Restitutio Imperii? Über die Wiederentdeckung
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Restitutio Imperii? Über die Wiederentdeckung
Armin Heinen Restitutio Imperii? Über die Wiederentdeckung des Imperiumsbegriffes Vortrag anlässlich des achtzigsten Geburtstags von Klaus Schwabe (2012) Inhaltsverzeichnis 1 Problemaufriss ................................................................................................................................. 1 2 Wie lässt sich das neue Interesse an den Imperien erklären? .......................................................... 3 2.1 Die enttäuschte Hoffnung auf ein friedliches Ende der Geschichte......................................... 3 2.2 Entdeckung der globalen Ungleichzeitigkeiten und des Überlebens der alten Imperien ......... 5 2.3 Deutungsangebote: Weltgesellschaft und Global Governance, Clash of Civilizations, Imperien .......................................................................................................................................... 6 3 Legitime Machtausübung, Charisma, militärischer Erfolg, kaiserliche Größe, Gewaltherrschaft und Ausbeutung ................................................................................................................................... 7 3.1 Die Begriffsgeschichte des Wortes Imperium ......................................................................... 7 3.2 Herrschaftsraum und der Raum der Herrschaft – Wortanalyse ............................................... 9 4 Der neue Blick auf die Imperien ................................................................................................... 10 4.1 Definition: Organisation von Heterogenität in der ungleichen und ungleichzeitigen Weltgesellschaft durch eine staatliche Metropole ......................................................................... 10 4.2 Die Aufgaben, die Imperien lösen müssen............................................................................. 11 4.2.1 Der imperiale Zyklus .................................................................................................. 11 4.2.2 Das konsolidierte Imperium: Intervention, Integration und Zivilisierung ................. 12 4.2.3 Der metropolitane Diskurs: Friedensliebe, Prosperitätsversprechen, sakrale Überhöhung, die Konstruktion des Barbaren ........................................................................... 12 4.3 Typen imperialer Herrschaft: Geographie, politische Kultur und Technik ........................... 12 4.4 Zielkonflikte: Imperium, universale Werte und Demokratie ................................................. 14 5 Die EU – Subimperialismus oder originelle Antwort zur weltgesellschaftlichen Formierung der Nationalstaaten ................................................................................................................................... 15 6 Imperium – Die Hoffnung auf Ordnung und die Last der Alternativen ........................................ 16 7 Literaturverzeichnis ....................................................................................................................... 17 1 Problemaufriss Das „Imperium“, der Imperiumsbegriff ist attraktiv geworden, für die Politik, für die Medien, für 1 die Wissenschaft.1 Das Wort ist kein Schimpfwort mehr, jedenfalls kein eindeutiges. Angesichts der Unübersichtlichkeit transnationaler Verflechtungen und Beziehungsgefüge in der Gegenwart dient der Begriff inzwischen vielen Verwendungen, um heterogene Abhängigkeiten und Machtstrukturen quer zu den Kulturgrenzen zu beschreiben: etwa in der Publizistik - die deutsche Ausgabe der Monde Diplomatique wandte sich dem Thema kürzlich zu2 -, in der Literatur - man denke etwa an Christian Krachts Imperium-Roman über den Nürnberger Aussteiger August Engelhardt3 -, in der Politikwissenschaft, natürlich auch in der Historiographie. Es ist faszinierend zu sehen, wie viele Bücher zum Thema Imperium / Empire in den letzten Jahren erschienen sind. Zwar gilt, dass eher die „Realisten“ unter den Politikwissenschaftlern den Terminus verwenden als die „Konstruktivisten“. Und nicht zufällig ist Herfried Münklers bahnbrechende Studie über die Struktur des internationalen Systems einem intensiven Studium der Schriften Machiavellis geschuldet.4 Aber auch das Habsburgerreich fasziniert (wenngleich sein Status als Imperium umstritten ist), weil es ihm zumindest zeitweise gelang, ganz unterschiedliche Völker, politische Strukturen und Räume zu vereinen. (Aufschlussreich in dieser Hinsicht sind die jüngst erschienen Sammelbände von Jörn Leonhardt und Ulrike von Hirschhausen.5) Die Geschichte des Begriffs Imperium hält bis zur Gegenwart Überraschungen bereit, denn Imperium, das meinte bis 1989 unter dem Einfluss der „Achtundsechziger“ Fremdherrschaft und Ausbeutung, stand für illegitime Eingriffe in das Selbstbestimmungsrecht der Völker von außen. Wenn aber heute von amerikanischem Imperium, britischem Empire oder China als einem Großreich die Rede ist, dann schwingt neben der Beschreibung von Suprematie auch die Idee von Zivilisation und Ordnung mit, die Hoffnung auf eine durch Macht stabilisierte Befriedung und Verbesserung der Welt. Wie lassen sich das neue Interesse an den Imperien und deren ganz andere Beurteilung erklären? Das will ich im ersten Teil meiner Darlegung diskutieren. Ein Blick auf die Veränderungen des internationalen Systems seit 1989, so die These, erklärt den Wunsch, die Welt neu zu ordnen und eine Lösung zu finden, die ermöglicht, Ungleichzeitigkeiten friedlich zu strukturieren und zugleich zivilisierend zu wirken. Offensichtlich, so das Ergebnis dieses ersten Teils, wohnt dem Imperiumsbegriff eine Vielzahl möglicher Bedeutungen bei? Da sollte ein Blick auf die Begriffsgeschichte helfen, um den Sachverhalt zu verstehen und zu erklären. Der Wortgeschichte wende ich mich daher im zweiten Teil meines Textes zu. Anschließend gilt es, klarer als zuvor, herauszuarbeiten, was eigentlich Imperien sind, welche Arten von Imperien es gibt, welchem Verlaufszyklus sie folgen. Das Verhältnis von Demokratie und Imperium gilt es diskutieren und den Zusammenhang von informellem und formellem Imperialismus zu beschreiben. 1 Eine ähnliche Beobachtung findet sich auch im ausführlichen Forschungsüberblick von Ulrike von Hirschhausen und Jörn Leonhardt: v. Hirschhausen; Leonhardt 2011. 2 Burbank, Cooper, Le Monde Diplomatique, 9.12.2011. 3 Kracht, 2011. 4 Münkler 2005 5 Leonhard; v. Hirschhausen 2009; dies. 2011. 2 Abschließend werde ich die Frage stellen, wie nun die EU in die „neue“, „alte Weltordnung der Imperien“ hineinpasst? Ist sie ein Hort des Friedens, weil das amerikanische Imperium seinen Schutz gewährt, ein imperiales Subzentrum also, oder ist sie eine höchst originelle und voraussetzungsvolle Antwort auf die Herausbildung moderner Nationalstaatlichkeit und eine Alternative zu Hegemonie und imperialen Strukturen, die gleichwohl Vielfalt möglich macht? 2 Wie lässt sich das neue Interesse an den Imperien erklären? 2.1 Die enttäuschte Hoffnung auf ein friedliches Ende der Geschichte Das vermeintliche „Ende der Geschichte“, die Hoffnung auf eine dauerhafte Befriedung der Welt währte Ende des 20. Jahrhunderts nur kurz. Als 1989-1991 die Sowjetunion zusammenbrach, mochte man auf eine neue harmonische Weltordnung hoffen. Die allein übrig gebliebene antikoloniale Supermacht USA schien den Menschenrechten und dem republikanischen Frieden verpflichtet und ihre Stellung so stark zu sein, dass jeder Widerstand zwecklos wirkte.6 Aber dann berichtete die Weltpresse vom Einmarsch des Iraks in Kuweit und dem anschließenden Golfkrieg (1990-1991), vom Jugoslawienkonflikt, von Somalia, von Abchasien, von ungarisch-rumänischen Konflikten, von Georgien, Moldawien, Nagornij-Karabach, vom Tschetschenienkonflikt, von Ruanda; im Nahostkonflikt kam es wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen; Grenzkonflikte und Bürgerkriege erschütterten Afrika, wenn nicht überhaupt staatliche Strukturen fehlten wie in Somalia. Der 11. September 2001 konnte als fundamentalistischer Aufstand und als antiimperialistische Verzweiflungstat gewertet werden. Jedenfalls zeigten sich darin die Folgen fehlender Staatsstrukturen in Teilen der Welt. Es folgten unter anderem die Intervention des Westens in Afghanistan (2001), der Zweite Irakkrieg (2003), die Zerschlagung der Unruhen in Tibet durch China 2008, die offensichtliche Nutzung von Erdgas als Druckmittel durch Russland gegenüber der Ukraine und zuletzt der Einsatz der amerikanischen, britischen und französischen Luftwaffe in Libyen. Der Heidelberger Konfliktindex zeigt, dass seit 1945 die gewaltsamen Konflikte zugenommen haben: Man mag einwenden, dass dies vor allem für die weniger intensiven Auseinandersetzungen zutrifft, aber verglichen mit der Hochzeit des Kalten Krieges haben auch die mittleren und schweren Konflikte zugewonnen. Die Hoffnung auf eine friedliche Welt nach dem Ende des bipolaren Ost-West-Konflikts, so das Ergebnis des Heidelberger Indexes, hat sich nicht erfüllt, ganz im Gegenteil. 6 Vgl. Behrends 2006. 3 Heidelberg Institute for International Conflict Research, Conflict Barometer Pressekit, 2011. http://hiik.de/en/presse/pdf/PressKit_2012.pdf, S. 3 (28.7.2012) 4 Heidelberg Institute for International Conflict Research, Conflict Barometer Pressekit, 2011. http://hiik.de/en/presse/pdf/PressKit_2012.pdf, S. 2 (28.7.2012) 2.2 Entdeckung der globalen Ungleichzeitigkeiten und des Überlebens der alten Imperien Analysieren wir die Konfliktmuster genauer, so ist ein Raster schnell zu erkennen. 1. Da ist erstens die Überforderung vieler politischer Systeme, eine verlässliche Staatlichkeit auszubilden, wobei Somalia, Pakistan, Afghanistan ebenso als Beispiele genannt werden könnten wie zahlreiche andere afrikanische und asiatische Länder, und selbst der europäische Kontinent vergleichbare Fälle bereithält. Zu nennen wären der Kosovo, Moldawien, Albanien, doch auch, wenn gewiss in anderer Form, Griechenland. 2. Offensichtlich ist das nationalstaatliche Modell für viele politische Gemeinwesen ungeeignet, weil es Konflikte nicht vermeidet, sondern hervorruft. Der Zusammenbruch Jugoslawiens ist dafür ein gutes Beispiel. Mit Recht könnte man die Herausbildung des Nationalstaates daher vielfach nicht als Modernisierung deuten, sondern als gewaltbegleiteter Verlust zivilisatorischer Standards. 3. Das Ende des Kalten Krieges bewirkte weltweit einen Schwund von Kohäsionskraft und Bereitschaft zu friedlichem Neben- und Miteinander zwischen ethnischen und sozialen Gruppen, so dass die Jahre 1989-1991 nicht den Aufbruch zu einer neuen, friedlichen Zivilisation brachten, sondern demonstrative Abgrenzungsversuche und neue Gewaltbereitschaft hervorriefen. 5 4. Immer mehr Kommentatoren fragten deshalb, ob die Imperien der Vergangenheit nicht eine klügere Antwort auf die Vielfalt und Ungeordnetheit der Welt dargestellt hätten als der Rekurs auf Staatssouveränität und Völkerrecht, die offenbar viele Gemeinwesen überfordere. 5. Im Übrigen ließ sich gar nicht an der Fortexistenz der Imperien zweifeln. Denn wie anders hätte das Eingreifen der USA in regionale Konflikte, die Interventionen Russlands in Transnistrien, Tschetschenien oder Georgien gedeutet werden können. Und handelten nicht auch China und die Türkei zunehmend wie imperiale Mächte? 6. Auffallend ist, dass in den genannten Staaten wieder imperiales Selbstbewusstsein zu spüren ist, und zwar nicht nur bei den Politikern, sondern auch bei den Kommentaren von politischen Ratgebern und Journalisten. Obwohl die USA, China und Russland sich in einer antiimperialen Tradition sehen, ist Imperium kein Schimpfwort mehr und kann es zur Beschreibung der eigenen grenzüberschreitenden Aspirationen verwendet werden. 7. Nun würde wohl weniger über Imperien gesprochen werden als über die ausschließliche Suprematie der USA, wären die Vereinigten Staaten nicht spätestens mit der Finanzkrise 2007 an ihre Grenzen gestoßen, und zwar militärisch, finanziell und politisch. Die Erwartung wenig aufwendiger, als Zukunftsinvestition zu wertender imperialer Kriege durch Nutzung von technischer Überlegenheit, vergleichbar der Konstellation des klassischen Imperialismus um 1890, hat sich als falsch erwiesen. Der globale Anspruch überfordert die USA. Russland ist nach dem Zusammenbruch der UdSSR wieder in die regionalpolitischen Fußstapfen der Sowjetunion getreten. China hat sich zu einem auffallenden Mitspieler der internationalen Bühne entwickelt und soll sogar der EU helfen, den Euro zu retten. Die Türkei verfolgt im Nahen Osten offenbar altimperiale Ziele. Kurz, die in den 90er Jahren vielfach zu hörende Vorhersage einer weitgehend durch den Westen geprägten Welt mit einer von Amerika bestimmten hegemonialen Moderne hat sich als falsch erwiesen. 8. Zu diesen äußeren Einflüssen treten die veränderten Perspektiven, die die modernen Sozialwissenschaften entwickelt haben. Sie haben sich vom Paradigma der Nation verabschiedet und richten ihren Blick zunehmend auf transnationale Strukturen und Prozesse. Unter diesen Umständen interessieren die Imperien mehr als die Nationalstaaten. 2.3 Deutungsangebote: Weltgesellschaft und Global Governance, Clash of Civilizations, Imperien Mindestens drei populäre Deutungsansätze haben versucht, die Konflikte der Gegenwart auf den Begriff zu bringen. Da ist erstens die These einer mit der Globalisierung verbundenen Transnationalisierung von Konflikten und der sich daraus ergebenden Notwendigkeit „globaler Governance“. Im Mittelpunkt der Analyse stehen die Neuartigkeit der Probleme, die Hoffnung auf transnationale Werte und Institutionen und der Appell an die Mitwirkung zahlreicher gesellschaftlicher Akteure.7 Der zweite Ansatz, für den Samuel Huntington steht, beschreibt das Ende des Kalten Krieges als Herausforderung für die Identitätsstiftung großer gesellschaftlicher Gruppen. An die Stelle des bipolaren Systems trete ein multipolares System. Und da in manchen Regionen Großmächte fehlten, 7 Vgl. z.B. Djelic; Sahlin-Andersson 2006; Weller 2006; Weller 2011. 6 etwa im islamischen Bereich oder in Lateinamerika, organisierten die Zivilisationen ihren Zusammenhalt über kulturelle Referenzen. Deshalb auch sei ein Rückgriff auf ein gemeinsames Wertesystem für die Weltgesellschaft nicht möglich. Der Westen solle sich seiner Außenwirkung, die nicht selten bedrohlich erscheine, bewusst sein, seine Ansprüche gegenüber anderen Teilen der Welt reduzieren und gleichzeitig den inneren Zusammenhalt stärken.8 Aus Sicht der „Realisten“ sind die Konflikte dagegen weder neu noch durch Machtbegrenzung lösbar. Das internationale System habe im Verlaufe der Geschichte immer wieder vor der Aufgabe gestanden, Vielfalt zusammenzufügen, um zu verhindern, dass Gegensätze chaotisch aufeinanderprallten und ein Machtvakuum entstehe. Höchst voraussetzungsvoll und einzigartig sei das Konzert gleichberechtigter europäischer Mächte, während in großen Teilen der Welt Imperien die Ordnung für eine nennenswerte Zahl der Menschen vorgegeben hätten. Die „gesamte Historiographie der Welt“, so Jürgen Osterhammel, habe es „vor dem Aufkommen des Nationalstaates im Regelfall mit Imperien zu tun“, beginnend mit den altorientalischen Großreichen über das römische Imperium, die frühneuzeitliche Expansion bis zu den Ordnungsstrukturen der Gegenwart.9 Nur in Deutschland habe man das vergessen, verständliche Reaktion auf den imperialen Gewaltexzess des Dritten Reiches, und forthin allein auf die Kraft der Kantschen Werte und der guten Argumente gesetzt. Doch der republikanische Frieden setze eine Homogenität der Weltgesellschaft voraus, einen transkulturellen Humanismus, der die Vielfalt der Lebenswelten und Wertanschauungen negiere. Die britische Empiregeschichte, die Makrosoziologie Shmuel Eisenstadts, viele andere Ansätze hätten demgegenüber immer schon die ordnungsstiftende Funktion der Imperien hervorgehoben. 3 Legitime Machtausübung, Charisma, militärischer Erfolg, kaiserliche Größe, Gewaltherrschaft und Ausbeutung 3.1 Die Begriffsgeschichte des Wortes Imperium Wenige Begriffe umfassen gleichermaßen positive und negative Konotionen wie der Begriff Imperium. Dessen Bedeutungsinhalt hat sich über mehr als 2000 Jahre verändert, sicherlich ein Grund für den changierenden Charakter von „Imperium“. Mehrfach ist die Wortgeschichte denn auch thematisiert worden, zuletzt prägnant durch Christiane Kunst im Neuen Pauly.10 „Imperium“ kommt von „imperare“ (befehlen). Soweit ist die Etymologie klar und verständlich. Doch schon in römischer Zeit änderte sich die Bedeutungszuordnung, das semantische Feld mehrfach. Ursprünglich Bezeichnung für die militärische Amtsgewalt der in der Heeresversammlung gewählten Anführer, wurde das Imperium Ausdruck für die streng kontrollierten Machtbefugnisse der römischen Magistrate (Rutenbündel, Beil). Es folgte die 8 Huntington 2002. 9 Osterhammel 2006, S. 1. 10 Kunst, 2003. Vgl. auch die Einträge in: Bretscher-Giesinger, Charlotte; Meier, Thomas (Hrsg.) 2000. Lexikon des Mittelalters. CD-Rom-Version. s.v. Imperium, Heiliges Reich, Stuttgart: Metzler; Schmidt; Mommsen 1973; Fisch, Jörg; Groh, Dieter; Walther, Rudolf 1982; Leitner, 2011. 7 Erweiterung des Bedeutungsinhalts zu „Herrschaft“, zur Bezeichnung des römischen Einflussgebiets (Imperium Romanum), zum Ehrentitel für die erfolgreichen Feldherrn, schließlich zur Bezeichnung der monarchischen Gewalt, die über die „regna“ der abhängigen Gebiete und anderer Teile des römischen Imperiums stand. Anders als im Deutschen sind Herrschaft und Reich im Lateinischen nicht getrennt zu denken. Neben den Provinzen gehören deshalb auch assoziierte Staaten zum Imperium Romanum. Hier haben der moderne Imperiumsbegriff und die Vorstellung vom informellen Empire ihre Entsprechung. Mittelalterlich knüpft die Imperiumsvorstellung an das Römische Reich an und konfligiert zwischen der Vorstellung religiöser Herausgehobenheit (Sacrum Romanum Imperium = Geheiligtes Römisches Reich, seit 1157), tradiertem Charisma (translatio imperii) und der durch Wahl legitimierten Herrschaft des Königtums. Freilich wurde im Unterschied zur römischen Zeit „Imperium“ durchaus im Plural gedacht, schon durch das byzantinische Kaisertum, zunehmend aber auch durch die „imperialen“ Ansprüche der größeren Königreiche (Spanien, Frankreich). Es gab also nicht das eine Imperium, sondern die Imperien. In der Frühen Neuzeit gewannen das osmanische Reich, Russland und mit Heinrich dem VIII. auch England imperialen Status. Empire bezeichnete in der Nachfolge Roms die monarchische Prärogative sowie die britische Herrschaft über einen geographisch zerklüfteten Raum. Im Zedlersche Universal-Lexicon, 1732-1750, finden wir bezeichnenderweise zwei Einträge, einmal „Imperium“ als Befehl, militärische Kommandogewalt des Feldherrn und Obrigkeit von besonderer Würde, dann aber auch „Imperium“ als Bezeichnung für das „Römische Reich Deutscher Nation“ Vom „Reich“ allgemein heißt es, dass es ganz verschiedene Reiche gäbe, despotische, bei denen der König uneingeschränkt Gewalt über Untertanen und Sachen ausübe, souveräne, bei denen der König an kein Fundamental-Gesetz gebunden sei, und schließlich gemäßigte, bei denen die Gewalt des Königs durch Grundgesetze eingeschränkt sei. Vom Römischen Reich Deutscher Nation erfahren wir: „Das Oberhaupt wird von den Churfürsten erwählt, und führet den Titul eines erwählten Römischen Kaisers, und Königs in Germanien“. Ganz offensichtlich zählt der Verfasser damit das Alte Reich zu den gemäßigten Königtümern. Erklärungsbedürftig und merkwürdig erscheint dem Zedler dagegen der Zusatz „Heilig“ als adjektivische Heraushebung des Reiches deutscher Nation („Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation).11 Und tatsächlich beruht der „imperiale Status“ des Reiches in aufgeklärter zeitgenössischer Wahrnehmung nicht mehr auf außerweltlicher Grundlage, sondern auf Tradition, Gesetz und Bindung. Die ursprüngliche Bedeutung von „Imperium“ = „Befehl“, „charismatische Gefolgschaft“ ist geradezu in sein Gegenteil verkehrt. Die neuzeitliche, eher kritische Deutung des Imperiumsbegriffs nimmt ihren Anfang mit Napoleon. Bewusst griff der Kaiser der Franzosen auf das römische Vorbild zurück, knüpfte gleichzeitig an das mittelalterliche Vorbild der päpstlichen Kaiserkrönung an und dehnte sein zumindest partiell populär begründetes Kaisertum über weite Gebiete Europas aus. 11 Zedler, Johann H. (Hrsg.) 1732-1750. Großes vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Künste. S.v. „Imperium“, „Reich, Lat. Imperium“. Leipzig: Johann Heinrich Zedler (http://www.zedlerlexikon.de/blaettern/einzelseite.html?id=135119&bandnummer=14&seitenzahl=0318&supplement=0&dateiformat= 1; (29.7.2012); http://www.zedlerlexikon.de/blaettern/einzelseite.html?id=279937&bandnummer=31&seitenzahl=0017&supplement=0&dateiformat= 1 (29.7.2012). 8 Die folgenden Etappen führen über die Kritik paternalistischen Despotismus und unbegrenzten Expansionsstrebens durch Napoleon III. sowie dem Vorwurf an Disraeli, eine rein symbolische, auf nationale Erhöhung abzielende Indienpolitik zu treiben, zur umfassenderen liberalen und linken Verdammung des Imperialismus. Lord Carnarvon brachte im englischen Parlament 1878 seine Verwunderung über den neuen Begriff und dessen Verwendung zum Ausdruck: „We have been of late much perplexed by a new word, 'Imperialism', which has crept in among us ... It is not free from perplexity. I have heard of Imperial policy, and Imperial interests, but Imperialism, as such, is a newly coined word to me.“12 1884 finden wir eine kurze Definition im Brockhaus, die noch die Kritik an Napoleon III. aufgreift: „Imperialismus ist der Zustand eines Staates, in welchem die auf die Soldaten gestützte Willkür des Regenten herrscht.“13 Andere zeitgenössische Schriften verweisen auf die Sprachpraxis in Großbritannien, wo das Bestreben Great Britain und Greater Britain zusammenzuführen, als „Imperialism“ bezeichnet werde. Was in Zusammenhang mit dem Burenkrieg (1899-1902) die Sozialliberalen und Linken als Chauvinismus, gewaltsame Eroberungspolitik, Ausbeutung und Imperialismus geißeln sollten, firmierte zuvor zeitgenössisch als nationale Kolonial-, Empire-, Weltmacht- und Weltpolitik. „We should grossly fail“, äußerte Lord Rosebery 1893, „did we shrink from responsibilities and decline to take our share in the partition of the world which we have not forced on, but which has been forced upon us.“14 Die Befürworter außereuropäischer Besitzungen reagierten auf die Kritiker und stellten dem „negativen Imperialismus“ einen „wahren Imperialismus“ gegenüber: „In Empire ... we have found not merely the key to glory and wealth”, so Lord Curzon, “but the call to duty and the means of service to mankind.“15 Da finden wir jene Ambivalenz von zivilisierender Mission, Übermacht und willkürlicher Unterdrückung, die dem Imperiumsbegriff spätestens mit Napoleon zu eigen ist. Nach dem Zusammenbruch der europäischen Kolonialimperien 1945-1975 blieb freilich nur der negative Bedeutungsinhalt des Wortes Imperium übrig. Es bedurfte, wie beschrieben, eines Wandels des internationalen Systems nach 1989, um die Bedeutungsvielfalt des Imperiumsbegriffs ins Bewusstsein zurückzuholen. Tatsächlich verdichtet sich im Terminus „Imperium“ eine Vielfalt historischer Erfahrung, die ohne Verlust der Trennschärfe kaum in einem einzelnen Wort zu fassen ist. 3.2 Herrschaftsraum und der Raum der Herrschaft – Wortanalyse Bevor wir die verschiedenen Bedeutungsinhalte für Imperium noch einmal zusammenfassend betrachten, lohnt die Frage, welche Begriffe das Lateinische für Herrschaft außer „Imperium“ bereithält. Das ist nämlich eine überraschend große Anzahl von Termini: Potestas, Majestas, Dicio, Dominatio, Regnum, Tyrannis, um nur einige zu nennen. Freilich, nur im Imperiumsbegriff finden wir gleichermaßen Vorstellungen von Begrenzung und absoluter Macht, von Vorrang und zivilisatorischer Selbstbeschränkung, von zentraler Verdichtung und hierarchisch sich verflüchtigender Bedeutungsverbindlichkeit hin zur Peripherie. 12 13 14 15 Zitiert in: Fisch; Groh; Walther (1982), S. 180. Ebd., S. 179. Zitiert in: Rose 2011, S. 108. Zitiert in: Stern 2006. S. 193. 9 In Imperium spiegeln sich denn auch mindestens fünf Bedeutungsvarianten: 1.) Übertragung von Herrschaftsrechten durch das Volk 2.) Gewalt über Leben und Tod 3.) Der Triumph der Militärmacht 4.) Das Charisma der Führer der imperialen Befugnisse 5.) Die Ausdehnung der Herrschaft über einen größeren Raum, der mit durchaus unterschiedlichen Mitteln der Macht zusammengehaltenen wird. Die Faszination für das „Imperium“ erklärt sich zu einem guten Teil vermutlich nicht zuletzt aus seiner auffälligen Unbestimmtheit. Der Imperiumsbegriff kann fast alles und nichts bedeuten, changiert so lange in vielen Farben, wie er nicht in eine Theorie mittlerer Reichweite eingebunden, wie er nicht in einen konkreten historischen Kontext verortet wird. 4 Der neue Blick auf die Imperien 4.1 Definition: Organisation von Heterogenität in der ungleichen und ungleichzeitigen Weltgesellschaft durch eine staatliche Metropole Doch wie definiert die neuere Politik- und Geschichtswissenschaft „Imperien“? Auch bei genauer Durchsicht der Literatur fällt es schwer, ein präzises Kriterienbündel anzuführen. Viel leichter fällt es darzulegen, was ein Imperium gerade nicht auszeichnet. In vieler Hinsicht ist das Imperium das Gegenbild des Nationalstaates: Ein Empire beruht nicht auf der Fiktion der Homogenität. Es umfasst große, in vieler Hinsicht kaum abgrenzbare Räume. An den Grenzen franst es zu Netzwerken aus. Nicht das Kriterium des Territoriums kennzeichnet das Imperium, sondern die Kontrolle der politischen Einflussnahme, Handels-, Finanz-, Wissensströme. Das gefestigte Imperium wird nicht von einer klar benennbaren Regierung regiert, sondern von einer differenzierten, ethnisch vielfach heterogenen und verschiedene Machtformen repräsentierenden Führungsschicht zusammengehalten. Es erkennt die Verschiedenheit seiner Untertanen an, ja behandelt seine Untertanen in unterschiedlicher Weise. Bezeichnenderweise umfasste das Britische Empire Dominions, Kolonien, Protektorate, Einflusszonen, jeweils mit eigenem Status. Die politische Anbindung der Peripherie erfolgt nicht über die Gleichstellung der Bürger, sondern, je nach Kontext unterschiedlich, über die Kooperation mit Mittelsleuten und lokalen Eliten. Das Thema des Nationalstaates ist die Befriedung durch Homogenisierung und Gleichbehandlung, das Thema des Imperiums ist die Organisation von Heterogenität in der ungleichen und ungleichzeitigen Weltgesellschaft. Der Nationalstaat verspricht Teilhabe für die Bürger der Nation, das Imperium Wohlstand und Ruhe durch individuelle Anstrengung und Einordnung über die Grenzen hinweg, allerdings unter Anerkennung vorhandener sozialer Abgrenzungen und kultureller Differenzen. Die Nationalstaaten tun sich dagegen mit solchen kulturellen Differenzen häufig schwer. Für Imperien gelten die Regeln der Staatenwelt nicht, und doch können gefestigte Imperien nicht vollkommen willkürlich handeln, wollen sie nicht den Aufstand der Peripherie provozieren.16 16 Münkler 2005, S. 11-78; Burbank; Cooper 2011. 10 Eine recht übersichtliche Definition von Imperien hat Michael Doyle erarbeitet. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Differenz in der politischen und gesellschaftlichen Kohäsions- und Entscheidungskraft zwischen der Metropole, die als Großstaat organisiert ist, und den Peripherien, The sociology of empire (statics) Empire. The political control exercised by one polity (the metropole) over the domestic and foreign policy and over the domestic politics of another polity (the periphery), resulting in control over who rules and what rulers can do. Mode. (1) Formal — (2) Informal— Sources. annexation and rule by a colonial governor with the collaboration of local elites. rule through the collaboration of local rulers who are legally independent but politically dependent on the metropole. The interaction of a metropole and a periphery joined together by transnational forces generates differences in political power which permit the metropole to control the periphery. This relationship is produced and shaped by the three necessary features, which arc together sufficient. It is also influenced and shaped by the structure of the international system. (1) A metropole, typified by a centralized state, thorough social differentiation, and public legitimacy and communal loyalty. (2) A transnational extension of the economy, society, or culture of the metropole. (3) A periphery, which may be (a) tribal, typified by no central state, little social differentiation, and strong communal or village loyalty (b) patrimonial, typified by a central state, some social differentiation, and little communal loyalty (c) feudal, typified by a disaggregated state, some social differentiation, a common civilization, and pyramidal loyalties (d) fractionated, typified by a central state, thorough social differentiation, and a divided community with factional loyalties (e) settler, typified by a colonial government, thoroughly differentiated society, and a communal loyalty toward metropole (4) An international system, which may be unipolar, bipolar, or multipolar Doyle, 1986, S. 130. 11 4.2 Die Aufgaben, die Imperien lösen müssen 4.2.1 Der imperiale Zyklus Man wird Imperien nicht gerecht, so hat es kürzlich Herfried Münkler herausgearbeitet, wenn man nicht ihre zeitliche Entwicklung, ihre strukturelle Transformation im Verlaufe der Zeit betrachtet. Imperien agieren zu Anfang mit anderen Mitteln als während der Phase der Absicherung des Erreichten, und sie verhalten sich wiederum anders in der Phase des Niedergangs.17 Zu Beginn dominiert das Militär, der Handel, die Ideologie oder die Politik, und die Frage der Kosten spielt noch keine zentrale Rolle, weil die Erwartungen sich auf die Zukunft richten. In der Phase der Konsolidierung bedarf es mehrerer Machtmittel gleichzeitig, um das Imperium zusammenhalten. Sollen die Gewinnerwartungen erfüllt werden, so müssen nachvollziehbare Versprechen auf Frieden und zukünftige Prosperität den finanziellen Abfluss von der Peripherie in die Metropole aufwiegen. Mit Michael Doyle kennzeichnet Münkler den Übergang von der Expansion zur Konsolidierung als „augusteische Schwelle“. Wenn die Kosten für die Aufrechterhaltung der Herrschaft zu groß werden, ziehen sich Imperien aus der Fläche zurück. Das kann z.B. dann leicht geschehen, wenn lokale Eliten eine weitere Zusammenarbeit verweigern oder wenn Partisanengruppen die Geduld der metropolitanen Bevölkerung auf raschen militärischen Erfolg zunichtemachen. Schließlich mag allein die Opferbereitschaft antiimperialistischer Gruppen das Selbstverständnis der Metropole als Hochkultur tangieren. 4.2.2 Das konsolidierte Imperium: Intervention, Integration und Zivilisierung Imperien versprechen den innenliegenden Teilen Frieden und Prosperität. Dementsprechend ist das Imperium permanent gefordert, regionale Gegensätze im eigenen Herrschaftsbereich einzudämmen, der Anarchie an seinen Grenzen zu begegnen und Ordnung zu stiften. Das Imperium kann sich nicht aus dem Geschehen in „seiner“ Welt zurückziehen. Es ist dort permanent gefordert, wo (a) das Prinzip des Rudels, in dem jeder seinen Platz hat, nicht ausreicht und wo (b) die eigenen Jagdgebiete auslaufen.18 Manchmal gelingt es den Imperien, ihre Herrschaft über viele Jahrhunderte aufrechtzuerhalten. Man denke nur an das römische oder das osmanische Reich. Diese Fähigkeit zur Herrschaftssicherung resultierte aus vertrauenswürdigen, weitverzweigten personalen Netzwerken, der Kooperation mit lokalen Eliten und der relativen Offenheit, den Aufstieg für die Begabten der Peripherie zu institutionalisieren. Das sicherte die permanente Erneuerung des Personals in der Metropole, konzentrierte das kulturelle Wissen im Zentrum, schwächte die Peripherie und erschwerte den Vorwurf exklusiver Herrschaft. 17 Münkler 2005, S. 79-80, 85-93, 105-125; Münkler 2006, S. 5; .Doyle 1985, S. 93-97. 18 Hierzu vor allem Doyle 1986. Münkler 2005. Burbank; Cooper 2010. 12 Konsolidierte Imperien sehen sich als hochkulturelle Zentren. Der Peripherie machen sie das Versprechen, im Falle erfolgreicher Kooperation zivilisierend zu wirken. Doch im Unterschied zum Nationalstaat gibt es keinen institutionalisierten Weg, mit dem die Peripherie das Versprechen einklagen könnte. So steht die Metropole in einem permanenten Zwang einzugreifen, sich zu erneuern und die Belange der Peripherie zu berücksichtigen, ein schwieriger Drahtseilakt, der ein hohes Maß absoluter Überlegenheit voraussetzt. 4.2.3 Der metropolitane Diskurs: Friedensliebe, Prosperitätsversprechen, sakrale Überhöhung, die Konstruktion des Barbaren Immerhin stehen dem Zentrum neben politischen, militärischen und wirtschaftlichen Mitteln auch starke ideologische Kräfte zur Verfügung. Dazu gehört, wie schon erwähnt, der Friedenskurs und das Prosperitätsversprechen, die beide dadurch an Kraft gewinnen, dass die Alternative einer Nichteinbindung in das Imperium nur schwer vorstellbar und offensichtlich risikobelastet ist. Die sakrale Überhöhung der Metropole und der Barbarendiskurs gegenüber den Außenstehenden festigen den Zusammenhalt zusätzlich und legitimieren die Gewalt gegenüber jenen, die sich dem Imperium entgegenstellen.19 4.3 Typen imperialer Herrschaft: Geographie, politische Kultur und Technik Die Forschung unterscheidet seit langem zwischen Steppen-, Land- und Seeimperien mit jeweils eigenen Voraussetzungen und Herrschaftslogiken. Interessanterweise lässt sich die USamerikanische Geschichte als eine Abfolge von Imperien schildern. Thomas Bender und Michael Geyer nennen als charakteristisch: den Siedlerimperialismus auf dem eigenen Kontinent, den Freihandelsimperialismus im 19. Jahrhundert, den Finanzimperialismus mit entsprechend stärkeren Eingriffen in die Autonomie der abhängigen Länder seit den 1920er Jahren, die ideologisch aufgeladene multilaterale Hegemonie und den antikommunistischen Imperialismus nach 1945 sowie den unilateralen, neoliberal motivierten Interventionismus seit den 1980er Jahren.20 Den oben vorgestellten Verlaufszyklus von Aufstieg, Konsolidierung und Niedergang gilt es also im Einzelfall um die Abfolge unterschiedlicher Typen von Imperien zu ergänzen. Ein weiteres Unterscheidungskriterium für Imperien sind gewiss die zugrundeliegenden Vorstellungen zur Notwendigkeit imperialen Ausgreifens. Der eigentlich antikoloniale, freiheitlich gedachte, missionarisch motivierte, „wohlmeinende“, tendenziell informelle Imperialismus der USA unterscheidet sich erkennbar vom zivilisatorischen Imperialismus Rudyard Kiplings und 19 Münkler 2005, S. 127-166. 20 Bender; Geyer 2008. Ebenso Hochgeschwender 2006. Zur Diskussion um Amerika als Empire nach 9/11 und den spezifischen liberalen und antikolonialen Traditionslinien s. Speck (Hrsg.) 2003. Aus geschichtswissenschaftlicher Sicht grundlegend: Schwabe 2006. 13 dessen Idee der Bürde des Weißen Mannes, obwohl doch Kipling mit seinem Gedicht die amerikanische Intervention auf den Philippinen anfeuern wollte. Und wiederum unterscheidet sich der defensiv interpretierte liberale englische Imperialismus deutlich vom nicht weniger defensiv motivierten deutschen, der aus einer Position der Schwäche seinen Anteil an der Weltpolitik einforderte. „Um Nation bleiben zu können“, so Thomas Bender und Michael Geyer, „musste Deutschland zum Imperium werden“.21 Für England beobachten wir die umgekehrte Logik: Um das Empire aufrechtzuerhalten, musste sich die britische Nation auf klassenübergreifender, sozialer Grundlage neu erfinden. Wie steht es nun aber um das Verhältnis von informellem zu formellem Imperialismus? Mindestes zwei Thesen lassen sich dazu anführen. Die eine These wurde von John Gallagher und Ronald Robinson ansatzweise schon in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts formuliert, als die Dekolonisation des Empires einsetzte und der informelle US-Imperialismus zu einer ersten Blüte gelangte. Die beiden Autoren, und viele andere nach ihnen, argumentieren, dass das Eindringungen des modernen Kapitalismus und der westlichen Kultur während des 19. Jahrhunderts sowie der Gegensatz alter und neuer imperialer Mächte den informellen Imperialismus, also die Kooperation mit den traditionellen autochthonen Eliten, erschüttert habe. Die Folge sei ein neues Herrschaftsarrangement gewesen (ansatzweise schon vor den 1880er Jahren), in dem die direkte Intervention die Grundlage der Zusammenarbeit mit den lokalen Eliten zwar verändert, sie aber nicht grundsätzlich aufgehoben habe.22 Die zweite Interpretation wertet die formelle Herrschaft nicht weniger als Sonderfall imperialer Strukturen. Aus Sicht Daniel Headricks war der formelle Imperialismus das Ergebnis einer einzigartigen technischen Überlegenheit Europas gegenüber dem Rest der Welt, ziemlich genau einzuordnen in die Zeit Mitte/Ende des 19. Jahrhunderts. Für wenige Jahrzehnte war der formelle Imperialismus ein billiges Vergnügen, bis sich auch die Peripherie der neuen Techniken bemächtigt hatte.23 Man könnte vermutlich mit Recht argumentieren, dass der Zweite Irakkrieg erproben sollte, ob heute ein ähnliches Gefälle bestehe, ob also Kollaboration von außen billig erzwungen werden könne. Und der vermehrte Einsatz von Drohnen zur Aufklärung und gezielten Feindbekämpfung in Afghanistan und Pakistan steht wahrscheinlich in derselben Tradition. 4.4 Zielkonflikte: Imperium, universale Werte und Demokratie Bleibt zum Schluss dieses Abschnittes die Frage nach dem gegenseitigen Verhältnis von „universalen Werten“ und „Demokratie“ auf der einen und „Imperium“ auf der anderen Seite. Der deutsche Kolonialismus hat sich dieser Problematik verweigert und radikalisierte sich gerade deshalb zum sozialdarwinistischen Rassismus. Frankreich, England und die USA entwickelten dagegen ein spezifisches Selbstverständnis, das versuchte, die Idee des Imperiums mit der Idee staatsbürgerlicher Selbstbestimmung zur Deckung zu bringen. Grob zusammengefasst hieß die Antwort im Falle Frankreichs Assimilation, im Falle Großbritanniens erzieherische Begleitung zur Teilhabe am Commenwealth of Nations und im Fall der USA Förderung von Freiheit und Demokratie und Einbindung in die amerikanische Hegemonie. 21 Ebd. 37. 22 Gallagher; Robinson 1952; Robinson; Gallagher 1961; Robinson 1977. Einen nach wie vor lesenswerten Überblick über die Imperialismustheorien bieten: Mommsen 1979; Mommsen 1987; Fieldhouse 1981; Webster 2006. 23 Headrick 1981; Headrick 2010. 14 Freilich standen und stehen diese universalistischen Ziele im Widerspruch zu Anspruch und Mitteleinsatz imperialer Größe. Das Selbstverständnis als Imperium bleibt ja nicht ohne Folgewirkungen auf die interne Struktur der Metropolen. Das beginnt – noch relativ harmlos - damit, dass die Bevölkerung in den imperialen Metropolen nur wenig Gespür entwickelt für die Vielfalt der Lebensbedingungen im eigenen Herrschaftsraum. Die permanente Verstrickung in Konflikte erzeugt leicht jene politische Kultur des Nationalismus und Jingoismus, wie sie Wolfgang Mommsen für das Ende des 19. Jahrhunderts beschrieben hat.24 Der Barbarendiskurs wirkt auf die Metropole zurück, prägt die politische Kultur und beeinflusst das Verhalten der metropolitanen Repräsentanten an der Peripherie (Beamte, Soldaten). Man muss nur einmal an den Folterskandal von Abu-Ghuraib denken, um zu verstehen, wie der imperiale Diskurs die Feindwahrnehmung steuert.25 Generell gelten die Normen des Völkerrechts für imperiale Staaten nur eingeschränkt. Als Beispiel für die USA könnte man an die vorgebrachte Begründung für den Zweiten Irakkrieg denken, an Guatanamo, an den bereits erwähnten Drohneneinsatz in Syrien und dem Iran oder die Weigerung, sich der Rechtsprechung des Internationalen Strafgerichtshofs zu unterwerfen. Mehr noch, der Präsident der Vereinigten Staaten hat qua Gesetz die Erlaubnis, Staatsbürger militärisch zu befreien, die vom Internationalen Strafgerichtshof verfolgt werden.26 Kritiker haben den Beschluss vom 3. August 2002 als „The Hague Invasion Act“ bezeichnet (2002). „Seit 1945 sind von den USA nur 63 Prozent der multilateralen Verträge ratifiziert worden, denen sich mehr als die Hälfte der Staaten angeschlossen hat, während die anderen Mitglieder der G7-Gruppe eine durchschnittliche Ratifikationsrate von über 90 Prozent hatten.“27 Hier also ist der Widerspruch von universalfreiheitlich-rechtsstaatlichem Anspruch und imperialem Verhalten unmittelbar zu greifen. Auf einen weiteren Punkt ist hinzuweisen. Mit Michael Doyle ist „von einem Imperium“ dann zu sprechen, „wenn ein Beziehungsgeflecht zwischen einem Zentrum und einer Peripherie besteht, die in Form von staatenübergreifenden, auf die Metropole bezogene Sozialstrukturen verbunden sind.“28 Die neueren Imperiumstheoretiker, Herfried Münkler, Jane Burbank, Frederick Cooper, fallen meiner Wahrnehmung nach hinter diese Definition und den Analyseansatz von Doyle zurück. Denn tatsächlich sind es ja nicht Staaten, die da miteinander verbunden sind, sondern Gesellschaften unterschiedlicher politischer Struktur. Die in den 60er, 70er Jahren entwickelten Dependencia-Theorien, der Deutungsansatz des peripheren Kapitalismus29 oder Immanuel Wallersteins Theorie der Weltgesellschaft thematisieren gerade solche raumübergreifenden sozialen Netzwerke, bei denen der Nutzen und damit die gesellschaftliche Basis für eine tatsächlich demokratische Ordnung ungleich verteilt ist. Diese Aspekte müssten nach meiner Ansicht in eine Theorie des Imperiums stärker als bisher integriert werden. Ansätze dazu finden sich etwa bei dem 24 Mommsen 1969. 25 Zur imperialen politischen Kultur der USA und den Folgen von 9/11 s. z.B. Dawson, Ashley; Schueller, Malini J. (Hrsg.) 2007. Fuchs, Cynthia; Lockard, Joe (Hrsg.) 2011. 26 So der American Service-Members’ Protection Act von 2002, s. Wikipedia, s.v. Internationaler Strafgerichtshof bzw. American Service-Members’ Protection Act. 27 Zürn, Michael (2007). S. 14. 28 Die Übersetzung nimmt den Wortlaut aus Münkler 2005, S. 75 auf, ergänzt sie aber: „Empire is thus a relationship between a metropole and a periphery linked to the metropole by a transnational society based in the metropole“ Doyle 1986, S. 81. 29 Einen guten Überblick bieten nach wie vor die von Dieter Senghaas in den siebziger Jahren herausgegebenen Sammelbände: Senghaas (Hrsg.) 1972; Senghaas (Hrsg.) 1974; Senghaas (Hrsg.) 1979. Wallerstein 2001-2011. 15 von Jörn Leonhard und Ulrike von Hirschhausen initiierten Forschungsprojekt über die innere Struktur multiethnischer Imperien des 19. und 20. Jahrhunderts.30 Fassen wir unsere Überlegungen zu „Imperium, universalen Werten und Demokratie“ zusammen, so bleibt festzuhalten, dass offenbar ein Zielkonflikt existiert und dass es andererseits durchaus einen Unterschied gibt zwischen Imperien demokratischer und nichtdemokratischer Staaten. 5 Die EU – Subimperialismus oder originelle Antwort zur weltgesellschaftlichen Formierung der Nationalstaaten Am Schluss der Darlegung soll noch die Frage angesprochen werden, wie die Europäische Union in Hinblick auf das Thema „Imperium“ einzuschätzen ist. Neben dem Fokus auf den USA gilt Klaus Schwabes Interesse ja der inneren Ordnung Europas, dem Willen und der Fähigkeit der Politik, die Staatengegensätze des 19. und 20. Jahrhunderts zu überwinden.31 Gleichzeitig hat er beides zusammengeführt und damit den Beitrag der USA zur inneren Ausgestaltung Europas hervorgehoben. Europa, so heißt es aus der einen Forschungsrichtung kategorisch, sei Teil der imperialen Weltordnung. Europa müsse als ein subimperiales Zentrum erachtet werden. Die europäische Einigung sei Geschenk der amerikanischen Suprematie. Die Machtstellung der USA, der Kalte Krieg sowie der Wille, jedes neue Hegemonialstreben, sei es Deutschlands, sei es Frankreichs, in Westeuropa zu unterbinden, habe die Kooperation erst ermöglicht. „Keep the Germans down, the Russians out and the Americans in“, das sei die Logik der Neuordnung gewesen.32 Dabei diente innenpolitisch in den USA das eigene bundesstaatliche Modell als Vorbild, um die Politik des finanziell belastenden Engagements in Europa zu legitimieren. Der Marshallplan meinte ja zunächst durchaus Inanspruchnahme des amerikanischen Steuerzahlers. Umgekehrt konnte auch der europäische Föderalismus auf das amerikanische Beispiel verweisen und die USA als Vorbild nennen, politisch und wirtschaftlich.33 So entstand in verschiedenen Schritten die Europäische Gemeinschaft als ein subimperiales Gebilde, das in seinen „Chrashkursen“ für afrikanische Beamte (Martin Rumpe) die imperiale Hierarchie weiter verlängerte.34 Heute gibt Deutschland in dieser Wahrnehmung innerhalb der EU den Ton an. Das Versprechen der Konvergenz, der wirtschaftlichen und sozialen Gleichstellung, sei unrealistisch, weil es eine kulturelle Gleichheit aufzwinge. Leben in der Vielfalt, wie von der EU propagiert, impliziere eine Vielfalt von Abhängigkeiten, deren hegemonial-imperiale Struktur die EU allenfalls abmildere.35 Ganz anders die Gegenthese. Die Europäische Union sei eine höchst originelle Antwort für eine Welt der Nationalstaaten, die sich vom Organisationsprinzip imperialer Ordnung befreit hätten, so 30 Leonhard; v. Hirschhausen 2009; Leonhard; v. Hirschhausen (Hrsg.) 2011. Einen Überblick zu den laufenden Forschungsaktivitäten und -ergebnissen bietet die folgende Website: http://www.empirevergleich.de/empirepubl.html (11.8.2012). 31 Schwabe 1972; Schwabe (Hg.) 1988; Schwabe (Hg.) 1997; Schwabe (Hg.) 2005; Schwabe 2011. 32 Münkler 2005, S. 68. 33 Schwabe 1998. 34 Rempe 2009. 35 So Schmidt, Thomas E.(2012). Was hält uns zusammen? Abschied von einer Lebenslüge. Die Idee der Angleichung der europäischen Staaten ist gescheitert. Wir sollten uns ihren Differenzen stellen, in: Die Zeit, 23.2.2012, S. 46. 16 das Argument. Eine Befreiung außerhalb des Modells europäischer Integration verursache, wie die Geschichte zeige, allerdings hohe Kosten. So habe das europäische Konzert der Mächte nur mit Hilfe zahlreicher Kriege die Herausbildung starker Reiche in Europa verhindern können. Der Zerfall der Imperien und die Herausbildung der modernen Nationalstaaten seien zudem begleitet gewesen von ethnischen Säuberungen und innerer Gewalt. In diese Konstellation greife die EU als eine originelle staatenübergreifende Innovation ein.36 Dem Konzept der Souveränität des modernen Nationalstaates stelle die EU das leistungsfähigere Modell postmoderner Kooperations- und Staatsstrukturen gegenüber. Nur durch Einbindung in größere Strukturen sei die Leistungsfähigkeit des Nationalstaates zu sichern. Als Raum des Rechtes, der Vielfalt, des Minderheitenschutzes, komplexer, auf Konsens angelegter Entscheidungsstrukturen erinnere die EU nicht an ein Imperium, wie es die neuere Politikwissenschaft beschreibe, mit einem starken staatlichen Zentrum, sondern an das „Alte Reich“, an das „Sacrum Romanum Imperium“ mit seinem Zwang zum Rechtsfrieden und Dialog.37 Gemeinsam ist beiden Deutungsvarianten also, dass sie der EU den klassischen Charakter als Staat aberkennen und auf das Imperium als alternatives Deutungsangebot zurückgreifen. Während im einen Falle das Imperium als Teil der hierarchischen Weltordnung gedacht wird, tritt im anderen Falle die Vermittlungsleistung zwischen relativ autonom gedachten Einheiten vergleichbar dem mittelalterlichen „Römischen Reich“ in den Vordergrund. Beides, so hat der Rückgriff auf die Begriffsgeschichte erwiesen, ist im Imperiumsbegriff ja durchaus angelegt, die ungleiche Hierarchie und die gleichberechtigte Teilhabe. 6 Imperium – Die Hoffnung auf Ordnung und die Last der Alternativen Im Spannungsfeld zwischen dem idealistischen Ruf nach Global Governance und pessimistischer Einsicht in die Ungeordnetheit und Konfliktanfälligkeit des internationalen Systems plädieren die Analytiker imperialer Strukturen für einen nüchternen Blick auf die Geschichte und die Einsicht, dass es Schlechteres gebe als konsolidierte Imperien. Für sie ist die Geschichte tatsächlich „magistra vitae“, Lehrmeisterin des Lebens. Das internationale System folge noch immer den einfachen Gesetzen von Macht und Vakuum. Und insofern bestehe auch kein grundsätzlicher Unterschied zwischen dem Römischen Reich und den USA. Nach 1945 hatten die Imperien in der Öffentlichkeit kaum noch Befürworter gefunden. Das Ende der Kolonialreiche, der Ost-West-Gegensatz, die antikoloniale Tradition von USA und UdSSR begünstigten ganz andere Deutungsansätze, und in jedem Fall galten Imperien als Symbol von Ausbeutung und Unterdrückung. Der Zusammenbruch des Ostblocks, die Überforderung der USA mit der alleinigen Weltmachtrolle nach 1989 erzeugten eine neue Unübersichtlichkeit, auf die das Modell der imperialen Struktur der internationalen Ordnung eine scheinbar befriedigende Antwort gab. Denn im Begriff des Imperiums war und ist mehr enthalten als der Anspruch, befehlen zu können. Frieden, Teilhabe an der zivilisatorischen Überlegenheit der Metropole und hierarchisch gebrochene Partizipationsmöglichkeiten gehörten und gehören ja ebenso zur Struktur des Imperiums. Sowohl das gewaltbereite Steppenreich der Mongolen als auch das inhärent friedfertige 36 Burbank; Cooper 2011. 37 Koslowski 1997; Zielonka 2006. 17 Alte Reich konnte man im Begriff Imperium erfassen und damit eine Vieldeutigkeit erzeugen, die dem Begriff Charme verlieh und bis heute verleiht. Die neuere Imperiumsforschung ist auch deshalb so heterogen, weil ganz unterschiedliche Imperiumsbegriffe verwendet werden, so dass das eine Mal das Alte Reich und Österreich-Ungarn dazu gehören würden, das andere Mal nicht. Die stärker politikwissenschaftlich orientierte Forschung verwendet den Begriff etwas konziser als Terminus, der eine machtungleichgewichtige Teilstruktur innerhalb des internationalen Systems bezeichnet, wobei im Unterschied zur klassischen Hegemonie, die asymmetrische, höchst heterogene gesellschaftliche Verzahnung das Imperium kennzeichnet. In diesem Kontext hat die Forschung auch auf die Verlaufsgeschichte der Imperien verwiesen, darauf, dass sie auf verschiedene Machtkomponenten (militärisch, politisch, wirtschaftlich, ideologisch) beruhen, und schließlich, dass es ganz unterschiedliche Imperien gibt (formelle, informelle, Seeimperien, Steppenimperien, Landimperien, Imperien mit einem demokratischen Zentrum und solche mit einem autoritären Kern, Imperien als Teil eines unipolaren, bipolaren oder multipolaren internationalen Systems, defensive Imperialismen und eher offensive usw.) Im Imperiumsbegriff ist Geschichte in gewisser Weise eingefroren. Die Gegenposition, wie sie etwa Michael Zürn38 oder Christoph Weller39 vorgetragen haben, hält an der Idee des zivilisatorischen Fortschritts fest, lehnt Vergleiche über viele Zeitepochen ab und verweist in diesem Zusammenhang auf die enge Verzahnung der globalisierten Gegenwart, die mit keinem anderen historischen Zeitpunkt gleichzusetzen sei. Hegemoniale Machtausdehnung und weltgesellschaftliche Zivilisierung, Neukartierung von Einflusszonen und zunehmende Bindungskraft internationaler Normen sind aus dieser Sicht keine Gegensätze. Solche gegenläufigen Prozesse seien derzeit gleichzeitig zu beobachten. Der Rückgriff auf den Imperiumsbegriff verzichte demgegenüber auf den Anspruch der wertorientierten Weltgestaltung. Doch, so das Fazit dieser Forschungsrichtung, Politik bleibe das Bohren dicker Bretter. Das Schicksal der EU gelte es, nach wie vor mühsam auszutarieren. Und für die US-Außenpolitik sei es wichtig, dass sie immer wieder auf den Zwiespalt zwischen Demokratie, weltgesellschaftlicher Verantwortung und Imperium hingewiesen werde. Aufgabe von Wissenschaft, so lässt sich schlussfolgern, von Geschichtswissenschaft und Politikwissenschaft insbesondere, ist es, nicht nur zu helfen, die Fehler der Vergangenheit zu vermeiden, also Geschichte im Sinne einer Magistra Vitae zu betreiben, sondern die Grundlagen für eine bessere Zukunft zu legen, die sich der Grenzen des historischen Vergleichs bewusst ist und damit offen für Neues. 7 Literaturverzeichnis Behrends, Jan C. 2006. „Amerika als Imperium. Ein Überblick zur neueren Literatur“, in Zeithistorische Forschungen. http://www.zeithistorische-forschungen.de/16126041-Behrends-12006 (11.8.2012) Bender, Thomas; Geyer, Michael 2008. „Imperium. Mission und Macht“, in: Wettlauf um die Moderne. Die USA und Deutschland 1890 bis heute, hrsg. v. Mauch, Christof; Patel, Kiran Klaus, S. 27-64. 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Zusammenfassung / Abstract Die Vorstellung von einer Welt, die über Imperien ihre Ordnung erhält, hat als analytisches Instrument in der Geschichts- und Politikwissenschaft neue Bedeutung gewonnen. Gefragt wird nach den Gründen. Die Begriffsgeschichte des Wortes Imperiums wird untersucht und die schimmernde Wortbedeutung als dessen charakteristisches Element herausgearbeitet. Anschließend werden einige Ergebnisse der neueren Forschung zu den Imperien mit einem Schwerpunkt auf der Geschichte der Neuzeit vorgestellt. Wie die Europäische Union in der Debatte zu verorten ist, ist Gegenstand des vorletzten Abschnittes. Der Aufsatz endet mit einem Plädoyer für eine komparative 21 Geschichtsschreibung, die die Grenzen des historischen Vergleichs reflektiert und dadurch offenbleibt für die Herausforderungen der Zukunft. Prof. Dr. Drs. h.c. Armin Heinen, Historisches Institut der RWTH Aachen, [email protected] 22