebziger Jahren stabiler als in weiten Teilen des übrigen Asiens. Der Erfolg dieses Landes bildet einen scharfen Kontrast zu dem wirtschaftlichen Zusammenbruch der ehemaligen Sowjetunion. 165 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle 3.17 Jährliche prozentuale Veränderung des realen Pro-Kopf-BIP, Japan und wieder erstarkende asiatische Länder, 1997–1999 Japan 1997 1998 1999 1.2 –3.1 0.1 Bangladesch 1997 1998 1999 3.7 3.7 2.7 China Hongkong 5.4 4.8 4.6 2.1 –7.8 0.8 Birma Indien 2.8 4.5 2.5 3.3 4.1 4.1 Malaysia Singapur 5.4 –8.7 3.2 Südkorea 6.2 0.1 4.1 Indonesien 2.8 –14.1 –1.3 Taiwan 3.8 –6.7 9.6 5.8 3.9 4.7 Thailand –1.4 –8.9 3.1 Nepal Pakistan Philippinen Sri Lanka 1.4 –0.6 0.7 –0.9 3.1 0.9 2.9 –2.6 1.0 5.1 3.6 3.0 Quelle: Anhang C, die Angaben wurden anhand von Daten der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB) bis 1999 aktualisiert. Tabelle 3.18 Wechselkurse: nationale Währungseinheiten je US-Dollar in den asiatischen Ländern, 1973–1999 (Jahresdurchschnitt) 1973 1989 1997 1998 1999 1973 1989 1997 1998 1999 Quelle: China Hongkong Malaysia Singapur Südkorea Taiwan Thailand 1.99 3.77 8.29 8.28 8.28 7.80 7.74 7.75 7.76 2.44 2.71 2.81 3.92 3.80 2.46 1.95 1.48 1.67 1.70 398 671 951 1 401 1 189 26.41 28.70 33.46 32.27 20.62 25.70 31.36 41.36 37.84 Bangladesch Birma 7.74 32.27 43.89 46.91 49.09 4.93 6.70 6.24 6.34 6.29 Indien 7.74 16.23 36.31 41.26 43.06 Indonesien 415 1 770 2 909 10 014 7 855 Nepal Pakistan Philippinen 10.50 27.19 58.01 65.98 68.25 9.99 20.54 40.87 44.92 47.70 6.76 21.74 29.47 40.89 39.09 Sri Lanka 6.40 36.05 59.00 64.59 70.40 IWF, International Financial Statistics. Die Angaben für Hongkong and Taiwan stammen aus nationalen Quellen und von der Asiatischen Entwicklungsbank. China hat noch eine ganze Reihe bedeutender Probleme zu bewältigen. Es muss einen Großteil der staatseigenen Industriebetriebe schließen, die ein Überbleibsel aus der Mao-Zeit sind. Die meisten dieser Betriebe erwirtschaften erhebliche Verluste. Sie können sich mit Hilfe staatlicher Subventionen sowie dadurch über Wasser halten, dass sie die Kredite, die ihnen die Staatsbanken gezwungenermaßen einräumen müssen, nicht zurückzahlen. Die relative Bedeutung dieser Unternehmen nimmt deutlich ab. 1996 waren 43 Millionen Menschen im staatlichen Industriesektor beschäftigt. Bis 1999 hatte sich diese Zahl auf 24 Millionen verringert. Die Zahl der öffentlichen Beschäftigten im Groß- und Einzelhandel sowie im Gaststättengewerbe ging im gleichen Zeitraum von 10,6 Millionen auf 6,0 Millionen zurück. Ein weiteres großes (damit verbundenes) Problem stellt das umfangreiche Volumen notleidender Kredite im Bankensektor dar, der weitgehend unter staatlicher Kontrolle steht. Der Bestand an faulen Krediten ist hier zwar geringer als in Japan, doch verteilt der Staat die erheblichen Ressourcen, die er von Seiten der Sparer mobilisiert, nicht effizient, und dem rasch expandierenden privaten Sektor fehlen die von ihm benötigten finanziellen Mittel. 166 Die Weltwirtschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Tabelle 3.19 Gesamtwirtschaftliche Ersparnis fünf ostasiatischer Länder vor und nach der Krise, in Prozent des BIP, 1990–1998 1990–1996 Inlandsersparnis Auslandsersparnis Indonesien Korea Malaysia Philippinen Thailand Quelle: 29.3 35.5 34.2 19.3 34.8 2.6 1.8 6.0 3.9 7.1 1998 Inlandsersparnis Auslandsersparnis 15.5 32.8 41.8 16.3 32.2 –4.9 –12.8 –13.7 –1.9 –13.2 Reisen und Soto (2000). In Korea sind die Institutionen und der Policy Mix recht ähnlich wie in Japan, mit einer engen Konzertation zwischen Staat und großen Industriekonglomeraten bei strategischen Entscheidungen. Im vergangenen Jahrzehnt ist das System deutlich liberalisiert und die Rolle des Staats zurückgeschraubt worden. Ein großer Unterschied gegenüber Japan besteht in der starken Exportorientierung der Volkswirtschaft. Korea erzielte in den vergangenen fünfzig Jahren den raschesten Anstieg des Pro-Kopf-Einkommens in Asien und der Welt überhaupt. Zwischen 1950 und 1973 expandierte es mit einer Jahresrate von 5,8% und zwischen 1973 und 1999 um 6,1%. Im erstgenannten Zeitraum wuchs es langsamer als in Japan, im zweiten aber mehr als doppelt so rasch, und dies trotz sehr hoher Militärausgaben. 1998 kam es zu einer schweren Rezession, in deren Verlauf das Pro-Kopf-Einkommen um 6,7% sank. Ausgelöst wurde diese Rezession durch den Abzug kurzfristigen Auslandskapitals im Zusammenhang mit den Finanzkrisen, die in jenem Jahr in Asien ausgebrochen waren. Korea hat externe Schocks aber seit jeher gut verkraftet, und so stieg das Pro-Kopf-Einkommen 1999 dann auch wieder um beachtliche 9,6%. Wie in anderen asiatischen Ländern war die Krise weitgehend eine Folge der Liberalisierung des Kapitalverkehrs von Anfang der neunziger Jahre. Das Land verzeichnete starke kurzfristige Kapitalzuströme von Seiten ausländischer Investoren, die auf der Suche nach raschen Gewinnen in einer boomenden Wirtschaft waren. Besonders starke Anreize für derartige Investitionen bestanden für japanische Investoren, deren eigene Wirtschaft stagnierte und für die die Renditen im Inland bei Aktieninvestitionen negativ und bei festverzinslichen Wertpapieren praktisch gleich Null waren. Im Zeitraum 1997-1998 war Korea gegenüber Veränderungen der Erwartungen ausländischer Anleger kurzfristigen Kapitals überexponiert. Unter dem Einfluss der Ansteckungseffekte der Thailand-Krise kam es zu Panikreaktionen und einem schlagartigen Abzug dieser Gelder. Die Korea-Krise von 1998 wurde durch umfangreiche Mittelaufnahmen beim IWF, die Ergreifung gewisser deflationärer Maßnahmen sowie die dämpfenden Effekte des vorübergehenden Einbruchs von Gewinnen, Aktien- und Wechselkursen überwunden. Die Krise hatte aber auch einige positive Auswirkungen. So dürfte die Regierung in Bezug auf stärkeren Schwankungen unterworfene Kapitalzuströme fortan vorsichtiger agieren. Sie ist dazu übergegangen, den Zustrom ausländischer Direktinvestitionen stärker zu fördern, und hat einige der großen Konglomerate (chaebol) dazu veranlasst, entwertete Aktiva abzustoßen. Das Bankensystem besitzt zwar ein erhebliches Portefeuille an notleidenden Krediten, doch ist der Anteil dieser Problemkredite geringer als in Japan. Die Rezession von 1997 bis 1998 hatte für mehrere asiatische Länder schwerwiegende Folgen (vgl. Tabelle 3.17). Dies gilt in besonderem Maße für Indonesien, wo das Pro-Kopf-BIP 1998 um ein Siebtel zurückging. Hier waren die Konkurse zahlreicher, die sozialen und politischen Einschnitte gingen wesentlich tiefer als anderswo, und Anzeichen für eine Erholung waren kaum zu erkennen. Auch in Hongkong, Malaysia und Thailand wurde das Wachstum deutlich abgebremst. Zurückzuführen war diese Entwicklung in erster Linie auf den massiven Rückfluss kurzfristiger Kapitalanlagen, die 167 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive auf Grund der durch das rasche Wachstum und die Liberalisierung des Kapitalverkehrs induzierten Euphorie in den Jahren 1995-1997 in die Region gepumpt worden waren (vgl. Tabelle 3.19). In all diesen Ländern ist es inzwischen zu einer gewissen Konjunkturerholung gekommen, noch lässt sich aber nicht beurteilen, inwieweit die langfristige Wachstumsdynamik beeinträchtigt wurde. III Problemvolkswirtschaften in Ostasien In sechs ostasiatischen Volkswirtschaften (Afghanistan, Kambodscha, Laos, Mongolei, Nordkorea und Vietnam) werden seit 1950 sehr viel schlechtere Wirtschaftsergebnisse als im übrigen Asien und ein relativ niedriges Einkommensniveau verzeichnet. Die meisten dieser Länder standen über einen längeren Zeitraum unter kommunistischer Herrschaft, und der wirtschaftliche Fortschritt wurde durch Kriege stark gebremst. Am gravierendsten ist die Lage in Nordkorea und der Mongolei, die sehr eng in das sowjetische System integriert waren und wo Auslandshilfe und Handel nach dem Zusammenbruch der UdSSR im Jahr 1991 völlig aus dem Gleichgewicht gerieten. Nordkorea ist ein isolierter Außenposten des Stalinismus und hat am meisten gelitten. Die Mongolei hat die Staatsbetriebe privatisiert und ihre Wirtschaft an den Marktkräften ausgerichtet, leidet jetzt allerdings unter transformationsbedingten Problemen, wenn diese auch geringer zu sein scheinen als in einigen asiatischen Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion (vgl. Teil VI weiter unten). Afghanistan ist durch ausländische Invasionen und Bürgerkrieg zerstört worden und weist derzeit das niedrigste Pro-Kopf-Einkommen in Asien auf. Kambodscha, Laos und Vietnam ist die Transformation besser gelungen als den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion. Tabelle 3.20 Pro-Kopf-BIP in sechs Problemvolkswirtschaften Ostasiens, 1950–1998 1950–1973 1973–1990 1990–1998 (kumulierte jahresdurchschnittliche Zuwachsraten) Afghanistan Kambodscha Laos Mongolei Nordkorea Vietnam 0.3 2.0 1.0 3.0 5.8 1.1 –0.8 0.9 1.1 2.6 0.0 1.3 –1.9 1.4 2.1 –2.4 –10.4 6.2 Pro-Kopf-BIP von 1998 (int. $ von 1990) 514 1 058 1 104 1 094 1 183 1 677 IV Westasien Westasien besteht aus fünfzehn Volkswirtschaften, von denen zehn wichtige Ölförderländer sind. Die Bedeutung des Öls erklärt zum Teil, warum diese Länder über ein verhältnismäßig hohes ProKopf-Einkommen verfügen und die Wachstumsdynamik dort einen anderen Verlauf genommen hat als im überwiegenden Teil Asiens. Das Pro-Kopf-Einkommen der Ölförderländer war 1950 sehr viel höher als in den Vorkriegsjahren und auch höher als im übrigen Asien. Die Ölförderung lag 1937 bei 168 Die Weltwirtschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Tabelle 3.21 Weltproduktion von Rohöl und Erdgas, 1950–1999 (in Mio. Tonnen) Land 1950 1973 1999 Land 1950 1973 1999 Bahrain Iran Irak Kuwait Oman Katar Saudi-Arabien Syrien Verein. Arabische Emirate Jemen 1.5 32.3 6.6 17.3 2.2 176.2 124.7 95.6 46.1 31.2 426.3 29.2 101.7 19.4 Ex-UdSSR 37.9 429.1 370.2 Rumänien Sonst. Länder Osteuropas 14.3 8.2 6.6 5.6 1.6 26.6 – – – 3.4 293.2 99.5 150.6 14.6 27.5 380.2 5.5 73.6 – Osteuropa insgesamt 22.5 12.3 Westasien insgesamt 85.9 1 054.1 1 052.7 China Indien Indonesien Malaysia Sonstige Länder Ostasiens n.v. 0.3 6.4 n.v. n.v. 53.6 7.2 66.1 4.3 13.6 160.6 38.0 63.9 37.6 37.6 Ostasien insgesamt n.v. 91.3 177.0 Norwegen Vereinigtes Königreich Sonst. Länder Westeuropas — 0.2 n.v. 1.6 0.5 18.3 149.3 139.2 31.7 Westeuropa insgesamt n.v. 20.4 320.2 266.7 513.3 94.1 19.2 0.2 359.6 114.1 24.6 2.1 626.8 500.4 Vereinigte Staaten Kanada Australien Neuseeland Große Einwanderungsländer insgesamt Quelle: Argentinien Brasilien Kolumbien Ecuador Mexiko Peru Venezuela Sonstige Länder Lateinamerikas 3.4 — 4.7 0.3 10.4 2.1 80.0 21.9 8.3 9.8 10.6 27.2 3.6 178.4 43.0 57.4 41.8 20.7 163.4 5.3 161.7 n.v. 12.3 13.0 Lateinamerika insgesamt n.v. 272.1 506.3 — 51.1 8.2 2.1 8.5 7.6 106.2 101.4 3.9 58.5 37.6 12.9 41.5 16.8 65.0 99.5 17.5 289.0 349.3 2 858.9 3 449.5 Algerien Angola Kongo Ägypten Gabun Libyen Nigeria Sonstige Länder Afrikas 2.6 — Afrika insgesamt Welt 523.0 Die Angaben für 1950 sind dem UN Statistical Yearbook 1955, New York, S. 142-145, entnommen. Die Angaben für die Jahre 1973 und 1999 wurden von der Internationalen Energie-Agentur, Paris, bereitgestellt. 16 Mio. t, 1950 bei 86 Mio. t und 1973 bei 1 054 Mio. t – was einem jährlichen Anstieg von 11,5% im Zeitraum 1950-1973 entsprach. Infolge der Entscheidung der OPEC, die Preise anzuheben und das Angebot zu beschränken, lag die gesamte Ölförderung in Westasien im Jahr 1999 auf demselben Niveau wie 1973 (vgl. Tabelle 3.21). In Irak, Iran, Israel, Kuwait, Libanon, Palästina, Syrien und Jemen war das Wachstum durch den Krieg stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Das globale BIP dieser Gruppe erreichte im Jahr 1998 rd. 10% des asiatischen Gesamt-BIP. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass unsere Messgröße des realen Pro-Kopf-BIP auf den Preisen von 1990 basiert und nicht um Terms-of-Trade-Fluktuationen bereinigt ist. Für die meisten Länder spielt dies bei der Evaluierung der langfristigen Wirtschaftsergebnisse keine wichtige Rolle, doch ist dieser Unterschied dort, wo die Exporte stark auf nur einen Rohstoff konzentriert sind und die Preise erheblichen Schwankungen unterliegen, durchaus von Bedeutung. In den Jahren 1972-1974 vervierfachte sich der Durchschnittspreis für ein Barrel Rohöl. Von 1978 bis 1980 stieg er um nahezu das Dreifache. Zwischen Mitte 1997 und Mitte 1998 halbierte er sich wiederum. Mitte 2000 war er dreimal so hoch wie Mitte 1998. 169 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Ein weiteres Merkmal der Ölförderländer war das extrem rasche Bevölkerungswachstum, was sich aus der Tatsache erklärt, dass der Wohlstand eine starke Nachfrage nach ausländischen Arbeitskräften auslöste. So stieg die Bevölkerung von Katar zwischen 1950 und 1998 um das 28fache, in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) um das 32fache, in Kuwait um das 13fache und in SaudiArabien um das 5fache. V Lateinamerika In Lateinamerika hatten der Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems und die Beschleunigung der Inflation Anfang der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts nicht die gleiche Reaktion bei den politischen Entscheidungsträgern zur Folge wie in Europa. Die meisten Länder hatten sich nie ernsthaft darum bemüht, sich an die Disziplin der festen Wechselkurse des Bretton-Woods-Systems zu halten. So waren nationale Währungen immer wieder abgewertet worden, die Empfehlungen des IWF zur budgetären und monetären Disziplin wurden oft nicht befolgt, und hohe Inflationsraten waren weit verbreitet. In diesen Ländern wurden die neuen Turbulenzen generell als Variante einer bereits vertrauten Problematik angesehen. Die Inflationsbeschleunigung wurde nicht als dramatische Entwicklung aufgefasst, die eine sofortige Neuorientierung der Wirtschaftspolitik erfordert hätte. Der OPECSchock hatte für Brasilien als großen Energieimporteur schwerwiegende Folgen, gleichzeitig brachte er aber auch ölexportierenden Ländern wie Mexiko, Kolumbien und Venezuela unerwartete Zusatzgewinne, und seine Auswirkungen auf von der Ölversorgung her autarke Länder wie Argentinien, Chile und Peru waren mehr oder minder neutral. So reagierten die meisten Länder auf die weltweite Preisexplosion mit einer gewissen Sorglosigkeit, und die Regierungen hatten den Eindruck, dass sie durchaus mit höheren Inflationsraten leben könnten. Sie konnten in großem Umfang zu negativen Realzinssätzen Kredite aufnehmen, um die durch ihre expansive Politik bedingten außenwirtschaftlichen Defizite zu finanzieren. Aus diesem Grund hat sich dort die BIP-Zuwachsrate zwischen 1973 und 1980 nicht verlangsamt. Indessen war bei den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen Anfang der achtziger Jahre ein Wandel eingetreten. Zu jenem Zeitpunkt verfolgten die OECD-Länder eine strenge Anti-Inflationspolitik. Mit dem Übergang zu einer restriktiven Geldpolitik auf Initiative der amerikanischen Federal Reserve wurden die Zinssätze spontan und drastisch angehoben. Der Dollar gewann an Wert, und die Exportpreise begannen weltweit zu sinken. Der durchschnittliche Realzins auf Dollarverbindlichkeiten mit variablem Zinssatz stieg im Zeitraum 1981-1983 auf nahezu 16%, während er in den Jahren 19771980 bei minus 8,7% gelegen hatte. Zwischen 1973 und 1982 nahm die externe Verschuldung um das 7fache zu, und die Kreditwürdigkeit Lateinamerikas insgesamt wurde durch die Schuldendienstunfähigkeit Mexikos im Jahr 1982 aufs Äußerste geschädigt. Die freiwilligen privaten Kreditzuflüsse kamen abrupt zum Stillstand, was Länder, die am Rande von Hyperinflation und Finanzkrise standen, zur Annahme einer extrem restriktiven Politik zwang. In den meisten Ländern wurde die Ressourcenallokation durch Subventionen, Kontrollen, weitreichende Konzessionen an Staatsbetriebe und schwere staatliche Eingriffe verzerrt. Die meisten dieser Länder hatten darüber hinaus mit gravierenden sozialen Spannungen zu kämpfen, und mehrere hatten zweifelhafte politische Systeme. In den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts hatten die meisten lateinamerikanischen Länder einfach beschlossen, ihren Schuldendienstverpflichtungen nicht nachzukommen. Diesen Weg wählten einige Länder (Bolivien und Peru) auch in den achtziger Jahren, was zu jenem Zeitpunkt aber keine besonders sinnvolle Option war. Der Welthandel war nicht zusammengebrochen, und die Privatbanken vergaben weiterhin in großem Maßstab internationale Kredite. IWF und Weltbank verfügten über 170 Die Weltwirtschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Abbildung 3.3 Pro-Kopf-BIP: binäre Gegenüberstellung Vereinigte Staaten/Lateinamerika, 1950-1998 (in Geary-Khamis-Dollar von 1990) 100 000 Vereinigte Staaten Vereinigte Staaten Vereinigte Staaten 10 000 Argentinien Chile Brasilien 1 000 1950 1960 1970 1980 1990 2000 1950 1960 1970 1980 1990 2000 1950 1960 1970 1980 1990 2000 1990 2000 100 000 Vereinigte Staaten Vereinigte Staaten Vereinigte Staaten 10 000 Mexiko Peru Kuba 1 000 1950 1960 1970 1980 1990 2000 1950 1960 1970 Quelle: Anhang C. 171 1980 1990 2000 1950 1960 1970 1980 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle 3.22 Wirtschaftsergebnisse Lateinamerikas, 1870–1999 a) Pro-Kopf-BIP (kumulierte jahresdurchschnittliche Zuwachsraten) Argentinien Brasilien Chile Mexiko 40 sonstige Länder Lateinamerikas Lateinamerika insgesamt 1950–1973 1973–1980 1980–1990 2.06 3.73 1.26 3.17 2.04 2.52 0.48 4.26 1.72 3.80 1.19 2.57 –2.33 –0.54 1.10 –0.31 –0.67 –0.68 1990–1999 1980–1999 3.38 1.07 4.47 1.16 1.28a 1.36 0.33 0.47 2.68 0.38 0.19b 0.28 a) 1990–1998; b) 1980–1998. b) Inflation (kumulierte jahresdurchschnittliche Zuwachsraten) 1950–1973 Argentinien Brasilien Chile Mexiko Arithmetischer Durchschnitt 1973–1994 26.8 28.4 48.1a 5.6 27.2 1994–1998 1.3a 19.4a 6.7a 26.4a 13.5 258.4 268.5 71.8 37.6 159.1 1999 –1.7a 8.0a 2.6a 13.9a 5.7 a) Verbraucherpreisindex; sonst BIP-Deflator. c) Warenexportvolumen (kumulierte jahresdurchschnittliche Zuwachsraten) 1870–1913 1913–1950 5.2c 1.9 3.4d 5.4e 3.4 Argentinien Brasilien Chile Mexiko Lateinamerika insgesamt 1950–1973 1.6 1.7 1.4 –0.5 2.3 3.1 4.7 2.4 4.3 4.3 1973–1998 6.7 6.7 9.1 10.9 6.0 c) 1877–1912; d) 1888–1913; e) 1877/78 bis 1910/11. d) Verhältnis Exporte/BIP in Preisen von 1990 (in Prozent) Argentinien Brasilien Chile Mexiko Lateinamerika insgesamt 1870 1913 1950 1973 1998 9.4 11.5 n.a. 3.1 9.2 6.8 9.2 7.5 9.1 8.9 2.4 3.9 5.0 3.0 6.0 2.0 2.5 4.0 1.9 4.7 7.0 5.4 12.6 10.5 9.7 ein breites Spektrum an Fazilitäten zur Bewältigung der Situation sowie über genügend Einfluss, um westliche Banken auch gegen ihren Willen zur Kreditvergabe zu zwingen und eine hohe Zahlungsverzugsquote in Kauf zu nehmen. Im Laufe der achtziger Jahre hatten Bemühungen um eine Lösung dieser Probleme große Veränderungen in der Gestaltung der Wirtschaftspolitik zur Folge. In den meisten Ländern wurde diese Neuorientierung aber nur zögernd umgesetzt. Nach den Erfahrungen mit heterodoxen Politikoptionen in Argentinien und Brasilien entschieden sich die meisten Länder schließlich nach dem Vorbild Chiles für einen neoliberalen Policy Mix. So gingen sie zu einer stärker marktorientierten Politik, einer weit172 Die Weltwirtschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gehenderen Öffnung ihrer Wirtschaft gegenüber den internationalen Märkten, einer Reduzierung der staatlichen Interventionen sowie zu Handelsliberalisierung, weniger verzerrten Wechselkursen, ausgeglicheneren Haushalten und Demokratisierung ihrer politischen Systeme über. In wirtschaftlicher Hinsicht wurde die Transformation mit einem Jahrzehnt rückläufiger ProKopf-Einkommen erkauft. Nach 1990 belebte sich das Wirtschaftswachstum dann erneut deutlich, der Prozess wurde aber durch die zeitweilig um sich greifende Kapitalflucht unterbrochen. Dies geschah zum ersten Mal 1995 als Reaktion auf die Schuldenkrise in Mexiko und dann zum zweiten Mal 1998 infolge des von Russland verhängten Schuldenmoratoriums. Die Wachstumsergebnisse in den neunziger Jahren waren, gemessen an dem wirtschaftlichen Erholungspotential, das nach den verlorenen achtziger Jahren bestand, enttäuschend. Im Gesamtzeitraum 1980-1999 stieg das Pro-KopfEinkommen in Lateinamerika um weniger als 0,3% jährlich, gegenüber mehr als 2,5% zwischen 1950 und 1980. Bei der Zuwachsrate von 2,5% wäre eine Verdopplung der Pro-Kopf-Einkommen alle 28 Jahre, bei der Rate von 0,3% im Zeitraum 1980-1999 nur noch alle 250 Jahre möglich gewesen. Eine eingehende Untersuchung der Erfahrungen Chiles, wo der Transformationsprozess am weitreichendsten war, vermittelten einen gewissen Eindruck von den Schwierigkeiten und Kosten einer völligen Neuorientierung der Wirtschaftspolitik. Das chilenische Paradigma Chile ist die Volkswirtschaft, die auf die längste Periode hoher Inflationsraten zurückblicken kann. Zwischen 1880 und 1913 lag der Preisauftrieb im Jahresdurchschnitt bei 5,6%, im Zeitraum 1913-1950 bei 8,3% und von 1950 bis 1973 bei 48,1%. Chile war das Kernland der „strukturalistischen“ Schule, die die Auffassung vertrat, dass die orthodoxen monetären Rezepte angesichts der bestehenden wirtschaftlichen Verkrustungen nicht zur Lösung der spezifischen Inflationsprobleme dieser Länder taugten. Die Vertreter dieser Schule behaupteten, dass die Inflation zwar durch institutionelle Reformen gedämpft werden könnte, dass man sich jedoch im Grunde mit ihr abfinden, sie tolerieren bzw. sogar als ein effizientes Instrument der Wirtschaftspolitik einsetzen müsse. Sie waren im Wesentlichen Befürworter einer strengen Wirtschaftsregulierung und Subventionspolitik sowie von Wechselkurs- und Handelskontrollen und einer stärkeren Regulierung der Inlandspreise. Diese Philosophie geriet bereits in den fünfziger Jahren in Konflikt mit der Orthodoxie des IWF. Die Regierung Allende, die 1970 ihre Amtsgeschäfte aufnahm, stellte eine ideologische Mischung aus Strukturalismus, Marxismus und einem Hauch Populismus peronistischen Stils dar. Die Entscheidung zur Verstaatlichung der in ausländischem Besitz befindlichen Kupferminen, Erhöhung der Sozialausgaben, Bodenreform und Übernahme privater Unternehmen führte zu einem Vertrauensschwund der Investoren und zu sinkender Produktion, während sich die Inflation auf Grund der expansiven Finanz- und Geldpolitik gleichzeitig beschleunigte. Das Militär, das Allende 1973 stürzte, ging zu einer diametral entgegengesetzten Politik über. Die neue Führung wurde erheblich von den Ökonomen der Universität von Chicago beeinflusst und unterstützt, die in den Ereignissen in Chile eine Gelegenheit sahen, die Theorien des Monetarismus und Laisser-faire unter einem Regime anzuwenden, dessen „Glaubwürdigkeit“ auf Grund seiner brutalen Kontrolle der Staatsmacht hoch war. Das neue Regime privatisierte die Wirtschaft, gab den ehemaligen Besitzern ihr Land zurück, veräußerte 472 der 507 Staatsbetriebe zu Billigpreisen und leistete Zahlungen an ausländische Kupferminenbetreiber, die ihrer Meinung nach unter Allende nicht angemessen entschädigt worden waren. 173 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Um die Inflationsdynamik zu brechen, wurde eine Schocktherapie durchgeführt – Kürzung der öffentlichen Ausgaben um ein Viertel, Senkung der Zölle von 94% auf 10%, massive Abwertung, Abschaffung der Handelskontrollen, Aufhebung der Gewerkschaftsrechte, Straffung der Geldpolitik, Anhebung der indirekten Steuern sowie Senkung der Kapital- und Ertragsteuern. Infolge all dieser Maßnahmen ging das Pro-Kopf-BIP zwischen 1971 und 1975 um 24% zurück. Die Inflationsrate betrug 1975 noch 375%, bis 1982 war sie dann aber auf 10% zurückgegangen. Nach 1975 belebte sich das Wirtschaftswachstum wieder, im Zeitraum 1981-1983 kam es aber zu einer weiteren großen Rezession, in der das Pro-Kopf-BIP um 14% sank. Dieser Rückschlag war auf zwei große wirtschaftspolitische Fehlentscheidungen zurückzuführen. Um das Jahr 1979 herum verlagerte sich der Schwerpunkt in der monetaristischen Denkschule von der Kontrolle der inländischen Geldmenge auf die Erreichung fester Wechselkurse, in der Erwartung, dass diese die Binneninflation in der Nähe der weltweiten Raten halten würden. Jedoch führten die stabilen Wechselkurse und rückläufigen Preise für Kupferexporte in den Jahren 1979-1981 zu einem sehr großen Zahlungsbilanzdefizit (rd. 15% des BIP), so dass die Währungsbehörden den Wechselkurs wieder freigaben, der daraufhin drastisch nachgab. Dieser Einbruch des Peso hatte schwerwiegende Folgen für die Banken und Finanzinstitute (financieras), die inzwischen reprivatisiert worden waren und nur einer sehr lockeren Aufsicht unterlagen. Diese Einrichtungen finanzierten ihre Verluste durch eine massive Kreditaufnahme im Ausland. Zu dem neuen Wechselkurs konnten sie ihren Schuldendienstverpflichtungen jedoch nicht nachkommen. Die Regierung kam ihnen zu Hilfe und übernahm die Verantwortung für deren gesamte Auslandsverschuldung. Durch diese grobe Fehlentscheidung wurden der Besitz und die Kontrolle über einen erheblichen Teil der Finanz- und Produktivvermögenswerte (und der entsprechenden Passiva) erneut dem öffentlichen Sektor übertragen. Nach dieser Episode gelang es der Regierung, zu einem annehmbareren Wachstumspfad zurückzukehren; ein Viertel der Auslandsschuld wurde gegen Beteiligungen getauscht, es wurden internationale Kapitalverkehrskontrollen eingeführt, und nach einer kurzen Hochzollperiode sowie einer gewissen Ernüchterung wurde erneut eine Politik ausgewogener Haushalte, niedriger Inflation, floatender Wechselkurse und einer wohlüberlegten Reprivatisierung staatlicher Vermögenswerte verfolgt. 1990 kehrte das Land dann zu einem demokratischen Regierungssystem zurück. Die drei aufeinander folgenden Zivilregierungen von Aylwin, Frei und Lagos haben keine grundlegenden Änderungen an dem von ihren Vorgängern übernommenen neoliberalen Policy Mix vorgenommen und sind mit diesem Kurs in den neunziger Jahren auch recht gut gefahren. VI Der Transformationsprozess in der ehemaligen UdSSR und Osteuropa a) Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion Aus dem Zusammenbruch der ehemaligen Sowjetunion im Jahr 1991 gingen 15 Nachfolgestaaten hervor, in denen sich das Wirtschaftswachstum bereits in den Jahren 1973-1990 erheblich abgeschwächt hatte. Diese Verlangsamung (bzw. in einigen Fällen Verringerung) hatte hier vielfach ganz andere Ursachen als in Westeuropa. Die UdSSR war von der Weltwirtschaft verhältnismäßig stark abgeschottet und infolgedessen auch von inflationären Schocks und spekulativen Kapitalbewegungen isoliert gewesen, die die westlichen Regierungen zu wirtschaftspolitischer Vorsicht veranlasst hatten. Es gab keine Arbeitslosigkeit, und da die Produktivität weniger als die Hälfte des westeuropäischen 174 Die Weltwirtschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Niveaus erreichte, wäre in der UdSSR eigentlich nicht zu erwarten gewesen, dass es sich bei der wirtschaftlichen Erholung nur um Einmaleffekte handelte, die in der Folge einer Erosion unterliegen würden. Am spektakulärsten war nach 1973 die Tatsache, dass die gesamte Faktorproduktivität auf Grund der dramatischen Verlangsamung der Arbeitsproduktivität und der ohnehin schon sehr niedrigen Kapitalproduktivität ein deutlich negatives Vorzeichen erhielt (vgl. Maddison, 1989a, S. 100-102). Der Konjunkturrückgang war vor allem drei Faktoren zuzuschreiben: erstens der sinkenden mikroökonomischen Effizienz, zweitens der zunehmenden Belastung durch Militärausgaben und damit verbundene Kosten und drittens den Einbußen an Wettbewerbsvorteilen im Bereich der natürlichen Ressourcen bzw. deren Zerstörung durch Umweltkatastrophen. Die Mängel in der Ressourcenallokation waren offensichtlich. Die durchschnittlichen und marginalen Kapitalkoeffizienten waren höher als in der kapitalistischen Welt. Rohstoffe wurden verschwendet, indem sie unter dem Erzeugerpreis zur Verfügung gestellt wurden. Die Versorgungsengpässe veranlassten Unternehmen zu einer massiven Vorratshaltung. Das Verhältnis Stahlverbrauch/BIP war viermal so hoch wie in den Vereinigten Staaten, das Verhältnis des industriellen Mehrwerts zur Bruttoproduktion sehr viel niedriger als in den westlichen Ländern. 1987 zählte in der UdSSR das Durchschnitts-Industrieunternehmen 814 Arbeitskräfte, gegenüber einem Schnitt von 30 in Deutschland und dem Vereinigten Königreich. Der Technologietransfer aus dem Westen wurde durch Handelsbeschränkungen, einen Mangel an ausländischen Direktinvestitionen und einen sehr begrenzten Zugang für ausländische Techniker und Hochschulabsolventen behindert. Es gab nur sehr wenige Arbeitsanreize, und Drückebergerei am Arbeitsplatz war gang und gäbe. Das in diesem System niedrige Entlohnungsniveau war ein weiterer Faktor, der die Arbeitsbereitschaft lähmte. Die Qualität der Konsumgüter war schlecht. Es gab kaum Einzelhändler und Dienstleistungsunternehmen. Die Preise standen in keinem Verhältnis zu den Kosten. Brot, Butter und Wohnraum wurden stark subventioniert. Die Verbraucher verschwendeten sehr viel Zeit mit Schlangestehen, Tauschwirtschaft und manchmal auch Versuchen, sich die von ihnen gewünschten Waren und Dienstleistungen durch Bestechung zu beschaffen. Es gab einen florierenden Schwarzmarkt und besondere Geschäfte für die Nomenklatura. Zynismus, Frustration und Alkoholismus nahmen stark zu, und die Lebenserwartung ging zurück. Die Verteidigungs- und Weltraumausgaben der Sowjetunion beliefen sich in den siebziger und achtziger Jahren auf rd. 15% des BIP, was nahezu dem Dreifachen des amerikanischen Anteils und dem Fünffachen der in Westeuropa hierfür aufgewendeten Ausgaben entsprach. Ferner gingen damit erhebliche Verpflichtungen gegenüber Afghanistan, Kuba, der Mongolei, Nordkorea, Vietnam und den „Kunden“ der Sowjetunion in Afrika einher. Die realen Kosten für die Ausbeutung der Naturressourcen nahmen zu. In den fünfziger Jahren entfiel ein Großteil der Agrarexpansion auf die Bewirtschaftung von Neuland, dessen Fruchtbarkeit rasch erschöpft war. Der größte Teil des Aralsees verwandelte sich so in eine Salzwüste. Die Nutzung der Mineral- und Energieressourcen in Sibirien und Zentralasien erforderte höhere Infrastrukturausgaben als im europäischen Teil Russlands. Die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl hatte durch die Kontaminierung eines großen Teils der Ukraine verheerende Umweltfolgen. Zwischen 1985 und 1990 setzte Gorbatschow ein beachtliches Maß an politischer Liberalisierung um, er entließ Osteuropa in die Freiheit und setzte das System der Planwirtschaft außer Kraft, unternahm aber wenig zur Umwandlung des Wirtschaftssystems. Jelzin (Ende 1991 bis Ende 1999) führte dann die Marktwirtschaft ein und spaltete die Sowjetunion auf. Jelzins ursprünglich wichtigstes Anliegen war die Zerstörung des wirtschaftlichen und politischen Systems der Sowjetunion. So wurde die UdSSR auf einem geheimen Treffen zwischen dem russischen Präsidenten Jelzin, Krawtschuk aus der Ukraine und Schuschkewitsch aus Weißrussland Anfang Dezember 1991 aufgelöst. Den baltischen Staaten wurde freigestellt, den Pfad des Kapitalismus 175 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle 3.23 Pro-Kopf-Wachstum in der ehemaligen UdSSR und in Osteuropa, 1950–1998 1950–1973 1973–1990 1990–1998 (jahresdurchschn. Pro-Kopf-Wachstumsraten) Ex-UdSSR 3.36 Albanien Bulgarien Tschechoslowakei Tschechische Republik Slowakische Republik Ungarn Polen Rumänien Ex-Jugoslawien Kroatien Slowenien Sonst. Länder Ex-Jugoslawiens BIP von 1998 (Mio. int. $ von 1990) 0.74 –6.86 3 893 1 132 434 –0.04 –0.29 1.85 1.27 1.48 –0.23 –0.18 1.39 0.73 0.85 0.98 –1.84 –1.67 1.15 –1.17 –7.33 –9.35 –3.71 –0.73 –11.94 –5.09 –6.82 –0.58 –4.55 –10.77 –6.53 –14.82 –8.88 –10.24 –3.32 3 341 2 135 5 743 10 118 2 737 4 809 2 042 6 216 5 918 2 497 4 523 830 1 723 2 528 3 296 12 679 16 365 58 799 14 671 14 894 74 857 9 595 15 222 21 914 9 112 664 495 5 073 8 335 127 151 79 272 3.79 0.51 0.06 5 461 660 861 3.59 5.19 3.08 0.57 0.29 1.12 –0.41 –2.36 2 401 4 586 7 999 37 786 –0.36 –0.01 0.05 3.41 –2.45 –3.45 –1.93 1.09 –6.37 8 643 7 754 6 474 6 688 2 890 4 229 5 963 11 980 2 758 88 897 41 818 66 089 258 220 64 715 95 337 27 858 23 625 43 854 Armenien Aserbaidschan Weißrussland Estland Georgien Kasachstan Kirgisistan Lettland Litauen Moldau Russische Föderation Tadschikistan Turkmenistan Ukraine Usbekistan Osteuropa insgesamt Pro-Kopf-BIP von 1998 (int. $ von 1990) 3.60 3.45 4.80 4.49 0.85 –0.35 0.08 1.60 3 Quelle:Anhänge A und D. einzuschlagen. Die alten Parteiführer der asiatischen Republiken waren nicht vorgewarnt worden bzw. waren nicht auf Veränderungen eingestellt, nahmen diese dann aber hin, wurden Präsidenten und traten in eine lockere Föderation ein (die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten). Die sowjetische kommunistische Partei wurde aufgelöst, und ihr Vermögen beschlagnahmt. In der Russischen Föderation wurde im Januar 1992 eine Regierung aus jungen, radikalen Wirtschaftsreformern gebildet, die die alte Planwirtschaft über Bord warfen, die meisten Inlandspreise freigaben, Außenhandelsschranken beseitigten, das Militärbudget auf einen Bruchteil seines früheren Niveaus kürzten, den Staatshandel abschafften, alle Formen des privaten Handels legalisierten und schließlich eine Privatisierungswelle starteten, in deren Verlauf die meisten Staatsbetriebe zu Niedrigstpreisen veräußert wurden. Zwischen 1990 und 1998 beliefen sich die Privatisierungserlöse in Russland auf insgesamt 7,5 Mrd. $, gegenüber Privatisierungserlösen in Höhe von 66,7 Mrd. $ im gleichen Zeitraum in Brasilien. Das Durchschnitts-BIP der beiden Volkswirtschaften war in diesen Jahren mehr oder minder vergleichbar, die brasilianischen Privatisierungen machten aber einen sehr viel kleineren Teil des Kapitalstocks aus (vgl. Weltbank, 2000, S. 186-187). Der Übergang zur Marktwirtschaft vollzog sich recht schnell, er war für die breite Masse der Bevölkerung wirtschaftlich aber mit einer Abwärtsspirale der Realeinkommen verbunden, die nahezu zehn Jahre andauerte. In der Russischen Föderation war das BIP 1998 um 42% niedriger als 1990. Die Anlageinvestitionen waren drastisch auf 17,5% ihres Niveaus von 1990 gesunken. Auch die Militär176 Die Weltwirtschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Tabelle 3.24 Veränderungen von Produktion und Verbrauch in Weißrussland, Russland und der Ukraine, 1990–1998 (Volumen von 1990 = 100) BIP Industrieproduktion Agrarproduktion Finanzdienstleistungen Privater Verbrauch Staatsverbrauch Anlageinvestitionen Bevölkerung Weißrussland Russische Föderation Ukraine 80.1 92.7 65.5 196.3 57.7 47.3 58.1 144.7 41.1 31.6 58.3 773.6a 79.0 79.4 62.9 99.8 88.8 70.8 17.5 99.1 51.2 76.9 15.5 96.9 a) 1990–1997. Quelle: Die wichtigsten makroökonomischen Indikatoren der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten 1991-1998 (in russischer Sprache), Statistischer Ausschuss der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten, Moskau, 1999. Tabelle 3.25 Prozentualer Anteil der in Armut lebenden Bevölkerung in der ehemaligen UdSSR und in Osteuropa, 1987–1988 und 1993–1995 Land 1987–1988 1993–1995 Estland Lettland Litauen Durchschnitt der drei baltischen Staaten 1 1 1 37 22 30 1 29 Weißrussland Moldau Russische Föderation Ukraine Durchschnitt der vier westlichen GUS-Länder 1 4 2 2 22 66 50 63 2 52 5 12 12 24 65 88 61 63 15 66 Kasachstan Kirgisistan Turkmenistan Usbekistan Durchschnitt der vier zentralasiatischen GUS-Länder Land Tschechische Republik Ungarn Polen Slowakei Slowenien Durchschnitt der fünf mitteleuropäischen Länder Bulgarien Rumänien Durchschnitt der zwei südosteuropäischen Länder 1987–1988 1993–1995 0 1 6 0 0 1 4 20 1 1 1.4 12 2 6 15 59 4 37 ausgaben des Staats verzeichneten einen deutlichen Rückgang, so dass die Verringerung des privaten Pro-Kopf-Konsums in realer Rechnung (mit rd. 10%) sehr viel moderater ausfiel als die des Pro-KopfBIP. In Weißrussland ließ der private Konsum um ein Fünftel nach (vgl. Tabelle 3-24). In der Ukraine war die Situation mit einem Einbruch des Pro-Kopf-Konsums um 44% noch um einiges gravierender. Mit dem Übergang zum Kapitalismus gingen einschneidende Veränderungen in der Einkommensverteilung einher. Unter dem alten System waren Grundbedarfsgüter (Brot, Wohnraum, Bildung, Gesundheit, Kinderkrippen und soziale Dienstleistungen) sehr stark vom Staat subventioniert bzw. von Staatsbetrieben ihren Mitarbeitern kostenlos zur Verfügung gestellt worden. All diese Grundbedarfsgüter wurden sehr viel teurer, die Löhne und Renten verloren durch die Hyperinflation in realer Rechnung an Wert und die von der Masse der Bürger gehaltenen Sparguthaben wurden praktisch wertlos. Natürlich waren das Ende des Schlangestehens, die der Importfreiheit zu verdankenden Verbesserungen bei Qualität und Auswahl der Konsumgüter mit Wohlfahrtsgewinnen verbunden, doch kamen diese vor allem den Personen zugute, die in der Lage waren, sich mit der Marktwirtschaft zu arrangieren. 177 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle 3.26 Jahresdurchschnittliche Veränderungsrate der Verbraucherpreise: ehemalige UdSSR und Osteuropa, 1990–1998 Land 1990–1994 Estland Lettland Litauen Durchschnitt der drei baltischen Staaten 1994–1998 333.7 320.3 435.0 15.2 11.5 14.9 363.0 13.9 1 402.0 825.5 927.8 3 361.8 132.1 17.1 61.5 62.7 1 629.3 68.4 Armenien Aserbaidschan Georgien Durchschnitt der drei Kaukasus-Länder 3 529.3 1 150.8 3 817.6 14.6 20.9 22.4 2 932.6 19.3 Kasachstan Kirgisistan Tadschikistan Turkmenistan Usbekistan Durchschnitt der fünf zentralasiatischen GUS-Länder 1 612.5 721.9 2 228.2 2 969.3 811.3 25.6 25.0 585.0 437.3 64.3 1 268.6 227.4 Weißrussland Moldau Russische Föderation Ukraine Durchschnitt der vier westlichen GUS-Länder Quelle: Land Tschechische Republik Ungarn Polen Slowakei Slowenien Durchschnitt der fünf mitteleuropäischen Länder Albanien Bulgarien Kroatien Mazedonien Rumänien Durchschnitt der südosteuropäischen Länder 1990–1994 1994–1998 23.2 24.0 42.9 26.1 95.6 8.3 19.2 15.5 6.2 8.3 42.4 11.5 96.9 151.0 583.5 615.4 194.8 18.6 230.8 4.1 2.0 69.2 328.3 64.9 EBWE, Transition Report 1999, London, S. 76. Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) hat jüngst Schätzungen der Variationen bei der Armutshäufigkeit vorgenommen (vgl. Tabelle 3.25). Zwischen 1987-1988 und 1993-1995 war die Armutsquote in vier „westlichen“ GUS-Ländern (mit einer kombinierten Bevölkerung von 212 Millionen im Jahr 1998) von 2% auf über 50% ihrer Gesamtbevölkerung gestiegen. In vier zentralasiatischen Staaten (mit einer Gesamtbevölkerung von 49 Millionen) hatte sich der Anteil von 15% auf 66%, und in den drei baltischen Staaten von 1% auf 29% erhöht. Die Lage war in diesen Ländern also sehr viel schwieriger als in Mittel- und Osteuropa, wo sich Rumänien als einziges Land in einer vergleichbaren Situation befand. Die gesunkene Lebenserwartung, die geringeren Schulbesuchsquoten sowie die steigende Arbeitslosigkeit sind weitere Belege für die Bevölkerungsverarmung, wenngleich die Effekte der Arbeitslosigkeit dadurch gemindert werden konnten, dass viele Arbeitskräfte den Kontakt zu ihren alten Unternehmen aufrechterhielten und diese Unternehmen ihnen auch nach Einstellung der Gehaltszahlungen weiterhin Sozialleistungen gewährten. Es gibt vor allem zwei Gründe, die erklären, warum der Übergang in der ehemaligen UdSSR problematischer verlief als in Osteuropa. Eine Ursache war die Schwäche der Geld- und Finanzpolitik, die eine Hyperinflation zur Folge hatte, die andere jenes Phänomen, das von der EBWE als „Vereinnahmung“ des Staats durch eine neue Wirtschaftsoligarchie bezeichnete wurde. Diese beiden Faktoren haben eine effiziente Ressourcenallokation erheblich erschwert und dazu beigetragen, dass die Einkommen vor allem einer privilegierten Elite zuflossen. Makroökonomische Instabilität Tabelle 3.26 weist die durchschnittlichen Inflationsraten für die Jahre 1990-1994 und 1994-1998 aus. Die erste Hyperinflationswelle hat mittlerweile deutlich nachgelassen, der Preisauftrieb liegt aber 178 Die Weltwirtschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch immer weit über der Jahresrate von 2% der westlichen kapitalistischen Volkswirtschaften (vgl. Tabelle 3.8). In den baltischen Staaten und in Osteuropa erreicht die Inflation nunmehr etwa die gleiche Rate wie in Lateinamerika (d.h. 13,5%, vgl. Tabelle 3.22). Es ist durchaus verständlich, dass der Übergang von der Preisstruktur einer zentralen Planwirtschaft zu einer von den Marktkräften bestimmten Struktur eine kurze Phase der Hyperinflation auslöst; in diesem Fall war die Inflationsdynamik aber auch auf die staatliche Finanzschwäche zurückzuführen. Das war unvermeidlich in einem Staat, der seine Einnahmen zuvor aus dem Besitz von Vermögenswerten bezogen hatte, die zu Schleuderpreisen veräußert worden waren. Zugleich war die Konzipierung und Einführung eines neuen Steuersystems in einer Wirtschaft, in der die Unternehmen binnen kürzester Zeit meisterhaft gelernt hatten, Steuern zu vermeiden bzw. zu hinterziehen und Gewinne im Inland bzw. mit Hilfe ausländischer Steueroasen zu verschleiern, sehr viel schwieriger. In Russland wurde das Problem noch durch die Übertragung von Ausgabenbefugnissen auf die 19 Föderationsrepubliken und 61 übrigen Lokalverwaltungen verschärft. Die leichtsinnige Geldpolitik war der zweite Faktor, der wesentlich zur Hyperinflation beigetragen hat. In der ersten Reformphase bat die Regierung Gajdar internationale Organisationen um Rat und hielt am Rubel als gemeinsamer Währung der GUS-Staaten bis 1993 fest. Damit musste die Föderation auch für die Defizite der Mitgliedstaaten aufkommen, die sich auf 10% des russischen BIP beliefen. Zwischen 1992 und 1994 wurde die Hyperinflation durch die enorme Ausweitung des Volumens der von der Zentralbank zu negativen Realzinsen angebotenen Kredite angeheizt, mit denen das Haushaltsdefizit der Föderation gedeckt und Kapital auch solchen Unternehmen zugeführt wurde, die man eigentlich hätte zwingen müssen, in Konkurs zu gehen. Im weiteren Verlauf wurden die Defizite dann durch die Einrichtung eines Schatzwechselmarkts und durch Kreditaufnahme im Ausland finanziert. Nach der Wiederwahl Jelzins im Juli 1996 kam es zu starken Zuflüssen ausländischer Anlagegelder in russische Aktien und Schatzwechsel. Von Mitte 1996 bis Ende 1997 verdreifachten sich die Kurse am Aktienmarkt, während der Wechselkurs mehr oder minder gleich blieb. Viele ausländische Investoren gingen hoch spekulativ vor und sicherten sich gegen Wechselkursrisiken ab, indem sie bei russischen Banken auf Dollar lautende Termineinlagen kauften. Die Entlassung von Ministerpräsident Tschernomyrdin im Jahr 1998 und die Finanzkrise in Asien hatten dann einen massiven Rückzug ausländischen Kapitals zur Folge. Die russische Regierung konnte ihren Wechselkurs zunächst ungefähr zwei Wochen lang mit Finanzmitteln des IWF in Höhe von nahezu 5 Mrd. $ verteidigen, musste die Währung dann aber Mitte August 1998 abwerten, konnte den Großteil der inländischen Schuldendienstverpflichtungen nicht bedienen und verhängte für die Schuldenrückzahlungen russischer Unternehmen und Banken an Ausländer ein Schuldenmoratorium. Aufstieg einer neuen Finanzoligarchie Das andere große Problem im Zusammenhang mit dem Übergang Russlands zum Kapitalismus wurde von der EBWE (1999, S. 110-111) folgendermaßen diagnostiziert: „Im Rahmen des 1995 umgesetzten Programms ‚Kredite gegen Aktien‘ fielen viele Schlüsselunternehmen in die Hände einer kleinen Gruppe von Finanziers, der so genannten ‚Oligarchen‘. Die Folge war ein drastischer Anstieg der Vermögens- und Einkommensungleichheiten – so lag der Gini-Koeffizient für die Einkommen in Russland 1997 bei rd. 0,5, d.h. auf einem mit Kolumbien oder Malaysia vergleichbaren Niveau. Ferner hat dieses Programm zu einem Investitionsklima beigetragen, das von Korruption, nicht transparenten Geschäftspraktiken – einschließlich Naturaltausch – und Vetternwirtschaft geprägt war.“ „Nicht nur die Einkommensungleichheiten haben erheblich zugenommen, zusätzlich sind auch die Ausgaben für Sozialleistungen in der Übergangsphase zurückgegangen. Das veranschaulicht, wie stark der Staat durch kleine Interessengruppen vereinnahmt wurde.“ Es wurden zwar gesetzliche Bestimmungen zur Einführung von Eigentumsrechten nach westlichem Modell erlassen, in der Praxis aber ist das Rechnungswesen undurchsichtig und die Interpreta179 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive tion der Eigentumsrechte seitens der Regierung willkürlich. Viele Unternehmen sind kriminellem Druck ausgesetzt. Immobilienbesitzer, so z.B. Aktionäre oder Investoren, können nicht darauf bauen, dass ihre Rechte anerkannt werden. Arbeitskräfte wissen nicht, ob sie ihren Lohn effektiv erhalten werden. Unter derartigen Umständen kann die Ressourcenallokation nur höchst ineffizient sein. Die Landwirtschaft blieb von der Reform unberührt Ein dritter, wichtiger Bereich, der in der Transformationsphase politisch unberücksichtigt blieb, war die Landwirtschaft. In Russland und in der Ukraine lag die Agrarproduktion 1998 um 42% unter ihrem Niveau von 1990. Diese Entwicklung steht in krassem Gegensatz zur Lage in China, wo die Agrarproduktion in den sieben Jahren nach den 1978 beschlossenen Reformen um 56% gestiegen war. Es wurden praktisch keine Anstrengungen unternommen, um eine gewisse Dynamik in diesem rückständigen Sektor zu entwickeln, wo sich effektive Aktionen auf Grund der bestehenden Erblasten nur schwer umsetzen lassen. Kornai (1992, S. 437) formulierte dies folgendermaßen: „Bis heute hat sich die sowjetische Bauernschaft noch nicht von dem furchtbaren Trauma der Kollektivierung erholt. Obwohl die Menschen, die davon direkt betroffen waren, heute nicht mehr am Leben sind, haben ihre Kinder und Enkelkinder noch immer das Gefühl, Privatbesitz werde nicht geschützt, und Grund und Boden könne ihnen wieder weggenommen werden. Sollten sie also durch individuelle Bewirtschaftung ihrer Betriebe zu wohlhabenden Bauern werden, so befürchten sie, dies könne dazu führen, dass sie erneut als Kulaken gebrandmarkt werden, was für sie Verfolgung, Verschleppung oder Tod bedeuten könnte.“ b) Die osteuropäischen Länder Das Wirtschaftssystem der osteuropäischen Länder war bis Ende der achtziger Jahre mit dem der ehemaligen UdSSR vergleichbar, und dasselbe galt für die makroökonomischen Ergebnisse. Im goldenen Zeitalter, d.h. in den Jahren 1950-1973, hielt das Pro-Kopf-BIP-Wachstum in Osteuropa (wie in der UdSSR) mehr oder minder mit dem Westeuropas Schritt. Zwischen 1973 und 1990 kam es dann zu einer starken Verschlechterung, als das wirtschaftliche und politische System sich aufzulösen begann und das Pro-Kopf-Wachstum insgesamt nur noch rd. 0,5% jährlich erreichte, gegenüber 1,9% in Westeuropa. Seit 1990 sieht sich Osteuropa im Zuge des Übergangs zum Kapitalismus großen Problemen gegenüber, der Prozess verlief insgesamt aber sehr viel weniger traumatisch als in der ehemaligen UdSSR. 1998 entsprach das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen etwa dem Niveau von 1990, während es im Vergleich dazu in der ehemaligen UdSSR um über 40% niedriger war. In der Tat gibt es bei der erfolgreichen Bewältigung des Transformationsprozesses zwischen den einzelnen osteuropäischen Ländern große Unterschiede. Polen, die mit Abstand größte Volkswirtschaft der Region und das Land, das im Zeitraum 1973-1990 am schlechtesten abschnitt, verzeichnet seit 1990 ein rascheres Einkommenswachstum als jedes andere europäische Land, mit Ausnahme Irlands. Die Tschechische und die Slowakische Republik wie auch Ungarn haben ihr Pro-Kopf-Einkommensniveau von 1990 mehr oder minder wieder erreicht. Am schlechtesten steht das ehemalige Jugoslawien da, das im Laufe blutiger Konflikte in fünf getrennte Staaten zerfiel. Bulgarien und Rumänien weisen ebenfalls schlechte Ergebnisse auf, was sich z.T. aus der Tatsache erklärt, dass ihre Volkswirtschaften in mehrerlei Hinsicht durch die Kriege in Bosnien und im Kosovo, die Verhängung von Sanktionen gegen Jugoslawien sowie die Bombardierung der Donaubrücken sehr stark in Mitleidenschaft gezogen wurden. Mit Ausnahme Polens waren die Wirtschaftsergebnisse in Osteuropa enttäuschend. Angesichts der Tatsache, dass das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen in Osteuropa bei etwa 30% des westeuropäischen liegt, hätte ein gewisser Spielraum für einen Aufholprozess bestehen müssen. 180 Die Weltwirtschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Die Transformationsproblematik reicht in der Tat sehr tief. Am einfachsten zu bewältigen waren die Preisliberalisierung und die Öffnung des Handels gegenüber dem Westen. Dadurch wurde der Knappheit und dem Schlangestehen ein Ende gesetzt, die Qualität der verfügbaren Waren verbessert und das Verbraucherwohl auf eine Art und Weise erhöht, die in den Messgrößen des BIP nicht genügend zum Ausdruck kommt. Ein Großteil des alten Kapitalstocks war aber schrottreif, die Erwerbsbevölkerung musste neue Qualifikationen erwerben, das Rechts- und Verwaltungssystem wie auch die Struktur des Steuer- und Transfersystems mussten umgestaltet, das Verteilungs- und Bankensystem von Grund auf neu aufgebaut werden. In diesem Zusammenhang ist ein Vergleich der Situation in Osteuropa mit der Lage in Ostdeutschland von Interesse, das 1990 Teil der Bundesrepublik wurde. In anderen osteuropäischen Ländern waren die Unterstützungsleistungen des Westens verhältnismäßig gering, und ihr Zugang zu den Westmärkten wurde und wird durch die gemeinsame Agrarpolitik der EU wie auch die Exportbeschränkungen für bestimmte sensible Industriegüter erschwert. Demgegenüber hatten die ostdeutschen Bundesländer völlig freien Zugang zu den deutschen und westlichen Märkten, und sie erhielten seit der Wiedervereinigung Transferleistungen verschiedener Art in Höhe von rd. 1 Bill. $. Die Pro-Kopf-Produktion und -Arbeitsproduktivität liegen dort aber immer noch bei weniger als der Hälfte des Niveaus im übrigen Deutschland. Das Problem der Umwandlung sozialistischer Firmen in produktive kapitalistische Unternehmen war in Ostdeutschland sehr viel größer als andernorts, da Ostdeutschland in eine Währungsunion eingebunden war, in der die Löhne und Gehälter wie auch die Aktiva in alter Ostmark extrem überbewertet waren. Fast der gesamte Kapitalstock der Industrie musste verschrottet werden. Die Beschäftigung ist seit 1990 um 30% zurückgegangen, da Arbeitnehmer (wie auch Rentner und Empfänger sonstiger Sozialleistungen) fortan Anspruch auf sehr viel höhere Sozialversicherungsleistungen hatten. Für das gegenüber den Staaten der ehemaligen UdSSR bessere Abschneiden der osteuropäischen Länder dürften vor allem folgende Gründe verantwortlich gewesen sein: a) Der Zeitraum, in dem diese Länder der Planwirtschaft ausgesetzt waren (rund 40 Jahre), war kürzer als für den größten Teil der ehemaligen UdSSR (über 70 Jahre). Das galt auch für die baltischen Staaten, die ebenfalls bessere Ergebnisse erzielten als die übrigen Volkswirtschaften der ehemaligen UdSSR. b) In mehreren osteuropäischen Ländern hatte es starke Bestrebungen gegeben, aus der Planwirtschaft und der sowjetischen Hegemonie auszubrechen – so in Jugoslawien in den fünfziger Jahren, in Ungarn 1956, in der Tschechoslowakei 1968 und in Polen in den achtziger Jahren –, und in intellektueller Hinsicht bestand ein reges Interesse an den Transformationsproblemen. Jugoslawien, Ungarn und Polen waren vor dem Zusammenbruch des sowjetischen Systems bereits Mitglied des IWF und hatten dadurch ein gewisses Know-how in Bezug auf den makroökonomischen Policy Mix wie auch das typische Instrumentarium kapitalistischer Volkswirtschaften erworben. Außerdem wiesen die Tschechoslowakei, Polen, Ungarn und Slowenien größere Affinitäten zum und detailliertere Kenntnisse über den westlichen Kapitalismus auf als die Länder der ehemaligen UdSSR, Bulgarien oder Rumänien. c) Die osteuropäischen Länder waren sehr viel stärker als die Staaten der ehemaligen UdSSR bestrebt, die Transformation in einem Umfeld makroökonomischer Stabilität zu vollziehen. Das gilt insbesondere für Polen, das Anfang 1990 mit der Umsetzung radikaler Reformen angesichts eines enormen Inflationsdrucks begann, der durch die Lohnindexierung und andere Konzessionen an die militante Gewerkschaft der Solidarnosc-Bewegung bedingt war (vgl. Balcerowicz, 1995, S. 324-326). Die Reformpolitik ging mit einer strengen monetären und budgetären Disziplin einher. d) Der Reformprozess legte den Akzent sehr viel deutlicher auf die Schaffung transparenter Rechtsgrundlagen für den Abschluss von Verträgen und den Schutz der Eigentumsrechte, und der Privatisierungsprozess ließ keine neue Oligarchie räuberischer Kapitalisten entstehen. Auch in 181 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive diesem Punkt verweist Balcerowicz, der wichtigste Architekt der polnischen Reformen, eindringlich auf die Unterschiede zwischen der Politik in Polen und der ehemaligen Sowjetunion. Infolgedessen gab es sehr viel weniger Ambiguitäten in Bezug auf Richtung und Endziel des Reformprozesses. VII Afrika Afrika vereint nahezu 13% der Weltbevölkerung auf sich, erwirtschaftet aber nur 3% des weltweiten BIP. Es ist die ärmste Region der Welt, deren Pro-Kopf-Einkommen 1998 nur 5% des in der reichsten Region und weniger als die Hälfte des in Asien (ohne Japan) verzeichneten Niveaus erreichte. Es hat die niedrigste Lebenserwartung (52 Jahre gegenüber 78 in Westeuropa), aber auch die stärkste demographische Expansion – sie entspricht etwa dem Neunfachen des Bevölkerungswachstums in Westeuropa. Infolge des raschen Bevölkerungszuwachses ist die Altersstruktur grundverschieden von der Westeuropas. In Europa befinden sich über zwei Drittel der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter, in Afrika knapp über die Hälfte. 43% der Afrikaner sind unter 15 Jahre alt und 3% 65 oder älter. In Westeuropa sind 18% unter 15 und 15% sind 65 Jahre oder älter. Fast 50% der Erwachsenenbevölkerung Afrikas sind Analphabeten. Die Häufigkeit infektiöser und parasitärer Krankheiten (Malaria, Schlafkrankheit, Hakenwurmkrankheit, Flussblindheit, Gelbfieber) ist hoch. Über zwei Drittel der HIVinfizierten Menschen leben in Afrika. Aus diesem Grund sind Quantität und Qualität des Arbeitsinputs je Kopf der Bevölkerung hier sehr viel niedriger als in anderen Teilen der Welt. Das Fundament der afrikanischen Volkswirtschaften ist sehr viel unbeständiger als das der meisten anderen, da die Exporterlöse dieser Länder auf einer kleinen Zahl unverarbeiteter Rohstoffe basieren und die klimatischen Extreme (wie Dürreperioden und Überflutung) größer sind und verheerendere Folgen haben als andernorts. Auch wenn die Wirtschaftsergebnisse Afrikas im internationalen Vergleich schlecht sind, war doch im kapitalistischen Zeitalter auch hier ein Wirtschaftswachstum zu verzeichnen. Zwischen 1820 und 1980 stieg das Pro-Kopf-Einkommen auf rd. das 3,5fache (vgl. Tabelle 3.1b und C5.c), was etwa dem Zuwachs in Asien (ohne Japan) entspricht. Seit 1980 ist das Pro-Kopf-Einkommen in Afrika zurückgegangen. Hauptmerkmale der Lage in Afrika sind Armut und Stagnation bzw. rückläufige Wirtschaftstätigkeit, bei Einkommensniveau und Wachstumsergebnissen gibt es aber große Diskrepanzen. In Tabelle 3.28 wird zwischen den 14 Ländern mit einem durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen von über 2 000 internationalen Dollar und den 43 Staaten unterschieden, die dieses Niveau nicht erreichen. In der ersten Gruppe lagen die Pro-Kopf-Einkommen 1998 im Schnitt bei 2 816 $, in den übrigen Ländern bei nur 840 $. Länder der ersten Gruppe weisen mittlerweile ein Durchschnittseinkommen auf, das dem Westeuropas im Jahr 1900 entspricht, in den übrigen Ländern liegt es unter dem westeuropäischen Niveau von 1600. Die erste verhältnismäßig wohlhabende Gruppe umfasst fünf Mittelmeer-Anrainerstaaten (Algerien, Ägypten, Libyen, Marokko und Tunesien). Von diesen verzeichneten Ägypten, Marokko und Tunesien im Zeitraum 1973-1998 annehmbare Wachstumsergebnisse, in Algerien lag das Pro-Kopf-Einkommen 1998 allerdings um 15% unter dem Höchststand von 1985, und in Libyen erreichte es in etwa die Hälfte seines Niveaus von 1973. Die zweite Gruppe, die sich aus Ländern im Südzipfel des Kontinents zusammensetzt, umfasst Botsuana, Namibia, Südafrika und Swasiland. Unter diesen zählte Botsuana zu den Volkswirtschaften mit dem weltweit dynamischsten Wachstum (5,4% pro Kopf zwischen 1973 und 1998). Seine Wachstums182 Die Weltwirtschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Abbildung 3.4 Pro-Kopf-BIP: binäre Gegenüberstellung Vereinigte Staaten/Afrika, 1950-1998 (in Geary-Khamis-Dollar von 1990) 100 000 Vereinigte Staaten Vereinigte Staaten Vereinigte Staaten 10 000 Algerien 1 000 Ägypten 100 1950 1960 1970 1980 1990 2000 1950 1960 1970 1980 Kenia 1990 2000 1950 1960 1970 1980 1990 2000 100 000 Vereinigte Staaten Vereinigte Staaten Vereinigte Staaten 10 000 Südafrika Marokko 1 000 Nigeria 100 1950 1960 1970 1980 1990 2000 1950 1960 1970 Quelle: Anhang C. 183 1980 1990 2000 1950 1960 1970 1980 1990 2000 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle 3.27 Analphabetentum in Afrika, 1997 (Prozentualer Anteil der Erwachsenenbevölkerung) Algerien Benin Botsuana Burkina Faso Burundi Kamerun Zentralafrikanische Republik Kongo Côte d'Ivoire Ägypten Äthiopien Ghana Kenia Malawi Mali Mauretanien Marokko Mosambik Namibia Quelle: 40 66 26 80 55 28 57 23 58 48 65 33 21 42 65 62 54 59 21 Niger Nigeria Ruanda Senegal Südafrika Tansania Togo Tunesien Uganda Sambia Simbabwe Arithmetischer Durchschnitt 86 40 37 65 16 28 47 33 36 25 9 45 Ehemalige UdSSR Lateinamerika China 4 13 17 Weltbank, Weltentwicklungsbericht 1999/2000, Washington, D.C., 2000, S. 278-279. ergebnisse waren mit denen Singapurs vergleichbar, mit dem Unterschied, dass das Wachstum hier weitgehend auf der Ausbeutung seiner Diamantvorkommen basierte. Das Pro-Kopf-Einkommen Südafrikas lag 1998 um 14% unter dem 1981 erreichten Höchststand, und in Namibia blieb es um 9% hinter dem Niveau von 1981 zurück. Bei der dritten Gruppe aus fünf kleinen Ländern handelt es sich um Sonderfälle. Gabun und der Kongo verfügen über eine verhältnismäßig hohe und expandierende Erdölförderung und -ausfuhr. Bei den drei anderen Ländern handelt es sich um Inseln im Indischen Ozean, deren Bevölkerungszuwachsraten weit unter dem afrikanischen Durchschnitt liegen. Réunion ist ein französisches ÜberseeDepartement, das von der Metropole stark subventioniert wird. Auf den Seychellen und Mauritius ist die Bevölkerung in der Mehrzahl indischen Ursprungs und zweisprachig (englisch/französisch). Die Seychellen verfügen über hohe Fremdenverkehrseinnahmen. Mauritius ist es gelungen, einen Industriegüterexport aufzubauen. Drei Viertel der afrikanischen Bevölkerung gehören einer vierten Gruppe an, in der das Pro-KopfEinkommen 1980 seinen Höchststand erreichte. Bis 1998 war es um ein Viertel gesunken. Diese Ländergruppe bildet den harten Kern der Armut in Afrika. Bei der Erläuterung der Ursachen für die Armut in Afrika muss zwischen den Langzeiteinflüssen und den Gründen für die negative Trendwende in der wirtschaftlichen Entwicklung der vergangenen zwanzig Jahre unterschieden werden. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war der Großteil des Kontinents noch unbekannt und unerforscht, von Jägern und Sammlern, Vieh- und Schafzüchtern sowie Bauern bewohnt, die Subsistenzlandwirtschaft betrieben. Das Bildungs- und Technologieniveau war primitiv. Land war verhältnismäßig reichlich vorhanden und wurde von den traditionellen Führern zugeteilt, ohne Eigentumsrechte nach westlichem Modell. Die einzigen Territorialeinheiten, die den heutigen ähnelten, waren Ägypten, Äthiopien, Liberia, Marokko und Südafrika. „Hauptexportartikel“ waren Sklaven. Das Interesse der europäischen Mächte an der Beherrschung Afrikas erwachte in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts. Frankreich und Großbritannien waren mit ihren Unternehmungen am erfolg184 Die Weltwirtschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Tabelle 3.28 Veränderungen des Einkommensniveaus innerhalb Afrikas, 1998 Pro-Kopf-BIP (int. $ von 1990) BIP (Mio. int. $ von 1990) Bevölkerung (Tsd.) Algerien Ägypten Libyen Marokko Tunesien 2 688 2 128 3 077 2 693 4 190 81 948 140 546 15 000 78 397 39 306 30 481 66 050 4 875 29 114 9 380 5 Mittelmeerländer 2 539 355 197 139 900 Botsuana Namibia Südafrika Swasiland 4 201 3 797 3 858 2 794 6 803 6 158 165 239 2 699 1 448 1 622 42 835 966 4 südafrikanische Länder 3 860 180 899 46 871 Gabun Mauritius Réunion Seychellen Kongo 4 885 9 853 4 502 5 962 2 239 5 901 11 508 3 174 471 5 951 1 208 1 168 705 79 2 658 5 Sonderfälle 4 642 27 005 5 818 14 Länder mit einem Pro-Kopf-BIP von über 2000 $, insgesamt 2 816 563 101 192 589 840 476 307 567 365 1 368 1 039 408 759 954 43 sonstige Länder insgesamt Afrika insgesamt Quelle: Die Schätzungen des BIP-Wachstums für afrikanische Länder sind weniger zuverlässig als die für die übrigen Regionen. Systeme der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung wurden von den Kolonialherren in der Regel Ende der fünfziger Jahre eingeführt. Qualität und Belegschaft der Statistischen Ämter sind jedoch seit der Unabhängigkeit unzureichend. Auch in Bezug auf die Schätzungen der komparativen BIP-Niveaus gibt es größere Probleme als in anderen Regionen, vgl. Tabelle A4.g sowie die begleitenden Anmerkungen. reichsten. Aus der französischen Kolonialisierung gingen schließlich 22 Länder hervor, aus der britischen 21, aus der portugiesischen 5, aus der belgischen 3 und aus der spanischen 2. Deutschland verlor seine Kolonien nach dem Ersten, Italien die seinen nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Kolonialherren zogen die Grenzen nach eigenem Belieben, ohne große Rücksicht auf die Traditionen vor Ort oder auf ethnische Gesichtspunkte zu nehmen. Es wurden europäisches Recht und europäische Eigentumsrechte eingeführt, wobei traditionellen Formen der Landverteilung kaum Rechnung getragen wurde. So bekamen die Kolonialherren das beste Land und schöpften auch die größten Vorteile aus der Nutzung der Schürfungsrechte und der Plantagenbewirtschaftung. Das Einkommensniveau der Afrikaner wurde durch Zwangsarbeit bzw. Apartheid-Praktiken niedrig gehalten. Es wurde nur wenig für den Aufbau einer Verkehrsinfrastruktur oder die Bildung der Bevölkerung getan. Die Europäer zogen sich ab Mitte der fünfziger Jahre aus den Kolonien zurück. Die kolonialen Verbindungen Großbritanniens zu Ägypten und dem Sudan wurden 1956 abgebrochen. Ghana wurde 1957, Nigeria 1960, Tansania 1961 und Kenia 1963 unabhängig. Die Interessen der weißen Siedler haben den Unabhängigkeitsprozess in Simbabwe und Namibia hinausgezögert. In Südafrika erhielt die schwarze Bevölkerung erst 1994 politische Rechte. Die französische Entkolonialisierung begann mit Marokko und Tunesien im Jahr 1956. Guinea machte sich 1958 selbständig, und die übrigen Kolonien in Subsahara-Afrika wurden 1960, Algerien im Jahr 1962 unabhängig. Belgien gab Zaire 1960, Burundi und Ruanda 1962 auf. Portugal und Spanien beendeten ihre Kolonialherrschaft im Jahr 1975. 185 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle 3.29 Ausmaß und Dauer des drastischen Pro-Kopf-Einkommensverfalls in den 13 größten afrikanischen Ländern südlich der Sahara Angola Kamerun Côte d'Ivoire Äthiopien Kenia Madagaskar Mali Mosambik Nigeria Sudan Tansania Zaire Simbabwe 13 Länder insgesamt/Durchschnitt Bevölkerung 1998 (Tsd.) Pro-Kopf-BIP 1998 in % des Höchstniveaus Rekordjahr Entfernung vom Höchstniveau (Jahre) 10 865 15 029 15 446 62 232 28 337 14 463 10 109 18 641 110 532 33 551 30 609 49 001 11 004 409 859 36.6 60.0 64.7 95.0 97.5 55.4 92.3 63.3 77.1 75.5 88.8 30.0 100.0 72.0 1970 1986 1980 1983 1990 1971 1979 1973 1977 1977 1979 1974 1998 1980 28 12 18 15 8 27 19 25 21 21 19 24 0 18 Quelle:Anhang C. In jenen Jahren war der Kalte Krieg auf dem Höhepunkt angelangt, und Afrika wurde zum Schauplatz internationaler Rivalitäten. China, die UdSSR, Kuba und die osteuropäischen Länder leisteten den neuen Staaten, die sie in einer durch Interessenkonflikte geprägten Welt als ihre Vorposten betrachteten, wirtschaftliche und militärische Hilfe. Die westlichen Länder, Israel und Taiwan waren in ihren Unterstützungsleistungen großzügiger und gingen bei deren Verteilung weniger bürokratisch vor, als sie es unter anderen Umständen möglicherweise getan hätten. Afrika häufte im Zuge dieses Prozesses hohe Auslandsschulden an, die sich kaum in Form von Entwicklungsfortschritten ausgezahlt haben. Mit der Unabhängigkeit gingen zahlreiche große Herausforderungen einher. Die politische Führung war gezwungen, mehr oder minder aus dem Stand Elemente der nationalen Solidarität und Stabilität aufzubauen. Bei den neuen nationalen Einheiten handelte es sich in den meisten Fällen um Gebilde, die von den Kolonialmächten geschaffen worden waren. Sie waren von großer ethnischer Vielfalt geprägt, konnten jedoch keinerlei Traditionen bzw. indigene Institutionen, die üblichen Kennzeichen nationaler Identität, vorweisen. Die Verwaltungs- und Bildungssprache war generell Französisch, Englisch oder Portugiesisch, d.h. nicht die Sprachen, die von der Masse der Bevölkerung gesprochen wurden. Dreizehn der neuen frankophonen Länder hatten zuvor zwei großen Föderationen angehört, deren Verwaltungs- und Verkehrszentren sich in Dakar und Brazzaville befanden. Die entsprechenden Netze mussten umstrukturiert werden. Es bestand ein sehr großer Mangel an Afrikanern mit hinreichendem Bildungsniveau bzw. Verwaltungserfahrung. Von heute auf morgen mussten diese Länder aber eine politische Elite aufbauen, eine nationale Verwaltung bilden und mit Personal besetzen, ein Rechtssystem einrichten, Polizei und Militär aufbauen sowie Dutzende von Diplomaten ins Ausland schicken. Im Zuge dieser ersten großen Welle neu entstehender Beschäftigungsmöglichkeiten wurden die Rolle der Ämterpatronage und des Strebens nach unangemessenen wirtschaftlichen Vorteilen verstärkt und die Anreize für das private Unternehmertum geschwächt. Die Zahl der vorhandenen Hochschulabsolventen war zu gering, um den Bedarf zu decken, und die Abhängigkeit von Auslandskräften mithin sehr groß. Mit dem Prozess der Staatsgründung gingen in vielen Fällen bewaffnete Konflikte einher. In Algerien, Angola, Mosambik, Sudan, Zaire und Simbabwe kam es im Kampf um die Unabhängigkeit zu kriegerischen Auseinandersetzungen mit der Kolonialmacht oder weißen Siedlergruppen. Einige Jahre 186 Die Weltwirtschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Tabelle 3.30 Gesamte Auslandsverschuldung von Afrika, Asien, Lateinamerika, Osteuropa und der ehemaligen UdSSR, 1980, 1990 und 1998 (in Mio. Dollar) 1980 1990 1998 Algerien Angola Kamerun Côte d'Ivoire Ägypten Äthiopien Ghana Kenia Marokko Mosambik Nigeria Sudan Südafrika Tansania Tunesien Zaire Simbabwe Sonstige Länder Afrika insgesamt 19 365 n.v. 2 588 7 462 19 131 824 1 398 3 387 9 258 n.v. 8 921 5 177 n.v. 5 322 3 527 4 770 786 20 217 112 133 27 877 8 594 6 679 17 251 32 947 8 634 3 881 7 058 24 458 4 653 33 440 14 762 n.v. 6 438 7 691 10 270 3 247 52 171 270 051 30 665 12 173 9 829 14 852 31 964 10 351 6 884 7 010 20 687 8 208 30 315 16 843 24 712 7 603 11 078 12 929 4 716 63 999 324 814 China Indien Indonesien Südkorea Pakistan Türkei Sonstige Länder Asiena insgesamt n.v. 20 581 20 938 29 480 9 931 19 131 83 688 183 749 n.v. 83 717 69 872 34 986 20 663 49 424 284 759 543 421 154 599 98 232 150 875 139 097 32 229 102 074 375 775 1 052 881 Argentinien Brasilien Chile Kolumbien Mexiko Peru Venezuela Sonstige Länder Lateinamerika insgesamt Bulgarien Tschechische Republik Slowakei Ungarn Polen Serbien Russlandb Sonstige Länder der Ex-UdSSR Sonstige Länder Osteuropas Osteuropa und Ex-UdSSR insgesamt 1980 1990 1998 27 151 71 520 12 081 6 941 57 365 9 386 29 344 43 471 257 259 62 730 119 877 19 227 17 222 104 431 20 967 33 170 99 143 475 867 144 050 232 004 36 302 32 263 159 959 32 397 37 003 112 041 786 019 n.v. – – 9 764 n.v. 18 486 n.v. 10 890 6 383 2 008 21 277 49 366 17 837 59 797 9 907 25 301 9 893 28 580 47 708 13 742 183 601 – n.v. – 1 489 34 888 21 123 56 263 171 004 383 842 a) Ohne Brunei, Japan, Hongkong, Singapur und Taiwan; b) Russland übernahm die Schulden der ehemaligen UdSSR. Quelle: Weltbank, Global Development Finance 2000, Washington, D.C., 2000. Die Angaben basieren auf den von 137 Ländern übermittelten Daten sowie Weltbankschätzungen für 12 weitere Länder. Tabelle 3.31 Zahlungsrückstände bei den Auslandsschulden in Afrika und anderen Kontinenten, 1980–1998 (in Mio. Dollar) Afrika Lateinamerika Asien Osteuropa und Ex-UdSSR Quelle: 1980 1990 1998 3 907 666 76 576 32 704 50 119 10 067 19 509 55 335 11 925 29 491 22 923 Rückstände im Jahr 1998 in % der Schulden von 1998 17.0 1.5 2.8 6.0 Weltbank, Global Development Finance 2000, Washington, D.C., 2000. Die angegebenen Beträge spiegeln die kombinierten Effekte der Rückstände auf Kapital und Zinsen wider. später wurden Nigeria, Uganda und Äthiopien von Bürgerkriegen und blutigen Diktaturen heimgesucht. In jüngerer Zeit hatten Burundi, Eritrea, Liberia, Ruanda, Sierra Leone und Somalia mit den gleichen Problemen zu kämpfen. Diese Kriege haben die Entwicklung erheblich beeinträchtigt. 187 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive In den meisten neueren Versuchen, die schwachen Wirtschaftsergebnisse Afrikas zu erklären (Bloom und Sachs, 1998; Collier und Gunning, 1999, sowie Ndulu und O’Connell, 1999), wurde den Problemen der „Governance“ große Bedeutung beigemessen. Ndulu und O’Connell kamen zu der Schlussfolgerung, dass 1988 nur fünf Länder „über ein Mehrparteiensystem verfügten, das einen echten politischen Wettbewerb auf nationaler Ebene ermöglichte“. Sie stuften 11 Länder als militärische Oligarchien, 16 als plebiszitäre Einparteienstaaten, 13 als aus „politischem Wettstreit“ hervorgegangene Einparteienstaaten und zwei als Siedleroligarchien ein (Namibia und Südafrika, wo sich die Situation inzwischen geändert hat). In den meisten Einparteienstaaten war der jeweilige Machthaber bestrebt, seine Position auf Lebenszeit zu sichern. In den meisten Ländern stützten sich diese Herrscher auf eine kleine Gruppe von Anhängern, mit denen sie die aus der Regierungsmacht erwachsenden Einkünfte teilten. Die Korruption breitete sich aus, die Eigentumsrechte wurden immer ungesicherter und Unternehmensentscheidungen zu einem Risiko. Collier und Gunning (S. 93) legen den Schluss nahe, dass nahezu zwei Fünftel des privaten Wohlstands in Afrika heute aus Vermögenswerten im Ausland bestehen (gegenüber 10% in Lateinamerika und 6% in Ostasien). Es handelt sich hier naturgemäß um grobe Schätzungen, doch ist angesichts von Präsidenten wie Mobutu in Zaire oder Abacha in Nigeria ein Anteil dieser Größenordnung durchaus vorstellbar. Ein wichtiger Faktor bei der seit 1980 zu beobachtenden wirtschaftlichen Verschlechterung ist die Auslandsverschuldung. Mit dem allmählichen Nachlassen des Kalten Kriegs ab Mitte der achtziger Jahre stagnierte die Auslandshilfe, und die Nettokreditvergabe an Afrika nahm ab. Wenn der Zufluss ausländischer Direktinvestitionen auch gestiegen ist, hat er den Rückgang der anderen Finanzströme doch nicht wettgemacht. Tabelle 3.30 verdeutlicht, dass die Kreditvergabe an Afrika seit 1990 weniger stark zugenommen hat als die Zuflüsse nach Asien, Lateinamerika, Osteuropa und in die ehemalige UdSSR. Die Gesamtsumme der Auslandsverschuldung afrikanischer Länder belief sich 1998 auf 427 $ je Kopf der Bevölkerung. In Asien betrug sie 314 $, in Lateinamerika 1 548 $ und in Osteuropa wie auch in den Nachfolgestaaten der ehemaligen UdSSR 932 $. In Asien ist das Pro-Kopf-Einkommen jedoch mehr als doppelt so hoch wie in Afrika, in Lateinamerika mehr als viermal so hoch und in den Ländern der ehemaligen kommunistischen Gruppe dreimal so hoch wie in Afrika. Die Schuldenbelastung Afrikas ist eindeutig am höchsten, und die Kapazität des afrikanischen Kontinents zur Finanzierung von Investitionen aus Inlandsersparnissen ist niedriger als auf anderen Kontinenten. Obwohl einige afrikanische Länder im Rahmen der HIPC-Initiativen der Weltbank und des IWF von 1996 und 1999 in den Genuss von Schuldenerleichterungen kommen sollen und einer größeren Gruppe bereits vom Pariser Club Schulden erlassen wurden, war der Spielraum für Schuldenumstrukturierungen dieser Art in Afrika doch sehr viel geringer als in Lateinamerika (vgl. Tabelle 3.31). Der Zugang Afrikas zur IWF-Finanzierung war auch sehr viel stärker eingeschränkt als der Zugang für Länder des asiatischen Raums und der ehemaligen UdSSR während deren jüngsten Schuldenkrisen. Obwohl der Wachstumsrückgang in Afrika in den vergangenen zwei Jahrzehnten in quantitativer Hinsicht weniger stark war als in der ehemaligen UdSSR, sind die Zukunftsperspektiven hier viel düsterer. Der Bildungs- und Gesundheitsstand ist sehr viel niedriger, das Bevölkerungswachstum weiterhin explosiv, die Probleme im Zusammenhang mit politischer Stabilität und bewaffneten Konflikten sind größer, und die Schwierigkeiten bei der institutionellen Anpassung und Integration in eine liberale kapitalistische Weltordnung scheinen ebenso groß wie in der UdSSR zu sein. Die meisten dieser Probleme erfordern Veränderungen in Afrika selbst, ihr weiterer Verlauf könnte aber sicherlich durch Unterstützung des Auslands beim Schuldenabbau beeinflusst werden. 188 Anhang A Anhang A Wachstum und Niveau der Weltbevölkerung, des BIP und des Pro-Kopf-BIP, Referenzjahre 1820-1998 Dieser Anhang gibt einen Überblick über die quantitative Entwicklung der Weltwirtschaft im Zeitraum 1820-1998. Er enthält Schätzungen von Bevölkerung, BIP und Pro-Kopf-BIP für sieben Referenzjahre sowie die jeweiligen Wachstumsraten in fünf Entwicklungsphasen, nämlich 1820-1870, 1870-1913, 1913-1950, 1950-1973 sowie 1973-1998. Der erste Abschnitt betrifft Europa und die von Westeuropäern besiedelten großen Einwanderungsländer (Vereinigte Staaten, Kanada, Australien und Neuseeland), der zweite Lateinamerika, der dritte Asien und der vierte Afrika. In den Anmerkungen zu den Quellen wird erklärt, wie die jeweiligen Schätzungen abgeleitet wurden. Tabelle A.a zeigt den Erfassungsbereich unserer BIP-Stichprobe. Er deckt 81%, 93% bzw. mehr als 99% der Weltwirtschaft in den Jahren 1820, 1913 bzw. 1950-1998 ab. Da eine möglichst vollständige Erfassung angestrebt wird, mussten Ersatzparameter ermittelt werden, um die Lücken in den Datenreihen zu schließen. Die zur Berechnung der Hilfsgrößen herangezogenen Verfahren werden im Haupttext erklärt; in der Regel wird angenommen, dass die Entwicklung des Pro-KopfWachstums in den Ländern, für die Daten fehlen, parallel zu der anderer Länder derselben Region verlaufen ist. Bevor die BIP-Schätzungen für die einzelnen Länder den bereits verfügbaren Daten hinzugefügt werden konnten, um Globalwerte für die Region bzw. die Welt insgesamt zu erhalten, mussten sie in eine gemeinsame Währung umgerechnet werden. Eine reine Umrechnung anhand von Wechselkursen vermittelt keine zufriedenstellende Vorstellung von den realen Größen. Besser ist stattdessen eine Umrechnung anhand von Kaufkraftparitäten. Diese werden seit über 50 Jahren für die internationalen Organisationen ermittelt. Die besten verfügbaren Programme sind das von den Vereinten Nationen, Eurostat und der OECD gemeinsam durchgeführte Internationale Vergleichsprogramm (International Comparison Programme – ICP), wenngleich der Erfassungsbereich auch in diesem Fall noch nicht wirklich universal ist. In Tabelle A.b werden die verschiedenen hier verwendeten Umrechnungsmodi beschrieben. ICP-Messgrößen wurden für 70 Länder verwendet, die im Referenzjahr 1990 93,9% des Welt-BIP erwirtschafteten. Für 83 Länder, die 5,5% der Weltwirtschaft ausmachen, wurden die Schätzungen von den Penn-World-Tabellen (PWT), Version 5.6 (Summers und Heston, 1995), abgeleitet. Für 45 (überwiegend sehr kleine) Länder, für die keine ICP- oder PWT-Schätzungen verfügbar waren, wurden Hilfsvariable verwendet (diese Länder haben einen Anteil von 0,6% am weltweiten BIP). Die Niveaus im Referenzjahr 1990 wurden mit den BIP-Zeitreihen in konstanten nationalen Preisen verknüpft, wodurch für jedes Jahr Niveauvergleiche mit dem Referenzjahr angestellt werden konnten. Aus Tabelle A.b ist ferner auch die Art der in Maddison (1995a) verwendeten Umrechnungsmodi zu entnehmen. 189 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Bei den Bevölkerungsstatistiken stellen sich nicht dieselben Index- und Aggregationsprobleme wie beim BIP, und die Datenreihen sind zudem weniger lückenhaft. Die Zahlen ab 1950 beruhen auf amtlichen Quellen; soweit diese unzulänglich schienen, wurden sie durch Daten vom International Programs Center des US Bureau of the Census ergänzt. Für die Jahre vor 1950 basieren die Schätzungen auf Zensus-Daten und den Arbeiten von Experten für historische Demographie. Die Schätzungen für die Zeit vor 1950 sind am wenigsten verlässlich für Afrika, wesentlich besser für Asien und Lateinamerika und am besten für Europa und die großen Einwanderungsländer. Bei den vorliegenden Schätzungen handelt es sich um eine Aktualisierung und Revision der Daten aus einer Studie von Maddison (1995a). In dieser Studie lag das Schwergewicht auf einer Stichprobe von 56 Ländern, für die jeweils vollständige Quellenangaben gemacht wurden. Die Zahlen für die anderen Länder wurden pauschal und ohne detaillierte Quellenangaben zitiert (vgl. Anhang F in Maddison, 1995a). Im vorliegenden Bericht erstrecken sich die Quellenangaben auf eine weit größere Anzahl von Ländern, wobei die statistischen Angaben sehr viel detaillierter sind. Am stärksten fallen die Revisionen und der erweiterte Erfassungsbereich im Falle Asiens ins Gewicht; für diese Region erstrecken sich die Quellenangaben nunmehr auf 37 Länder, verglichen mit 11 in Maddison (1995a). Darüber hinaus werden auch Schätzungen für die 22 neuen osteuropäischen Länder gegeben, die aus der früheren UdSSR, Jugoslawien und Tschechoslowakei nach deren Zerfall in den neunziger Jahren hervorgegangen sind (vgl. auch Anhang D). Die Schätzungen für Deutschland wurden überarbeitet, um der Integration der neuen Bundesländer Rechnung zu tragen. Was Westeuropa, Lateinamerika und Afrika betrifft, so waren die Revisionen der BIP-Indizes relativ unbedeutend, so dass eine vollständige Wiedergabe der Quellenangaben aus Maddison (1995a) für diese Regionen nicht für notwendig gehalten wurde. Jedoch wird die Methode für die Ermittlung der BIP-Referenzniveaus in „internationalen“ Geary-Khamis-Dollar für 1990 eingehend beschrieben. Die Bevölkerungszahlen für Afrika und Lateinamerika wurden erheblich revidiert. In Tabelle A.c werden die früheren Bevölkerungs- und BIP-Schätzungen für die gesamte Welt wie auch für die einzelnen Regionen denen der vorliegenden Untersuchung gegenübergestellt. Aktualisierung der Schätzungen BIP Zur Aktualisierung der BIP-Schätzungen sind die nachstehend aufgeführten internationalen Quellen von Nutzen. Für 21 europäische Länder und für die 4 großen Einwanderungsländer enthält OECD, National Accounts of OECD Countries, Band 1, die jüngsten verfügbaren Daten der standardisierten Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen in laufenden und konstanten Preisen sowie einen statistischen Rückblick bis 1960. Wegen der beträchtlichen Änderungen, die mit der Umstellung auf das neue System der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung von 1993 verbunden waren, erstreckt sich der jüngste statistische Rückblick bestenfalls auf die Zeit bis 1988. Der OECD-Wirtschaftsausblick liefert zweimal jährlich vorläufige Schätzungen der realen BIP-Veränderungen im laufenden und im darauf folgenden Jahr. Diese Veröffentlichungen erstrecken sich auch auf Japan, Korea, Mexiko und die Türkei. Für die 11 osteuropäischen Länder und die 15 Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion liegen BIP-Schätzungen in konstanten Preisen ab 1990 vor (bzw. für das Materialprodukt zurück bis 1980), die von der statistischen Abteilung der VN-Wirtschaftskommission für Europa (Economic 190 Anhang A Commission for Europe of the United Nations – ECE) stammen. Der Zwischenstaatliche Statistische Ausschuss der Gemeinschaft unabhängiger Staaten hat detaillierte Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen für 12 Nachfolgestaaten der ehemaligen UdSSR in Osnovie Makroekonomikie Pokazateli Stran Sodruschestva Nezavisimich Gosudarstv 1991-1998, Moskau, 1999, veröffentlicht. Für 32 lateinamerikanische Länder veröffentlicht die Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (Economic Commission for Latin America and the Caribbean – ECLAC) Schätzungen der realen jährlichen BIP-Veränderungen für das laufende Jahr und die vorangegangenen neun Jahre in ihrer jährlichen, Ende Dezember erscheinenden Untersuchung Preliminary Overview of the Economies of Latin America and the Caribbean. Für 38 ostasiatische Länder veröffentlicht die Asiatische Entwicklungsbank (Asian Development Bank – ADB) alljährlich Key Indicators of Developing Asian and Pacific Countries. Sie enthalten relativ detaillierte Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung in laufenden und konstanten Preisen mit einem retrospektiven Erfassungsbereich von 18 Jahren. Für 11 westasiatische Länder und Ägypten veröffentlicht die Wirtschafts- und Sozialkommission für Westasien (Economic and Social Commission for West Asia – ESCWA) alljährlich National Accounts Studies of the ESCWA Region. Diese enthalten Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung in laufenden Preisen, einen Überblick über die geschätzten realen BIP-Veränderungen für die vorangegangenen 10 Jahre sowie vorläufige Schätzungen für das laufende Jahr. Für 51 afrikanische Länder zeigt der Internationale Währungsfonds in seinem halbjährlich erscheinenden World Economic Outlook die jährlichen realen BIP-Veränderungen in den vorangegangenen zehn Jahren und liefert ähnliche Indikatoren für den Rest der Welt. Die IWF-Datenbasis reicht bis 1970 zurück und ist unter folgender Internet-Adresse abrufbar: http://www.imf.org/external/ pubs/ft/weo/2000/01/data/index.htm. Es gibt zwei andere sehr nützliche Informationsquellen, die mittlerweile nicht mehr weitergeführt werden, die aber für die Jahre vor 1990 immer noch sehr aufschlussreich sind. Das OECDEntwicklungszentrum schuf die erste internationale Datenbasis. Es veröffentlichte 1968 die National Accounts of Less Developed Countries, 1950-1966, die von 1969 bis 1991 23mal aktualisiert wurden (Latest Information on National Accounts of Developing Countries). Die World Tables der Weltbank erschienen zuerst im Jahr 1976 (eine zweite und später dritte Ausgabe folgten im Jahr 1980 bzw. 1983) und von 1987 bis 1995 jährlich. Bevölkerung Das Internationale Programmzentrum des US Bureau of the Census erstellt seit 1950 für alle Länder jährliche Schätzungen sowie jährliche Projektionen bis zum Jahr 2050. Diese Schätzungen werden regelmäßig überarbeitet, und für die neuen Länder, die in den neunziger Jahren entstanden sind, werden bis zum Jahr 1950 zurückreichende Schätzungen geliefert. Sie sind auf Internet verfügbar unter der Adresse: http://www.census.gov/ipc. Ich selbst habe diese Schätzungen ab 1950 für 178 Länder verwendet (25 europäische Länder, Vereinigte Staaten, 44 lateinamerikanische Länder, 51 asiatische und 57 afrikanische Länder). BIP-Niveau in internationalen Dollar In dieser Untersuchung wurden die BIP-Schätzungen für das Referenzjahr in internationalen Dollar von 1990 ausgedrückt. In Maddison (1995a), S. 164-179, habe ich bereits die Gründe erklärt, weshalb den Kaufkraftparitäten der Vorzug vor den Wechselkursparitäten gegeben wurde, und ich 191 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive habe darin ferner auch die Vorzüge der multilateralen Geary-Khamis-Kaufkraftparitäten erläutert. Diese Daten sind erhältlich im Rahmen des von den Vereinten Nationen, Eurostat und OECD gemeinsam durchgeführten Internationalen Vergleichsprogramms (ICP). Das ICP-Projekt wurde von Irving Kravis, Alan Heston und Robert Summers von der Universität Pennsylvania als Folgestudie und stark erweiterte Fassung der von der OEEC in den fünfziger Jahren durchgeführten Arbeiten ins Leben gerufen. Das Hauptwerk wurde im Namen aller drei Autoren unter dem Titel World Product and Income: International Comparisons of Real Gross Product (1982) veröffentlicht. Es handelte sich dabei um einen ausgeklügelten Ansatz für Preisvergleiche, bei dem der Posten Aufwendungen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung der teilnehmenden Länder in einem gegebenen Jahr in zahlreiche Einzelposten repräsentativer Arten von Konsumgütern, Investitionen und öffentlichen Dienstleistungen untergliedert wurden. Die Ergebnisse wurden mit Hilfe der GearyKhamis-Methode multilateralisiert, wodurch Transitivität, Invarianz der Daten der Basisländer und Additivität sichergestellt wurden. Diese 1982 durchgeführte Studie bezog sich auf 34 Länder. Dasselbe Pennsylvania-Team erstellte auch die Penn-World-Tabellen, in denen die Daten sämtlicher vorangegangenen ICP-Berechnungen aktualisiert und harmonisiert wurden, und ergänzte diese durch vereinfachte Schätzungen (auf der Basis begrenzter Preisdaten) für eine Vielzahl nicht vom ICP erfasster Länder. Diese wichtige Ergänzung zum ICP wurde zwischen 1978 und 1995 in mehreren ständig verfeinerten Fassungen herausgegeben. Das ICP wurde dann in den achtziger Jahren als Gemeinschaftsaufgabe von UNSO (Statistisches Amt der Vereinten Nationen), Eurostat (Statistisches Amt der Europäischen Union) und OECD übernommen. Im Rahmen einer Arbeitsteilung erstellten die verschiedenen Organisationen Schätzungen für ihre jeweiligen Regionen. Die Ergebnisse wurden sodann zwecks besserer Vergleichbarkeit angepasst und vom Statistischen Amt der Vereinten Nationen konsolidiert. Das UNSO legte 1980 derartige konsolidierte Schätzungen für 60 Länder und 1985 für 57 Länder vor. In der Folgezeit wurden die Ergebnisse dann nicht mehr auf weltweiter Basis konsolidiert, doch wurden die regionalen Schätzungen weitergeführt. Für 1990 gab es lediglich zwei Regionalschätzungen, wovon die eine von der OECD nach der Geary-Khamis-Methode für die 22 in Tabelle A1.g angeführten Länder (sowie für Japan und die Türkei) und die andere von der ECE für 5 osteuropäische Länder und die UdSSR (vgl. Tabelle A1.h) durchgeführt wurde. Bei Abfassung meiner Arbeit Maddison (1995a) lagen verschiedene IPC-Schätzreihen für 87 Länder vor, die sich auf mindestens ein Jahr erstreckten. Für 26 Länder verwendete ich die OECDund ECE-Schätzungen von 1990, für 14 andere Länder (7 lateinamerikanische und 7 asiatische Länder) extrapolierte ich die verfügbaren Ergebnisse früherer ICP-Schätzungen auf das Jahr 1990, und für Ostdeutschland, Bangladesch und Pakistan griff ich auf ähnliche Schätzungen wie die ICPStatistiken zurück. Ich verwendete also für 43 Länder mit einem Anteil von 79,7% am Welt-BIP ICPoder vergleichbare Schätzungen. Für 106 Länder zog ich die Penn-World-Tabellen von Robert Summers und Alan Heston (in der Fassung 5.5 von 1993) und für China die von diesen Autoren erstellten Schätzungen heran. Die mit Hilfe der Arbeiten von Summers und Heston ermittelte Komponente entsprach für das Jahr 1990 alles in allem 19,5% des Welt-BIP. Für die restlichen Länder mit einem Anteil am Welt-BIP von 0,8% verwendete ich Näherungswerte (vgl. Anhang F von Maddison, 1995a). In der vorliegenden Untersuchung habe ich 1990 aus verschiedenen Gründen erneut als Referenzjahr verwendet. Behält man nämlich dasselbe Referenzjahr bei, so erleichtert dies Transparenz und Verständnis der Art der im Vergleich zu Maddison (1995a) vorgenommenen Revisionen und Aktualisierung. Zum anderen war in Maddison (1998a) eine sehr detaillierte Berechnung des chinesischen BIP auf der Basis der in den westlichen Ländern verwendeten standardisierten Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung angestellt worden, die ergänzt wurde durch eine Schätzung der Ergebnisse von 1990, umgerechnet in Geary-Khamis-Dollar von 1990; eine durchgehende Umstellung von 1990 192 Anhang A auf 1993 als neues Referenzjahr für die verschiedenen Regionen der Welt wäre ein sehr schwieriges Unterfangen gewesen, und die Qualität der Ergebnisse wäre voraussichtlich schlechter als für 1990. Für das Jahr 1993 gibt es regionale ICP-Schätzungen für 68 Länder. Diese stammen für 24 Länder von der OECD, für 14 ostasiatische Länder von der Wirtschafts- und Sozialkommission der VN für Asien und den Pazifik (Economic and Social Commission for Asia and the Pacific – ESCAP), für 8 westasiatische Länder von der Wirtschafts- und Sozialkommission für Westasien (Economic and Social Commission for Western Asia – ESCWA) und für 22 afrikanische Länder von Eurostat. Sämtliche Ergebnisse sind auf Geary-Khamis-Basis verfügbar (sowie auf EKS-Basis, die aus politischen Gründen von Eurostat bevorzugt wird, weil dabei sämtliche Länder dieselbe Gewichtung erhalten). Das gesamte Datenmaterial auf eine vergleichbare Basis umzurechnen, wirft beträchtliche Probleme auf. Bei den ESCAP-Schätzungen wurde nicht der US-Dollar, sondern der Hongkong-Dollar zu Grunde gelegt. ESCWA geht von einem vereinfachten, begrenzten Datenmaterial aus. Bei den Eurostat-Ergebnissen für Afrika handelt es sich um innerafrikanische, untereinander abhängige Werte, die mit dem amerikanischen US-Dollar eher über einen standardisierten Wechselkurs als über Kaufkraftparitäten mit den Vereinigten Staaten als Ursprungsland der gemeinsamen Währung verknüpft sind. Um diese Daten für unsere Zwecke verwendbar zu machen, mussten sie erst auf dieselbe Weise angepasst werden, wie dies das Statistische Amt der Vereinten Nationen bei früheren Eurostat-Erhebungen für Afrika getan hat (vgl. Anmerkung zu Tabelle A4.g). Die OECD hat kürzlich in zwei Bänden ICP-8-Schätzungen für 1996 für insgesamt 48 Länder veröffentlicht: Dabei handelt es sich einmal um Purchasing Power Parities and Real Expenditure, 1999, wo die damaligen 28 OECD-Mitgliedstaaten und vier andere Länder (Israel, Slowakei, Slowenien und die Russische Föderation) erfasst sind, und zum anderen um A PPP Comparison for the NIS, 2000. Darin werden die 15 Nachfolgestaaten der ehemaligen UdSSR, die Türkei und die Mongolei behandelt. Die Schätzungen der ECE für das Jahr 1996 erstreckten sich auf fünf andere osteuropäische Länder (Albanien, Bulgarien, Kroatien, Mazedonien und Rumänien). Die Ergebnisse dieser drei Untersuchungen wurden mit Hilfe des EKS-Verfahrens multilateralisiert. Schätzungen auf der Basis der Geary-Khamis-Methode wurden bisher noch nicht veröffentlicht. Für andere Teile der Welt sind keine Schätzungen für 1996 verfügbar. In Anhang D werden die Ergebnisse dieser Studien für Osteuropa und die ehemalige UdSSR evaluiert und die Probleme beschrieben, die der Versuch einer Harmonisierung dieser Daten mit denen der vorliegenden Studie aufwirft. Bei den Schätzungen für das Referenzjahr 1990 habe ich dieselben ICP-Quellen verwendet wie in Maddison (1995a) und die ESCAP- und ESCWA-Ergebnisse von 1993 für 8 asiatische Länder auf das Jahr 1990 zurückgerechnet, ebenso wie die OECD-Ergebnisse von 1993 für die Türkei und die OECD-Ergebnisse von 1996 für die Mongolei. Was Afrika betrifft, so habe ich den Penn-WorldTabellen (Fassung 5.6) den Vorzug gegenüber den Eurostat-Schätzungen gegeben. 193 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle A.a Erfassungsbereich der BIP-Stichprobe und relative Bedeutung der indirekten Schätzungen, 1820-1998 (BIP in Mrd. internationalen Dollar von 1990 und Zahl der Länder) 1820 1870 1913 1950 1998 BIP-Stichprobe Europa u. große Einwanderungsländer Lateinamerika Asien Afrika Stichprobe insgesamt 180.3 (16) 7.9 (2) 371.7 (4) 0.0 (0) 559.9 (22) 579.5 (21) 17.2 (5) 374.8 (6) 0.0 (0) 971.5 (32) 1 785.9 (24) 101.4 (8) 612.3 (12) 23.9 (4) 2 523.5 (48) 3 729.7 419.6 981.2 176.9 5 307.4 (32) (23) (37) (42) (134) 17 197.1 2 919.9 12 507.9 961.6 33 586.5 (50) (23) (37) (42) (152) 17 210.0 2 941.9 12 534.6 1 039.4 33 725.9 (60) (44) (56) (57) (217) BIP insgesamt (einschl. indirekter Schätzungen) Europa u. große Einwanderungsländer Lateinamerika Asien Afrika Welt insgesamt 238. 14.1 411.2 31.0 694.4 611.1 27.9 422.2 40.2 1 101.8 1 845.9 121.7 664.2 72.9 2 704.7 3 732.3 423.6 985.7 194.6 5 336.1 (42) (44) (57) (56) (199) Erfassungsbereich der Stichprobe (in % der Gesamtsummen für die Regionen bzw. die Welt) Europa u. große Einwanderungsländer Asien Afrika Welt Quelle: 75.8 90.4 0.0 80.6 94.8 88.8 0.0 88.2 96.7 92.2 32.8 93.3 99.9 99.5 90.9 99.5 99.9 99.8 92.5 99.6 Die Stichprobenländer sind jene, für die quantitative Schätzungen der realen BIP-Veränderungen verfügbar sind. Für die fehlenden Länder wurden indirekte Schätzungen benötigt, um die Gesamtwerte für die Regionen bzw. die Welt abzuleiten (vgl. die detaillierten Erklärungen der zur Schließung dieser Lücken für 1820-1913 für die asiatischen Länder angewendeten Verfahren in Abschnitt A.3 der Quellenanmerkungen). In der Regel wurden die indirekten Schätzungen ausgehend von der Arbeitshypothese ermittelt, dass sich das Pro-Kopf-BIP in dem betreffenden Land und in dem betreffenden Zeitraum parallel zu jenem der anderen Länder in derselben Region entwickelt hat. Dadurch wurde die Berechnung eines BIP-Ersatzwerts möglich, in dem das Pro-Kopf-BIP mit der Bevölkerung multipliziert wird (der Erfassungsbereich der demographischen Daten ist sehr viel umfangreicher). Die Erfassung für den Zeitraum ab 1950 ist wesentlich vollständiger, da von den amtlichen Statistikern Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen erstellt wurden. Für 1913 und die Jahre davor waren die Schätzungen für die zur Stichprobe zählenden Länder großenteils von Wirtschaftshistorikern der quantitativen Richtung erstellt worden. In den neunziger Jahren ist es zu großen politischen Veränderungen gekommen, durch die sich die Zahl der Länder von 199(in Maddison, 1995a) auf 217 erhöhte. Die ehemalige UdSSR zerfiel in 15 Länder, Jugoslawien in 5, die Tschechoslowakei in 2, und Eritrea hat sich von Äthiopien abgespalten. Die beiden deutschen Staaten wurden wieder vereint, und ich habe das Westjordanland und den Gazastreifen als eine Einheit behandelt. In den meisten Fällen lassen sich die Schätzungen für diese neuen Staaten nicht weiter als bis zum Jahr 1990 zurückberechnen. Die vorliegenden Schätzungen für die neuen Länder (z.B. die 15 Nachfolgestaaten der ehemaligen UdSSR) stehen – wenn sie konsolidiert werden – im Einklang mit den historischen Schätzungen für die politische Einheit, der sie zuvor angehörten. 194 Anhang A Tabelle A.b Art der KKP-Umrechner für die Schätzung des BIP-Niveaus in internationalen Dollar für das Referenzjahr 1990 (in Mrd. Geary-Khamis-Dollar von 1990 und Zahl der Länder) Europa und große Einwanderungsländer ICP oder entsprechender Index Penn World Tables indirekte Schätzwerte Insgesamt Quelle: 15 273 59 16 15 349 (28) (3) (10) (41) Lateinamerika 2 131 71 38 2 239 Asien (18) (14) (12) (44) 8 017 524 87 8 628 Afrika (24) (16) (16) (56) 0 846 14 860 Welt (0) 25 421 (50) 1 500 (7) 155 (57) 27 076 (70) (83) (45) (198) Europa und große Einwanderungsländer: 99,5% des regionalen BIP vom ICP, 28 Länder von Tabelle A1.g und A1.h; Penn World Tables für 0,4% des BIP (Bulgarien, Zypern und Malta); indirekte Schätzwerte für 0,1% des BIP (Albanien, Andorra, Kanalinseln, die Färöer, Gibraltar, Grönland, Insel Man, Liechtenstein, Monaco und San Marino). Lateinamerika: 95,1% des regionalen BIP vom ICP (18 Länder von Tabelle A2.g); Penn World Tables für 3,2% des BIP (Bahamas, Barbados, Belize, Dominikanische Republik, Grenada, Guyana, Haiti, Nicaragua, Puerto Rico, St. Kitts u. Nevis, St. Lucia, St. Vincent, Suriname, Trinidad und Tobago); indirekte Schätzwerte für 1,7% des BIP (Antigua und Barbuda, Aruba, Bermuda, Kuba, Falklandinseln, Französisch-Guayana, Guadeloupe, Martinique, Niederländische Antillen, St. Pierre und Miquelon, Turks- und Caicosinseln, und Jungferninseln. Asien: 65,5% des regionalen BIP vom ICP, 27,4% von äquivalenten ICP-Schätzungen (Bangladesch, China, Pakistan), vgl. die 23 aufgeführten Länder in Tabelle A3.g, A3.h und A3.i sowie die Mongolei; Penn World Tables für 6,1% des BIP (Bhutan, Birma, Fidschi, Irak, Jordanien, Kuwait, Oman, Papua-Neuguinea, Saudi-Arabien, Salomonen, Taiwan, Tonga, VAE, Vanuatu, Westsamoa und Jemen); indirekte Schätzwerte für 1% des BIP (Afghanistan, Amerikanisch-Samoa, Brunei, Kambodscha, Französisch-Polynesien, Guam, Kiribati, Libanon, Macau, Malediven, Marshallinseln, Mikronesien, Neukaledonien, Nordkorea, Pazifikinseln, Wallis und Futuna, vgl. Maddison, 1995a, S. 214, 219–220). Afrika: Penn World Tables für 98,4% des regionalen BIP (50 Länder); indirekte Schätzwerte für 1,6% des BIP (Äquatorialguinea, Eritrea, Libyen, Mayotte, St. Helena, São Tome u. Príncipe und westliche Sahara). Tabelle A.b (Forts.) Art der KKP-Umrechner für die Schätzung des BIP-Niveaus in internationalen Dollar von 1990 in Maddison (1995a) Europa und große Einwanderungsländer ICP oder entsprechender Index Penn World Tables indirekte Schätzwerte Insgesamt Anmerkung: 14 847 72 16 14 941 (27) (5) (10) (42) Lateinamerika 1 835 232 39 2 106 Asien (7) (24) (13) (44) 5 111 4 211 164 9 486 Afrika (9) (28) (20) (57) 0 813 14 827 Welt (0) 21 793 (50) 5 328 (6) 233 (56) 27 359 (43) (107) (49) (199) In Maddison (1995a) habe ich die zu jener Zeit verfügbaren ICP-Reihen verwendet, gegebenenfalls mit Anpassungen an das Jahr 1990, für die 43 der insgesamt 56 Stichprobenländer. Für die nicht von der Stichprobe erfassten Länder und für die afrikanischen Stichprobenländer (bei denen ich die Qualität der ICP-Schätzungen bezweifelte) habe ich die Penn World Tables verwendet. In der vorliegenden Untersuchung, vgl. Tabelle A1.b weiter oben, habe ich auf die neuen Schätzungen für China aus Maddison (1998) zurückgegriffen und soweit wie möglich die verfügbaren ICP-Ergebnisse der Reihen 1975, 1980, 1985 und 1990 sowie teilweise die KKP der Reihen 1993 und 1996 benutzt. Dabei habe ich die Zahlen gleichzeitig bereinigt, um den Revisionen des nominalen BIP in nationalen Preisen Rechnung zu tragen. Ich habe die ICP-Ergebnisse nicht für die afrikanischen Länder verwendet (vgl. Tabelle A4.g). In Maddison (1995a) wurden die Penn World Tables, Fassung 5.5, in der vorliegenden Untersuchung hingegen die PWT-Fassung 5.6 (1995) herangezogen, die die aktuellsten Daten enthält. 195 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle A.c Vergleich der Daten von Maddison (1995a) und der aktuellen Bevölkerungsund BIP-Schätzungen für die Regionen und die Welt, 1820–1990 Bevölkerung (Millionen Einwohner zur Jahresmitte) Europa und große Einwanderungsländer 1820 1870 1913 1950 1990 Lateinamerika Maddison (1995a) Aktuelle Schätzungen 228.7 360.4 595.0 748.8 1 087.6 235.3 374.5 608.2 748.5 1 086.7 Maddison (1995a) 1820 1870 1913 1950 1990 73.0 82.8 109.7 223.0 618.9 Aktuelle Schätzungen Maddison (1995a) Aktuelle Schätzungen 21.2 40.0 80.5 165.9 443.0 745.8 779.0 987.0 1 377.9 3 106.2 710.4 765.1 977.6 1 381.9 3 102.8 20.3 37.9 80.2 162.5 444.8 Afrika Asien Welt 74.2 90.5 124.7 228.3 620.8 1 067.9 1 260.1 1 771.9 2 512.2 5 257.4 1 041.1 1 270.0 1 791.0 2 524.5 5 253.3 BIP (Mrd. internationale Dollar von 1990) Europa und große Einwanderungsländer 1820 1870 1913 1950 1990 239.0 607.7 1 812.3 3 718.7 14 940.7 238.1 611.5 1 845.9 3 732.3 15 348.9 Lateinamerika 13.8 28.8 115.4 404.0 2 105.9 Afrika 1820 1870 1913 1950 1990 Quelle: 32.9 39.8 63.1 185.0 826.7 14.1 27.9 121.7 423.6 2 239.4 Asien 409.2 451.7 735.3 1 064.6 9 485.7 411.2 422.2 664.2 985.7 8 627.8 Welt 31.0 40.2 72.9 194.6 859.8 694.8 1 127.9 2 726.1 5 372.3 27 359.0 694.4 1 101.7 2 704.8 5 336.1 27 076.0 Maddison (1995a) sowie detaillierte Tabellen und Text weiter unten. In dieser Untersuchung wurde die Türkei Westasien zugeordnet; in Maddison (1995a) war sie Europa zugeordnet. Hier wurden die früheren Schätzungen entsprechend berichtigt, um sie mit der regionalen Einteilung der vorliegenden Studie in Einklang zu bringen. 196 Anhang A A.1 Bevölkerung, BIP und Pro-Kopf-BIP in Westeuropa, den großen Einwanderungsländern, Osteuropa und den Nachfolgestaaten der ehemaligen UdSSR 12 westeuropäische Länder Die quantitativen Daten der Zeitreihen für diese Länder sind von sehr viel besserer Qualität als die für die meisten anderen Teile der Welt. Nähere Einzelheiten hierzu finden sich in Maddison (1995a). Die BIP- und Bevölkerungsdaten für Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Norwegen, Österreich, Schweden und die Schweiz für den Zeitraum 1820-1960 sowie für Italien für den Zeitraum 1820-1970 stammen aus Maddison (1995a) und wurden bis 1990 (außer – wie weiter unten dargelegt – für Frankreich und Norwegen) aktualisiert auf der Basis von OECD, National Accounts 1960-1997, Bd. 1, Paris 1999, sowie für die Jahre ab 1990 auf der Basis von OECD, National Accounts of OECD Countries, 1988-1998, Bd. 1, 2000. Die Zahlen wurden entsprechend angepasst, um die Effekte territorialer Änderungen auszuklammern, und beziehen sich, außer für Deutschland und das Vereinigte Königreich, auf die Grenzen von 1998. Deutschland: Die Zahlen ab 1950 beziehen sich auf die Grenzen von 1991, für den Zeitraum 1820-1913 auf die Grenzen von 1913 (ohne Elsass-Lothringen). Vgl. Tabelle A.d wegen Einzelheiten. Niederlande: Die Entwicklung der BIP-Daten im Zeitraum 1820-1913 wurde abgeleitet von Smits, Horlings und van Zanden (2000); die entsprechenden BIP-Daten im Zeitraum 1913-1960 sowie die Bevölkerungszahlen im Zeitraum 1820-1960 stammen aus Maddison (1995a), aktualisiert mit Hilfe von OECD-Quellen. Schweiz: Es wurde unterstellt, dass die Entwicklung des Pro-Kopf-BIP im Zeitraum 1820-1870 parallel zu der Deutschlands verlief. Vereinigtes Königreich: Die Schätzungen für 1820-1913 schließen ganz Irland ein, vgl. Maddison (1995a), S. 232, und Tabelle B.13, ab 1950 nur noch Nordirland. Die Daten ab 1960 wurden mit Hilfe von OECD-Quellen aktualisiert. Die jüngste Veröffentlichung der OECD zum Thema Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung enthält neue Schätzungen für 15 Länder. Diese Revision war notwendig zur Anpassung an das Standardsystem der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung von 1993. Daraus ergaben sich zwei wichtige Änderungen bei den statistischen Methoden: 197 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle A.d Der Effekt der Grenzveränderungen in Deutschland Westdeutschland (Grenzen von 1990) Ostdeutschland (Grenzen von 1990) Deutschland in den Grenzen von 1991 Deutschland in den Grenzen von 1936 Deutschland in den Grenzen von 1913 (ohne Elsass-Lothringen) BIP ( Mio. internationale Dollar von 1990) 1820 1870 1913 1936 1950 1973 1990 1991 16 390 44 094 145 045 192 911 213 942 814 786 1 182 261 1 242 096 74 652 51 412 129 969 82 177 85 961 267 563 265 354 944 755 1 264 438 1 328 057 225 008 299 753 26 349 71 429 237 332 Bevölkerung (Tausend zur Jahresmitte) 1820 1870 1913 1936 1950 1973 1990 1991 Quelle: 14 747 23 055 37 843 42 208 49 983 61 976 63 254 63 889 15 614 18 388 16 890 16 111 15 910 57 822 68 371 78 866 79 365 79 799 60 227 67 336 24 905 39 231 65 058 Westdeutsches BIP für 1820-1860 aus Maddison (1995a), aktualisiert mit Hilfe von OECD-Quellen, mit einer geringfügigen Berichtigung auf Grund der Veränderung des BIP-Niveaus im Jahr 1990, wie in Tabelle A1.g vermerkt. Der ostdeutsche BIP-Index für 1950-1991 aus Maddison (1995a), S. 132, bereinigt auf Grund der amtlichen Schätzung für 1991 in D-Mark von 1990 (Differenz zwischen dem westdeutschen und dem gesamtdeutschen BIP von 1991 gemäß den OECD-Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen). Das amtliche BIP-Referenzniveau für Ostdeutschland im Jahr 1991 ist niedriger, als ich in Maddison (1995a) unterstellt hatte, so dass das dort ausgewiesene ostdeutsche BIP-Niveau im Zeitraum 1950-1991 tatsächlich niedriger ausfällt. Die Werte für 1936 beziehen sich auf Ost- und Westdeutschland, die Gebiete östlich der Oder-Neiße-Linie und Deutschland in seinen Grenzen von 1936 in Maddison (1995a), S. 131. Die Werte für 1820-1913 für das BIP Deutschlands in den Grenzen von 1913 stammen aus Maddison (1995a), S. 231. Die Bevölkerungszahlen für Westdeutschland im Zeitraum 1820-1991 und für Ostdeutschland im Zeitraum 1936-1991 wurden abgeleitet aus Maddison (1995a), S. 104-105, 132 und 231. a) Computersoftware wird künftig nicht mehr als Vorleistung, sondern als Investition behandelt, was zusammen mit anderen Änderungen einen Anstieg des BIP-Referenzniveaus von 1990 zur Folge hat, wie aus Tabelle A1.g hervorgeht. b) Den Ländern wurde empfohlen, zur Messung der realen BIP-Veränderungen kettengewichtete Indizes heranzuziehen. Derartige Indizes werden mittlerweile von Frankreich, Griechenland, Luxemburg, den Niederlanden, Norwegen und Schweden verwendet. Für die meisten Länder liegen neue Schätzungen lediglich für die allerletzten Jahre vor, was u.a. erklärt, weshalb die Zeitreihen im neuen OECD-Jahrbuch nicht mehr so lang sind wie in den vergangenen 30 Jahren. Für Frankreich und Norwegen wurden von der OECD auf Kettengewichtungen basierende BIP-Indizes für die Jahre 1978-1998 bereitgestellt, die hier zusammen mit den der OECDVeröffentlichung National Accounts von 1999 für diese Länder entnommenen Schätzungen für den Zeitraum 1960-1978 verwendet wurden. Für Norwegen scheint die Kettengewichtung das Wachstum nicht zu beeinflussen, während sie im Falle Frankreichs ein geringfügig höheres Wachstum zur Folge hatte. 198 Anhang A Griechenland, Irland, Portugal und Spanien Griechenland: Die Bevölkerungsdaten für 1900-1960 und die BIP-Daten für 1913-1960 stammen aus Maddison (1995a) und wurden aktualisiert mit Hilfe von OECD, National Accounts. Es wurde unterstellt, dass sich das Pro-Kopf-BIP im Zeitraum 1820-1913 parallel zum Pro-Kopf-BIP ganz Osteuropas entwickelte. Die Daten für die Bevölkerungsentwicklung im Zeitraum 1820-1900 wurden von Mitchell (1975), S. 21, abgeleitet und entsprechend angepasst, um die Änderungen in Bezug auf die Definition der griechischen Grenzen zu berücksichtigen. Das zog wiederum eine Reihe von Berichtigungen nach sich. Griechenland erlangte in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts seine Unabhängigkeit von der Türkei und dehnte sein Staatsgebiet schrittweise auf die ionischen Inseln (1864), Thessalien (1881), Kreta (1898), Epirus, Mazedonien, Thrakien und die ägäischen Inseln (1919) sowie den Dodekanes (1947) aus. Irland: 1950-1960 aus Maddison (1995a), aktualisiert mit Hilfe von OECD-Quellen. Portugal: Die Bevölkerungsdaten für 1820-1970 und die BIP-Daten für 1950-1960 stammen aus Maddison (1995a) und wurden aktualisiert mit Hilfe von OECD-Quellen. Die BIP-Daten für 1913-1950 wurden D. Batista, C. Martins, M. Pinheiro und J. Reis „New Estimates of Portugal’s GDP 1910-1958“, Portugiesische Zentralbank, Oktober 1997, entnommen. Die Daten für 1850-1913 wurden abgeleitet von Pedro Lains (1989), wie erläutert in Maddison (1995a), S. 138. Hinsichtlich der BIP-Entwicklung im Zeitraum 1820-1850 wurden die von J. Braga de Macedo (1995) für 1834-1850 angegebenen Daten übernommen. Spanien: Die Bevölkerungsdaten für 1820-1990 und die BIP-Daten für 1820-1873 stammen aus Maddison (1995a) und wurden aktualisiert mit Hilfe von OECD-Quellen. 13 kleine westeuropäische Länder Die BIP-Daten für Island und Luxemburg im Zeitraum 1950-1998 stammen aus OECD-Quellen, die BIP-Daten für Zypern und Malta für 1950-1990 aus Maddison (1995a), aktualisiert mit Hilfe von IWF-Statistiken. Es wurde unterstellt, dass das BIP neun kleinerer Länder (Andorra, Kanalinseln, Färöer Inseln, Gibraltar, Grönland, Insel Man, Liechtenstein, Monaco und San Marino) im Zeitraum 1950-1998 dem Durchschnitt der 12 größeren westeuropäischen Länder entsprach. Die Bevölkerungszahlen für 1950-1998 stammen für die 13 Länder vom International Programms Center, US Bureau of the Census. Für den Zeitraum 1820-1950 wurde angenommen, dass sich die Bevölkerung und das ProKopf-BIP-Niveau der Gruppe der 13 Länder parallel zum Durchschnitt der 12 größeren westeuropäischen Länder entwickelt haben. Vier große Einwanderungsländer Vereinigte Staaten: Die Bevölkerungsdaten stammen für 1820-1949 aus Maddison (1995a), wobei die Zahlen für 1820 und 1870 um 325 000 bzw. 180 000 erhöht wurden, um der indigenen Bevölkerung Rechnung zu tragen (vgl. Maddison, 1995a, S. 97). Ab 1950 stammen die Zahlen vom US Bureau of the Census. Die BIP-Daten für 1820-1950 stammen aus Maddison (1995a); sie wurden für 1820-1870 berichtigt, um das Einkommen der indigenen Bevölkerung einzubeziehen (wobei für 1820 wie auch für 1870 ein Pro-Kopf-Einkommen von 400 $ unterstellt wurde). Die BIP-Daten für 1950-1959 wurden „GDP and Other Major NIPA Series, 1929-1997“, Survey of Current Business, August 1998, entnommen. Diese Reihen basieren auf einem Kettenindex gemäß den Erläuterungen in J.S. Landefeld und R.P. Parker, „BEA’s Chain Indexes, Time Series and 199 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle A.e Bevölkerung und BIP in 13 kleinen westeuropäischen Ländern 1950 1973 1990 1998 Bevölkerung (Tausend zur Jahresmitte) Island Luxemburg Zypern Malta 9 andere Länder 13 Länder insgesamt 143 296 494 312 285 1 529 212 350 634 322 388 1 906 255 382 681 354 483 2 155 271 425 749 380 513 2 337 BIP ( Mio. internationale Dollar von 1990) Island Luxemburg Zypern Malta 9 andere Länder 13 Länder insgesamt 762 2 481 930 278 1 429 5 880 2 435 5 237 3 207 855 4 718 16 452 4 596 8 819 6 651 2 987 8 152 31 205 5 536 13 324 8 600 4 424 9 615 41 499 Pro-Kopf-BIP (internationale Dollar von 1990) Island Luxemburg Zypern Malta 9 andere Länder 13 Länder im Durchschnitt 5 336 8 382 1 883 894 5 013 3 846 11 472 14 963 5 058 2 655 12 159 8 631 18 024 23 086 9 767 8 438 16 877 14 480 20 205 31 058 11 169 11 642 18 742 17 757 Measures of Long Term Growth“, Survey of Current Business, Mai 1997, S. 66, Tabelle 5. Die BIPDaten für 1959-1998 und das Referenzniveau 1990 wurden von den neuen BEA-Schätzungen in Survey of Current Business, Dezember 1999, abgeleitet. Die Zahlen für 1959-1998 berücksichtigen die Empfehlung des neuen Standardsystems der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung von 1993 (das von Eurostat, IWF, OECD, VN und Weltbank gemeinsam veröffentlicht wurde), wonach Computersoftware nicht mehr als Vorleistung, sondern als Investition behandelt wird. Die hierdurch bedingten Änderungen, die sich in einer Zunahme der Wachstumsrate und des BIP-Niveaus im Referenzjahr 1990 niederschlagen, sind erläutert in E.P. Seskin, „Improved Estimates of the National Income and Product Accounts for 1959-1998: Results of the Comprehensive Revision“, Survey of Current Business, Dezember 1999. Australien, Neuseeland und Kanada: Die Bevölkerungszahlen für 1820-1973 stammen aus Maddison (1995a) und wurden aktualisiert mit Hilfe von OECD-Quellen. Die Zahlen für 1820 und 1870 wurden um die indigene Bevölkerung ergänzt. Diese belief sich 1820 in Australien auf 300 000 und 1870 auf 150 000, in Kanada auf 75 000 bzw. auf 45 000 und in Neuseeland auf 100 000 bzw. auf 50 000 (vgl. Maddison, 1995a, S. 96-97). Die BIP-Daten für 1820-1960 aus Maddison (1995a) wurden für 1820-1870 um das Einkommen der indigenen Bevölkerung (das für 1820 wie 1870 mit 400 $ pro Kopf angesetzt wurde) ergänzt. Die kanadischen und neuseeländischen BIP-Daten für 1960-1998 stammen aus OECD-Quellen. Die neuseeländischen Schätzungen für 1969-1987 beziehen sich auf Finanzjahre. Die australischen BIPDaten für die Kalenderjahre 1960-1998 beruhen auf dem (von der OECD bereitgestellten) neuen amtlichen Kettenindex, der ein etwas rascheres Wachstum als der alte Index ergibt (kumulierte Jahreszuwachsrate von 3,95%, verglichen mit 3,87% für 1960-1990). Die australischen und kanadischen BIP-Daten entsprechen dem Standardsystem Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen von 1993, das von Neuseeland bislang noch nicht angenommen wurde. 200 Anhang A Osteuropa (7/12 Länder) In den letzten zehn Jahren haben sich bei den politischen und statistischen Systemen einschneidende Änderungen ergeben, so dass die Schätzungen für diese Länder weniger zuverlässig sind als die für Westeuropa. Die Bevölkerungsdaten wurden für Albanien (1820-1913), Bulgarien (1820) sowie Polen, Rumänien und Jugoslawien (1820-1970) aus McEvedy und Jones (1978) und ansonsten für den Zeitraum 1820-1949 aus Maddison (1995a), S. 110, abgeleitet. Die Daten ab 1950 stammen vom International Programm Center, US Bureau of the Census. Die BIP-Daten für die osteuropäischen Länder bis 1990 basieren auf Maddison (1995a), die Daten für die Tschechische Republik, Ungarn und Polen wurden mit Hilfe von OECD-Quellen aktualisiert, die der anderen Länder anhand der Datenbasis der Statistikabteilung der VN-Wirtschaftskommission für Europa (ECE). Schätzungen des BIP waren für 1820 lediglich für ein Land verfügbar (Tschechoslowakei), für 1870 für zwei Länder (Tschechoslowakei und Ungarn) und für 1913 für vier Länder (Bulgarien, Tschechoslowakei, Ungarn und Jugoslawien). Um eine grobe Schätzung des Tabelle A.f BIP und Bevölkerung in den Nachfolgerepubliken des ehemaligen Jugoslawien, 1990–1998 1990 1997 1998 Bevölkerung (Tausend zur Jahresmitte) Bosnien Kroatien Mazedonien Slowenien Serbien-Montenegro Ex-Jugoslawien 4 360 4 754 2 031 1 968 9 705 3 223 4 665 1 996 1 973 10 534 3 366 4 672 2 009 1 972 10 526 22 819 22 390 22 545 BIP (Mio. internationale Dollar von 1990) Bosnien Kroatien Mazedonien Slowenien Serbien-Montenegro Ex-Jugoslawien 16 530 33 139 7 394 21 624 51 266 9 028 27 182 5 706 22 730 28 000 9 261 27 858 5 871 23 625 28 722 129 953 92 646 95 337 Pro-Kopf-BIP (internationale Dollar von 1990) Bosnien Kroatien Mazedonien Slowenien Serbien-Montenegro Ex-Jugoslawien Quelle: 3 791 6 971 3 641 10 988 5 282 2 801 5 827 2 859 11 521 2 658 2 851 5 963 2 922 11 980 2 729 5 695 4 138 4 229 Die Bevölkerungsdaten stammen vom US Bureau of the Census. Die Daten für das gesamte BIP Jugoslawiens für 1990 stammen aus Tabelle A1.h, aufgegliedert nach Teilrepubliken durch Übernahme der Anteile des Bruttomaterialprodukts von 1988 gemäß Statisticki Godisnjak Jugoslavije 1990 (Statistisches Jahrbuch von Jugoslawien), Statistisches Amt, Belgrad, 1990. Die BIP-Veränderungsraten für die Nachfolgerepubliken im Zeitraum 1990-1998 stammen von der statistischen Abteilung der ECE, außer für Bosnien, für das keine Zahlen verfügbar waren. Bezüglich Bosniens wurde unterstellt, dass das BIP sich parallel zu jenem von Serbien-Montenegro entwickelt hat. 201 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Gesamt-BIP der 7 Länder für den Zeitraum 1820-1913 zu erhalten, wurde unterstellt, dass sich das Pro-Kopf-BIP in den Ländern, für die keine Angaben vorhanden waren, parallel zum Durchschnitt jener Länder entwickelt hat, für die Daten vorliegen. In den neunziger Jahren spaltete sich die Tschechoslowakei in die Tschechische Republik und die Slowakei, und Jugoslawien brach in fünf Republiken auseinander; für den Zeitraum 1990-1998 stammen die realen BIP-Daten für die fünf Nachfolgerepubliken Jugoslawiens von der Statistikabteilung der ECE, während die Aufteilung des BIP auf die Teilrepubliken im Jahr 1990 vom jugoslawischen Statistischen Jahrbuch für 1990 abgeleitet wurde (vgl. Tabelle A.f). Ehemalige UdSSR Die Bevölkerungsdaten für 1913-1990 stammen aus Maddison (1995a), mit revidierten Schätzungen für 1820 und 1870 zwecks Berücksichtigung der asiatischen Bevölkerung auf dem Gebiet der ehemaligen UdSSR (vgl. Anhang B). Die Daten für 1950 für jede der 15 Nachfolgerepubliken stammen aus Naselenie SSSR 1987, Finansi i Statistika, Moskau, 1988, S. 8-15 (die Daten wurden Mitte des Jahres revidiert), für 1973 aus Narodnoe Khoziastvo SSSR, Ausgaben 1972 und 1973, S. 9 (Mitte des Jahres revidiert), für 1990 aus Mir v Tsifrakh 1992, Goskomstat CIS, Moskau 1992. Ab 1990 wurden die Daten von der Statistikabteilung der ECE zur Verfügung gestellt. Die BIP-Angaben für den Zeitraum 1870-1990 für die UdSSR in ihren Grenzen von 1990 wurden von Maddison (1995a) abgeleitet. Bei Maddison (1998b) findet sich eine gründliche Analyse der Verfahren zur Umrechnung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen der Sowjetära durch Umstellung von der MPS- auf eine SNA-Basis. Es wurde unterstellt, dass sich das Pro-Kopf-BIP im Zeitraum 1820-1870 im Verhältnis zum globalen BIP der osteuropäischen Länder entwickelt hat. Die Aufschlüsselung des BIP von 1991 nach den verschiedenen Nachfolgerepubliken wurde abgeleitet von B.M. Bolotin „The Former Soviet Union as Reflected in National Accounts Statistics“, in S. Hirsch, Hrsg., Memo 3: In Search of Answers in the Post-Soviet Era, Bureau of National Affairs, Washington D.C., 1992, zitiert in Maddison (1995a), S. 142, wobei die Daten auf das Jahr 1990 zurückgerechnet und an das gesamte BIP der UdSSR von 1990 angepasst wurden. Die realen BIPVeränderungsraten der einzelnen Teilrepubliken im Zeitraum 1990-1998 wurden von der Statistikabteilung der ECE errechnet. Eine grobe Messung der realen BIP-Veränderungen in jedem der 15 Nachfolgestaaten wurde für den Zeitraum 1973-1990 von den amtlichen sowjetischen Indizes des realen „Volkseinkommens“ (MPS-Konzept) abgeleitet, die für 1958-1990 vorliegen (vgl. Narodnoe Khoziastvo SSSR, Ausgabe 1990, S. 13; Ausgabe 1987, S. 123; Ausgabe 1974, S. 574, sowie Ausgabe 1965, S. 590). Die Zuwachsraten des realen „Volkseinkommens“ für 1973-1990 wurden auf BIP-Basis umgerechnet, und zwar unter Verwendung des Koeffizienten, der für diesen Zeitraum für die UdSSR insgesamt herangezogen wurde (0.49075). Vgl. Maddison (1998b), S. 313, wegen eines Vergleichs dieser zwei Arten von Messgrößen für 1913-1990. Die amtliche Volkswirtschaftliche Gesamtrechung der Russischen Föderation (Natsionalnie Schchota Rossii, 1999) enthält eine Aufschlüsselung des russischen BIP und Pro-Kopf-BIP nach 9 Regionen und 90 Verwaltungsdistrikten. Auf die 5 sibirischen Regionen und die fernöstliche Region zusammengenommen entfielen 1997 29% des geographisch aufschlüsselbaren Sozialprodukts und auf den Kaukasus 5,8%. Also wurde etwas mehr als ein Drittel des BIP der Russischen Föderation in Asien erwirtschaftet; das entspricht einem Anteil von rd. 232 Mrd. internationalen Dollar am gesamten BIP der Russischen Föderation in Höhe von 697 Mrd. Dollar (1997). Von den anderen Nachfolgerepubliken der UdSSR befinden sich acht in Asien (Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Kasachstan, 202 Anhang A Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan, Usbekistan). Ihr BIP belief sich 1997 auf insgesamt 216 Mrd. internationale Dollar. Somit entfielen auf den asiatischen Teil der Russischen Republik und die acht anderen Nachfolgerepubliken in Asien insgesamt 448 Mrd. internationale Dollar bzw. rd. 39% des Gesamtbetrags der ehemaligen UdSSR. Das Jahrbuch von 1999 enthält ebenfalls Angaben über das Pro-Kopf-Produkt in den verschiedenen Teilen der Russischen Föderation. In der Stadt Moskau betrug das Pro-Kopf-Einkommen das 2,3fache des Landesdurchschnitts, in St. Petersburg entsprach es in etwa dem Landesdurchschnitt, während es in Sibirien und in der fernöstlichen Region in der Regel weit über dem Landesdurchschnitt lag. Die niedrigsten Einkommen wurden im Kaukasus verzeichnet; so beliefen sie sich in Inguschetien auf weniger als ein Fünftel des Landesdurchschnitts und in Dagestan auf 28%. Für Tschetschenien sind keine Angaben verfügbar. In der vorliegenden Untersuchung wurde das BIP-Niveau in internationalen Dollar im Jahr 1990 von den ICP-Schätzungen für 1990 abgeleitet (vgl. Tabelle A1.h weiter unten). Die Aufschlüsselung nach den einzelnen Folgerepubliken wurde, wie weiter oben erklärt, auf der Basis der von Bolotin erstellten Schätzungen vorgenommen. In jüngster Zeit haben die OECD, die ECE und die Regierungen der meisten Nachfolgerepubliken bei der Berechnung neuer Kaufkraftparitäten für 1996 zusammengearbeitet. Bei diesen Arbeiten wurde nicht die Geary-Khamis-Methode, sondern vielmehr die EKS-Methode zu Grunde gelegt. Die Ergebnisse weichen erheblich von den ICP-6-Schätzungen ab, die ich selbst hier herangezogen habe (vgl. Anhang D). 203 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle A1.a Bevölkerung (in Tausend zur Jahresmitte): europäische Länder, ehemalige UdSSR und große Einwanderungsländer 1820 1870 1913 1950 1973 1990 1998 3 369 3 434 1 155 1 169 31 246 24 905 20 176 2 355 970 2 585 1 829 21 226 114 419 4 520 5 096 1 888 1 754 38 440 39 231 27 888 3 615 1 735 4 164 2 664 31 393 162 388 6 767 7 666 2 983 3 027 41 463 65 058 37 248 6 164 2 447 5 621 3 864 45 649 227 957 6 935 8 640 4 269 4 009 41 836 68 371 47 105 10 114 3 265 7 015 4 694 50 363 256 616 7 586 9 738 5 022 4 666 52 118 78 956 54 751 13 438 3 961 8 137 6 441 56 223 301 037 7 729 9 971 5 138 4 986 56 735 79 364 56 719 14 947 4 241 8 566 6 796 57 561 312 753 8 078 10 197 5 303 5 153 58 805 82 029 57 592 15 700 4 432 8 851 7 130 59 237 322 507 657 933 1 358 1 529 1 907 2 155 2 337 2 312 3 657 5 425 3 297 12 203 4 353 16 201 6 004 20 263 7 566 2 969 8 512 27 868 8 929 3 073 8 634 34 810 10 161 3 506 9 899 38 851 10 511 3 705 9 968 39 371 Westeuropa insgesamt 132 888 187 532 261 007 305 060 358 390 377 325 388 399 Australien Neuseeland Kanada Vereinigte Staaten 4 Einwanderungsländer 333 100 816 9 981 11 230 1 770 341 3 781 40 241 46 133 4 821 1 122 7 852 97 606 111 401 8 177 1 909 13 737 152 271 176 094 13 505 2 971 22 560 211 909 250 945 17 085 3 380 27 701 249 984 298 150 18 751 3 811 30 297 270 561 323 420 437 2 187 7 190 603 2 586 9 876 898 4 794 13 245 1 227 7 251 12 389 2 318 8 621 14 550 3 273 8 966 3 331 8 240 10 286 5 393 10 208 38 607 22 396 22 545 Österreich Belgien Dänemark Finnland Frankreich Deutschland Italien Niederlande Norwegen Schweden Schweiz Vereinigtes Königreich 12 westeuropäische Länder 13 kleine westeurop. Länder Griechenland Irland Portugal Spanien Albanien Bulgarien Tschechoslowakei a) Tschechische Republik b) Slowakei Ungarn Polen Rumänien Ex-Jugoslawien 4 571 10 426 6 389 5 215 5 717 17 240 9 179 6 981 7 840 26 710 12 527 13 590 9 338 24 824 16 311 15 949 10 426 33 331 20 828 20 416 10 310 5 263 10 352 38 109 22 775 22 819 Osteuropa insgesamt 36 415 52 182 79 604 87 289 110 490 121 867 121 006 Ex-UdSSR Armenien Aserbaidschan Belarus Estland Georgien Kasachstan Kirgisistan Lettland Litauen Moldau Russische Föderation Tadschikistan Turkmenistan Ukraine Usbekistan 54 765 88 672 156 192 180 050 1 355 2 900 7 755 1 115 3 261 6 711 1 742 1 951 2 570 2 344 102 317 1 534 1 222 36 951 6 322 249 748 2 697 5 468 9 235 1 411 4 857 13 812 3 182 2 442 3 247 3 743 132 651 3 235 2 395 48 280 13 093 289 350 3 335 7 134 10 260 1 582 5 460 16 742 4 395 2 684 3 726 4 365 148 290 5 303 3 668 51 891 20 515 290 866 3 795 7 666 10 239 1 450 5 442 15 567 4 699 2 449 3 703 3 649 146 909 6 115 4 838 50 295 24 050 204 Anhang A Tabelle A1.b Höhe des BIP (in Mio. internationalen Dollar von 1990): europäische Länder, ehemalige UdSSR und große Einwanderungsländer Österreich Belgien Dänemark Finnland Frankreich Deutschland Italien Niederlande Norwegen Schweden Schweiz Vereinigtes Königreich 12 westeuropäische Länder 13 kleine westeurop. Länder Griechenland Irland Portugal Spanien Westeuropa insgesamt Australien Neuseeland Kanada Vereinigte Staaten 4 Einwanderungsländer Albanien Bulgarien Tschechoslowakei a) Tschechische Republik b) Slowakei Ungarn Polen Rumänien Ex-Jugoslawien 1820 1870 1913 1950 1973 1990 1998 4 104 4 529 1 471 913 38 434 26 349 22 535 4 288 1 071 3 098 2 342 36 232 145 366 8 419 13 746 3 782 1 999 72 100 71 429 41 814 9 952 2 485 6 927 5 867 100 179 338 699 23 451 32 347 11 670 6 389 144 489 237 332 95 487 24 955 6 119 17 403 16 483 224 618 840 743 25 702 47 190 29 654 17 051 220 492 265 354 164 957 60 642 17 838 47 269 42 545 347 850 1 286 544 85 227 118 516 70 032 51 724 683 965 944 755 582 713 175 791 44 544 109 794 117 251 675 941 3 660 253 130 476 171 442 94 863 84 103 1 026 491 1 264 438 925 654 258 094 78 333 151 451 146 900 944 610 5 276 855 152 712 198 249 117 319 94 421 1 150 080 1 460 069 1 022 776 317 517 104 860 165 385 152 345 1 108 568 6 044 301 667 1 553 3 843 5 880 16 452 31 205 41 499 1 539 3 338 8 635 3 175 12 975 4 338 22 295 7 467 45 686 14 489 10 231 17 615 66 792 68 355 21 103 63 397 304 220 101 452 41 459 107 427 474 366 118 433 67 368 128 877 560 138 163 722 370 223 906 374 1 401 551 4 133 780 6 032 764 6 960 616 172 40 729 12 548 13 489 6 452 922 6 407 98 374 112 155 27 552 5 781 34 916 517 383 585 632 61 274 16 136 102 164 1 455 916 1 635 490 172 314 37 177 312 176 3 536 622 4 058 289 291 180 46 729 524 475 5 803 200 6 665 584 382 335 56 322 622 880 7 394 598 8 456 135 1 228 11 971 43 368 5 219 45 557 102 445 8 125 49 779 7 999 37 786 11 491 7 181 27 755 88 897 41 818 66 089 258 220 64 715 95 337 6 106 7 253 13 988 23 158 60 742 19 279 25 277 58 339 177 973 72 411 88 813 91 706 40 854 66 990 194 920 80 277 129 953 16 447 Osteuropa insgesamt 23 149 45 448 121 559 185 023 550 757 662 604 660 861 Ex-UdSSR Armenien Aserbaidschan Belarus Estland Georgien Kasachstan Kirgisistan Lettland Litauen Moldau Russische Föderation Tadschikistan Turkmenistan Ukraine Usbekistan 37 710 83 646 232 351 510 243 1 513 070 16 691 24 378 48 333 12 214 28 627 104 875 11 781 18 998 24 643 20 134 872 466 13 279 11 483 238 156 67 012 1 987 995 20 483 33 397 73 389 16 980 41 325 122 295 15 787 26 413 32 010 27 112 1 151 040 15 884 13 300 311 112 87 468 1 132 434 12 679 16 365 58 799 14 671 14 894 74 857 9 595 15 222 21 914 9 112 664 495 5 073 8 335 127 151 79 272 205 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle A1.c Pro-Kopf-BIP (in internationalen Dollar von 1990): europäische Länder, ehemalige UdSSR und große Einwanderungsländer 1820 1870 1913 1950 1973 1990 1998 Österreich Belgien Dänemark Finnland Frankreich Deutschland Italien Niederlande Norwegen Schweden Schweiz Vereinigtes Königreich 12 westeuropäische Länder 1 218 1 319 1 274 781 1 230 1 058 1 117 1 821 1 104 1 198 1 280 1 707 1 270 1 863 2 697 2 003 1 140 1 876 1 821 1 499 2 753 1 432 1 664 2 202 3 191 2 086 3 465 4 220 3 912 2 111 3 485 3 648 2 564 4 049 2 501 3 096 4 266 4 921 3 688 3 706 5 462 6 946 4 253 5 270 3 881 3 502 5 996 5 463 6 738 9 064 6 907 5 013 11 235 12 170 13 945 11 085 13 123 11 966 10 643 13 082 11 246 13 493 18 204 12 022 12 159 16 881 17 194 18 463 16 868 18 093 15 932 16 320 17 267 18 470 17 680 21 616 16 411 16 872 18 905 19 442 22 123 18 324 19 558 17 799 17 759 20 224 23 660 18 685 21 367 18 714 18 742 13 kleine westeurop. Länder 1 015 1 665 2 830 3 846 8 627 14 480 17 757 7 655 6 867 7 343 8 739 9 984 11 825 10 852 12 210 11 268 18 183 12 929 14 227 Griechenland Irland Portugal Spanien 666 913 1 592 963 1 063 997 1 376 1 244 2 255 1 915 3 446 2 069 2 397 Westeuropa insgesamt 1 232 1 974 3 473 4 594 11 534 15 988 17 921 Australien Neuseeland Kanada Vereinigte Staaten 4 Einwanderungsländer 517 400 893 1 257 1 201 3 645 2 704 1 695 2 445 2 431 5 715 5 152 4 447 5 301 5 257 7 493 8 453 7 437 9 561 9 288 12 759 12 513 13 838 16 689 16 172 17 043 13 825 18 933 23 214 22 356 20 390 14 779 20 559 27 331 26 146 2 252 5 284 7 041 2 482 5 552 2 401 4 586 2 096 1 001 1 651 3 501 8 643 7 754 6 474 6 688 2 890 4 229 Albanien Bulgarien Tschechoslowakei a) Tschechische Rep. b) Slowakei Ungarn Polen Rumänien Ex-Jugoslawien 849 1 164 1 269 1 029 2 480 2 447 1 182 1 585 5 596 5 340 3 477 4 350 8 895 7 762 6 471 5 115 3 525 5 695 2 098 Osteuropa insgesamt 636 871 1 527 2 120 4 985 5 437 5 461 Ex-UdSSR Armenien Aserbaidschan Belarus Estland Georgien Kasachstan Kirgisistan Lettland Litauen Moldau Russische Föderation Tadschikistan Turkmenistan Ukraine Usbekistan 689 943 1 488 2 834 6 058 6 189 4 458 5 234 8 656 5 894 7 593 3 702 7 780 7 589 5 379 6 577 4 105 4 795 4 933 5 118 6 871 6 142 4 681 7 153 10 733 7 569 7 305 3 592 9 841 8 591 6 211 7 762 2 995 3 626 5 995 4 264 3 893 3 341 2 135 5 743 10 118 2 737 4 809 2 042 6 216 5 918 2 497 4 523 830 1 723 2 528 3 296 206 Anhang A Tabelle A1.d Zuwachsraten des Pro-Kopf-BIP: europäische Länder, ehemalige UdSSR und große Einwanderungsländer 1820–1870 1870–1913 1913–1950 1950–1973 1973–1998 Österreich Belgien Dänemark Finnland Frankreich Deutschland Italien Niederlande Norwegen Schweden Schweiz Vereinigtes Königreich 12 westeuropäische Länder 0.85 1.44 0.91 0.76 0.85 1.09 0.59 0.83 0.52 0.66 1.09 1.26 1.00 1.45 1.05 1.57 1.44 1.45 1.63 1.26 0.90 1.30 1.46 1.55 1.01 1.33 0.18 0.70 1.56 1.91 1.12 0.17 0.85 1.07 2.13 2.12 2.06 0.92 0.83 4.94 3.55 3.08 4.25 4.05 5.02 4.95 3.45 3.19 3.07 3.08 2.44 3.93 2.10 1.89 1.86 2.03 1.61 1.60 2.07 1.76 3.02 1.31 0.64 1.79 1.75 13 kleine westeurop. Länder 0.99 1.24 0.83 3.58 2.93 Griechenland Irland Portugal Spanien 0.63 1.30 0.50 0.07 0.52 0.52 1.15 1.39 0.17 6.21 3.04 5.66 5.79 1.56 3.97 2.29 1.97 Westeuropa insgesamt 0.95 1.32 0.76 4.08 1.78 Australien Neuseeland Kanada Vereinigte Staaten 4 Einwanderungsländer 3.99 3.90 1.29 1.34 1.42 1.05 1.51 2.27 1.82 1.81 0.73 1.35 1.40 1.61 1.55 2.34 1.72 2.74 2.45 2.44 1.89 0.67 1.60 1.99 1.94 1.38 1.40 3.59 5.19 3.08 0.26 –0.57 (0.67) 1.18 0.45 1.17 3.60 3.45 4.80 4.49 0.59 0.91 –0.74 –0.11 Albanien Bulgarien Tschechoslowakei a) Tschechische Rep. b) Slowakei Ungarn Polen Rumänien Ex-Jugoslawien 0.63 Osteuropa insgesamt 0.63 1.31 0.89 3.79 0.37 Ex-UdSSR Armenien Aserbaidschan Belarus Estland Georgien Kasachstan Kirgisistan Lettland Litauen Moldau Russische Föderation Tadschikistan Turkmenistan Ukraine Usbekistan 0.63 1.06 1.76 3.36 –1.75 –2.44 –2.90 0.37 0.63 –3.02 –1.81 –2.35 –0.89 –0.99 –3.02 –1.49 –6.20 –4.01 –2.64 –1.74 207 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle A1.e BIP-Zuwachsraten: europäische Länder, ehemalige UdSSR und große Einwanderungsländer 1820–1870 1870–1913 1913–1950 1950–1973 1973–1998 Österreich Belgien Dänemark Finnland Frankreich Deutschland Italien Niederlande Norwegen Schweden Schweiz Vereinigtes Königreich 12 westeuropäische Länder 1.45 2.25 1.91 1.58 1.27 2.01 1.24 1.70 1.70 1.62 1.85 2.05 1.71 2.41 2.01 2.66 2.74 1.63 2.83 1.94 2.16 2.12 2.17 2.43 1.90 2.14 0.25 1.03 2.55 2.69 1.15 0.30 1.49 2.43 2.93 2.74 2.60 1.19 1.16 5.35 4.08 3.81 4.94 5.05 5.68 5.64 4.74 4.06 3.73 4.51 2.93 4.65 2.36 2.08 2.09 2.44 2.10 1.76 2.28 2.39 3.48 1.65 1.05 2.00 2.03 13 kleine westeurop. Länder 1.70 2.13 1.16 4.58 3.77 Griechenland Irland Portugal Spanien 1.56 2.23 1.41 0.63 1.09 1.27 1.68 2.35 1.03 6.98 3.20 5.73 6.81 2.22 4.75 2.88 2.47 Westeuropa insgesamt 1.65 2.10 1.19 4.81 2.11 Australien Neuseeland Kanada Verein. Staaten 4 Einwanderungsländer 7.52 6.48 4.44 4.20 4.33 3.43 4.36 4.02 3.94 3.92 2.18 2.81 2.94 2.84 2.81 4.60 3.70 4.98 3.93 4.03 3.24 1.68 2.80 2.99 2.98 2.07 1.39 1.21 6.49 5.98 3.81 1.72 –0.75 (0.98) 1.92 0.93 1.61 4.10 4.78 5.92 5.62 0.50 1.50 –0.45 0.28 Albanien Bulgarien Tschechoslowakei a) Tschechische Republik b) Slowakei Ungarn Polen Rumänien Ex-Jugoslawien 1.27 Osteuropa insgesamt 1.36 2.31 1.14 4.86 0.73 Ex-UdSSR Armenien Aserbaidschan Belarus Estland Georgien Kasachstan Kirgisistan Lettland Litauen Moldau Russische Föderation Tadschikistan Turkmenistan Ukraine Usbekistan 1.61 2.40 2.15 4.84 –1.15 –1.09 –1.58 0.79 0.74 –2.58 –1.34 –0.82 –0.88 –0.47 –3.12 –1.08 –3.78 –1.27 –2.48 0.67 208 Anhang A Tabelle A1.f Bevölkerungszuwachsraten: europäische Länder, ehemalige UdSSR und große Einwanderungsländer 1820–1870 1870–1913 1913–1950 1950–1973 1973–1998 Österreich Belgien Dänemark Finnland Frankreich Deutschland Italien Niederlande Norwegen Schweden Schweiz Vereinigtes Königreich 12 westeuropäische Länder 0.59 0.79 0.99 0.81 0.42 0.91 0.65 0.86 1.17 0.96 0.75 0.79 0.70 0.94 0.95 1.07 1.28 0.18 1.18 0.68 1.25 0.80 0.70 0.87 0.87 0.79 0.07 0.32 0.97 0.76 0.02 0.13 0.64 1.35 0.78 0.60 0.53 0.27 0.32 0.39 0.52 0.71 0.66 0.96 0.63 0.66 1.24 0.84 0.65 1.39 0.48 0.70 0.25 0.18 0.22 0.40 0.48 0.15 0.20 0.62 0.45 0.34 0.41 0.21 0.28 13 kleine westeurop. Länder 0.70 0.88 0.32 0.97 0.82 Griechenland Irland Portugal Spanien 0.92 0.92 0.90 0.56 0.57 0.75 0.52 0.95 0.87 0.72 0.15 0.06 0.97 0.65 0.75 0.58 0.49 Westeuropa insgesamt 0.69 0.77 0.42 0.70 0.32 Australien Neuseeland Kanada Vereinigte Staaten 4 Einwanderungsländer 3.40 2.48 3.11 2.83 2.87 2.36 2.81 1.71 2.08 2.07 1.44 1.45 1.52 1.21 1.25 2.21 1.94 2.18 1.45 1.55 1.32 1.00 1.19 0.98 1.02 Albanien Bulgarien Tschechoslowakei a) Tschechische Rep. b) Slowakei Ungarn Polen Rumänien Ex-Jugoslawien 0.65 0.34 0.64 0.93 1.45 0.68 0.85 1.12 –0.18 2.80 0.76 0.70 1.46 –0.18 (0.30) 0.45 1.01 0.73 0.59 0.74 1.02 0.73 1.56 0.47 –0.20 0.72 0.43 0.48 1.29 1.07 1.08 –0.08 0.59 0.29 0.40 Osteuropa insgesamt 0.72 0.99 0.25 1.03 0.36 Ex-UdSSR Armenien Aserbaidschan Belarus Estland Georgien Kasachstan Kirgisistan Lettland Litauen Moldau Russische Föderation Tadschikistan Turkmenistan Ukraine Usbekistan 0.97 1.33 0.38 1.43 3.04 2.80 0.76 1.03 1.75 3.19 2.65 0.98 1.02 2.06 1.14 3.30 2.97 1.17 3.22 0.61 1.38 1.36 0.41 0.11 0.46 0.48 1.57 0.01 0.53 –0.10 0.41 2.58 2.85 0.16 2.46 209 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle A1.g Berechnung des BIP für das Referenzjahr 1990 in internationalen Dollar für 22 OECD-Länder BIP in Landeswährung KKP nach Geary–Khamis Wechselkurs 1 813 482 6 576 846 825 310 523 034 6 620 867 2 426 000 1 281 207 537 867 722 705 1 359 879 317 304 554 486 13.899 38.362 8.700 6.219 6.450 2.052 1384.11 2.084 9.218 8.979 2.160 0.587 11.370 33.418 6.189 3.824 5.445 1.616 1198.1 1.821 6.26 5.919 1.389 0.563 130 476 171 442 94 863 84 103 1 026 491 1 182 261 925 654 258 094 78 333 151 451 146 900 944 610 159 497 196 805 133 351 136 777 1 215 954 1 501 238 1 069 366 295 369 115 448 229 748 228 441 984 877 Luxemburg Island 345 738 364 402 39.203 79.291 33.418 58.284 8 819 4 596 10 346 6 252 Griechenland Irland Portugal Spanien 13 143 28 524 9 855 501 452 129.55 0.688 91.737 105.71 158.51 0.605 142.56 101.93 101 452 41 459 107 427 474 366 82 916 47 147 69 129 491 957 1.281 1.676 1.167 1.000 291 180 46 729 524 475 5 803 200 307 319 43 422 572 563 5 803 200 Österreich Belgien Dänemark Finnland Frankreich a Westdeutschland Italien Niederlande Norwegen Schweden Schweiz Vereinigtes Königreich Australien Neuseeland Kanada Vereinigte Staaten a) 393 675 72 776 668 181 5 803 200 1.352 1.5574 1.274 1.000 BIP in Mio. int. $ BIP in Mio. $, umgerechnet zum Wechselkurs Das ostdeutsche BIP belief sich 1990 auf 82 177 Mio. int. $. Quelle: Die BIP-Daten in Landeswährung wurden den OECD National Accounts of OECD Countries, 1988–1998, Bd. 1, OECD, Paris, 2000, entnommen; Ausnahmen bilden die Niederlande, deren BIP-Daten aus den OECD Quarterly National Accounts (1999:4) stammen, und die Vereinigten Staaten, deren Daten dem Survey of Current Business, Dezember 1999, S. 132, entnommen wurden. Die amtlichen BIP-Schätzungen für Italien wurden um 3% reduziert, wie in Maddison (1995a), S. 133, erklärt. Die Geary-Khamis-KKP-Umrechner stammen aus der sechsten Reihe des Internationalen Vergleichsprojekts (ICP) für 1990 – vgl. Maddison (1995a), Tabelle C.6, S. 172; die Wechselkurse wurden derselben Quelle entnommen. Die KKP und die Wechselkurse sind ausgedrückt in Einheiten der nationalen Währung als KKP je US-Dollar. Das BIP in Mio. internationalen Dollar, umgerechnet auf der Basis der KKP, wurde errechnet, indem die Spalte 1 durch die Spalte 2 dividiert wurde. Das BIP in Mio. US-$ umgerechnet zum Wechselkurs wurde errechnet, indem die Spalte 1 durch die Spalte 3 dividiert wurde. Um binäre Kaufkraftvergleiche anzustellen, z.B. zwischen Frankreich und den Vereinigten Staaten, sind drei Ansätze möglich. Erstens können die französischen Ausgaben zu US-Preisen neu bewertet werden, was einen Vergleich des realen BIP nach der Laspeyres-Methode ergibt; zweitens können die amerikanischen Ausgaben nach den französischen Preisen neu bewertet werden, was einen Vergleich des realen BIP nach der Paasche-Methode ergibt; und drittens kann ein Kompromissvergleich nach der Fischer-Methode durch die Errechnung eines geometrischen Mittels der Laspeyres- und Paasche-Werte errechnet werden. Die Ergebnisse solcher binären Untersuchungen können herangezogen werden, um die Situation in mehreren Ländern zu vergleichen. Zum Beispiel kann eine Korrelation zwischen den Vergleichen Frankreich/Vereinigte Staaten, Deutschland/Vereinigte Staaten und Vereinigtes Königreich/Vereinigte Staaten hergestellt werden, wobei die Vereinigten Staaten als Verbindungsglied dienen. Bei den abgeleiteten Ergebnissen Frankreich/Deutschland, Vereinigtes Königreich/Deutschland und Frankreich/Vereinigtes Königreich handelt es sich jedoch um induktive Werte, die sich nicht zwangsläufig mit jenen decken, die das Ergebnis unmittelbarer binärer Vergleiche zwischen den verschiedenen Länderpaaren wären. Solche Vergleiche sind nicht transitiv, doch lassen sich Transitivität und Additionalität durch die Verwendung „multilateraler“ KKP erzielen. Multilateral gebe ich der Geary-Khamis-Messgröße den Vorzug, da sie den Ländern dem Volumen ihres BIP entsprechende Gewichtungen zuteilt (vgl. Maddison, 1995a, S. 163, für eine eingehende Erklärung). Für die meisten Länder sind die neuen BIP-Zahlen in Landeswährung höher als jene, die in Maddison (1995a) verwendet wurden. Sie tragen den regelmäßig vorgenommenen Revisionen sowie den Korrekturen Rechnung, die sich aus der Übernahme des standardisierten Systems der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen von 1993 ergeben. Das SNA-System wurde von Norwegen 1995, von Dänemark und Kanada 1997 übernommen. Australien, Österreich, Belgien, Finnland, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Portugal, Spanien, Schweden und das Vereinigte Königreich haben diese Veränderung später vorgenommen, und die auf der neuen Basis errechneten Daten wurden für diese 15 Länder zum ersten Mal von der OECD in ihrem Jahrbuch 1988-1998 veröffentlicht. Nach dem neuen System werden Ausgaben für die Exploration mineralischer Bodenschätze sowie für Computersoftware nicht als Vorleistungen, sondern als Investitionen eingestuft. In einigen Ländern wie z.B. Frankreich und Italien werden nunmehr auch “Originalwerke der Unterhaltung, Literatur und Kunst” als Investitionen behandelt. Island, Neuseeland und die Schweiz wenden nach wie vor das alte SNA-System von 1968 an und haben diese methodologischen Änderungen noch nicht vorgenommen. Infolge dieser Revisionen hat sich das BIP-Niveau von 1990 gegenüber dem in Maddison (1995a) ausgewiesenen Niveau um folgende Koeffizienten verändert: Österreich Belgien Dänemark Finnland Frankreich Deutschland Italien Niederlande Norwegen Schweden Schweiz 1.00676 1.02342 1.02779 1.01591 1.01774 1.00033 1.00668 1.04184 1.09314 1.00000 1.01041 Vereinigtes Königreich Luxemburg Island Griechenland Irland Portugal Spanien Australien Neuseeland Kanada Vereinigte Staaten 210 1.00928 1.15206 1.03700 0.99539 1.06406 1.014765 1.00051 1.04055 0.99290 1.00567 1.06192 Anhang A Tabelle A1.h Berechnung des BIP-Niveaus in internationalen Dollar im Referenzjahr 1990 für 5 osteuropäische Länder und die UdSSR BIP in Landeswährung Tschechoslowakei Ungarn Polen Rumänien UdSSR Jugoslawien Quelle: 811 309 1 935 459 608 347 857 180 1 033 222 1 113 095 impliziter KKP-Umrechner 6.12 28.89 3.12 10.678 0.520 8.565 Wechselkurs 17.95 63.206 9.5 22.43 1.059 11.318 BIP in Mio. int. $ 132 560 66 990 194 920 80 277 1 987 995 129 953 BIP in Mio. $, umgerechnet zum Wechselkurs 45 198 30 621 64 037 38 216 975 658 98 347 Die BIP-Werte in Landeswährung stammen aus International Comparison of Gross Domestic Product in Europe 1990, Statistische Kommission der Vereinigten Nationen und VN-Wirtschaftskommission für Europa (ECE), Genf und New York, 1994, S. 61. Diese Vergleiche wurden in Zusammenarbeit mit den nationalen statistischen Ämtern durchgeführt, unter Vornahme von Anpassungen, um die Übereinstimmung des Erfassungsbereichs der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen mit jenem des in den westlichen Ländern benutzten SNA-Systems zu gewährleisten. Zudem wurden auch Berichtigungen vorgenommen, um der geringeren Qualität der Güter in den osteuropäischen Ländern Rechnung zu tragen. Die Ergebnisse wurden multilateralisiert, wobei der EKS-Methode der Vorzug gegenüber der Geary-Khamis-Technik gegeben wurde, und die um die KKP bereinigten BIP-Werte wurden in Österreichischen Schilling ausgedrückt. Die relativen realen BIP-Indizes wurden auf der Basis einer approximativen Geary-Khamis-Methode unter Verwendung des in internationalen Dollar ausgedrückten BIP gemäß den Werten in Tabelle 2.4 als Verbindungsglied, a.a.O., S. 5, umgerechnet. Die Ergebnisse in Spalte 4 wurden auf diese Art erzielt, und die impliziten KKP in Spalte 3 wurden abgeleitet, indem die Spalte 1 durch die Spalte 4 dividiert wurde. Die Wechselkurse wurden abgeleitet aus IWF, International Financial Statistics, außer jenen der UdSSR, die von der Weltbank, World Tables 1995, stammen. Seit 1990 sind aus diesen 6 Ländern 25 hervorgegangen. Die Tschechoslowakei spaltete sich in 2 Länder, Jugoslawien in 5 und die UdSSR in 15. Um grobe vorläufige BIP-Schätzungen für diese 22 neuen Nachfolgestaaten zu erhalten, habe ich unterstellt, dass ihr jeweiliger BIP-Anteil 1990 derselbe war wie in Landeswährung. Die OECD hat neue Schätzungen in internationalen Dollar für 20 dieser neuen Staaten (ohne Bosnien und Serbien) unter Verwendung der EKSMethode zur Multilateralisierung veröffentlicht, vgl. A PPP Comparison for the NIS, 1994, 1995 and 1996, OECD, Februar 2000. Vgl. Anhang D für eine Gegenüberstellung dieser neuen Schätzungen mit den von mir an dieser Stelle verwendeten. 211 Anhang A A.2 Bevölkerung, BIP und Pro-Kopf-BIP in 44 lateinamerikanischen und karibischen Ländern Für den Zeitraum vor 1950 liegen BIP-Schätzungen für acht Kernländer vor. Was den Zeitraum 1820-1990 betrifft, so stammen die BIP-Daten für Argentinien, Chile, Kolumbien, Peru und Venezuela aus Maddison (1995a) und wurden aktualisiert auf der Basis von ECLAC, Economic Survey of Latin America and the Caribbean: Summary 1998-99, 1999, S. 32. Dasselbe gilt für das BIP Brasiliens für den Zeitraum 1950-1998; die Daten für 1820-1900 wurden abgeleitet aus Maddison (1995a); für das Pro-Kopf-BIP im Zeitraum 1900-1950 stammen sie aus Maddison and Associates (1992, S. 212). Die BIP-Daten Mexikos für den Zeitraum 1870-1910 wurden abgeleitet aus Coatsworth (1989), für 1910-1960 aus Maddison (1995a), ab 1960 von OECD-Quellen. Bei meinen Berechnungen habe ich einen geringeren Rückgang des mexikanischen Pro-Kopf-BIP im Zeitraum 1820-1870 unterstellt als Coatsworth. Uruguays BIP-Daten für 1820-1936 sind Luis Bertola and Associates, PIB de Uruguay 1870-1936, Montevideo, 1998, entnommen. Die BIP-Daten für 19361990 stammen von Luis Bertola, ab 1990 von ECLAC (1999). Das in internationalen Dollar ausgedrückte BIP-Niveau der acht Länder im Referenzjahr 1990 wurde von Tabelle A2.g abgeleitet. Die Bevölkerungsdaten für 1820-1950 stammen aus Maddison (1995a), mit Ausnahme Uruguays (für das Luis Bertola die Daten lieferte). Ab 1950 stammen sie vom US Bureau of the Census. Für 15 weitere Länder sind detaillierte Schätzungen von Bevölkerungs- und BIP-Entwicklung angegeben. Für 13 von ihnen wurden die Bevölkerungszahlen für den Zeitraum 1870-1913 durch Interpolation der Schätzungen in N. Sanchez Albornoz, „The Population of Latin America, 18501930“, in L. Bethell, Hrsg., The Cambridge History of Latin America, Bd. 4, Cambridge University Press, 1986, S. 122, ermittelt. Die Jamaika betreffenden Daten für 1870 und 1913 stammen aus G. Eisner, Jamaica, 1830-1930: A Study in Economic Growth, Manchester University Press, 1961, S. 134. Hinsichtlich der Wachstumsraten in Trinidad und Tobago im Zeitraum 1870-1950 wurde unterstellt, dass sie sich im Verhältnis genauso entwickelt haben wie in Jamaika. Ferner wurde unterstellt, dass sich die Bevölkerung in den 15 Ländern im Zeitraum 1820-1870 proportional genauso entwickelt hat wie in den acht Kernländern zusammengenommen. Die Bevölkerungsdaten für den Zeitraum 1950-1998 stammen vom US Bureau of the Census. Die Daten über die BIP-Entwicklung im Zeitraum 1950-1973 für 11 der 15 Länder stammen von ECLAC, Series Historicas del Crecimiento de America Latina, Santiago, 1978, für 1973-1990 von der Weltbank, World Tables (1995), und ab 1990 von ECLAC (1999). Die Kuba betreffenden Daten für 1950-1990 stammen aus verschiedenen ECLAC-Quellen, ab 1990 aus ECLAC, Preliminary Overview of the Economies of Latin America, Santiago (Ausgaben 1998 und 1999). Die BIP-Daten Puerto Ricos für den Zeitraum 1950-1998 stammen aus PBI Historico, Junta de Planificación, San José, 1998. Die Daten für Jamaika, Trinidad und Tobago für 1950-1973 wurden von der Datenbank des OECDEntwicklungszentrums abgeleitet, für 1973-1990 stammen sie von der Weltbank, World Tables, und 213 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle A.g BIP und Bevölkerung 21 kleiner karibischer Länder, 1950–1998 BIP (Mio. internationale Dollar von 1990) Bahamas Barbados Belize Dominica Grenada Guayana St. Lucia St. Vincent Suriname Gruppe A insgesamt Antigua & Barbuda Bermuda Guadeloupe Franz. Guayana Martinique Niederl. Antillen St. Kitts und Nevis Gruppe B insgesamt Übrige 5 Länder 21 Länder Quelle: Bevölkerung (Tausend) 1950 1973 1990 1998 1950 1973 1990 1998 756 448 110 82 71 462 61 79 315 3 159 1 595 341 182 180 1 309 199 175 1 046 3 946 2 138 735 279 310 1 159 449 392 1 094 4 248 2 366 929 344 388 2 018 508 506 1 209 70 211 66 51 76 428 79 66 208 182 243 130 74 97 755 109 90 384 251 255 190 72 94 748 140 113 396 180 259 230 66 96 708 152 120 428 2 384 8 186 10 502 12 516 1 255 2 064 2 249 2 339 82 65 359 138 293 393 61 328 238 1 568 238 1 568 1 097 215 413 310 1 801 516 1 857 980 233 510 1 100 345 46 39 208 26 217 159 44 68 53 329 53 332 225 45 63 58 378 116 374 253 40 64 62 416 163 407 274 42 1 391 5 252 6 110 7 787 739 1 105 1 284 1 428 181 667 1 094 1 446 68 139 183 233 3 956 14 105 17 706 21 749 2 062 3 308 3 726 3 990 Die BIP-Veränderungen für 1950–1990 stammen aus Maddison (1995a), S. 218, sowie aus der dafür benutzten Datenbank. Für sieben Länder der Gruppe A stammen die BIP-Daten ab 1990 aus ECLAC (Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik), Economic Survey of Latin America and the Caribbean 1998-1999, Santiago, 1999, S. 32. Die Daten für das Pro-Kopf-BIP im Zeitraum 1990–1998 für Antigua und Barbuda, Bahamas, Niederländische Antillen und St. Kitts und Nevis stammen vom IWF. Für die anderen Länder wurde unterstellt, dass sich das globale Pro-Kopf-BIP proportional zum Durchschnitt der Gruppe A entwickelte. Die Bevölkerungsdaten ab 1950 stammen von der Division of Population Studies, US Bureau of the Census; hinsichtlich der globalen Bevölkerungsdaten der 21 Länder im Zeitraum 1820-1850 wurde unterstellt, dass sie sich proportional zum Durchschnitt der 15 in Tabelle A2.a angeführten Länder entwickelt haben. Bei den 5 Ländern der dritten Gruppe handelt es sich um Aruba, die Falklandinseln, St. Pierre und Miquelon, die Turks- und Caicosinseln sowie die Jungferninseln. ab 1990 von ECLAC (1999). Hinsichtlich des globalen Pro-Kopf-BIP der 15 Länder im Zeitraum 1820-1950 wurde unterstellt, dass sich dieser Parameter im Verhältnis genauso entwickelt hat wie in den acht Kernländern insgesamt. Die Tabellen A2.a bis A2.f enthalten globale Schätzungen für 21 karibische Länder, während Tabelle A.g nach Ländern aufgeschlüsselte Daten für den Zeitraum 1950-1998 wiedergibt. Tabelle A2.g ist zu entnehmen, wie das BIP-Niveau für das Referenzjahr 1990 von ICPUntersuchungen in internationalen Preisen von 1990 für die 8 Kernländer sowie 10 weitere Länder abgeleitet wurde. Für die Bahamas, Barbados, Belize, Dominica, Grenada, Guayana, Haiti, Nicaragua, Puerto Rico, St. Kitts und Nevis, St. Lucia, St. Vincent, Suriname sowie Trinidad und Tobago wurden Penn-World-Tabellen herangezogen. Für 11 kleine karibische Länder sowie für Kuba waren weder ICP- noch PWT-Schätzungen in KKP verfügbar. Es wurde unterstellt, dass das durchschnittliche Pro-Kopf-BIP in diesen Ländern dem Durchschnitt der 32 Länder entsprach, für die Indikatoren existierten, und dass es in Kuba um rd. 15% unter dem lateinamerikanischen Durchschnitt lag. 214 Anhang A Tabelle A2.a Bevölkerung (in Tausend zur Jahresmitte) in 44 lateinamerikanischen Ländern 1820 1870 1913 1950 1973 1990 1998 534 4 507 885 1 206 6 587 1 317 55 718 15 809 1 796 9 797 1 943 2 392 9 219 2 606 373 1 653 29 779 7 653 23 660 3 491 5 195 14 970 4 339 1 177 2 874 63 359 17 150 53 443 6 091 11 592 28 485 7 633 2 194 5 009 131 597 25 174 103 463 9 897 23 069 57 643 14 350 2 834 11 893 248 323 32 634 151 040 13 128 32 985 84 748 21 989 3 106 19 325 358 955 36 265 169 807 14 788 38 581 98 553 26 111 3 285 22 803 410 193 5 077 1 495 155 1 331 242 1 013 492 1 007 1 150 404 499 361 176 384 645 210 9 564 1 881 372 2 469 750 1 689 1 008 1 486 1 891 660 837 578 348 594 1 181 352 16 096 2 766 867 5 785 2 312 3 310 1 940 2 969 3 097 1 431 1 385 1 098 893 1 476 2 218 632 32 179 4 680 1 886 9 001 4 781 6 629 3 853 5 801 4 748 2 964 2 036 2 241 1 659 2 692 2 863 985 56 819 6 620 3 022 10 545 6 997 10 308 5 041 9 631 6 048 4 740 2 466 3 591 2 388 4 236 3 537 1 198 80 368 7 826 3 605 11 051 7 999 12 337 5 752 12 008 6 781 5 862 2 635 4 583 2 736 5 291 3 860 1 117 93 443 334 630 1 060 2 062 3 308 3 726 3 990 44 lateinamerik. Länder insgesamt 21 220 39 973 80 515 165 837 308 450 443 049 507 623 43 lateinamerik. Länder insgesamt (ohne Mexiko) 14 633 30 754 65 545 137 352 250 807 358 301 409 070 Argentinien Brasilien Chile Kolumbien Mexiko Peru Uruguay Venezuela 8 Länder insgesamt Bolivien Costa Rica Kuba Dominikanische Republik Ecuador El Salvador Guatemala Haiti Honduras Jamaika Nicaragua Panama Paraguay Puerto Rico Trinidad & Tobago 15 Länder insgesamt 21 kleine Nicht-Stichprobenländer insgesamt Die ICP-Schätzungen decken nahezu 95,2%, die PWT-Angaben nahezu 3,2% und die indirekten Schätzungen 1,7% des globalen lateinamerikanischen BIP im Jahr 1990 ab. Es wurde von der Arbeitshypothese ausgegangen, dass sich das globale Pro-Kopf-BIP in den drei Ländern, für die keine Daten vorlagen, im Zeitraum 1870-1913 parallel zum Durchschnitt der fünf anderen großen Länder entwickelt hat. Für 1820 wurde unterstellt, dass das Durchschnittsniveau des Pro-Kopf-BIP in den Kernländern, für die keine Daten verfügbar waren, dem durchschnittlichen Pro-Kopf-BIP Brasiliens und Mexikos entsprach. Für die 36 anderen Länder waren keine Schätzungen der BIP-Veränderungen im Zeitraum 1820-1950 verfügbar. Es wurde unterstellt, dass sich ihr durchschnittliches Pro-Kopf-BIP parallel zu dem der acht untersuchten Länder entwickelt hat (einschließlich der Komponente indirekte Schätzungen). Infolgedessen belief sich die gesamte indirekte Komponente beim globalen BIP Lateinamerikas 1820 auf 44,0%, 1870 auf 38,2%, 1913 auf 16,7%, bis sie dann ab 1950 überhaupt nicht mehr ins Gewicht fiel. 215 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle A2.b BIP-Niveau (in Mio. internationalen Dollar von 1990) in 44 lateinamerikanischen Ländern Argentinien Brasilien Chile Kolumbien Mexiko Peru Uruguay Venezuela 8 Länder insgesamt Bolivien Costa Rica Kuba Dominikanische Republik Ecuador El Salvador Guatemala Haiti Honduras Jamaika Nicaragua Panama Paraguay Puerto Rico Trinidad & Tobago 15 Länder insgesamt 1820 1870 1913 1950 1973 1990 1998 2 912 2 354 6 985 5 000 6 214 11 275 748 941 22 273 29 060 19 188 9 261 6 420 25 921 4 500 3 895 3 172 101 417 85 524 89 342 23 274 24 955 67 368 17 270 10 224 37 377 355 334 200 720 401 643 50 401 80 728 279 302 56 713 14 098 126 364 1 209 969 212 518 743 765 84 038 159 042 516 692 64 979 20 105 160 648 1 961 787 334 314 926 919 144 279 205 132 655 910 95 718 27 313 204 433 2 594 018 11 030 8 145 29 165 9 617 21 337 9 084 18 593 4 810 4 866 8 411 6 566 7 052 5 487 20 908 8 553 173 626 14 446 14 370 31 087 17 503 40 267 10 805 29 050 6 323 8 898 8 890 5 297 10 688 13 923 37 277 11 110 259 934 19 241 19 272 23 909 25 304 51 378 15 627 40 522 5 532 11 929 9 308 6 651 15 609 16 719 51 159 13 683 325 843 2 676 5 289 19 058 5 309 1 702 19 613 2 416 6 278 2 888 6 190 3 254 1 880 1 837 1 774 1 710 2 338 4 755 2 322 64 266 21 kleine Nicht-Stichprobenländer insgesamt 169 335 1 206 3 956 14 105 17 706 21 749 44 lateinamerik. Länder insg. 14 120 27 897 121 681 423 556 1 397 700 2 239 427 2 941 610 43 lateinamerik. Länder insg. (ohne Mexiko) 9 120 21 683 95 760 356 188 1 118 398 1 722 735 2 285 700 216 Anhang A Tabelle A2.c Pro-Kopf-BIP (in internationalen Dollar von 1990) in 44 lateinamerikanischen Ländern Argentinien Brasilien Chile Kolumbien Mexiko Peru Uruguay Venezuela 8 Länder insgesamt 1820 1870 1913 1950 1973 1990 1998 646 1 311 713 759 674 713 2 005 569 748 3 797 811 2 653 1 236 1 732 1 037 3 309 1 104 1 601 4 987 1 672 3 821 2 153 2 365 2 263 4 660 7 462 2 700 7 973 3 882 5 093 3 499 4 845 3 952 4 975 10 625 4 873 6 512 4 924 6 401 4 822 6 097 2 955 6 473 8 313 5 465 9 219 5 459 9 756 5 317 6 655 3 666 8 314 8 965 6 324 2 357 4 319 3 240 2 012 3 219 2 358 3 205 1 013 1 642 4 131 2 930 4 251 2 038 7 303 8 683 3 056 2 182 4 755 2 948 2 502 3 906 2 143 3 016 1 045 1 877 3 605 1 475 4 476 3 287 10 539 9 274 3 234 2 459 5 346 2 164 3 163 4 165 2 717 3 375 816 2 035 3 532 1 451 5 705 3 160 13 254 12 250 3 487 Bolivien Costa Rica Kuba Dominikanische Republik Ecuador El Salvador Guatemala Haiti Honduras Jamaika Nicaragua Panama Paraguay Puerto Rico Trinidad & Tobago 15 Länder insgesamt 527 553 1 184 1 919 1 963 3 390 1 045 1 897 1 489 2 085 1 051 1 314 1 326 1 616 1 915 1 584 2 144 3 674 1 997 21 kleine Nicht-Stichprobenländer insgesamt 506 532 1 138 1 919 4 264 4 752 5 451 44 lateinamerik. Länder insgesamt 665 698 1 511 2 554 4 531 5 055 5 795 43 lateinamerik. Länder insgesamt (ohne Mexiko) 623 705 1 461 2 593 4 459 4 808 5 588 217 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle A2.d Zuwachsraten des Pro-Kopf-BIP in 44 lateinamerikanischen Ländern Argentinien Brasilien Chile Kolumbien Mexiko Peru Uruguay Venezuela 8 Länder insgesamt 1820–1870 1870–1913 1913–1950 1950–1973 1973–1998 0.20 2.50 0.30 –0.24 2.22 0.74 1.97 0.99 1.51 0.85 2.13 0.93 5.30 1.42 2.06 3.73 1.26 2.13 3.17 2.45 0.28 1.55 2.60 0.58 1.37 2.63 1.69 1.28 –0.30 2.08 –0.68 1.05 0.90 3.49 –0.20 2.89 2.33 2.02 1.89 –0.16 0.97 5.06 2.62 3.53 1.10 5.47 3.81 1.87 0.17 0.86 –1.60 1.83 1.04 0.57 0.21 –0.86 0.86 –0.62 –2.77 1.18 1.77 2.41 1.39 0.53 3.53 0.99 1.17 0.10 1.79 Bolivien Costa Rica Kuba Dominikanische Republik Ecuador El Salvador Guatemala Haiti Honduras Jamaika Nicaragua Panama Paraguay Puerto Rico Trinidad & Tobago 15 Länder insgesamt 21 kleine Nicht-Stichprobenländer insgesamt 44 lateinamerik. Länder insgesamt 0.10 1.81 1.43 2.52 0.99 43 lateinamerik. Länder insgesamt (ohne Mexiko) 0.25 1.71 1.56 2.38 0.91 218 Anhang A Tabelle A2.e BIP-Zuwachsraten in 44 lateinamerikanischen Ländern 1820–1870 1870–1913 1913–1950 1950–1973 1973–1998 1.77 6.02 2.38 0.44 3.38 2.96 4.24 2.52 3.74 2.62 3.70 2.64 6.89 3.45 3.78 6.75 3.42 5.24 6.38 5.31 1.41 5.44 5.47 2.06 3.40 4.30 3.80 3.47 2.12 2.68 1.94 3.10 Bolivien Costa Rica Kuba Dominikanische Republik Ecuador El Salvador Guatemala Haiti Honduras Jamaika Nicaragua Panama Paraguay Puerto Rico Trinidad & Tobago 15 Länder insgesamt 3.23 7.04 1.74 6.19 5.46 5.11 4.90 1.71 4.22 6.84 5.85 6.35 3.78 6.65 5.83 4.42 2.25 3.51 –0.79 3.95 3.58 2.19 3.17 0.56 3.65 0.41 0.05 3.23 4.56 3.64 1.90 2.55 21 kleine Nicht-Stichprobenländer insgesamt 5.68 1.75 Argentinien Brasilien Chile Kolumbien Mexiko Peru Uruguay Venezuela 8 Länder insgesamt 3.91 1.37 3.59 44 lateinamerik. Länder insgesamt 1.37 3.48 3.43 5.33 3.02 43 lateinamerik. Länder insgesamt (ohne Mexiko) 1.75 3.51 3.61 5.10 2.90 219 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle A2.f Bevölkerungszuwachsraten in 44 lateinamerikanischen Ländern 1820–1870 1870–1913 1913–1950 1950–1973 1973–1998 2.46 1.57 1.59 1.38 0.67 1.37 3.90 1.68 1.27 3.43 2.07 1.37 1.82 1.13 1.19 2.71 1.29 1.77 2.20 2.23 1.52 2.19 1.75 1.54 1.70 1.51 2.00 1.68 2.91 2.13 3.04 3.11 2.78 1.12 3.83 2.80 1.47 2.00 1.62 2.08 2.17 2.42 0.59 2.64 2.03 Bolivien Costa Rica Kuba Dominikanische Republik Ecuador El Salvador Guatemala Haiti Honduras Jamaika Nicaragua Panama Paraguay Puerto Rico Trinidad & Tobago 15 Länder insgesamt 1.27 0.54 2.06 1.45 2.67 1.20 1.68 0.91 1.16 1.15 1.21 1.10 1.60 1.02 1.42 1.21 1.22 1.05 2.31 2.33 3.09 1.84 1.79 1.89 1.34 2.11 1.37 1.75 2.58 2.49 1.72 1.59 1.89 2.31 3.44 1.94 3.21 3.07 3.03 2.96 1.88 3.22 1.69 3.15 2.73 2.65 1.12 1.95 2.50 2.08 2.63 0.82 2.08 2.52 1.62 2.95 1.44 2.77 1.04 2.90 2.02 2.74 1.20 0.50 2.01 21 kleine Nicht-Stichprobenländer insgesamt 1.28 1.22 1.81 2.08 0.75 44 lateinamerik. Länder insgesamt 1.27 1.64 1.97 2.73 2.01 43 lateinamerik. Länder insgesamt (ohne Mexiko) 1.50 1.78 2.02 2.65 1.98 Argentinien Brasilien Chile Kolumbien Mexiko Peru Uruguay Venezuela 8 Länder insgesamt 220 Anhang A Tabelle A2.g Abgeleitete Schätzungen des BIP von 1990 in internationalen Dollar von 1990 für 18 lateinamerikanische Länder BIP in Mio. KKP-Umrechner Landeswährungsfür das einheiten im Referenzjahr Referenzjahr (Landeswährungseinheiten je Dollar) BIP im Referenzjahr in Mio. GearyKhamis-Dollar BIP von 1990 in Geary-KhamisDollar des Referenzjahrs BIP von 1990 in Mio. GearyKhamis-Dollar von 1990 ICP 3 (Referenzjahr 1975) Jamaika Mexiko 2 611 1 007 036 0.742 7.4 3 519 136 086 3 865 224 649 8 890 516 692 134 607 9 150 471 096 53 299 100 736 9 102 11 086 25 505 6 844 18 400 5 636 6 770 8 819 41 157 12 734 101 753 212 518 14 446 743 765 84 038 159 042 14 370 17 503 40 267 10 805 29 050 8 898 10 688 13 923 64 979 20 105 160 648 ICP 4 (Referenzjahr 1980) Argentinien Bolivien Brasilien Chile Kolumbien Costa Rica Dominik. Republik Ecuador El Salvador Guatemala Honduras Panama Paraguay Peru Uruguay Venezuela Quelle: 3 840 128 614 13 164 1 075 269 1 579 130 41 406 6 625 293 337 8 917 7 879 4 976 3 559 560 459 5 970 000 92 204 297 800 0.02604 14.51 0.03252 26.67 21.99 5.79 0.594 14.16 1.31 0.467 1.12 0.564 83.87 129.6 7.58 3.14 147 465 8 864 404 797 40 318 71 811 7 151 11 153 20 716 6 807 16 871 4 443 6 310 6 682 46 065 12 164 94 841 Spalte 1 zeigt das BIP im Referenzjahr in Landeswährungseinheiten, in den meisten Fällen gemäß den in der ursprünglichen ICPSchätzung genannten Spezifikationen. Für Argentinien, Peru und Venezuela wurden die amtlichen Schätzungen des nominalen BIP im Jahr 1980 nach Abschluss der ICP-Berechnungen nach oben korrigiert. Das hatte eine Korrektur der zuvor zu niedrig angesetzten Schätzungen der informellen Wirtschaftstätigkeit um jeweils plus 36%, 6,5% bzw. 17,2% zur Folge. Was Mexiko betrifft, so liegt meine Schätzung um 12,2% unter der amtlichen Schätzung für 1975 in OECD, National Accounts, 1960-1997; mit dieser Korrektur sollten die amtlich zu hoch angesetzten Produktionsdaten in der Landwirtschaft, im Verarbeitenden Gewerbe und gewissen Dienstleistungsbereichen bereinigt werden. Die Gründe hierfür sind erklärt in Maddison (1995a), S. 166. Die KKP in Spalte 2 stammen vom ICP. Spalte 3 ist das Ergebnis der Spalten 1 und 2. Spalte 4 ergab sich aus der Bereinigung von Spalte 3 um die realen BIP-Veränderungen zwischen dem Referenzjahr und 1990. Spalte 5 stellt die um die Veränderung des US-BIP-Deflators vom Referenzjahr bis zum Jahr 1990 bereinigte Spalte 4 dar. 221 Anhang A A.3 Bevölkerung, BIP und Pro-Kopf-BIP in 56 asiatischen Ländern, 1820-1998 Bei den Schätzungen für Asien handelt es sich um die aktualisierten und erheblich revidierten Daten aus Maddison (1995a). Die stärksten Revisionen der BIP-Zuwachsraten betrafen China, wie beschrieben in Maddison (1998a), aber die Qualität der Daten für Indien, Japan, die Philippinen, Taiwan und eine Reihe anderer Länder wurde ebenfalls verbessert. Es wurden Quellenanmerkungen für 26 Länder hinzugefügt, so dass sich die Zahl der Länder, die detailliert erfasst wurden, von 11 auf 37 erhöhte. Es wurden auch Revisionen bei den Bevölkerungszahlen vorgenommen. Die BIPSchätzungen für das Referenzjahr 1990 wurden revidiert: Für 24 Länder, die 93% des gesamten asiatischen BIP auf sich vereinen, basieren sie auf ICP- oder äquivalenten Daten, für 16 Länder (mit einem Anteil von 6% am BIP Asiens) wurden sie von den Penn-World-Tabellen, Fassung 5.6, abgeleitet, und für das verbleibende 1% wurde das BIP-Niveau anhand von indirekten Schätzungen ermittelt (16 Länder). Es ist zwischen drei Gruppen von Ländern zu unterscheiden. Am verlässlichsten sind die Schätzungen des BIP-Wachstums für die erste Gruppe 16 ostasiatischer Länder, für die eingehende Untersuchungen der historischen Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen durchgeführt wurden. Diese Länder hatten einen Anteil von 95% am BIP Asiens im Jahr 1820, 85% im Jahr 1950 und 88,4% im Jahr 1998. Die indirekten Schätzungen, die durchgeführt wurden, um vorhandene Lücken in den BIP-Datenreihen zu schließen, sind in Tabelle A.m wiedergegeben. Bei der zweiten Gruppe, die 25 ostasiatische Länder umfasst, sind die derzeit verfügbaren Indikatoren des BIP-Wachstums sehr mangelhaft, und selbst die Qualität der Schätzungen für das Referenzjahr 1990 lässt stark zu wünschen übrig. Für Afghanistan, Kambodscha, Laos, die Mongolei, Nordkorea und Vietnam, bei denen die Statistiken allesamt mit bedeutenden Problemen behaftet sind, wurden detaillierte Anmerkungen gemacht. Eines dieser Probleme ist die Umrechnung ihrer Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen, die auf dem sowjetischen Konzept des Materialprodukts beruhten, auf BIP-Basis, was lediglich zu groben Annäherungswerten führen kann. Bei den anderen Ländern in dieser Gruppe handelt es sich um Bhutan, Brunei, Macau, die Malediven und 15 pazifische Inseln. Diese Gruppe von 25 Ländern hatte einen Anteil von 3,7% am BIP Asiens im Jahr 1950 und von 1,7% im Jahr 1998. Die dritte Gruppe besteht aus 15 westasiatischen Ländern, von denen viele bis zum Ende des Ersten Weltkriegs Provinzen des Osmanischen Reichs waren. Für die meisten von ihnen ist vor 1950 keinerlei quantitative Analyse der makroökonomischen Ergebnisse durchgeführt worden. In zehn Ländern wurde die Wirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg nachhaltig von der Ölindustrie geprägt. Das Pro-Kopf-Einkommen der Ölförderländer war 1950 sehr viel höher als in den Vorkriegsjahren und merklich höher als in den übrigen asiatischen Ländern. Die Ölförderung dieser Region belief sich 1937 auf 16 Mio. t, 1950 auf 86 Mio. t und 1973 auf 1,053 Mrd. t – das entspricht einer Steigerung um 223 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive jährlich 11,5% im Zeitraum 1950-1973. Infolge der OPEC-Maßnahmen zur Erhöhung der Preise und Einschränkung des Angebots war das Förderniveau 1998 ungefähr ebenso hoch wie 1973 (vgl. Tabelle 3.21). Das Wachstum wurde in einigen Ländern (Iran, Irak, Israel, Kuwait, Libanon, Syrien und Jemen) ferner erheblich durch Kriege beeinträchtigt. Der Anteil dieser Gruppe am asiatischen BIP belief sich 1950 auf 11,2%, 1973 auf 14,4% und 1998 auf 9,9%. Unsere Schätzungen für Asien schließen weder die 8 asiatischen Nachfolgerepubliken der ehemaligen UdSSR (Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan) noch das asiatische Staatsgebiet der Russischen Föderation ein (vgl. hierzu die Anmerkung über die ehemalige UdSSR in Teil A.1 dieses Anhangs sowie in Anhang D). 16 ostasiatische Länder Bangladesch: Maddison (1995a) liefert separate BIP- und Bevölkerungsschätzungen für Bangladesch und Pakistan, die bis zum Jahr 1820 zurückreichen. In der vorliegenden Untersuchung schließen die Zahlen für Indien im Zeitraum 1820-1913 Bangladesch und Pakistan ein. Die realen BIP-Daten für Bangladesch für 1950-1966 stammen aus A. Maddison, Class Structure and Economic Growth, Allen und Unwin, London 1971, S. 171, für 1966-1978 aus Weltbank, World Tables (verschiedene Ausgaben), und für die Zeit ab 1978 wurden ADB-Daten verwendet. Die Zahlen ab 1967 beziehen sich auf Finanzjahre. Die Bevölkerungsdaten ab 1950 stammen vom Center for International Research, US Bureau of the Census. Für Indien, Bangladesch und Pakistan sind unbedingt BIP-Referenzwerte erforderlich, die mit der Tatsache kompatibel sind, dass diese drei Länder bis 1947 eine Einheit bildeten. Da die ICPSchätzungen für Bangladesch und Pakistan (vgl. Tabelle A.3g) nicht mit denen für Indien kompatibel waren, habe ich unterstellt, dass Pakistan und Bangladesch zusammengenommen im Jahr 1950 dasselbe durchschnittliche Pro-Kopf-BIP (in internationalen Dollar von 1990) wie Indien hatten. Bangladesch und Pakistan stellten 1950 gewissermaßen zwei „Flügel“ des ehemaligen Pakistan dar. Ihr relatives BIP-Niveau im Jahr 1950 wurde entnommen aus Planning Commission, Reports of the Advisory Panels for the Fourth Five-Year Plan, Government of Pakistan, Islamabad, Juli 1970, S. 136. Birma (Myanmar): Es wurde unterstellt, dass sich die Bevölkerung im Zeitraum 1820-1870 proportional zu der Indiens entwickelt hat; die Bevölkerungsdaten für 1870-1941 wurden abgeleitet aus Aye Hlaing (1964), ab 1950 vom US Bureau of the Census. Die Daten über die Entstehung des Nettoinlandsprodukts nach Wirtschaftszweigen zu Preisen von 1901 im Zeitraum 1901-1938 stammen aus Aye Hlaing, „Trends of Economic Growth and Income Distribution in Burma 1870-1940“, Journal of the Burma Research Society, 1964, S. 144, in Verbindung mit Schätzungen der Entstehung des BIP nach Wirtschaftszweigen zu Preisen von 1947/48 für den Zeitraum 1938-1959 in E.E. Hagen, On the Theory of Social Change, Dorsey, Homewood, Illinois, 1962, in Verbindung mit Schätzungen des OECD-Entwicklungszentrums für 1950-1978. Die BIP-Daten ab 1978 stammen von der ADB. Die Schätzungen des BIP-Niveaus im Referenzjahr 1990 in Geary-Khamis-Dollar von 1990 wurden abgeleitet aus R. Summers und A. Heston, Penn World Tables, Fassung 5.6. China: Die Daten über das BIP-Niveau und die Bevölkerung im Zeitraum 1820-1995 sind entnommen aus A. Maddison, Chinese Economic Performance in the Long Run, OECD Entwicklungszentrum, 1998, S. 158-159 und S. 169, während die BIP-Daten für den Zeitraum 1950-1952 aus Maddison (1995a) stammen. Die BIP-Daten für den Zeitraum 1995-1998 wurden abgeleitet aus China Statistical Yearbook 1999, State Statistical Bureau, Beijing, 1999, S. 58. Den chinesischen Behörden zufolge belief sich das BIP-Wachstum im Zeitraum 1995-1998 auf jährlich durchschnittlich 8,7%. Ich habe mir erlaubt, diese Zahl anhand eines aus Maddison (1998a), S. 160, abgeleiteten Koeffizienten für den Zeitraum 1978-1995 auf 6,6% zu korrigieren. Vgl. Xu (1999) wegen eines Kommentars zu den 224 Anhang A Schätzungen in Maddison (1998a), abgegeben vom stellvertretenden Leiter des Büros für Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen im Chinesischen Statistischen Amt (SSB). Vgl. Tabelle A.3g wegen des BIP-Niveaus im Referenzjahr 1990. Hongkong: Die demographischen Angaben für den Zeitraum 1820-1950 stammen aus Maddison (1998a), S. 170, für den Zeitraum 1950-1989 vom US Bureau of the Census und ab 1990 von der ADB. Die BIP-Angaben für den Zeitraum 1950-1961 wurden abgeleitet aus K.R. Chou, The Hong Kong Economy, Academic Publications, Hongkong, 1966, S. 81, und für 1961-1998 aus Estimates of Gross Domestic Product 1961 to 1998, Census and Statistics Dept., Hongkong, März 1999, S. 14. Das BIP-Niveau im Referenzjahr 1990 wurde ermittelt durch Aktualisierung der ICP-5-Daten (vgl. Tabelle A3.g). Indien: Die demographischen Angaben für den Zeitraum 1820-1900 stammen aus Maddison (1995a), für die Zeit danach von Sivasubramonian, die Zahlen beziehen sich jeweils auf den 1. Oktober (Mitte des Finanzjahrs). Die nach Wirtschaftszweigen der Entstehung aufgeschlüsselten BIP-Daten zu Preisen von 1948/49 für die Finanzjahre beziehen sich auf das ungeteilte Indien im Zeitraum 1900-1946, die Angaben über Indien für den Zeitraum 1946-1998 wurden abgeleitet aus S. Sivasubramonian, „Twentieth Century Economic Performance of India“, in A. Maddison, D.S. Prasada Rao und W. Shepherd (Hrsg.), The Asian Economies in the Twentieth Century, Elgar, Aldershot, London, 2001. Die Daten über die BIP-Veränderungen im Zeitraum 1870-1900 ergaben sich durch die Verbindung von Schätzungen des Nettoprodukts in neun Sektoren zu konstanten Preisen in A. Heston, „National Income“ sowie in D. Kumar und M. Desai, Cambridge Economic History of India, Bd. 2, Cambridge, 1983, S. 397-398, mit den Schätzungen von Sivasubramonian über das Niveau der sektoralen Produktion im Jahr 1900 (vgl. Tabelle A.h). Es wurde unterstellt, dass das Pro-Kopf-BIP des Jahrs 1820 mit dem des Jahrs 1870 identisch war. Das BIP-Niveau im Referenzjahr 1990 wurde von ICP-4-Daten abgeleitet, vgl. Tabelle A3.g. Indonesien: Die Daten betreffend das Realeinkommen der drei ethnischen Gruppen (Einheimische, ausländische Asiaten und „Europäer“) im Zeitraum 1820-1870 stammen aus A. Maddison, „Dutch Income in and from Indonesia“, Modern Asian Studies, 23.4 (1989), S. 663-665. Die Angaben über die BIP-Veränderungen (aufgeschlüsselt nach Wirtschaftszweigen der Entstehung) im Zeitraum 1870-1900 zu Preisen von 1983 lieferte Pierre van der Eng. Hierbei handelt es sich um eine Revision der Schätzungen in seinem Artikel „The Real Domestic Product of Indonesia, 1880-1989“, Explorations in Economic History, Juli 1992. Die Angaben für 1900-1998 sind P. van der Eng, „Indonesia’s Growth Performance in the Twentieth Century“, in A. Maddison, D.S. Prasada Rao und W. Shepherd (Hrsg.), The Asian Economies in the Twentieth Century, Elgar, Aldershot, 2001, entnommen. Die demographischen Daten für den Zeitraum 1820-1890 stammen aus denselben Quellen wie jene für das BIP, ab 1990 von der ADB. Das BIP-Niveau für das Referenzjahr 1990 wurde von ICP-4-Daten abgeleitet (vgl. Tabelle A.3g). Japan: Die Bevölkerungsdaten für 1820-1960 stammen aus Maddison (1995a), aktualisiert mit OECD-Quellen. Die BIP-Daten (aufgeschlüsselt nach Wirtschaftszweigen der Entstehung) für den Zeitraum 1890-1940 zu Marktpreisen von 1934-1936 stammen aus K. Ohkawa und M. Shinohara (Hrsg.), Patterns of Japanese Development: A Quantitative Appraisal, Yale, 1979, S. 278-280. Hierbei handelt es sich um eine Zusammenfassung der Ergebnisse in K. Ohkawa, M. Shinohara und M. Umemura (Hrsg.), Estimates of Long-Term Economic Statistics of Japan since 1868, (LTES), veröffentlicht in 14 Bänden zwischen 1966 und 1988. Ohkawa und Shinohara (1979) reproduzieren die Schätzungen des nach Wirtschaftszweigen der Entstehung aufgeschlüsselten BIP mit einigen kleinen Änderungen in LTES, Band 1 (1974), S. 227. In den LTES-Bänden sollte ursprünglich die gesamte Meiji-Ära bis zurück zum Jahr 1868 behandelt werden, doch wurden BIP-Gesamtdaten lediglich bis zum Jahr 1885 veröffentlicht, obwohl einige dieser Veröffentlichungen Schätzungen für frühere Jahre enthielten. Der Hauptgrund für die Zurückhaltung von Ohkawa und Shinohara ist darin 225 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle A.h Indien: BIP, Bevölkerung und Pro-Kopf-BIP, 1820–1998a BIP (Mio. int. $ von 1990) a) Bevölkerung Pro-Kopf-BIP (Mio.) (int. $ von 1990) 1820 111 417 209.0 533 1870 134 882 253.0 533 1900 1901 1902 1903 1904 1905 1906 1907 1908 1909 1910 1911 1912 1913 1914 1915 1916 1917 1918 1919 1920 1921 1922 1923 1924 1925 1926 1927 1928 1929 1930 1931 1932 1933 1934 1935 1936 1937 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944 1945 1946 170 466 173 957 188 504 191 141 192 060 188 587 193 979 182 234 184 844 210 241 210 439 209 354 208 946 204 242 215 400 210 110 216 245 212 341 185 202 210 730 194 051 208 785 217 594 210 511 220 763 223 375 230 410 230 426 232 745 242 409 244 097 242 489 245 209 245 433 247 712 245 361 254 896 250 768 251 375 256 924 265 455 270 531 269 278 279 898 276 954 272 503 258 164 284.5 286.2 288.0 289.7 291.5 293.3 295.1 296.9 298.7 300.5 302.1 303.1 303.4 303.7 304.0 304.2 304.5 304.8 305.1 305.3 305.6 307.3 310.4 313.6 316.7 319.9 323.2 326.4 329.7 333.1 336.4 341.0 345.2 345.8 350.7 355.6 360.6 365.7 370.9 376.1 381.4 386.8 391.7 396.3 400.3 405.6 410.4 599 608 655 660 659 643 657 614 619 700 697 691 689 673 709 691 710 697 607 690 635 679 701 671 697 698 713 706 706 728 726 711 710 710 706 690 707 686 678 683 696 699 687 706 692 672 629 BIP (Mio. int. $ von 1990) 1946 1947 1948 1949 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 212 622 213 680 215 927 221 631 222 222 227 362 234 148 248 963 259 262 265 527 280 978 277 924 299 137 305 499 326 910 336 744 344 204 361 442 389 262 373 814 377 207 408 349 418 907 446 872 469 584 474 238 472 766 494 832 500 146 544 683 551 402 593 834 625 695 594 510 637 202 675 882 697 705 753 942 783 042 814 344 848 990 886 154 978 822 1 043 912 1 098 100 1 104 114 1 161 769 1 233 796 1 330 036 1 425 798 1 532 733 1 609 371 1 702 712 Bevölkerung Pro-Kopf-BIP (Mio.) (int. $ von 1990) 343 346 350 355 359 365 372 379 386 393 401 409 418 426 434 444 454 464 474 485 495 506 518 529 541 554 567 580 593 607 620 634 648 664 679 692 708 723 739 755 771 788 805 822 839 856 872 891 908 927 943 959 975 620 618 617 624 619 623 629 657 672 676 701 680 716 717 753 758 758 779 821 771 762 807 809 845 868 856 834 853 843 897 889 937 966 895 938 977 985 1 043 1 060 1 079 1 101 1 125 1 216 1 270 1 309 1 290 1 332 1 385 1 465 1 538 1 625 1 678 1 746 Die Zahlen für 1820-1946 beziehen sich auf das ungeteilte Indien, jene für 1946-1998 auf das moderne Indien, wobei es 1946 zu Überschneidungen kommt, da für jenes Jahr zwei Zahlen angegeben werden, die die Auswirkungen der Teilung veranschaulichen. 226 Anhang A Tabelle A.i Rekonstruktion des japanischen BIP nach Wirtschaftszweigen, 1874–1890 (in Mio. Yen zu Preisen von 1934-1936) 1874 1875 1876 1877 1878 1879 1880 1881 1882 1883 1884 1885 1886 1887 1888 1889 1890 Quelle: LFF (1) VIB (2) 1 300 1 444 1 388 1 437 1 416 1 514 1 580 1 497 1 537 1 529 1 426 1 637 1 748 1 808 1 749 1 578 1 848 207 225 226 240 249 266 277 274 280 281 293 266 307 328 331 374 369 Bauw. (3) GI (4) Zwischensumme (5) SD (6) WR (7) BIP (8) 61 50 49 48 48 57 68 73 82 85 74 88 87 116 99 115 127 28 30 31 33 35 38 40 42 45 48 51 54 58 60 65 67 73 1 596 1 749 1 694 1 758 1 748 1 875 1 965 1 886 1 944 1 943 1 844 2 045 2 200 2 312 2 244 2 134 2 417 1 418 1 506 1 480 1 520 1 519 1 593 1 648 1 608 1 644 1 648 1 598 1 713 1 833 1 908 1 778 2 085 2 217 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 137 138 142 144 3 139 3 381 3 301 3 406 3 396 3 598 3 744 3 626 3 721 3 725 3 775 3 894 4 170 4 357 4 160 4 361 4 778 Die Daten für das Referenzjahr 1890 stammen aus Ohkawa, Takamatsu und Yamamoto, National Income (1974) (Bd. 1 von LTES), S. 227. Spalte 1 bezieht sich auf die Bruttowertschöpfung in der Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei (LFF). Es handelt sich um eine Korrektur der Schätzung der landwirtschaftlichen Bruttoproduktion im Zeitraum 1874-1889 (Bd. 9, S. 152, in Übereinstimmung mit den Ergebnissen von Yamada und Hayami (1979), S. 233. Die Angaben betreffend den Gesamtaufwand an Produktionsfaktoren im Landwirtschaftssektor stammen aus Bd. 9, S. 186, jene der Wertschöpfung in der Forstwirtschaft von S. 234. Die Angaben über die Wertschöpfung in der Fischerei aus Bd. 1, S. 228, in Verbindung mit Schätzungen für frühere Jahre in Ohkawa (1957), S. 72. Spalte 2 bezieht sich auf die Bruttowertschöpfung in der Verarbeitenden Industrie und im Bergbau (VIB). Die Angaben für 1885-1890 sind Bd. 1, S. 227, entnommen; die Angaben für 1874-1885 wurden abgeleitet von Shinoharas Schätzungen in Bd. 10, S. 145 und 243 für die Bruttoproduktion und unter der Annahme, dass das 1885 geltende Verhältnis von Wertschöpfung zu Bruttoproduktion (30%) ebenfalls für den Zeitraum 1874-1884 gültig war. Spalte 3 bezieht sich auf die Bauwirtschaft (Bauw.); die Angaben für 1885-1890 stammen aus Bd. 1, S. 227, bei den Angaben für 1874-1885 wurde unterstellt, dass sie sich in Übereinstimmung mit den Investitionen in der Bauwirtschaft entwickelt haben (Bd. 4, S. 230). Spalte 4 bezieht sich auf Verkehr, Kommunikationen, Elektrizität, Gas und Wasser, die nach Ohkawa so genannten “flankierenden Industrien” (FI). Die Angaben für 1885-1890 stammen aus Bd. 1, S. 227, wobei unterstellt wurde, dass dieser Wirtschaftszweig dieselbe Wachstumsrate wie im Zeitraum 1874-1884 aufwies. Spalte 5 stellt die Zwischensumme der Spalten 1 bis 4 dar. Spalte 6 bezieht sich auf die “sonstigen Dienstleistungen” (SD), d.h. Handel, öffentliche Verwaltung und Militär, Bildung, freiberufliche Dienstleistungen sowie häusliche Dienste; die Schätzungen für 1885-1890 stammen aus Bd. 1, S. 227. Bezüglich der Angaben für 1874-1884 wurde unterstellt, dass sich zwei Drittel des Volumens dieser Dienstleistungen parallel zu der Zwischensumme in Spalte 5 und ein Drittel parallel zur Bevölkerung entwickelt hat. Spalte 7 bezieht sich auf die Abschreibung der Wohngebäude und Reparaturarbeiten (AWR). In LTES wurden Wohnungsmieten nicht berücksichtigt; die Angaben für 1885-1890 stammen aus Bd. 1, S. 227; bei jenen für 1874-1884 wurde unterstellt, dass sie sich in Übereinstimmung mit der Bevölkerung entwickelt haben. Spalte 8 entspricht dem BIP und stellt die Summe der Spalten 5, 6 und 7 dar. zu sehen, dass die in dem 1966 veröffentlichten Band 9 „On Agriculture and Forestry“ enthaltenen Schätzungen von James Nakamura, Agricultural Production and the Economic Development of Japan, 1873-1922, Princeton, 1966, wegen einer Überzeichnung der Zuwachsraten der Reisproduktion in den Anfangsjahren der Meiji-Ära kritisiert worden waren. Zudem gab es auch einige Lücken in der Datenbasis, was die Vorsicht der Autoren in Bezug auf die Schätzung des Gesamt-BIP für die Jahre vor 1885 noch verstärkte. 1979 wurden neue Schätzungen der Reisproduktion für den Zeitraum 1874-1889 verfügbar (vgl. Saburo Yamada und Yujiro Hayami, „Agricultural Growth in Japan, 1880-1970“, in Y. Hayami, V.W. Ruttan und H.M. Southworth (Hrsg.), Agricultural Growth in Japan, Taiwan, Korea and the Philippines, Asian Productivity Center, Honolulu, 1979, S. 233). Diese Quelle wurde herangezogen, um die in LTES aufgestellten BIP-Schätzungen für den Landwirtschaftssektor zu revidieren und grobe Schätzungen zur Schließung der Lücken in den Datenreihen aufzustellen, wobei das BIP für 1874-1889 unter Verwendung derselben Gewichtungen wie in LTES (vgl. Tabelle A.i) zu Preisen von 1934-1936 geschätzt wurde. Die BIP-Wachstumsraten für 1820-1874 wurden Anhang B entnommen. 227 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle A.j Japan: BIP, Bevölkerung und Pro-Kopf-BIP, 1820-1998 BIP (Mio. int. $) Bevölkerung Pro-Kopf-BIP (Tsd.) (internat. $ von 1990) 1820 20 739 31 000 669 1870 1871 1872 1873 1874 1875 1876 1877 1878 1879 1880 1881 1882 1883 1884 1885 1886 1887 1888 1889 1890 1891 1892 1893 1894 1895 1896 1897 1898 1899 1900 1901 1902 1903 1904 1905 1906 1907 1908 1909 1910 1911 1912 1913 1914 1915 1916 1917 1918 1919 1920 1921 1922 1923 1924 1925 1926 1927 1928 1929 1930 1931 1932 1933 25 393 34 437 34 648 34 859 35 070 35 235 35 436 35 713 36 018 36 315 36 557 36 807 37 112 37 414 37 766 38 138 38 427 38 622 38 866 39 251 39 688 40 077 40 380 40 684 41 001 41 350 41 775 42 196 42 643 43 145 43 626 44 103 44 662 45 255 45 841 46 378 46 829 47 227 47 691 48 260 48 869 49 518 50 215 50 941 51 672 52 396 53 124 53 815 54 437 54 886 55 253 55 818 56 490 57 209 57 937 58 686 59 522 60 490 61 430 62 361 63 244 64 203 65 205 66 189 67 182 737 26 644 28 698 28 019 28 910 28 825 30 540 31 779 30 777 31 584 31 618 31 872 33 052 35 395 36 982 35 310 37 016 40 556 38 621 41 200 41 344 46 287 46 933 44 353 45 284 53 883 49 870 52 020 53 883 51 088 54 672 55 101 54 169 61 263 63 198 63 628 63 556 64 559 68 070 70 507 71 563 69 504 75 952 87 702 90 641 91 572 100 959 94 653 105 043 104 756 104 828 107 766 112 208 113 211 114 859 124 246 128 115 118 800 119 803 129 835 142 589 BIP (Mio. int. $) 1934 1935 1936 1937 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944 1945 1946 1947 1948 1949 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 756 810 785 803 794 835 863 829 844 837 836 860 916 952 900 933 1 012 956 1 013 1 008 1 119 1 123 1 051 1 062 1 249 1 143 1 180 1 206 1 129 1 193 1 188 1 157 1 297 1 325 1 318 1 301 1 304 1 356 1 384 1 385 1 327 1 430 1 630 1 665 1 668 1 827 1 696 1 859 1 831 1 809 1 836 1 885 1 872 1 870 1 992 2 026 1 850 1 837 1 962 2 122 228 142 876 146 817 157 493 165 017 176 050 203 780 209 728 214 392 214 853 211 431 206 747 156 805 120 017 125 433 135 352 138 867 160 966 181 025 202 005 216 889 229 151 248 855 267 567 287 130 303 857 331 570 375 090 420 246 457 742 496 514 554 449 586 744 649 189 721 132 813 984 915 556 1 013 602 1 061 230 1 150 516 1 242 932 1 227 706 1 265 661 1 315 966 1 373 741 1 446 165 1 525 477 1 568 457 1 618 185 1 667 653 1 706 380 1 773 223 1 851 315 1 904 918 1 984 142 2 107 060 2 208 858 2 321 153 2 409 305 2 433 924 2 441 512 2 457 252 2 493 399 2 591 213 2 613 154 2 539 986 Bevölkerung Pro-Kopf-BIP (Tsd.) (internat. $ von 1990) 68 090 69 238 70 171 71 278 71 879 72 364 72 967 74 005 75 029 76 005 77 178 76 224 77 199 78 119 80 155 81 971 83 563 84 974 86 293 87 463 88 752 89 790 90 727 91 513 92 349 93 237 94 053 94 890 95 797 96 765 97 793 98 883 99 790 100 850 102 050 103 231 104 334 105 677 107 179 108 660 110 160 111 520 112 770 113 880 114 920 115 880 116 800 117 650 118 450 119 260 120 020 120 750 121 490 122 090 122 610 123 120 123 540 123 920 124 320 124 670 124 960 125 570 125 864 126 166 126 469 2 098 2 120 2 244 2 315 2 449 2 816 2 874 2 897 2 864 2 782 2 679 2 057 1 555 1 606 1 689 1 694 1 926 2 130 2 341 2 480 2 582 2 772 2 949 3 138 3 290 3 556 3 988 4 429 4 778 5 131 5 670 5 934 6 506 7 151 7 976 8 869 9 715 10 042 10 735 11 439 11 145 11 349 11 669 12 063 12 584 13 164 13 429 13 754 14 079 14 308 14 774 15 332 15 680 16 251 17 185 17 941 18 789 19 442 19 578 19 584 19 664 19 857 20 587 20 712 20 084 Anhang A Die in LTES (Band 1, S. 214) enthaltenen BIP-Schätzungen für 1940-1950 wurden von Toshiyuki Mizoguchi und Noriyuki Nojima, „Nominal and Real GDP in Japan: 1940-1955“ revidiert, und diese Untersuchungen wurden in einer englischen Übersetzung zusammengefasst in T. Mizoguchi, Reforms of Statistical System under Socio-Economic Changes, Maruzen, Tokyo, 1995, S. 225. Ich habe diese Schätzungen (zu Preisen von 1955 nach Wirtschaftszweigen der Entstehung) für die Jahre von 19401950 herangezogen. Die Daten für den Zeitraum 1950-1960 wurden abgeleitet aus Maddison (1995a), die für 1960-1990 aus OECD, National Accounts 1960-1997, Bd. 1, 1999. Ab 1990 stammen die Daten aus National Accounts of OECD-Countries 1988-1998, Bd. 1, 2000. Das BIP-Niveau für das Referenzjahr 1990 wurde von ICP-6-Daten abgeleitet (vgl. Tabelle A3.g). Malaysia: Die demographischen Daten betreffen das moderne Malaysia (die alten föderierten und nicht föderierten malaysischen Staaten, Sabah und Sarawak), ohne Brunei und Singapur; sie beruhen für den Zeitraum 1820-1913 auf Schätzungen von Don Hoerr, die Angaben zur Bevölkerungsentwicklung 1913-1950 wurden freundlicherweise von Pierre van der Eng zur Verfügung gestellt, Daten ab 1950 vom US Bureau of the Census. Die Angaben zur BIP-Entwicklung 1913-1990 beruhen auf vorläufigen Schätzungen von Pierre van der Eng. Es handelt sich hierbei um eine Fortschreibung der Schätzungen über die Entstehung des BIP nach Wirtschaftszweigen für Westmalaysia in V.V. Bhanoji Rao, National Accounts of West Malaysia 1947-1971, Heinemann, Kuala Lumpur, 1976, die berichtigt wurden, um Sabah und Sarawak einzubeziehen. Die Daten ab 1990 stammen von der ADB. Das BIP-Niveau im Referenzjahr 1990 wurde von ICP-7-Daten abgeleitet (vgl. Tabelle A3.h). Nepal: Es wurde unterstellt, dass sich die Bevölkerung im Zeitraum 1820-1913 proportional zu der Indiens entwickelt hat. Die Angaben ab 1913 wurden entnommen aus Völkerbund, International Statistical Yearbook, 1927, Genf, 1928, S. 2-3; jene ab 1950 stammen vom US Bureau of the Census. Die Angaben über die BIP-Entwicklung im Zeitraum 1950-1990 stammen aus der Datenbank von Maddison (1995a), ab 1990 von der ADB. Das BIP-Niveau für das Referenzjahr 1990 wurden von ICP-7-Daten abgeleitet (vgl. Tabelle A3.h). Pakistan: Wie für Bangladesch. Philippinen: Die Bevölkerungsdaten für 1820-1913 stammen aus Maddison (1995a), ab 1950 vom US Bureau of the Census. Die Daten über die BIP-Entwicklung im Zeitraum 1950-1990 wurden abgeleitet von Schätzungen des National Statistical Coordination Board, Manila, ab 1990 stammen sie von der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB), Key Indicators of Developing Asian and Pacific Countries, Manila, aktualisiert nach ADB. In Maddison (1995a) habe ich die Schätzungen von Hooley (1968) für 1913-1950 zu Grunde gelegt, die ein Pro-Kopf-BIP für 1950 ergaben, das weit unter jenem von 1913 lag. Er hat seine Schätzungen von 1968 seitdem erheblich revidiert, was zu wesentlich besseren Ergebnissen für 1913-1950 führt. Ich bin von der vorläufigen Hypothese ausgegangen, dass das Pro-Kopf-BIP 1950 ungefähr dem von 1913 entsprach. Das BIP-Niveau im Referenzjahr 1990 wurden von ICP-4-Daten abgeleitet (vgl. Tabelle A3.d). Singapur: Die Bevölkerungsdaten für 1820-1998 gehen auf dieselben Quellen wie für Malaysia zurück. Hinsichtlich des Pro-Kopf-BIP im Zeitraum 1913-1950 wurde unterstellt, dass es sich proportional zu dem in Malaysia entwickelt hat. Die Angaben über die BIP-Entwicklung in den Jahren 1950-1973 sind der Datenbank von Maddison (1995a) entnommen, die für 1973-1990 der Weltbank, World Tables 1995, jene ab 1990 der ADB. Das BIP-Niveau im Referenzjahr 1990 wurden von ICP-7Daten abgeleitet (vgl. Tabelle A3.h). Südkorea: Die Schätzungen beziehen sich auf Gesamtkorea für den Zeitraum 1820-1913 und auf Südkorea ab 1950. Die demographischen Daten für die Periode 1820-1906 stammen aus T.H. Kwon und Y-H. Shin, „On Population Estimates of the Yi Dynasty, 1392-1910“, Tong-a 229 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Munhwa, 14, 1977, S. 324-329. Die Angaben für 1906-1938 sind Mizoguchi und Umemura (1988), S. 238, jene für 1940 von Kim und Roemer (1979), S. 23, entnommen. Die Bevölkerungsdaten ab 1950 stammen vom Center for International Research, US Bureau of the Census. Die koreanischen BIP-Daten für den Zeitraum 1911-1938 wurden abgeleitet aus T. Mizoguchi und M. Umemura, Basic Economic Statistics of Former Japanese Colonies, 1895-1938, Toyo Keizai Shinposha, Tokyo, 1988, S. 238. Die Autoren liefern jährliche Schätzungen von zwei globalen Messgrößen: die Bruttoinlandsausgaben und das Nettoinlandsprodukt zu Faktorkosten (beide zu Preisen von 1934-1936). Für den Zeitraum 1913-1938 ergab sich eine kumulierte jährliche Zuwachsrate von 3,68% für das Nettoinlandsprodukt und von 4,6% für die Bruttoinlandsausgaben. Ich habe die Ausgabenschätzungen verwendet. Bei Sang-Chul Suh, Growth and Structural Changes in the Korean Economy, 1910-1940, Harvard University Press, Cambridge, Mass., 1978, S. 171, finden sich jährliche Schätzungen des Nettoproduktionswerts für fünf grundstofforientierte Sektoren (Land- und Forstwirtschaft, Fischerei, Bergbau und Verarbeitendes Gewerbe) für den Zeitraum 1910-1940 zu Preisen von 1936. Die globale Messgröße ergibt für 1913-1938 ein langsameres Wachstum als bei Mizoguchi und Umemura (jährliche Zuwachsrate von 3,07%). Ich habe die Schätzungen Suhs bezüglich der Grundstoffsektoren in Verbindung mit einer groben Schätzung für den Dienstleistungssektor (in der Annahme, dass sich die Produktion im Dienstleistungssektor parallel zur Bevölkerung entwickelt hat) als eine annähernde Ersatzvariable für die BIP-Veränderungen im Zeitraum 1938-1940 verwendet. Die Angaben über die demographische Entwicklung 1938-1940 wurden abgeleitet aus Suh, S. 41, wobei die Berechnungsbasis vom Jahresende auf die Jahresmitte umgestellt wurde. Die koreanische Wirtschaft wurde 1945 in zwei Besatzungszonen gespalten, und seitdem haben sich auf der Halbinsel zwei unterschiedliche Volkswirtschaften entwickelt. Suh (S. 136) lieferte eine Aufschlüsselung der Warenproduktion für seine fünf Sektoren zwischen Nord- und Südkorea für die Jahre 1934, 1935, 1939 und 1940. Die Warensektoren können auf der Basis der Marktanteile zu jeweiligen Preisen, wie auf den Seiten 160-166 dargelegt, aggregiert werden. Der Anteil Nordkoreas erhöhte sich zwischen 1934 und 1940 von 37,2% der gesamten Warenproduktion auf 45,2%. Im selben Zeitraum nahm der Bevölkerungsanteil Nordkoreas von 32,4% auf 33,6% zu, so dass die Pro-Kopf-Warenproduktion 1934 höher als im Süden war, und diese Differenz hat sich bis 1940 wegen der Konzentration der japanischen Investitionen im Verarbeitenden Gewerbe und Bergbau Nordkoreas zur Flankierung der Aktivitäten in Manchukuo noch wesentlich vergrößert. Werden die Schätzungen Suhs für die Warenproduktion in Nord- und Südkorea mit Hilfe einer groben Messgröße für die Dienstleistungstätigkeit ergänzt, ergibt sich, dass das Pro-Kopf-BIP in Nordkorea 1940 offenbar um rd. 49% höher als in Südkorea war. Kwang Suk Kim und M. Roemer (Growth and Structural Transformation, Harvard University Press, 1979, S. 35) haben das Niveau der Warenproduktion nach Sektoren in Südkorea für die Jahre 1940 und 1953 zu Preisen von 1953 geschätzt, und diese Werte wurden von mir nach einer näherungsweisen Berichtigung um die Produktion des Dienstleistungssektors auf eine BIP-Basis umgestellt. Eine solche Korrelation ist nicht sehr zufriedenstellend, da sie auf einer Neubewertung der Suh’schen Schätzung der südkoreanischen Warenproduktion im Jahr 1940 (zu Preisen von 1940) zu Preisen von 1953 beruhte, wozu eine Vielzahl von Preisindizes herangezogen und diese Werte dann den mittels einer unabhängigen Schätzung ermittelten Daten für die Warenproduktion im Jahr 1953 zu Preisen von 1953 gegenübergestellt wurden. Die Ergebnisse wären zufriedenstellender gewesen, wenn es Kim und Roemer gelungen wäre, quantitative Indikatoren für die realen Veränderungen zwischen den beiden Jahren zu finden. Es handelt sich jedoch um die beste Korrelation, die bei dem derzeitigen Stand der Forschung verfügbar ist. Die Daten über die BIP-Veränderungen in Südkorea für den Zeitraum 1950-1953 stammen aus Maddison (1970), S. 300-301, für 1953-1970 aus National Income in Korea 1975, Bank of Korea, S. 142-143, jene für 1970-1990 aus OECD, National Accounts 1960-1997, Bd. 1, Paris, 1999. Die Daten ab 1990 stammen aus National Accounts of OECD Countries 1988-1998, Bd. 1, 2000. 230 Anhang A Sri Lanka: Die demographischen Daten für 1820-1913 wurden abgeleitet aus N.K. Sarkar, The Demography of Ceylon, Ceylon Government Press, Colombo, 1957, S. 22, mittels einer Interpolation seiner Referenzschätzungen für 1814-1921; die Zahlen ab 1950 stammen vom US Bureau of the Census. Die Angaben über die BIP-Veränderungen im Zeitraum 1870-1950 wurden abgeleitet aus dem umfangreichen Statistischen Anhang bei D.R. Snodgrass, Ceylon: An Export Economy in Transition, Irwin Illinois, 1966. Die BIP-Daten zu Faktorkosten nach Wirtschaftszweigen der Entstehung zu Preisen von 1950 für das Referenzjahr 1950 wurden in 14 Sektoren aufgeschlüsselt (S. 279). Die jährlichen realen Veränderungen in diesen Sektoren im Zeitraum 1870-1950 wurden wie folgt abgeleitet: Exportkulturen (Tee und weniger bedeutende Produkte der großen Plantagen, Kautschuk, Kokosnusserzeugnisse) von S. 357-360, Nahrungsmittelkulturen von Reisanbaugebieten und andere Kulturen (S. 333); es wurde unterstellt, dass sich die Wertschöpfung im Bergbau und im Verarbeitenden Gewerbe parallel zur Beschäftigung entwickelte (S. 322); für die Bauwirtschaft, den Groß- und Einzelhandel, sowie den Banken- und Versicherungssektor wurde eine parallel zur gesamten Warenproduktion (in der Landwirtschaft und Industrie) verlaufende Entwicklung angenommen; für die Sektoren Verkehr, Kommunikation und Versorgungsunternehmen wurde eine parallel zu den Veränderungen des Eisenbahnfrachtverkehrs verlaufende Entwicklung unterstellt (S. 351). Bei den sonstigen Dienstleistungen (namentlich Wohnungen, öffentliche Verwaltung und Verteidigung) wurde angenommen, dass sie sich parallel zur Bevölkerung entwickelt haben. Diese groben Schätzungen für 1870-1950 haben vorläufigen Charakter, und sie werden anhand einer eingehenderen Analyse von Pierre van der Eng und mir selbst noch verfeinert werden. Die Daten zu den BIP-Veränderungen im Zeitraum 1950-1985 stammen aus H.J. Bruton und Associates, Political Economy of Poverty, Equity and Growth: Sri Lanka and Malaysia, Oxford University Press, 1992, S. 375, die Angaben für 1985-1990 aus Weltbank, World Tables (1995), aktualisiert auf der Grundlage von ADB-Daten. Das BIP-Niveau im Referenzjahr 1990 wurde von ICP-5-Daten abgeleitet (vgl. Tabelle A3.g). Taiwan: Die Bevölkerungsdaten für 1820-1990 stammen aus Maddison (1998a) und wurden auf der Basis von ADB-Daten aktualisiert. Die BIP-Daten für 1913-1990 stammen aus Toshiyuki Mizoguchi, Long-Term Economic Statistics of Taiwan: 1905-1990, Institute of Economic Research, Hitotsubashi University, 1999. Darin sind zwei globale Schätzungen (zu Preisen von 1960) angegeben, eine für die Bruttoinlandsausgaben, die andere für das BIP nach Wirtschaftszweigen der Entstehung. Im Zeitraum 1913-1951 weisen die realen Veränderungsraten keine große Differenz auf, während danach eine erhebliche Diskrepanz festzustellen ist. Ich bin von den realen Veränderungen ausgegangen, wie sie aus Mizoguchis Messgröße für die Bruttoinlandsausgaben für den Zeitraum 1913-1990 hervorgehen, und habe die in diesen Reihen vorhandene Lücke für 1950 geschlossen, ausgehend von der Arbeitshypothese, dass die Veränderungsraten im Zeitraum 1950-1951 proportional mit den Schätzungen übereinstimmten, die er für die Entstehung des BIP nach Wirtschaftszweigen angesetzt hat. Die BIP-Veränderungsraten ab 1990 stammen von der ADB. Das BIP-Niveau für das Referenzjahr 1990 wurde aus Angaben von Summers und Heston abgeleitet, Penn World Tables, Version 5.6. Thailand: Die Bevölkerungsdaten für 1820-1913 stammen aus Maddison (1995a), ab 1950 vom US Bureau of the Census. Die BIP-Veränderungsraten für 1870-1951 sind Quellen entnommen, die in Maddison (1995a) zitiert wurden, für 1951-1996 National Income of Thailand 1951-1996, National Economic and Social Development Board, Bangkok, aktualisiert auf der Basis von ADB-Daten. Das BIP-Niveau für das Referenzjahr 1990 wurde aus ICP-5-Daten abgeleitet (vgl. Tabelle A3.g). 231 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive 25 ostasiatische Länder Die Qualität der Schätzungen für diese Länder ist deutlich geringer als die Daten für die vorangegangene Gruppe von 16 Ländern. Afghanistan: Die demographischen Daten für 1820-1913 stammen aus McEvedy und Jones (1978), ab 1950 vom US Bureau of the Census. Die BIP-Veränderungsraten für 1950-1990 wurden der Datenbank des OECD-Entwicklungszentrums entnommen und auf der Basis von IWF-Daten aktualisiert (World Economic Outlook, Mai 1999, S. 147). Es lagen weder ICP- noch PWT-Schätzungen für das Realprodukt im Jahr 1990 vor; es wurde unterstellt, dass sich das Pro-Kopf-BIP 1990 auf 600 $ belief. Kambodscha: Die Daten über die Bevölkerungsentwicklung im Zeitraum 1820-1913 stammen aus McEvedy und Jones (1978), ab 1950 vom US Bureau of the Census. Die Angaben über Niveau und Entwicklung des BIP im Zeitraum 1950-1990 sind Maddison (1995a), S. 219, und der dazu gehörenden Datenbank entnommen, sie wurden auf der Basis von ADB-Daten aktualisiert. Laos: Es wurde unterstellt, dass sich die Bevölkerung im Zeitraum 1820-1913 proportional zu der in Vietnam entwickelt hat, die Daten ab 1950 stammen vom US Bureau of the Census. Die in Maddison (1995a) enthaltenen Veränderungsraten der Produktion für den Zeitraum 1950-1990 und die der ADB entnommenen Daten für 1990-1998 basierten überwiegend auf dem Materialprodukt anstatt auf dem BIP und überzeichneten infolgedessen das Wachstum. Ich habe diese Werte unter Verwendung desselben negativen Korrekturfaktors wie für China auf eine BIP-Basis umgerechnet. Das BIP-Niveau für das Referenzjahr 1990 wurde abgeleitet von ICP-7-Daten (vgl. Tabelle A3.h). Mongolei: Die demographischen Angaben für 1820-1913 stammen aus McEvedy und Jones (1978), ab 1950 vom US Bureau of the Census. Bei den BIP-Veränderungsraten für den Zeitraum 1980-1998 handelt es sich um ADB-Daten. Für die BIP-Veränderungsraten im Zeitraum 1950-1980 liegen keine Schätzungen vor. Hinsichtlich der tendenziellen Entwicklung des Pro-Kopf-BIP im Zeitraum 1950-1980 wurde unterstellt, dass sie der in China entsprach. Die Daten über das Pro-Kopf-BIP in internationalen Dollar im Jahr 1990 wurden abgeleitet von OECD, A PPP Comparison for the NIS, Paris, Februar 2000, S. B.24. Nordkorea: Für den Zeitraum bis 1950 sind die Nordkorea betreffenden Daten in die Schätzungen für Gesamt-Korea mit eingeschlossen. Die Bevölkerungsdaten ab 1950 stammen vom US Bureau of the Census. Für das nordkoreanische BIP oder Materialprodukt wurden keine Schätzungen für die Jahre vor 1992 veröffentlicht, so dass jegliche Schätzung riskant wäre. Wir wissen, dass das nordkoreanische Pro-Kopf-BIP 1940 nahezu 50% höher als im Süden war (vgl. die Quellenanmerkungen für Südkorea), so dass mit gutem Grund davon ausgegangen werden kann, dass das Pro-Kopf-BIP Nordkoreas 1950 mindestens ebenso hoch wie das Südkoreas war. Die Arbeit von N. Eberstadt, „Material progress in Korea since Partition“, in R.H. Myers (Hrsg.), The Wealth of Nations in the Twentieth Century, Hoover Institution, 1996, zählt zu den fundiertesten Evaluierungen, die verfügbar sind. Nach seiner These war Nordkorea produktiver und hat sich rascher entwickelt als der Süden, und zwar „über viele Jahre nach der Teilung hinweg“, obwohl der Anteil der Militärausgaben im Norden zweifellos höher war. Ich habe unterstellt, dass das Pro-Kopf-BIP des Nordens zwischen 1950 und 1973 mit dem des Südens identisch war und es bis 1991 nicht weiter gestiegen ist. Danach hat Nordkorea keine sowjetische Hilfe mehr bekommen, und sein Pro-Kopf-Einkommen ist stark gesunken. Die Angaben über die reale BIP-Entwicklung ab 1991 stammen aus M.C. Cho und H. Zang The Present and Future Prospects of the North Korean Economy, Discussion Paper D99-3, Institute of Economic Research, Hitotsubashi University, Juni 1999, S. 5 (auf der Basis der von der koreanischen Zentralbank erstellten Schätzungen für die BIP-Veränderungsraten 1991-1992 und 1996-1997 und der von den nordkoreanischen Behörden an den IWF übermittelten Schätzungen für 1992-1996). Ich habe unterstellt, dass das Pro-Kopf-BIP von 1997 auf 1998 unverändert blieb. 232 Anhang A Tabelle A.k Bevölkerung und BIP in 19 kleinen ostasiatischen Ländern, 1950–1998 Bevölkerung (Tsd. zur Jahresmitte) BIP (Mio. int. $ von 1990) 1950 1973 1990 1998 1950 1973 1990 1998 Bhutan Brunei Macau Malediven 4 Länder insgesamt 734 45 205 79 1 063 1 111 145 259 126 1 641 1 585 254 352 218 2 409 1 908 315 429 290 2 942 369 224 127 43 763 645 1 156 735 107 2 641 1 407 1 663 3 078 497 6 645 2 110 1 932 4 331 826 9 199 Fidschi Papua-Neuguinea 13 andere pazifische Inseln 15 pazifische Inseln insgesamt 287 1 412 649 2 348 556 2 477 1 210 4 243 738 3 823 1 782 6 343 803 4 600 2 148 7 551 851 1 356 875 3 082 2 348 4 847 2 296 9 491 3 440 5 865 3 496 12 711 4 498 8 625 4 340 17 463 19 kleine Länder 3 411 5 884 8 752 10 493 3 845 11 952 19 356 26 662 Vietnam: Die demographischen Angaben für 1913 stammen aus Banens (2000). Seine Schätzungen beinhalten eine wesentliche Aufwärtskorrektur der Zahlen für die Kolonialzeit, wozu Rekonstruktionstechniken auf der Basis von Geburten- und Mortalitätsziffern verwendet wurden. Die Daten für den Zeitraum 1820-1913 stammen aus McEvedy und Jones (1978) und wurden proportional bereinigt. Für die Bevölkerungsdaten ab 1950 wurden die Angaben des US Bureau of the Census verwendet. Die Schätzungen betreffend das Materialprodukt im Zeitraum 1950-1960, die auf das frühere sowjetische MPS-System zurückgehen, wurden dem OECD-Entwicklungszentrum von den statistischen Behörden Hanois mitgeteilt. Ich habe diese den Datenunterlagen des Zentrums entnommenen Schätzungen verwendet. Neue BIP-Schätzungen für 1960-1998 nach der Standarddefinition der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung wurden freundlicherweise durch Viet Vu von der statistischen Abteilung der Vereinten Nationen bereit gestellt. Das BIP-Niveau im Referenzjahr 1990 wurde von ICP-7-Daten abgeleitet (vgl. Tabelle A3.h). Jean-Pascal Bassino (Centre d’Économie et de Finance International, Aix-en-Provence) führt im Rahmen des Projekts Asiatische Historische Statistiken der Hitotsubashi University eine umfassende Untersuchung der vietnamesischen Wirtschaftsgeschichte durch, wobei er sich auf französische Kolonialarchive stützt. Die vorläufigen Ergebnisse seiner Schätzungen für das BIP-Niveau im Zeitraum 1820-1950 (Basisjahr 1950 = 100) lauten: 1913 84,3; 1870 31,9; 1820 20,7. 19 kleine ostasiatische Länder: Die Bevölkerungsangaben für 1950-1998 stammen vom US Bureau of the Census. Die Bevölkerungsveränderungen im Zeitraum 1820-1950 betreffend 15 pazifische Inseln sind McEvedy und Jones (1978), S. 330-336, betreffend Macau für 1900-1950, S. 173, entnommen. Hinsichtlich der Bevölkerungsentwicklung im Zeitraum 1820-1950 in Bhutan, den Malediven und Brunei wurde unterstellt, dass sie parallel zu der Indiens verlief. Betreffend Bhutan, Brunei, Macau und die Malediven wurden die BIP-Veränderungsraten für 1950-1990 von der Datenbasis Maddisons (1995a) abgeleitet. Die bis 1998 aktualisierten Daten stammen vom IWF, außer für Macau, für das eine parallele Entwicklung zu der in Hongkong unterstellt wurde. Die Angaben über die BIP-Veränderungsraten in 14 pazifischen Inseln für 1950-1990 wurden vom Datenbestand Maddisons (1995a) abgeleitet und für folgende Länder auf der Grundlage von IWF-Daten aktualisiert: Fidschi, Papua-Neuguinea, Salomonen, Tonga, Vanuatu, Westsamoa, Kiribati und Mikronesien; von der ADB stammen die Angaben bezüglich der Marshallinseln. Bezüg- 233 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive lich der BIP-Entwicklung in Französisch-Polynesien, Guam, auf den Pazifikinseln Neukaledonien, Amerikanisch-Samoa, Wallis und Futuna wurde unterstellt, dass sie parallel zu jener der 9 pazifischen Inseln, für die Schätzungen verfügbar waren, verlief. Für Bhutan, Fidschi, Papua-Neuguinea, die Salomonen, Tonga, Vanuatu und Westsamoa wurden die Angaben über das BIP-Niveau im Referenzjahr 1990 in internationalen Dollar den Penn-WorldTables entnommen. Die Daten für zehn andere Länder wurden indirekten Schätzungen in Maddison (1995a), S. 219-220, entnommen. Bezüglich des Pro-Kopf-BIP von Macau wurde unterstellt, dass es halb so hoch war wie das von Hongkong. In Brunei wird das Einkommensniveau durch die Ölförderung bestimmt, die sich 1990 auf 30,7 t Pro-Kopf der Bevölkerung belief, was um rd. 6% über dem Niveau Kuwaits liegt. Daher wurde das Pro-Kopf-Einkommen auf rd. 6 550 $ angesetzt (rd. 6% höher als das Kuwaits). 15 westasiatische Länder Die demographischen Daten für 1820-1913 stammen aus McEvedy und Jones (1978), jene ab 1950 vom US Bureau of the Census. Die für Israel ausgewiesenen Zahlen für den Zeitraum 1820-1913 beziehen sich effektiv auf Palästina (d.h. ein Gebiet, das das jetzige Israel, das Westjordanland und den Gazastreifen umfasst). Für Bahrain, den Irak, Jordanien, Kuwait, den Libanon, Oman, Katar, Saudi-Arabien, Syrien, die Vereinigten Arabischen Emirate und den Jemen wurden die realen BIP-Veränderungsraten im Zeitraum 1950-1990 der Datenbank des OECD-Entwicklungszentrums (wie in Maddison, 1995a) entnommen, danach stammen sie aus IWF, World Economic Outlook, Oktober 1999. Für alle vorstehenden Länder, mit Ausnahme des Libanon und Syriens, wurde das BIP-Niveau im Referenzjahr 1990 in internationalen (d.h. Geary-Khamis-) Dollar von den Penn-World-Tables, Version 5.6, abgeleitet, für Syrien von ICP-3-Daten (vgl. Tabelle A3.g), für den Libanon handelt es sich um Hypothesen (vgl. Maddison 1995a, S. 214). Iran: Für den Zeitraum 1950-1974 stammen die realen BIP-Veränderungsraten aus der Datenbank des OECD-Entwicklungszentrums, für 1974-1990 aus den World Tables 1995, ab 1990 vom IWF. Das BIP-Niveau für das Referenzjahr 1990 wurde von ICP-3-Daten abgeleitet (vgl. Tabelle A3.g). Türkei: Für den Zeitraum 1950-1960 stammen die realen BIP-Veränderungsraten aus Maddison (1995a), für 1960-1990 aus OECD National Accounts 1960-1997, Bd. 1, 1999, danach aus National Accounts of OECD Countries 1988-1998, Bd. 1, 2000. Die neuen Zahlen basieren auf einer erheblichen Revision der in Maddison (1995a) enthaltenen Daten. Die türkischen Behörden haben ihre Schätzungen revidiert, was eine wesentliche Erhöhung des BIP-Niveaus im Jahre 1990 und eine Verringerung der BIP-Wachstumsrate ab 1968 zur Folge hatte. Das BIP-Niveau für das Referenzjahr 1990 wurde von ICP-7-Daten abgeleitet (vgl. Tabelle A3.g). Israel: Die realen BIP-Veränderungsraten für den Zeitraum 1950-1973 wurden vom Statistischen Zentralamt zur Verfügung gestellt, für 1973-1990 wurden sie abgeleitet aus World Bank, World Tables 1995, ab 1990 stammen sie vom IWF. Das BIP-Niveau für das Referenzjahr 1990 wurde von ICP-4-Daten abgeleitet (vgl. Tabelle A3.g). Bezüglich der Entwicklung Palästinas im Zeitraum 1922-1947 vgl. den folgenden Abschnitt über das Westjordanland und den Gazastreifen. Westjordanland und Gazastreifen: Diese Gebiete gehörten bis 1948 zur alten palästinensischen politischen Einheit, danach wurden sie in drei Teile gespalten. Israel erhielt rd. 75% des Territoriums, Jordanien übernahm den Teil, der zu jener Zeit einer Erweiterung des jetzigen West- 234 Anhang A Tabelle A.l Arabische und jüdische Bevölkerung und BIP in Palästina und Israel, 1922–1950 Nettoinlandsprodukt (Tsd. Palästin. Pfund zu Preisen von 1936) 1922 1947 1950 Anmerkung: Bevölkerung zur Jahresmitte (Tsd.) Insgesamt Arabisch Jüdisch Insgesamt Arabisch Jüdisch 8 360 70 877 93 099 6 628 32 345 3 971 1 732 38 532 89 128 754.6 1 942.8 1 266.8 674.5 1 333.8 163.8 80.1 609.0 1 103.0 Die Zahlen für 1922-1947 beziehen sich auf das Gebiet Palästina unter britischer Mandatshoheit, jene für 1950 auf Israel. Die “arabische” Bevölkerung Israels schließt Christen und Drusen ein. jordanlands (einschließlich Jerusalem) entsprach, und Ägypten erhielt die Verantwortung für die Verwaltung des Gazastreifens. 1967 besetzte Israel das Westjordanland und den Gazastreifen und hat im Anschluss an die Osloer Friedensverträge damit begonnen, die Kontrolle über Teile des Westjordanlands an die neue Palästinensische Autonomiebehörde abzugeben. Die Charakteristiken Palästinas vor der Teilung wurden analysiert in J. Metzer, The Divided Economy of Mandatory Palestine, Cambridge University Press, 1998; darin (S. 29, 217 und 242) sind jährliche Schätzungen der Bevölkerung und des BIP für den arabischen und die jüdischen Sektoren für den Zeitraum 1922-1947 enthalten. Diese Schätzungen können bis 1950 fortgeschrieben werden, unter Verwendung der Bevölkerungsschätzungen der jüdischen und nicht jüdischen Bevölkerung Israels im Jahr 1950 in D. Patinkin, The Israel Economy: the First Decade, Falk-Projekt, Jerusalem, 1960, sowie der von der israelischen Zentralbank übermittelten BIP-Schätzungen für 1947-1950 (größtenteils auf der Basis von R. Szerezewski, Essays on the Structure of the Jewish Economy in Palestine and Israel, Falk Project, Jerusalem, 1968). Auf der Basis der o.g. Quellen ergibt sich, dass sich das Nettoinlandsprodukt und die Bevölkerung entsprechend der in Tabelle A.I wiedergegebenen Daten entwickelt haben. Metzers Schätzungen zufolge ist das arabische Pro-Kopf-Einkommen in Palästina zwischen 1922 und 1947 von 9,83 Pfund auf 24,25 Pfund gestiegen. In der jüdischen Wirtschaft Palästinas erhöhte sich das Pro-Kopf-Einkommen in demselben Zeitraum von 24,6 Pfund auf 63,27 Pfund. Die weiter oben erwähnten Schätzungen der israelischen Zentralbank für das Jahr 1950 sind nicht nach jüdischen und nicht jüdischen Gruppen unterteilt; ich bin jedoch von der Annahme ausgegangen, dass das reale nicht jüdische Pro-Kopf-Einkommen 1950 dem von 1947 entsprach. Werden die oben stehenden proportionalen Anteile für das Jahr 1950 auf das BIP Israels im Jahr 1950 in internationale Dollar von 1990 umgerechnet, so ergibt sich für den arabischen Teil 1950 ein Pro-Kopf-BIP von rd. 950 internationalen Dollar. Das statistische Zentralamt Palästinas in Ramallah verfügt über Schätzungen des BIP in laufenden Preisen offenbar erst ab 1994. Ich habe eine indirekte Schätzung der tendenziellen Entwicklung des Realprodukts vorgenommen, indem ich eine Korrelation zwischen dem in der oben beschriebenen Weise abgeleiteten Pro-Kopf-Einkommen im Jahr 1950 und dem von der ESCWA (Wirtschafts- und Sozialkommission für Westasien der Vereinten Nationen) geschätzten Niveau von 1993 gemäß der in Tabelle A3.i angeführten Untersuchung herstellte. Diese punktuellen Schätzungen (950 $ pro Kopf im Jahr 1950 und 4 708 $ im Jahr 1993) lauten beide auf internationale Dollar von 1990. Mein Ansatz basierte auf einer logarithmischen Trendentwicklung, um zwischen diesen beiden Jahren zu interpolieren und um von 1993 auf 1998 zu extrapolieren, wobei die Schätzungen des Pro-KopfEinkommens mit der vom US Bureau of the Census geschätzten Bevölkerung multipliziert wurde. 235 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Indirekte Schätzungen zur Schließung von Lücken in den Datenreihen für 16 asiatische Länder Bezüglich des Jahrs 1913 gibt es zwei Lücken in den BIP-Datenreihen. Ich bin von der Annahme ausgegangen, dass sich das Pro-Kopf-BIP in Hongkong im Zeitraum 1913-1950 parallel zu jenem Japans und in Nepal parallel zu jenem Indiens entwickelt hat (vgl. Tabelle A.m). Für das Jahr 1870 wiesen die Datenreihen acht Lücken auf. Ich bin von der Arbeitshypothese ausgegangen, dass sich das Pro-Kopf-BIP in Hongkong und Singapur im Zeitraum 1870-1913 proportional zu jenem Japans entwickelt hat. Für die anderen sechs Länder (Birma, Korea, Malaysia, Nepal, die Philippinen und Taiwan) habe ich eine parallele Entwicklung zum durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen Indonesiens, Sri Lankas und Thailands im Zeitraum 1870-1913 unterstellt (vgl. Tabelle A.m). Für das Jahr 1820 wiesen die Datenreihen zehn Lücken auf. Für die durchschnittliche Veränderung des Pro-Kopf-BIP im Zeitraum 1820-1870 wurde gemäß der hier zu Grunde gelegten Arbeitshypothese eine parallele Entwicklung zu jener Japans unterstellt. Indirekte Schätzungen zur Schließung der Lücken in den Datenreihen für 25 ostasiatische und 16 westasiatische Länder Bezüglich dieser Länder waren für die Jahre 1820, 1870 oder 1913 keinerlei BIP-Schätzungen vorhanden. Es wurde unterstellt, dass das Durchschnittsniveau ihres Pro-Kopf-BIP in den Jahren 1870 und 1913 dem Durchschnittsniveau der 16 ostasiatischen Länder und das Niveau im Jahr 1820 dem des Jahrs 1870 entsprachen. Proportionale Bedeutung der indirekten Schätzungen Für 1913 beträgt der Anteil der indirekten Schätzungen am asiatischen Gesamt-BIP 7,8%, für 1870 11,2% und für 1820 9,5%. Indirekte Schätzungen sind anfechtbar, da die jeweiligen Analysten unterschiedliche Vorstellungen davon haben können, wie diese Lücken zu schließen sind. Der auf diese indirekten Schätzungen entfallende Anteil ist jedoch relativ gering, so dass sich diese unterschiedlichen Verfahren nicht allzu stark auf die Ergebnisse für Gesamt-Asien auswirken dürften. Die Hauptaufgabe künftiger Untersuchungen wird darin bestehen, diese Lücken durch direkte Schätzungen zu füllen, was in einer Reihe von Fällen realisierbar zu sein scheint (vgl. die Anmerkung weiter oben über Vietnam). Tabelle A.m Indirekte Schätzungen zur Schließung von Lücken in den BIP- und Pro-Kopf-BIP-Datenreihen für 1870 und 1913 BIP 1870 Birma Hongkong Malaysia Nepal Philippinen Singapur Südkorea Taiwan Obengenannte Länder insgesamt 25 ostasiatische Länder 16 westasiatische Länder Indirekte Schätzungen insgesamt Pro-Kopf-BIP 1913 2 156 106 534 1 879 4 005 58 9 512 1 299 19 549 11 050 16 782 47 381 778 3 039 3 817 21 583 26 537 51 937 236 1870 508 862 667 400 791 691 663 554 617 552 552 570 1913 1 597 539 623 679 679 675 Anhang A Tabelle A3.a Bevölkerung in 56 asiatischen Ländern (in Tausend zur Jahresmitte) Bangladesch Birma China Hongkong Indiena Indonesien Japan Malaysia Nepal Pakistan Philippinen Singapur Südkoreab Sri Lanka Taiwan Thailand 16 ostasiatische Länder 1870 1913 3 506 381 000 20 209 000 17 927 31 000 287 3 881 4 245 358 000 123 253 000 28 922 34 437 800 4 698 12 326 437 140 487 303 700 49 934 51 672 3 084 5 639 2 176 30 13 820 1 305 2 000 4 665 670 617 5 063 84 14 347 2 786 2 345 5 775 714 625 9 384 323 16 070 4 817 3 469 8 689 906 734 1950 1973 1990 1998 45 646 19 488 546 815 2 237 359 000 79 043 83 563 6 434 8 990 39 448 21 131 1 022 20 846 7 533 7 882 20 042 1 269 120 72 471 29 227 881 940 4 213 580 000 124 271 108 660 11 712 12 685 71 121 42 094 2 193 34 073 13 246 15 427 40 302 2 043 635 109 897 41 068 1 135 185 5 704 839 000 179 248 123 540 17 507 19 333 113 914 65 037 3 039 42 869 17 193 20 230 55 052 2 787 816 125 105 47 305 1 242 700 6 690 975 000 204 390 126 486 20 933 23 698 135 135 77 726 3 490 46 430 18 934 21 780 60 037 3 135 839 13 421 7 202 3 027 1 360 15 161 45 737 5 884 91 792 14 767 8 717 4 191 2 216 20 019 66 315 8 752 124 977 24 792 11 340 5 261 2 579 21 234 76 236 10 493 151 935 Afghanistan Kambodscha Laos Mongolei Nordkorea Vietnam 19 kleine Länder 25 ostasiatische Länder 3 280 2 090 470 619 4 207 2 340 755 668 5 730 3 070 1 387 725 6 314 1 798 14 571 10 146 1 903 20 019 18 638 2 237 31 787 8 150 4 163 1 886 779 9 471 25 348 3 411 53 208 41 ostasiatische Länder 685 188 734 644 938 521 1 322 328 2 135 427 2 912 793 3 287 774 6 560 1 093 332 217 8 415 1 580 429 266 104 10 994 2 613 700 348 332 317 476 367 649 421 2 123 1 337 10 074 2 464 1 582 11 793 2 800 1 994 15 000 2 953 2 840 3 284 25 178 30 412 39 083 115 16 357 5 163 1 286 561 145 1 364 489 25 3 860 3 495 21 122 72 4 461 1 016 59 531 239 31 491 10 402 3 197 1 674 894 2 824 857 142 6 667 6 931 38 503 391 7 077 1 098 112 387 502 55 717 18 135 4 512 3 277 2 131 3 130 1 773 482 15 871 12 620 56 125 1 952 12 023 1 715 189 965 616 64 411 21 722 5 644 4 453 1 913 3 506 2 364 697 20 786 16 673 64 568 2 303 16 388 2 611 228 655 56 asiatische Länder 710 366 765 056 977 604 1 381 859 2 247 814 3 102 758 3 516 429 Insgesamt, ohne Japan Insgesamt, ohne Japan, China, Indien 679 366 730 619 925 932 1 298 296 2 139 154 2 979 218 3 389 943 89 366 119 619 185 092 392 481 677 214 1 005 033 1 172 243 Bahrain Iran Irak Israel Jordanien Kuwait Libanon Oman Katar Saudi-Arabien Syrien Türkei VAE Jemen Westjordanland u. Gazastreifen 15 westasiatische Länder a) b) 1820 Die Daten für 1820–1913 schließen Bangladesch und Pakistan ein. Die Daten für 1820–1913 gelten für Nord- und Südkorea. 237 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle A3.b BIP-Niveau in 56 asiatischen Ländern (in Mio. internationalen Dollar von 1990) 1820 Bangladesch Birma China Hongkong Indiena Indonesien Japan Malaysia Nepal Pakistan Philippinen Singapur Südkoreab Sri Lanka Taiwan Thailand 16 ostasiatische Länder 1913 228 600 189 740 8 445 241 344 111 417 10 970 20 739 134 882 18 929 25 393 204 241 45 152 71 653 2 773 10 000 413 14 343 4 094 2 591 7 251 616 117 1 782 389 305 4 081 394 356 1950 1973 24 628 7 711 239 903 4 962 222 222 66 358 160 966 10 032 4 462 25 366 22 616 2 268 16 045 7 241 7 378 16 375 838 533 35 997 18 352 740 048 29 931 494 832 186 900 1 242 932 29 982 7 894 67 828 82 464 13 108 96 794 19 759 63 519 75 511 3 205 851 9 181 5 858 2 331 1 170 43 072 38 238 11 952 111 802 Afghanistan Kambodscha Laos Mongolei Nordkorea Vietnam 19 kleine Länder 25 ostasiatische Länder 3 453 5 321 14 062 8 043 11 050 21 583 5 255 2 155 1 156 339 7 293 16 681 3 845 36 724 41 ostasiatische Länder 397 348 405 406 637 700 875 257 3 317 653 1 046 171 466 39 042 30 839 3 999 23 847 8 915 2 809 6 228 73 601 27 846 144 483 9 739 12 431 2 455 558 746 Bahrain Iran Irak Israel Jordanien Kuwait Libanon Oman Katar Saudi-Arabien Syrien Türkei VAE Jemen Westjordanland u. Gazastreifen 15 westasiatische Länder a) b) 1870 1990 1998 70 320 101 666 30 834 48 427 2 109 400 3 873 352 99 770 135 089 1 098 100 1 702 712 450 901 627 499 2 321 153 2 581 576 89 823 148 621 15 609 22 435 182 014 261 497 143 025 176 246 43 330 79 025 373 150 564 211 42 089 63 408 200 477 326 958 255 732 372 509 7 525 727 11 085 231 8 861 8 235 3 912 2 954 56 874 68 959 19 356 169 151 12 744 11 998 5 806 2 821 25 130 127 851 26 662 213 012 7 694 878 11 298 243 13 894 16 782 26 537 242 28 128 7 041 3 623 933 4 181 3 313 304 763 8 610 8 418 38 408 1 130 4 353 965 110 412 56 asiatische Länder 411 242 422 188 664 237 985 669 3 876 399 8 627 846 12 534 571 Insgesamt, ohne Japan Insgesamt, ohne Japan, China, Indien 390 503 396 795 592 584 824 703 2 633 467 6 306 693 9 952 995 50 486 72 173 146 999 362 578 1 398 587 3 099 193 4 376 931 Die Daten für 1820–1913 schließen Bangladesch und Pakistan ein. Die Daten für 1820–1913 gelten für Nord- und Südkorea. 238 2 054 199 819 44 583 58 511 12 371 13 111 6 099 11 487 3 276 144 438 70 894 305 395 25 496 28 212 7 222 932 968 2 846 274 695 24 564 85 520 18 313 21 565 12 077 17 179 5 091 170 972 96 112 423 018 31 913 37 656 14 807 1 236 328 Anhang A Tabelle A3.c Pro-Kopf-BIP in 56 asiatischen Ländern (in internationalen Dollar von 1990) 1820 Bangladesch Birma China Hongkong Indiena Indonesien Japan Malaysia Nepal Pakistan Philippinen Singapur Südkoreab Sri Lanka Taiwan Thailand 16 ostasiatische Länder a) b) 1870 1913 600 530 685 552 533 612 669 533 654 737 673 904 1 387 899 1 066 1 279 893 850 747 835 679 640 581 707 552 1950 1973 1990 1998 540 396 439 2 218 619 840 1 926 1 559 496 643 1 070 2 219 770 961 936 817 661 497 628 839 7 104 853 1 504 11 439 2 560 622 954 1 959 5 977 2 841 1 492 4 117 1 874 1 569 640 751 1 858 17 491 1 309 2 516 18 789 5 131 807 1 598 2 199 14 258 8 704 2 448 9 910 4 645 2 700 813 1 024 3 117 20 193 1 746 3 070 20 410 7 100 947 1 935 2 268 22 643 12 152 3 349 15 012 6 205 3 535 684 813 770 860 2 841 836 2 031 1 218 600 945 933 1 333 2 841 1 040 2 212 1 353 514 1 058 1 104 1 094 1 183 1 677 2 541 1 402 Afghanistan Kambodscha Laos Mongolei Nordkorea Vietnam 19 kleine Länder 25 ostasiatische Länder 546 524 754 552 552 679 645 518 613 435 770 658 1 127 690 41 ostasiatische Länder 580 552 679 662 1 554 2 642 3 436 4 377 5 445 3 753 9 646 2 389 26 674 3 157 3 278 43 859 11 040 4 018 3 753 24 908 1 757 2 236 4 972 4 092 3 586 2 458 12 968 3 775 6 153 1 949 6 479 6 797 9 101 5 618 5 441 13 061 2 347 4 211 4 911 4 620 4 265 1 131 15 152 4 113 11 273 3 445 7 267 7 304 8 225 5 765 6 552 13 857 2 298 5 671 5 407 Bahrain Iran Irak Israel Jordanien Kuwait Libanon Oman Katar Saudi-Arabien Syrien Türkei VAE Jemen Westjordanland u. Gazastreifen 15 westasiatische Länder 552 552 679 2 104 1 720 1 364 2 817 1 663 28 834 2 429 622 30 520 2 231 2 409 1 818 15 694 976 950 1 855 56 asiatische Länder 579 552 679 713 1 725 2 781 3 565 Insgesamt, ohne Japan Insgesamt, ohne Japan, China, Indien 575 543 640 635 1 231 2 117 2 936 565 603 794 924 2 065 3 084 3 734 Die Daten für 1820–1913 schließen Bangladesch und Pakistan ein. Die Daten für 1820–1913 gelten für Nord- und Südkorea. 239 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle A3.d Wachstumsraten des Pro-Kopf-BIP in 56 asiatischen Ländern, 1820–1998 1820–1870 Bangladesch Birma China Hongkong Indiena Indonesien Japan Malaysia Nepal Pakistan Philippinen Singapur Südkoreab Sri Lanka Taiwan Thailand 16 ostasiatische Länder Afghanistan Kambodscha Laos Mongolei Nordkorea Vietnam 19 kleine Länder 25 ostasiatische Länder 41 ostasiatische Länder Bahrain Iran Irak Israel Jordanien Kuwait Libanon Oman Katar Saudi-Arabien Syrien Türkei VAE Jemen Westjordanland u. Gazastreifen 15 westasiatische Länder a) b) 1870–1913 –0.25 0.10 0.00 0.13 0.19 0.54 0.75 1.48 0.39 0.49 –0.10 1913–1950 –1.47 –0.62 –0.22 –0.20 0.89 1.50 0.01 1.50 –0.40 0.33 0.61 –0.06 –0.08 1950–1973 1973–1998 –0.36 2.03 2.86 5.19 1.40 2.57 8.05 2.18 0.99 1.73 2.66 4.40 5.84 1.93 6.65 3.67 3.83 1.99 1.97 5.39 4.27 2.91 2.90 2.34 4.16 1.69 2.87 0.59 5.47 5.99 3.29 5.31 4.91 3.30 –1.14 1.06 1.45 0.97 –3.44 2.82 0.90 0.56 –0.08 0.85 –0.37 0.00 0.48 0.04 0.26 1.98 1.00 3.01 5.84 1.05 2.59 2.50 –0.10 0.49 –0.07 3.78 3.23 0.22 –0.97 –4.69 1.82 2.20 –3.39 0.35 3.24 –6.92 –1.17 1.45 2.25 –2.32 1.08 3.79 0.34 0.00 0.48 2.75 3.23 5.14 4.50 5.50 1.59 –0.34 1.15 7.50 1.59 7.20 2.25 3.20 2.03 2.59 3.79 4.38 56 asiatische Länder –0.10 0.48 0.13 3.91 2.95 Insgesamt, ohne Japan Insgesamt, ohne Japan, China, Indien –0.11 0.38 –0.02 2.92 3.54 0.13 0.64 0.41 3.56 2.40 Die Daten für 1820–1913 schließen Bangladesch und Pakistan ein. Die Daten für 1820–1913 gelten für Nord- und Südkorea. 240 Anhang A Tabelle A3.e BIP-Wachstumsraten in 56 asiatischen Ländern, 1820–1998 1820–1870 Bangladesch Birma China Hongkong Indiena Indonesien Japan Malaysia Nepal Pakistan Philippinen Singapur Südkoreab Sri Lanka Taiwan Thailand 16 ostasiatische Länder a) b) 1870–1913 –0.37 0.56 0.38 1.10 0.41 0.97 2.04 2.44 1.95 1.35 1.04 0.03 1913–1950 –0.25 –0.02 0.23 1.05 2.21 3.54 2.23 4.71 0.30 1.55 2.87 2.23 0.84 1950–1973 1973–1998 1.66 3.84 5.02 8.13 3.54 4.61 9.29 4.88 2.51 4.37 5.79 7.93 8.13 4.46 9.81 6.87 6.00 4.24 3.96 6.84 6.21 5.07 4.96 2.97 6.61 4.27 5.55 3.08 7.45 7.31 4.77 6.77 6.59 5.09 1.32 2.91 3.72 3.58 –2.13 4.95 3.26 2.61 Afghanistan Kambodscha Laos Mongolei Nordkorea Vietnam 19 kleine Länder 25 ostasiatische Länder 0.86 2.29 0.46 0.64 1.57 1.45 2.46 4.44 3.10 5.53 8.03 3.67 5.05 4.96 41 ostasiatische Länder 0.04 1.06 0.86 5.96 5.02 4.08 1.90 –1.84 4.16 6.28 –0.40 1.22 7.51 –0.80 3.43 5.08 4.39 4.86 4.53 7.45 3.23 Bahrain Iran Irak Israel Jordanien Kuwait Libanon Oman Katar Saudi-Arabien Syrien Türkei VAE Jemen Westjordanland u. Gazastreifen 15 westasiatische Länder 0.38 1.07 3.93 6.57 8.18 7.73 9.76 6.53 7.86 4.40 10.15 9.56 9.78 5.34 5.93 9.82 4.67 4.14 7.30 56 asiatische Länder 0.05 1.06 1.07 6.13 4.81 Insgesamt, ohne Japan Insgesamt, ohne Japan, China, Indien 0.03 0.94 0.90 5.18 5.46 0.72 1.67 2.47 6.05 4.67 Die Daten für 1820–1913 schließen Bangladesch und Pakistan ein. Die Daten für 1820–1913 gelten für Nord- und Südkorea. 241 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle A3.f Bevölkerungszuwachsraten in 56 asiatischen Ländern, 1820–1998 1820–1870 Bangladesch Birma China Hongkong Indiena Indonesien Japan Malaysia Nepal Pakistan Philippinen Singapur Südkoreab Sri Lanka Taiwan Thailand 16 ostasiatische Länder 1913–1950 0.38 –0.12 3.70 0.38 0.96 0.21 2.07 0.38 2.51 0.47 3.25 0.43 1.28 0.95 3.19 0.43 1.25 0.61 4.21 0.45 1.25 1.31 2.01 1.27 1.70 2.08 0.07 1.53 0.32 0.43 0.13 1.45 3.18 0.26 1.28 0.91 0.95 0.56 2.22 3.16 0.71 1.22 2.24 2.28 0.91 1950–1973 1973–1998 2.03 1.78 2.10 2.79 2.11 1.99 1.15 2.64 1.51 2.60 3.04 3.38 2.16 2.48 2.96 3.08 2.09 2.21 1.94 1.38 1.87 2.10 2.01 0.61 2.35 2.53 2.60 2.48 1.88 1.25 1.44 1.39 1.61 1.73 2.49 1.83 2.24 2.59 1.36 2.06 2.34 2.04 Afghanistan Kambodscha Laos Mongolei Nordkorea Vietnam 19 kleine Länder 25 ostasiatische Länder 0.50 0.23 0.95 0.15 0.72 0.63 1.42 0.19 0.96 0.83 0.83 0.19 0.95 0.11 0.64 1.42 0.38 1.08 0.83 1.15 1.40 2.19 2.41 2.08 2.45 2.07 2.60 2.40 2.40 41 ostasiatische Länder 0.14 0.57 0.93 2.11 1.74 0.50 0.74 0.51 0.41 0.62 1.18 1.15 0.63 0.27 1.08 1.86 1.66 1.30 0.72 0.29 0.72 0.32 2.03 0.41 0.30 0.34 0.32 0.30 0.54 0.56 0.87 1.53 0.93 –0.08 0.34 0.83 0.38 0.59 1.14 3.23 2.89 3.09 4.04 4.87 8.23 3.21 2.47 7.84 2.40 3.02 2.64 7.63 2.03 0.34 2.80 3.86 2.90 2.99 2.30 3.99 3.09 0.87 4.14 6.57 4.65 3.57 2.09 7.35 3.42 3.53 2.88 56 asiatische Länder 0.15 0.57 0.94 2.14 1.81 Insgesamt, ohne Japan Insgesamt, ohne Japan, China, Indien 0.15 0.55 0.92 2.19 1.86 0.58 1.02 2.05 2.40 2.22 Bahrain Iran Irak Israel Jordanien Kuwait Libanon Oman Katar Saudi-Arabien Syrien Türkei VAE Jemen Westjordanland u. Gazastreifen 15 westasiatische Länder a) b) 1870–1913 Die Daten für 1820–1913 schließen Bangladesch und Pakistan ein. Die Daten für 1820–1913 gelten für Nord- und Südkorea. 242 Anhang A Tabelle A3.g Ableitung des BIP-Niveaus im Referenzjahr 1990 in internationalen Dollar von 1990 für 15 ostasiatische Länder BIP in Mio. KKP-Umrechner für Landeswährungs- das Referenzjahr (Landeswährungseinheiten im einheiten je Dollar) Referenzjahr BIP im Referenzjahr in Mio. GearyKhamis-Dollar BIP im Jahr 1990 Geary-KhamisDollar des Referenzjahrs BIP im Jahr 1990 in Mio. GearyKhamis-Dollar ICP 3 (Referenzjahr 1975) Iran Syrien 3 377 740 20 600 39.7 1.48 85 073 13 919 86 878 23 631 199 819 70 894 695 515 285 598 37 061 90 591 236 350 1 098 100 450 901 58 511 143 025 373 150 81 779 83 160 166 380 35 082 213 158 98 113 99 770 199 611 42 089 255 732 ICP 4 (Referenzjahr 1980) Indien Indonesien Israel Philippinen Südkorea 1 360 100 48 914 000 107 651 243 750 38 148 400 3.37 280.0 4.14 3.18 384.0 403 591 174 693 26 003 76 651 99 345 ICP 5 (Referenzjahr 1985) Bangladesch Hongkong Pakistan Sri Lanka Thailand 406 930 271 655 472 160 157 763 1 056 496 6.075 4.680 3.761 5.288 8.094 66 984 58 046 125 541 29 834 130 528 ICP 6 (Referenzjahr 1990) China Japan 1 956 038 430 040 000 0.9273 185.27 2 109 400 2 321 153 ICP 7 (Referenzjahr 1993) Türkei Quelle: 1 981 867 5 139.3 385 630 333 678 305 395 Spalte 1 zeigt das BIP in Landeswährungseinheiten im Referenzjahr; in den meisten Fällen stammen die Daten aus Weltbank, World Tables (1995), für Japan, die Türkei und Südkorea aus OECD, National Accounts, 1960–1997, Bd. 1 (1999), und für Thailand aus Asiatische Entwicklungsbank, Key Indicators (1999). Das bedingt in den meisten Fällen geringfügige Revisionen der vom ICP verwendeten Daten. Bei Spalte 2 stammen die Daten betreffend die Kaufkraftparität (KKP-Umrechner) für 1975 aus Kravis, Heston und Summers, World Product and Income (1982), S. 176–179; für 1980 aus UN, World Comparisons of Purchasing Power and Real Product for 1980 (1987), S. viii; für 1985 aus UN, World Comparisons of Real Gross Domestic Product and Purchasing Power, 1985 (1994), S. 5; für 1990 betreffend Japan aus OECD, Purchasing Power Parities and Real Expenditures: GK Results, 1990, Bd. 2 (1993), S. 32 (umgerechnet auf eine US-KKP = 1.00); die Daten für die Türkei für 1993 stammen aus Purchasing Power Parities and Real Expenditures: GK Results, 1993, Bd. 2 (1996), S. 35 (umgerechnet auf eine US-KKP = 1.00). Alle diese KKP-Umrechner sind multilateral und verwenden die Geary-Khamis-Schätzmethode. Die Ergebnisse für China wurden abgeleitet von einem 1987 durchgeführten bilateralen Vergleich zwischen China und den Vereinigten Staaten, umgerechnet auf eine Geary-Khamis-Basis, wie beschrieben in Maddison, Chinese Economic Performance in the Long Run (1998), S. 153–154, was eine Aufwärtskorrektur der amtlichen chinesischen BIP-Schätzungen in Yuan bedingte. Die Daten in Spalte 3 wurden abgeleitet aus den Daten von den Spalten 1 und 2. Die Ergebnisse in Spalte 4 wurden erzielt durch die Bereinigung der Daten in Spalte 3, um die realen BIP-Veränderungsraten zwischen dem Referenzjahr und dem Jahr 1990. Bei Spalte 5 handelt es sich um die Daten von der Spalte 4, bereinigt um die Bewegungen des US-BIP-Deflators zwischen dem Referenzjahr und dem Jahr 1990. 243 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle A3.h Ableitung des BIP-Niveaus im Referenzjahr 1990 in internationalen Dollar von 1990 für 5 ostasiatische Länder BIP in Mio. Impliziter GearyLandeswährungsKhamis-KKPeinheiten im Umrechner für Referenzjahr das Referenzjahr (Landeswährungseinheiten je Dollar) BIP im Referenzjahr in Mio. GearyKhamis-Dollar BIP 1990 in Mio. GearyKhamis-Dollar von 1993 BIP 1990 in Mio. GearyKhamis-Dollar ICP 3 (Referenzjahr 1993) Hongkong Laos Malaysia Nepal Singapur Vietnam Quelle: 897 463 950 973 165 206 171 386 92 905 136 571 000 6.9486 191.0865 1.32718 8.7553 1.5287 1538.281 129 158 109 010 99 770 4 977 124 479 19 575 60 774 88 749 4 274 98 142 17 055 47 343 75 345 3 912 89 823 15 609 43 330 68 959 Die Daten in Spalte 1 stammen aus ADB, Key Indicators of Developing Asian and Pacific Countries, 1999. In den meisten Fällen wurden darin die von der Wirtschafts- und Sozialkommission für Asien und den Pazifik (ESCAP) zitierten Zahlen geringfügig revidiert, außer für Singapur, wo die Zahl um 13% niedriger ist. Die ESCAP verwendete eine veränderte Version des Geary-Khamis-Verfahrens. Die Schätzungen für Malaysia und Laos wurden von der Weltbank auf der Basis beschränkter Informationstechniken aufgestellt (vgl. ESCAP, Comparisons of Real Gross Product and Purchasing Power Parities 1993). Die ESCAP zog Hongkong für die Vorgabe der Rechnungseinheit heran, und die Zahlen für Hongkong wurden ohne eine KKP-Bereinigung wiedergegeben. Was die Daten in Spalte 2 betrifft, so habe ich die implizite KKP für Hongkong im Jahr 1993, umgerechnet in Kaufkraft von Hongkong-Dollar je US-Dollar durch Aktualisierung der in Tabelle A3.g gezeigten Ergebnisse für 1990 abgeleitet. Für die anderen Länder errechnete die ESCAP in Landeswährungseinheiten je Hongkong-Dollar umgerechnete KKP. In Spalte 3 wurden diese KKP-Werte mit dem Hongkong/US-DollarKKP für 1993 multipliziert, um eine Korrelation zwischen diesen regionalen Ergebnissen und den globalen ICP-Untersuchungen herzustellen, bei denen die Rechnungseinheit der Vereinigten Staaten zu Grunde gelegt wird. Spalte 3 wurde von den Daten der Spalten 1 und 2 abgeleitet. Die Zahlen in Spalte 4 wurden durch Bereinigung der Daten in Spalte 3 um die realen BIP-Veränderungen zwischen 1990 und 1993 abgeleitet. Bei Spalte 5 handelt es sich um die in Spalte 4 ausgewiesenen Daten, bereinigt um Veränderungen des USBIP-Deflators zwischen 1990 und 1993. Tabelle A3.i Ableitung des BIP-Niveaus im Referenzjahr 1990 in internationalen Dollar von 1990 für 3 westasiatische Länder BIP in Mio. Geary-KhamisLandeswährungs- KKP-Umrechner für das Referenzjahr einheiten im (LandeswährungsReferenzjahr einheiten je Dollar) BIP im Referenzjahr in Mio. GearyKhamis-Dollar BIP im Jahr 1990 in Mio. GearyKhamis-Dollar von 1993 BIP 1990 in Mio. GearyKhamis-Dollar ICP 3 (Referenzjahr 1993) Bahrain Palästina Katar 1 754.2 8 844.63 26 183.0 0.6402 0.8698 6.5951 2 740 10 169 3 970 2 244 7 890 3 579 2 054 7 222 3 276 Quelle:Die Daten in den ersten drei Spalten wurden abgeleitet von Ergebnissen nach der Geary-Khamis-Methode aus Purchasing Power Parities, Volume and Price Level Comparisons for the Middle East, 1993, Economic and Social Commission for Western Asia and World Bank, S. 59. Diese Untersuchung enthält Angaben für acht westasiatische Länder und Ägypten für das Jahr 1993. Sie ging von einem vereinfachten Verfahren auf der Basis beschränkter Informationen aus, wobei sowohl die Geary-Khamis-Methode als auch das EKSKonzept zu Grunde gelegt wurden. Die Ergebnisse sollten als erster Schritt in Richtung auf eine umfassende ICP-Untersuchung angesehen werden. Für einige Länder wie z.B. den Libanon und den Jemen, erschienen die Ergebnisse nicht plausibel, so dass ich lediglich die Ergebnisse für drei der Länder heranzog. Die Daten in Spalte 4 wurden durch die Bereinigung der Daten in Spalte 3 um die realen BIP-Veränderungen zwischen 1990 und 1993 erzielt. Spalte 5 ist das Ergebnis einer Bereinigung der in Spalte 4 ausgewiesenen Daten um die Veränderungen des US-BIP-Deflators zwischen 1990 und 1993. 244 Anhang A A.4 Bevölkerung, BIP und Pro-Kopf-BIP in 57 afrikanischen Ländern Die Bevölkerungsdaten ab 1950 stammen vom International Programs Centre (IPC), US Bureau of the Census, das eine vollständige Erfassung der afrikanischen Länder auf einer jährlichen Basis bis zurück zum Jahr 1950 bietet. Diese Schätzungen werden regelmäßig aktualisiert und revidiert. Die Verwendung dieser Quelle hatte einige signifikante Veränderungen der Zahlen in Maddison (1995a) zur Folge, bei denen Daten des OECD-Entwicklungszentrums und der Weltbank miteinander kombiniert wurden. Was die vier Stichprobenländer betrifft, so stammen die Bevölkerungsdaten für 1913 aus Maddison (1995a). Die Angaben über die afrikanische Gesamtbevölkerung im Zeitraum 1820-1913 wurden abgeleitet aus McEvedy und Jones (1978), S. 206. Schätzungen des BIP-Niveaus für das Referenzjahr 1990 in internationalen (Geary-Khamis-) Dollar waren auf der Basis der Penn World Tables (PWT) von Robert Summers und Alan Heston für 50 afrikanische Länder verfügbar. In Maddison (1995a) wurden die Schätzungen der PWT, Version 5.5, verwendet. Für die vorliegende Untersuchung habe ich auf die Version 5.6 zurückgegriffen. Tabelle A4.g enthält eine Gegenüberstellung der Ergebnisse der PWT und der drei Reihen des ICP, die 24 Länder erfassen. Für 7 Länder waren weder ICP- noch PWT-Schätzungen verfügbar. Betreffend Äquatorialguinea, Mayotte, St. Helena, Sao Tomé und Príncipe sowie Westsahara wurde unterstellt, dass das Pro-Kopf-BIP 1990 dem Durchschnitt der 50 in den PWT erfassten Länder entsprach. Für Libyen wurde davon ausgegangen, dass es ebenso hoch war wie für Algerien, und für Eritrea wurde derselbe Wert wie für Äthiopien angenommen. Die BIP-Veränderungsraten im Zeitraum 1990-1998 stammen für sämtliche afrikanischen Länder aus IWF, World Economic Outlook, Oktober 1999. Die BIP-Veränderungsraten im Zeitraum 19131990 wurden für Ägypten, Ghana, Marokko und Südafrika von den weiter unten angeführten Quellen abgeleitet, die BIP-Veränderungsraten im Zeitraum 1950-1990 für andere Länder (mit Ausnahme Botsuanas, Nigerias und der sieben indirekten Schätzungen) von der Datenbank des OECDEntwicklungszentrums. Ägypten: Die BIP-Angaben für 1913-1950 stammen aus Hansen und Marzouk (1965), S. 3, für 1950-1973 aus Ikram (1980), S. 398-399, für 1973-1990 aus Weltbank, World Tables, 1995. Ghana: Die BIP-Daten für 1913-1950 stammen aus Szereszewski (1965), S. 74, 92 und 149, für 1950-1955 aus Maddison (1970), für 1955-1990 gehen sie auf das statistische Amt der Republik Ghana zurück. Marokko: Die BIP-Daten für 1913-1950 wurden abgeleitet aus Amin (1966), für 1950-1990 aus Weltbank, World Tables (Ausgaben 1983 und 1995). 245 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Südafrika: Die BIP-Daten in jeweiligen Preisen für 1913-1920, dividiert durch den Index der Lebenshaltungskosten, wurden von Daten des Bureau of Census and Statistics abgeleitet, Union Statistics for Fifty Years, Jubilee Issue 1910-1960, Pretoria, 1960; die Daten für 1920-1950 stammen aus L.J. Fourie, „Contribution of Factors of Production and Productivity to South African Economic Growth“, IARIW, Vervielfältigungsdruck, 1971. Die BIP-Daten für 1946-1970 zu Preisen von 1975 sind Statistiken der Development Bank of South Afrika, die Daten für 1970-1990 der Weltbank, World Tables, entnommen. Botsuana: Die BIP-Veränderungsraten im Zeitraum 1950-1990 stammen aus Weltbank, World Tables. Nigeria: Die Daten für 1950-1990 nach Bevan, Collier und Gunning (1999). Die Schätzungen für die 15 nicht zur Stichprobe zählenden Länder wurden separat angeführt, da sie sehr unsicher sind. Es wurde unterstellt, dass sich das Pro-Kopf-BIP für Afrika im Zeitraum 1913-1950 parallel zum Durchschnitt der vier Länder, für die Schätzungen verfügbar waren, entwickelt hat. Für den Zeitraum vor 1913 liegen keine Indikatoren vor. Es wurde daher von der Arbeitshypothese ausgegangen, dass sich das Pro-Kopf-BIP für Afrika insgesamt im Zeitraum 1820-1913 mit demselben Tempo wie in den „anderen Ländern Asiens“ (vgl. Tabelle B.21) entwickelt hat. 246 Anhang A Tabelle A4.a Bevölkerung in 57 afrikanischen Ländern (in Tausend zur Jahresmitte) 1820 1870 1913 1950 1973 1990 1998 12 144 2 043 4 500 6 153 24 840 21 198 5 297 9 343 13 596 49 434 35 480 9 583 16 998 24 549 86 610 56 106 15 190 24 685 37 191 133 172 66 050 18 497 29 114 42 835 156 496 Algerien Angola Benin Botsuana Kamerun Kap Verde Zentralafrikanische Republik Tschad Komoren Kongo Côte d'Ivoire Dschibuti Gabun Gambia Kenia Liberia Madagaskar Mali Mauretanien Mauritius Mosambik Namibia Niger Nigeria Réunion Ruanda Senegal Seychellen Sierra Leone Somalia Sudan Swasiland Tansania Togo Tunesien Uganda Sambia Simbabwe 38 andere Länder 8 893 4 118 1 673 430 4 888 146 1 260 2 608 148 768 2 860 60 416 305 6 121 824 4 620 3 688 1 006 481 6 250 464 2 482 31 797 244 2 439 2 654 33 2 087 2 438 8 051 277 8 909 1 172 3 517 5 522 2 553 2 853 129 055 15 198 6 028 2 836 643 7 179 277 1 945 3 995 257 1 279 6 352 189 557 546 12 594 1 528 7 250 5 909 1 356 861 10 088 831 4 559 53 121 469 4 110 4 727 58 2 925 3 932 15 113 493 15 321 2 133 5 426 10 386 4 625 6 041 221 137 25 352 8 430 4 676 1 304 11 894 349 2 798 5 889 429 2 206 11 904 370 1 078 964 23 674 2 265 11 525 8 231 1 979 1 074 14 056 1 409 7 644 86 530 600 7 161 7 408 73 4 283 6 675 26 628 840 24 886 3 680 8 207 17 227 7 957 9 958 361 613 30 481 10 865 6 101 1 448 15 029 400 3 376 7 360 546 2 658 15 446 441 1 208 1 292 28 337 2 772 14 463 10 109 2 511 1 168 18 641 1 622 9 672 110 532 705 7 956 9 723 79 5 080 6 842 33 551 966 30 609 4 906 9 380 22 167 9 461 11 044 448 947 15 Nicht-Stichprobenländer 49 853 79 898 125 980 154 511 228 342 387 645 620 765 759 954 4 376 2 363 21 577 2 586 573 726 2 817 13 569 1 266 49 853 5 947 3 529 34 028 3 786 633 1 142 4 865 23 186 2 782 79 898 9 024 5 285 50 960 5 936 998 1 744 9 139 37 978 4 916 125 980 11 266 5 537 62 232 7 477 1 206 2 090 9 840 49 001 5 862 154 511 Ägypten Ghana Marokko Südafrika 4 Stichprobenländer 57 Länder insgesamt 74 208 90 466 124 697 Burkina Faso Burundi Äthiopien und Eritrea Guinea Guinea-Bissau Lesotho Malawi Zaire 6 andere Länder 15 Nicht-Stichprobenländer 247 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle A4.b BIP-Niveau in 57 afrikanischen Ländern (in Mio. internationalen Dollar von 1990) 1820 1870 1913 1950 1973 1990 1998 8 891 1 509 3 630 9 857 23 887 15 224 5 943 13 598 34 465 69 230 36 249 13 484 28 800 102 498 181 031 112 873 16 372 64 082 147 509 340 836 140 546 23 014 78 397 165 239 407 196 Algerien Angola Benin Botsuana Kamerun Kap Verde Zentralafrikanische Republik Tschad Komoren Kongo Côte d'Ivoire Dschibuti Gabun Gambia Kenia Liberia Madagaskar Mali Mauretanien Mauritius Mosambik Namibia Niger Nigeria Réunion Ruanda Senegal Seychellen Sierra Leone Somalia Sudan Swasiland Tansania Togo Tunesien Uganda Sambia Simbabwe 38 andere Länder 12 136 4 331 1 813 150 3 279 66 972 1 240 83 990 2 977 90 1 292 165 3 982 869 4 394 1 685 467 1 198 7 084 1 002 2 018 23 933 485 1 334 3 341 63 1 370 2 576 6 609 200 3 362 673 3 920 3 793 1 687 2 000 107 629 35 814 10 784 3 011 722 7 201 147 1 627 1 726 229 2 727 12 064 412 4 086 533 12 107 2 212 8 292 3 449 1 309 3 169 18 894 2 895 3 377 76 585 1 771 2 826 6 217 187 3 180 4 625 11 783 1 114 9 007 2 245 12 051 8 704 4 930 8 594 290 606 73 934 7 207 5 347 4 178 14 393 430 1 982 2 573 294 5 394 16 330 530 4 500 833 26 093 2 245 9 210 6 040 1 825 7 652 14 105 4 619 4 289 107 459 2 694 6 125 10 032 366 4 335 7 231 19 793 2 154 13 852 2 805 27 387 10 206 6 432 13 766 448 640 81 948 7 029 7 668 6 083 15 157 544 2 203 3 463 285 5 951 21 201 467 5 901 1 098 30 451 2 580 9 976 7 917 2 494 11 508 22 125 6 158 5 149 136 162 3 174 5 605 12 659 471 2 837 6 044 29 535 2 699 16 933 3 159 39 306 16 082 6 374 15 990 554 386 15 Nicht-Stichprobenländer 17 710 57 548 70 352 77 826 194 569 529 185 859 828 1 039 408 1 686 772 5 394 784 166 232 913 6 750 1 013 17 710 3 287 1 781 13 640 1 861 558 790 2 756 16 915 15 960 57 548 5 482 3 520 18 964 3 304 794 1 828 5 146 17 394 13 920 70 352 7 613 3 005 24 833 4 573 736 2 451 6 949 10 790 16 876 77 826 Ägypten Ghana Marokko Südafrika 4 Stichprobenländer 57 Länder insgesamt 31 010 40 172 72 948 Burkina Faso Burundi Äthiopien und Eritrea Guinea Guinea-Bissau Lesotho Malawi Zaire 6 andere Länder 15 Nicht-Stichprobenländer 248 Anhang A Tabelle A4.c Pro-Kopf-BIP in 57 afrikanischen Ländern (in internationalen Dollar von 1990) 1820 1870 Ägypten Ghana Marokko Südafrika 4 Stichprobenländer 1913 1950 1973 1990 1998 732 739 807 1 602 962 718 1 122 1 455 2 535 1 400 1 022 1 407 1 694 4 175 2 090 2 012 1 078 2 596 3 966 2 559 2 128 1 244 2 693 3 858 2 602 1 365 1 052 1 084 349 671 452 771 475 561 1 289 1 041 1 500 3 106 541 651 1 055 951 457 464 2 491 1 133 2 159 813 753 1 988 547 1 259 1 909 656 1 057 821 722 377 574 1 115 687 661 701 834 2 356 1 789 1 062 1 123 1 003 531 837 432 891 2 132 1 899 2 180 7 336 976 961 1 448 1 144 584 965 3 681 1 873 3 484 741 1 442 3 776 688 1 315 3 224 1 087 1 176 780 2 260 588 1 053 2 221 838 1 066 1 423 1 314 2 916 855 1 143 3 204 1 210 1 232 708 437 685 2 445 1 372 1 432 4 174 864 1 102 991 799 734 922 7 125 1 003 3 278 561 1 242 4 490 855 1 354 5 014 1 012 1 083 743 2 564 557 762 3 337 592 808 1 382 1 241 2 688 647 1 257 4 201 1 009 1 360 653 471 522 2 239 1 373 1 059 4 885 850 1 075 931 690 783 993 9 853 1 187 3 797 532 1 232 4 502 704 1 302 5 962 558 883 880 2 794 553 644 4 190 725 674 1 448 1 235 355 720 558 504 852 1 365 1 385 1 368 385 327 250 303 290 320 324 497 800 355 553 505 401 492 882 692 566 730 5 737 720 607 666 372 557 796 1 048 563 458 2 832 558 676 543 399 612 610 1 173 706 220 2 879 504 Algerien Angola Benin Botsuana Kamerun Kap Verde Zentralafrikanische Republik Tschad Komoren Kongo Côte d'Ivoire Dschibuti Gabun Gambia Kenia Liberia Madagaskar Mali Mauretanien Mauritius Mosambik Namibia Niger Nigeria Réunion Ruanda Senegal Seychellen Sierra Leone Somalia Sudan Swasiland Tansania Togo Tunesien Uganda Sambia Simbabwe 38 andere Länder 15 Nicht-Stichprobenländer 57 Länder insgesamt 418 444 585 Burkina Faso Burundi Äthiopien und Eritrea Guinea Guinea-Bissau Lesotho Malawi Zaire 6 andere Länder 15 Nicht-Stichprobenländer 249 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle A4.d Pro-Kopf-BIP-Zuwachsraten in 57 afrikanischen Ländern 1820–1870 1870–1913 Ägypten Ghana Marokko Südafrika 4 Stichprobenländer 1913–1950 1973–1998 1.54 0.99 0.66 2.19 1.76 2.98 –0.49 1.87 –0.32 0.88 Algerien Angola Benin Botsuana Kamerun Kap Verde Zentralafrikanische Republik Tschad Komoren Kongo Côte d'Ivoire Dschibuti Gabun Gambia Kenia Liberia Madagaskar Mali Mauretanien Mauritius Mosambik Namibia Niger Nigeria Réunion Ruanda Senegal Seychellen Sierra Leone Somalia Sudan Swasiland Tansania Togo Tunesien Uganda Sambia Simbabwe 38 andere Länder 2.40 2.34 –0.09 5.21 1.76 0.70 0.35 –0.42 2.03 2.21 2.65 1.64 3.81 2.60 1.71 1.39 0.81 1.07 3.23 1.71 2.21 2.10 –0.40 2.87 2.83 1.00 0.19 2.30 2.22 0.47 –0.22 5.09 1.95 2.67 3.04 0.87 2.10 3.12 2.00 0.53 –3.99 0.68 5.42 0.02 3.84 –0.99 0.34 –2.12 0.20 –1.29 –2.85 –1.61 –0.55 0.45 –1.75 –2.00 1.18 0.11 4.02 –1.81 0.34 –1.31 –0.63 0.71 0.10 –0.04 2.49 –2.63 –1.14 0.49 0.85 –0.24 –1.95 2.57 –0.58 –1.82 0.07 –0.25 15 Nicht-Stichprobenländer 3.12 –1.42 2.07 0.01 1.58 1.91 2.07 2.12 4.96 3.41 2.46 1.68 8.94 3.12 0.81 0.29 –0.02 0.88 –1.46 2.13 0.89 –4.68 –2.72 –1.42 57 Länder insgesamt –0.05 1.14 1.61 1.25 1.02 1950–1973 0.12 0.64 Burkina Faso Burundi Äthiopien und Eritrea Guinea Guinea-Bissau Lesotho Malawi Zaire 6 andere Länder 15 Nicht-Stichprobenländer 250 1.02 Anhang A Tabelle A4.e BIP-Zuwachsraten in 57 afrikanischen Ländern 1820–1870 1870–1913 Ägypten Ghana Marokko Südafrika 4 Stichprobenländer 1913–1950 1973–1998 3.84 3.63 3.32 4.85 4.27 5.57 2.16 4.09 1.93 3.30 Algerien Angola Benin Botsuana Kamerun Kap Verde Zentralafrikanische Republik Tschad Komoren Kongo Côte d'Ivoire Dschibuti Gabun Gambia Kenia Liberia Madagaskar Mali Mauretanien Mauritius Mosambik Namibia Niger Nigeria Réunion Ruanda Senegal Seychellen Sierra Leone Somalia Sudan Swasiland Tansania Togo Tunesien Uganda Sambia Simbabwe 38 andere Länder 4.82 4.05 2.23 7.07 3.48 3.54 2.26 1.45 4.51 4.50 6.27 6.84 5.13 5.23 4.95 4.15 2.80 3.16 4.58 4.32 4.36 4.72 2.26 5.19 5.79 3.32 2.74 4.84 3.73 2.58 2.55 7.75 4.38 5.38 5.00 3.68 4.77 6.54 4.41 3.37 –1.70 3.81 8.90 3.02 5.37 1.22 2.82 0.88 3.17 2.28 0.50 1.48 2.93 3.76 0.62 0.74 3.38 2.61 5.29 0.63 3.07 1.70 2.33 2.36 2.78 2.89 3.76 –0.46 1.08 3.74 3.60 2.56 1.38 4.84 2.49 1.03 2.51 2.62 15 Nicht-Stichprobenländer 5.26 1.21 4.45 2.74 2.95 3.70 4.12 3.83 5.41 5.47 4.92 4.08 12.74 5.26 3.42 2.11 2.43 3.66 1.11 4.63 3.77 –1.78 0.22 1.21 57 Länder insgesamt 1.46 3.77 3.63 3.44 2.92 1950–1973 0.52 1.40 Burkina Faso Burundi Äthiopien und Eritrea Guinea Guinea-Bissau Lesotho Malawi Zaire 6 andere Länder 15 Nicht-Stichprobenländer 251 2.69 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle A4.f Bevölkerungswachstumsraten in 57 afrikanischen Ländern 1820–1870 1870–1913 Ägypten Ghana Marokko Südafrika 4 Stichprobenländer 1913–1950 1973–1998 2.26 2.61 2.64 2.60 2.47 2.52 2.67 2.18 2.25 2.39 Algerien Angola Benin Botsuana Kamerun Kap Verde Zentralafrikanische Republik Tschad Komoren Kongo Côte d'Ivoire Dschibuti Gabun Gambia Kenia Liberia Madagaskar Mali Mauretanien Mauritius Mosambik Namibia Niger Nigeria Réunion Ruanda Senegal Seychellen Sierra Leone Somalia Sudan Swasiland Tansania Togo Tunesien Uganda Sambia Simbabwe 38 andere Länder 2.36 1.67 2.32 1.76 1.69 2.82 1.91 1.87 2.43 2.24 3.53 5.12 1.28 2.56 3.19 2.72 1.98 2.07 1.31 2.56 2.10 2.57 2.68 2.26 2.88 2.29 2.54 2.48 1.48 2.10 2.78 2.54 2.39 2.64 1.90 2.78 2.62 3.32 2.37 2.82 2.38 3.11 3.30 3.00 1.48 2.23 2.47 3.06 2.97 3.62 3.45 3.15 3.51 3.30 2.41 2.80 2.17 2.50 1.23 2.49 2.71 3.05 2.97 1.64 2.68 2.93 1.24 2.23 2.24 3.24 2.73 2.81 3.39 2.21 3.08 2.90 2.44 2.87 15 Nicht-Stichprobenländer 2.07 2.67 2.33 2.73 1.34 1.76 2.00 1.67 0.43 1.99 2.40 2.36 3.48 2.07 2.59 1.82 2.44 2.76 2.61 2.45 2.86 3.04 3.03 2.67 57 Länder insgesamt 1.52 2.61 1.99 2.17 1.88 1950–1973 0.40 0.75 Burkina Faso Burundi Äthiopien und Eritrea Guinea Guinea-Bissau Lesotho Malawi Zaire 6 andere Länder 15 Nicht-Stichprobenländer 252 1.65 Anhang A Tabelle A4.g Alternative Schätzungen des BIP-Niveaus im Jahr 1990 auf der Basis von ICP und PWT in einigen afrikanischen Ländern (in Mio. internationalen Geary-Khamis-Dollar) Benin Botsuana Kamerun Kongo Côte d'Ivoire Ägypten Äthiopien Gabun Guinea Kenia Madagaskar Malawi Mali Mauritius Marokko Nigeria Ruanda Senegal Sierra Leone Swasiland Tansania Tunesien Sambia Simbabwe Quelle: PWT 5.5 PWT 5.6 ICP 4 ICP 5 ICP 7 5 248 5 479 17 115 5 972 14 568 105 684 17 891 3 639 3 087 26 028 9 093 4 840 5 059 7 211 60 193 96 521 5 360 9 351 4 041 1 580 14 676 26 421 6 935 14 913 5 347 4 178 14 393 5 394 16 330 112 873 18 964 4 500 3 304 26 093 9 210 5 146 6 040 7 652 64 082 107 459 6 125 10 032 4 325 2 154 13 852 27 387 6 432 13 766 n.v. 5 488 16 781 n.v. 16 655 n.v. 16 498 n.v. n.v. 25 698 8 001 5 131 4 561 n.v. 56 183 126 035 n.v. 8 627 n.v. n.v. 13 388 28 990 8 358 15 256 6 629 5 662 41 534 5 358 18 528 194 267 18 622 n.v. n.v. 31 855 8 531 6 173 5 314 7 671 83 696 139 453 5 040 12 139 3 021 2 181 13 199 35 312 10 684 20 391 1 227 2 591 7 123 1 096 5 562 66 855 n.v. 2 424 2 506 7 358 3 541 1 582 1 485 1 796 20 338 24 349 n.v. 3 361 774 611 2 470 9 409 2 741 5 559 Die Angaben in Spalte 1 wurden abgeleitet von den Penn World Tables, Version 5.5, Diskette als Anhang zu R.S. Summers und A. Heston, "The Penn World Table (Mark 5): An Expanded Set of International Comparisons, 1950–1988", Quarterly Journal of Economics, Mai 1991. Die Daten in Spalte 2 wurden ihrer Diskette, Version 5.6a, von Januar 1995 entnommen. In einigen Fällen beziehen sich die PWT-Schätzungen nicht auf das Jahr 1990 sondern auf ein bzw. zwei Jahre davor, und ich habe die Zahlen mit Hilfe der realen BIP-Veränderungen sowie den Veränderungen des US-BIP-Deflators zwischen jenem Jahr und 1990 aktualisiert. Ich habe die PWT, Version 5.5, zuvor für 50 Länder verwendet (vgl. Maddison, 1995a, S. 192 und 221) und hier Version 5.6a herangezogen. Dadurch erhöhte sich das globale BIP für die 50 Länder von 812 817 Mio. internationalen (Geary-Khamis) Dollar in Maddison (1995a) auf 845 908 Mio. in dieser Untersuchung. Zudem beliefen sich die anhand indirekter Schätzungen für 6 Länder erzielten Werte auf 13 883 Mio. internationale Dollar in beiden Untersuchungen (vgl. Maddison, 1995a, S. 214 und 221). Die PWT-Schätzungen sind sehr viel umfassender als jene des ICP, das sich 1980 auf 15 Länder (ICP 4), 1985 im Rahmen des ICP 5 auf 22 Länder und im Rahmen des ICP 7 für 1993 wiederum auf 20 Länder beschränkte. 1990 hat keine ICP-6-Runde für Afrika stattgefunden. Die ICP-Ergebnisse wurden in derselben Art wie jene in Tabellen A3.g und A3.h auf eine Basis 1990 umgerechnet. Bei den hier aufgeführten 24 Ländern handelt es sich um alle jene, die an einer der beiden ICP-Untersuchungen teilgenommen haben. Die Ergebnisse von ICP 4 stammen aus UN/Eurostat, World Comparisons of Purchasing Power Parity and Real Product for 1980, New York, 1987, S. viii; die von ICP 5 aus UN/Eurostat, World Comparisons of Real GDP and Purchasing Power 1985, New York, 1994, S. 5; Die Geary-Khamis-Ergebnisse von ICP 7 aus Eurostat, Comparisons of Price Levels and Economic Aggregates 1993: The Results of 22 African Countries, Luxemburg 1996, S. 43, 145–146. Die ICP-7-Ergebnisse der letzten Spalte sind nicht mit jenen der früheren Jahre vergleichbar. Es handelt sich hierbei um innerafrikanische Relationen, die über einen standardisierten Wechselkurs zum US-$ anstatt eine Kaufkraftparität in Korrelation gestellt wurden, wobei die Rechnungseinheit der Vereinigten Staaten zu Grunde gelegt wurde. Die Folge davon ist, dass das dort ausgewiesene Realproduktniveau insgesamt rd. einem Drittel der Werte der ICP-5-Untersuchung entspricht. Das Verhältnis zwischen den ICP-7- und den ICP-5-Ergebnissen schwankt zwischen 0.46 für Botsuana und 0.17 für Kamerun. Die ICP-5-Ergebnisse für Kamerun fallen denn auch effektiv aus der Reihe. Was die größten Länder betrifft, so liegt das Verhältnis jedoch zwischen 0.17 (Nigeria) und 0.34 (Ägypten). Ein großes Problem der ICP-Untersuchung besteht darin, dass keinerlei Versuche zur Ausräumung der Diskrepanzen zwischen den Ergebnissen der unterschiedlichen Runden unternommen wurden, was ein wesentliches Merkmal des von Summers und Heston verfolgten Konzepts in den Penn World Tables war. 253 Anhang B Anhang B Weltweites Wachstum von Bevölkerung, BIP und Pro-Kopf-BIP, vor 1820 Maddison (1995a) lieferte eine grobe Gesamtschätzung der weltweiten Entwicklung von Bevölkerung, BIP und Pro-Kopf-BIP, die bis zum Jahr 1500 zurückging, um so einen perspektivischen Hintergrund für die ausführliche Analyse der Entwicklung nach 1820 zu erhalten. Der Hauptzweck dieses kurzen historischen Rückblicks bestand darin, die spektakuläre Wachstumsbeschleunigung in der darauf folgenden kapitalistischen Ära herauszustellen. In Maddison (1998a) wurde eine Gegenüberstellung der Wirtschaftsleistung Chinas und der der westlichen Länder über einen zwei Jahrtausende umfassenden Zeitraum vorgenommen. Diese Untersuchung förderte bedeutende Unterschiede bei Tempo und Art der Veränderungen in den großen weltwirtschaftlichen Regionen zu Tage und zeigte, dass die Gründe hierfür weit in die Vergangenheit zurückreichen. Die vorliegende Studie enthält eine detailliertere und stärker aufgeschlüsseltere Analyse der „protokapitalistischen“ Epoche von 1500 bis 1820 und beschreibt in großen Zügen den Verlauf des Entwicklungsprozesses vom Beginn unserer Zeitrechnung bis zum Jahr 1500. Die quantitative Analyse in diesem Anhang geht von den Schätzungen für das Jahr 1820 in Anhang A aus und stützt sich bei Berechnungen für die Zeit davor auf die gleichen Analysetechniken: Zusammenstellung von Daten über demographische Veränderungen, Zugrundelegung des internationalen Dollar von 1990 als zeitlicher und räumlicher Anker für die Schätzung der Entwicklung des BIP und des Pro-Kopf-BIP sowie Schätzung von Annäherungswerten zur Schließung von Lücken in den Datenreihen, um so Weltgesamtwerte ableiten zu können. Der vorliegende Anhang ist in zwei Abschnitte unterteilt: Der erste behandelt das Thema Bevölkerung, der zweite das BIP-Wachstum. Bevölkerung Die hier wiedergegebenen Daten über die fernere Vergangenheit sind weniger verlässlich als die Angaben in Anhang A, und die Datenbasis enthält mehr Lücken. Dennoch sind die angegebenen quantitativen Werte keine Phantasieprodukte. Die verlässlichsten und umfassendsten Daten betreffen die Bevölkerung, und die demographische Komponente ist bei der Untersuchung von Jahrhunderten mit geringem Wachstum des Pro-Kopf-Einkommens von proportional größerer Bedeutung. Die demographischen Daten geben wichtige Aufschlüsse über die Entwicklung des Pro-KopfEinkommens. Ein frappierendes Beispiel ist die Urbanisationsrate. Dank der Arbeiten von de Vries für Europa und von Rozman für Asien kann der Anteil der in Städten mit über 10 000 Einwohnern lebenden Bevölkerung gemessen werden. Im Jahr 1000 lag diese Rate in Europa bei Null (es gab überhaupt 255 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive nur vier Städte mit über 10 000 Einwohnern) und in China bei 3%. Im Jahr 1800 betrug die Urbanisationsrate in Westeuropa 10,6%, in China 3,8% und in Japan 12,3%. Wenn die Urbanisationsrate eines Landes steigt, ist dies ein Hinweis darauf, dass die Landwirtschaft zunehmende, über den Eigenbedarf hinausgehende Überschüsse abwirft und dass die nicht landwirtschaftlichen Komponenten der Wirtschaftstätigkeit an Bedeutung gewinnen. In Maddison (1998a) wurden aus diesen Veränderungen Schlussfolgerungen im Hinblick auf die Unterschiede beim Pro-Kopf-Wachstum zwischen China und Europa abgeleitet, und diese Methode bildet auch eine der Grundlagen der vorliegenden Untersuchung. Die chinesische Bürokratie führte Bevölkerungsregister, die mehr als 2000 Jahre zurückreichen. Diese amtlichen Aufzeichnungen dienten der Beurteilung der Besteuerungsfähigkeit. Sie enthalten Informationen über Anbauflächen und Ernteerträge, die von Perkins (1969) verwendet wurden, um die langfristige Entwicklung des chinesischen Pro-Kopf-BIP zu evaluieren. Bagnall und Frier (1994) haben mit Hilfe von Fragmenten alter Zensusdaten hervorragende Schätzungen über Beschäftigungsstruktur, Haushaltsgröße, Ehemodelle, Fertilität und Lebenserwartung im von Rom beherrschten Ägypten des 3. Jahrhunderts erstellt. Seriöse Arbeiten auf dem Gebiet der historischen Demographie begannen im 17. Jahrhundert mit John Graunt (1662). Er erstellte Bevölkerungsstatistiken, Überlebenstabellen und bestimmte die Bevölkerung von London, indem er die in den Londoner Mortalitätslisten ab 1603 enthaltenen Angaben über Taufen und Beerdigungen verarbeitete und analysierte. Halley (1693) veröffentlichte die erste mathematisch genaue Analyse der Sterbetafeln, und Gregory King (1696) leitete Schätzungen der Bevölkerung von England und Wales aus Informationen über die Herd- und Kopfsteuer, eine neue Steuer auf Geburten, Eheschließungen und Beerdigungen, sowie seinen eigenen Minivolkszählungen für mehrere Städte ab. Im 20. Jahrhundert erlebte die historische Demographie an verschiedenen wichtigen Zentren einen neuen Aufschwung: a) beim Büro für Demographieforschung an der Universität von Princeton (gegründet 1936); b) beim INED – Institut National des Etudes Demographiques, das in den fünfziger Jahren eingerichtet wurde, um die von Louis Henry entwickelten Techniken der Familienrekonstitution zu nutzen; c) bei der Cambridge-Gruppe für Bevölkerungsgeschichte und Familienstruktur (gegründet in den siebziger Jahren), die ein weitreichendes Forschungsprojekt durchführte, um Größe und Struktur der englischen Bevölkerung auf Jahresbasis, zurückgehend bis zum Jahr 1541, zu rekonstituieren (Wrigley et al., 1997); d) im Rahmen intensiver Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der historischen Demographie, die in Japan unter der Führung von Akira Hayami und Osamu Saito durchgeführt wurden; und schließlich durch e) eine Flut von Arbeiten über die lateinamerikanische Demographie, die von Mitgliedern der Berkeley School der University of California veröffentlicht wurden. Für die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts verfügen wir über die umfassenden internationalen Erhebungen der Vereinten Nationen und des US Bureau of the Census. Mithin liegen nunmehr in großer Zahl Monographien über europäische, amerikanische und asiatische Länder vor, und es wurde eine lange Reihe von Arbeiten durchgeführt, um Gesamtschätzungen der Weltbevölkerung zu erstellen. Riccioli (1672) und Gregory King (1696) haben mit dieser Tradition begonnen. Die frühen Schätzungen wurden von Willcox (1931) in einer nützlichen Übersicht zusammengefasst, die für den Zeitraum von 1650 bis 1850 eine Liste von 66 Publikationen umfasste. Die zeitgenössische Forschung wird von Colin Clark (1967), Durand (1974), McEvedy und Jones (1978) sowie Biraben (1979) vertreten. Die nachfolgenden detaillierten Schätzungen für die Zeit nach 1500 basieren größtenteils auf Monographien über die wichtigsten Länder. Zur Schließung von Lücken in meiner Datenbank habe ich die Arbeiten von McEvedy und Jones (1978) herangezogen, und für den Zeitraum von Beginn unserer Zeitrechnung bis zum Jahr 1500 habe ich mich weitgehend hierauf gestützt. 256 Anhang B Aus verschiedenen Gründen gebe ich McEvedy und Jones den Vorzug vor Clark, Durand und Biraben. Bei den Schätzungen von McEvedy und Jones handelt es sich um die detailliertesten und am besten belegten Arbeiten. Wenn sie die Vergangenheit rekonstituieren, definieren sie die Länder nach den 1975 bestehenden Grenzen, die in den meisten Fällen mit den Grenzen von 1990 übereinstimmen, von denen ich selbst in der Regel bei meinen Arbeiten ausgegangen bin (mit Ausnahme von Deutschland, Indien, Korea und dem Vereinigten Königreich). Sie zeigen darüber hinaus den Effekt von Veränderungen des Grenzverlaufs. Zwischen den vier klassischen Informationsquellen bestehen signifikante Unterschiede bei der Beurteilung der langfristigen Bevölkerungsdynamik, insbesondere was Lateinamerika im Jahr 1500 und davor betrifft, aber auch in Bezug auf Afrika. In beiden Fällen deckt sich meine Auffassung eher mit der von McEvedy und Jones als der von Clark, Durand oder Biraben. Tabelle B.1 enthält einen Vergleich meiner Gesamtergebnisse mit denen von McEvedy und Jones, Clark, Durand sowie Biraben. Westeuropa Die Daten über Dänemark, Finnland, Deutschland, die Niederlande, Norwegen, Schweden und die Schweiz für den Zeitraum 1500-1700 stammen aus Maddison (1991), S. 226-227; die Daten über Belgien und Italien aus de Vries (1984), S. 36; die Daten über Österreich aus McEvedy und Jones (1978); die Daten über Frankreich (in seinen gegenwärtigen Grenzen) stammen für den Zeitraum 1500-1700 aus Bardet und Dupaquier (1997), S. 446 und 449; für den Zeitraum 1700-1820 aus Henry und Blayo (1975), S. 97-99. Die Schätzungen für das Vereinigte Königreich werden in der nachstehenden Tabelle B.13 erklärt. Die demographischen Angaben für die Jahre 0 und 1000 wurden McEvedy und Jones (1978) entnommen. Es wurde unterstellt, dass sich die Bevölkerung von 13 kleinen westeuropäischen Ländern parallel zu der Gesamtbevölkerung der 12 oben angeführten Länder entwickelt hat. Die Daten für Portugal im Zeitraum 1500-1700 und Spanien im Jahr 1500 wurden de Vries (1984), S. 36, entnommen. Für Spanien im Jahr 1600 und im Jahr 1700 entstammen die Angaben dem statistischen Jahrbuch Spaniens, 1977, INE, Madrid, S. 49, für die Jahre 0 und 1000 den Arbeiten von McEvedy und Jones. Die Daten für Griechenland im Zeitraum 0-1700 sind McEvedy und Jones entnommen. Osteuropa Die demographischen Angaben für – in der heutigen Gebietsform – Albanien, Bulgarien, Griechenland, Polen, Rumänien, Slowakei, Tschechische Republik, Ungarn und die fünf Republiken des ehemaligen Jugoslawien wurden McEvedy und Jones (1978) entnommen. Ehemalige UdSSR Tabelle B.3 bezieht sich auf die Bevölkerung des geographischen Gebiets, das die UdSSR bildete, bevor es 1991 zu deren Auflösung kam. Die Angaben für die Zeitspanne 0-1870 stammen aus McEvedy und Jones (1978), S. 78-82, 157-163; sie sind aufgeschlüsselt in den europäischen Teil Russlands (ohne Finnland und die polnischen Provinzen), Sibirien, den Kaukasus (die heutigen Republiken Armenien, Aserbaidschan und Georgien) und Turkestan (die heutigen Republiken Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan). 257 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle B.1 Alternative Schätzwerte der regionalen Aufteilung der Weltbevölkerung, 0-1700 (in Tausend) Jahr 0 1000 1500 1700 Europa (einschließlich Gebiet der ehemaligen Sowjetunion) Clark Durand Biraben McEvedy und Jones Maddison 44 500 42 500 43 000 32 800 33 350 44 200 45 500 43 000 38 800 39 013 73 800 79 000 84 000 85 500 87 718 111 800 n.v. 125 000 126 150 126 810 41 000 46 500 42 000 14 000 19 750 13 000 n.v. 12 000 13 000 13 250 227 000 304 000 245 000 277 330 284 350 416 000 n.v. 436 000 411 250 402 350 85 000 54 000 87 000 46 000 46 000 100 000 n.a. 107 000 61 000 61 000 427 800 483 500 461 000 423 600 437 818 640 800 n.v. 680 000 610 000 603 410 Amerika Clark Durand Biraben McEvedy und Jones Maddison 3 000 12 000 12 000 4 500 6 320 13 000 37 500 18 000 9 000 12 860 Asien (einschließlich Australasien) Clark Durand Biraben McEvedy und Jones Maddison 185 000 207 000 171 000 114 200 174 650 173 000 189 500 152 000 183 400 183 400 Afrika Clark Durand Biraben McEvedy und Jones Maddison 23 000 35 000 26 000 16 500 16 500 50 000 37 500 38 000 33 000 33 000 Welt insgesamt Clark Durand Biraben McEvedy und Jones Maddison 225 500 296 500 252 000 168 700 230 820 280 200 310 000 253 000 264 500 268 273 Quelle: Clark (1967), Durand (1974), McEvedy und Jones (1978) und Biraben (1979). Bei den Schätzungen von Durand handelt es sich um Ober-/Untergrenzen, deren mittleren Wert ich hier wiedergegeben habe. Ich habe das gesamte Gebiet der ehemaligen Sowjetunion Europa und die gesamte Türkei Asien zugerechnet; die Schätzwerte der anderen Autoren habe ich dieser Definition angepasst. Die großen Einwanderungsländer Bei Daniels (1992) finden sich ein detailliertes Literaturverzeichnis und eine umfassende Übersicht der Untersuchungen über Nordamerika. Thornton (1987) analysiert den Prozess der indigenen Entvölkerung und zitiert die von Ubelaker (1976) für die Smithsonian Institution durchgeführten Schätzungen. Ich habe diese Schätzungen (in gerundeter Form) als Basis für meine eigene Schätzung – 2 Millionen im Jahr 1500 für die Vereinigten Staaten und eine viertel Million für Kanada – verwendet. Thornton gibt keine Schätzwerte für 1600 und 1700 an. Meine Evaluierung für diese beiden Jahre basiert auf der Annahme, dass die Entvölkerungsrate niedriger war als in Mexiko (das eine wesentlich größere Bevölkerungsdichte aufwies). Für den Zeitraum 0-1500 wird angenommen, dass die demographische Entwicklung proportional der des gesamten lateinamerikanischen Raums entsprach. 258 Anhang B Tabelle B.2 Bevölkerung West- und Osteuropas sowie der großen Einwanderungsländer, 0-1820 (in Tausend) Jahr 0 1000 1500 1600 1700 1820 500 300 180 20 5 000 3 000 7 000 200 100 200 300 800 17 600a 500 4 500 2 000 100 700 400 360 40 6 500 3 500 5 000 300 200 400 300 2 000 19 700b 600 4 000 1 000 113 2 000 1 400 600 300 15 000 12 000 10 500 950 300 550 650 3 942 48 192 1 000 6 800 1 000 276 2 500 1 600 650 400 18 500 16 000 13 100 1 500 400 760 1 000 6 170 62 580 1 100 8 240 1 500 358 2 500 2 000 700 400 21 471 15 000 13 300 1 900 500 1 260 1 200 8 565 68 796 2 000 8 770 1 500 394 3 369 3 434 1 155 1 169 31 246 24 905 20 176 2 355 970 2 585 1 829 21 226 114 419 3 297 12 203 2 312 657 24 700 25 413 57 268 73 778 81 460 132 888 Albanien Bulgarien Tschechoslowakei Ungarn Polen Rumänien Jugoslawien 200 500 1 000 300 450 800 1 500 200 800 1 250 500 1 200 800 1 750 200 800 3 000 1 250 4 000 2 000 2 250 200 1 250 4 500 1 250 5 000 2 000 2 750 300 1 250 4 500 1 500 6 000 2 500 2 750 437 2 187 7 190 4 571 10 426 6 389 5 215 Osteuropa insgesamt 4 750 6 500 13 500 16 950 18 800 36 415 640 80 450 1 300 160 500 2 000 250 550 1 500 250 550 1 000 200 550 9 981 816 433 1 170 1 960 2 800 2 300 1 750 11 230 Österreich Belgien Dänemark Finnland Frankreich Deutschland Italien Niederlande Norwegen Schweden Schweiz Vereinigtes Königreich 12 Länder insgesamt Portugal Spanien Griechenland 13 kleine Länder Westeuropa insgesamt Vereinigte Staaten Kanada Australien und Neuseeland Große Einwanderungsländer insgesamt Tabelle B.3 Europäische und asiatische Bevölkerung Russlands, 0-1870 (in Tausend) Jahr 0 1000 1500 1600 1700 1820 1870 Europäische Gebiete Sibirien Kaukasus Turkestan 2 000 100 300 1 500 4 000 100 500 2 500 12 000 200 1 250 3 500 15 000 200 1 500 4 000 20 000 300 1 750 4 500 44 161 1 443 2 429 6 732 71 726 3 272 4 587 9 087 Insgesamt 3 900 7 100 16 950 20 700 26 550 54 765 88 672 Quelle: McEvedy und Jones (1978). 259 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Für Australien wurde die Zahl der Ureinwohner nach der herkömmlichen offiziellen Schätzung zum Zeitpunkt der ersten Begegnung mit Europäern auf 250 000 bis 300 000 beziffert; das von Butlin (1983) erarbeitete detaillierte Modell zur Messung der wahrscheinlichen Effekte von Krankheit, Vertreibung und gezielter Ausrottung in New South Wales und Victoria lässt jedoch auf eine beträchtlich höhere Zahl schließen. Ich habe für die Bevölkerung von Australien und Neuseeland zusammengenommen (vor den ersten Kontakten mit Europäern) eine Zahl von 550 000 angesetzt; das ist ein niedrigerer Wert als der von Butlin geschätzte, liegt aber über den früheren offiziellen Schätzungen. Für den Zeitraum 0-1500 gehe ich von einem langsameren Bevölkerungswachstum in Australien aus als auf dem amerikanischen Kontinent. Lateinamerika Über die Größe der autochthonen Bevölkerung zum Zeitpunkt der spanischen Eroberung bestehen erhebliche Kontroversen. Es gibt wenig gesicherte Daten und doch existieren zwei ganz unterschiedliche Denkschulen. Fest steht, dass die Bevölkerung nach der spanischen Eroberung erheblich gesunken ist. Die indigene Bevölkerung, die über Jahrtausende von fremden Mikroben abgeschirmt war, wurde durch die großen Pocken- und Masernepidemien sowie andere tödliche Krankheiten, gegen die sie keine Abwehrkräfte entwickelt hatte, dezimiert. Mexiko In einer Evaluierung, die auf sorgfältigen Recherchen der Literatur über die Konquistadoren und den in spanischen Archiven vorhandenen Dokumenten beruhte, schätzte Angel Rosenblat (1945) die vor der Eroberung im heutigen Mexiko ansässige Bevölkerung auf etwa 4,5 Millionen. Er nahm eine verhältnismäßig moderate Entvölkerungsrate nach der Eroberung an – einen Rückgang um weniger als 15% im 16. Jahrhundert. Die Berkeley School (Cook und Simpson, 1948) ging von sehr viel höheren Schätzungen der Bevölkerung vor der Eroberung aus – ihr Schätzwert für Mittelmexiko allein (rund ein Viertel der Fläche des heutigen Mexiko) lag bei 11 Millionen. Diese Schätzung basierte auf verschiedenen, wenig verlässlichen Annahmen, z.B. der Multiplizierung der Zahl der franziskanischen Mönche mit den Taufkoeffizienten oder Rückschlüssen auf die Bevölkerungsgröße anhand der Größe der aztekischen Armeen, wie sie von ihren Gegnern geschätzt wurde. Borah und Cook (1963) gelangten für Mittelmexiko zu noch höheren Schätzungen – 25 Millionen auf der Basis vieldeutiger Piktogramme, die die Inzidenz der aztekischen Steuerabgaben beschreiben. Für den Zeitraum 1519-1605 unterstellten sie eine Entvölkerungsrate der autochthonen Einwohner von 95%, und bei Berechnungen für frühere Jahre legten sie die spanischen Schätzungen für 1605 zu Grunde, unter Verwendung eines Multiplikators von 25. Sie gaben keine ausführlichen Erläuterungen der verschiedenen Mortalitätsursachen, wie es Butlin (1983) für Australien getan hat. Sie untersuchten keine alternativen Messmethoden wie Cook (1981) im Fall Perus, und sie verzichteten stets darauf, die von Rosenblat (1967) formulierte Kritik an ihrer Arbeit in aller Form zu beantworten. Aus zwei Gründen sind Zweifel an den extrem hohen von der Berkeley School geschätzten Mortalitätsraten angebracht: a) Es wird eine sehr viel höhere Mortalität angenommen als in Europa im Gefolge der Schwarzen Pest (Dezimierung der Bevölkerung um ein Drittel); b) es ist unwahrscheinlich, dass die Bevölkerung von Mittelmexiko ihr für 1519 unterstelltes Niveau, trotz des positiven Effekts der spanischen Eroberung auf das Produktionspotential, erst 1970 wieder erreicht haben soll. Vor der Eroberung gab es keine Wagen auf Rädern, keine Pflüge und keine Metallwerkzeuge. Die Grundernährung war praktisch vegetarisch, denn Rinder, Schafe, Schweine oder Hühner waren unbekannt. Da es keine Pferde, Esel, Ochsen oder mit Rädern ausgestattete Fahrzeuge gab, waren die Transportmöglichkeiten zu Land auf menschliches Trägerpersonal beschränkt. Europa hat sich inner260 Anhang B halb eines Jahrhunderts, praktisch ohne technologischen Fortschritt, von den durch die Schwarze Pest verursachten Verlusten erholt. Es erscheint unglaubwürdig, dass Mexiko hierfür 450 Jahre gebraucht haben soll. Meiner Ansicht nach sind die Schätzungen der Berkeley School für Mexiko viel zu hoch. Ich glaube jedoch auch, dass Rosenblat das vor der spanischen Eroberung bestehende Niveau und die danach eingetretene Entvölkerung unterschätzt. Zambardino (1980) schlägt in einer kritischen Analyse der Arbeiten der Berkeley School eine plausible Spanne von 5-10 Millionen Einwohnern vor. Ich habe den Mittelwert der Schätzungen Zambardinos für Mexiko (vgl. die Analyse in Maddison, 1995b) gewählt und eine Entvölkerungsrate von zwei Dritteln zwischen 1500 und 1600 unterstellt. Rosenblat (1945) beschreibt die Struktur der mexikanischen Bevölkerung im Jahr 1825 am Ende der spanischen Herrschaft, als die Bevölkerung sich auf 6,8 Millionen belief. Am oberen Ende der Skala gab es eine dünne Schicht von 70 000 Peninsulares (Spanier von der iberischen Halbinsel). Die zweite Gruppe bestand aus 1,2 Millionen Criollos (Weiße spanischer Abstammung). Die dritte Gruppe setzte sich aus 1,9 Millionen Mestizos oder Castas zusammen. Die Mehrzahl entstammte Verbindungen zwischen Weißen und Indianern; manche dieser Indianer hatten ihren ländlichen Lebensstil aufgegeben, trugen Kleidung im spanischen Stil und lebten in städtischen Gebieten. Am unteren Ende der sozialen Leiter befanden sich die in ländlichen Regionen lebenden Indianer (3,7 Millionen); sie lebten zumeist in kleineren Dörfern und betrieben Landwirtschaft zur Eigenbedarfsdeckung, wobei es im Norden auch einige Jäger/Sammler-Gruppen gab. Diese Indianergemeinschaften trugen traditionelle Kleidung, sprachen ihre eigenen Sprachen und pflegten ihre eigenen Gebräuche (mit Ausnahme der Religion). Im Süden des Landes lebte eine kleine Gruppe schwarzer Sklaven (etwa 10 000). Diese Informationen über die soziale Struktur sind für die Berechnung der Einkommenskonten von großem Nutzen (vgl. weiter unten). Brasilien Ich habe die Schätzungen von Rosenblat (1945) für 1500 übernommen, die McEvedy und Jones verwendet haben. Sie kommen den Schätzungen von Kroeber (1939) nahe, die auf bestimmten Hypothesen über die Art der Landnutzung und die Technologien, einer mehrheitlich als Jäger/Sammler lebenden Bevölkerung basieren (zum Teil wurde auch Brandrodungsbau in Küstengebieten betrieben). Hemming (1978) schätzt die Bevölkerung vor den Kontakten mit den Kolonisatoren auf 2,4 Millionen (von ihm selbst als „reine Vermutung“ bezeichnet), einen Wert, den er durch Extrapolation der heutigen Zahlen für 28 Regionen unter Berücksichtigung der angenommenen Entvölkerungsraten ermittelte. Denevan (1976) schätzt die Bevölkerung von Nord- und Mittelbrasilien (einschließlich Amazonasgebiet) auf 4,8 Millionen; diese Schätzung basiert jedoch auf dem landwirtschaftlichen Potential und auf Parametern, die von Daten über Peru abgeleitet wurden. Hemming setzt die wahrscheinliche Entvölkerungsrate für ein dünn besiedeltes Land mit einer Jäger/Sammler-Bevölkerung zu hoch an, und die auf der Evaluierung des landwirtschaftlichen Potentials basierenden Schätzungen von Denevan sind für eine mehrheitlich aus Jägern und Sammlern bestehende indianische Bevölkerung nicht geeignet. Im ersten Jahrhundert der Kolonialisierung wurde deutlich, dass es schwierig war, Indianer als Leibeigene oder Sklaven einzusetzen. Sie waren nicht gefügig, hatten bei Kontakten mit westlichen Krankheiten eine hohe Sterblichkeitsrate, und sie waren in der Lage zu fliehen bzw. sehr begabt darin sich zu verstecken. Die Portugiesen brachten daher eine Vielzahl afrikanischer Sklaven für manuelle Arbeiten ins Land. Im Endeffekt erlitten die brasilianischen Indianer das gleiche Schicksal wie die nordamerikanischen Indianer. Sie wurden über die Grenzen des kolonialen Machtbereichs hinaus vertrieben. Der Hauptunterschied bestand in der zahlenmäßig stärkeren Vermischung mit weißen Invasoren und schwarzen Sklaven. 261 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle B.4 Ethnische Zusammensetzung der brasilianischen Bevölkerung, 1500-1870 (in Tausend) Jahr 1500 1600 1700 1820 1870 Indigene Bevölkerung Schwarze und Mischlinge Europäer 1 000 700 70 30 950 200 100 500 2 500 1 500 400 5 700a 3 700 Insgesamt 1 000 800 1 250 4 500 9 800 a) Einschl. 1,5 Millionen Sklaven. Quelle: Rosenblat (1945), Simonsen (1962), Merrick und Graham (1979), Marcilio (1984). Tabelle B.5 Alternative Schätzwerte der lateinamerikanischen Bevölkerung, 0-1820 (in Tausend) Jahr 0 1000 1500 1600 1700 1820 2 500 800 1 300 4 000 8 600 4 500 1 250 1 300 5 000 12 050 6 587 4 507 1 317 8 809 21 220 3 500 1 000 1 500 4 500 10 500 4 000 1 250 1 500 5 400 12 150 6 309a 3 827a 1 683a 10 450a 22 269a 3 645b 886b 1 591b 4 532b 10 654b n.a. n.a. n.a. n.a. n.a. 6 800c 4 000c 1 400c 10 863c 23 063c 14 000 12 000 10 000 10 000 Maddison Schätzungen Mexiko Brasilien Peru Sonstige Insgesamt 5 600 4 500 700 3 000 3 200 11 400 7 500 1 000 4 000 5 000 17 500 McEvedy und Jones (1978) Mexiko Brasilien Peru Sonstige Insgesamt 1 500 400 750 1 550 4 200 3 000 700 1 500 3 300 8 500 5 000 1 000 2 000 5 200 13 200 Rosenblat (1945) Mexiko Brasilien Peru Sonstige Insgesamt 4 500 1 000 2 000 4 885 12 385 Clark (1967) Insgesamt 2 900 12 600 40 000 Biraben (1979) Insgesamt 10 000 16 000 39 000 a) Interpolation der Schätzungen für 1800 und 1850; b) Interpolation der Schätzungen für 1570 und 1650; c) 1825. Quelle: Meine Schätzungen für 1500-1820 (vgl. obigen Text). Zuwachsraten für 0-1500 aus McEvedy und Jones. 262 23 980a Anhang B Peru Ich habe die von Cook (1981, Kapitel 7) angegebene „Minimal“-Schätzung von 4 Millionen übernommen. Obgleich er hier von „minimal“ spricht, nennt er noch niedrigere Werte, die mit Hilfe anderer, von ihm als nützlich betrachteter Methoden ermittelt wurden. Der methodische Ansatz von Cook ähnelt dem der Berkeley School; er kommt aber zu alternativen Schätzungen, die auf verschiedenen Ansätzen beruhen: a) „ökologischer“ Ansatz, der die maximal mögliche Bevölkerung (bis zur natürlichen Belastungsgrenze) unter dem Aspekt der verfügbaren Ressourcen und der vorhandenen Technologie bewertet; b) Rückschlüsse aus der Häufigkeit archäologischer Funde; c) Retropolation der angenommenen Entvölkerungsraten ab 1571, dem Jahr, aus dem die ersten einigermaßen gut dokumentierten Bevölkerungsschätzungen der Spanier stammen. Cook entscheidet sich für die Zeit vor der spanischen Eroberung für eine Zahl von 9 Millionen (S. 114), die nahe am oberen Ende der von ihm ermittelten breiten Spanne liegt. Ich bin von der gleichen Entvölkerungsrate ausgegangen wie im Falle Mexikos, d.h. einem Rückgang um zwei Drittel zwischen 1500 und 1600. Andere lateinamerikanische Länder Ich habe für die Zeit vor der spanischen Eroberung die Schätzungen von McEvedy und Jones (1978) übernommen, die sich hier größtenteils auf Rosenblat (1945) stützen. Ich nehme eine höhere Entvölkerungsrate für das 16. Jahrhundert an als McEvedy und Jones, doch liegt diese Rate unter der für Mexiko und Peru (vgl. Tabelle B.5). Gesamtbevölkerung Lateinamerikas Tabelle B.5 enthält einen Vergleich meiner Schätzungen mit denen von McEvedy und Jones sowie Rosenblat. Meine Schätzungen liegen für 1500 höher und weisen für das 16. Jahrhundert eine stärkere Entvölkerung aus, die Differenzen sind, mit den Daten der Berkeley School verglichen, jedoch gering. Borah (1976) vertrat die Auffassung, dass die Bevölkerung des gesamten amerikanischen Kontinents im Jahr 1500 über 100 Millionen betragen haben könnte. Colin Clark (1967) und Biraben (1979) waren von den Arbeiten Borahs beeindruckt, hielten seine Angaben aber offensichtlich für übertrieben und schlugen Kompromissschätzungen vor (ohne detaillierte Angaben für die einzelnen Länder). China Die Schätzungen der chinesischen Bevölkerung (vgl. Tabelle B.8) basieren auf amtlichen Registern, die sehr viel weiter zurückgehen als die aller anderen Länder. Die Anpassungen, die notwendig sind, um intertemporale Kompatibilität zu gewährleisten, werden in Bielenstein (1987) und Ho (1959) eingehend erörtert. Ich übernahm die Angaben von Ho (1970, S. 49) für die Bevölkerung im Jahr 2 n.Chr. Für die Jahre ab 960 vgl. Maddison, 1998a, Anhang D, S. 167-169. In jüngster Zeit hat Martin Heidra (in Cambridge History of China, Bd. 8) eine völlig andere Darstellung der chinesischen Bevölkerung mit einem sehr raschen Wachstum unter der Ming-Dynastie geliefert. Er legt jedoch weder Einzelheiten noch bibliographische Belege für diese revidierte Auffassung vor und geht auch nicht von einem Bevölkerungsrückgang infolge der Kriege zwischen den Ming-Herrschern und der nachfolgenden Ch’ing-Dynastie in der Mitte des 17. Jahrhunderts aus. Seine Analyse reicht bis 1650, und seine hoch angesetzten Werte würden jegliches Wachstum während der Ch’ing-Ära praktisch ausschließen (vgl. Heidra in Twitchett und Mote, 1998, S. 436-440). Daher fällt es schwer, seinen Schätzungen Glauben zu schenken. 263 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Indien Indien verfügt nicht über statistische Aufzeichnungen in der Art, wie wir sie in Westeuropa, China oder Japan finden, und deshalb gehen die Meinungen hier weit auseinander. Die Diskussion dreht sich zu einem großen Teil um das Jahr 1600, für das Moreland die Bevölkerung auf 100 Millionen, Davis (1951) auf 125 Millionen und Habib (1982) auf rd. 145 Millionen (d.h. eine Größenordnung von 140-150 Millionen) schätzte. Fast alle diese Schätzungen basieren auf einer Evaluierung der Produktionskapazität der Anbauflächen (vgl. Raychaudhuri und Habib, 1982), so dass Interdependenzen zwischen den Hypothesen über Demographie und Wirtschaftsleistung bestehen. Ich habe Durchschnittswerte der Schätzungen von Davis und Habib für das Jahr 1600 übernommen. Für das Jahr 0 verwendete ich die Schätzungen von Durand. Tabelle B.6 Alternative Schätzwerte der indischen Bevölkerung, 0-1820 (in Millionen) Jahr Clark (1967) McEvedy & Jones (1978) Biraben (1979) Durand (1974) Maddison a) 0 1000 1500 1600 70 34 46 75 55 70 77 40 75 75 79 100 95 112.5 110 100 130 145 n.v. 135 1700 200 160 175 180a 165 1820 190 200 194 n.v. 209 1750. Japan Relativ verlässliche Angaben stehen ab 1721 aus den alle sechs Jahre durchgeführten nationalen Bevölkerungserhebungen zur Verfügung. Diese Erhebungen wurden für den Herrschaftsbereich des Shogun sowie die Herrschaftsbereiche von etwa 250 Daimyo im übrigen Japan vorgenommen. Die Register klammerten Samurai-Haushalte, die kaiserliche Aristokratie, Kastenlose und Bettler (Eta und Hinin) aus. Sie unterzeichneten die weibliche Bevölkerung und (je nach Herrschaftsgebiet in unterschiedlichem Maße) auch die Zahl der Kleinkinder. Die Zahlenangaben können jedoch angepasst werden, so dass wir ab 1721, als die Gesamtbevölkerung bei etwa 30 Millionen lag, akzeptable Schätzungen erhalten. Für die Zeit vor der Einführung der regelmäßigen Erhebungen stehen als Informationsquellen die Jahresregister religiöser Vereinigungen zur Verfügung, die nach der Vertreibung der Portugiesen aus Japan und nach dem Verbot des Christentums etabliert wurden. Darauf aufbauend stellt Hayami (1986a) retrospektive Schätzungen für die Daimyo von 17 Regionen über Perioden von 30 bis 100 Jahren für die Zeit vor den dreißiger Jahren des 18. Jahrhunderts an. Zusammengenommen decken sie etwa 17% der japanischen Bevölkerung in den dreißiger Jahren des 18. Jahrhunderts ab. Sie zeigen für die Wachstumsrate einen arithmetischen Durchschnitt von 0,35% und einen gewichteten Durchschnitt von 0,52% pro Jahr. Werden diese Raten in die Vergangenheit extrapoliert, ergibt sich für 1600 eine Bevölkerung von 16 bis 19,7 Millionen, was den Schätzungen Yoshidas (1911) von 18,5 Millionen nahe kommt. Yoshida stützte sich bei seinen Schätzungen auf die Katastererhebungen von 1598, die eine Getreideproduktion von 18,5 Millionen Koku auswiesen. Er ging davon aus, dass mit dieser Getreidemenge 18,5 Millionen Menschen bei einem Verbrauch von 1 Koku (150 kg) pro Person ernährt werden konnten. 264 Anhang B Tabelle B.7 Alternative Schätzwerte der japanischen Bevölkerung, 0-1820 (in Tausend) Jahr Maddison Hayami Quelle: 0 1000 1500 1600 1700 1820 3 000 7 500 15 400 10 000 18 500 12 000 27 000 30 000 31 000 31 000 Für das erste Jahrhundert habe ich den mittleren Wert der von Farris (1985, S. 3) für die Jajoi-Periode ermittelten Bandbreite gewählt, für das Jahr 1000 habe ich die Schätzungen von Farris (S. 175) für die Mitte des 7. Jh. und von Taeuber (1958, S. 20) für die Mitte des 13. Jh. interpoliert. Für 1500-1600 habe ich dieselben Zuwachsraten wie Hayami veranschlagt (0,18% pro Jahr). Yoshidas Überlegungen waren etwas vereinfachend, dennoch erscheint seine Schätzung plausibler als die von Hayami (1986a) für das Jahr 1600 genannte Größenordnung von 10 bis 14 Millionen. Hayamis Schätzung impliziert ein sehr rasches Wachstum im 17. Jahrhundert, das abrupt von einer mehr oder weniger totalen Stagnation im 18. Jahrhundert abgelöst wird. Korea In Korea wurde die Bevölkerung von 1392 bis 1910 im Rahmen des Registriersystems Hojok auf Haushaltsbasis erfasst. Das System, dessen amtliche Unterlagen z.T. noch vorhanden sind, diente Besteuerungszwecken und bildete die Grundlage für die Arbeitskräftemobilisierung. In diesen Registern wurden kaum Kinder geführt, es gab erhebliche regionale Unterschiede, und der Erfassungsgrad war in der Hauptstadt Seoul vergleichsweise sehr viel vollständiger. Kwon (1993) hat diese Zahlen mit Hilfe anderer historischer Dokumente sowie von Informationen über die Familienstruktur aus der ersten modernen Volkszählung von 1925 angepasst. Kwon und Shin (1977) liefern Jahresschätzungen für den Zeitabschnitt von 1392 bis 1910. Ich habe ihre demographischen Schätzwerte für 1500, 1600, 1700 und 1910 verwendet und diese, wie in Anhang A beschrieben, mit den Schätzungen von Mizoguchi und Umemura (1988) für das Jahr 1910 verknüpft. Die revidierten Schätzungen sind etwa zweimal so hoch wie die von McEvedy und Jones (1978), die auf den nicht bereinigten Daten der Bevölkerungsregister beruhten, wie sie von Lee (1936, S. 40-41) wiedergegeben wurden. Für den Zeitraum 0-1500 habe ich proportional die gleiche demographische Entwicklung wie in Japan angenommen. Afrika Außer für Ägypten gibt es praktisch keine Unterlagen über die afrikanische Bevölkerung. Die vorhandenen Schätzungen sind spekulativer Natur. Die ersten wurden im Jahr 1672 von Riccioli, einem italienischen Jesuiten, erstellt. Er gab eine Bevölkerung von 100 Millionen für die damalige Zeit an, ohne zu erklären, wie er zu diesem Resultat gelangt war. Gregory King (1696) schätzte 70 Millionen; er wählte die vorhandene Landfläche als Ausgangspunkt und stellte eine grobe Schätzung der landwirtschaftlichen Produktivität an, um zu bestimmen, wie viele Menschen von den vorhandenen natürlichen Ressourcen und angesichts der gegebenen technischen und organisatorischen Rahmenbedingungen leben konnten. Der renommierte amerikanische Demograph Walter Willcox (1931) hielt Ricciolis Schätzungen für plausibel und ging davon aus, dass im 17. und 18. Jahrhundert keine Veränderungen eingetreten sind. Colin Clark (1967) war der gleichen Ansicht. Carr-Saunders (1964) akzeptierte Ricciolis Schätzungen für die Mitte des 17. Jahrhunderts, unterstellte jedoch wegen des Sklavenhandels einen leichten Rückgang in der darauf folgenden Zeit. Auch Biraben (1979) ging von einer gewissen Abnahme auf Grund des Sklavenhandels aus. 265 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle B.8 Asiatische Bevölkerung, 0-1820 (in Millionen) Jahr 0 1000 1500 1600 1700 1820 China Indien Japan Korea Indonesien Indochina Sonstiges Ostasien 59,6 75,0 3,0 1,6 2,8 1,1 5,9 59,0 75,0 7,5 3,9 5,2 2,2 9,8 103,0 110,0 15,4 8,0 10,7 4,5 14,4 160,0 135,0 18,5 10,0 11,7 5,0 16,9 138,0 165,0 27,0 12,2 13,1 5,9 19,8 381,0 209,0 31,0 13,8 17,9 8,9 23,6 Iran Türkei Sonstiges Westasien 4,0 6,1 15,1 4,5 7,3 8,5 4,0 6,3 7,5 5,0 7,9 8,5 5,0 8,4 7,4 6,6 10,1 8,5 174,2 182,9 283,8 378,5 401,8 710,4 Asien insgesamt Quelle: China, Indien, Japan und Korea wie im Text beschrieben. Alle Angaben für 1820 aus Anhang A, Angaben für Indonesien 1700 aus Maddison (1989b), proportionale Entwicklung 0-1700 aus McEvedy und Jones. Proportionale Entwicklung 0-1820 für Indochina (Gebiet von Kambodscha, Laos und Vietnam) aus McEvedy und Jones. Sonstiges Ostasien, Iran, Türkei und sonstiges Westasien 0-1700 aus McEvedy und Jones. Für Asien wurde dieselbe geographische Ausdehnung festgelegt wie in Anhang A: Die asiatische Bevölkerung des Gebiets der ehemaligen Sowjetunion ist nicht eingerechnet; die Türkei, Polynesien und Melanesien sind dafür inbegriffen. Durand (1974) sowie McEvedy und Jones (1978) vertraten einen völlig anderen Standpunkt. Die auf der Basis ihrer Schätzungen des Bevölkerungsniveaus von 1900 vorgenommenen retrospektiven Berechnungen führten sie zu der Annahme eines dynamischeren Wachstumsprozesses. Ihre Position hinsichtlich der Interaktion zwischen Bevölkerungsdruck und Produktion liegt der von Boserup (1965 und 1981) näher als der Theorie von Malthus, auf die sich die andere Schule stützte. Die Hypothese von McEvedy und Jones erscheint plausibler, so dass ich deren Schätzwerte für den Zeitraum 0-1913 übernommen habe. McEvedy und Jones (1978) sind die einzigen, die eine detaillierte Analyse der Bevölkerung Afrikas vorlegen. Der frappierendste Aspekt ihrer Schätzungen ist die Dynamik der Expansion in den Gebieten südlich der Sahara und der sehr starke Rückgang des nordafrikanischen Anteils, der sich von rund der Hälfte der Gesamtbevölkerung Afrikas im 1. Jahrhundert auf etwa ein Siebtel im Jahr 1820 verringerte (vgl. Tabelle B.9b). Etwa vier Jahrtausende lang war Ägypten praktisch das einzige Gebiet, in dem Landwirtschaft betrieben wurde, und der übrige Kontinent war nur spärlich von Jäger/SammlerGruppen bevölkert. Im letzten Jahrtausend v.Chr. siedelten sich Phönizier und Griechen in Nordafrika westlich von Ägypten an, gründeten Städte und brachten hoch entwickelte Landwirtschaftstechniken mit. Im 1. Jahrhundert stand das gesamte prosperierende Mittelmeerküstengebiet unter römischer Herrschaft. Nach dem Untergang des Römischen Reichs gingen Wirtschaft und Bevölkerung dieser Region zurück. Im 7. Jahrhundert kam es dann unter arabischer Herrschaft zu einem neuerlichen Aufschwung, der um das Jahr 1000 einen Höhepunkt erreichte. Das dynamische Wachstum südlich der Sahara war auf das Vordringen der Landwirtschaft nach Ost- und Südafrika zurückzuführen, wodurch die Jäger/Sammler-Gruppen vertrieben wurden. Mit der Einführung von Maniok und Mais aus Amerika im 16. Jahrhundert vergrößerten sich die Möglichkeiten für landwirtschaftliche Expansion. Die Ausbreitung der Landwirtschaft machte es möglich, eine wesentlich größere Bevölkerung zu ernähren, das Pro-Kopf-Einkommen dürfte sich jedoch kaum verändert haben. 266 Anhang B Tabelle B.9a Alternative Schätzwerte der afrikanischen Bevölkerung, 0-1950 (in Millionen) Jahr Willcox (1931) 0 1000 1500 1600 1650 1700 1800 1820 1870 1900 1913 1950 Quelle: Carr– Saunders (1964) 100 100 100 90 (92) (104,3) 120 141 Clark (1967) Biraben (1979) 23 50 85 95 100 100 100 26 39 87 113 Durand (1974) 35 37,5 54 55 107 102 122 138 207 159 219 McEvedy & Jones (1978) Maddison (1999) 16,5 33 46 55 16,5 33 46 55 61 70 (74,2) (90,5) 110 (124,7) 205 61 74,2 90,5 110,0 124,7 228,3 Willcox (1931), S.78; Carr-Saunders (1964), S.42; Clark (1967), S.64, 104 und 108; Biraben (1979), S. 16; Durand (1974), S. 11 (mittlerer Wert des angegebenen Bereichs); McEvedy und Jones (1978), S. 206. Bei den Angaben in Klammern handelt es sich um Interpolationen. Tabelle B.9b Regionale Verteilung der afrikanischen Bevölkerung 0-1820 (in Tausend) Jahr Ägypten Sonstiges Nordafrika Sonstiges Afrika Afrika insgesamt Anteil Nordafrika in % Quelle: 0 1000 1500 1600 1700 1820 4 000 4 200 8 300 16 500 5 000 5 500 22 500 33 000 4 000 4 300 37 700 46 000 5 000 6 000 44 000 55 000 4 500 4 800 51 700 61 000 4 195 6 790 63 223 74 208 49,7 31,8 18,0 20,0 13,6 14,8 McEvedy und Jones (1978). Bei den Angaben für 1820 handelt es sich um Interpolationen der Schätzungen für 1800 und 1850. Der Sklavenhandel hatte erhebliche Auswirkungen auf das Wachstum der afrikanischen Bevölkerung (vgl. die Tabellen 1.7 und 2.5 sowie die Analyse in Kapitel 2). Zwischen 1600 und 1870 wurden über 9 Millionen Sklaven nach dem amerikanischen Kontinent verschifft. Der Höhepunkt wurde im 18. Jahrhundert erreicht, als über 6 Millionen afrikanische Sklaven auf dem amerikanischen Kontinent ankamen, wobei die Verluste für Afrika infolge der Mortalität während der Überfahrt noch höher waren. Ohne den Sklavenhandel wäre das Wachstum die afrikanische Bevölkerung im 18. Jahrhundert vermutlich dreimal so rasch gewachsen. 267 268 680 490 1 170 2 200 3 400 5 600 3 000 Vereinigte Staaten Sonst. große Einw.-Länder Große Einwanderungsländer insg. Mexiko Sonstiges Lateinamerika Lateinamerika insgesamt Japan 16 500 230 820 Afrika Welt 59 600 75 000 36 600 171 200 3 900 Ex-UdSSR China Indien Sonstiges Asien Asien insgesamt (ohne Japan) 4 750 500 300 180 20 5 000 3 000 7 000 200 100 200 300 800 17 600 500 4 500 2 100 24 700 0 Osteuropa Österreich Belgien Dänemark Finnland Frankreich Deutschland Italien Niederlande Norwegen Schweden Schweiz Vereinigtes Königreich 12 Länder insgesamt Portugal Spanien Sonstige Westeuropa insgesamt Jahr 268 273 33 000 59 000 75 000 41 400 175 400 7 500 4 500 6 900 11 400 1 300 660 1 960 7 100 6 500 700 400 360 40 6 500 3 500 5 000 300 200 400 300 2 000 19 700 600 4 000 1 113 25 413 1000 437 818 46 000 103 000 110 000 55 400 268 400 15 400 7 500 10 000 17 500 2 000 800 2 800 16 950 13 500 2 000 1 400 600 300 15 000 12 000 10 500 950 300 550 650 3 942 48 192 1 000 6 800 1 276 57 268 1500 555 828 55 000 160 000 135 000 65 000 360 000 18 500 2 500 6 100 8 600 1 500 800 2 300 20 700 16 950 2 500 1 600 650 400 18 500 16 000 13 100 1 500 400 760 1 000 6 170 62 580 1 100 8 240 1 858 73 778 1600 603 410 61 000 138 000 165 000 71 800 374 800 27 000 4 500 7 550 12 050 1 000 750 1 750 26 550 18 800 2 500 2 000 700 400 21 471 15 000 13 300 1 900 500 1 260 1 200 8 565 68 796 2 000 8 770 1 894 81 460 1700 1 041 092 74 208 381 000 209 000 89 366 679 366 31 000 6 587 14 633 21 220 9 981 1 249 11 230 54 765 36 415 3 369 3 434 1 155 1 169 31 246 24 905 20 176 2 355 970 2 585 1 829 21 226 114 419 3 297 12 203 2 969 132 888 1820 1 270 014 90 466 358 000 253 000 119 619 730 619 34 437 9 219 30 754 39 973 40 241 5 892 46 133 88 672 52 182 4 520 5 096 1 888 1 754 38 440 39 231 27 888 3 615 1 735 4 164 2 664 31 393 162 388 4 353 16 201 4 590 187 532 1870 1 791 020 124 697 437 140 303 700 185 092 925 932 51 672 14 970 65 545 80 515 97 606 13 795 111 401 156 192 79 604 6 767 7 666 2 983 3 027 41 463 65 058 37 248 6 164 2 447 5 621 3 864 45 649 227 957 6 004 20 263 6 783 261 007 1913 1950 2 524 531 228 342 546 815 359 000 392 481 1 298 296 83 563 28 485 137 352 165 837 152 271 23 823 176 094 180 050 87 289 6 935 8 640 4 269 4 009 41 836 68 371 47 105 10 114 3 265 7 015 4 694 50 363 256 616 8 512 27 868 12 064 305 060 Tabelle B.10 Weltbevölkerung, 20 Länder und regionale Gesamtwerte, 0-1998 (in Tausend) 3 913 482 387 645 881 940 580 000 677 214 2 139 154 108 660 57 643 250 807 308 450 211 909 39 036 250 945 249 748 110 490 7 586 9 738 5 022 4 666 52 118 78 956 54 751 13 438 3 961 8 137 6 441 56 223 301 037 8 634 34 810 13 909 358 390 1973 5 907 680 759 954 1 242 700 975 000 1 172 243 3 389 943 126 469 98 553 409 070 507 623 270 561 52 859 323 420 290 866 121 006 8 078 10 197 5 303 5 153 58 805 82 029 57 592 15 700 4 432 8 851 7 130 59 237 322 507 9 968 39 371 16 553 388 399 1998 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Anhang B Tabelle B.11 Weltbevölkerungswachstum, 20 Länder und regionale Gesamtwerte, 0-1998 (kumulierte jahresdurchschnittliche Zuwachsraten) Jahr Österreich Belgien Dänemark Finnland Frankreich Deutschland Italien Niederlande Norwegen Schweden Schweiz Vereinigtes Königreich 12 Länder insgesamt Portugal Spanien Sonstige Westeuropa insgesamt 0–1000 1000–1500 1500–1820 1820–70 1870–1913 1913–50 1950–73 1973–98 0,03 0,03 0,07 0,07 0,03 0,02 –0,03 0,04 0,07 0,07 0,00 0,09 0,01 0,02 –0,01 –0,06 0,00 0,21 0,25 0,10 0,40 0,17 0,25 0,15 0,23 0,08 0,06 0,15 0,14 0,18 0,10 0,11 0,03 0,16 0,16 0,28 0,20 0,43 0,23 0,23 0,20 0,28 0,37 0,48 0,32 0,53 0,27 0,37 0,18 0,26 0,26 0,59 0,79 0,99 0,81 0,42 0,91 0,65 0,86 1,17 0,96 0,75 0,79 0,70 0,56 0,57 0,88 0,69 0,94 0,95 1,07 1,28 0,18 1,18 0,68 1,25 0,80 0,70 0,87 0,87 0,79 0,75 0,52 0,91 0,77 0,07 0,32 0,97 0,76 0,02 0,13 0,64 1,35 0,78 0,60 0,53 0,27 0,32 0,95 0,87 1,57 0,42 0,39 0,52 0,71 0,66 0,96 0,63 0,66 1,24 0,84 0,65 1,39 0,48 0,70 0,06 0,97 0,62 0,70 0,25 0,18 0,22 0,40 0,48 0,15 0,20 0,62 0,45 0,34 0,41 0,21 0,28 0,58 0,49 0,70 0,32 Osteuropa 0,03 0,15 0,31 0,72 0,99 0,25 1,03 0,36 Ex-UdSSR 0,06 0,17 0,37 0,97 1,33 0,38 1,43 0,61 Vereinigte Staaten Sonstige große Einwanderungsländer Große Einwanderungsländer insgesamt 0,06 0,09 0,50 2,83 2,08 1,21 1,45 0,98 0,03 0,04 0,14 3,15 2,00 1,49 2,17 1,22 0,05 0,07 0,43 2,87 2,07 1,25 1,55 1,02 Mexiko Sonstiges Lateinamerika Lateinamerika insgesamt 0,07 0,07 0,07 0,10 0,07 0,09 –0,04 0,12 0,06 0,67 1,50 1,27 1,13 1,78 1,64 1,75 2,02 1,97 3,11 2,65 2,73 2,17 1,98 2,01 Japan 0,09 0,14 0,22 0,21 0,95 1,31 1,15 0,61 China Indien Sonstiges Asien Asien insgesamt (ohne Japan) 0,00 0,00 0,01 0,11 0,08 0,06 0,41 0,20 0,15 –0,12 0,38 0,58 0,47 0,43 1,02 0,61 0,45 2,05 2,10 2,11 2,40 1,38 2,10 2,22 0,00 0,09 0,29 0,15 0,55 0,92 2,19 1,86 Afrika 0,07 0,07 0,15 0,40 0,75 1,65 2,33 2,73 Welt 0,02 0,10 0,27 0,40 0,80 0,93 1,92 1,66 269 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle B.12 Aufteilung der Weltbevölkerung, 20 Länder und regionale Gesamtwerte, 0-1998 (in % der Weltbevölkerung) Jahr 0 1000 1500 1600 1700 1820 1870 1913 1950 1973 1998 0,2 0,1 0,1 0,0 2,2 1,3 3,0 0,1 0,0 0,1 0,1 0,3 7,6 0,2 1,9 0,9 10,7 0,3 0,1 0,1 0,0 2,4 1,3 1,9 0,1 0,1 0,1 0,1 0,7 7,3 0,2 1,5 0,4 9,5 0,5 0,3 0,1 0,1 3,4 2,7 2,4 0,2 0,1 0,1 0,1 0,9 11,0 0,2 1,6 0,3 13,1 0,4 0,3 0,1 0,1 3,3 2,9 2,4 0,3 0,1 0,1 0,2 1,1 11,3 0,2 1,5 0,3 13,3 0,4 0,3 0,1 0,1 3,6 2,5 2,2 0,3 0,1 0,2 0,2 1,4 11,4 0,3 1,5 0,3 13,5 0,3 0,3 0,1 0,1 3,0 2,4 1,9 0,2 0,1 0,2 0,2 2,0 11,0 0,3 1,2 0,3 12,8 0,4 0,4 0,1 0,1 3,0 3,1 2,2 0,3 0,1 0,3 0,2 2,5 12,8 0,3 1,3 0,4 14,8 0,4 0,4 0,2 0,2 2,3 3,6 2,1 0,3 0,1 0,3 0,2 2,5 12,7 0,3 1,1 0,4 14,6 0,3 0,3 0,2 0,2 1,7 2,7 1,9 0,4 0,1 0,3 0,2 2,0 10,2 0,3 1,1 0,5 12,1 0,2 0,2 0,1 0,1 1,3 2,0 1,4 0,3 0,1 0,2 0,2 1,4 7,7 0,2 0,9 0,4 9,2 0,1 0,2 0,1 0,1 1,0 1,4 1,0 0,3 0,1 0,1 0,1 1,0 5,5 0,2 0,7 0,3 6,6 Osteuropa 2,1 2,4 3,1 3,0 3,1 3,5 4,1 4,4 3,5 2,8 2,0 Ex-UdSSR 1,7 2,6 3,9 3,7 4,4 5,3 7,0 8,7 7,1 6,4 4,9 Vereinigte Staaten Sonstige große Einwanderungsländer Große Einwanderungsländer insgesamt 0,3 0,5 0,5 0,3 0,2 1,0 3,2 5,4 6,0 5,4 4,6 0,2 0,2 0,2 0,1 0,1 0,1 0,5 0,8 0,9 1,0 0,9 0,5 0,7 0,6 0,4 0,3 1,1 3,6 6,2 7,0 6,4 5,5 Mexiko Sonstiges Lateinamerika Lateinamerika insgesamt 1,0 1,5 2,4 1,7 2,6 4,2 1,7 2,3 4,0 0,4 1,1 1,5 0,7 1,3 2,0 0,6 1,4 2,0 0,7 2,4 3,1 0,8 3,7 4,5 1,1 5,4 6,6 1,5 6,4 7,9 1,7 6,9 8,6 Japan 1,3 2,8 3,5 3,3 4,5 3,0 2,7 2,9 3,3 2,8 2,1 25,8 32,5 15,9 22,0 28,0 15,4 23,5 25,1 12,7 28,8 24,3 11,7 22,9 27,3 11,9 36,6 20,1 8,6 28,2 19,9 9,4 24,4 17,0 10,3 21,7 14,2 15,5 22,5 14,8 17,3 21,0 16,5 19,8 74,2 65,4 61,3 64,8 62,1 65,3 57,5 51,7 51,4 54,7 57,4 7,1 12,3 10,5 9,9 10,1 7,1 7,1 7,0 9,0 9,9 12,9 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 Österreich Belgien Dänemark Finnland Frankreich Deutschland Italien Niederlande Norwegen Schweden Schweiz Vereinigtes Königreich 12 Länder insgesamt Portugal Spanien Sonstige Westeuropa insgesamt China Indien Sonstiges Asien Asien insgesamt (ohne Japan) Afrika Welt 270 Anhang B BIP und Pro-Kopf-BIP, 1500-1820 Maddison (1995a, S. 19-20) enthielt eine sehr grobe Schätzung der Entwicklung des Weltwirtschaftswachstums von 1500 bis 1820, ergänzend zu der sehr viel detaillierteren Analyse für die Zeit ab 1820. In dieser Studie verwendete ich drei einfache Hypothesen bezüglich des Wachstums des realen Pro-Kopf-BIP. Für Westeuropa nahm ich eine Steigerung von 0,2% pro Jahr an und folgte damit der Hypothese von Kuznets (1973), der von 0,1% pro Jahr für das übrige Europa und für Lateinamerika sowie von einem Nullwachstum für Asien und Afrika ausgeht. In Maddison (1998a, S. 25 und 40) wurden die Entwicklungsprofile Chinas und Europas vom 1. Jahrhundert unserer Zeitrechnung bis zum Jahr 1995 verglichen. Dabei wurden die für China vorliegenden Angaben sehr eingehend untersucht, während die Schätzungen für Europa zu einem erheblichen Teil auf Mutmaßungen beruhten. Der vorliegende Anhang basiert auf einer wesentlich detaillierteren Untersuchung der Daten für die Zeitspanne 1500-1820. Daraus geht klar hervor, dass die durchschnittliche Pro-Kopf-Wachstumsrate in Westeuropa zwischen 1500 und 1820 (mit 0,15% pro Jahr) niedriger war als die von Kuznets unterstellte Rate von 0,2%. Lateinamerika und die großen Einwanderungsländer verzeichneten ein rascheres Wachstum als in Maddison (1995a) angenommen worden war. Die Hypothese eines stagnierenden Pro-Kopf-Einkommens in Asien wird generell bestätigt, wobei Japan jedoch eine bedeutende Ausnahme darstellt. Der letzte Abschnitt dieses Anhangs enthält, aufgeschlüsselt nach großen Regionen, grobe, überschlägige Schätzungen des BIP-Niveaus für das 1. Jahrhundert unserer Zeitrechnung sowie für das Jahr 1000. Schätzungen des weltweiten BIP und des Pro-Kopf-BIP sind in den Tabellen B.18 bis B.22 wiedergegeben. Westeuropa Belgien Blomme und Van der Wee (1994) liefern BIP-Schätzungen (für Flandern und Brabant) nach Wirtschaftszweigen für den Zeitraum 1510-1812. Sie geben Schätzwerte für sieben Punkte innerhalb der Periode an, auf die ich mich bei meinen überschlägigen Schätzungen für die Jahre 1500, 1600 und 1700 gestützt habe. Frankreich François Perroux gründete mit Förderung und Unterstützung von Simon Kuznets in den fünfziger Jahren eine Gruppe zur Messung des französischen Wachstums (produktivste Mitglieder dieser Gruppe waren Marczewski und Toutain). Marczewski (1961) erstellte einige vorläufige Schätzungen des Wachstums im 18. Jahrhundert, die den Anteil der Industrie stark überzeichneten. Sie werden inzwischen als überholt angesehen. Für den Zeitraum 1700-1820 habe ich die neuen Schätzungen zu Grunde gelegt, die J.C. Toutain mir übermittelt hat. In den letzten Jahrzehnten waren in der Diskussion über die französische Wirtschaftsgeschichte die Mitglieder der Historikerschule der Annalen (Ecole des Annales) tonangebend, die dem Ansatz von Kuznets mit einer gewissen Geringschätzung begegneten. Aus unserer Sicht weisen die Arbeiten dieser Schule drei wichtige Schwachstellen auf: a) Desinteresse an der Makro-Quantifizierung; b) Konzentration auf regionale bzw. supranationale Aspekte auf Kosten der nationalen Wirtschaftsergebnisse; c) Beeinflussung durch die Theorie von Malthus. 271 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Le Roy Ladurie hob nachdrücklich die langfristige Stabilität der französischen Wirtschaft im Zeitraum 1300 bis 1700 hervor, sowohl unter demographischen Gesichtspunkten als auch vom ProKopf-Einkommen her gesehen. Die These eines stagnierenden Einkommens vertrat er erstmals in einer Regionalstudie über die Bauern im Languedoc (Le Roy Ladurie, 1966). Er argumentierte, dass es eine Spannung zwischen Bevölkerungsdynamik und Rigidität des landwirtschaftlichen Produktionspotentials gegeben habe, die zu wiederholten und länger andauernden Bevölkerungsrückgängen geführt habe. 1977 gelangte er zu den gleichen Schlussfolgerungen in einer Analyse, die auf einer neuen Reihe regionaler Studien beruhte. In einer seiner öffentlichen Äußerungen vertrat Braudel einen sogar noch pessimistischeren Standpunkt als Le Roy Ladurie. In einem 1967 gemeinsam mit Spooner verfassten Artikel gelangte er nach einer Zusammenfassung der Arbeiten von Phelps Brown und anderen Analysten der Reallohnentwicklung sowie auf Grund regionaler Studien der Ecole des Annales zu folgendem Schluss: „Vom Ende des 15. Jahrhunderts bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts ging der Lebensstandard in Europa schrittweise zurück.“ Später revidierte er seine Ansicht (Braudel, 1985, Bd. III, S. 314): „Bei Betrachtung der globalen quantitativen Daten treten klare Kontinuitäten in der europäischen Geschichte hervor. Die erste ist der trotz aller Widrigkeiten regelmäßige Anstieg des BSP – wenn Frank Spooner Recht hat, ist das französische BSP seit der Herrschaft Ludwig XII. und wahrscheinlich schon davor gestiegen.“ (Ludwig XII. regierte von 1498 bis 1515). Meiner Ansicht nach ist Braudels revidierte Beurteilung akzeptabler als seine frühere Position oder die von Le Roy Ladurie. Allerdings zeigte die graphische Darstellung, die Braudel von Spooner (1972) übernommen hatte, nicht das reale BSP, sondern die wertmäßige Entwicklung einer gegebenen Weizenmenge zwischen 1500 und 1800, multipliziert mit der Bevölkerungszahl und einem Glättungsindex für Weizenpreise in Paris. Die quantitative Basis für die Beurteilung der Gesamtergebnisse Frankreichs im Zeitraum 1500-1700 ist daher immer noch recht schwach. Bei einem Vergleich der Wachstumsraten der städtischen Bevölkerung (Tabelle B.14) wird klar ersichtlich, dass das Wirtschaftswachstum in Frankreich langsamer verlief als in England. Ich habe hier angenommen, dass das Pro-Kopf-Wachstum Frankreichs in der Zeitspanne 1500-1700 in etwa dem Belgiens entsprach. Italien Malanima (1995, S. 600) vertritt die Ansicht, dass das Pro-Kopf-Einkommen in Italien im Zeitraum 1570-1700 rückläufig und zwischen 1700 und 1820 stabil war. Diese Schlussfolgerungen basieren nicht auf einer expliziten Schätzung der BIP-Entwicklung, sondern vielmehr auf einer Vielzahl von Indikatoren der industriellen und kommerziellen Aktivität in städtischen Ballungsgebieten, dem Niveau des Nahrungsmittelverbrauchs und den Reallöhnen. Die verwendete Methodik wird in der kurzen Abhandlung „Italian Economic Performance: Output and Income 1600-1800“, in Maddison und van der Wee (1994), erklärt. Malanimas Annahme eines Rückgangs bis zum Jahr 1700 entspricht den qualitativen Indikatoren und der Analyse von Cipolla (1976, S. 236-244), der vom späten 15. bis zum 17. Jahrhundert eine rückläufige Entwicklung unterstellt. Weniger Übereinstimmung in diesem Punkt besteht hingegen mit Sella (1979) und dessen Beurteilung der Entwicklung der spanischen Lombardei (mit Mailand als Zentrum im 17. Jahrhundert) sowie mit Rapp (1976), der die Situation Venedigs im selben Jahrhundert untersuchte. Sella und Rapp gingen beide, verglichen mit den dynamischeren Volkswirtschaften Nordeuropas, von einem gewissen relativen, nicht jedoch absoluten Rückgang aus. Meinen eigenen Annahmen zufolge stagnierte das italienische Pro-Kopf-Einkommen von 1500-1820. In Italien wuchs die Bevölkerung langsamer als im übrigen Europa, und bei der Urbanisationsrate kam es im Zeitraum 1500-1820 kaum zu Veränderungen. 272 Anhang B Niederlande Die Schätzungen des BIP-Wachstums für den Zeitraum 1580-1820 sind Maddison (1991a, S. 205 und 277) entnommen. Ab 1820 sind die entsprechenden Werte mit neuen Schätzungen von Smits, Horlings und van Zanden (2000) für den Zeitraum 1820-1913 gekoppelt. Für die BIP-Entwicklung zwischen 1580 und 1700 wurde auf Daten von de Vries (1974) zurückgegriffen (z.B. was das explosionsartige Wachstum der Städte, die Transformation der ländlichen Wirtschaft sowie die aus Nachlassverzeichnissen zu entnehmende Größe der Haushaltsvermögen betrifft). Van Zanden (1987) lieferte ein breites Spektrum von Daten, mit denen er seine Schätzungen der Landwirtschafts- und Fischereiproduktion, der Industrie, des Verkehrswesens und der Dienstleistungen für den Zeitraum 1650-1805 untermauert. Die niederländischen Schätzungen weisen auf ein rasches Wachstum bis zum Jahr 1700 und einen deutlichen Pro-Kopf-Rückgang zwischen 1700 und 1820 hin. De Vries und van der Woude (1997, S. 707) präsentieren eine graphische Darstellung, die auf alternativen Annahmen bezüglich des Rückgangs des niederländischen Pro-Kopf-Einkommens von seinem Höhepunkt bis zu seinem Tiefpunkt am Ende der napoleonischen Kriege basiert. Das daraus resultierende Datenprofil unterscheidet sich nicht merklich von meinen eigenen Messungen. Ich habe die Pro-KopfWachstumsrate von 0,43 für den Zeitraum 1580-1700 interpoliert, um den Schätzwert für das Jahr 1600 zu erhalten, und bin davon ausgegangen, dass das Niveau im Jahr 1500 unter dem Belgiens lag. Vereinigtes Königreich Die Daten über das BIP-Wachstum im Zeitraum 1700-1820 sind Maddison (1991a, S. 220) entnommen, wobei die Angaben für England und Wales in der Weise berichtigt wurden, dass sie nicht den Ergebnissen von Crafts (1983), sondern denen von Crafts und Harley (1992) Rechnung tragen. Ich bin davon ausgegangen, dass das schottische Pro-Kopf-BIP 1801 drei Vierteln des Niveaus von England und Wales entsprach und sich im Zeitraum 1700-1801 parallel zu den Schätzungen von Crafts und Harley für England und Wales entwickelte. Für Irland wurde angenommen, dass das Pro-KopfEinkommen im Zeitraum 1700-1801 halb so rasch stieg wie in England und Wales. Für die Zeitspanne 1500-1700 gibt es verschiedene Indikatoren, die darauf hindeuten, dass das Vereinigte Königreich eine dynamischere Entwicklung durchlief als die meisten anderen europäischen Länder. Die Bevölkerung wuchs um 0,39% pro Jahr, gegenüber 0,15% im übrigen Westeuropa. Der Anteil der städtischen Bevölkerung (Bevölkerung in Städten mit mindestens 10 000 Einwohnern in Prozent der Gesamtbevölkerung) erhöhte sich in England und Wales von 3,1% auf 13,3%, also etwa zweimal so rasch wie in Frankreich oder den Niederlanden. Zweifellos dürfte der Anteil des Außenhandels am BIP von 1500 bis 1820 gestiegen sein. Es gibt keine befriedigenden globalen Messungen, um die Agrarproduktion bis 1500 zurückzuverfolgen (vgl. Overton, 1996); die Angaben von Clark (1991) über die Erträge je Acre, die von Allen (1991) über Arbeitsproduktivität und von Wrigley (1988) über die Beschäftigungsstruktur helfen jedoch, den Anstieg der Urbanisationsrate zu erklären, wobei das Niveau der landwirtschaftlichen Pro-Kopf-Produktion bei rückläufigem Arbeitskräfteanteil unverändert blieb. Die Tatsache, dass sich die Viehzucht rascher entwickelte als der landwirtschaftliche Anbau (Wrigley, 1988), lässt auf Verbesserungen in der Ernährungsweise schließen. Neuere Forschungen über die zunehmende Vielfalt von Nahrungsmitteln, die Verbesserung der Wohnverhältnisse sowie die wachsende Habe an Möbeln, Bett- und Tischwäsche, deren Ergebnisse in den Nachlassverzeichnissen sukzessiver Generationen festgehalten sind, deuten ebenfalls auf einen langen Prozess steigenden Lebensstandards hin – vgl. die Kapitel von de Vries, Wills und Shammas in Brewer und Porter (1993). 273 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Aus diesen Gründen kann man wohl davon ausgehen, dass die von Crafts-Harley angegebene Wachstumsrate des Pro-Kopf-Einkommens für den Zeitraum 1700-1801 auch für den Zeitraum 15001700 Gültigkeit hat. Was Irland betrifft, habe ich ein halb so rasches Pro-Kopf-Wachstum unterstellt. Für das Vereinigte Königreich insgesamt impliziert dies im Zeitraum 1500-1700 eine Pro-KopfWachstumsrate von 0,28% pro Jahr. Snooks (1993) schätzte das Wachstum des Gesamt- und des Pro-Kopf-Einkommens in England für den Zeitraum 1086-1688, indem er die Nominaleinkommensbewertungen gemäß den Aufzeichnungen im Domesday Book für das ländliche England südlich des Flusses Tees mit den Schätzungen von Gregory King für 1688 in ihrer von Lindert und Williamson (1982) angepassten Version verknüpfte. Er deflationierte das Wachstum des Nominaleinkommens mit dem in Phelps Brown und Hopkins (1981, S. 28-30) angegebenen Preisindex für Haushaltskonsumgüter sowie zusätzlich mit einem in Thorold Rogers enthaltenen Weizenpreisindex. Seine Berechnungen ergeben eine Wachstumsrate des Pro-Kopf-Realeinkommens von durchschnittlich 0,35% pro Jahr für die Zeit von 1492 bis 1688 (S. 24). Bei gleichbleibendem Tempo hätte sich das Pro-Kopf-Einkommen im Zeitraum 1500-1700 verdoppelt. Das ist ein rascheres Wachstum, als ich es angenommen habe. Die Schätzungen des Pro-Kopf-BIP in Tabelle B.13 zeigen eine Entwicklung, die stark von dem häufig zitierten Reallohnindex von Phelps Brown und Hopkins (1981) für Bauarbeiter in Südengland abweicht. Sie gehen für den Zeitraum 1500-1800 von einem Rückgang der Reallöhne um 60% aus, wohingegen ich zeige, dass das reale Pro-Kopf-BIP in dieser Periode um das 2,4fache gestiegen ist. Der traditionelle Reallohnansatz stellt im Vergleich zu den demographischen Daten oder der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung eine stark vereinfachende Methode dar. Phelps Brown und Hopkins verwenden Tageslohnsätze für Handwerker und Arbeiter, die Bauarbeiten für Colleges in Oxford und Cambridge, die Schule von Eton und einige andere Auftraggeber in Südengland ausführten. Im Allgemeinen hatten sie 15 oder mehr Lohnangaben pro Jahr für Handwerker und etwa 3 pro Jahr für Bauarbeiter. In der uns am meisten interessierenden Zeitspanne von 1500 bis 1800 wurden 82 Jahre ausgelassen und hierfür keine Lohnschätzungen erstellt, weil die verfügbaren Angaben sehr stark voneinander abwichen oder es überhaupt an Daten mangelte. Angaben über Wochen- oder Jahreslöhne oder über die Zahl der Arbeitstage werden nicht gemacht. Phelps Brown und Hopkins gehen nicht auf die Frage ein, ob ihr Lohnindex für Bauarbeiter repräsentativ ist. Lindert und Williamson (1982, S. 393) zeigen, dass 5,3% der Familien (73 000 Personen) ihren Lebensunterhalt im Jahr 1688 aus Arbeitsverhältnissen im Baugewerbe bezogen. Selbst unter der Annahme, dass Phelps Brown diese Gruppe angemessen erfasst hat, und auch wenn davon ausgegangen werden kann, dass Bauarbeiter vorwiegend nicht Natural-, sondern Barlöhne bezogen, gilt dies mit Sicherheit nicht für den Großteil der arbeitenden Bevölkerung. Im Jahr 1700 waren 56% der Gesamtbevölkerung in der Landwirtschaft beschäftigt, und die Mehrheit dieser Arbeitskräfte stellte Produkte wie Getreide, Fleisch, Butter und Käse, die im Preisindex eine so wichtige Rolle spielen, selbst her und verbrauchte diese auch direkt. Zahlreiche andere Personen wie z.B. Dienstboten, Handwerker, Geistliche und Angehörige des Militär waren entweder keine Lohnempfänger oder wurden vorwiegend in Naturalien entlohnt. Ein großer Teil der arbeitenden Bevölkerung war somit vor den Auswirkungen von Preissteigerungen geschützt. Jan de Vries (1993) beurteilt den auf dem Reallohn basierenden Ansatz im Vergleich zu anderen quantitativen Methoden der Wohlstandsmessung sehr kritisch. Er stellt den repräsentativen Charakter der Gruppe der Bauarbeiter in einer Gesellschaft mit großen Einkommensunterschieden in Frage und verweist auf die große Zahl wichtiger, im Phelps-Brown-Index nicht erfasster Elemente sowie auf die Tatsache, dass über einen so langen Zeitraum feste Gewichtungen verwendet wurden. Seine stärksten Zweifel beruhen jedoch auf dem Widerspruch zwischen den daraus resultierenden negativen Schlussfolgerungen und den Belegen anderer Art, die er in Nachlassverzeichnissen fand. „Alle von mir unter274 Anhang B suchten Studien über Neuengland und Chesapeake während der Kolonialherrschaft sowie über England und die Niederlande heben systematisch zwei Aspekte hervor. Von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen hat zwischen der Mitte des 17. und dem Ende des 18. Jahrhunderts jede Generation der nachfolgenden einen vermehrten und wertvolleren Besitz hinterlassen.“ Tabelle B.13 Regionale Aufschlüsselung des BIP, der Bevölkerung und des Pro-Kopf-BIP der britischen Inseln, 1500-1920 Vereinigtes Königreich England, Wales und Schottland Irland Schottland England und Wales 298 566 1 136 2 445 2 096 4 826 8 196 18 615 500 700 1 036 1 625 2 071 3 337 4 728 4 864 2 642 4 470 5 604 9 277 12 071 22 637 36 575 37 596 596 809 1 096 1 505 793 1 080 1 463 2 006 BIP (in Mio. Geary-Khamis-Dollar von 1990) 1500 1600 1700 1801 1820 1870 1913 1920 2 815 6 007 10 709 25 426 36 232 100 179 224 618 212 938 2 394 5 392 9 332 21 060 30 001 90 560 212 727 201 860 421 615 1 377 4 366 6 231 9 619 11 891 11 078 Bevölkerung (in Tsd.) 1500 1600 1700 1801 1820 1870 1913 1920 3 942 6 170 8 565 16 103 21 226 31 393 45 649 46 821 3 142 5 170 6 640 10 902 14 142 25 974 41 303 42 460 800 1 000 1 925 5 201 7 084 5 419 4 346 4 361 Pro-Kopf-BIP (in Geary-Khamis-Dollar von 1990) 1500 1600 1700 1801 1820 1870 1913 1920 Quelle: 714 974 1 250 1 579 1 707 3 191 4 921 4 568 762 1 043 1 405 1 931 2 121 3 487 5 150 4 754 526 615 715 839 880 1 775 2 736 2 540 BIP wie im Text erläutert. Bevölkerung Englands (ohne Monmouth) interpoliert aus Fünfjahresschätzwerten für 1541-1871 von Wrigley et al. (1997, S. 614-15). Zuwachsraten für 1500-1541 gemäß den von Wrigley und Schofield für 1471-1541 veranschlagten Werten (1981, S. 737). Bevölkerungsentwicklung von Monmouth und Wales 1700-1820 aus Deane und Cole (1964, S. 103); für 1500-1600 wurde von einer in etwa gleich verlaufenden Entwicklung wie in England ausgegangen. Angaben für Irland 1500 und 1600 nach O Grada, in: Bardet und Dupaquier (1997, Bd. 1, S. 386), Entwicklung für 1700-1821 aus Dickson, O Grada und Daultrey (1982, S. 156). Angaben für Schottland 1500-1600 aus McEvedy und Jones (1978, S. 45-47), für 1700 aus Deane und Cole (1964, S. 6) und für 1820 aus Mitchell (1962, S. 8-10). Bevölkerungs- und BIP-Entwicklung 1820-1920 aus Maddison (1995a). 275 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle B.14 Anteil der Stadtbevölkerung in Europa und Asien, 1500-1890 (Bevölkerung der Städte mit über 10 000 Einwohnern im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung) Jahr 1500 1600 1700 1800 1890 Belgien Frankreich Deutschland Italien Niederlande Skandinavien Schweiz England und Wales Schottland Irland Westeuropa 21,1 4,2 3,2 14,9 15,8 0,9 1,5 3,1 1,6 0,0 6,1 18,8 5,9 4,1 16,8 24,3 1,4 2,5 5,8 3,0 0,0 7,8 23,9 9,2 4,8 14,7 33,6 4,0 3,3 13,3 5,3 3,4 9,9 18,9 8,8 5,5 18,3 28,8 4,6 3,7 20,3 17,3 7,0 10,6 34,5 25,9 28,2 21,2 33,4 13,2 16,0 61,9 50,3 17,6 31,3 Portugal Spanien 3,0 6,1 14,1 11,4 11,5 9,0 8,7 11,1 12,7 26,8 China Japan 3,8 2,9 4,0a 4,4 n.v. n.v.. 3,8 12,3 4,4 16,0 a) 1650. Quelle: Angaben für die europäischen Länder ohne Italien aus de Vries (1984, S. 30, 36, 39 und 46), Angaben für Italien aus Malanima (1988); Angaben für China und Japan aus Rozman (1973), umgerechnet auf Städte mit mehr als 10 000 Einwohnern, vgl. Maddison (1998) S. 33-36. Gesamtergebnisse für die westeuropäischen Kernländer Zusammengenommen erzielten die fünf Länder (Belgien, Frankreich, Italien, Niederlande und Vereinigtes Königreich), für die ich Schätzungen für den Zeitraum 1500-1820 erstellt habe, eine ProKopf-Wachstumsrate von 0,14% pro Jahr, wobei diese Länder jedoch eine recht heterogene Gruppe bilden. Im Vereinigten Königreich betrug die Wachstumsrate 0,27%, in den Niederlanden 0,28%, in Frankreich 0,16%, in Belgien 0,13% und in Italien 0%. Das Vereinigte Königreich und die Niederlande stellen auf Grund ihres raschen Wachstums Sonderfälle dar. Die Stagnation in Italien ist ebenfalls atypisch (wie die Stabilität der Urbanisationsrate des Landes beweist), und für das langsamere Wachstum Belgiens waren Sonderfaktoren verantwortlich. Das belgische Wachstum wurde durch die Trennung von den Niederlanden negativ beeinflusst. Im Jahr 1500 war Belgien eine der prosperierendsten Regionen Europas, ein Zentrum des internationalen Handels und Bankwesens und Standort einer bedeutenden Textilproduktion. Nachdem die Niederlande unabhängig geworden waren, wurde der Hafen von Antwerpen einer Blockade unterworfen, die 200 Jahre dauerte; außerdem kam es zu einer erheblichen Migration von Kapital und qualifizierten Arbeitskräften nach Holland. Um ein ungefähres Bild für Westeuropa insgesamt zu erhalten, habe ich Annäherungswerte für Dänemark, Finnland, Norwegen, Österreich, Schweden und die Schweiz erstellt, wobei ich für den Zeitraum 15001820 von einem Anstieg des realen Pro-Kopf-BIP um 0,17% jährlich ausgegangen bin. Für Deutschland habe ich unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sich seine Rolle im Bankgeschäft und im Handel der Hanse wie auch auf Grund der Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges im Laufe der Zeit verringert hat, ein Pro-Kopf-Wachstum von 0,14% unterstellt. Bei Aggregation der Näherungswerte mit den Schätzungen für die fünf Länder, für die bessere Daten vorliegen, ergibt sich für die 276 Anhang B zwölf wichtigsten europäischen Länder ein durchschnittliches Pro-Kopf-Wachstum von 0,15% pro Jahr. Dies liegt deutlich unter der von Kuznets angenommenen Rate von 0,2%, die ich in Maddison (1995a) zu Grunde gelegt habe. In der vorliegenden Untersuchung gehe ich davon aus, dass das durchschnittliche Pro-Kopf-Wachstum in den „anderen“ westeuropäischen Ländern (d.h. Griechenland und 13 kleine Länder) mit dem Durchschnittswert der zwölf Kernländer identisch war. Spanien und Portugal Nach den von Yun (1994) durchgeführten groben Schätzungen des Pro-Kopf-BIP für Kastilien (etwa drei Viertel des gesamten Spanien) ergibt sich für den Zeitraum 1580-1630 eine Pro-KopfWachstumsrate von rd. 0,22%; in der Folgezeit ging dieses Wachstum zurück, und im Jahr 1800 lag das Niveau leicht unter dem Höchststand von 1630. Yun erstellt punktuelle Schätzungen des Produktionsniveaus (zu laufenden Preisen) für sechs Referenzjahre innerhalb der Periode 1580-1800 und deflationiert sie mittels eines Preisindex für Nahrungsmittel. Seine verlässlichsten Daten betreffen die landwirtschaftliche Produktion und den Nahrungsmittelkonsum, wohingegen seine Indikatoren für den Sekundär- und Tertiärsektor schwach sind. Er kommt zu dem Schluss, dass seine „Darstellung mit dem übereinstimmt, was wir über die Entwicklung der kastilischen Wirtschaft wissen: Expansion bis zum Ende des 16. Jahrhunderts; Rezession der Landwirtschaft, Zerfall der städtischen Netze sowie industrielle und kommerzielle Krise während des 17. Jahrhunderts und in der Folge ein Rückgang des BIP, wie die ermittelten Zahlen belegen; im 18. Jahrhundert dann Wachstum auf der Basis der schwach entwickelten urbanen Strukturen und der stärkeren Dynamik der peripheren Regionen“. Für Spanien habe ich für den Zeitraum 1500-1600 eine Wachstumsrate des Pro-Kopf-BIP von 0,25% pro Jahr angenommen, gefolgt von einer Stagnation im 17. Jahrhundert und einem gewissen moderaten Anstieg in den Jahren 1700-1820. Für Portugal bin ich von einem ähnlichen Entwicklungsprozess ausgegangen. Osteuropa und UdSSR Für diese beiden Regionen waren keine direkten Angaben vorhanden. Als Näherungswert habe ich eine niedrigere Zuwachsrate des Pro-Kopf-BIP als in Westeuropa unterstellt, d.h. 0,1% pro Jahr für den Zeitraum 1500-1820 (wie in Maddison, 1995a). Die großen Einwanderungsländer Für die Vereinigten Staaten schätzte Gallman (1972, S. 22) das Pro-Kopf-Wachstum des Nettoinlandsprodukts im Zeitraum 1710-1840 auf 0,42% pro Jahr (ausgehend vom Mittelwert der von ihm für das Jahr 1710 angesetzten Spannweite). Unter Berücksichtigung des rascheren Wachstums des Pro-Kopf-Einkommens im Zeitraum 1820-1840 (vgl. Maddison, 1995a, S. 137) implizieren die Schätzungen von Gallman ein Pro-Kopf-Wachstum von rd. 0,29% pro Jahr für die nicht indigene Bevölkerung, deren Einkommensniveau sich von 909 $ im Jahr 1700 auf 1 286 $ im Jahr 1820 erhöhte. Gallmans Schätzungen erstrecken sich nur auf die weiße und die schwarze Bevölkerung. Im Jahr 1820 machte die autochthone Bevölkerung lediglich 3% der Gesamtbevölkerung aus, während deren Anteil im Jahr 1700 noch drei Viertel betragen hatte (vgl. Tabelle B.15). Unter der Annahme, dass das Pro-KopfEinkommen der indigenen Bevölkerung 1700 wie auch 1820 bei 400 $ lag, belief sich das durchschnittliche Einkommensniveau der Gesamtbevölkerung im Jahr 1700 auf 527 $ und im Jahr 1820 auf 1 257 $. Für 1500 und 1600, als die Bevölkerung ausschließlich aus indianischen Jägern und Sammlern bestand, wurde ein durchschnittliches Pro-Kopf-Einkommen von 400 $ angenommen. 277 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle B.15 Ethnische Zusammensetzung der US-Bevölkerung, 1700-1820 (in Tausend) Indigene 1700 1820 Quelle: Weiße 750 325 223 7 884 Schwarze Insgesamt 27 1 772 1 000 9 981 US Bureau of the Census, Historical Statistics of the United States: Colonial Times to 1970, 1975, S. 14 und 18 für 1820, S. 1168 für schwarze und weiße Bevölkerung 1700. Angaben zur indianischen Bevölkerung für 1820 aus Rosenblat (1945); für 1700 wie oben erläutert. Tabelle B.16 Ethnische Zusammensetzung der lateinamerikanischen Bevölkerung im Jahr 1820 (in Tausend) Indigene Mexiko Brasilien Karibik Sonstiges Lateinamerika Lateinamerika insgesamt Quelle: 3 500 500 0 3 160 7 160 Weiße Schwarze Mischlinge 1 200 1 500 420 1 300 4 420 10 2 200 1 700 200 4 110 1 880 300 350 3 000 5 530 Insgesamt 6 590 4 500 2 470 7 660 21 220 Angaben für Brasilien aus Tabelle B.4, sonstige Angaben aus Rosenblat (1945). Mancall und Weiss (1999) erstellten Schätzungen des Pro-Kopf-Einkommens der Vereinigten Staaten für die Jahre 1700 und 1800 mit getrennten Beurteilungen für Weiße, Sklaven und Indianer. Ihre „multikulturelle“ Schätzung (S. 35) weist eine Pro-Kopf-Wachstumsrate von nur 0,28% pro Jahr für den Zeitraum 1700-1800 aus, gegenüber meiner Schätzung von 0,73% pro Jahr für den Zeitraum 1700-1820. Ich halte die von Mancall und Weiss angegebene Wachstumsrate für viel zu niedrig, wenn man bedenkt, welcher enorme Wandel in der ethnischen Zusammensetzung der Bevölkerung in dieser Periode eingetreten ist. Die Autoren geben keine Zahlen für die Bevölkerung oder das Gesamt-BIP an, so dass es nicht möglich ist, ihre „multikulturelle“ Messung zu reproduzieren. Sie verweisen auch nicht auf die von mir verwendeten Schätzungen Gallmans. Was die anderen großen Einwanderungsländer – Australien, Kanada und Neuseeland – betrifft, so setzte sich deren Bevölkerung im Zeitraum 1500-1700 zum Großteil aus indigenen Jägern und Sammlern zusammen, und hier habe ich für die Jahre 1500, 1600 und 1700 ein Pro-Kopf-BIP von 400 $ angenommen. Mexiko Meine Schätzung für das Pro-Kopf-Einkommen im Jahr 1820 beträgt 759 $ (vgl. Anhang A). Zu dem damaligen Zeitpunkt machte die indigene Bevölkerung etwa 53% der Gesamtbevölkerung aus (vgl. Tabelle B.16). Es gab eine dünne Schicht von „Peninsula“-Spaniern, d.h. Spanier von der iberischen Halbinsel (rd. 1% der Bevölkerung), die die Führungspositionen in Armee, Kirche und Handelsmonopolen innehatten und einen Teil der Freiberufler stellten. Sie hatten einen barocken Lebensstil, besaßen herrschaftliche Wohnsitze und hielten sich ein Heer von Dienstboten. Die Criollos, d.h. in Mexiko geborene Weiße spanischer Abstammung, machten rund ein Sechstel der Bevölkerung aus. 278 Anhang B Sie waren Hazienda-Besitzer, Kaufleute, Angehörige der Geistlichkeit, der Armee und der freien Berufe. Die dritte soziale Gruppe – mehr als ein Viertel der Bevölkerung – bestand aus Mestizos, die aus Verbindungen zwischen Weißen und Indianern hervorgegangen waren. In der Regel waren sie Arbeiter, landwirtschaftliche Hilfskräfte, Dienstboten und einige auch Ranch-Arbeiter. Ich nehme für die autochthone Bevölkerung ein Pro-Kopf-Einkommen von 425 $ an. Die Gesamtschätzwerte für 1820 implizieren ein durchschnittliches Pro-Kopf-Einkommen von 1 140 $ für die nicht autochthone Bevölkerung. Für den Zeitraum 1500-1700 wurde ein dem Jahr 1820 entsprechendes Niveau des ProKopf-Einkommens der zwei Bevölkerungssegmente unterstellt, wobei der Durchschnitt für die zwei Segmente zusammengenommen jedoch niedriger ist, da die nicht autochthone Bevölkerung im Jahr 1700 lediglich ein Viertel, im Jahr 1600 4% und im Jahr 1500 nur einen unbedeutenden Teil der Gesamtbevölkerung ausmachte. Andere lateinamerikanische Länder Im Jahr 1500 waren andere Teile Lateinamerikas ärmer als Mexiko. Mit Ausnahme von Peru waren die Einwohner in der Mehrzahl keine Bauern, sondern Jäger und Sammler. Auch am Ende der Kolonialzeit im Jahr 1820 lag ihr Pro-Kopf-Einkommen unter dem der mexikanischen Bevölkerung. Mithin ist ihr Pro-Kopf-Einkommen im Zeitraum 1500-1820 langsamer gewachsen als das Mexikos. Ich bin von einem stabilen Wachstumsgefälle zwischen Mexiko und den übrigen lateinamerikanischen Ländern im Zeitraum 1500-1820 ausgegangen. China Maddison (1998a) enthält eine umfassende Analyse der demographischen Entwicklung sowie der Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Produktion und des Pro-Kopf-Sozialprodukts in den letzten 2000 Jahren. Für die chinesische Bevölkerung stehen für die vergangenen zwei Jahrtausende sehr viel umfangreichere Erhebungsdaten zur Verfügung als für die Bevölkerung jedes anderen Landes, was dem Verwaltungssystem des Landes und den Bemühungen um Überwachung der wirtschaftlichen Aktivitäten zu Besteuerungszwecken zu verdanken ist. Die Evaluierung des Wachstums der landwirtschaftlichen Produktion im Zeitraum 1368-1968 von Perkins (1969) ist ein wissenschaftliches Meisterwerk, auf das ich mich weitgehend gestützt habe. Seine Analyse folgt im Wesentlichen dem Konzept von Boserup. Er ist der Ansicht, dass China den Bevölkerungsdruck erfolgreich bewältigen und einen mehr oder weniger stabilen Pro-Kopf-Konsum in dem betrachteten Zeitraum aufrechterhalten konnte. Erreicht wurde dies durch die Ausweitung der Anbauflächen, die Erhöhung des Pro-Kopf-Arbeitseinsatzes und die Steigerung der Bodenproduktivität. Damit verbunden waren der massive Einsatz von traditionellen Düngemitteln, die Anlage von Bewässerungssystemen, die Entwicklung von Kulturen und Saatgütern, die mehrfache Ernten ermöglichten, die Verbreitung optimaler Techniken durch die offiziell geförderte Verteilung landwirtschaftlicher Handbücher (die schon früh zur Verfügung standen, da Papierherstellung und Druckereitechnik bereits bekannt waren). Nach der Mitte des 16. Jahrhunderts wurden Pflanzenkulturen aus Amerika eingeführt. Mais, Erdnüsse, Kartoffeln und Süßkartoffeln haben auf Grund ihrer hohen Erträge und der Möglichkeit des Anbaus auf Böden minderer Qualität erheblich zur Steigerung des chinesischen Produktionspotentials beigetragen. Tabak- und Zuckerrohrkulturen waren während der Ming-Zeit weit verbreitet. Die Ernährungsgewohnheiten der Chinesen basierten vorwiegend auf Protein- und Kalorienzufuhr pflanzlichen Ursprungs, was eine ökonomischere Bodennutzung ermöglicht als Weidewirtschaft. Die Chinesen aßen sehr viel weniger Fleisch als die Europäer und verzehrten vorwiegend Geflügel und Schweinefleisch, d.h. Tiere, die kein Gras fressen, sondern sich von Abfällen ernähren. Milch und Milchprodukte waren so gut wie unbekannt. Auch Wolle verwendeten die Chinesen 279 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive nur in sehr geringem Maß. Die normale Bekleidung wurde weitgehend aus pflanzlichen Fasern gefertigt (Hanf, Ramie und dann Baumwolle). Gesteppte Kleidung erzeugte die gleiche Wärme wie Wolle. Die reichere Bevölkerungsschicht verwendete Seide. Die Seidenraupen wurden auf Maulbeerbäumen gezüchtet, die häufig auf für andere Kulturen ungeeigneten hügeligen Landflächen angepflanzt wurden. Die chinesischen Bauernhaushalte gingen neben der Landwirtschaft zahlreichen arbeitsintensiven Aktivitäten nach. Sie betrieben Fischzucht in kleinen Seen, verwendeten Gras und sonstige Biomasse als Brennstoff. In ländlichen Haushalten wurden auch wichtige „industrielle“ Aktivitäten durchgeführt, wie das Spinnen und Weben von Textilien sowie die Herstellung von Kleidung und Lederwaren. Das Gleiche galt für die Ölerzeugung und das Mahlen von Getreide, das Trocknen und Vorbereiten von Teeblättern, für Tabakprodukte, Sojasoße, Kerzen und Tungöl, Wein und Liköre, Stroh-, Rattanund Bambusprodukte. Die Herstellung von Ziegelsteinen und Dachziegeln, Lastkarren und kleinen Booten sowie der Bau von ländlichen Gehöften bildeten ebenfalls wichtige dörfliche Aktivitäten. Die chinesischen Bauern betrieben weit verzweigte kommerzielle Aktivitäten, die auf ländlichen Märkten abgewickelt wurden, zu denen praktisch sämtliche Dörfer Zugang hatten. All diese nicht landwirtschaftlichen Tätigkeiten haben sich offenbar unter der Song-Dynastie (960-1280) ausgeweitet. Für die Zeit danach dürfte auf Grund der langfristig steigenden Bedeutung von Marktfrüchten (cash crops) wie Baumwolle, Zucker, Tabak und Tee, von einer gewissen proportionalen Zunahme auszugehen sein. Im 19. Jahrhundert entfiel weit über ein Viertel des BIP auf das traditionelle Handwerk und die Bereiche Verkehr, Handel sowie Bau- und Wohnungswirtschaft, wobei sich diese Aktivitäten zumeist auf ländliche Gegenden konzentrierten. Ihr relativer Anteil am BIP wird im Jahr 1500 wahrscheinlich ebenso hoch gewesen sein wie im Jahr 1820. Unter Zugrundelegung der groben Schätzungen Rozmans (1973) hat es in China, was den Anteil der städtischen Bevölkerung (Städte mit mindestens 10 000 Einwohnern) betrifft, zwischen der TangDynastie und dem Beginn des 19. Jahrhunderts offenbar keine einschneidenden Veränderungen gegeben. Dies steht in krassem Gegensatz zu der Situation in Westeuropa und ist ein wichtiger Faktor bei der vergleichenden Gegenüberstellung der Wirtschaftsentwicklung Chinas und Europas. Eine weitere sehr nützliche Datenquelle ist die ausführliche Dokumentation über die chronologische Entwicklung der chinesischen Technik in Needhams Meisterwerk über die chinesische Wissenschaft und Zivilisation. Wenngleich es die Analyse der wirtschaftlichen Auswirkungen von Erfindungen etwas vernachlässigt, ist es für die vergleichende Evaluierung der Entwicklung in den Bereichen Landwirtschaft, Metallurgie, Textilproduktion, Druckerei, Schiffbau, Seefahrt usw. doch eine wertvolle Hilfe; dies gilt auch im Hinblick auf die darin enthaltene Analyse der Fähigkeit Chinas zur Entwicklung von Wissenschaftsgrundlagen. Die großen Fortschritte Chinas bei der Steigerung der Bodenproduktivität und die bescheideneren Verbesserungen des Lebensstandards waren bereits in der Zeit vor der hier untersuchten Periode zu verzeichnen. Die einschneidende Umstellung vom Weizen- und Hirseanbau in Nordchina auf den wesentlich intensiveren Nassreisanbau südlich des Jangtse erfolgte unter der Song-Dynastie (10. bis 13. Jahrhundert). Die vorhandenen Belege lassen den Schluss zu, dass das Pro-Kopf-BIP danach nahezu sechs Jahrhunderte lang stagnierte, wenngleich China in der Lage war, eine starke Bevölkerungszunahme durch extensives Wachstum zu verkraften. Indien Maddison (1971) enthielt eine Analyse der sozialen und institutionellen Struktur Indiens unter dem Mogul-Reich und unter britischer Herrschaft. Für die Mogul-Zeit habe ich weitgehend auf die am Ende des 16. Jahrhunderts von Abul Fazl, dem Wesir Akbars, durchgeführte Wirtschaftserhebung zurückgegriffen (vgl. Übersetzung von Jarrett und Sarkar, 1949). Ich habe keine präzise Schätzung der 280 Anhang B Wachstumsrate für den Zeitraum 1500-1820 vorgenommen; jedenfalls existieren kaum Belege dafür, dass die indische Wirtschaft zum damaligen Zeitpunkt dynamisch gewesen wäre. Es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass die britische Kolonialisierung sich vor den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts positiv auf das Wirtschaftswachstum ausgewirkt hat. Band 1 des Werks The Cambridge Economic History of India (Raychaudhuri und Habib, 1982) geht nicht wirklich direkt auf die Frage des Wachstums ein und untersucht die wichtigsten Regionen Indiens, ohne davon allgemeine Rückschlüsse für das gesamte Land abzuleiten. Habib vermutet, dass die landwirtschaftliche Pro-Kopf-Produktion im Jahr 1595 höher gewesen sein könnte als 1870 oder 1900, und gründet diese Vermutung darauf, dass es in der weiter zurückliegenden Periode mehr kultivierbare Fläche pro Kopf der Bevölkerung gab und offenbar auch verhältnismäßig mehr Ochsen und Büffel als Zugtiere zur Verfügung standen. Andererseits verweist er aber auch auf die Einführung neuer Pflanzenkulturen im 17. und 18. Jahrhundert. Optimistischer schätzt er die Entwicklung im Verarbeitenden Gewerbe ein: „Die Expansion der Binnen- und Auslandsmärkte sowie die steigenden staatlichen Ausgaben für städtische Einrichtungen, öffentliche Gebäude und Baudenkmäler sowie für die Armee lassen auf einen Aufwärtstrend der Produktion und möglicherweise auch der Arbeitsproduktivität schließen“ (S. 305). Shireen Moosvi (1987, S. 400) nimmt an, dass der ländliche Pro-Kopf-Konsum im Jahr 1601 und 1901 in etwa identisch, das städtische Einkommen jedoch im Jahr 1601 höher war. Daher geht sie für 1601 von einem gegenüber 1901 um 5% höheren globalen Pro-Kopf-Konsum aus. Moreland (1920, S. 274), der sich auf ähnliche Angaben wie Habib und Moosvi stützt, diese aber weniger gründlich analysiert, kommt zu dem Schluss, dass Indien zum Zeitpunkt von Akbars Tod sicherlich nicht reicher war als im Zeitraum 1910-1914 „und wahrscheinlich sogar etwas ärmer“. Ich gehe davon aus, dass das indische Pro-Kopf-Einkommen von 1700 bis zu den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts infolge des Zusammenbruchs des Mogul-Reichs und der Kosten der Anpassung an das britische Regierungssystem gesunken ist (vgl. die Analyse in Kapitel 2). Japan Es liegen keine Schätzungen der langfristigen makroökonomischen Wirtschaftsergebnisse Japans für den Zeitraum vor der Meiji-Restauration von 1868 vor. Wir können uns jedoch eine gewisse Vorstellung von den Geschehnissen in Japan verschaffen, wenn wir die japanische und die chinesische Entwicklung vergleichen. Im 7. Jahrhundert versuchte Japan, China in Bezug auf seine Wirtschaft, Gesellschaft, Religion, Literatur und Institutionen zu kopieren. Die Bewunderung für alles Chinesische hielt bis ins 18. Jahrhundert an, obgleich Japan (von zwei kurzen Episoden abgesehen) nicht als tributpflichtiger Staat in den chinesischen Herrschaftsbereich eingegliedert war. Japan führte jedoch nie ein auf Leistung beruhendes Verwaltungssystem ein, sondern ließ die effektive Regierungsgewalt in den Händen einer erblichen und weitgehend dezentralisierten Militäraristokratie. Deshalb hatte die institutionelle Geschichte Japans vom 10. bis 15. Jahrhundert größere Ähnlichkeit mit der der feudalistischen Epoche Europas als mit der Chinas. Japan kopierte die Institutionen der Tang-Ära im 7. Jahrhundert und gründete eine zentrale Hauptstadt in Nara nach dem Muster der chinesischen Hauptstadt Chang-An. Es nahm auch den Buddhismus chinesischer Prägung an und erlaubte seinen religiösen Orden, sehr umfangreichen Landbesitz zu erwerben und wirtschaftlichen Einfluss auszuüben. Japan übernahm die chinesischen Ideogramme, die Kanji-Schrift, den literarischen Stil Chinas, den chinesischen Kleidungsstil, den chinesischen Kalender, die chinesischen Methoden zur Messung von Alter und Stunden. Es bestand damals bereits eine große Ähnlichkeit bei den Anbaukulturen und der Ernährungsweise, wobei der Reisanbau 281 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive vorherrschend war und Fleisch sowie Fleischprodukte in sehr viel geringerem Ausmaß als in Europa verzehrt wurden. Zudem bestand in Japan und China eine größere Bodenknappheit als in Europa oder Indien, so dass die Landwirtschaft in beiden Ländern sehr arbeitsintensiv war. Wenngleich die japanischen Kaiser weiterhin die offiziellen Staatsoberhäupter waren, lag die eigentliche Leitung der Staatsgeschäfte in den Händen einer erblichen Aristokratie. Von 1195 bis 1868 war das effektive Staatsoberhaupt der als Shogun bezeichnete Kronfeldherr. Vom 7. bis zum 9. Jahrhundert kontrollierte die Zentralregierung die Landzuteilung, wobei die chinesische Tang-Dynastie als Vorbild diente, doch nach und nach ging der Landbesitz auf die ländliche Militäraristokratie über. Bei den Shoen handelt es sich um ein komplexes und fragmentiertes Feudalsystem. Zahlreiche Klassen von Landeigentümern forderten einen Anteil des erwirtschafteten Überschusses von den leibeigenen Bauern. Der technologische Fortschritt und seine Verbreitung wurden in China von dem Verwaltungssystem in einem Maße gefördert, das in Japan nicht möglich war, da das Land keine gebildete weltliche Elite besaß. Die Druckereikunst war in Japan nahezu ebenso früh bekannt wie in China, doch gab es außer buddhistischen Kerbstöcken und Talismanen nur wenige gedruckte Dokumente. Die Chinesen hingegen verwendeten gedruckte Handbücher über optimale landwirtschaftliche Praktiken, um die Verbreitung der Techniken für Mehrfachernten, Bewässerungssysteme sowie den Einsatz von schnell reifendem Saatgut, das die Song-Dynastie aus Vietnam eingeführt hatte, zu fördern. In Japan war der Urbanisationsgrad niedriger als in China. Die Aufteilung in einzelne, miteinander konkurrierende feudale Herrschaftsgebiete brachte es mit sich, dass landwirtschaftliche Einrichtungen und Bewässerungsanlagen in der Regel in defensiver Absicht auf hügeligem Gelände angelegt wurden. Das Lehnsystem verhinderte auch die landwirtschaftliche Spezialisierung und die Entwicklung von Marktfrüchten (cash crops). Während die Chinesen im 14. Jahrhundert von Hanf- zu Baumwollkleidung übergegangen waren, fand diese Umstellung in Japan erst im 17. Jahrhundert statt. Bis zum 17. Jahrhundert war die japanische Seidenproduktion gering, und der Verbrauch hing von Importen aus China ab. Schiffbau- und Bergbautechnologien blieben bis zum 17. Jahrhundert denen Chinas unterlegen. Ländliche komplementäre Aktivitäten entwickelten sich langsamer als in China. Das alte Herrschaftssystem brach nach einem hundertjährigen Bürgerkrieg (Sengoku), der 1467 begonnen hatte, zusammen. Die Hauptstadt Kyoto wurde bereits zu Beginn dieser Auseinandersetzungen zerstört, und ihre Bevölkerung sank von 400 000 auf 40 000 Personen im Jahr 1500. Aus den Ruinen ging ein neues Herrschaftssystem mit einer neuen Art von Militäraristokratie hervor. Tokugawa Ieyasu begründete im Jahr 1603 das erbliche Shogunat seiner Familie, nachdem er selbst zwei aufeinander folgenden Heerführern gedient hatte – Nobunaga (1573-1582) und Hideyoshi (1582-1598), die einige der von Ieyasu übernommenen Regierungstechniken entwickelt hatten (insbesondere die Entmilitarisierung ländlicher Gebiete, das ursprünglich auf Katastererhebungen basierende Kokudaka-System der Steuererhebung, die Reduzierung der dem Klerus gehörenden Ländereien sowie die Praxis, Ehefrauen und Kinder der Daimyo als Geiseln zu halten). Der Shogun Tokugawa kontrollierte unmittelbar ein Viertel der Landesfläche. Das Kaiserhaus und die Aristokratie von Kyoto erhielten nur 0,5% des Steueraufkommens, die Verwaltungsinstanzen der Shinto- und der buddhistischen Tempel teilten sich 1,5%. Ein Drittel ging an die kleineren Daimyo, die einer strengen Kontrolle unterworfen waren. Der Rest wurde größeren und unabhängigeren (tozama) Daimyo in relativ entfernten Gebieten zugeteilt, die bereits vor Errichtung des TokugawaRegimes Feudalherren gewesen waren. Diese waren potentielle Rivalen des Shogunats und erhoben sich in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts schließlich gegen dieses Regime. Doch blieb die Vormachtstellung des Shogun nach 1615 – als er Hideyoshis Familie tötete und dessen Schloss in 282 Anhang B Osaka zerstörte – praktisch unangefochten. Die Tokugawa-Shogune neutralisierten die potentielle Opposition der Daimyo, indem sie deren Familien zu Geiseln machten und ihre Einkommensverhältnisse prekär hielten (zwischen 1601 und 1705 „waren etwa 200 Daimyate zerstört, 172 neu geschaffen und 200 vergrößert worden; die Bereiche von 280 Daimyaten waren transferiert worden“ – Hall, 1991, S. 150-151). Die Shogunat-Beamten verwalteten unmittelbar die größten Städte (Edo, Kyoto, Osaka und einige weitere), agierten als Abgesandte des Kaisers und kontrollierten die Außenbeziehungen sowie die Erträge aus Gold- und Silberbergwerken. Das Tokugawa-Shogunat war nicht ideal für Wirtschaftswachstum und Ressourcenallokation, aber es übte einen günstigeren Einfluss aus als seine Vorgänger, das Kamakura-Shogunat (1192-1338) und das Ashikaga-Shogunat (1338-1573). Es leitete einen erfolgreichen Aufhol- und Überflügelungsprozess ein. Zwischen 1600 und 1868 stieg das japanische Pro-Kopf-Einkommen wahrscheinlich um rd. 40%, womit sich Japan von einem Niveau, das unter dem Chinas lag, zu einer deutlich höheren Position aufschwang, und dies trotz der schweren Belastung, die die Unterhaltung einer großen Elite mit einer Vielzahl von funktionellen Überschneidungen darstellt. Die Tokugawa-Shogune schufen ein System von Kontrolle und Gegenkontrolle zwischen den führenden Mitgliedern der Militäraristokratie (Daimyo), die den Bürgerkrieg überlebt hatten. Es gewährleistete dauerhaften inneren Frieden. Die ländlichen Gebiete wurden durch das von Hideyoshis Truppen im Jahr 1588 durchgeführte Einsammeln der Schwerter sowie durch die vom TokugawaRegime schrittweise vollzogene Einstellung der Produktion und Verwendung von Feuerwaffen westlichen Stils, die von den Portugiesen 1543 eingeführt worden waren, völlig entmilitarisiert. Die Daimyo und ihre militärischen Vasallen (die Samurai) wurden gezwungen, in jedem Herrschaftsbereich in einer einzigen Burgstadt zu leben und auf ihre frühere Rolle als landwirtschaftliche Verwalter zu verzichten. Als Entschädigung erhielten sie Sachzuwendungen (Reis), die von den in ihrem Herrschaftsgebiet lebenden Bauern geliefert wurden. Die Daimyo besaßen keine festgelegten Eigentumsrechte an Grund und Boden und konnten Land weder kaufen noch verkaufen. Der Shogun konnte die Daimyo von einem Teil des Landes in einen anderen versetzen und die diesen zustehenden Reiszuwendungen konfiszieren, reduzieren oder erhöhen, je nachdem, wie deren Verhalten (oder deren Intentionen gemäß den Erkenntnissen des Überwachungs- und Spionageapparats des Shogunats) beurteilt wurde. Die Daimyo waren zudem verpflichtet, einen Teil des Jahres in der neuen Hauptstadt Edo (dem heutigen Tokyo) zu verbringen und ihre Familien dort als ständige Geiseln und Unterpfand ihrer Loyalität zu halten. Die Daimyo schuldeten der Shogunat-Verwaltung keine regelmäßigen Abgaben, sie mussten jedoch die sehr hohen Kosten für ihre obligatorische (sankin kotai) Residenz in Edo aufbringen und punktuellen Mittelanforderungen für Bauten in Edo und Reparaturarbeiten nach Erdbebenschäden nachkommen. Dieses Regierungssystem war gegenüber dem Chinas sehr kostenaufwendig. Die Shogun-, Daimyo- und Samurai-Haushalte machten etwa 6,5% der japanischen Bevölkerung aus, wohingegen in China auf die Verwaltung, das Militär und den niedrigen Adel nur 2% der Bevölkerung entfielen. Die Steuereinnahmen entsprachen 20-25% des japanischen BIP gegenüber rd. 5% in China, wobei allerdings der niedrige Adel Chinas Pachteinnahmen hatte und die chinesische Bürokratie erhebliche Einkünfte aus nicht fiskalischen Abgabeforderungen bezog. Gleichwohl erzielten die TokugawaHerrscher gewisse Einsparungen, indem sie Einkommen und Besitz der buddhistischen Mönche sehr erheblich reduzierten. Sie vollzogen ebenfalls eine ideologische Wende, indem sie sich von der Religion ab- und dem Neo-Konfuzianismus zuwandten. In beiden Fällen übernahmen sie damit Reformen, die China bereits im 9. Jahrhundert vorgenommen hatte. Dieser politische Wandel hatte bedeutende Auswirkungen für alle Teile der Wirtschaft. 283 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Wachstum der landwirtschaftlichen Produktion in der Tokugawa-Zeit Die ländliche Bevölkerung bestand nicht länger aus unterwürfigen Haushalten, die willkürlichen Forderungen zur Befriedigung der Bedürfnisse des feudalen Adels und Militärs ausgesetzt waren. Die Reisabgaben waren hoch, aber eine mehr oder weniger feste Größe, und gingen mit der Zeit im Zuge der landwirtschaftlichen Expansion proportional zurück. Das Ende lokaler Fehden brachte erhöhte Sicherheit mit sich, so dass die Landwirtschaft auch auf offene Ebenen ausgedehnt werden konnte. Es gab mehr Möglichkeiten der Landerschließung und der Ausweitung der landwirtschaftlichen Anbauflächen. Dies galt insbesondere für die zuvor unterentwickelte Kanto-Ebene, die die neue Hauptstadt Edo umschloss. Gedruckte Handbücher über die besten landwirtschaftlichen Praktiken – nach chinesischem Muster – begannen zu erscheinen. Nogyo Zensho (Enzyklopädie der Landwirtschaft, 1697) war die erste kommerzielle Publikation, und zu Beginn des 18. Jahrhunderts gab es bereits Hunderte solcher Bücher (vgl. Robertson, 1984). Schnell reifendes Saatgut und Kulturen mit doppelten Ernten wurden eingeführt. Es kam zu vermehrtem Einsatz von kommerziellen Düngemitteln (Sojabohnenmehl, Seetang usw.) sowie zu Verbesserungen bei den Dreschgeräten. Der Anbau marktfähiger Pflanzen – Baumwolle, Tabak, Ölsaaten, Zucker (in Süd-Kyushu und auf den Ryukyu-Inseln) – wurde erheblich ausgedehnt, und die Seidenraupenzucht nahm einen großen Aufschwung. In den zwanziger Jahren des 18. Jahrhunderts begannen Landerschließungsmaßnahmen großen Stils, die teilweise von Kaufleuten finanziert wurden. Wir können uns anhand der von Hideyoshi im Zeitraum 1582-1590 eingeführten Katastererhebungen (Kokudaka) ein gewisses Bild von den Fortschritten in der landwirtschaftlichen Produktion im Japan der Tokugawa-Zeit machen. Bei diesen Erhebungen wurde die Produktionskapazität des Bodens in Koku-Reisäquivalenten (d.h. die dem Pro-Kopf-Jahresbedarf entsprechende Menge) bewertet. Die Maßeinheit Koku entspricht gewichtsmäßig 5,1 US-Scheffel oder 150 Kilogramm. Diese KokudakaEvaluierung diente dem Shogun als Basis für die Zuwendungen an die Daimyo. Die unbedeutendsten Daimyo erhielten 100 000 Koku, an die größten gingen weitaus mehr (über 1 Million Koku im Herrschaftsbereich von Kaga in Kanazawa an der Küste des Japanischen Meers, 770 000 im Bereich von Satsuma in Süd-Kyushu). Im Jahr 1598 wurde der Gesamtwert auf 18,5 Millionen geschätzt. Die offiziellen Schätzungen erhöhten sich im Laufe der Zeit, da sich die Anbaufläche vergrößerte, es gab aber erhebliche und verschiedenartige Messfehler bei der Berechnung der Gesamtzahl. Craig (1961, S. 11) führt Beispiele für den Unterschied zwischen nominaler und effektiver Produktionskapazität in der späten Tokugawa-Ära an; der effektive Ertrag der neun von ihm untersuchten Herrschaftsbereiche war um ein Drittel höher als der offizielle Schätzwert. Nakamura (1968) nahm eine Schätzung der Getreideproduktion für den Zeitraum 1600-1872 vor, die um die Schwankungen beim Erfassungsgrad der offiziellen Statistik bereinigt wurde. Tabelle B.17 zeigt, dass die Pro-Kopf-Getreideproduktion zwischen 1600 und 1820 um 18% und während der gesamten Tokugawa-Ära wahrscheinlich um ein Viertel gestiegen ist. Im Jahr 1874 machten Reis und andere Getreidearten 72% des Bruttowerts der landwirtschaftlichen Produktion aus, andere traditionelle Produkte kamen auf 10,7% und relativ neue Kulturen (Baumwolle, Zucker, Tabak, Ölsaaten, Seidenraupen und Kartoffeln) auf 17,2%. Die meisten der letztgenannten Kulturen waren 1600 noch unbekannt und unterlagen keiner Besteuerung, so dass ihre Produktion rascher wuchs als die von Getreide. Unter der Annahme, dass diese anderen Kulturen im Jahr 1600 rd. 5% der Produktion ausmachten, würde sich damit für die gesamte landwirtschaftliche Produktion ein Pro-Kopf-Wachstum von rund einem Viertel im Zeitraum 1600-1820 und von über 40% in der ganzen Tokugawa-Ära ergeben. Für die Zeit vor 1600 gibt es keine brauchbaren quantitativen Angaben, man kann aber wohl davon ausgehen, dass die Pro-Kopf-Produktion in der Landwirtschaft im 16. Jahrhundert wegen der Verheerungen durch den Bürgerkrieg kaum gestiegen ist. 284 Anhang B Tabelle B.17 Japanische Getreideproduktion und verfügbare Mengen pro Kopf, 1600-1874 Getreideproduktion Jahr 1600 1700 1820 1872 1874 Quelle: (in Tsd. Koku) 19 731 30 630 39 017 46 812 49 189 (in Tsd. Tonnen) 2 960 4 565 5 853 7 022 7 378 Bevölkerung (in Tsd.) 18 500 27 000 31 000 34 859 35 235 Verfügbare Menge pro Kopf (in kg) 160 169 189 201 209 Angaben erste Spalte 1600-1872 aus Hayami und Miyamamoto (1988, S. 44); die Angaben für 1820 wurden durch Interpolation der Werte für 1800 und 1850 abgeleitet. Die Schätzungen von Hayami und Miyamamoto gründen sich auf Satoru Nakamura (1968), S. 169-171. Getreideproduktion 1874 aus Ohkawa, Shinohara und Umemura (1966), Bd. 9, Agriculture and Forestry, S. 166, Reisproduktion um 1 927 Koku nach oben berichtigt – vgl. Yamada und Hayami (1979, S. 233). 1874 entsprach die berichtigte Getreideproduktion 72% des Werts der landwirtschaftlichen Bruttoproduktion zu Preisen von 1874-76, auf die anderen traditionellen Feldfrüchte entfielen 10,8% und auf sonstige Kulturen 17,2% (vgl. Bd. 9, S. 148). Die letztere Gruppe umfasst den Anbau von Industriepflanzen und Kartoffeln sowie die Seidenraupenzucht, d.h. Kulturen, von denen die meisten im Jahre 1600 noch unbedeutend waren. Es ist daher wahrscheinlich, dass die landwirtschaftliche Pro-Kopf-Produktion schneller stieg als die Getreideproduktion. Spalte 2 Koku-Wert (150 kg.) umgerechnet in Tonnen. Spalte 3 entspricht meinen Schätzungen aus Tabelle B.7. Spalte 4 ist gleich Spalte 2 geteilt durch Spalte 3. Die Standardproduktionsmessgröße im Japan der Tokugawa-Zeit war geschälter Reis, während in China ungeschälter Reis als Maßstab diente. Perkins (1969) veranschlagte für China für den Zeithorizont der obigen Tabelle eine verfügbare Menge an ungeschältem Reis von 250 kg pro Kopf. Ausgehend von Perkins Koeffizienten (1969, p. 305) ergibt dies 167 kg geschälten Reis pro Kopf, was mehr ist als die in Japan im Jahre 1600 pro Kopf verfügbare Menge, aber weniger als die dort 1700 verfügbare Menge. 1872 war Japan Nettoimporteur von Reis, womit sich die pro Kopf verfügbare Menge auf 219 kg erhöhte; 1874 betrug sie 231 kg. Wirtschaftsleistung außerhalb des Agrarsektors Die meisten Analysten der Tokugawa-Zeit (Smith, 1969; Hanley und Yamamura, 1977; Yasuba, 1987) betonen die wachsende Bedeutung der industriellen und kommerziellen Nebenbeschäftigungen in ländlichen Gebieten. Smith (1969) erstellte eine klassische Analyse nicht landwirtschaftlicher Aktivitäten in ländlichen Regionen, wobei er sich auf eine 1843 in 15 Bezirken des Verwaltungsbereichs von Choshu durchgeführte Erhebung stützte. In der Grafschaft von Kaminoseki lebten 6 501 Familien in einer im äußersten Süden der Insel Honshu gelegenen Region mit einem weiten, in das Binnenmeer hineinreichenden Küstenstreifen zwischen Kyushu und Shikoku – einer für den Handel mit anderen Teilen Japans ausgesprochen günstigen Lage. 82% der Bevölkerung waren Bauern, die 55% ihres Nettoeinkommens jedoch aus nicht landwirtschaftlichen Tätigkeiten erwirtschafteten. Aus dem arithmetischen Mittel der von Smith ermittelten distriktspezifischen Koeffizienten ergibt sich, dass industrielle Aktivitäten nahezu 28% zum Familieneinkommen beitrugen. Ich bezweifle den repräsentativen Charakter der Stichprobenerhebung von Kaminoseki. Wenn es sich wirklich um ein für alle ländlichen Gebiete typisches Beispiel handelte und soweit städtische Ballungsräume proportional stärker zu nicht landwirtschaftlichen Tätigkeiten tendieren, wäre anzunehmen, dass der Anteil industrieller Aktivitäten am Ende der Tokugawa-Ära mehr als 30% des BIP betrug. Nishikawa (1987) legt eine sehr viel ausgefeiltere und umfassendere Untersuchung der Wirtschaft von Choshu in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts vor. Auf der Basis der gleichen Erhebungsdaten entwickelt er eine Reihe von globalen Input-Output-Konten. Seine Analyse erstreckt sich auf 107 000 Haushalte (520 000 Personen) und umfasst sowohl ländliche als auch städtische Gebiete, d.h. eine 16-mal größere Stichprobe als die von Smith. Sein Ansatz steht in der Tradition der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, mit sorgfältiger Prüfung der Konsistenz und Verwendung verschie285 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive dener Datenquellen zur Schätzung der Erwerbsbevölkerung, der Bruttoproduktion und der Wertschöpfung je Wirtschaftssektor. Auf Wertschöpfungsbasis entfallen auf das Verarbeitende Gewerbe (einschließlich Handwerk) 18,8% des von ihm ermittelten Gesamtwerts. Er weist jedoch darauf hin, dass die Erhebungsdaten in Bezug auf die Produktion in vieler Hinsicht unzulänglich waren. Deshalb bleiben verschiedene Bereiche bei seinem Gesamtwert unberücksichtigt: die militärischen und administrativen Dienstleistungen der Daimyo und Samurai, die Aktivität der Mönche, Nonnen, Priester und Dienstboten, städtische Dienstleistungen „im ‚Unterhaltungssektor‘ wie z.B. Gasthöfe, Restaurants, Teehäuser, Bordelle, Straßenprostitution, Frisörgewerbe, Massage usw.“. Er ermittelt keinen rechnerischen Wert für Wohnunterkünfte. Der Bausektor wird ebenfalls ausgelassen. Wenn wir den Gesamtwert von Nishikawa um ein Viertel erhöhen, um die nicht erfassten Elemente in Rechnung zu stellen, und ihn auf eine BIP-Basis stellen, hätte die Struktur der Wertschöpfung in Choshu in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts wie folgt ausgesehen: 53% wären auf die Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft, 15% auf das Verarbeitende Gewerbe und 32% auf die übrigen Sektoren (einschließlich Dienstleistungen und Baugewerbe) entfallen. Nishikawas Berechnungen sind auch insofern sehr interessant, als sie Schätzungen der Transaktionen von Choshu mit anderen Teilen Japans enthalten und die physiokratische Verzerrung des Steuersystems der Tokugawa aufzeigen. 97% des Steueraufkommens bestanden aus landwirtschaftlichen Abgaben, 3% stammten aus Abgaben auf nicht landwirtschaftliche Aktivitäten. Neben seiner strukturellen Analyse versucht Nishikawa auch eine Berechnung der Wachstumsrate des Pro-Kopf-Einkommens in Choshu zwischen den sechziger Jahren des 18. Jahrhunderts und den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts und kommt auf 0,4% pro Jahr. Diese Angabe basiert jedoch ausschließlich auf den Schätzungen der zu Besteuerungszwecken durchgeführten Erhebungen über Grund und Boden. Im Jahr 1500 lebten weniger als 3% der Japaner in Städten mit mindestens 10 000 Einwohnern. Im Jahr 1800 lag dieser Anteil bei über 12%. Edo entwickelte sich von einem Dorf zu einer Stadt mit einer Million Einwohnern. Es gab mehr als 200 Burgstädte, deren Bevölkerung zur Hälfte aus Samurai bestand. Die größten waren Kanazawa und Nagoya mit einer Bevölkerung von über 100 000. Die alte Hauptstadt Kyoto zählte eine halbe Million Einwohner (hier residierten der Kaiser und sein Hof, und sie bildete das Zentrum einer prosperierenden landwirtschaftlichen Region). Osaka entwickelte sich zu einer bedeutenden Handelsmetropole, die größenmäßig Kyoto vergleichbar war. Diese Vervierfachung des städtischen Bevölkerungsanteils kontrastierte mit einer stabilen und wesentlich niedrigeren Rate in China. Japan hatte einen geringeren Anteil an kleinen Städten als China, da die Konzentration der Samurai in einer einzigen Burgstadt je Verwaltungsbereich mit der obligatorischen Zerstörung kleinerer befestigter Siedlungen einherging, die um diese verstreut waren. Im 18. Jahrhundert kam es auch zu einem Rückgang der Größe Osakas, da die kommerzielle Aktivität in kleineren Städten und ländlichen Gebieten zunahm. Die städtischen Zentren schufen einen Markt für die umliegenden ländlichen Gebiete. Sie ließen ebenfalls eine Nachfrage nach Dienstboten, Unterhaltung und Theater entstehen. Kaufleute waren nicht mehr ausschließlich Quartiermeister für das Militär, sie wurden zu Vermittlern für Warengeschäfte, zu Bankiers und Geldverleihern. Dank ihrer Aktivitäten erlebten der Küstenhandel und die Seeschifffahrt im Binnenmeer einen deutlichen Aufschwung (vgl. Crawcour, 1963). Die TokugawaZeit war also mit Sicherheit bei vielen Arten von Dienstleistungsaktivitäten durch ein erhebliches ProKopf-Wachstum gekennzeichnet. Die umfangreichsten Dienstleistungsaktivitäten entfielen jedoch auf die Samurai und Daimyo, die einen unverhältnismäßig hohen Anteil militärischer und administrativer Dienstleistungen erbrachten. Die vorhandenen Belege deuten darauf hin, dass ihr Bevölkerungsanteil während der Tokugawa-Zeit stabil geblieben ist. Nach einer Studie von Yamamura (1974) wies das Realeinkommen der Samurai- und Daimyo-Haushalte keine wesentlichen Fluktuationen auf, und die Arbeiten von Smith über die abnehmende Inzidenz der Steuerabgaben in der Landwirtschaft erhärten diese Schlussfolgerung. 286 Anhang B Während der Tokugawa-Zeit ist das Bildungsniveau in Japan ganz erheblich gestiegen, und die Betonung lag stärker auf weltlichen, neokonfuzianischen Werten als auf dem Buddhismus. Dies trug zu einer Hebung des kulturellen Niveaus der Bevölkerung und zu Verbesserungen der technischen Kenntnisse bei. Die Buchproduktion und die Verbreitung von Holzdrucken expandierten enorm. Zwischen dem 8. und dem Beginn des 17. Jahrhunderts erschienen weniger als 100 bebilderte Bücher in Japan, im 18. Jahrhundert gab es dagegen große Auflagen von Werken mit mehrfarbigen Abbildungen, und 40% der männlichen Bevölkerung waren alphabetisiert. Im Jahr 1639 wurden die Jesuiten und die portugiesischen Kaufleute des Landes verwiesen. Das Christentum wurde verboten, und Kontakte mit den Europäern wurden auf eine kleine niederländische Handelsniederlassung im Süden Japans in der Nähe von Nagasaki beschränkt. Diese Maßnahmen waren eine Reaktion auf das als aufdringlich empfundene Verhalten der Portugiesen, in denen man überdies eine politische Bedrohung sah. Die Tokugawa-Herrscher wussten, dass die Spanier die Philippinen in Besitz genommen hatten, und sie wollten dies in Japan vermeiden. Die Niederländer waren lediglich am Handel interessiert, während ihrer langen Präsenz in Japan benannte die niederländische Ostindien-Kompanie jedoch drei sehr renommierte Wissenschaftler als Mitarbeiter in Deshima (Engelbert Kaempfer, 1690-1692, ein abenteuerlustiger deutscher Gelehrter und Wissenschaftler; C.P. Thunberg, 1775-1776, ein hervorragender schwedischer Botaniker; und Franz Philipp von Siebold, 1823-1829 und 1859-1862, ein deutscher Arzt und Naturwissenschaftler). Diese Gelehrten schrieben Bücher, die einen bedeutenden Beitrag zum westlichen Verständnis Japans leisteten, sie spielten aber auch eine wichtige Rolle bei der Verbreitung der europäischen Wissenschaft und Technologie in Japan. Japaner waren zuvor auf chinesische Bücher angewiesen gewesen, um sich Kenntnisse über westliche Länder anzueignen (chinesische Übersetzungen von Werken von Matteo Ricci und anderen Jesuiten in Peking), 1720 hob der Shogun Yoshimune jedoch das Verbot europäischer Bücher auf. Ein wichtiger Wendepunkt war 1771, als zwei japanische Ärzte dem Sezieren eines Leichnams beiwohnten und die Körperteile (Lungen, Nieren und Eingeweide) mit den Beschreibungen in einem chinesischen Buch und einem niederländischen Anatomietext verglichen. Der niederländische Text entsprach dem, was sie gesehen hatten, während der chinesische Text nicht mit ihren Wahrnehmungen übereinstimmte (vgl. Keene, 1969). In der Folge erlangten Übersetzungen niederländischer Abhandlungen über wissenschaftliche Erkenntnisse (Rangaku) einen wichtigen kulturellen Einfluss. Wenngleich sie mengenmäßig begrenzt waren, trugen sie doch dazu bei, den Japanern den Respekt vor „chinesischen Dingen“ zu nehmen und größeres Interesse an „westlichen Dingen“ zu wecken. Japan kam weniger mit westlichem Wissen in Berührung als China, doch hinterließ dieses Wissen in Japan eine sehr viel tiefere Wirkung. Die alte Tradition konnte in Japan leichter abgeschüttelt werden, da sie fremden Ursprungs war. Kontakte mit Ausländern und ausländischen Ideen wurden von den Behörden jedoch oft mit Argwohn betrachtet. Von Siebold wurde 1829 aus Japan ausgewiesen, und ein japanischer Freund wurde hingerichtet, weil er ihm Kopien der großartigen topographischen Karten Ino Tadakatas von den Kurilen und Kamchatka gegeben hatte. Jedenfalls spielte das niederländische Fenster zur westlichen Welt eine wichtige Rolle und trug zur Vorbereitung des geistigen Bodens für die Meiji-Restauration im Jahr 1868 bei. Niederländisches (mühsam erworbenes) Wissen war das wichtigste Instrument der Aufklärung für den bekanntesten westlich orientierten Japaner, Yukichi Fukuzawa (1832-1901), dessen Bücher millionenfach verkauft wurden und der die KeioUniversität nach westlichem Vorbild gründete. Wenn sich die Tokugawa-Herrschaft auch positiv auf das japanische Wachstum ausgewirkt hat, war sie doch mit gewissen Nachteilen verbunden. 287 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Die Tokugawa unterhielten eine bedeutende Elite, deren effektives militärisches Potential gemessen an den Herausforderungen des 19. Jahrhunderts sehr schwach war und die durch einen äußerst kostspieligen Lebensstil gekennzeichnet war. Die Meiji-Herrscher konnten erhebliche Ressourcen für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und die Modernisierung der Armee gewinnen, indem sie diese unter dem Tokugawa-Regime bestehende Ordnung abschafften. Das System der erblichen Privilegien und der enormen Standesunterschiede, bei dem das Leistungsprinzip praktisch keine Rolle spielte, brachte eine erhebliche Vergeudung potentieller Talente mit sich. Wie frustrierend diese Situation war, geht klar aus Fukuzawas Autobiographie hervor. Das Tokugawa-System war insofern ineffizient, als es sich auf einen schwerfälligen Einzug von Naturalsteuern und eine minutiöse Überwachung der wirtschaftlichen Aktivität stützte. Es beschränkte auch die Technologieverbreitung. Zum Beispiel waren mit Rädern ausgestattete Fahrzeuge auf japanischen Straßen verboten, und es gab praktisch keine Brücken. Diese Restriktionen wurden aus Sicherheitsgründen auferlegt, sie machten Reisen jedoch zu einer sehr kostspieligen und zeitraubenden Angelegenheit. Auch hinsichtlich der Größe von Schiffen gab es restriktive Bestimmungen, die die Küstenschifffahrt, den Außenhandel und die Einsatzbereitschaft der Marine behinderten. Die Beschränkungen in Bezug auf Eigentumsrechte (Kauf und Verkauf von Land), die willkürlichen Steuererhebungen des Shogun, der Erlass der Daimyo-Schulden oder die zahlreichen Fälle von Zahlungsverzug seitens der Samurai stellten ein Hemmnis für private Unternehmertätigkeit dar. All diese Faktoren führten zusammen mit dem wachsenden Druck, den Russland, England und die Vereinigten Staaten auf Japan ausübten, schließlich zum Zusammenbruch des Tokugawa-Systems. Die globale Wirtschaftsleistung Japans Es liegen recht umfangreiche Forschungsarbeiten über die Wirtschaftsgeschichte der TokugawaZeit vor, doch wurde bisher – außer auf regionaler Ebene – keine globale Quantifizierung vorgenommen. Die meisten revisionistischen Nachkriegshistoriker (Akira Hayami, Yasuba, Nishikawa, Hall, Smith, Hanley und Yamamura) stimmen (im Gegensatz zu den früheren Marxisten) darin überein, dass diese Periode durch erhebliche wirtschaftliche Fortschritte gekennzeichnet war. Im Jahr 1500 war das Einkommensniveau infolge des Bürgerkriegs wahrscheinlich niedrig, im 16. Jahrhundert könnte das japanische Pro-Kopf-Einkommen jedoch leicht gestiegen sein. Für den Zeitraum 1600-1820 gibt es Indikatoren, die auf eine erhebliche Steigerung der Wirtschaftsleistung in mehreren Sektoren hindeuten. In der Landwirtschaft insgesamt (unter Einbeziehung neuer Kulturen – Baumwolle, Zucker, Tabak, Ölsaaten, Seidenraupen und Kartoffeln) erhöhte sich die Bruttoproduktion pro Kopf der Bevölkerung um rund ein Viertel (vgl. Tabelle B.17 und den dazugehörigen Text), die Wertschöpfung etwas weniger. Zu Beginn der Tokugawa-Zeit stellte die Landwirtschaft wahrscheinlich weit über die Hälfte des BIP. Es gibt zahlreiche Belege dafür, dass die Aktivität der ländlichen Haushalte an Bedeutung gewann, und der starke Anstieg der städtischen Bevölkerung dürfte zu vermehrten Handelsaktivitäten sowie einer Zunahme der städtischen Dienste geführt haben. Es kam zu beträchtlichen Verbesserungen im Bildungsbereich und einer ganz erheblichen Steigerung der Buchproduktion. All diese Aktivitäten sind wahrscheinlich rascher gewachsen als die Landwirtschaft. Diese dynamischen Elemente wurden z.T. durch die mit dem Regierungssystem der Tokugawa verbundenen hohen Kosten neutralisiert. Die Elite der Samurai, die Daimyo und das Shogunat absorbierten nahezu ein Viertel des BIP. Ihre offizielle Funktion bestand darin, administrative und militärische Dienste zu leisten. Aber die Art und Weise, in der diese starre Elite funktionierte, ging mit einer sehr erheblichen Ressourcenvergeudung einher und belastete die Wirtschaft zunehmend. Der Staats288 Anhang B apparat beruhte auf einem System von Kontrolle und Gegenkontrolle – einem bewaffneten Frieden, der zu Anfang aus dem Bestreben entstanden war, die Bürgerkriege zu beenden, die sich von der Mitte des 15. bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts hingezogen hatten. Nach meinen Schätzungen (vgl. Tabelle B.21) ist das Pro-Kopf-BIP Japans zwischen 1500 und 1820 um ein Drittel gestiegen. Dies reichte aus, um das BIP-Niveau Chinas und das der meisten anderen asiatischen Länder zu übertreffen. Sonstige asiatische Länder Der Rest Asiens besteht aus einer heterogenen Gruppe von Ländern, die 1820 rd. 12,5% der Bevölkerung Asiens und etwa 12% des BIP auf sich vereinigten. Für die meisten dieser Länder liegen wenig verlässliche Daten zur Evaluierung ihrer BIP-Entwicklung im Zeitraum 1500-1820 vor. Indonesien ist das größte dieser Länder. Die Schätzungen in den Tabellen 2.21c und 2.22 zeigen, dass der bescheidene Anstieg des Pro-Kopf-Einkommens im Zeitraum 1700-1820 zum größten Teil den europäischen und chinesischen Handelsinteressen zugute kam. Boomgard (1993, S. 208-210) gelangte für den Zeitraum 1500-1835 zu einer ähnlichen Schlussfolgerung. Er stellte fest, dass „die Niederländer und die Chinesen neue Technologien, Organisationstalent und Kapital mitbrachten, die die nicht landwirtschaftlichen Sektoren stärkten und zur Einführung einiger neuer Marktfrüchte (Kaffee und Zucker) führten. Sie verdrängten die Javaner aber auch aus den lukrativeren Wirtschaftsaktivitäten und erhöhten die Steuerlast sowie die zu leistende Fronarbeit“. Korea war das zweitgrößte Land in dieser Gruppe. Bis in die siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts war es ein in großer Isolierung lebendes Königreich, das, außer mit China, nur sehr beschränkte Kontakte mit der Außenwelt pflegte. Seine Gesellschaftsordnung und seine Technologie waren dem chinesischen Modell sehr nahe, und es gibt Grund zu der Annahme, dass seine Wirtschaftsleistung Parallelen zu der Chinas aufwies, d.h. sein Pro-Kopf-Einkommen auf einem über der asiatischen Norm liegenden Niveau stabil war. Die wichtigsten Störeinflüsse, die die Entwicklung Koreas hemmten, waren die mongolische und die japanische Invasion, die in die Zeit vor 1500 zurückgehen. Die indochinesischen Staaten mussten China ebenfalls Tribut leisten. Sie waren offener für den Handel mit dem Ausland als Korea, es gibt aber keinen Grund anzunehmen, dass sich das Pro-KopfEinkommen in dem untersuchten Zeitraum nennenswert verändert hätte. Im Jahr 1500 beherrschte das Osmanische Reich einen Großteil Westasiens und des Balkans. 1517 brachte es Syrien und Ägypten in seinen Besitz und erlangte die Oberhoheit über Arabien. Das Osmanische Reich hatte weit ausgedehnte Handelsinteressen in Asien. Im 18. Jahrhundert befand es sich bereits in einer langen Periode des Niedergangs, und die Europäer hatten sich seiner Handelsinteressen in Asien bemächtigt. Wenngleich keine Schätzungen des Pro-Kopf-Einkommens vorliegen, lassen gewisse Belege (vgl. Inalcik, 1994, und Faroqui et al., 1994) doch darauf schließen, dass es 1820 niedriger war als im Jahr 1500. Auch im Iran, dem zweitgrößten Land Westasiens, scheint es höchst unwahrscheinlich, dass das Pro-Kopf-Einkommen 1820 so hoch war wie in der Blütezeit der Safawiden-Dynastie im 16. und 17. Jahrhundert. Afrika Ich bin davon ausgegangen, dass sich das afrikanische Pro-Kopf-Einkommen zwischen 1500 und 1700 nicht verändert hat. 289 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive BIP und Pro-Kopf-BIP vom 1. Jahrhundert bis zum Jahr 1000 Die Schätzungen für die Zeit vor 1500 beruhen in der Tat zu einem sehr großen Teil auf Mutmaßungen. Die Methode für die Berechnung der Werte für das Pro-Kopf-BIP Chinas und Europas wird in Maddison (1998a) erläutert, und die Annahmen über andere Regionen werden nachstehend erklärt. In allen Fällen wurde das BIP durch Multiplizierung des Pro-Kopf-Niveaus mit den getrennt durchgeführten Bevölkerungsschätzungen ermittelt. Maddison (1998a) enthielt Schätzungen der Wirtschaftsleistung Chinas ab dem 1. Jahrhundert unserer Zeitrechnung. Das vorhandene Datenmaterial ließ vermuten, dass das Pro-Kopf-BIP im 1. Jahrhundert (unter der Han-Dynastie) über dem Existenzminimum lag – etwa 450 $ in unserer Rechnungseinheit (internationale Dollar von 1990), sich bis zum Ende des 10. Jahrhunderts aber nicht nennenswert veränderte. Während der Song-Dynastie (960-1280) stieg das chinesische Pro-Kopf-Einkommen beträchtlich, d.h. um rd. ein Drittel, und das Bevölkerungswachstum beschleunigte sich. Dieser Fortschritt erklärte sich hauptsächlich aus einer grundlegenden Transformation in der Landwirtschaft. Bis zur Song-Dynastie waren große Teile Südchinas relativ unterentwickelt geblieben. Es wurde eine primitive Landwirtschaft (Brandrodungs- und Wanderfeldbau) betrieben, von den klimatischen Bedingungen und den Wasservorräten her war jedoch ein enormes Potential für intensiven Reisanbau gegeben. Die Song-Herrscher entwickelten dieses Potential, indem sie schnell reifende Reissorten aus Indochina einführten. Sie nutzten neue Möglichkeiten der Verbreitung von Wissen über landwirtschaftliche Technologien, indem sie Handbücher über die besten landwirtschaftlichen Praktiken druckten. So kam es zu einer bedeutenden Schwerpunktverlagerung mit einer erheblichen Zunahme des Bevölkerungsanteils im Reisanbaugebiet südlich des Jangtse und einem drastischen Rückgang der relativen Bedeutung der Trockenkulturgebiete (Hirse und Weizen) in Nordchina. Die höhere Siedlungsdichte im Süden gab dem Binnenhandel Auftrieb, führte zu einem höheren Anteil marktfähiger Produkte an der landwirtschaftlichen Erzeugung und hatte auf Grund der mit dem steigenden Lebensstandard einhergehenden stärkeren Spezialisierung der Agrarproduktion Produktivitätsverbesserungen zur Folge. Die Einführung von Papiergeld förderte die Expansion des Handels und erhöhte den Anteil der Staatseinnahmen in Geldform, der von einem anfänglich unbedeutenden Niveau auf über die Hälfte der Gesamteinnahmen anstieg. Für die meisten anderen asiatischen Länder schien die Annahme gerechtfertigt, dass das ProKopf-Einkommensniveau dem Chinas vergleichbar war und zwischen dem 1. Jahrhundert und dem Jahr 1000 keine großen Veränderungen zeigte. Das hier unterstellte Pro-Kopf-Einkommen von 450 $ lag weit genug über dem Existenzminimum, um der führenden Elite ein gewisses Maß an Luxus zu sichern und ein relativ komplexes Regierungssystem zu unterhalten. Japan stellte einen Sonderfall dar. Im 1. Jahrhundert war es eine Bedarfsdeckungswirtschaft, die vom Jäger- und Sammlerstadium zur Landwirtschaft und von Holz- zu Metallwerkzeugen überging. Im Jahr 1000 hatte Japan bereits gewisse Fortschritte erzielt, blieb aber weit hinter China zurück. In Maddison (1998a, S. 25, 37-38) war davon ausgegangen, dass das Pro-Kopf-Einkommensniveau in Europa im 1. Jahrhundert mit dem Chinas vergleichbar war. Goldsmith (1984) lieferte eine umfassende Evaluierung der Wirtschaftsleistung des Römischen Reichs insgesamt und führte auch eine temporale Verknüpfung durch, wonach das im Römischen Reich erzielte Niveau etwa zwei Fünftel des Einkommens erreicht haben könnte, das von Gregory King für England im Jahr 1688 geschätzt wurde. Die zum Römischen Reich gehörenden Teile Westasiens und Nordafrikas waren zumindest ebenso prosperierend und in gleichem Maße urbanisiert wie der europäische Teil des Römischen Reichs, was die Annahme ähnlicher Einkommensniveaus rechtfertigt. 290 Anhang B Zwischen dem 1. Jahrhundert und dem Jahr 1000 ging der Lebensstandard in Westeuropa drastisch zurück. Die Urbanisationsraten sind der deutlichste Beweis dafür, dass das Jahr 1000 einen Tiefpunkt darstellte. Die Urbanisationsrate des Römischen Reichs betrug im 1. Jahrhundert rd. 5%. Dem steht eine Rate von Null für das Jahr 1000 gegenüber, als es nur vier Städte mit über 10 000 Einwohnern gab (vgl. Maddison, 1998a, S. 35). Der Zerfall städtischer Strukturen und andere Zeichen des Niedergangs rechtfertigen die Annahme eines Rückfalls auf ein mehr oder weniger am Existenzminimum liegendes Niveau (400 $ pro Kopf) im Jahr 1000. Für den amerikanischen Kontinent, Australasien, Subsahara-Afrika, Osteuropa und das Gebiet der ehemaligen UdSSR habe ich unterstellt, dass sich das Einkommensniveau zwischen dem 1. Jahrhundert und dem Ende des 1. Jahrtausends um das Existenzminimum (400 $ pro Kopf) bewegte. 291 292 Welt Afrika 102 536 7 013 26 820 33 750 16 470 77 040 1 200 Japan China Indien Sonstiges Asien Asien insgesamt (ohne Japan) 2 240 Mexiko Sonstiges Lateinamerika Lateinamerika insgesamt 468 1 560 Ex-UdSSR Vereinigte Staaten Sonstige große Einwanderungsländer Große Einw.anderungsländer insgesamt 1 900 11 115 0 Osteuropa Österreich Belgien Dänemark Finnland Frankreich Deutschland Italien Niederlande Norwegen Schweden Schweiz Vereinigtes Königreich 12 Länder insgesamt Portugal Spanien Sonstige Westeuropa insgesamt Jahr 116 790 13 723 26 550 33 750 18 630 78 930 3 188 4 560 784 2 840 2 600 10 165 1000 247 116 18 400 61 800 60 500 31 301 153 601 7 700 3 188 4 100 7 288 800 320 1 120 8 475 6 237 1 414 1 225 443 136 10 912 8 112 11 550 716 192 382 482 2 815 38 379 632 4 744 590 44 345 1500 329 417 22 000 96 000 74 250 36 725 206 975 9 620 1 134 2 623 3 757 600 320 920 11 447 8 743 2 093 1 561 569 215 15 559 12 432 14 410 2 052 304 626 880 6 007 56 708 850 7 416 981 65 955 1600 371 369 24 400 82 800 90 750 40 567 214 117 15 390 2 558 3 813 6 371 527 300 827 16 222 10 647 2 483 2 288 727 255 21 180 13 410 14 630 4 009 450 1 231 1 253 10 709 72 625 1 708 7 893 1 169 83 395 1700 694 442 31 010 228 600 111 417 50 486 390 503 20 739 5 000 9 120 14 120 12 548 941 13 489 37 710 23 149 4 104 4 529 1 471 913 38 434 26 349 22 535 4 288 1 071 3 098 2 342 36 232 145 366 3 175 12 975 2 206 163 722 1820 1 101 369 40 172 189 740 134 882 72 173 396 795 25 393 6 214 21 683 27 897 98 374 13 781 112 155 83 646 45 448 8 419 13 746 3 782 1 999 72 100 71 429 41 814 9 952 2 485 6 927 5 867 100 179 338 699 4 338 22 295 4 891 370 223 1870 2 704 782 72 948 241 344 204 241 146 999 592 584 71 653 25 921 95 760 121 681 517 383 68 249 585 632 232 351 121 559 23 451 32 347 11 670 6 389 144 489 237 332 95 487 24 955 6 119 17 403 16 483 224 618 840 743 7 467 45 686 12 478 906 374 1913 Tabelle B.18 Weltweites BIP, 20 Länder und regionale Gesamtwerte, 0-1998 (in Mio. internationalen Dollar von 1990) 529 185 740 048 494 832 1 398 587 2 633 467 1 242 932 279 302 1 118 398 1 397 700 3 536 622 521 667 4 058 289 1 513 070 550 757 85 227 118 516 70 032 51 724 683 965 944 755 582 713 175 791 44 544 109 794 117 251 675 941 3 660 253 63 397 304 220 105 910 4 133 780 1973 1 039 408 3 873 352 1 702 712 4 376 931 9 952 995 2 581 576 655 910 2 285 700 2 941 610 7 394 598 1 061 537 8 456 135 1 132 434 660 861 152 712 198 249 117 319 94 421 1 150 080 1 460 069 1 022 776 317 517 104 860 165 385 152 345 1 108 568 6 044 301 128 877 560 138 227 300 6 960 616 1998 5 336 101 16 059 180 33 725 635 194 569 239 903 222 222 362 578 824 703 160 966 67 368 356 188 423 556 1 455 916 179 574 1 635 490 510 243 185 023 25 702 47 190 29 654 17 051 220 492 265 354 164 957 60 642 17 838 47 269 42 545 347 850 1 286 544 17 615 66 792 30 600 1 401 551 1950 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Anhang B Tabelle B.19 Weltweites BIP-Wachstum, 20 Länder und regionale Gesamtwerte, 0-1998 (kumulierte jahresdurchschnittliche Zuwachsrate) Jahr Österreich Belgien Dänemark Finnland Frankreich Deutschland Italien Niederlande Norwegen Schweden Schweiz Vereinigtes Königreich 12 Länder insgesamt Portugal Spanien Sonstige Westeuropa insgesamt 0–1000 1000–1500 1500–1820 1820–1870 1870–1913 1913–1950 1950–1973 1973–1998 –0,01 0,30 0,33 0,41 0,38 0,60 0,39 0,37 0,21 0,56 0,54 0,66 0,50 0,80 0,42 0,51 0,31 0,41 0,41 Osteuropa 0,03 0,18 0,41 1,36 2,31 1,14 4,86 0,73 Ex-UdSSR 0,06 0,22 0,47 1,61 2,40 2,15 4,84 –1,15 0,86 0,34 4,20 5,51 3,94 3,79 2,84 2,65 3,93 4,75 2,99 2,88 0,07 0,78 4,33 3,92 2,81 4,03 2,98 0,44 1,75 1,37 3,38 3,51 3,48 2,62 3,61 3,43 6,38 5,10 5,33 3,47 2,90 3,02 Vereinigte Staaten Sonstige große Einw.Länder Große Einw.-Länder insg. 0,05 1,45 2,25 1,91 1,58 1,27 2,01 1,24 1,70 1,70 1,62 1,85 2,05 1,71 0,63 1,09 1,61 1,65 2,41 2,01 2,66 2,74 1,63 2,83 1,94 2,16 2,12 2,17 2,43 1,90 2,14 1,27 1,68 2,20 2,10 0,25 1,03 2,55 2,69 1,15 0,30 1,49 2,43 2,93 2,74 2,60 1,19 1,16 2,35 1,03 2,45 1,19 5,35 4,08 3,81 4,94 5,05 5,68 5,64 4,74 4,06 3,73 4,51 2,93 4,65 5,73 6,81 5,55 4,81 2,36 2,08 2,09 2,44 2,10 1,76 2,28 2,39 3,48 1,65 1,05 2,00 2,03 2,88 2,47 3,10 2,11 Mexiko Sonstiges Lateinamerika Lateinamerika insgesamt 0,07 0,09 0,14 0,25 0,21 Japan 0,10 0,18 0,31 0,41 2,44 2,21 9,29 2,97 China Indien Sonstiges Asien Asien insg. (ohne Japan) 0,00 0,00 0,01 0,00 0,17 0,12 0,10 0,13 0,41 0,19 0,15 0,29 –0,37 0,38 0,72 0,03 0,56 0,97 1,67 0,94 –0,02 0,23 2,47 0,90 5,02 3,54 6,05 5,18 6,84 5,07 4,67 5,46 Afrika 0,07 0,06 0,16 0,52 1,40 2,69 4,45 2,74 Welt 0,01 0,15 0,32 0,93 2,11 1,85 4,91 3,01 293 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle B.20 Aufteilung des weltweiten BIP, 20 Länder und regionale Gesamtwerte, 0-1998 (in Prozent des weltweiten BIP) Jahr 1000 1500 1600 1700 1820 1870 1913 1950 1973 1998 10,8 8,7 0,6 0,5 0,2 0,1 4,4 3,3 4,7 0,3 0,1 0,2 0,2 1,1 15,5 0,3 1,9 0,2 17,9 0,6 0,5 0,2 0,1 4,7 3,8 4,4 0,6 0,1 0,2 0,3 1,8 17,2 0,3 2,1 0,3 19,9 0,7 0,6 0,2 0,1 5,7 3,6 3,9 1,1 0,1 0,3 0,3 2,9 19,5 0,5 2,2 0,3 22,5 0,6 0,7 0,2 0,1 5,5 3,8 3,2 0,6 0,2 0,4 0,3 5,2 20,9 0,5 1,9 0,3 23,6 0,8 1,2 0,3 0,2 6,5 6,5 3,8 0,9 0,2 0,6 0,5 9,1 30,7 0,4 2,0 0,4 33,6 0,9 1,2 0,4 0,2 5,3 8,8 3,5 0,9 0,2 0,6 0,6 8,3 31,1 0,3 1,7 0,5 33,5 0,5 0,9 0,6 0,3 4,1 5,0 3,1 1,1 0,3 0,9 0,8 6,5 24,1 0,3 1,3 0,6 26,3 0,5 0,7 0,4 0,3 4,3 5,9 3,6 1,1 0,3 0,7 0,7 4,2 22,8 0,4 1,9 0,7 25,7 0,5 0,6 0,3 0,3 3,4 4,3 3,0 0,9 0,3 0,5 0,5 3,3 17,9 0,4 1,7 0,7 20,6 Osteuropa 1,9 2,2 2,5 2,7 2,9 3,3 4,1 4,5 3,5 3,4 2,0 Ex-UdSSR 1,5 2,4 3,4 3,5 4,4 5,4 7,6 8,6 9,6 9,4 3,4 0,7 0,3 0,1 0,5 0,2 0,1 0,3 0,1 0,1 0,2 1,8 0,1 1,9 8,9 1,3 10,2 19,1 2,5 21,7 27,3 3,4 30,6 22,0 3,2 25,3 21,9 3,1 25,1 0,3 0,8 1,1 0,7 1,0 1,7 0,7 1,3 2,0 0,6 2,0 2,5 1,0 3,5 4,5 1,3 6,7 7,9 1,7 7,0 8,7 1,9 6,8 8,7 Österreich Belgien Dänemark Finnland Frankreich Deutschland Italien Niederlande Norwegen Schweden Schweiz Vereinigtes Königreich 12 Länder insgesamt Portugal Spanien Sonstige Westeuropa insgesamt Vereinigte Staaten Sonstige große Einw.-Länder Große Einw.-Länder insg. 0 0,5 Mexiko Sonstiges Lateinamerika Lateinamerika insgesamt 2,2 3,9 1,3 1,7 2,9 Japan 1,2 2,7 3,1 2,9 4,1 3,0 2,3 2,6 3,0 7,7 7,7 26,2 32,9 16,1 75,1 22,7 28,9 16,0 67,6 25,0 24,5 12,7 62,1 29,2 22,6 11,2 62,9 22,3 24,4 10,9 57,6 32,9 16,0 7,3 56,2 17,2 12,2 6,6 36,0 8,9 7,6 5,4 21,9 4,5 4,2 6,8 15,5 4,6 3,1 8,7 16,4 11,5 5,0 13,0 29,5 6,8 11,8 7,4 6,7 6,6 4,5 3,6 2,7 3,6 3,3 3,1 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 China Indien Sonstiges Asien Asien insgesamt (ohne Japan) Afrika Welt 294 295 416 435 400 400 400 400 450 450 450 450 425 444 Ex-UdSSR Vereinigte Staaten Sonstige große Einw.-Länder Große Einwanderungsländer insgesamt Mexiko Sonstiges Lateinamerika Lateinamerika insgesamt Japan China Indien Sonstiges Asien Asien (ohne Japan) Afrika Welt 450 450 450 450 425 400 400 400 400 400 Osteuropa 400 1000 450 0 Österreich Belgien Dänemark Finnland Frankreich Deutschland Italien Niederlande Norwegen Schweden Schweiz Vereinigtes Königreich 12 Länder insgesamt Portugal Spanien Sonstige Westeuropa insgesamt Jahr 565 400 600 550 565 572 500 425 410 416 400 400 400 500 462 707 875 738 453 727 676 1 100 754 640 695 742 714 796 632 698 462 774 1500 593 400 600 550 565 575 520 454 430 437 400 400 400 553 516 837 976 875 538 841 777 1 100 1 368 760 824 880 974 906 773 900 528 894 1600 615 400 600 550 565 571 570 568 505 529 527 400 473 611 566 993 1 144 1 039 638 986 894 1 100 2 110 900 977 1 044 1 250 1 056 854 900 617 1 024 1700 667 418 600 533 565 575 669 759 623 665 1 257 753 1 201 689 636 1 218 1 319 1 274 781 1 230 1 058 1 117 1 821 1 104 1 198 1 280 1 707 1 270 963 1 063 743 1 232 1820 867 444 530 533 603 543 737 674 705 698 2 445 2 339 2 431 943 871 1 863 2 697 2 003 1 140 1 876 1 821 1 499 2 753 1 432 1 664 2 202 3 191 2 086 997 1 376 1 066 1 974 1870 1 510 585 552 673 794 640 1 387 1 732 1 461 1 511 5 301 4 947 5 257 1 488 1 527 3 465 4 220 3 912 2 111 3 485 3 648 2 564 4 049 2 501 3 096 4 266 4 921 3 688 1 244 2 255 1 840 3 473 1913 2 114 852 439 619 924 635 1 926 2 365 2 593 2 554 9 561 7 538 9 288 2 834 2 120 3 706 5 462 6 946 4 253 5 270 3 881 3 502 5 996 5 463 6 738 9 064 6 907 5 013 2 069 2 397 2 536 4 594 1950 Tabelle B.21 Weltweites Pro-Kopf-BIP, 20 Länder und regionale Durchschnittswerte, 0-1998 (in internationalen Dollar von 1990) 4 104 1 365 839 853 2 065 1 231 11 439 4 845 4 459 4 531 16 689 13 364 16 172 6 058 4 985 11 235 12 170 13 945 11 085 13 123 11 966 10 643 13 082 11 246 13 493 18 204 12 022 12 159 7 343 8 739 7 614 11 534 1973 5 709 1 368 3 117 1 746 3 734 2 936 20 413 6 655 5 588 5 795 27 331 20 082 26 146 3 893 5 461 18 905 19 442 22 123 18 324 19 558 17 799 17 759 20 224 23 660 18 685 21 367 18 714 18 742 12 929 14 227 13 732 17 921 1998 Anhang B Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle B.22 Weltweites BIP-Pro-Kopf-Wachstum, 20 Länder und regionale Gesamtwerte, 0-1998 (kumulierte jahresdurchschnittliche Zuwachsrate) Jahr Österreich Belgien Dänemark Finnland Frankreich Deutschland Italien Niederlande Norwegen Schweden Schweiz Vereinigtes Königreich 12 Länder insgesamt Portugal Spanien Sonstige Westeuropa insgesamt 0–1000 1000–1500 1500–1820 1820–1870 1870–1913 1913–1950 1950–1973 1973–1998 –0,01 0,13 0,17 0,13 0,17 0,17 0,16 0,14 0,00 0,28 0,17 0,17 0,17 0,27 0,15 0,13 0,13 0,15 0,15 Osteuropa 0,00 0,03 0,10 0,63 1,31 0,89 3,79 0,37 Ex-UdSSR 0,00 0,04 0,10 0,63 1,06 1,76 3,36 –1,75 Vereinigte Staaten 0,36 1,34 1,82 1,61 2,45 1,99 Sonstige große Einw.Länder Große Einw.-Länder insg. 0,20 2,29 1,76 1,14 2,52 1,64 0,00 0,34 1,42 1,81 1,55 2,44 1,94 –0,24 0,25 0,10 2,22 1,71 1,81 0,85 1,56 1,43 3,17 2,38 2,52 1,28 0,91 0,99 0,00 0,85 1,44 0,91 0,76 0,85 1,09 0,59 0,83 0,52 0,66 1,09 1,26 1,00 0,07 0,52 0,72 0,95 1,45 1,05 1,57 1,44 1,45 1,63 1,26 0,90 1,30 1,46 1,55 1,01 1,33 0,52 1,15 1,28 1,32 0,18 0,70 1,56 1,91 1,12 0,17 0,85 1,07 2,13 2,12 2,06 0,92 0,83 1,39 0,17 0,87 0,76 4,94 3,55 3,08 4,25 4,05 5,02 4,95 3,45 3,19 3,07 3,08 2,44 3,93 5,66 5,79 4,90 4,08 2,10 1,89 1,86 2,03 1,61 1,60 2,07 1,76 3,02 1,31 0,64 1,79 1,75 2,29 1,97 2,39 1,78 Mexiko Sonstiges Lateinamerika Lateinamerika insgesamt 0,00 0,01 0,18 0,13 0,15 Japan 0,01 0,03 0,09 0,19 1,48 0,89 8,05 2,34 China Indien Sonstiges Asien Asien insg. (ohne Japan) 0,00 0,06 0,04 0,05 0,05 0,00 –0,01 0,00 0,00 –0,25 0,00 0,13 –0,11 0,10 0,54 0,64 0,38 –0,62 –0,22 0,41 –0,02 2,86 1,40 3,56 2,92 5,39 2,91 2,40 3,54 Afrika 0,00 –0,01 0,01 0,12 0,64 1,02 2,07 0,01 Welt 0,00 0,05 0,05 0,53 1,30 0,91 2,93 1,33 296 Anhang C Anhang C Jährliche Schätzungen der Bevölkerung, des BIP und des Pro-Kopf-BIP für 124 Länder, 7 Regionen und die Welt insgesamt, 1950-1998 Dieser Anhang enthält jährliche Schätzungen der Bevölkerung sowie des BIP und des Pro-KopfBIP für die Jahre 1950-1998, ausgedrückt in internationalen Dollar von 1990. Angegeben sind die jährlichen Schätzungen für 124 einzelne Länder sowie die Gesamtzahlen für Regionen, Teilregionen und die Welt insgesamt. Die Quellen werden in Anhang A angeführt. Jährliche Schätzungen für die Entwicklung von Bevölkerung und BIP in früheren Jahren für 46 Länder sind in Maddison (1995a) enthalten. Sie wurden aus Platzgründen hier nicht einbezogen. Vgl. Maddison (1995a, Anhang A) S. 104-107 bezüglich der jährlichen Schätzungen der Bevölkerungszahlen für 12 westeuropäische Länder, die großen Einwanderungsländer und Japan für die Jahre 18701949; S. 108-109 für fünf südeuropäische Länder, 1900-1989; S. 110-111 für sieben osteuropäische Länder, 1920-1989; S. 112-113 für sieben lateinamerikanische Länder, 1900-1949; S. 114-115 für zehn asiatische Länder, 1900-1949. Die jährlichen Indizes des realen BIP für die gleichen Länder und Jahre werden (soweit verfügbar) auf den Seiten 148-159 in Anhang B dargestellt. Diese BIP-Indizes stehen im Allgemeinen mit den gegenwärtigen Schätzungen für die Jahre ab 1950 in Einklang und können zur Rückrechnung der hier in Tabellen C1.b, C2.b und C3.b für 1950 angeführten Werte verwendet werden. Revidierte jährliche Schätzungen für die Jahre 1900-1950 für Indien werden in Tabelle A.h, für Japan 1870-1950 in Tabelle A.j der vorliegenden Arbeit angeführt. Verwendete Abkürzungen WEL: westeuropäische Länder OEL: osteuropäische Länder 297 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle C1.a Bevölkerung der europäischen Länder, jährliche Schätzungen, 1950-1998 (in Tausend zur Jahresmitte) Jahr Österreich 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 6 935 6 936 6 928 6 933 6 940 6 947 6 952 6 966 6 987 7 014 7 048 7 087 7 130 7 175 7 224 7 271 7 322 7 377 7 415 7 441 7 467 7 501 7 544 7 586 7 599 7 579 7 566 7 568 7 562 7 549 7 549 7 569 7 576 7 567 7 571 7 578 7 588 7 598 7 615 7 659 7 729 7 813 7 914 7 991 8 030 8 047 8 059 8 072 8 078 Belgien 8 640 8 679 8 731 8 778 8 820 8 869 8 924 8 989 9 053 9 104 9 118 9 166 9 218 9 283 9 367 9 488 9 508 9 557 9 590 9 613 9 638 9 673 9 709 9 738 9 768 9 795 9 811 9 822 9 830 9 837 9 847 9 854 9 862 9 867 9 871 9 879 9 888 9 901 9 908 9 941 9 971 10 008 10 051 10 088 10 119 10 137 10 157 10 182 10 197 Dänemark Finnland 4 269 4 304 4 334 4 369 4 406 4 439 4 466 4 488 4 515 4 587 4 581 4 612 4 647 4 684 4 720 4 757 4 797 4 839 4 867 4 893 4 929 4 963 4 992 5 022 5 045 5 060 5 073 5 088 5 104 5 117 5 123 5 122 5 118 5 114 5 112 5 114 5 121 5 127 5 130 5 131 5 138 5 150 5 166 5 185 5 201 5 222 5 256 5 280 5 303 4 009 4 047 4 091 4 139 4 187 4 235 4 282 4 324 4 360 4 395 4 430 4 461 4 491 4 523 4 549 4 564 4 581 4 606 4 626 4 624 4 606 4 612 4 640 4 666 4 691 4 712 4 726 4 739 4 753 4 765 4 780 4 800 4 827 4 856 4 882 4 902 4 918 4 932 4 946 4 964 4 986 5 014 5 042 5 066 5 089 5 108 5 125 5 140 5 153 298 Frankreich Deutschland 41 836 42 156 42 460 42 752 43 057 43 428 43 843 44 311 44 789 45 240 45 684 46 163 46 998 47 816 48 310 48 758 49 164 49 548 49 915 50 315 50 772 51 251 51 701 52 118 52 460 52 699 52 909 53 145 53 376 53 606 53 880 54 182 54 492 54 772 55 026 55 284 55 547 55 824 56 118 56 423 56 735 57 055 57 374 57 654 57 900 58 138 58 372 58 604 58 805 68 371 68 863 69 193 69 621 69 937 70 310 70 743 71 134 71 554 72 024 72 674 73 310 73 939 74 544 74 963 75 647 76 214 76 368 76 584 77 143 77 709 78 345 78 715 78 956 78 979 78 679 78 317 78 165 78 082 78 104 78 303 78 418 78 335 78 122 77 846 77 668 77 690 77 718 78 115 78 677 79 364 79 984 80 595 81 180 81 422 81 661 81 896 82 053 82 029 Italien Niederlande 47 105 47 418 47 666 47 957 48 299 48 633 48 921 49 182 49 476 49 832 50 200 50 536 50 879 51 252 51 675 52 112 52 519 52 901 53 236 53 538 53 822 54 073 54 381 54 751 55 111 55 441 55 718 55 955 56 155 56 318 56 434 56 510 56 579 56 626 56 652 56 674 56 675 56 674 56 629 56 672 56 719 56 751 56 859 57 049 57 204 57 301 57 397 57 512 57 592 10 114 10 264 10 382 10 494 10 616 10 751 10 888 11 026 11 187 11 348 11 483 11 637 11 801 11 964 12 125 12 293 12 455 12 597 12 726 12 873 13 032 13 194 13 330 13 438 13 543 13 660 13 773 13 856 13 939 14 034 14 148 14 247 14 312 14 368 14 423 14 488 14 567 14 664 14 760 14 846 14 947 15 068 15 182 15 290 15 381 15 460 15 523 15 605 15 700 Anhang C Tabelle C1.a Bevölkerung der europäischen Länder, jährliche Schätzungen, 1950-1998 (in Tausend zur Jahresmitte) Jahr Norwegen Schweden Schweiz Vereinigtes Königreich 12 WEL insgesamt Irland Griechenland 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 3 265 3 296 3 328 3 362 3 395 3 429 3 462 3 494 3 525 3 556 3 585 3 615 3 639 3 667 3 694 3 723 3 753 3 785 3 819 3 851 3 879 3 903 3 933 3 961 3 985 4 007 4 026 4 043 4 060 4 073 4 086 4 100 4 115 4 128 4 140 4 153 4 167 4 187 4 209 4 227 4 241 4 262 4 286 4 312 4 337 4 358 4 381 4 405 4 432 7 015 7 071 7 125 7 171 7 213 7 262 7 315 7 367 7 415 7 454 7 480 7 520 7 562 7 604 7 662 7 734 7 807 7 869 7 912 7 968 8 043 8 098 8 122 8 137 8 160 8 192 8 222 8 251 8 275 8 294 8 311 8 320 8 325 8 329 8 337 8 350 8 370 8 398 8 436 8 493 8 566 8 617 8 668 8 719 8 781 8 827 8 841 8 846 8 851 4 694 4 749 4 815 4 877 4 929 4 980 5 045 5 126 5 199 5 259 5 362 5 512 5 666 5 789 5 887 5 943 5 996 6 063 6 132 6 212 6 267 6 343 6 401 6 441 6 460 6 404 6 333 6 316 6 333 6 351 6 385 6 429 6 467 6 482 6 505 6 534 6 573 6 619 6 671 6 723 6 796 6 873 6 943 6 989 7 037 7 081 7 105 7 113 7 130 50 363 50 574 50 737 50 880 51 066 51 221 51 430 51 657 51 870 52 157 52 373 52 807 53 292 53 625 53 991 54 350 54 643 54 959 55 214 55 461 55 632 55 928 56 097 56 223 56 236 56 226 56 216 56 190 56 178 56 240 56 330 56 352 56 318 56 377 56 506 56 685 56 852 57 009 57 158 57 358 57 561 57 808 58 006 58 191 58 395 58 606 58 801 59 009 59 237 256 616 258 357 259 790 261 333 262 865 264 504 266 271 268 064 269 930 271 970 274 018 276 426 279 262 281 926 284 167 286 640 288 759 290 469 292 036 293 932 295 796 297 884 299 565 301 037 302 037 302 454 302 690 303 138 303 647 304 288 305 176 305 903 306 326 306 608 306 871 307 309 307 956 308 651 309 695 311 114 312 753 314 403 316 086 317 714 318 896 319 946 320 913 321 821 322 507 2 969 2 961 2 953 2 949 2 941 2 921 2 898 2 885 2 853 2 846 2 834 2 819 2 830 2 850 2 864 2 876 2 884 2 900 2 913 2 926 2 950 2 978 3 024 3 073 3 124 3 177 3 228 3 272 3 314 3 368 3 401 3 443 3 480 3 505 3 529 3 541 3 542 3 543 3 531 3 510 3 506 3 526 3 549 3 563 3 583 3 601 3 626 3 661 3 705 7 566 7 659 7 733 7 817 7 893 7 966 8 031 8 096 8 173 8 258 8 327 8 398 8 448 8 480 8 510 8 551 8 614 8 716 8 741 8 773 8 793 8 831 8 889 8 929 8 962 9 046 9 167 9 309 9 430 9 548 9 643 9 729 9 790 9 847 9 896 9 934 9 967 10 001 10 037 10 090 10 161 10 247 10 322 10 379 10 426 10 454 10 476 10 499 10 511 299 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle C1.a Bevölkerung der europäischen Länder, jährliche Schätzungen, 1950-1998 (in Tausend zur Jahresmitte) Jahr 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 Portugal 8 512 8 547 8 563 8 587 8 607 8 657 8 698 8 737 8 789 8 837 8 891 8 944 9 002 9 040 9 053 8 996 8 871 8 798 8 743 8 696 8 663 8 644 8 631 8 634 8 755 9 094 9 356 9 456 9 559 9 662 9 767 9 851 9 912 9 955 9 989 10 011 10 011 9 994 9 968 9 937 9 899 9 871 9 867 9 880 9 902 9 917 9 927 9 946 9 968 Spanien 27 868 28 086 28 332 28 571 28 812 29 056 29 355 29 657 29 962 30 271 30 583 30 904 31 158 31 430 31 741 32 085 32 453 32 850 33 240 33 566 33 876 34 190 34 498 34 810 35 147 35 515 35 937 36 367 36 778 37 108 37 510 37 741 37 944 38 123 38 279 38 420 38 537 38 632 38 717 38 792 38 851 39 920 39 008 39 086 39 150 39 210 39 270 39 323 39 371 Durchschnitt 16 WEL 13 kleine WEL 29 WEL OEL Ex-UdSSR OEL und Ex-UdSSR 303 531 305 610 307 371 309 257 311 118 313 104 315 253 317 439 319 707 322 182 324 653 327 491 330 700 333 726 336 335 339 148 341 581 343 733 345 673 347 893 350 078 352 527 354 607 356 483 358 025 359 286 360 378 361 542 362 728 363 974 365 497 366 667 367 452 368 038 368 564 369 215 370 013 370 821 371 948 373 443 375 170 377 967 378 832 380 622 381 957 383 128 384 212 385 250 386 062 1 529 1 544 1 559 1 574 1 591 1 600 1 613 1 636 1 661 1 682 1 701 1 717 1 729 1 747 1 759 1 773 1 787 1 803 1 819 1 837 1 853 1 869 1 883 1 907 1 929 1 915 1 914 1 922 1 939 1 957 1 990 2 009 2 020 2 035 2 049 2 067 2 060 2 082 2 105 2 126 2 154 2 183 2 211 2 240 2 264 2 284 2 302 2 320 2 337 305 060 307 154 308 930 310 831 312 709 314 704 316 866 319 075 321 368 323 864 326 354 329 208 332 429 335 473 338 094 340 921 343 368 345 536 347 492 349 730 351 931 354 396 356 490 358 390 359 954 361 201 362 292 363 464 364 667 365 931 367 487 368 676 369 472 370 073 370 613 371 282 372 073 372 903 374 053 375 569 377 324 380 150 381 043 382 862 384 221 385 412 386 514 387 570 388 399 87 288 88 374 89 487 90 770 92 045 93 439 94 721 95 801 96 919 98 003 99 056 100 112 101 010 101 914 102 783 103 610 104 412 105 195 106 264 107 101 107 927 108 782 109 628 110 490 111 461 112 468 113 457 114 442 115 300 116 157 116 921 117 661 118 323 118 926 119 503 120 062 120 574 121 051 121 253 121 650 121 866 122 049 122 070 121 632 121 323 121 126 120 980 120 977 121 006 180 050 183 200 186 400 189 500 192 700 196 150 199 650 203 150 206 700 210 450 214 350 218 150 221 750 225 100 228 150 230 900 233 500 236 000 238 350 240 600 242 757 245 083 247 459 249 747 252 131 254 469 256 760 259 029 261 253 263 425 265 542 267 722 270 042 272 540 275 066 277 537 280 236 283 100 285 463 287 845 289 350 291 060 292 422 292 417 292 407 292 196 291 660 291 027 290 866 267 338 271 574 275 887 280 270 284 745 289 589 294 371 298 951 303 619 308 453 313 406 318 262 322 760 327 014 330 933 334 510 337 912 341 195 344 614 347 701 350 684 353 865 357 087 360 237 363 592 366 937 370 217 373 471 376 553 379 582 382 463 385 383 388 365 391 466 394 569 397 599 400 810 404 151 406 716 409 495 411 216 413 109 414 492 414 049 413 730 413 322 412 640 412 004 411 872 300 Anhang C Tabelle C1.a Bevölkerung der großen Einwanderungsländer, jährliche Schätzungen, 1950-1998 (in Tausend zur Jahresmitte) Jahr Australien Neuseeland Kanada Vereinigte Staaten 4 große Einwanderungsländer Durchschnitt 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 8 177 8 418 8 634 8 821 8 996 9 201 9 421 9 640 9 842 10 056 10 275 10 508 10 700 10 907 11 122 11 341 11 599 11 799 12 009 12 263 12 507 13 067 13 304 13 505 13 723 13 893 14 033 14 192 14 359 14 516 14 695 14 923 15 184 15 393 15 579 15 788 16 018 16 264 16 538 16 833 17 085 17 284 17 489 17 657 17 838 18 072 18 311 18 524 18 751 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255 20 941 22 008 22 673 23 739 23 867 25 285 27 598 29 701 30 627 31 636 33 235 35 002 35 843 36 600 37 442 41 048 44 114 45 036 48 473 51 724 53 291 53 905 53 676 53 808 54 934 58 756 61 890 63 043 65 090 66 849 68 866 71 184 72 873 75 861 79 581 84 092 84 103 78 841 76 222 75 347 78 327 81 311 84 571 89 892 94 421 302 Frankreich Deutschland 220 492 234 074 240 287 247 223 259 215 274 098 287 969 305 308 312 966 321 924 344 609 363 754 387 937 408 090 435 296 456 456 479 631 501 799 523 967 560 280 592 389 621 055 648 668 683 965 704 012 699 106 729 326 756 545 777 544 802 491 813 763 822 116 842 787 852 644 865 172 877 305 898 129 920 822 961 287 1 000 286 1 026 491 1 036 379 1 051 689 1 041 232 1 061 556 1 079 157 1 091 060 1 112 956 1 150 080 265 354 289 679 314 794 341 150 366 584 406 922 436 086 461 071 481 599 516 821 558 482 581 487 606 292 623 382 661 273 694 798 715 393 717 610 755 463 805 410 843 103 867 917 903 739 944 755 952 571 947 383 993 132 1 021 710 1 050 404 1 092 615 1 105 099 1 109 276 1 099 799 1 119 394 1 150 951 1 176 131 1 202 151 1 220 284 1 260 983 1 302 212 1 264 438 1 328 057 1 357 825 1 343 060 1 374 575 1 398 310 1 408 868 1 429 308 1 460 069 Italien 164 957 177 272 190 541 204 288 214 884 227 389 237 699 251 732 265 192 281 707 296 981 321 992 347 098 371 822 386 333 395 020 415 639 445 232 482 462 510 051 521 506 531 385 546 933 582 713 610 040 596 946 635 737 654 108 678 494 716 984 742 299 745 816 749 233 758 360 777 841 799 697 822 404 847 870 880 671 906 053 925 654 938 522 945 660 937 303 957 993 986 004 994 537 1 009 277 1 022 776 Niederlande 60 642 61 914 63 162 68 652 73 319 78 759 81 654 83 950 83 701 87 793 95 180 95 455 101 993 105 686 114 446 120 435 123 754 130 267 138 627 147 552 155 955 162 539 167 919 175 791 182 763 182 596 191 194 196 392 201 024 205 501 207 979 206 925 204 517 208 014 214 854 221 470 227 570 230 788 236 824 247 906 258 094 263 950 269 298 271 347 280 094 286 416 295 118 306 297 317 517 Anhang C Tabelle C1.b BIP in den europäischen Ländern, jährliche Schätzungen, 1950-1998 (in Mio. internationalen Geary-Khamis-Dollar von 1990) Jahr Norwegen 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 17 838 18 665 19 332 20 225 21 229 21 639 22 771 23 432 23 218 24 411 25 813 27 377 28 159 29 254 30 662 32 305 33 556 35 690 36 498 38 140 38 902 40 683 42 785 44 544 46 858 48 811 52 135 54 002 56 453 58 894 61 811 62 406 62 514 64 729 68 530 72 105 74 687 76 203 76 117 76 818 78 333 80 774 83 413 85 694 90 400 93 879 98 475 102 687 104 860 Schweden 47 269 49 148 49 845 51 237 53 395 54 944 57 032 59 591 59 887 61 714 64 986 68 710 71 599 75 411 80 562 83 643 85 383 88 272 91 475 96 056 102 275 103 241 105 604 109 794 113 306 116 198 117 428 115 553 117 577 122 092 124 130 124 113 125 358 127 555 132 717 135 277 138 381 142 733 145 946 149 415 151 451 149 760 147 631 144 353 150 296 155 843 157 523 160 643 165 385 Schweiz Vereinigtes Königreich 12 WEL insgesamt Irland Griechenland 42 545 45 990 46 369 48 001 50 705 54 117 57 710 60 002 58 732 62 425 66 793 72 200 75 661 79 370 83 541 86 195 88 305 91 008 94 272 99 584 105 935 110 253 113 781 117 251 118 957 110 294 108 745 111 392 111 847 114 634 119 909 121 802 120 051 120 659 124 311 128 561 130 653 131 614 135 709 141 599 146 900 145 724 145 540 144 839 145 610 146 345 146 811 149 273 152 345 347 850 358 234 357 585 371 646 386 789 400 850 405 825 412 315 411 450 428 107 452 768 467 694 472 454 490 625 516 584 529 996 540 163 552 277 574 775 585 207 599 016 611 705 633 352 675 941 666 755 665 984 680 933 695 699 720 501 740 370 728 224 718 733 729 861 755 779 774 665 802 000 837 280 877 143 920 841 940 908 944 610 930 493 930 975 952 554 994 384 1 022 172 1 048 308 1 085 122 1 108 568 1 286 544 1 360 663 1 408 150 1 483 287 1 564 323 1 664 355 1 737 477 1 815 085 1 856 751 1 952 062 2 082 910 2 186 152 2 286 569 2 385 410 2 524 565 2 623 071 2 714 045 2 801 994 2 946 812 3 108 858 3 240 769 3 340 614 3 471 767 3 660 253 3 730 014 3 700 266 3 856 738 3 959 955 4 073 956 4 228 568 4 289 446 4 295 997 4 327 275 4 407 003 4 518 405 4 631 802 4 760 252 4 885 169 5 071 803 5 234 204 5 276 855 5 358 508 5 420 115 5 406 488 5 558 380 5 686 046 5 769 409 5 900 800 6 044 301 10 231 10 488 10 753 11 043 11 142 11 432 11 283 11 266 11 034 11 481 12 127 12 706 13 120 13 741 14 279 14 528 14 652 15 521 16 804 17 815 18 289 18 923 20 151 21 103 22 002 23 246 23 571 25 506 27 340 28 180 29 047 30 013 30 698 30 624 31 957 32 943 32 802 34 331 36 123 38 223 41 459 42 231 43 625 44 775 47 355 51 855 55 865 61 844 67 368 14 489 15 765 15 878 18 053 18 615 20 022 21 731 23 147 24 218 25 107 26 195 28 492 29 562 32 567 35 243 38 553 40 907 43 152 46 027 50 585 54 609 58 496 65 775 68 355 65 868 69 853 74 296 76 843 81 989 85 015 86 505 86 553 86 895 87 244 89 645 92 442 93 941 93 507 97 670 101 425 101 452 104 581 105 327 103 604 105 723 107 929 110 474 114 253 118 433 303 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle C1.b BIP in den europäischen Ländern, jährliche Schätzungen, 1950-1998 (in Mio. internationalen Geary-Khamis-Dollar von 1990) Jahr Portugal Spanien 16 WEL insgesamt 13 kleine WEL insgesamt 29 WEL insgesamt OEL insgesamt 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 17 615 18 404 18 428 19 714 20 660 21 512 22 451 23 445 23 753 25 039 26 711 28 170 30 040 31 823 33 921 36 446 37 929 40 792 44 421 45 364 49 498 52 781 57 011 63 397 64 122 61 334 65 566 69 239 71 189 75 203 78 655 79 928 81 634 81 492 79 961 82 206 85 610 91 073 97 894 102 922 107 427 110 047 112 134 110 593 113 328 116 640 120 357 124 529 128 877 66 792 73 874 79 676 80 589 85 204 89 635 96 077 100 188 104 666 102 701 105 123 117 549 128 514 139 752 148 387 162 823 179 727 191 468 208 144 231 535 246 976 259 814 281 560 304 220 321 313 323 056 333 729 343 202 348 223 348 367 356 062 355 615 361 106 368 180 374 444 380 795 392 978 415 150 436 576 457 262 474 366 485 126 488 459 482 776 493 643 507 054 518 920 538 824 560 138 1 395 671 1 479 194 1 532 885 1 612 686 1 699 944 1 806 956 1 889 019 1 973 131 2 020 422 2 116 390 2 253 066 2 373 069 2 487 805 2 603 293 2 756 395 2 875 421 2 987 260 3 092 927 3 262 208 3 454 157 3 610 141 3 730 628 3 896 264 4 117 328 4 203 319 4 177 755 4 353 900 4 474 745 4 602 697 4 765 333 4 839 715 4 848 106 4 887 608 4 974 543 5 094 412 5 220 188 5 365 583 5 519 230 5 740 066 5 934 036 6 001 559 6 100 493 6 169 660 6 148 236 6 318 429 6 469 524 6 575 025 6 740 250 6 919 117 5 880 5 746 6 180 6 436 6 647 7 001 7 427 7 752 7 966 8 279 8 487 8 876 9 269 9 756 10 165 10 877 11 398 11 862 12 261 13 144 13 713 14 651 15 548 16 452 16 510 16 005 17 038 18 095 19 058 20 007 20 768 21 257 21 886 22 385 23 512 24 313 25 556 26 754 28 385 30 000 31 205 32 342 33 161 34 633 35 838 36 899 38 136 39 918 41 499 1 401 551 1 484 940 1 539 065 1 619 122 1 706 591 1 813 957 1 896 446 1 980 883 2 028 388 2 124 669 2 261 553 2 381 945 2 497 074 2 613 049 2 766 560 2 886 298 2 998 658 3 104 789 3 274 469 3 467 301 3 623 854 3 745 279 3 911 812 4 133 780 4 219 829 4 193 760 4 370 938 4 492 840 4 621 755 4 785 340 4 860 483 4 869 363 4 909 494 4 996 928 5 117 924 5 244 501 5 391 139 5 545 984 5 768 451 5 964 036 6 032 764 6 132 835 6 202 821 6 182 869 6 354 267 6 506 423 6 613 161 6 780 168 6 960 616 185 023 195 667 198 287 209 197 218 949 233 875 239 574 257 645 272 649 286 878 304 633 322 781 328 253 344 112 364 518 380 016 404 452 420 645 436 444 449 862 465 695 499 790 524 971 550 756 583 528 604 251 619 961 641 681 662 328 672 299 675 819 667 932 674 202 684 326 705 274 706 201 725 733 721 188 727 564 718 039 662 604 590 231 559 157 550 466 572 173 605 352 628 154 646 234 660 861 304 Ex-UdSSR insgesamt OEL insg. und Ex-UdSSR 510 243 512 566 545 792 569 260 596 910 648 027 710 065 724 470 778 840 770 244 843 434 891 763 915 928 895 016 1 010 727 1 068 117 1 119 932 1 169 422 1 237 966 1 255 392 1 351 818 1 387 832 1 395 732 1 513 070 1 556 984 1 561 399 1 634 589 1 673 159 1 715 215 1 707 083 1 709 174 1 724 741 1 767 262 1 823 723 1 847 190 1 863 687 1 940 363 1 965 457 2 007 280 2 037 253 1 987 995 1 863 524 1 592 085 1 435 008 1 235 701 1 169 446 1 137 039 1 156 028 1 132 434 695 266 708 233 744 079 778 457 815 859 881 902 949 639 982 115 1 051 489 1 057 122 1 148 067 1 214 544 1 244 181 1 239 128 1 375 245 1 448 133 1 524 384 1 590 067 1 674 410 1 705 254 1 817 513 1 887 622 1 920 703 2 063 826 2 140 512 2 165 650 2 254 550 2 314 840 2 377 543 2 379 382 2 384 993 2 392 673 2 441 464 2 508 049 2 552 464 2 569 888 2 666 096 2 686 645 2 734 844 2 755 292 2 650 599 2 453 755 2 151 242 1 985 474 1 807 874 1 774 798 1 765 193 1 802 262 1 793 295 Anhang C Tabelle C1.b BIP in den großen Einwanderungsländern, jährliche Schätzungen, 1950-1998 (in Mio. internationalen Geary-Khamis-Dollar von 1990) Jahr Australien 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 61 274 63 892 64 470 66 481 70 614 74 471 77 034 78 577 82 351 87 421 91 085 91 713 97 444 103 413 110 488 116 131 119 363 127 422 134 913 143 118 152 220 158 992 163 453 172 314 176 586 181 367 188 678 190 653 196 184 206 515 210 642 218 780 218 512 218 539 233 618 245 444 250 539 262 925 274 737 286 820 291 180 288 661 296 225 307 489 322 819 336 990 350 394 363 903 382 335 Neuseeland Kanada 16 136 14 904 15 552 16 084 18 298 18 639 19 605 20 165 20 957 22 449 22 449 23 704 24 215 25 749 27 004 28 724 30 536 29 142 29 095 32 099 31 644 33 285 34 711 37 177 39 390 38 937 39 887 37 944 38 097 38 874 39 141 41 041 41 809 42 955 45 072 45 420 46 372 46 564 46 435 46 850 46 729 45 908 46 304 48 654 51 554 53 599 55 331 56 455 56 322 102 164 107 960 115 816 121 228 120 390 131 633 142 282 146 402 149 021 155 062 159 880 164 598 176 130 185 041 197 098 210 203 223 832 230 647 242 703 255 497 262 098 276 694 291 314 312 176 324 928 332 269 350 467 362 245 376 894 392 561 397 814 410 164 397 671 409 246 432 711 456 107 468 055 487 138 510 815 523 177 524 475 514 459 519 148 531 096 556 209 571 447 581 118 604 180 622 880 305 Vereinigte Staaten 4 großeEinwanderungsländer insgesamt 1 455 916 1 566 784 1 625 245 1 699 970 1 688 804 1 808 126 1 843 455 1 878 063 1 859 088 1 997 061 2 046 727 2 094 396 2 220 732 2 316 765 2 450 915 2 607 294 2 778 086 2 847 549 2 983 081 3 076 517 3 081 900 3 178 106 3 346 554 3 536 622 3 526 724 3 516 825 3 701 163 3 868 829 4 089 548 4 228 647 4 230 558 4 336 141 4 254 870 4 433 129 4 755 958 4 940 383 5 110 480 5 290 129 5 512 845 5 703 521 5 803 200 5 790 784 5 983 457 6 124 987 6 371 321 6 544 370 6 784 105 7 089 655 7 394 598 1 635 490 1 753 540 1 821 083 1 903 763 1 898 106 2 032 869 2 082 376 2 123 207 2 111 417 2 261 993 2 320 141 2 374 411 2 518 521 2 630 968 2 785 505 2 962 352 3 151 817 3 234 760 3 389 792 3 507 231 3 527 862 3 647 077 3 836 032 4 058 289 4 067 628 4 069 398 4 280 195 4 459 671 4 700 723 4 866 597 4 878 155 5 006 126 4 912 862 5 103 869 5 467 359 5 687 354 5 875 446 6 086 756 6 344 832 6 560 368 6 665 584 6 639 812 6 845 134 7 012 226 7 301 903 7 506 406 7 770 948 8 114 193 8 456 135 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle C1.c Pro-Kopf-BIP in den europäischen Ländern, jährliche Schätzungen, 1950-1998 (in internationalen Geary-Khamis-Dollar von 1990) Jahr Österreich Belgien Dänemark 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 3 706 3 959 3 967 4 137 4 555 5 053 5 397 5 716 5 907 6 051 6 518 6 826 6 950 7 187 7 567 7 734 8 112 8 297 8 621 9 131 9 748 10 199 10 771 11 235 11 658 11 646 12 200 12 767 12 731 13 449 13 760 13 710 13 959 14 367 14 407 14 717 15 042 15 274 15 723 16 293 16 881 17 272 17 280 17 201 17 553 17 876 18 203 18 390 18 905 5 462 5 747 5 668 5 818 6 029 6 280 6 422 6 495 6 442 6 608 6 953 7 253 7 583 7 863 8 341 8 523 8 776 9 071 9 415 10 018 10 611 10 969 11 503 12 170 12 643 12 441 13 122 13 190 13 554 13 861 14 467 14 276 14 466 14 457 14 809 14 946 15 155 15 493 16 212 16 738 17 194 17 474 17 679 17 354 17 819 18 255 18 378 18 921 19 442 6 946 6 936 6 955 7 292 7 371 7 395 7 440 7 965 8 095 8 561 8 812 9 307 9 747 9 731 10 560 10 956 11 161 11 436 11 837 12 525 12 685 12 934 13 537 13 945 13 752 13 621 14 465 14 657 14 826 15 313 15 227 15 095 15 563 15 967 16 675 17 383 17 992 18 023 18 223 18 267 18 463 18 677 18 857 18 945 19 974 20 627 21 076 21 638 22 123 Finnland 4 253 4 572 4 674 4 652 5 001 5 197 5 295 5 490 5 474 5 753 6 230 6 658 6 820 6 994 7 306 7 669 7 824 7 946 8 094 8 877 9 578 9 765 10 447 11 085 11 360 11 440 11 358 11 354 11 558 12 331 12 948 13 134 13 485 13 766 14 106 14 521 14 818 15 381 16 090 16 940 16 868 15 724 15 117 14 873 15 391 15 918 16 502 17 489 18 324 306 Frankreich Deutschland 5 270 5 553 5 659 5 783 6 020 6 312 6 568 6 890 6 988 7 116 7 543 7 880 8 254 8 535 9 010 9 362 9 756 10 128 10 497 11 135 11 668 12 118 12 547 13 123 13 420 13 266 13 785 14 235 14 567 14 970 15 103 15 173 15 466 15 567 15 723 15 869 16 169 16 495 17 130 17 728 18 093 18 165 18 330 18 060 18 334 18 562 18 691 18 991 19 558 3 881 4 207 4 550 4 900 5 242 5 788 6 164 6 482 6 731 7 176 7 685 7 932 8 200 8 363 8 821 9 185 9 387 9 397 9 865 10 440 10 849 11 078 11 481 11 966 12 061 12 041 12 681 13 071 13 453 13 989 14 113 14 146 14 040 14 329 14 785 15 143 15 474 15 701 16 143 16 551 15 932 16 604 16 848 16 544 16 882 17 123 17 203 17 419 17 799 Italien Niederlande 3 502 3 738 3 997 4 260 4 449 4 676 4 859 5 118 5 360 5 653 5 916 6 372 6 822 7 255 7 476 7 580 7 914 8 416 9 063 9 527 9 689 9 827 10 057 10 643 11 069 10 767 11 410 11 690 12 083 12 731 13 153 13 198 13 242 13 392 13 730 14 110 14 511 14 960 15 552 15 988 16 320 16 538 16 632 16 430 16 747 17 207 17 327 17 549 17 759 5 996 6 032 6 084 6 542 6 906 7 326 7 499 7 614 7 482 7 736 8 289 8 203 8 643 8 834 9 439 9 797 9 936 10 341 10 893 11 462 11 967 12 319 12 597 13 082 13 495 13 367 13 882 14 174 14 422 14 643 14 700 14 524 14 290 14 478 14 897 15 286 15 622 15 738 16 045 16 699 17 267 17 517 17 738 17 747 18 210 18 526 19 012 19 628 20 224 Anhang C Tabelle C1.c Pro-Kopf-BIP in den europäischen Ländern, jährliche Schätzungen, 1950-1998 (in internationalen Geary-Khamis-Dollar von 1990) Jahr Norwegen Schweden Schweiz Vereinigtes Königreich 12 WEL insgesamt Irland Griechenland 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 5 463 5 663 5 809 6 016 6 253 6 311 6 577 6 706 6 587 6 865 7 200 7 573 7 738 7 978 8 300 8 677 8 941 9 429 9 557 9 904 10 029 10 424 10 878 11 246 11 759 12 181 12 950 13 357 13 905 14 460 15 128 15 221 15 192 15 680 16 553 17 362 17 923 18 200 18 084 18 173 18 470 18 952 19 462 19 873 20 844 21 542 22 478 23 311 23 660 6 738 6 951 6 996 7 145 7 403 7 566 7 797 8 089 8 076 8 279 8 688 9 137 9 468 9 917 10 514 10 815 10 937 11 218 11 562 12 055 12 716 12 749 13 002 13 493 13 886 14 184 14 282 14 005 14 209 14 721 14 936 14 917 15 058 15 315 15 919 16 201 16 533 16 996 17 300 17 593 17 680 17 380 17 032 16 556 17 116 17 655 17 817 18 160 18 685 9 064 9 684 9 630 9 842 10 287 10 867 11 439 11 705 11 297 11 870 12 457 13 099 13 354 13 710 14 191 14 504 14 727 15 010 15 374 16 031 16 904 17 382 17 776 18 204 18 414 17 223 17 171 17 636 17 661 18 050 18 780 18 946 18 564 18 614 19 110 19 676 19 877 19 884 20 343 21 062 21 616 21 202 20 962 20 724 20 692 20 667 20 663 20 986 21 367 6 907 7 083 7 048 7 304 7 574 7 826 7 891 7 982 7 932 8 208 8 645 8 857 8 865 9 149 9 568 9 752 9 885 10 049 10 410 10 552 10 767 10 937 11 290 12 022 11 856 11 845 12 113 12 381 12 825 13 164 12 928 12 754 12 960 13 406 13 709 14 148 14 727 15 386 16 110 16 404 16 411 16 096 16 050 16 369 17 029 17 441 17 828 18 389 18 714 5 013 5 267 5 420 5 676 5 951 6 292 6 525 6 771 6 879 7 177 7 601 7 909 8 188 8 461 8 884 9 151 9 399 9 646 10 091 10 577 10 956 11 214 11 589 12 159 12 350 12 234 12 742 13 063 13 417 13 897 14 056 14 044 14 126 14 373 14 724 15 072 15 458 15 827 16 377 16 824 16 872 17 043 17 148 17 017 17 430 17 772 17 978 18 336 18 742 3 446 3 542 3 641 3 745 3 789 3 914 3 893 3 905 3 868 4 034 4 279 4 507 4 636 4 821 4 986 5 051 5 080 5 352 5 769 6 089 6 200 6 354 6 664 6 867 7 043 7 317 7 302 7 795 8 250 8 367 8 541 8 717 8 821 8 737 9 056 9 303 9 261 9 690 10 230 10 890 11 825 11 977 12 292 12 567 13 217 14 400 15 407 16 893 18 183 1 915 2 058 2 053 2 309 2 358 2 513 2 706 2 859 2 963 3 040 3 146 3 393 3 499 3 840 4 141 4 509 4 749 4 951 5 266 5 766 6 211 6 624 7 400 7 655 7 350 7 722 8 105 8 255 8 694 8 904 8 971 8 896 8 876 8 860 9 059 9 306 9 425 9 350 9 731 10 052 9 984 10 206 10 204 9 982 10 140 10 324 10 545 10 882 11 268 307 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle C1.c Pro-Kopf-BIP in den europäischen Ländern, jährliche Schätzungen, 1950-1998 (in internationalen Geary-Khamis-Dollar von 1990) Jahr Portugal Spanien 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 2 069 2 153 2 152 2 296 2 400 2 485 2 581 2 683 2 703 2 833 3 004 3 150 3 337 3 520 3 747 4 051 4 276 4 637 5 081 5 217 5 714 6 106 6 605 7 343 7 324 6 744 7 008 7 322 7 447 7 783 8 053 8 114 8 236 8 186 8 005 8 212 8 552 9 113 9 821 10 357 10 852 11 149 11 365 11 194 11 445 11 762 12 124 12 521 12 929 2 397 2 630 2 812 2 821 2 957 3 085 3 273 3 378 3 493 3 393 3 437 3 804 4 125 4 446 4 675 5 075 5 538 5 829 6 262 6 898 7 291 7 599 8 162 8 739 9 142 9 096 9 287 9 437 9 468 9 388 9 492 9 423 9 517 9 658 9 782 9 911 10 197 10 746 11 276 11 788 12 210 12 152 12 522 12 352 12 609 12 932 13 214 13 703 14 227 16 WEL insgesamt 4 598 4 840 4 987 5 215 5 464 5 771 5 992 6 216 6 320 6 569 6 940 7 246 7 523 7 801 8 195 8 478 8 745 8 998 9 437 9 929 10 312 10 583 10 988 11 550 11 740 11 628 12 081 12 377 12 689 13 093 13 241 13 222 13 301 13 516 13 822 14 139 14 501 14 884 15 432 15 890 15 997 16 140 16 286 16 153 16 542 16 886 17 113 17 496 17 922 13 kleine WEL insgesamt 3 846 3 722 3 964 4 089 4 178 4 376 4 604 4 738 4 796 4 922 4 989 5 169 5 361 5 584 5 779 6 135 6 378 6 579 6 741 7 155 7 400 7 839 8 257 8 627 8 559 8 358 8 902 9 415 9 829 10 223 10 436 10 581 10 835 11 000 11 475 11 762 12 406 12 850 13 485 14 111 14 487 14 815 14 998 15 461 15 830 16 155 16 566 17 206 17 757 308 29 WEL insgesamt 4 594 4 835 4 982 5 209 5 457 5 764 5 985 6 208 6 312 6 560 6 930 7 235 7 512 7 789 8 183 8 466 8 733 8 985 9 423 9 914 10 297 10 568 10 973 11 534 11 723 11 611 12 065 12 361 12 674 13 077 13 226 13 208 13 288 13 503 13 809 14 125 14 489 14 872 15 421 15 880 15 988 16 133 16 279 16 149 16 538 16 882 17 110 17 494 17 921 OEL insgesamt Ex-UdSSR insgesamt OEL insg. und Ex-UdSSR 2 120 2 214 2 216 2 305 2 379 2 503 2 529 2 689 2 813 2 927 3 075 3 224 3 250 3 376 3 546 3 668 3 874 3 999 4 107 4 200 4 315 4 594 4 789 4 985 5 235 5 373 5 464 5 607 5 744 5 788 5 780 5 677 5 698 5 754 5 902 5 882 6 019 5 958 6 000 5 902 5 437 4 836 4 581 4 526 4 716 4 998 5 192 5 342 5 461 2 834 2 798 2 928 3 004 3 098 3 304 3 557 3 566 3 768 3 660 3 935 4 088 4 130 3 976 4 430 4 626 4 796 4 955 5 194 5 218 5 569 5 663 5 640 6 058 6 175 6 136 6 366 6 459 6 565 6 480 6 437 6 442 6 544 6 692 6 715 6 715 6 924 6 943 7 032 7 078 6 871 6 403 5 444 4 907 4 226 4 002 3 899 3 972 3 893 2 601 2 608 2 697 2 778 2 865 3 045 3 226 3 285 3 463 3 427 3 663 3 816 3 855 3 789 4 156 4 329 4 511 4 660 4 859 4 904 5 183 5 334 5 379 5 729 5 887 5 902 6 090 6 198 6 314 6 268 6 236 6 209 6 287 6 407 6 469 6 464 6 652 6 648 6 724 6 729 6 446 5 940 5 190 4 795 4 370 4 294 4 278 4 374 4 354 Anhang C Tabelle C1.c Pro-Kopf-BIP in den großen Einwanderungsländern, jährliche Schätzungen, 1950-1998 (in internationalen Geary-Khamis-Dollar von 1990) Jahr Australien Neuseeland Kanada 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 7 493 7 590 7 467 7 537 7 849 8 094 8 177 8 151 8 367 8 693 8 865 8 728 9 107 9 481 9 934 10 240 10 291 10 799 11 234 11 671 12 171 12 167 12 286 12 759 12 868 13 055 13 445 13 434 13 663 14 227 14 334 14 661 14 391 14 197 14 996 15 546 15 641 16 166 16 612 17 039 17 043 16 701 16 938 17 415 18 097 18 647 19 136 19 645 20 390 8 453 7 651 7 792 7 850 8 734 8 714 8 981 9 030 9 168 9 614 9 444 9 767 9 744 10 149 10 430 10 901 11 381 10 683 10 565 11 546 11 221 11 622 11 916 12 513 12 991 12 613 12 801 12 130 12 175 12 388 12 449 13 000 13 135 13 315 13 834 13 881 14 151 14 093 13 995 14 040 13 825 13 162 13 140 13 640 14 253 14 593 14 838 14 971 14 779 7 437 7 686 7 992 8 146 7 858 8 368 8 825 8 779 8 704 8 850 8 947 9 025 9 478 9 774 10 218 10 701 11 183 11 318 11 724 12 166 12 307 12 562 13 072 13 838 14 211 14 316 14 902 15 223 15 680 16 170 16 176 16 472 15 779 16 077 16 836 17 582 17 862 18 348 19 062 19 174 18 933 18 353 18 295 18 503 19 156 19 467 19 585 20 134 20 559 309 Vereinigte Staaten 4 großeEinwanderungs-länder insgesamt 9 561 10 116 10 316 10 613 10 359 10 897 10 914 10 920 10 631 11 230 11 328 11 402 11 905 12 242 12 773 13 419 14 134 14 330 14 863 15 179 15 030 15 304 15 944 16 689 16 491 16 284 16 975 17 567 18 373 18 789 18 577 18 856 18 325 18 920 20 123 20 717 21 236 21 788 22 499 23 059 23 214 22 921 23 430 23 733 24 449 24 879 25 556 26 453 27 331 9 288 9 780 9 969 10 239 10 020 10 533 10 590 10 588 10 343 10 888 10 986 11 051 11 537 11 872 12 386 12 997 13 653 13 846 14 353 14 692 14 597 14 849 15 443 16 172 16 048 15 886 16 545 17 064 17 798 18 228 18 057 18 341 17 816 18 334 19 465 20 063 20 533 21 067 21 753 22 254 22 356 22 027 22 460 22 766 23 472 23 895 24 501 25 332 26 146 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle C2.a Bevölkerung von 8 lateinamerikanischen Ländern, jährliche Schätzungen, 1950-1998 (in Tausend zur Jahresmitte) Jahr 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 Argentinien Brasilien 17 150 17 517 17 877 18 231 18 581 18 928 19 272 19 611 19 947 20 281 20 616 20 951 21 284 21 616 21 949 22 283 22 612 22 934 23 261 23 600 23 962 24 352 24 757 25 174 25 598 26 021 26 457 26 895 27 338 27 785 28 237 28 701 29 151 29 584 29 993 30 407 30 853 31 303 31 749 32 194 32 634 33 083 33 531 33 963 34 412 34 877 35 335 35 798 36 265 53 443 54 996 56 603 58 266 59 989 61 774 63 632 65 551 67 533 69 580 71 695 73 833 76 039 78 317 80 667 83 093 85 557 88 050 90 569 93 114 95 684 98 244 100 837 103 463 106 122 108 813 111 533 114 299 117 129 120 020 122 936 125 907 128 938 131 864 134 596 137 272 140 080 142 903 145 744 148 526 151 040 153 471 155 918 158 344 160 744 163 113 165 427 167 661 169 807 Chile Kolumbien Mexiko Peru 6 091 6 252 6 378 6 493 6 612 6 743 6 889 7 048 7 220 7 400 7 585 7 773 7 961 8 147 8 330 8 510 8 686 8 859 9 030 9 199 9 369 9 540 9 718 9 897 10 077 10 252 10 432 10 600 10 760 10 923 11 094 11 282 11 487 11 687 11 879 12 067 12 260 12 463 12 678 12 901 13 128 13 353 13 573 13 788 14 000 14 205 14 403 14 597 14 788 11 592 11 965 12 351 12 750 13 162 13 588 14 029 14 486 14 958 15 447 15 953 16 476 17 010 17 546 18 090 18 646 19 202 19 764 20 322 20 869 21 430 21 993 22 543 23 069 23 593 24 114 24 620 25 094 25 543 26 031 26 583 27 159 27 764 28 388 29 026 29 675 30 339 31 011 31 681 32 341 32 985 33 629 34 296 34 979 35 679 36 397 37 124 37 852 38 581 28 485 29 296 30 144 31 031 31 959 32 930 33 946 35 016 36 142 37 328 38 579 39 836 41 121 42 434 43 775 45 142 46 538 47 996 49 519 51 111 52 775 54 434 56 040 57 643 59 240 60 828 62 404 63 981 65 554 67 123 68 686 70 324 71 923 73 463 74 992 76 544 78 132 79 754 81 408 83 073 84 748 86 437 88 143 89 863 91 592 93 325 95 063 96 807 98 553 7 633 7 826 8 026 8 232 8 447 8 672 8 905 9 146 9 397 9 658 9 931 10 218 10 517 10 826 11 144 11 467 11 796 12 132 12 476 12 829 13 193 13 568 13 955 14 350 14 753 15 161 15 573 15 990 16 414 16 849 17 295 17 755 18 234 18 706 19 171 19 624 20 073 20 531 21 000 21 487 21 989 22 501 23 015 23 531 24 047 24 563 25 079 25 595 26 111 310 Uruguay 2 194 2 223 2 253 2 284 2 317 2 353 2 389 2 425 2 460 2 495 2 531 2 564 2 598 2 632 2 664 2 693 2 721 2 749 2 777 2 802 2 824 2 826 2 830 2 834 2 838 2 842 2 857 2 874 2 889 2 905 2 920 2 936 2 954 2 973 2 990 3 008 3 027 3 045 3 064 3 084 3 106 3 128 3 149 3 172 3 194 3 216 3 239 3 262 3 285 Venezuela Insgesamt 5 009 5 217 5 440 5 674 5 919 6 170 6 431 6 703 6 982 7 268 7 556 7 848 8 143 8 444 8 752 9 068 9 387 9 710 10 041 10 389 10 758 11 152 11 516 11 893 12 281 12 675 13 082 13 504 13 931 14 355 14 768 15 166 15 621 16 084 16 545 16 998 17 450 17 910 18 379 18 851 19 325 19 801 20 266 20 706 21 139 21 564 21 983 22 396 22 803 131 597 135 292 139 070 142 961 146 985 151 158 155 493 159 985 164 639 169 457 174 446 179 498 184 674 189 963 195 370 200 903 206 499 212 193 217 994 223 913 229 994 236 110 242 193 248 323 254 502 260 706 266 960 273 237 279 558 285 990 292 519 299 230 306 072 312 750 319 192 325 595 332 214 338 922 345 702 352 457 358 955 365 402 371 891 378 346 384 807 391 261 397 653 403 969 410 192 Anhang C Tabelle C2.a Bevölkerung von 15 lateinamerikanischen Ländern, jährliche Schätzungen, 1950-1998 (in Tausend zur Jahresmitte) Jahr Bolivien Costa Rica Kuba Dominik. Republik Ecuador El Salvador Guatemala Haiti 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 2 766 2 824 2 883 2 945 3 009 3 074 3 142 3 212 3 284 3 358 3 434 3 513 3 594 3 678 3 764 3 853 3 945 4 041 4 139 4 241 4 346 4 455 4 566 4 680 4 796 4 914 5 025 5 128 5 232 5 335 5 439 5 545 5 653 5 763 5 876 5 992 6 111 6 233 6 359 6 487 6 620 6 756 6 895 7 048 7 202 7 358 7 514 7 670 7 826 867 895 926 959 994 1 032 1 072 1 112 1 154 1 200 1 248 1 297 1 345 1 393 1 440 1 488 1 538 1 589 1 638 1 687 1 736 1 786 1 835 1 886 1 938 1 993 2 051 2 112 2 198 2 266 2 307 2 366 2 435 2 506 2 568 2 640 2 716 2 793 2 870 2 947 3 022 3 098 3 172 3 246 3 319 3 391 3 463 3 534 3 605 5 785 5 892 6 008 6 129 6 254 6 381 6 513 6 641 6 763 6 901 7 027 7 134 7 254 7 415 7 612 7 810 7 985 8 139 8 284 8 421 8 543 8 670 8 831 9 001 9 153 9 290 9 421 9 538 9 634 9 710 9 653 9 712 9 789 9 886 9 982 10 079 10 162 10 240 10 334 10 439 10 545 10 643 10 724 10 789 10 846 10 900 10 952 11 003 11 051 2 312 2 375 2 444 2 518 2 598 2 685 2 778 2 873 2 968 3 064 3 159 3 225 3 359 3 470 3 588 3 714 3 848 3 981 4 114 4 244 4 373 4 508 4 644 4 781 4 915 5 052 5 192 5 333 5 472 5 613 5 697 5 826 5 957 6 087 6 214 6 343 6 472 6 603 6 734 6 867 6 997 7 127 7 253 7 372 7 489 7 612 7 740 7 869 7 999 3 310 3 403 3 498 3 596 3 699 3 806 3 918 4 034 4 155 4 281 4 413 4 551 4 696 4 846 5 001 5 162 5 330 5 503 5 682 5 865 6 051 6 240 6 432 6 629 6 829 7 038 7 243 7 455 7 671 7 893 8 123 8 361 8 606 8 831 9 051 9 269 9 484 9 696 9 904 10 110 10 308 10 577 10 852 11 121 11 381 11 629 11 869 12 105 12 337 1 940 1 989 2 042 2 097 2 156 2 218 2 283 2 351 2 422 2 497 2 574 2 656 2 738 2 825 2 912 3 005 3 114 3 217 3 330 3 450 3 583 3 688 3 767 3 853 3 944 4 042 4 143 4 249 4 361 4 470 4 527 4 475 4 434 4 478 4 543 4 617 4 702 4 791 4 877 4 959 5 041 5 125 5 211 5 301 5 391 5 481 5 571 5 662 5 752 2 969 3 056 3 146 3 239 3 335 3 434 3 535 3 640 3 749 3 861 3 975 4 090 4 208 4 329 4 454 4 581 4 712 4 847 4 987 5 133 5 287 5 452 5 623 5 801 5 986 6 178 6 375 6 580 6 792 7 009 7 232 7 486 7 710 7 898 8 118 8 351 8 593 8 844 9 103 9 366 9 631 9 901 10 179 10 465 10 759 11 061 11 370 11 686 12 008 3 097 3 148 3 201 3 257 3 316 3 376 3 441 3 508 3 577 3 648 3 723 3 800 3 880 3 964 4 050 4 137 4 227 4 318 4 412 4 507 4 605 4 653 4 701 4 748 4 795 4 839 4 882 4 925 4 970 5 017 5 056 5 091 5 149 5 248 5 354 5 468 5 588 5 708 5 825 5 939 6 048 6 133 6 215 6 310 6 399 6 488 6 583 6 680 6 781 311 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle C2.a Bevölkerung von 15 lateinamerikanischen Ländern, jährliche Schätzungen, 1950-1998 (in Tausend zur Jahresmitte) Jahr Honduras Jamaika Nicaragua Panama Paraguay Puerto Rico Trinidad & Tobago Insgesamt 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1 431 1 474 1 517 1 562 1 611 1 662 1 715 1 770 1 829 1 889 1 952 2 017 2 082 2 151 2 224 2 299 2 375 2 453 2 534 2 618 2 683 2 767 2 864 2 964 3 066 3 151 3 237 3 326 3 425 3 520 3 625 3 744 3 847 3 946 4 053 4 164 4 277 4 390 4 473 4 604 4 740 4 880 5 021 5 163 5 304 5 445 5 585 5 725 5 862 1 385 1 406 1 426 1 446 1 468 1 489 1 510 1 535 1 566 1 599 1 632 1 648 1 665 1 698 1 739 1 777 1 820 1 861 1 893 1 920 1 944 1 967 1 998 2 036 2 071 2 105 2 133 2 157 2 179 2 207 2 229 2 258 2 298 2 323 2 348 2 372 2 396 2 415 2 430 2 446 2 466 2 488 2 509 2 529 2 551 2 574 2 595 2 616 2 635 1 098 1 131 1 166 1 202 1 239 1 277 1 317 1 359 1 402 1 446 1 493 1 541 1 591 1 642 1 695 1 750 1 807 1 865 1 926 1 988 2 053 2 120 2 180 2 241 2 311 2 383 2 458 2 537 2 587 2 663 2 776 2 869 2 945 3 012 3 083 3 152 3 224 3 302 3 387 3 480 3 591 3 708 3 820 3 935 4 057 4 185 4 317 4 450 4 583 893 916 940 962 985 1 011 1 037 1 064 1 085 1 115 1 148 1 181 1 216 1 251 1 288 1 326 1 365 1 405 1 447 1 489 1 531 1 573 1 616 1 659 1 706 1 748 1 790 1 840 1 873 1 915 1 956 1 996 2 036 2 077 2 120 2 164 2 208 2 252 2 297 2 342 2 388 2 434 2 480 2 524 2 567 2 609 2 651 2 693 2 736 1 476 1 515 1 556 1 597 1 640 1 683 1 727 1 771 1 816 1 862 1 910 1 959 2 010 2 062 2 115 2 170 2 228 2 288 2 349 2 412 2 477 2 545 2 614 2 692 2 773 2 850 2 919 2 984 3 051 3 119 3 193 3 276 3 366 3 463 3 564 3 668 3 776 3 887 4 000 4 117 4 236 4 359 4 484 4 612 4 743 4 876 5 012 5 150 5 291 2 218 2 235 2 227 2 204 2 214 2 250 2 249 2 260 2 299 2 322 2 358 2 403 2 448 2 497 2 552 2 597 2 627 2 649 2 674 2 722 2 722 2 766 2 847 2 863 2 887 2 935 3 026 3 081 3 118 3 168 3 210 3 239 3 279 3 316 3 350 3 382 3 413 3 444 3 475 3 506 3 537 3 571 3 604 3 644 3 687 3 731 3 783 3 828 3 860 632 649 663 678 698 721 743 765 789 817 841 861 887 904 924 939 953 960 963 963 955 962 975 985 995 1 007 1 021 1 039 1 056 1 073 1 091 1 102 1 116 1 133 1 150 1 166 1 180 1 191 1 198 1 200 1 198 1 194 1 186 1 177 1 166 1 155 1 143 1 130 1 117 32 178 32 908 33 643 34 393 35 214 36 099 36 980 37 894 38 857 39 859 40 886 41 877 42 974 44 126 45 359 46 610 47 875 49 118 50 372 51 660 52 888 54 150 55 493 56 819 58 167 59 525 60 920 62 286 63 619 64 979 66 113 67 346 68 619 69 967 71 375 72 828 74 302 75 788 77 266 78 809 80 368 81 993 83 605 85 236 86 863 88 495 90 148 91 800 93 441 312 Anhang C Tabelle C2.a Bevölkerung von 15 lateinamerikanischen Ländern, jährliche Schätzungen, 1950-1998 (in Tausend zur Jahresmitte) Jahr 8 Kernländer insgesamt 15 Länder insgesamt 21 kleine karibische Länder insgesamt 44 Länder insgesamt 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 131 597 135 292 139 070 142 961 146 985 151 158 155 493 159 985 164 639 169 457 174 446 179 498 184 674 189 963 195 370 200 903 206 499 212 193 217 994 223 913 229 994 236 110 242 193 248 323 254 502 260 706 266 960 273 237 279 558 285 990 292 519 299 230 306 072 312 750 319 192 325 595 332 214 338 922 345 702 352 457 358 955 365 402 371 891 378 346 384 807 391 261 397 653 403 969 410 192 32 178 32 908 33 643 34 393 35 214 36 099 36 980 37 894 38 857 39 859 40 886 41 877 42 974 44 126 45 359 46 610 47 875 49 118 50 372 51 660 52 888 54 150 55 493 56 819 58 167 59 525 60 920 62 286 63 619 64 979 66 113 67 346 68 619 69 967 71 375 72 828 74 302 75 788 77 266 78 809 80 368 81 993 83 605 85 236 86 863 88 495 90 148 91 800 93 441 2 062 2 111 2 161 2 211 2 267 2 323 2 378 2 435 2 494 2 555 2 614 2 662 2 711 2 781 2 841 2 900 2 959 3 014 3 071 3 121 3 164 3 214 3 263 3 308 3 340 3 347 3 350 3 364 3 383 3 397 3 410 3 434 3 464 3 494 3 527 3 561 3 593 3 622 3 653 3 684 3 726 3 758 3 790 3 824 3 856 3 889 3 922 3 955 3 990 165 837 170 311 174 875 179 565 184 466 189 580 194 851 200 315 205 990 211 871 217 946 224 038 230 359 236 870 243 570 250 412 257 334 264 325 271 436 278 694 286 046 293 473 300 949 308 451 316 009 323 578 331 230 338 887 346 560 354 366 362 041 370 010 378 155 386 211 394 093 401 985 410 109 418 332 426 621 434 950 443 049 451 153 459 285 467 406 475 526 483 645 491 723 499 724 507 623 313 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle C2.b BIP in 8 lateinamerikanischen Ländern, jährliche Schätzungen, 1950-1998 (in Mio. internationalen Geary-Khamis-Dollar von 1990) Jahr 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 Argentinien Brasilien 85 524 88 866 84 333 88 866 92 528 99 125 101 856 107 087 113 655 106 303 114 614 122 809 120 833 117 927 130 074 141 960 142 919 146 755 153 002 166 080 174 972 183 458 189 183 200 720 213 739 211 850 211 327 224 084 214 233 229 547 232 802 219 434 212 518 220 016 224 491 209 641 224 985 230 797 226 438 212 373 212 518 233 770 254 575 269 341 291 696 282 653 295 090 318 698 334 314 89 342 93 608 99 181 103 957 110 836 118 960 120 674 130 717 142 577 154 538 167 397 179 951 190 932 192 912 199 423 203 444 216 181 224 877 244 921 266 292 292 480 322 159 356 880 401 643 433 322 455 918 498 823 522 154 548 342 587 289 639 093 611 007 614 538 593 575 625 438 675 090 729 252 753 685 751 910 776 547 743 765 751 203 748 949 782 652 831 176 866 086 891 202 925 068 926 918 Chile Kolumbien Mexiko Peru Uruguay 23 274 24 274 25 663 27 006 27 117 27 080 27 238 30 090 30 915 30 748 32 767 34 341 35 971 38 240 39 092 39 407 43 797 45 223 46 844 48 585 49 586 54 022 53 373 50 401 50 891 44 316 45 881 50 401 54 540 59 060 63 654 67 192 57 634 57 245 60 875 62 366 65 895 69 674 74 814 82 269 84 038 90 173 100 092 106 698 112 139 122 344 130 786 139 941 144 279 24 955 25 726 27 350 29 026 31 042 32 242 33 539 34 766 35 639 38 207 39 831 41 847 44 120 45 571 48 389 50 136 52 806 55 028 58 398 62 116 66 308 70 250 75 637 80 728 85 370 87 347 91 488 95 283 103 366 108 906 113 375 115 789 116 938 118 806 123 037 127 076 134 844 142 086 147 896 152 686 159 042 161 587 167 889 175 444 186 496 196 567 200 695 203 706 205 132 67 368 72 578 75 481 75 688 83 258 90 307 96 502 103 812 109 333 112 599 121 723 126 365 132 039 141 839 157 312 167 116 177 427 188 258 201 669 213 924 227 970 237 480 257 636 279 302 296 370 312 998 326 267 337 499 365 340 398 788 431 983 469 972 466 649 446 602 462 678 475 505 457 655 466 148 471 953 491 767 516 692 538 508 558 049 568 934 594 054 557 419 586 144 625 759 655 910 17 270 18 669 19 848 20 901 22 246 23 317 24 316 25 936 25 805 26 737 30 017 32 226 34 922 36 217 38 580 40 501 43 921 45 581 45 734 47 448 50 229 52 331 53 838 56 713 61 969 64 075 65 334 65 600 65 784 69 609 72 723 76 035 76 147 66 567 69 650 71 247 77 857 84 237 77 285 68 399 64 979 66 603 66 004 69 766 79 254 86 070 88 050 95 622 95 718 10 224 11 015 11 167 11 736 12 488 12 593 12 807 12 932 13 292 12 125 12 554 12 912 12 624 12 686 12 940 13 088 13 536 12 975 13 181 13 984 14 638 14 498 13 992 14 098 14 541 15 406 16 026 16 205 17 058 18 110 19 205 19 575 17 724 16 688 16 505 16 746 18 231 19 676 19 676 19 930 20 105 20 687 22 218 22 907 24 166 23 683 24 867 26 112 27 313 314 Venezuela Insgesamt 37 377 39 979 43 472 45 147 49 820 53 991 58 677 67 414 68 540 72 658 72 889 70 643 73 762 77 134 83 688 89 240 90 842 96 334 102 916 106 612 114 807 116 494 117 982 126 364 129 038 132 728 142 978 151 927 155 528 156 752 149 735 149 253 146 150 140 665 142 664 144 843 152 244 157 698 166 879 152 577 160 648 177 516 189 942 189 182 182 183 192 931 192 160 204 843 204 433 355 334 374 715 386 495 402 327 429 335 457 615 475 609 512 754 539 756 553 915 591 792 621 094 645 203 662 526 709 498 744 892 781 429 815 031 866 665 925 041 990 990 1 050 692 1 118 521 1 209 969 1 285 240 1 324 638 1 398 124 1 463 153 1 524 191 1 628 061 1 722 570 1 728 257 1 708 298 1 660 164 1 725 338 1 782 514 1 860 963 1 924 001 1 936 851 1 956 548 1 961 787 2 040 047 2 107 718 2 184 924 2 301 164 2 327 753 2 408 994 2 539 749 2 594 017 Anhang C Tabelle C2.b BIP in 15 lateinamerikanischen Ländern, jährliche Schätzungen, 1950-1998 (in Mio. internationalen Geary-Khamis-Dollar von 1990) Jahr Bolivien 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 5 309 5 683 5 855 5 301 5 412 5 698 5 360 5 183 5 306 5 289 5 516 5 631 5 945 6 327 6 632 6 958 7 461 7 928 8 604 8 989 9 459 9 820 10 321 11 030 11 598 12 364 13 118 13 670 14 128 14 125 13 995 14 124 13 508 12 905 13 034 12 943 12 530 12 858 13 348 13 735 14 446 15 226 15 485 16 135 16 910 17 705 17 670 18 394 19 241 Costa Rica Kuba Dominik. Republik Ecuador 1 702 1 747 1 958 2 256 2 275 2 538 2 466 2 676 3 007 3 118 3 389 3 530 3 746 4 067 4 265 4 651 5 013 5 320 5 730 6 111 6 515 6 945 7 556 8 145 8 583 8 755 9 231 10 055 10 677 11 207 11 290 11 035 10 266 10 551 11 379 11 475 12 107 12 683 13 114 13 867 14 370 14 686 15 729 16 641 17 357 17 739 17 650 18 268 19 272 19 613 19 829 20 045 20 281 20 495 20 731 20 966 21 202 21 438 21 672 21 908 22 222 22 556 22 888 23 241 23 595 23 928 24 301 24 653 25 026 25 399 24 046 23 281 29 165 25 870 24 811 25 125 25 458 25 792 25 811 25 850 26 851 28 204 29 754 31 969 33 284 32 538 30 930 32 029 32 048 31 087 27 481 24 238 21 039 21 039 21 417 22 981 23 555 23 909 2 416 2 701 2 921 2 884 3 049 3 237 3 562 3 787 3 989 4 012 4 209 4 114 4 815 5 129 5 472 4 791 5 434 5 617 5 628 6 244 6 906 7 637 8 581 9 617 10 171 10 659 11 377 11 930 12 207 12 733 13 511 14 069 14 324 14 959 14 999 14 620 15 057 16 189 16 300 18 377 17 503 17 643 18 772 19 148 19 971 20 870 22 289 23 871 25 304 6 278 6 346 7 129 7 279 7 867 8 074 8 373 8 751 9 007 9 490 10 106 10 360 10 911 11 189 11 977 13 131 13 475 14 188 14 973 15 792 16 899 17 872 18 972 21 337 22 585 23 772 26 075 27 731 29 664 31 274 32 706 34 041 34 421 33 702 35 081 36 570 37 648 35 288 39 060 39 123 40 267 42 280 43 549 44 507 46 465 47 859 48 960 50 869 51 378 315 El Salvador 2 888 2 945 3 166 3 392 3 431 3 608 3 891 4 098 4 187 4 375 4 553 4 713 5 276 5 504 6 017 6 340 6 794 7 164 7 396 7 653 7 881 8 245 8 712 9 084 9 675 10 193 10 572 11 189 11 935 11 744 10 748 9 869 9 324 9 386 9 595 9 819 9 926 10 193 10 384 10 491 10 805 11 108 11 918 12 681 13 442 14 275 14 532 15 143 15 627 Guatemala Haiti 6 190 6 277 6 408 6 643 6 767 6 934 7 565 7 992 8 365 8 778 8 992 9 378 9 709 10 635 11 128 11 613 12 255 12 757 13 877 14 532 15 364 16 221 17 412 18 593 19 779 20 164 21 654 23 344 24 511 25 667 26 632 26 804 25 858 25 193 25 321 25 167 25 199 26 094 27 110 28 179 29 050 30 125 31 601 32 865 34 212 35 923 37 001 38 592 40 522 3 254 3 302 3 489 3 378 3 654 3 507 3 814 3 587 3 871 3 688 3 926 3 767 4 128 3 860 3 772 3 813 3 790 3 713 3 860 3 986 4 174 4 445 4 603 4 810 5 114 4 995 5 422 5 448 5 710 6 127 6 591 6 410 6 191 6 238 6 256 6 269 6 261 6 214 6 263 6 329 6 323 6 329 5 456 5 336 4 893 5 138 5 281 5 361 5 532 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle C2.b BIP in 15 lateinamerikanischen Ländern, jährliche Schätzungen, 1950-1998 (in Mio. internationalen Geary-Khamis-Dollar von 1990) Jahr Honduras Jamaika Nicaragua Panama Paraguay Puerto Rico Trinidad & Tobago Insgesamt 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1 880 1 982 2 058 2 220 2 094 2 149 2 322 2 429 2 506 2 569 2 728 2 798 2 959 3 069 3 229 3 509 3 713 3 922 4 154 4 187 4 296 4 462 4 635 4 866 4 826 4 949 5 467 6 047 6 662 6 976 7 014 7 196 7 078 7 030 7 312 7 640 7 710 8 167 8 571 8 894 8 898 9 138 9 668 10 355 10 158 10 534 10 934 11 481 11 929 1 837 1 985 2 145 2 446 2 727 3 008 3 307 3 789 3 849 4 064 4 330 4 453 4 533 4 681 5 050 5 456 5 695 5 915 6 218 6 681 7 481 7 481 7 706 8 411 8 095 8 093 7 603 7 443 7 496 7 363 6 957 7 142 7 237 7 405 7 343 7 003 7 119 7 668 7 889 8 428 8 890 8 917 9 140 9 304 9 481 9 642 9 594 9 373 9 308 1 774 1 894 2 215 2 268 2 480 2 646 2 645 2 868 2 877 2 920 2 960 3 182 3 529 3 912 4 370 4 786 4 944 5 288 5 360 5 716 5 771 6 055 6 248 6 566 7 505 7 493 7 880 8 556 7 884 5 785 6 043 6 367 6 312 6 609 6 474 6 204 6 077 6 035 5 367 5 296 5 297 5 281 5 323 5 302 5 514 5 762 6 050 6 383 6 651 1 710 1 695 1 787 1 895 1 963 2 077 2 185 2 414 2 432 2 589 2 744 3 040 3 295 3 606 3 761 4 091 4 395 4 762 5 109 5 507 5 839 6 312 6 645 7 052 7 221 7 338 7 458 7 546 8 285 8 651 9 961 10 367 10 939 11 013 10 963 11 480 11 857 12 150 10 256 10 215 10 688 11 650 12 605 13 273 13 685 13 945 14 321 15 009 15 609 2 338 2 383 2 343 2 410 2 452 2 564 2 672 2 795 2 952 2 944 2 970 3 111 3 330 3 421 3 569 3 773 3 815 4 058 4 202 4 365 4 636 4 839 5 088 5 487 5 945 6 328 6 758 7 478 8 297 9 215 10 549 11 458 11 058 10 724 11 061 11 501 11 486 11 988 12 764 13 509 13 923 14 271 14 514 15 094 15 547 16 247 16 425 16 820 16 719 4 755 4 929 5 214 5 445 5 669 5 961 6 388 6 708 6 901 7 521 8 066 8 835 9 500 10 488 11 232 12 254 13 119 13 944 14 606 15 899 17 280 18 375 19 732 20 908 20 919 20 388 21 464 22 867 24 379 25 868 26 263 26 544 25 734 25 855 27 747 28 319 30 630 32 136 34 228 35 919 37 277 38 136 39 877 41 729 43 475 45 453 46 706 48 882 51 159 2 322 2 526 2 612 2 682 2 730 3 111 3 756 4 088 4 423 4 692 5 258 5 488 5 781 6 076 6 283 6 603 6 891 7 035 7 400 7 604 7 873 7 954 8 414 8 553 9 011 9 181 10 059 10 698 11 947 12 500 13 501 14 096 13 271 12 231 12 967 12 436 12 028 11 473 11 027 10 937 11 110 11 499 11 372 11 236 11 708 12 188 12 675 13 208 13 683 64 266 66 224 69 345 70 780 73 065 75 843 79 272 82 367 85 110 87 721 91 655 94 622 100 013 104 852 109 998 115 364 120 722 125 912 131 770 138 292 145 773 150 709 157 906 173 624 176 897 179 483 189 263 199 460 209 574 215 046 221 611 226 373 223 725 223 555 231 501 234 730 238 173 240 066 247 710 255 347 259 934 263 770 269 247 274 645 283 857 294 697 303 069 315 209 325 843 316 Anhang C Tabelle C2.b BIP in 44 lateinamerikanischen Ländern, jährliche Schätzungen, 1950-1998 (in Mio. internationalen Geary-Khamis-Dollar von 1990) Jahr 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 8 Kernländer insgesamt 355 334 374 715 386 495 402 327 429 335 457 615 475 609 512 754 539 756 553 915 591 792 621 094 645 203 662 526 709 498 744 892 781 429 815 031 866 665 925 041 990 990 1 050 692 1 118 521 1 209 969 1 285 240 1 324 638 1 398 124 1 463 153 1 524 191 1 628 061 1 722 570 1 728 257 1 708 298 1 660 164 1 725 338 1 782 514 1 860 963 1 924 001 1 936 851 1 956 548 1 961 787 2 040 047 2 107 718 2 184 924 2 301 164 2 327 753 2 408 994 2 539 749 2 594 017 15 Länder insgesamt 64 266 66 224 69 345 70 780 73 065 75 843 79 272 82 367 85 110 87 721 91 655 94 622 100 013 104 852 109 998 115 364 120 722 125 912 131 770 138 292 145 773 150 709 157 906 173 624 176 897 179 483 189 263 199 460 209 574 215 046 221 611 226 373 223 725 223 555 231 501 234 730 238 173 240 066 247 710 255 347 259 934 263 770 269 247 274 645 283 857 294 697 303 069 315 209 325 843 317 21 kleine karibische Länder insgesamt 3 956 4 180 4 418 4 670 4 935 5 215 5 512 5 825 6 156 6 506 6 876 7 266 7 679 8 116 8 577 9 064 9 579 10 124 10 699 11 307 11 950 12 629 13 347 14 105 14 295 14 487 14 682 14 880 15 081 15 284 15 489 15 698 15 909 16 124 16 341 16 561 16 784 17 010 17 239 17 471 17 706 18 167 18 640 19 126 19 624 20 135 20 659 21 197 21 749 44 Länder insgesamt 423 556 445 119 460 258 477 777 507 335 538 673 560 393 600 946 631 022 648 142 690 323 722 982 752 895 775 494 828 073 869 320 911 730 951 067 1 009 134 1 074 640 1 148 713 1 214 030 1 289 774 1 397 698 1 476 432 1 518 608 1 602 069 1 677 493 1 748 846 1 858 391 1 959 670 1 970 328 1 947 932 1 899 843 1 973 180 2 033 805 2 115 920 2 181 077 2 201 800 2 229 366 2 239 427 2 321 984 2 395 605 2 478 695 2 604 645 2 642 585 2 732 722 2 876 155 2 941 609 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle C2.c Pro-Kopf-BIP in 8 lateinamerikanischen Ländern, jährliche Schätzungen, 1950-1998 (in internationalen Geary-Khamis-Dollar von 1990) Jahr 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 Argentinien Brasilien 4 987 5 073 4 717 4 874 4 980 5 237 5 285 5 461 5 698 5 241 5 559 5 862 5 677 5 455 5 926 6 371 6 321 6 399 6 578 7 037 7 302 7 533 7 642 7 973 8 350 8 142 7 988 8 332 7 837 8 262 8 245 7 646 7 290 7 437 7 485 6 894 7 292 7 373 7 132 6 597 6 512 7 066 7 592 7 930 8 477 8 104 8 351 8 903 9 219 1 672 1 702 1 752 1 784 1 848 1 926 1 896 1 994 2 111 2 221 2 335 2 437 2 511 2 463 2 472 2 448 2 527 2 554 2 704 2 860 3 057 3 279 3 539 3 882 4 083 4 190 4 472 4 568 4 682 4 893 5 199 4 853 4 766 4 501 4 647 4 918 5 206 5 274 5 159 5 228 4 924 4 895 4 803 4 943 5 171 5 310 5 387 5 518 5 459 Chile 3 821 3 883 4 024 4 159 4 101 4 016 3 954 4 269 4 282 4 155 4 320 4 418 4 518 4 694 4 693 4 631 5 042 5 105 5 188 5 281 5 293 5 663 5 492 5 093 5 050 4 323 4 398 4 755 5 069 5 407 5 738 5 956 5 017 4 898 5 125 5 168 5 375 5 590 5 901 6 377 6 402 6 753 7 374 7 738 8 010 8 612 9 080 9 587 9 757 Kolumbien 2 153 2 150 2 214 2 277 2 358 2 373 2 391 2 400 2 383 2 473 2 497 2 540 2 594 2 597 2 675 2 689 2 750 2 784 2 874 2 976 3 094 3 194 3 355 3 499 3 618 3 622 3 716 3 797 4 047 4 184 4 265 4 263 4 212 4 185 4 239 4 282 4 445 4 582 4 668 4 721 4 822 4 805 4 895 5 016 5 227 5 401 5 406 5 382 5 317 Mexiko 2 365 2 477 2 504 2 439 2 605 2 742 2 843 2 965 3 025 3 016 3 155 3 172 3 211 3 343 3 594 3 702 3 813 3 922 4 073 4 185 4 320 4 363 4 597 4 845 5 003 5 146 5 228 5 275 5 573 5 941 6 289 6 683 6 488 6 079 6 170 6 212 5 857 5 845 5 797 5 920 6 097 6 230 6 331 6 331 6 486 5 973 6 166 6 464 6 655 318 Peru 2 263 2 385 2 473 2 539 2 634 2 689 2 731 2 836 2 746 2 768 3 023 3 154 3 321 3 345 3 462 3 532 3 723 3 757 3 666 3 698 3 807 3 857 3 858 3 952 4 200 4 226 4 195 4 103 4 008 4 131 4 205 4 283 4 176 3 559 3 633 3 631 3 879 4 103 3 680 3 183 2 955 2 960 2 868 2 965 3 296 3 504 3 511 3 736 3 666 Uruguay 4 659 4 955 4 957 5 139 5 391 5 352 5 360 5 333 5 402 4 860 4 960 5 036 4 858 4 820 4 858 4 860 4 974 4 721 4 747 4 991 5 184 5 130 4 945 4 974 5 123 5 421 5 608 5 639 5 903 6 234 6 577 6 668 6 000 5 614 5 520 5 567 6 023 6 461 6 422 6 462 6 474 6 614 7 055 7 223 7 566 7 363 7 677 8 006 8 315 Venezuela 7 462 7 663 7 992 7 956 8 417 8 750 9 124 10 058 9 816 9 997 9 646 9 002 9 058 9 134 9 562 9 841 9 677 9 922 10 249 10 262 10 672 10 446 10 245 10 625 10 507 10 472 10 929 11 251 11 164 10 920 10 139 9 841 9 356 8 745 8 623 8 521 8 725 8 805 9 080 8 094 8 313 8 965 9 373 9 137 8 618 8 947 8 741 9 146 8 965 Durchschnitt 2 700 2 770 2 779 2 814 2 921 3 027 3 059 3 205 3 278 3 269 3 392 3 460 3 494 3 488 3 632 3 708 3 784 3 841 3 976 4 131 4 309 4 450 4 618 4 873 5 050 5 081 5 237 5 355 5 452 5 693 5 889 5 776 5 581 5 308 5 405 5 475 5 602 5 677 5 603 5 551 5 465 5 583 5 668 5 775 5 980 5 949 6 058 6 287 6 324 Anhang C Tabelle C2.c Pro-Kopf-BIP in 15 lateinamerikanischen Ländern, jährliche Schätzungen, 1950-1998 (in internationalen Geary-Khamis-Dollar von 1990) Jahr Bolivien Costa Rica Kuba Dominik. Republik Ecuador El Salvador Guatemala Haiti 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1 919 2 013 2 031 1 800 1 799 1 853 1 706 1 614 1 616 1 575 1 606 1 603 1 654 1 720 1 762 1 806 1 891 1 962 2 079 2 120 2 176 2 204 2 260 2 357 2 418 2 516 2 610 2 666 2 700 2 647 2 573 2 547 2 390 2 239 2 218 2 160 2 050 2 063 2 099 2 117 2 182 2 254 2 246 2 289 2 348 2 406 2 352 2 398 2 458 1 963 1 951 2 114 2 353 2 289 2 460 2 301 2 406 2 605 2 598 2 715 2 723 2 785 2 919 2 961 3 127 3 258 3 349 3 497 3 622 3 754 3 889 4 118 4 319 4 428 4 392 4 500 4 760 4 859 4 945 4 894 4 664 4 217 4 210 4 432 4 346 4 457 4 541 4 569 4 706 4 754 4 741 4 958 5 127 5 230 5 231 5 097 5 169 5 346 3 390 3 366 3 336 3 309 3 277 3 249 3 219 3 193 3 170 3 140 3 118 3 115 3 109 3 087 3 053 3 021 2 997 2 986 2 976 2 972 2 973 2 774 2 636 3 240 2 826 2 671 2 667 2 669 2 677 2 658 2 678 2 765 2 881 3 010 3 203 3 302 3 202 3 021 3 099 3 070 2 948 2 582 2 260 1 950 1 940 1 965 2 098 2 141 2 164 1 045 1 137 1 195 1 145 1 174 1 206 1 282 1 318 1 344 1 310 1 332 1 276 1 433 1 478 1 525 1 290 1 412 1 411 1 368 1 471 1 579 1 694 1 848 2 012 2 069 2 110 2 191 2 237 2 231 2 269 2 372 2 415 2 405 2 458 2 414 2 305 2 326 2 452 2 420 2 676 2 501 2 476 2 588 2 597 2 667 2 742 2 880 3 034 3 163 1 897 1 865 2 038 2 024 2 127 2 121 2 137 2 169 2 168 2 217 2 290 2 276 2 324 2 309 2 395 2 544 2 528 2 578 2 635 2 693 2 793 2 864 2 950 3 219 3 307 3 378 3 600 3 720 3 867 3 962 4 026 4 071 4 000 3 816 3 876 3 945 3 970 3 640 3 944 3 870 3 906 3 997 4 013 4 002 4 083 4 116 4 125 4 202 4 165 1 489 1 481 1 551 1 617 1 591 1 627 1 704 1 743 1 729 1 752 1 769 1 774 1 927 1 948 2 066 2 110 2 182 2 227 2 221 2 218 2 199 2 236 2 313 2 358 2 453 2 522 2 551 2 633 2 737 2 627 2 374 2 205 2 103 2 096 2 112 2 127 2 111 2 128 2 129 2 115 2 143 2 168 2 287 2 392 2 493 2 604 2 608 2 675 2 717 2 085 2 054 2 037 2 051 2 029 2 019 2 140 2 195 2 231 2 274 2 262 2 293 2 307 2 457 2 499 2 535 2 601 2 632 2 782 2 831 2 906 2 975 3 097 3 205 3 304 3 264 3 397 3 547 3 609 3 662 3 683 3 580 3 354 3 190 3 119 3 014 2 933 2 950 2 978 3 009 3 016 3 043 3 105 3 141 3 180 3 248 3 254 3 302 3 375 1 051 1 049 1 090 1 037 1 102 1 039 1 108 1 023 1 082 1 011 1 055 991 1 064 974 931 922 897 860 875 884 906 955 979 1 013 1 066 1 032 1 111 1 106 1 149 1 221 1 304 1 259 1 202 1 189 1 168 1 146 1 120 1 089 1 075 1 066 1 045 1 032 878 846 765 792 802 803 816 319 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle C2.c Pro-Kopf-BIP in 15 lateinamerikanischen Ländern, jährliche Schätzungen, 1950-1998 (in internationalen Geary-Khamis-Dollar von 1990) Jahr Honduras Jamaika Nicaragua Panama Paraguay Puerto Rico 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1 313 1 344 1 356 1 421 1 300 1 293 1 354 1 372 1 370 1 360 1 398 1 387 1 421 1 427 1 452 1 526 1 563 1 599 1 639 1 599 1 601 1 613 1 618 1 642 1 574 1 571 1 689 1 818 1 945 1 982 1 935 1 922 1 840 1 781 1 804 1 835 1 803 1 861 1 916 1 932 1 877 1 873 1 925 2 006 1 915 1 935 1 958 2 006 2 035 1 327 1 412 1 504 1 691 1 858 2 020 2 190 2 468 2 458 2 541 2 654 2 702 2 722 2 757 2 904 3 070 3 129 3 178 3 284 3 480 3 849 3 803 3 858 4 130 3 908 3 845 3 564 3 451 3 439 3 336 3 121 3 162 3 150 3 188 3 128 2 952 2 972 3 176 3 247 3 445 3 605 3 584 3 643 3 679 3 716 3 746 3 697 3 584 3 533 1 616 1 674 1 900 1 888 2 002 2 072 2 008 2 111 2 052 2 019 1 983 2 065 2 219 2 382 2 578 2 734 2 736 2 835 2 783 2 875 2 812 2 856 2 867 2 929 3 248 3 144 3 205 3 373 3 047 2 172 2 177 2 219 2 144 2 194 2 100 1 968 1 885 1 828 1 585 1 522 1 475 1 424 1 394 1 347 1 359 1 377 1 401 1 434 1 451 1 916 1 851 1 901 1 969 1 993 2 055 2 108 2 270 2 241 2 322 2 391 2 574 2 710 2 882 2 920 3 085 3 219 3 388 3 531 3 699 3 814 4 012 4 111 4 250 4 232 4 198 4 167 4 102 4 424 4 518 5 091 5 194 5 372 5 301 5 172 5 306 5 370 5 394 4 465 4 361 4 476 4 786 5 083 5 259 5 332 5 345 5 402 5 572 5 705 1 584 1 573 1 506 1 509 1 495 1 523 1 547 1 578 1 625 1 581 1 555 1 588 1 657 1 659 1 687 1 739 1 712 1 774 1 789 1 810 1 872 1 902 1 946 2 038 2 144 2 220 2 315 2 506 2 719 2 954 3 304 3 498 3 285 3 097 3 104 3 135 3 042 3 085 3 191 3 282 3 287 3 274 3 237 3 273 3 278 3 332 3 277 3 266 3 160 2 144 2 205 2 341 2 471 2 561 2 649 2 840 2 968 3 002 3 239 3 421 3 677 3 881 4 201 4 401 4 719 4 993 5 264 5 463 5 840 6 349 6 642 6 930 7 302 7 247 6 946 7 093 7 422 7 819 8 164 8 183 8 195 7 848 7 797 8 283 8 373 8 974 9 330 9 850 10 246 10 539 10 678 11 065 11 453 11 791 12 183 12 347 12 769 13 253 320 Trinidad Durchschnitt & Tobago 3 674 3 894 3 941 3 954 3 914 4 316 5 059 5 344 5 609 5 743 6 251 6 371 6 514 6 718 6 801 7 030 7 234 7 327 7 684 7 897 8 244 8 272 8 628 8 685 9 053 9 118 9 847 10 296 11 319 11 649 12 380 12 794 11 888 10 794 11 273 10 664 10 192 9 631 9 202 9 112 9 271 9 630 9 586 9 550 10 038 10 550 11 087 11 685 12 254 1 997 2 012 2 061 2 058 2 075 2 101 2 144 2 174 2 190 2 201 2 242 2 260 2 327 2 376 2 425 2 475 2 522 2 563 2 616 2 677 2 756 2 783 2 846 3 056 3 041 3 015 3 107 3 202 3 294 3 309 3 352 3 361 3 260 3 195 3 243 3 223 3 205 3 168 3 206 3 240 3 234 3 217 3 220 3 222 3 268 3 330 3 362 3 434 3 487 Anhang C Tabelle C2.c Durchschnittliches Pro-Kopf-BIP in 44 lateinamerikanischen Ländern, jährliche Schätzungen, 1950-1998 (in internationalen Geary-Khamis-Dollar von 1990) Jahr 8 Kernländer insgesamt 15 Länder insgesamt 21 kleine karibische Länder insgesamt 44 Länder insgesamt 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 2 700 2 770 2 779 2 814 2 921 3 027 3 059 3 205 3 278 3 269 3 392 3 460 3 494 3 488 3 632 3 708 3 784 3 841 3 976 4 131 4 309 4 450 4 618 4 873 5 050 5 081 5 237 5 355 5 452 5 693 5 889 5 776 5 581 5 308 5 405 5 475 5 602 5 677 5 603 5 551 5 465 5 583 5 668 5 775 5 980 5 949 6 058 6 287 6 324 1 997 2 012 2 061 2 058 2 075 2 101 2 144 2 174 2 190 2 201 2 242 2 260 2 327 2 376 2 425 2 475 2 522 2 563 2 616 2 677 2 756 2 783 2 846 3 056 3 041 3 015 3 107 3 202 3 294 3 309 3 352 3 361 3 260 3 195 3 243 3 223 3 205 3 168 3 206 3 240 3 234 3 217 3 220 3 222 3 268 3 330 3 362 3 434 3 487 1 919 1 980 2 044 2 112 2 177 2 245 2 318 2 392 2 468 2 546 2 630 2 730 2 833 2 918 3 019 3 126 3 237 3 359 3 484 3 623 3 777 3 929 4 090 4 264 4 280 4 328 4 383 4 423 4 458 4 499 4 542 4 571 4 593 4 615 4 633 4 651 4 671 4 696 4 719 4 742 4 752 4 834 4 918 5 002 5 089 5 177 5 267 5 360 5 451 2 554 2 614 2 632 2 661 2 750 2 841 2 876 3 000 3 063 3 059 3 167 3 227 3 268 3 274 3 400 3 472 3 543 3 598 3 718 3 856 4 016 4 137 4 286 4 531 4 672 4 693 4 837 4 950 5 046 5 244 5 413 5 325 5 151 4 919 5 007 5 059 5 159 5 214 5 161 5 126 5 055 5 147 5 216 5 303 5 477 5 464 5 557 5 755 5 795 321 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle C3.a Bevölkerung von 16 ostasiatischen Ländern, jährliche Schätzungen, 1950-1999 (in Tausend zur Jahresmitte) Jahr 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 China 546 815 557 480 568 910 581 390 595 310 608 655 621 465 637 408 653 235 666 005 667 070 660 330 665 770 682 335 698 355 715 185 735 400 754 550 774 510 796 025 818 315 841 105 862 030 881 940 900 350 916 395 930 685 943 455 956 165 969 005 981 235 993 861 1 000 281 1 023 288 1 036 825 1 051 040 1 066 790 1 084 035 1 101 630 1 118 650 1 135 185 1 150 780 1 164 970 1 178 440 1 191 835 1 204 855 1 217 550 1 230 075 1 242 700 1 252 704 Indien Indonesien Japan Philippinen Südkorea Thailand Taiwan 359 000 365 000 372 000 379 000 386 000 393 000 401 000 409 000 418 000 426 000 434 000 444 000 454 000 464 000 474 000 485 000 495 000 506 000 518 000 529 000 541 000 554 000 567 000 580 000 593 000 607 000 620 000 634 000 648 000 664 000 679 000 692 000 708 000 723 000 739 000 755 000 771 000 788 000 805 000 822 000 839 000 856 000 872 000 891 000 908 000 927 000 943 000 959 000 975 000 991 691 79 043 80 525 82 052 83 611 85 196 86 807 88 456 90 124 91 821 93 565 95 254 97 085 99 028 101 009 103 031 105 093 107 197 109 343 111 532 113 765 116 044 118 368 121 282 124 271 127 338 130 485 133 713 137 026 140 425 143 912 147 490 150 657 153 894 157 204 160 588 164 047 166 976 169 959 172 999 176 094 179 248 182 223 185 259 188 359 191 524 194 755 198 025 201 350 204 390 207 429 83 563 84 974 86 293 87 463 88 752 89 790 90 727 91 513 92 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482 45 991 46 430 46 898 20 042 20 653 21 289 21 964 22 685 23 451 24 244 25 042 25 845 26 667 27 513 28 376 29 263 30 174 31 107 32 062 33 036 34 024 35 028 36 050 37 091 38 202 39 276 40 302 41 306 42 272 43 221 44 148 45 057 46 004 47 026 47 924 48 802 49 655 50 481 51 275 52 048 52 813 53 571 54 317 55 052 55 702 56 348 56 988 57 620 58 241 58 851 59 451 60 037 60 609 7 882 8 255 8 541 8 822 9 134 9 480 9 823 10 133 10 460 10 806 11 155 11 510 11 857 12 210 12 570 12 928 13 283 13 617 13 945 14 264 14 565 14 865 15 142 15 427 15 709 16 001 16 329 16 661 16 974 17 308 17 642 17 970 18 297 18 596 18 873 19 136 19 357 19 564 19 788 20 006 20 230 20 460 20 660 20 850 21 040 21 220 21 390 21 580 21 780 21 984 322 Anhang C Tabelle C3.a Bevölkerung von 16 ostasiatischen Ländern, jährliche Schätzungen, 1950-1999 (in Tausend zur Jahresmitte) Jahr Bangladesch Birma Hongkong Malaysia Nepal Pakistan Singapur Sri Lanka Insgesamt 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 45 646 46 152 46 887 47 660 48 603 49 602 50 478 51 365 52 399 53 485 54 622 55 741 56 839 58 226 59 403 60 332 61 548 62 822 64 133 65 483 67 403 69 227 70 759 72 471 74 679 76 253 77 928 80 428 82 936 85 492 88 077 90 666 93 074 95 384 97 612 99 753 101 769 103 764 105 771 107 807 109 897 111 936 113 711 115 453 117 283 119 188 121 140 123 112 125 105 127 118 19 488 19 788 20 093 20 403 20 721 21 049 21 385 21 732 22 088 22 456 22 836 23 229 23 634 24 053 24 486 24 933 25 394 25 870 26 362 26 867 27 386 27 919 28 466 29 227 29 828 30 445 31 080 31 735 32 404 33 081 33 766 34 460 35 162 35 873 36 592 37 319 38 055 38 800 39 551 40 308 41 068 41 834 42 607 43 385 44 169 44 955 45 741 46 525 47 305 48 081 2 237 2 015 2 126 2 242 2 365 2 490 2 615 2 736 2 854 2 967 3 075 3 168 3 305 3 421 3 505 3 598 3 630 3 723 3 803 3 864 3 959 4 045 4 116 4 213 4 320 4 396 4 518 4 584 4 668 4 930 5 063 5 183 5 265 5 345 5 398 5 456 5 525 5 585 5 628 5 661 5 704 5 750 5 800 5 900 6 040 6 160 6 310 6 500 6 690 6 830 6 434 6 582 6 742 6 929 7 118 7 312 7 520 7 739 7 966 8 196 8 428 8 663 8 906 9 148 9 397 9 648 9 900 10 155 10 409 10 662 10 910 11 171 11 441 11 712 11 986 12 267 12 554 12 845 13 139 13 444 13 764 14 097 14 442 14 794 15 158 15 546 15 943 16 334 16 732 17 121 17 507 17 911 18 324 18 753 19 184 19 615 20 052 20 491 20 933 21 376 8 990 9 086 9 183 9 280 9 379 9 479 9 580 9 682 9 789 9 906 10 035 10 176 10 332 10 500 10 677 10 862 11 057 11 262 11 473 11 692 11 919 12 155 12 413 12 685 12 973 12 278 13 599 13 933 14 280 14 641 15 016 15 403 15 796 16 200 16 613 17 037 17 472 17 918 18 376 18 848 19 333 19 831 20 345 20 874 21 414 21 966 22 530 23 107 23 698 24 303 39 448 40 382 41 347 42 342 43 372 44 434 45 536 46 680 47 869 49 104 50 387 51 719 53 101 54 524 55 988 57 495 59 046 60 642 62 282 63 970 65 706 67 491 69 326 71 121 72 912 74 712 76 456 78 153 80 051 82 374 85 219 88 417 91 257 93 720 96 284 99 053 101 953 104 887 107 846 110 848 113 914 116 909 118 852 120 853 123 668 126 404 129 276 132 185 135 135 138 123 1 022 1 068 1 127 1 192 1 248 1 306 1 372 1 446 1 519 1 587 1 646 1 702 1 750 1 795 1 842 1 887 1 934 1 978 2 012 2 043 2 075 2 113 2 152 2 193 2 230 2 263 2 293 2 325 2 354 2 384 2 414 2 470 2 528 2 586 2 644 2 703 2 763 2 824 2 893 2 966 3 039 3 096 3 152 3 209 3 268 3 326 3 383 3 441 3 490 3 532 7 533 7 752 7 982 8 221 8 457 8 679 8 898 9 129 9 362 9 610 9 879 10 152 10 422 10 687 10 942 11 202 11 470 11 737 12 010 12 275 12 532 12 776 13 017 13 246 13 450 13 660 13 887 14 117 14 371 14 649 14 900 15 152 15 410 15 618 15 810 16 021 16 256 16 495 16 735 16 971 17 193 17 391 17 587 17 823 18 066 18 290 18 508 18 721 18 934 19 154 1 269 120 1 292 365 1 317 963 1 344 708 1 373 435 1 401 651 1 430 446 1 462 431 1 495 698 1 525 282 1 543 294 1 555 798 1 580 785 1 617 371 1 653 379 1 691 130 1 731 480 1 772 120 1 814 876 1 858 312 1 904 160 1 951 798 1 998 043 2 043 635 2 088 198 2 129 675 2 170 585 2 210 702 2 251 069 2 294 318 2 336 628 2 377 056 2 413 737 2 465 512 2 508 720 2 552 726 2 597 796 2 645 292 2 693 205 2 740 695 2 787 816 2 833 547 2 875 692 2 920 320 2 963 878 3 009 423 3 051 583 3 093 799 3 135 839 3 175 945 323 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle C3.a Bevölkerung von 25 ostasiatischen Ländern, jährliche Schätzungen, 1950-1998 (in Tausend zur Jahresmitte) Jahr Afghanistan 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 8 150 8 284 8 425 8 573 8 728 8 891 9 062 9 241 9 429 9 625 9 829 10 043 10 267 10 501 10 744 10 998 11 262 11 538 11 825 12 123 12 431 12 749 13 079 13 421 13 772 14 132 14 501 14 880 15 269 15 556 14 985 14 087 13 645 13 709 13 826 13 898 13 937 14 074 14 332 14 646 14 767 14 964 16 624 18 888 20 382 21 571 22 664 23 738 24 792 Kambodscha 4 163 4 266 4 371 4 478 4 589 4 702 4 827 4 956 5 088 5 224 5 364 5 511 5 761 5 919 6 079 6 242 6 408 6 578 6 752 6 931 6 996 7 018 7 112 7 202 7 287 7 179 6 906 6 669 6 460 6 393 6 499 6 681 6 903 7 143 7 286 7 399 7 621 7 883 8 153 8 431 8 717 9 012 9 403 9 858 10 210 10 491 10 773 11 055 11 340 Laos Mongolei Nordkorea Vietnam 19 kleine Länder Insgesamt 1 886 1 921 1 957 1 995 2 035 2 077 2 121 2 166 2 213 2 261 2 309 2 359 2 409 2 460 2 512 2 565 2 619 2 674 2 730 2 787 2 845 2 904 2 964 3 027 3 092 3 161 3 176 3 208 3 248 3 268 3 293 3 337 3 411 3 495 3 577 3 657 3 753 3 853 3 960 4 073 4 191 4 314 4 440 4 569 4 702 4 837 4 976 5 117 5 261 779 789 801 814 828 844 862 882 904 929 955 982 1 010 1 031 1 061 1 090 1 119 1 150 1 181 1 214 1 248 1 283 1 321 1 360 1 403 1 446 1 487 1 528 1 572 1 617 1 662 1 709 1 756 1 805 1 856 1 908 1 961 2 015 2 071 2 159 2 216 2 271 2 320 2 366 2 410 2 454 2 497 2 538 2 579 9 471 9 162 8 865 8 580 8 572 8 839 9 116 9 411 9 727 10 054 10 392 10 651 10 917 11 210 11 528 11 869 12 232 12 617 13 024 13 455 13 912 14 365 14 781 15 161 15 501 15 801 16 069 16 325 16 580 16 840 17 114 17 384 17 648 17 918 18 196 18 481 18 772 19 068 19 371 19 688 20 019 20 361 20 711 21 064 21 361 21 551 21 512 21 334 21 234 25 348 25 794 26 247 26 724 27 210 27 738 28 327 28 999 29 775 30 683 31 656 32 701 33 796 34 933 36 099 37 258 38 379 39 464 40 512 41 542 42 577 43 614 44 655 45 737 46 902 48 075 49 273 50 534 51 663 52 668 53 661 54 792 55 972 57 205 58 466 59 730 61 006 62 320 63 630 64 906 66 315 67 684 69 021 70 344 71 617 72 815 73 977 75 124 76 236 3 411 3 493 3 577 3 662 3 750 3 840 3 932 4 027 4 123 4 222 4 323 4 427 4 533 4 642 4 754 4 868 4 984 5 104 5 226 5 352 5 480 5 612 5 746 5 884 6 023 6 165 6 311 6 460 6 613 6 769 6 929 7 093 7 260 7 432 6 708 7 787 7 971 8 160 8 353 8 550 8 752 8 953 9 159 9 369 9 584 9 804 10 030 10 260 10 493 53 208 53 709 54 243 54 826 55 712 56 931 58 247 59 682 61 259 62 998 64 828 66 674 68 693 70 696 72 777 74 890 77 003 79 125 81 250 83 404 85 489 87 545 89 658 91 792 93 980 95 959 97 723 99 604 101 405 103 111 104 143 105 083 106 595 108 707 109 915 112 860 115 021 117 373 119 870 122 453 124 977 127 559 131 678 136 458 140 266 143 523 146 429 149 166 151 935 324 Anhang C Tabelle C3.a Bevölkerung von 15 westasiatischen Ländern, jährliche Schätzungen, 1950-2000 (in Tausend zur Jahresmitte) Jahr Bahrain Iran Irak Israel Jordanien Kuwait Libanon Oman Katar 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 115 118 120 123 127 130 134 139 144 150 157 164 172 179 186 191 197 202 208 214 220 225 231 239 248 259 274 297 323 336 348 363 378 393 408 424 440 455 470 486 502 517 531 546 561 576 590 603 616 629 642 16 375 16 809 17 272 17 742 18 226 18 729 19 249 19 729 20 326 20 958 21 577 22 214 22 874 23 554 24 264 25 000 25 764 26 538 27 321 28 119 28 933 29 763 30 614 31 491 32 412 33 379 34 381 35 430 36 519 37 772 39 274 40 906 42 555 44 200 45 868 47 533 49 274 50 873 52 435 53 979 55 717 57 492 58 905 59 684 60 424 61 528 62 584 63 531 64 411 65 180 65 865 5 163 5 300 5 442 5 589 5 743 5 903 6 073 6 249 6 433 6 625 6 822 7 026 7 240 7 468 7 711 7 971 8 240 8 519 8 808 9 106 9 414 9 732 10 062 10 402 10 754 11 118 11 494 11 883 12 317 12 768 13 233 13 703 14 173 14 652 15 161 15 694 16 247 16 543 17 038 17 568 18 135 17 491 17 905 18 480 19 083 19 713 20 367 21 037 21 722 22 427 23 151 1 286 1 490 1 621 1 667 1 712 1 772 1 850 1 944 2 025 2 082 2 141 2 217 2 311 2 407 2 498 2 578 2 641 2 694 2 747 2 817 2 903 2 997 3 096 3 197 3 286 3 354 3 424 3 496 3 570 3 653 3 737 3 801 3 858 3 927 4 005 4 075 4 137 4 203 4 272 4 344 4 512 4 756 4 937 5 062 5 185 5 306 5 422 5 535 5 644 5 750 5 852 561 584 608 633 659 687 716 747 779 813 849 887 934 975 1 017 1 061 1 107 1 255 1 383 1 454 1 503 1 556 1 614 1 674 1 738 1 803 1 870 1 938 2 007 2 077 2 168 2 262 2 357 2 451 2 546 2 646 2 748 2 851 2 956 3 069 3 277 3 562 3 762 3 889 3 999 4 099 4 210 4 322 4 435 4 561 4 701 145 152 160 168 177 187 197 213 235 262 292 325 358 394 433 476 523 575 632 690 748 793 842 894 948 1 007 1 072 1 140 1 214 1 292 1 370 1 432 1 497 1 566 1 637 1 720 1 799 1 880 1 962 2 045 2 131 955 1 398 1 467 1 574 1 673 1 754 1 834 1 913 1 991 2 068 1 364 1 401 1 440 1 479 1 519 1 561 1 604 1 647 1 692 1 739 1 786 1 836 1 887 1 940 1 996 2 058 2 122 2 187 2 254 2 320 2 383 2 529 2 680 2 824 2 986 3 095 3 115 3 110 3 102 3 090 3 075 3 068 3 072 3 073 3 072 3 068 3 066 3 068 3 075 3 088 3 130 3 179 3 210 3 247 3 291 3 340 3 394 3 450 3 506 3 563 3 620 489 498 508 517 528 539 550 562 573 586 599 614 628 645 662 679 697 715 735 756 779 803 829 857 884 913 956 1 005 1 059 1 116 1 175 1 238 1 301 1 363 1 424 1 482 1 538 1 594 1 652 1 712 1 773 1 843 1 915 1 989 2 059 2 131 2 206 2 283 2 364 2 447 2 533 25 27 29 31 33 35 37 39 41 43 45 49 53 58 64 70 77 85 94 103 113 122 132 142 153 165 177 189 202 216 231 242 252 284 315 345 375 402 430 457 482 505 531 558 587 615 643 670 697 724 750 325 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle C3.a Bevölkerung von 15 westasiatischen Ländern, jährliche Schätzungen, 1950-2000 (in Tausend zur Jahresmitte) Jahr Saudi-Arabien Syrien 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 3 860 3 932 4 006 4 082 4 160 4 243 4 329 4 420 4 514 4 614 4 718 4 828 4 943 5 065 5 129 5 327 5 469 5 618 5 775 5 939 6 109 6 287 6 473 6 667 6 868 7 199 7 608 8 108 8 680 9 307 9 949 10 565 11 179 11 822 12 502 13 208 13 859 14 465 15 064 15 646 15 871 16 110 16 739 17 386 18 049 18 730 19 409 20 088 20 786 21 505 22 246 3 495 3 577 3 662 3 750 3 842 3 938 4 041 4 150 4 268 4 395 4 533 4 681 4 835 4 993 5 157 5 326 5 500 5 681 5 867 6 059 6 258 6 479 6 701 6 931 7 169 7 416 7 670 7 933 8 203 8 484 8 774 9 073 9 412 9 762 10 126 10 502 10 892 11 294 11 711 12 141 12 620 13 115 13 589 14 075 14 575 15 087 15 609 16 138 16 673 17 214 17 759 Türkei Vereinigte Arabische Emirate 21 122 21 669 22 236 22 831 23 464 24 145 24 877 25 671 26 506 27 356 28 217 29 030 29 789 30 509 31 227 31 951 32 678 33 411 34 165 34 952 35 758 36 580 37 493 38 503 39 513 40 530 41 485 42 404 43 317 44 223 45 121 46 222 47 329 48 440 49 554 50 669 51 780 52 884 53 976 55 054 56 125 57 198 58 267 59 330 60 387 61 439 62 486 63 530 64 568 65 599 66 620 72 73 75 77 80 83 86 89 93 98 103 109 116 124 133 144 157 172 191 218 249 288 336 391 453 523 598 684 779 884 1 000 1 100 1 204 1 316 1 438 1 570 1 714 1 779 1 840 1 898 1 952 2 003 2 051 2 097 2 140 2 181 2 222 2 262 2 303 2 344 2 386 326 Jemen 4 461 4 546 4 635 4 726 4 820 4 916 5 024 5 134 5 247 5 363 5 483 5 597 5 715 5 834 5 956 6 079 6 186 6 294 6 405 6 516 6 628 6 771 6 916 7 077 7 241 7 409 7 629 7 847 8 068 8 295 8 527 8 768 9 018 9 278 9 551 9 842 10 149 10 476 10 823 11 192 12 023 12 889 13 379 13 892 14 395 14 862 15 349 15 857 16 388 16 942 17 521 Westbank und Gaza 1 016 1 023 1 031 1 040 1 049 1 054 1 061 1 071 1 078 1 101 1 113 1 110 1 133 1 157 1 182 1 211 1 236 1 143 1 001 1 002 1 022 1 045 1 070 1 098 1 134 1 161 1 183 1 209 1 237 1 263 1 286 1 308 1 336 1 376 1 416 1 457 1 501 1 549 1 603 1 653 1 715 1 797 1 886 1 977 2 085 2 215 2 352 2 484 2 611 2 724 2 825 Insgesamt 59 549 61 199 62 845 64 455 66 139 67 922 69 828 71 804 73 954 76 185 78 435 80 687 82 988 85 302 87 615 90 122 92 594 95 089 97 586 100 265 103 020 105 970 109 089 112 387 115 787 119 331 122 936 126 673 130 597 134 776 139 268 144 051 148 921 153 903 159 023 164 235 169 519 174 316 179 307 184 332 189 965 193 412 199 005 203 679 208 394 213 495 218 597 223 624 228 637 233 600 238 539 Anhang C Tabelle C3.a Bevölkerung in 56 asiatischen Ländern, jährliche Schätzungen, 1950-1998 (in Tausend zur Jahresmitte) Jahr 16 ostasiatische Länder 25 ostasiatische Länder 15 westasiatische Länder 56 asiatische Länder 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1 269 120 1 292 365 1 317 963 1 344 708 1 373 435 1 401 651 1 430 446 1 462 431 1 495 698 1 525 282 1 543 294 1 555 798 1 580 785 1 617 371 1 653 379 1 691 130 1 731 480 1 772 120 1 814 876 1 858 312 1 904 160 1 951 798 1 998 043 2 043 635 2 088 198 2 129 675 2 170 585 2 210 702 2 251 069 2 294 318 2 336 628 2 377 056 2 413 737 2 465 512 2 508 720 2 552 726 2 597 796 2 645 292 2 693 205 2 740 695 2 787 816 2 833 547 2 875 692 2 920 320 2 963 878 3 009 423 3 051 583 3 093 799 3 135 839 53 208 53 709 54 243 54 826 55 712 56 931 58 247 59 682 61 259 62 998 64 828 66 674 68 693 70 696 72 777 74 890 77 003 79 125 81 250 83 404 85 489 87 545 89 658 91 792 93 980 95 959 97 723 99 604 101 405 103 111 104 143 105 083 106 595 108 707 109 915 112 860 115 021 117 373 119 870 122 453 124 977 127 559 131 678 136 458 140 266 143 523 146 429 149 166 151 935 59 549 61 199 62 845 64 455 66 139 67 922 69 828 71 804 73 954 76 185 78 435 80 687 82 988 85 302 87 615 90 122 92 594 95 089 97 586 100 265 103 020 105 970 109 089 112 387 115 787 119 331 122 936 126 673 130 597 134 776 139 268 144 051 148 921 153 903 159 023 164 235 169 519 174 316 179 307 184 332 189 965 193 412 199 005 203 679 208 394 213 495 218 597 223 624 228 637 1 381 877 1 407 273 1 435 051 1 463 989 1 495 286 1 526 504 1 558 521 1 593 917 1 630 911 1 664 465 1 686 557 1 703 159 1 732 466 1 773 369 1 813 771 1 856 142 1 901 077 1 946 334 1 993 712 2 041 981 2 092 669 2 145 313 2 196 790 2 247 814 2 297 965 2 344 965 2 391 244 2 436 979 2 483 071 2 532 205 2 580 039 2 626 190 2 669 253 2 728 122 2 777 658 2 829 821 2 882 336 2 936 981 2 992 382 3 047 480 3 102 758 3 154 518 3 206 375 3 260 457 3 312 538 3 366 441 3 416 609 3 466 589 3 516 411 327 Die Weltwirtschaft: eine Millenniumsperspektive Tabelle C3.b BIP in 16 ostasiatischen Ländern, jährliche Schätzungen, 1950-1999 (in Mio. internationalen Geary-Khamis-Dollar von 1990) Jahr 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976