Die vergleichende Analyse der gleichen Quiz

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Die vergleichende Analyse der gleichen Quiz
Universität Osnabrück
Fachbereich 07
Sprach- und Literaturwissenschaft
Dissertation
Zur Erlangung des akademischen Grades
Doktor der Philosophie
Die vergleichende Analyse der gleichen Quiz-Formate
im deutschen und russischen Fernsehen
von
Galina Mavricheva
2009
INHALT
I. Einleitung
…………………………….……………………………........ 3
1.1. Definition des Quiz-Formates ………………………...……................ 5
1.2. Quiz und seine Platzierung unter den anderen Fernsehshows …….... 11
1.3. Die Vorgeschichte …………………………………………..…....…. 16
1.3.1. Die Entwicklung der Quiz-Sendungen in Deutschland
(von den frühen Radio-Quiz, Quiz-Sendungen und
Game-Shows der 50er („Einundzwanzig“), 80er
Jahre („Glücksrad“, 1988) bis zu „Wer wird Millionär?“,
1999, 2001 und „Deal or no deal“, 2006) …………......…... 19
1.3.2. Die Entwicklung der Quiz-Sendungen in Russland (von
den Vorgängern „Что, где, когда“ (Was, wo, wann? –
80ger Jahre) und „Поле чудес“ (Glücksfeld) bis zu
„О, счастливчик!“ (O du, Glückspilz!), „Кто хочет стать
миллионером?“ (Wer wird Millionär?) usw.) ……...…...... 33
1.4. Internationale Verbreitung (Vermarktung) von Quiz- und
Game-Shows des gleichen Formates ...………..…………………...... 43
II. Inhaltsanalyse ……………………………...…………………………… 46
2.1. Kurzporträts der untersuchten Quiz-Sendungen im deutschen
Fernsehen …………………………………………………...………. 46
2.1.1. Wer wird Millionär? ………………..……….……….…….. 46
2.1.2. Das Quiz mit Jörg Pilawa ………..……………………....… 72
2.1.3. Glücksrad ………………………………………………….. 76
2.1.4. Einundzwanzig ………………………..…………...………. 83
2.2. Kurzporträts der untersuchten Shows im russischen Fernsehen ......... 88
2.2.1. КВН (KWN - Klub der Lustigen und Schlagfertigen) …..... 88
2.2.2. Что, Где, Когда? (Was, wo, wann?)…………..………...… 93
1
2.2.3. Поле чудес (Glücksfeld = Glücksrad) ……………...…...... 97
2.2.4. Кто хочет стать миллионером? (Wer wird Millionär?) ... 100
III. Vergleichende Analyse der gleichnamigen Quiz-Sendungen ........... 110
3.1. Titel, Design, Logo …………………….…………………......….... 110
3.2. Moderatorenleistung ………………………...………….………..... 126
3.3. Die Fragen und die Antworten ….…….……...……….….........…... 140
3.4. Gewinne und Preise …………………………………...………....... 154
3.5. Finanzierung und Werbung in der Sendung …….…………......….. 161
3.6. Einschaltquoten …………………………...………...……...…....… 175
IV. Faktoren, die auf eine Anpassungsnotwendigkeit bei der
internationalen Verbreitung der gleichen Quiz-Formate hinweisen ….. 189
V. Zusammenfassung ………………………………..…….….………….. 201
Zusätzliche Tabellen …………………………..…………………...…..….. 222
Literaturverzeichnis …………………………………………..……………. 225
2
I. Einleitung
Durch die modernen Globalisierungsprozesse wird auch die Medienlandschaft
in der ganzen Welt stark verändert und dabei die grenzübergreifenden
internationalen
Verflechtungen
der
Medienindustrien
verstärkt.
Die
Interkommunikation im Bereich Fernsehen ist nur eine der Folgen oder anders
gesagt „begleitende Nebenwirkung“ bei der wirtschaftlichen Integration
verschiedener Länder. Dies führt zur Standardisierung der Fernsehproduktionen und zur globalen, bereits vorprogrammierten Popularität der
maßgeschneiderten
Fernsehformate.
Ein
Dutzend
Medienunternehmen
vermarkten eine Idee in der ganzen Welt, die in einem Format geschickt
verpackt ist.
Auf einer tieferen Ebene erscheinen jedoch die Anzeichen, dass die
Fernsehformate von den lokalen Besonderheiten, von der nationalen Kultur
und von der Mentalität der Zuschauer wesentlich abhängen. Diese Tatsache
lässt sich am Beispiel von populären Quiz-Formaten, die seit der Frühphase
des Fernsehens zum festen Bestandteil des Programmangebots zählen, gerade
gut beobachten.
Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist, am Beispiel von gleichen Formaten von
populären Quiz-Sendungen im russischen und deutschen Fernsehen zu
beweisen, das das Fernsehen sowohl global aber auch national sein kann. Das
Fernsehen ist durch wirtschaftliche Globalisierung von Massenmedien neu
geformt und gleichzeitig durch lokale nationale Kulturen stark geprägt.
Neben einer theoretisch orientierten Einführung und einer auf Struktur und
Inhalt konzentrierten Analyse konkreter Formate interessiert mich die
Entwicklung dieses Programmbereichs unter dem Aspekt, dass sich hier eine
in hohem Maße nicht-autonome Programmentwicklung beobachten lässt. Die
Aufarbeitung von Geschichte und Entwicklung der Quiz- und Game-Shows
3
erfolgt darüber hinaus unter Berücksichtigung allgemeiner Überlegungen zur
Funktion dieser Unterhaltungsangebote innerhalb der Gesamtstruktur des
Fernsehens.
In dieser Arbeit werden die bestimmten Quiz-Sendungen sorgfältig verglichen
und genau analysiert. Die Analyse erfolgt aufgrund von Programmbeobachtungen von Sendern und einzelnen Sendungen, von Reaktionen und
von der interaktiven Teilnahme von Zuschauern im deutschen und russischen
Fernsehen und von Interviews mit Verantwortlichen der TV-Produktionsunternehmen und Programmveranstaltern.
In diese Programmbeobachtung sind folgende Sender einbezogen worden:
deutsche Sender
RTL
russische Sender
ОРТ
9Live
ARD
НТВ
Kabel 1
РТР
ZDF
SAT.1
Das Hauptziel der Arbeit besteht aber nicht darin, thematisch die Programme
miteinander zu vergleichen, sondern in der Analyse von tieferen,
psychologisch
bedingten
Unterschieden.
Diese
Unterschiede
werden
heutzutage von einigen analytischen Unternehmen untersucht und aufgrund
der Ergebnisse haben nun die TV-Produzenten die Möglichkeit, absolut
rational Hit-Programme zu konstruieren, die ganz gezielt bestimmte
Zielgruppen schnell und erfolgreich erreichen.
Die Beobachtungszeit erstreckte sich von 2000 bis 2008.
4
1.1. Definition des Quiz-Formates
Ein Quiz aus dem Englischen bedeutet ein Fragespiel oder Ratespiel, in
dessen Verlauf Denksportaufgaben und Wissensfragen möglichst richtig
beantwortet werden müssen. Vor allem im Fernsehen gehören die
Quizsendungen seit Jahrzehnten zu den beliebtesten Formaten. Entsprechend
hat sich eine große Vielfalt von Formaten entwickelt, die sich in Reglement,
Kandidaten, Fragen und Gewinnen unterscheiden.1
Die Quizsendung, auch Quizshow genannt, ist eine Unterhaltungssendung in
Form eines Ratespiels. Quizsendungen sind ein Untertyp der Spielshows.
Neben den eigentlichen Quizsendungen werden heute Ratespiele als
Beiprogramm in verschiedenen TV-Sendungen veranstaltet (Sport-, Kinder-,
Wissenschafts- oder Infotainmentsendungen).
Das Wort „Quiz“ als Fremdwort hat in der russischen Sprache keinen breiten
Gebrauch, weil seine russischen Äquivalente viel aussagekräftiger und
gewohnter sind. Das russische Äquivalent (Entsprechung) dieses Begriffs ist –
«телевикторина» („televiktorina“: „tele“ – vom „television“, lat. „victoria“ Sieg), bzw. «телеигра» („teleigra“ - TV-Spiel, Fernsehspiel, TV-Game).2
Das Wort „викторина“ (viktorina) – russischer Begriff für das Quiz entstand in den 20er Jahren. Das Wort hat ein bekannter Journalist und
Schriftsteller, Michail Kolzov erfunden. Das war eine Überschrift auf einer
Zeitungsseite mit unterschiedlichen Fragen, Kreuzworträtsel, Scharaden usw.
Dieses Ressort gestaltete damals ein Mitarbeiter mit dem Namen Viktor, nach
seinem Namen entstand das Wort „viktorina“. Der Name Viktor bedeutet
1
Von „http://de.wikipedia.org“
Краткий словарь современных понятий и терминов, М., издат-во "Республика", 1993 год:
«КВИЗ - (англ.-амер. quiz - предварительный экзамен, проверочный опрос; викторина) - радиоили телевизионная игра на сообразительность и эрудицию, состоящая из вопросов и ответов на
различные темы; лит. или муз. телевикторина с крупными призами для победителей и также
утешительными - для наиболее активных (или всех) участников». Пример Квиз "Умники и
умницы" очень популярен среди подростков.
2
5
außerdem auf Latein „victoria“ – der Sieg. Danach wurde das Wort zum
Sammelbegriff für alles, was mit Fragen und Antworten zu tun hat.3
"Format" ist zunächst kein Rechtsbegriff und findet sich dementsprechend in
keiner Definition. "Format" ist ein in der Praxis entwickelter Begriff. Auf eine
Kurzformel gebracht ist ein Format ein Konzept, auf dessen Grundlage die
einzelnen Folgen einer Serie oder einer Show gefertigt werden.
Der Begriff „Format“ stammt ursprünglich aus dem Druckgewerbe und
bezeichnet eine bestimmte Seitengröße in einem Buch. Anfang der 50er Jahre
tauchte er erstmals in der Radioszene in den USA auf. Ein Radio-Format
setzte sich damals aus einem kurzen Namen, einer Musikbeschreibung und
der angesprochenen Zielgruppe zusammen.4 In Deutschland hingegen sind
Radio-Formate erst seit dem Ende der 80er Jahre bekannt, wobei hier das
„Format“ den Überbegriff für die Kombination aus Struktur, Inhalt und
Präsentation
eines
Radioprogramms
bildet.5
Mittlerweile
ist
diese
Bezeichnung auch im Bereich des Fernsehens weit verbreitet.
Beim „Paper Format“ handelt es sich um ein detailliert geschriebenes Skript,
das ein Basis-Konzept für ein TV-Programm-Format darstellt („detailed
written document that presents the initial concept for a TV programme
format“ 6). Neben der Idee, dem Inhalt und dem Layout 7 können hier auch
der Titel, die Zielgruppe oder die Länge der Sendung festgehalten sein.
Das „TV format package“, bzw. das „TV programme format“, lässt sich als
„recipe and ingredients that gives the knowledge to reproduce an existing TV
programme in another country“ 8 definieren. Es repräsentiert also das Wissen,
das im Rahmen der Produktion von auf dem „Paper Format“ aufbauenden
Sendungen gewonnen wurde.
3
www.tvigra.ru
M. S. Müller, Entwicklung, Erfolg und Bewertung neuer internationaler TV-Formate,
GRIN Verlag, 2005
5
M. S. Müller, Entwicklung, Erfolg und Bewertung neuer internationaler TV-Formate,
GRIN Verlag, 2005
6
http://www.tvformats.com /formatsexplained.htm
7
Hierzu zählen beispielsweise Bühnenbau, Studiodekoration, Vorspann und Logo.
8
http://www.tvformats.com /formatsexplained.htm
4
6
Mit dem Begriff Format werden regelmäßig „sämtliche wiederkehrenden
Gestaltungselemente
einer
TV-Show,
wie
insbesondere
Spielidee,
Moderatorenleistung, Bühnendekoration, Titel, Logo, Ablauf der Sendung,
Verwendung bestimmter Befragungstechniken usw.“9 bezeichnet. Das Format
einer TV-Show ist letztlich nichts anderes als die Gesamtheit der
Erscheinungsformen einer Show, so wie sie vom Zuschauer aufgenommen
wird.10
Allgemein bekannt sind Beispiele von Formaten, die Fernsehgeschichte im
internationalen Umfang geprägt haben, wie "Wer wird Millionär?", "Big
Brother" oder „Popstars“/ „Pop Idol“.
Gute Formate stellen für die Medienwirtschaft einen attraktiven Content dar,
der bei der vergleichsweise billigen Herstellung und verlockenden Gewinnen
zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor zwischen Fernsehsendern wird.
Die Innovation durch Adaption amerikanischer Programmideen (Eins-zu-einsAdaption, die seit Jahrzehnten in den USA in der Praxis erprobten Formaten)
wird bei vielen (vor allem bei den privaten, bzw. kommerziellen) Sendern
heute noch groß geschrieben. Der kommerzielle Erfolg von solcher Art
Lizenz-Produktion ist in der Regel schon vorprogrammiert, genauer - soll
vorprogrammiert werden. Dazu kommt der Konzeptimport aus bislang
weniger beachteten Ländern wie den Niederlanden (Endemol-Produktionen
im RTL-Programm) oder Großbritannien („Wie bitte? Wie bitte?!“).
Die Game-Shows ziehen breite Massen der Zuschauer an. Sie verwandeln das
Publikum nicht nur in aktive Teilnehmer des Geschehens, sondern auch in
Schöpfer des Prozesses.
9
Von Have/Eickmeier, Der gesetzliche Rechtschutz von Fernseh-Show-Formaten, ZUM 1994, 269,
270; vgl. auch Wolf Schwarz, Schutz und Lizenzierung von Fernseh-Show-Formaten in:
Scheuermann/Strittmatter (Hg.), Urheberrechtliche Probleme der Gegenwart, Baden-Baden 1990,
203, 204.
10
NÖRR STIEFENHOFER LUTZ, Von Dr. Martin Diesbach, Schutzfähigkeit von Fernsehformaten
7
Aus seiner praktischen Sicht bezeichnet der russische Moderator und TVProduzent Alexander Gurevitsch das Format 11 als eine exakte Beschreibung
des Produkts: «Es gibt einen Text, in dem ausführlich beschrieben wird,
welche Farbe dieses Produkt hat, welche musikalische Passage und wo sie
eingeführt werden soll und ob dabei ein blaues Licht blinken muss. Es wird
nicht das Produkt selbst verkauft, sondern seine genaue Gebrauchsanweisung
zu derjenigen Produktion. Das Format ist so präzise ausgearbeitet, dass keine
Schwierigkeiten sogar in außergewöhnlichen Spielsituationen entstehen
können. Im Lizenzpaket für dies oder dasjenige Format ist ein dickes Buch
unter dem Namen „Bibel“ beigelegt. Da steht alles niedergeschrieben».
Obwohl einige Analytiker in Russland einheimische Formate für nicht
dauerhafte halten und ihnen eine ungenügend industrielle Produktionsweise
zuschreiben, ist es nicht zu übersehen, dass auch ausländische Lizenzhits (wie
„Алчность“ (Greed), „Ca$h“ usw.) aus dem Programm rausfliegen. Dabei
bleibt die noch in den sowjetischen Zeiten entstandene Quiz-Sendung „Was?
Wo? Wann?“ seit 30 Jahren immer noch im Programm.
Valdis Pelsch, der Moderator von „Rate die Melodie!“, meint, dass z. B.
„Алчность“ (Greed) von Anfang an ein veraltetes Format aus den 90-ern war.
Es war von Anfang an nur wenig interessant.12
Das Format der populären Quiz-Shows soll in der Regel nach den nationalen
Besonderheiten des Publikums adoptiert werden. In den Fällen, wo die
Besitzer von internationalen Rechten keine strikte Befolgung von „Bibel11
Von Anatolij Golubovskij (Анатолий Голубовский, «Эфирное счастье», Еженедельный
ЖУРНАЛ, №021, 4.6.2002)
Александр Гуревич: «Формат - это точное описание продукта. Существует текст, в котором
подробно изложено, какого цвета должен быть этот продукт, где и какой музыкальный
«блямс» нужно вставить и надо ли при этом мигать синим фонарем. Продается не сам продукт,
а очень точная инструкция по его производству. Формат отлажен настолько, что вопрос: «А
что делать в неожиданной игровой ситуации?» просто не может возникнуть. В пакете
документов есть толстая книжка под названием Bible («Библия»). Там все сказано».
12
Von Anatolij Golubovskij (Анатолий Голубовский, «Эфирное счастье», Еженедельный
ЖУРНАЛ, №021, 4.6.2002)
Валдис Пельш: «Судьба «Алчности» печальна. С моей точки зрения, эта игра была устаревшей
с самого начала. Как только я ее увидел, сложилось ощущение, что это телевидение 1993-1994
годов. Неинтересно. Нет в ней таких крючков, которые цепляют в «Миллионере» или «Слабом
звене».
8
Regeln“ fordern, die das Aussehen und die Sprechcharakteristiken der
Moderatoren, Lichtpartitur(-palette) und andere ähnliche „Kleinigkeiten“
einschließen, steht der russischen Kreativität nichts mehr im Wege. Der
Erfolg des Quiz hängt von der Intuition des Produzenten ab, von seiner
Fähigkeit, die Melodie der Zuschauerseele zu erraten.
Im
Grunde genommen ist das Format eine Schablone, die aus
psychologischer Sicht genau aus spannender, aber auch moderner Musik,
korrekter Moderation und präziser Folge vom bestimmten Regeln
zusammengestellt ist. Die Kosten für das Format hängen von der Spezifik des
gesellschaftlichen Lebens im einen oder anderen Land ab.
Allgemein arbeitet die Formatindustrie in den Ländern mit einem gefestigten
sozial-demographischen Stratum (Schicht). In den Ländern mit einer stabilen
Wirtschaft und mit einer prognostizierbaren Entwicklung kann man dies oder
jenes Format sicher starten und schließlich eine erwartungsgerechte
Zuschauergruppe erreichen, deren dementsprechendes Alter, Geschlecht,
soziale
Schicht,
Ausbildung,
psychotypische
Charakteristiken
vorprogrammiert waren.
In den Ländern, die wirtschaftliche Rezession, politische Instabilität,
Depressionen, totale Umwertung aller Werte erlebt haben (sowie Russland in
90-er Jahren war), stößt die Formatindustrie auf große Schwierigkeiten. Das
kann man mit einem Schichtsalat vergleichen, in dem alle Schichten plötzlich
vermischt wurden. Hier genau liegt das Problem: in so einer Gesellschaft läst
sich keine sichere Prognose abgeben, denn in einer unstabilen Situation
können öfters Gegenreaktionen ausgelöst werden, die die Prognose dann ins
Leere laufen lassen.
Anderseits ist aber (und das hat europäische Fernsehgeschichte bewiesen) die
Psychologie der Zuschauer gegenüber dem Format-Fernsehen nicht eindeutig.
Ein gut gemachtes Format kann tief in den Zuschauer eindringen. Es gibt den
Zuschauern genau das, was sie sehen wollen, es ist in den Tagesablauf der
Zuschauer perfekt eingepasst, mit Musik, Aktionen und interaktiven Spielen
9
gefüllt, nahe liegend, leichtverständlich und nachvollziehbar. Solche Formate
können die Massen festhalten.
Das Format des Fernsehspiels (sei es Quiz oder Game-Show) ist universell
und sehr anpassungsfähig. Durch Änderung einiger Elemente kann es zu
verschiedenen
Zielgruppen
der
Zuschauer
adaptiert
werden.
Keine
Seifenoper, keine Sport- oder Nachrichtensendung, an denen einige Zuschauer
überhaupt kein Interesse zeigen, können nach ihrer Universalität mit den
Game-Shows verglichen werden.
Dies bestätigen auch die Erfahrungen von Alexander Gurevitsch, des
Produzenten, Moderators und gleichzeitig künstlerischen Leiters vom
„Studio 2B“ (Gesellschaft, die die langlebigste TV-Spiele produziert): «Die
Game-Show ist eine sehr flexible Struktur. Einerseits kann sie auf einem
Kanal den Charakter einer pseudopsychologischen Sadomaso-Form (wie
„Слабое звено“ - Weakest Link = Der Schwächste fliegt) annehmen,
andererseits auf anderem Kanal schafft sie im Zusammenklang mit der
Konzeption des Produzenten ein ganz anders Weltbild – durchaus friedlich,
gemütlich, wie im Familienspiel „Устами младенца“ (Child´s Play)».13
Die großen und kostenspieligen Projekte – so wie Reality-Shows „Последний
герой“ (Survivor - Der letzte Held), „Форт Байярд” (Fort Boyard), „За
стеклом“ (Hinter Glas) usw. – können nicht täglich und ständig das
Programm füllen. Sie sind schnell verbraucht. Die ständige (den Nachrichten
ähnliche) spielerische Kulisse kann im Gegensatz zu anderen Angeboten im
modernen Fernsehen ausschließlich das Quiz verschaffen (verleihen).
13
Von Alexander Gurevitsch (Александр Гуревич, «Эфирное счастье, Еженедельный ЖУРНАЛ,
№ 021, 4.6.2002)
10
1.2. Quiz und seine Platzierung unter den anderen Fernsehshows
Der globale Medienmarkt ist relativ jung. Bis zu 80-er Jahren hatten
Mediensysteme hauptsächlich einen nationalen Charakter. Obwohl schon
damals Bücher, Filme, Musikwerke, Fernsehshows importiert wurden, waren
die Rundfunksysteme und Verlage in den Händen von nationalen
Kapitalgesellschaften. Der Medienmarkt wurde wegen seiner strategischen
Bedeutung gesetzlich streng kontrolliert und die Teilnahme von ausländischen
Investoren wurde begrenzt. Allmählich hat sich diese Situation verändert.
Einerseits spielten hier Liberalisierung, Deregulierung und Privatisierung der
Medien- und Kommunikationssysteme eine große Rolle, andererseits führten
die Entwicklung der Satellitenverbindung und der digitalen Technologien zur
explosionsartigen Expansion der globalen Mediengiganten, die heutzutage in
die transnationalen Informationsimperien umgewandelt wurden.
Viele Experten, Soziologen und Kulturologen bemerken eine ausgeprägte
Tendenz zur Erhöhung der Unterhaltungsmotivation im Umgang des
modernen Menschen mit der Information, Kultur, Kunst. Es entsteht ein
Interesse zu den einfachen, entlasteten und verständlichen Formen in der
Kunst
insgesamt,
die
keine
intellektuellen
Anstrengungen
oder
Arbeitsaufwand für Konsumenten benötigen. Diese Passivität in der
Betrachtung ist in der heutigen Zeit auch für das Fernsehen charakteristisch.
Jeder Fernsehkanal, genau so wie jede Business-Institution, hat ein
einleuchtendes Ziel – möglichst viel Geld zu verdienen. Wie man zu diesem
Ziel kommt, entscheidet jeder für sich. Im Grunde genommen haben alle
Sender nur eine einzige Motivation – die Zahl der Zuschauer, bzw.
Einschaltquoten zu erhöhen. So muss jeder Sender seinen Platz auf dem
Medienmarkt behaupten und zusätzliche Zuschauer von den Konkurrenten
weglocken. Durch die hohen Einschaltquoten wird die Attraktivität des TVKanals für Werbeträger, die wichtigsten Geldlieferanten im globalen
Fernsehraum, automatisch erhöht. Um die Konkurrenzfähigkeit eines TV-
11
Kanals
zu
erhöhen,
muss
dementsprechend
die
Qualität
des
Fernsehprogramms steigen.
Wenn wir das Programmangebot von europäischen „Top 10“ nach Genre
vergleichen, so sehen wir nach Angaben von Eurodata TV 14, dass
Unterhaltungsprogramme, zu denen auch Quiz-Sendungen gehören, mit den
Spitzenreitern - Film und Serien - konkurrieren und sogar wie „WWM“ in
vielen Ländern führende Positionen auf den Top-Listen einnehmen. Man kann
vermuten, dass in absehbarer Zukunft das Telecasino zum dominierenden
Genre im Fernsehen wird.
Wenn die führenden Positionen von Film und Serien in europäischen TVChats gedrängt wurden, dann dank dem phantastischen Erfolg vom QuizFormat „Wer wird Millionär“. Erst 1999 erschien diese Quiz-Show in Chats
in Kanada, Dänemark, Großbritannien und in den USA. Im Jahr 2000 ging
diese Show ziemlich stürmisch durch zentral- und westeuropäische Länder
und den Nahen Osten (Belgien, Deutschland, Irland, Israel, Slowakei,
Slowenien und Schweden). Die Möglichkeit, übergroße Gewinne zu erzielen,
sammelte enorm viele Zuschauer vor den Bildschirm. Bis heute sind die
Spiele mit großen Gewinnsummen sehr populär: „Wetten, das..?“ - im
deutschsprachigen Schweiz, „Alles ist möglich“ – in Österreich, „Carramba
che fortuna!“ – in Italien, „Lottoreckning“ – in Norwegen und Nationallotterie
„Bingo Liberto“ – in Rumänien.
In 2001 besonders populär war das Format des übernationalen Charakters
„Wer wird Millionär“.
14
Eurodata TV - ist ein Tochterunternehmen des französischen Fernsehforschungsinstitut
Médiamétrie [www.mediametrie.fr]. Eurodata TV führt sendungsbezogene Daten aus mehr als 66
Ländern weltweit zusammen. Das Institut vermarktet die AGF-Daten im Ausland. Das Projekt
existiert seit 1993. Russland ist seit 1999 dabei. Als Grundlage für Analyse dienen die „Top(Hit)Liste“ mit 10 besten Programmen jedes Landes, wo auch Genre und Produktionsland fixiert ist. Aus
dieser Analyse werden die Präferenzen und die Besonderheiten der Zuschauer weltweit anschaulich.
Коломиец Виктор Петрович, «Телевизионное пространство глобального мира», Телефорум
2002, № 2. Цель статьи: опираясь на данные исследования, проведенного «Eurodata TV» в 2000
году, представить некоторые тенденции мирового и отечественного телевидения в аспекте
процессов глобализации, формирования единого информационного пространства.
12
Die meisten Programme in Hitlisten sind einheimischer Produktion15. Der
größte Exporteur bleiben die USA, in verschiedenen Ländern variiert aber die
Zahl der Programme „made in USA“ in den Hitlisten von 5% bis 30%. Der
größte Teil amerikanischer Programme läuft in Südafrika, Ozeanien und
Osteuropa, am wenigsten – in Westeuropa und Asien.
Diagramm 1
Struktur der Hitlisten nach dem Produktionsland
5%
10%
10%
8%
USA
regionale Produktion
nationale Produktion
unbestimmt
Sonstiges
67%
In Westeuropa haben die Unterhaltungsprogramme (35%) die Filme und
Serien (32%) von der führenden Position gedrängt. Dies passierte dank
Fernsehspielen so wie „WWM“.
Diagramm 2
Westeuropa
Osteuropa
Unterhaltungsprogramme
32%
Filme, Serien
22%
35%
9%
43%
Nachrichten
Sport
22%
28%
5%
Im Osteuropa führen immer noch Filme (43%), danach folgen jedoch
Unterhaltungssendungen (28%).
15
Nach Eurodata TV
13
In einigen Ländern werden Hitlisten (fast oder ganz) ausschließlich von
Programmen nationaler Produktion dominiert (Russland, Tschechei, Slowakei,
Rumänien).
Russland hat im Unterhaltungsbereich (vor allem Quiz, Game-Show, RealityShow) einen eigenen Mittelweg gefunden. Einerseits werden fremde Formate
benutzt, mit denen ein Erfolg vorprogrammiert ist, andererseits aber werden
eigene Unterhaltungsshows weiter produziert, die im Laufe von mehreren
dutzend Jahren immer noch populär sind, so wie Fernsehspiele „Поле чудес“,
„КВН“ или „Что? Где? Когда?“. Allgemein neue und vor allem kostspielige
Projekte werden für Produzenten weniger verlockend, weil damit ein hohes
Risiko verbunden ist, das investierte Geld nicht zurückzubekommen, sprich
nicht eigene Gewinne zu erzielen. Es ist angenehmer für sie, die importierten
Fertig-Produkte zu Besonderheiten des eigenen Publikums zu adaptieren.
Die Programmanalyse aller deutschen Fernsehangebote führt zu folgenden
Befunden:
Das Fernsehangebot der öffentlich-rechtlichen und privaten Hauptprogramme
unterscheidet sich deutlich. Im Unterhaltungsbereich liegt das Schwergewicht
des Ersten und des ZDF auf Fiction, während bei den Privaten die Sparten
Fiction und nonfiktionale Unterhaltung annähernd gleichgewichtig sind.
Während
sich
die
öffentlich-rechtlichen
Hauptprogramme
bei
der
nonfiktionalen Unterhaltung vor allem auf konventionelle Formate wie
Talkshows, Quiz und Darbietungsshows beschränken, tragen zur Dominanz
der Privaten in dieser Sparte wesentlich die Gerichtsshows, DokuInszenierungen und Real-Life-Shows bei.16
Die Tendenzen des internationalen Fernsehens in den letzten Jahrzehnten
zeigen allgemein die deutliche Neigung der Zuschauer zur Unterhaltung, zur
TV ohne Tabus, Kabarett mit viel Humor und Witzen und auch Reality-TV,
das verschiedene Bereiche des alltäglichen Lebens zeigt und wo die
16
IFEM Institut für empirische Medienforschung, Köln. In: Udo Michael Krüger/ Thomas ZapfSchramm: Sparten, Sendungsformen und Inhalte im deutschen Fernsehangebot. Programmanalyse
2005 von ARD/Das Erste, ZDF, RTL, SAT.1 und ProSieben. Media Perspektiven 4/2006, S. 203.
14
Hauptdarsteller einfache Menschen von der Straße sind. Nur ein solches
Programmangebot kann den heutigen Zuschauer am Bildschirm noch
festhalten.
Das Verhalten der breiten Menschenmassen in einer relativ stabilen
Gesellschaft lässt sich sehr präzise berechnen. Die Kalkulationen können
weiter von den Kanälen strategisch gut umgesetzt werden, um höhere
Einschaltquoten und Sympathien bei den konkreten sozial-demografischen
Zielgruppen zu erobern. Die Kreativität, die treffsicheren Ideen, die den hellen
Köpfen entspringen oder aber auch nicht, müssen den Platz freimachen für das
Rationale. Es ist in allen Bereichen des Lebens die Zeit der Technologien
gekommen.
Nach wie vor gilt das Radio als Tagesbegleitmedium, das Fernsehen als
Spätnachmittag- und Abendmedium, die Zeitung als Morgenmedium und das
Internet als Ganztagsmedium. Das Fernsehen wird meist in der Freizeit, der
Hörfunk eher bei der Arbeit oder auf dem Weg dorthin genutzt.
Zwar kann man die Dynamik von Entwicklungen wie Fernsehen über Internet,
TV-Bilder und Radio über Handy heute schwer abschätzen. Aus der
Erfahrung der Langzeitstudie der Massenkommunikation ist aber damit zu
rechnen, dass die Mediennutzung weiter ansteigen wird, wenn auch nicht im
gleichen Maße wie in den letzten fünf Jahren.
15
1.3. Die Vorgeschichte
In der ganzen Welt beginnt die Geschichte TV-Game-Kultur nämlich mit
einer Quiz-Show, die auf einer einfachen Standardprozedur aufgebaut ist –
„Frage vom Fernsehsender – Antwort vom Zuschauer“. Sie ist eine
langlebige, populäre, flexible und unendlich veränderungsfähige Form eines
Fernsehspiels. Das Interesse an dieser Form bleibt stabil genauso wie an den
Kreuzworträtseln oder an den Kartenspielen allgemein. Sogar die Entwicklung
einiger Computermodifikationen konnte sie nicht schwächen.
Dabei ist das "Quiz" als Unterhaltungsformat so alt wie die Medien selbst:
zuerst im Radio in den 20-30er Jahren in den USA, dann als Ratespiel
zwischen Unterhaltung und Bildung im Fernsehen der 50er Jahre. In ihrer
Wandlung sind sie zu spannenden Vorstellungen (Shows) mit einer
vielfältigen Struktur geworden.
Wozu und wann entstanden die ersten TV-Spiele?
In den 50er Jahren wurden die Sendungen im britischen Fernsehen
vorwiegend live übertragen. Dabei gab es technische Unterbrechungen
(Pausen) zwischen den Sendungen, weil die Bänder damals manuell
gewechselt werden mussten. Dadurch entstand das Problem: womit sollen die
ungeplanten und unberechenbaren Pausen gefüllt werden? Man könnte sie
natürlich, wie damals in der UdSSR, mit einer tickenden Uhr oder mit
aufgehenden Veilchen, mit dem frühjährlichen Getröpfel zu überbrücken.
Mark Butson bot aber eine andere Lösung an: mit schnellen Frage-AntwortSpielen die Zuschauer während der Unterbrechungen zu beschäftigen. Später
wurde klar, dass die Zuschauer den Kanal bevorzugen, bei dem es solche
Spiele (diese amüsante „Pausenkiller“) gab. Auf Grund dieser ersten
Erfahrungen entstand später die erste programmfüllende Quiz-Sendung, die
Butson auch selbst produzierte. Darauf folgten andere TV-Spiele (bis
etwa 30), die bis heute noch in Europa zu sehen sind.
16
Die Quizsendungen der 50er unterscheiden sich von den heutigen. Früher
trafen sich richtige Intellektuelle und Kenner (Allwissenskenner). Die Fragen
waren auch anspruchsvoller und forderten Intelligenz mit Hintergrund.
Heutzutage genügt es mit der Massenkultur vertraut zu sein, man schöpft
Kenntnisse aus Schlagzeilen von Zeitungen, Talk-Shows und Filmen, man
studiert Boulevardpresse und Illustrierte, um den alltäglichen Klatsch und
Tratsch abzuspeichern.
Anfang der 50er Jahre sind es einfache Rätsel oder Frage-Antwort-Spiele,
werden aber bald zu einem Spektakel mit angewandten Dekorationen und
Teilnahme von Zuschauern, die eigene Humor und Phantasie mitbringen.
In
den
ersten
5-7
Jahren
überfluteten
die
Quiz-Sendungen
die
Fernsehprogramme. Mitte der 50er Jahre in den USA ist die Zeit der großen
Gelder im TV-Quiz-Business. Zum Ende der 50er-Anfang 60er wurden sie
zum populärsten Fernsehgenre. In vielen Ländern der Welt sammelten sie die
großen Massen des Publikums. Für die Produktion wurden viele hochrangige
Fachleute aus verschiedenen Gebieten der Wissenschaft, Kunst, Dramaturgie,
Psychologie, eingeladen und populäre Schauspieler und Kabarettisten
engagiert.
Auf dem Höhepunkt der allgemeinen Begeisterung und massenhaften
Euphorie platzten nacheinander einige Skandale, ausgenommen in den
Ländern, wo man um hohe Geldsummen spielte. Unter den Organisatoren
waren unehrliche Leute, die diese Sendungen als Quelle für die schnelle
eigennützige Bereicherung genutzt haben. (In Italien zum Beispiel: Ein
gewisser Rogero suchte passende Personen, denen er gegen gewisses Entgelt
die richtigen Antworten verriet, so konnten die Beteiligten ein Auto oder
einen anderen hochwertigen Gegenstand gewinnen.) In den USA haben solche
Manipulationen große Empörung ausgelöst, so dass die Regierungsorgane
gezwungen wurden, sie als Verbrechen des allgemeinen nationalen Charakters
zu verurteilen. Den Komplizen drohten 10 Jahre Haft.
17
Deutsches Fernsehen blieb auch von einem Quiz-Skandal nicht verschont.
1953 moderierte Hans-Peter Rieschel bei „Er und sie“, einem Wettkampf
zwischen
Männern
und
Frauen,
der
in
Form
von
Rate-
und
Geschicklichkeitsspielen ausgetragen wurde. Bei der ersten, im November
1953 ausgestrahlten Folge war der Spielleiter nicht in der Lage, das Publikum
zu begeistern. Trotz ansehnlicher Geldpreise – für eine richtige Antwort waren
50 Mark zu gewinnen – kam das Publikum nur zögernd zum Mitmachen auf
die Bühne. Um diesem Problem abzuhelfen, platzierte Rieschel bei der
zweiten Folge einige vorausgewählte „Kandidaten“ im Publikum. Im
Unterschied zu ähnlichen Vorfällen in amerikanischen Quiz-Sendungen, die
sich einige Jahre später ereignen sollten, waren Rieschels vorausgewählte
Kandidaten noch nicht einmal über die Spielaufgaben informiert worden.
Anfang der 60er verschwinden die Quiz-Shows beinahe aus allen zentralen
Programmen. Der Wiederaufbauversuch Mitte der 60er scheiterte. Die Presse
erklärte es durch das entstandene Misstrauen der Menschen zu dieser Art von
Sendungen.
Mehr als 10 Jahre wurden gebraucht, bis dieses Misstrauen überwunden
wurde. 1972 werden sie wieder populär.
In westlichen Ländern verlassen sie den Bildschirm nicht, obwohl ihre
Vielzahl in den 60er Jahren merklich reduziert wurde.
Heutzutage sind sie eines der beliebtesten Genre, sie werden in prime time
ausgestrahlt und haben hohe Einschaltquoten.
18
1.3.1. Die Entwicklung der Quiz-Sendungen in Deutschland
Als Ausgangspunkt der Programmgeschichte von Quizsendungen und Garne
Shows im Fernsehen der Bundesrepublik wird der 25.12.1952 genommen. Ab
diesem
Zeitpunkt
ausgestrahltes
gab
es
ein
Fernsehprogramm,
kontinuierlich
zunächst
des
Nordwest-deutschen Rundfunks (NWDR), an dem sich
nach und nach weitere Sendeanstalten beteiligten, bis
dann am 1.11.1954 das Gemeinschaftsprogramm „Deutsches Fernsehen
(ARD)“ eingerichtet wurde.17 Übrigens, die Quizsendungen hatte es schon
vorher gegeben, zwar nicht im historisch ersten Fernsehen auf deutschem
Boden, dem Programm des Fernsehsenders „Paul Nipkow“, der zu Zeiten des
NS-Regimes von 1935 bis 1944 in Betrieb war, aber im westdeutschen
Rundfunk der frühen Nachkriegszeit – etwa im Jahr 1947.
Im Grunde genommen gibt es zur Programmgeschichte von Quiz und Game
Show im Fernsehen der Bundesrepublik nicht nur eine Vorgeschichte, sondern
sogar zwei: Als Genre wurde diese Programmsparte nach 1945 zunächst von
den USA in die BRD importiert, und zwar in den Hörfunk; in einem zweiten
Schritt wurde die Sendeform vom Hörfunk dann in das Fernsehen
übernommen. Zudem ist die
Sendeform
nicht nur abstrakt von den USA in den
deutschen Hörfunk und von dort in das
Fernsehen gelangt, sondern es wurden auch
konkret einzelne Sendereihen aus den USA
importiert,
manchmal
sogar
beides
zugleich. Ein Beispiel: 1940 hatte im
amerikanischen Radio eine Quizsendung
namens „Take It or Leave It“ Premiere, die
„Dalli-Dalli“, Hans Rosenthal
1950 in „The $ 64 Question“ umbenannt
wurde.
Schon
1947
tauchte
diese
17
Hätten Sie´s gewusst?: Die Quizsendungen und Game Shows des deutschen Fernsehens / Gerd
Hallenberger / Joachim Kaps (Hg.) – Marburg: Jonas Verl., 1991
19
Sendereihe als „Doppelt oder nichts“ im Radioprogramm des Hessischen
Rundfunks auf, die in den USA zur „$ 64 000 Question“ aufgewertet wurde
und 1955 den Sprung ins Fernsehprogramm schaffte.
So schreibt Hans Rosenthal, nicht erst seit „Dalli-Dalli“ einer der wichtigsten
Moderatoren von Quizsendungen, in seiner Autobiographie zu seinen
Anfängen beim RIAS im Jahre 1948: «Im RIAS begegnete ich zum ersten
Mal in meinem Leben einem Phänomen, das uns Deutschen gänzlich
unbekannt gewesen war: der Quiz-Sendung»18. Kurz danach war sie unter
dem Titel „Alles oder Nichts“ im vorabendlichen Werberahmenprogramm des
Bayerischen Rundfunks auch im bundesdeutschen Fernsehen zu sehen. Unter
diesen Umständen empfiehlt es sich, lieber ganz weit auszuholen, und als
erstes die Frage zu stellen, wie denn das Quiz in den USA überhaupt in das
Radio kam.
Die Anfänge dieses Radio-Genres in den USA sind bisher nicht genau
festgestellt. Manche Autoren vermuten den Beginn in den zwanziger Jahren,
andere eher in den Dreißigern. Es lässt sich nicht so genau sagen, wann das
allererste Radio-Quiz war, da es schon damals in den USA eine
unüberschaubare Menge von lokalen Radiostationen gegeben hat.
In den USA fand nach einer Experimentierphase der offizielle Beginn des
Fernseh-Zeitalters im Jahr 1939 statt – mit der Übertragung einer Rede von
Präsident
Franklin D. Roosevelt
vom
Gelände
der
New
Yorker
Weltausstellung. Von einem „Massenmedium Fernsehen“ konnte zu diesem
Zeitpunkt noch keine Rede sein – es gab gerade ca. 500 Fernsehgeräte in
Privatbesitz. Doch nach dem 2.Weltkrieg beschleunigte sich die Entwicklung
drastisch. 1947 besaßen schon 142.000 amerikanische Haushalte einen
Fernsehapparat, ein Jahr später waren es knapp eine Million. 1950 waren
bereits 9,7 Millionen Geräte in Betrieb, 1952 – 21,8 Millionen.19
Zum
Vergleich: eine Million Fernsehgeräte gab es in der Bundesrepublik erst 1957;
18
Hätten Sie´s gewusst?: Die Quizsendungen und Game Shows des deutschen Fernsehens / Gerd
Hallenberger / Joachim Kaps (Hg.) – Marburg: Jonas Verl., 1991
19
Hätten Sie´s gewusst?: Die Quizsendungen und Game Shows des deutschen Fernsehens / Gerd
Hallenberger / Joachim Kaps (Hg.) – Marburg: Jonas Verl., 1991
20
berücksichtigt man die unterschiedliche Bevölkerungszahl, wurde der in den
USA 1952 erreichte Versorgungsstand hier erst 1962 eingeholt.
Natürlich bedeutete der Aufstieg des Fernsehens zum elektronischen Medium
Nr. 1 nicht den Untergang des Radios, ebenso wie später in der
Bundesrepublik führte dieser Aufstieg lediglich zu einem Funktionswandel –
wenn auch bei insgesamt niedrigeren Zuhörerzahlen. Ein Element dieses
Funktionswandels war, dass das Fernsehen zum wichtigsten Unterhaltungsmedium wurde und damit zugleich zum Stammsitz der «großen Unterhaltung»
für die ganze Familie, zu der inzwischen längst das Genre Quiz und Game
Show zählte.
Um 1940 war aus dem jungen Radio-Genre bereits ein unverzichtbarer
Programmbestandteil geworden: Laut Maxene Fabe wurden zu diesem
Zeitpunkt bereits über 50 verschiedene Quizsendungen ausgestrahlt. Während
des Zweiten Weltkriegs verschwanden die meisten Quizsendungen aus den
Radioprogrammen – teils wegen nachlassenden Hörerinteresses, teils wegen
der strengen Regierungskontrolle des Rundfunks, unter der Quizsendungen
besonders zu leiden hatten, da sie live gesendet wurden, schließlich auch
deswegen, weil viele Programmmacher zur Armee eingezogen wurden.
Nach dem Krieg setzte sich der unterbrochene Aufstieg des Genres dann
jedoch fort: Nach der Zählung von Maxene Fabe gab es Ende der 40er Jahre
im amerikanischen Radio fast 200 Quizsendungen und Game Shows.20 Von
den Sendungen der Vorkriegszeit unterschieden sie sich vor allem in einem
Punkt: Es gab generell viel mehr zu gewinnen. Außer mit hohen Geldpreisen
lockten Radio-Quizsendungen nun unter anderem mit Kühlschränken,
Waschmaschinen, Pelzmänteln, Autos und sogar Häusern. Was sich in solchen wertvollen Gewinnen ausdrückte, war nicht nur das Bedürfnis einer
Nachkriegsgesellschaft, in Kriegszeiten versagten Konsum nachzuholen, sie
20
Hätten Sie´s gewusst?: Die Quizsendungen und Game Shows des deutschen Fernsehens / Gerd
Hallenberger / Joachim Kaps (Hg.) – Marburg: Jonas Verl., 1991
21
zeugten auch schon vom Beginn des Konkurrenzkampfes mit dem neuen
Medium Fernsehen.
Etwa ab 1950 wanderte das Quiz-Genre insgesamt allmählich vom Radio ins
Fernsehen ab. Zum einen in der Form, dass viele erfolgreiche Sendereihen von
dem neuen Medium übernommen wurden. Zum anderen dadurch, dass die im
Radio erprobten Bauelemente für eine erfolgreiche Quizsendung oder Game
Show auch im Fernsehen bei der Konstruktion neuer, fernsehgerechter
Produktionen eingesetzt wurden.
Der Abschluss des ersten Teils der
Vorgeschichte ist Ende der 40er Jahre
aber noch aus einem anderen Grund
erreicht: In diese Zeit fällt der Beginn
der deutschen Quiz- und Game-ShowGeschichte. Die weitere Entwicklung des
Genres in den USA wird trotzdem nicht
aus dem Auge verloren – zwischen amerikanischen und deutschen
Quizsendungen und Game Shows bestanden immer sehr enge Beziehungen,
und sie bestehen heute noch. Selbst wenn im Folgenden in erster Linie von
deutscher Programmgeschichte die Rede ist, wird es immer wieder auch um
amerikanische Produktionen gehen.
Nicht nur das Genre Quiz/Game Show
insgesamt ist nach den Zweiten Weltkrieg
aus den USA importiert worden, sondern
auch
zu
allen
Zeiten
haben
US-
amerikanische Lizenzproduktionen einen
erheblichen Anteil des bundesdeutschen
Programmangebots
zählten
in
den
ausgemacht.
50er
Jahren
Dazu
solche
Charles Van Doren (r.) mit "TwentyOne"-Moderator Jack Barry (Mitte)
Sendereihen wie „Was bin ich?“ (What's My Line?) und „Hätten Sie´s
gewusst?“ (Twenty-One), später kamen unter anderem „Sag die Wahrheit“
22
(To Tell the Truth) und „Die Pyramide“ (The Pyramid) hinzu, in neuerer Zeit
wurden aus den USA beispielsweise „Dingsda“ (Child´s Play), „Das
Glücksrad“ (Wheel of Fortune) und „Der Preis ist heiß“ (The Price Is Right)
übernommen.
„To Tell the Truth“
„The Price Is Right“
23
Die Vorgeschichte der Quiz-Formate im deutschen Rundfunk:
1946
„Schnelldenker-Turnier“ von Hans Gertberg
50er
„Alles oder Nichts“ („Doppelt oder nichts“) – „Take It or Leave
It“ = „The $ 64 Question“ – 1956 (Neuauflage - 1982-1988)
„Was bin ich?” – „What's My Line?” (Neuauflage - Kabel1 /
1999-2005)
„Hätten Sie´s gewusst?” – „Twenty-One” – 1958-1969 (mit
Hans Maegerlein)
„Sag die Wahrheit” – “To Tell the Truth” – 1959
„Der große Preiß” – ZDF – 1974- 1993
„Dingsda” – „Child´s Play” – 1985
„Das Glücksrad” – „Wheel of Fortune” – 1988
„Erkennen Sie die Melodie?“ – 1969
„Was bin ich? / Ja oder Nein“ – 1955
15.02.1953 „Erzähler-Stafette“
18.02.1953 „Kennst Du Europa?“
60er
„Einer wird gewinnen“ mit Hans-Joachim Kuhlenkampf –19641987
„Raten Sie mit“ – eine Koproduktion des Hessischen
Rundfunks und des deutschsprachigen Dienstes der englischen
BBC – 1965
„Wer fragt, gewinnt“
„Allein gegen alle“ – 1963/1978
„Gut gefragt ist halb gewonnen“ – ZDF – 1964
1972-1987
„Dalli Dalli” – 1963 (Neuauflage: ZDF / 1995-1997)
1974
„Der Preis ist heiß” – „The Price Is Right”
1978-1993
„Die Pyramide” – ZDF / 1978-1993 – Moderation: Dieter
Thomas Heck
„Dingsda” – „Child´s Play”
1985
24
Das deutsche Radio-Quiz ist sogar etwas älter als die Bundesrepublik. Als die
ersten Sendungen dieses Typs ausgestrahlt wurden, bestand das Land noch aus
einzelnen Besatzungszonen. Zum 1. Januar 1947 erfolgte der wirtschaftliche
Zusammenschluss der britischen und amerikanischen Zone zur „Bizone“,
später kam die französische Zone hinzu, wodurch aus den zukünftigen
Bundesbürgern erst einmal Bewohner von „Trizonesien“ wurden. In dieser
Übergangszeit, nach der Befreiung Deutschlands von der Nazi-Diktatur und
vor der Gründung der Bundesrepublik, gab es bereits im Hörfunk erste
Quizsendungen.
Was denn wirklich die allererste Quizsendung war, lässt sich ebenso wie für
die USA mangels einsehbarer Unterlagen nicht mit Bestimmtheit sagen.
Wahrscheinlich fand die Premiere des Genres aber im Jahr 1946 statt,
zumindest lassen sich für diese Zeit erste Hinweise finden. So schreibt
Joachim
Drengberg
zu
den
frühen
Unterhaltungssendungen
des
Nordwestdeutschen Rundfunks (NWDR): «Die Reihe der verschiedenen
Arten von Denk-, Rate- und Geschicklichkeitsspielen begann Weihnachten
1946 mit dem „Schnelldenker-Turnier“ von Hans Gertberg».21 Im folgenden
Jahr sendete der spätere Hessische Rundfunk, der damals noch „Radio Frankfurt“ hieß, die erste Folge von «Doppelt oder nichts», moderiert von Just
Scheu. Es war die deutsche Version der US-Hörfunkproduktion „Take It or
Leave It“, die in späteren Jahren auch im Fernsehen als „The $ 64000
Question“ ein großer Erfolg werden sollte.
"Doppelt oder nichts" hieß eine der ersten Quiz-Sendungen im deutschen
Radio. Moderator Justus Scheu ging im Jahr 1947 im Radio Frankfurt auf
Sendung. Eine ganze Salami war neben 160 Reichsmarken der begehrteste
Hauptgewinn in der Nachkriegszeit.
Die Gewinnmöglichkeiten waren relativ gering, auch wenn sie bei „Take It or
Leave It“ deutlich größer waren: hier ging es immerhin um $ 64. Der
21
Hätten Sie´s gewusst?: Die Quizsendungen und Game Shows des deutschen Fernsehens / Gerd
Hallenberger / Joachim Kaps (Hg.) – Marburg: Jonas Verl., 1991
25
Hauptgewinn bei „Doppelt oder nichts“ waren dagegen 160 Reichsmark, die
sich, wie Hans-Otto Grünefeldt (ab 1951 Leiter der Unterhaltungsabteilung
des Hessischen Rundfunks, später Fernseh-Programmdirektor des HR)
berichtet, gleich der erste Kandidat der Sendung erspielte: «Aber als er eine
echte Salami dazu bekam, vergaß er fast, die 160,- R-Mark zu kassieren».22
Die Reaktion des Kandidaten war verständlich – 1947 herrschte noch große
wirtschaftliche Not, und es gab viele Versorgungsengpässe. Was florierte, war
der Schwarzmarkt, und auf dem Frankfurter Schwarzmarkt hätte sich der
Kandidat für seinen Gewinn gerade ein Kilogramm Zucker kaufen können.
Bis etwa Mitte der 80er Jahre blieb eine «Gewinn-Schere» zwischen
amerikanischen und deutschen Quizsendungen generell erhalten. Danach hat
sich das Genre in den USA und in der Bundesrepublik deutlich anders
entwickelt. Während in den USA die Spielgewinne in Radio-Quizsendungen
rasch enorme Höhen erreichten, blieben sie in der Bundesrepublik relativ
niedrig.
Ein
wesentlicher
Grund
für
diese
Differenz
lag
in
der
unterschiedlichen Organisation des amerikanischen und des deutschen
Rundfunks. Sowohl Radio als auch Fernsehen waren in den USA von Anfang
an privatwirtschaftlich organisiert, in der Bundesrepublik waren beide Medien
dagegen lange Zeit ausschließlich öffentlich-rechtliche.
Dazu wieder Hans-Otto Grünefeldt: «Als in den Jahren 1948/49 harte D-Mark
ausgegeben wurden, begnügte man sich beim Hessischen Rundfunk mit dem
Wertzuwachs der Gewinne durch die Währungsreform, obwohl die Anregungen nicht verstummten, den Endgewinn auf eine sensationellere Höhe
heraufzusetzen. Im Gegenteil, in Frankfurt wie auch in anderen deutschen
Funkhäusern machte man sich daran, Quiz-Sendungen zu entwickeln, die auf
das Spannungsmoment des sensationellen Geldgewinnes verzichteten. Sie
suchten ihren Reiz im fairen Geisteswettkampf von Einzelpersonen oder
22
Hätten Sie´s gewusst?: Die Quizsendungen und Game Shows des deutschen Fernsehens / Gerd
Hallenberger / Joachim Kaps (Hg.) – Marburg: Jonas Verl., 1991
26
Mannschaften, um in einem harmlos lustigen Gesellschaftsspiel die Ratelust
der Hörer zu wecken».23
Trotz dieser Selbstbeschränkung in Hinsicht auf die Spielgewinne wurde das
neue Genre „Quiz“ ein großer Erfolg im deutschen Hörfunk. Selbst solche,
die auf besondere Unterhaltungsreize völlig verzichteten wie etwa «Raten Sie
mit»,
eine
Koproduktion
des
Hessischen
Rundfunks
und
des
deutschsprachigen Dienstes der englischen BBC.
«Wer fragt, gewinnt» wurde nicht nur im Hörfunk ein großer Erfolg und
brachte es auf 300 Folgen, unter dem Titel „Gut gefragt ist halb gewonnen“
lief die Quizreihe ab 1964 auch im Fernsehen, im Vorabendprogramm des
ZDF.
Noch populärer wurde das ab 1963 ausgestrahlte Radio-Quiz „Allein gegen
alle“, das von fast allen bundesdeutschen Sendern übernommen wurde und
ebenfalls später ins Fernsehen gelangte.
Mit den ersten Auftritten von Rosenthal als Spielleiter in „Wer fragt, gewinnt“
haben wir dann auch das Ende des zweiten Teils der Vorgeschichte des
Fernseh-Genres Quiz und Game Show erreicht: Zu diesem Zeitpunkt existierte
bereits seit fast eineinhalb Jahren ein regelmäßiges Fernsehprogramm.
In den 50ern wanderte das Quiz ins Fernsehen. Es bot Ton und Bild, und
allein dadurch wurde es binnen kurzer Zeit wichtiges Leitmedium.
In den 60ern wurde „Einer wird gewinnen“ mit Hans-Joachim Kuhlenkampf
ein Riesenerfolg.
Nach einer Vorbereitungsphase in den Jahren 1948 bis 1950 und einer Phase
der Versuchssendungen in den Jahren 1950 bis 1952 fand der eigentliche
Beginn des Fernsehens in der Bundesrepublik am 25.12.1952 statt – seit
diesem Zeitpunkt gibt es jeden Tag ein Fernsehprogramm.
23
Hätten Sie´s gewusst?: Die Quizsendungen und Game Shows des deutschen Fernsehens / Gerd
Hallenberger / Joachim Kaps (Hg.) – Marburg: Jonas Verl., 1991
27
Ein „Massenmedium“, wie im Gegensatz das Radio, war das Fernsehen damals nicht. Zum Programmstart im Dezember 1952 gab es in der
Bundesrepublik gerade 1.000 Fernsehgeräte, zum Jahresende waren es 3.657 –
mehr als 40 % davon, nämlich 1.632, gehörten Gastwirten24, die sich von
dem neuen Medium Umsatzsteigerungen erhofften. „Fernsehen“ war daher
auch weniger ein privates als ein öffentliches Vergnügen. Den ersten Kontakt
mit diesem neuen technischen Wunder hatten die meisten Bundesbürger in
Gaststätten oder Sälen, wo ein solches Gerät aufgestellt war, oder auf der
Straße, vor den Schaufenstern von Elektrogeschäften, die mit Hilfe eines
eingeschalteten Apparats für ihr Angebot werben wollten. Und selbst die
wenigen, die schon in den Anfangsjahren ein Fernsehgerät in ihrer Wohnung
stehen hatten, blieben selten allein - dafür sorgten ihre Nachbarn, die auch
einmal sehen wollten, was der „Zauberspiegel“ zu bieten hatte.
Nachdem die Programmsparte Quiz/Game Show, erst wenige Jahre zuvor aus
den USA importiert, schon im bundesdeutschen Hörfunk ihre Attraktivität
bewiesen hatte, hielt sie nach kurzer Zeit Einzug in das Fernsehprogramm.
Als eigenständige Sendeform, also nicht bloß als ein Element eines „Bunten
Abends“, feierte sie am 15.2.1953 Premiere. Es handelte sich dabei um eine
Produktion, die nach heutigen Maßstäben als „Game Show“ bezeichnet
würde, eine etwas ungewöhnliche Inszenierung namens „Erzähler-Stafette“.
Da von dieser Sendung keine Aufzeichnung existiert, soll an dieser Stelle eine
zeitgenössische Beschreibung zitiert werden: „Drei namhafte Schriftsteller,
Walther von Hollander, Edgar Kahn und Hans Rehfisch, werden sich am
Sonntag, 15. Februar, zum Stegreiferzählen im Hamburger Fernsehstudio
zusammensetzen. Aus einer Schatulle wählen sie ein Thema. Der erste
beginnt, eine Geschichte darüber zu erzählen; nach genau zwei Minuten
unterbricht ihn ein Gong. Nun fängt der zweite an, über sein Thema zu
24
Hätten Sie´s gewusst?: Die Quizsendungen und Game Shows des deutschen Fernsehens / Gerd
Hallenberger / Joachim Kaps (Hg.) – Marburg: Jonas Verl., 1991
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sprechen, nach wieder zwei Minuten der dritte, und dann geht es in der
gleichen Weise von vorn los“.25
Wenige Tage später, nämlich am 18.2.1953, folgte das erste echte „Quiz“, die
von Franz Thomale geleitete Sendung „Kennst Du Europa?“.
Diese beiden Produktionen blieben 1953 nicht die einzigen Quizsendungen
und Game Shows des Fernsehens, es wurden noch verschiedene andere
gezeigt. Darunter waren sowohl kürzere Formen wie „Hell und schnell“ als
auch abendfüllende wie „Er oder Sie“ – ein Wettkampf zwischen Männern
und Frauen, der in Form von Rate- und Geschicklichkeitsspielen ausgetragen
wurde; geleitet wurden sie teils von weitgehend unbekannten Moderatoren
wie Hans-Peter Rieschel oder Franz Thomale, teils aber auch schon von
Moderatoren, die aus dem Hörfunk bekannt waren. Die Rede ist hier vor allem
von Hans-Joachim Kulenkampff, der 1953 nicht nur in dem „kleinen“ Quiz
„Wo blieb deine Schulweisheit?“ auf deutschen Fernsehschirmen zu sehen
war, sondern auch in der „großen“ Produktion „Wer gegen wen?“, einer
Übernahme aus dem Hörfunk. Während die Radio-Version jedoch nur ein
Wettkampf zwischen hessischen Städten war, traten im Fernsehen Städte aus
der ganzen Bundesrepublik gegeneinander an. Eine weitere, ab 1955
ausgetragene Spielrunde, wurde dann sogar international besetzt.
Die Fernseh-Premiere von „Wer gegen wen?“ fand im September 1953
während der „Großen Deutschen Rundfunk-, Phono- und Fernsehausstellung“
in Düsseldorf statt, die die Bundesbürger vom hohen Standard der
Fernsehgeräteproduktion und des Fernsehprogramms überzeugen sollte. Bei
dieser Veranstaltung feierte auch Peter Frankenfeld seinen ersten großen
Fernseherfolg – mit dem täglich ausgestrahlten Talentwettbewerb „Wer will,
der kann“. Es war wohl für alle Beteiligten keine große Überraschung, dass
die Sendungen ihren Titel Lügen straften. Es wollten zwar viele auf die
Bühne, das Können reichte bei den meisten aber nicht sehr weit. Der einzige,
der sowohl wollte als auch konnte, war Frankenfeld selbst, und mit seinen
25
Hätten Sie´s gewusst?: Die Quizsendungen und Game Shows des deutschen Fernsehens / Gerd
Hallenberger / Joachim Kaps (Hg.) – Marburg: Jonas Verl., 1991
29
Auftritten in Düsseldorf brachte er sich nachdrücklich als kommender
Spitzen-Unterhalter ins Gespräch.
Eine Produktion ragt aus dem Quiz- und Game-Show-Angebot des Jahres
1953 besonders heraus, „Ich seh' etwas, was du nicht siehst“: Obwohl sie
keine große Bühnenveranstaltung war, erwies sie sich als enormer
Zuschauererfolg und stellte mit der ersten Folge sogar einen Rekord auf, der
wahrscheinlich nie gebrochen werden kann. Zur Auftaktsendung schickten
11.540 Zuschauer Lösungen ein, obwohl es zu diesem Zeitpunkt überhaupt
nur 7.000 Fernsehteilnehmer gab. „Ich seh' etwas, was du nicht siehst“ basierte auf einer Idee des Regisseurs Ruprecht Essberger und wurde von der
Berliner Journalistin Dagmar Späth geleitet.
Originell war an diesem Ratespiel vor allem der Grundgedanke, nicht bloß
Hörfunk mit Bildern machen zu wollen, was noch einige Jahre der übliche
Weg war, Quizsendungen und Game Shows zu gestalten. Der Grund dafür ist
nahe liegend: Das Fernsehen erreichte wenige, das Radio viele; folglich
empfanden viele Programmacher das Fernsehen als eine Unterabteilung des
Hörfunks. „Ich seh' etwas, was du nicht siehst“ bot dagegen ein
fernsehspezifisches Konzept – es gab keine Kandidaten im Studio, Kandidaten
waren potentiell alle Fernsehzuschauer daheim. Ihnen wurden keine Fragen
gestellt, sie hatten «optische Rätsel» zu lösen; die Spielaufgaben waren in den
Fernsehbildern versteckt. Es galt immer, sich Details zu merken, um welches
Detail es ging, wurde aber erst im Nachhinein gesagt. So wurde beispielsweise
ein Musiktitel präsentiert und anschließend gefragt, wie viele Pedale die dabei
gespielte Harfe hatte. Oder es wurde eine Pantomime gezeigt, auf die dann die
Frage folgte, ob der Schauspieler dabei einen Schlüssel in die linke oder
rechte Jackentasche gesteckt hatte.
Dazu
eine
zeitgenössische
Stimme:
«Die
Sendung
war
vollendet
fernsehgemäß aufgebaut und ganz auf die gute Beobachtungsgabe abgestellt.
Sie war erkennbar sorgsam vorbereitet und genau durchdacht, einschließlich
der geschmackvollen Dekorationen, der glücklich zusammengestellten
30
Mitwirkenden und der höchst ansprechenden Gesprächsführung der
Gastgeberin Dagmar Späth. Die Sendung ist ein Erfolg von Ruprecht
Essberger, der stets sauber und wohlüberlegt gestaltet; er und Frau Späth
haben offenbar genau die Wünsche der Zuschauer getroffen. Diese Sendung
war beste Unterhaltung, reizend dargeboten, anregend dem Inhalt nach und
psychologisch klug aufgebaut.»26
Sich einfach vergnügen – das ging in der Anfangszeit der Quiz-Sendungen
nicht. Man sollte bei der Fernsehunterhaltung etwas Nützliches lernen. Das
öffentlich-rechtliche Fernsehen hat einen Bildungsauftrag. Bildung und
Wissen waren Rohstoffe für eine Gesellschaft im Wiederaufbau.
Der Erfolg von „Wer wird Millionär?“ und seiner zahlreichen Imitate hat
mittlerweile einen ganz neuen Industriezweig entstehen lassen. Drei
Sendungen der Quiz-Show mit Günther Jauch werden an einem Tag
produziert. Die Fernsehfabrik „Köln-Hürth ist das Industriegebiet der
deutschen Fernsehnation“ schrieb einmal ein Spiegelreporter.
Die Antworten in den Rateshows sind eine Mischung aus Alltagswissen,
Abseitigem-, und Allgemeinwissen. Dabei kann die Frage nach der Turmfrisur
denselben Stellenwert, wie die nach dem Vorsitzenden des Wiener
Kongresses von 1814 bekommen. Da gerät der Bildungskanon aus den Fugen:
So genanntes Herrschaftswissen wird entmachtet, der bildungsbürgerliche
Fetisch „Wissen“, zerrupft, zerkleinert, filetiert.
26
Hätten Sie´s gewusst?: Die Quizsendungen und Game Shows des deutschen Fernsehens / Gerd
Hallenberger / Joachim Kaps (Hg.) – Marburg: Jonas Verl., 1991
31
Tabelle 1
Wissens-, Quiz- und Spielshows im deutschen Fernsehen
● Allein gegen Alle (RTL 2) - Game-Show
2000-2001
● Ca$h - Das Eine-Million-Mark-Quiz (ZDF) - mit Ulla Kock am Brink
2000-2001
● Chance Deines Lebens, Die (SAT.1) - 10 Millionen Mark Show
mit Kai Pflaumе
2000
● Crazy - Die Show (RTL 2) - Interaktive Wettshow mit Zuschauerbeteiligung
2001
● Deal or no deal (SAT 1) - (2004 - mit Linda de Mol / 2005 mit Guido Cantz) - Neuauflage
2006
● DUELL - Das DSF Quiz (DSF)
2001-2002
● Einer wird gewinnen (ZDF) - In der Show stehen acht Kandidaten
aus acht europäischen Ländern im Mittelpunkt und spielen um Punkte
und Preise (Neuauflage; Original – 1964-1987)
1998
● Einundzwanzig (Quiz 21) (RTL) - Quiz-Show mit Hans Meiser
2000
● Extreme Aktivity (Pro Sieben) - Moderation: Jürgen von der Lippe
● Familienduell (RTL) - Jeweils 2 Familien-Teams erraten
die Meinung von 100 Leuten
seit 2006
1992-2003
● Geh auf's Ganze (Kabel 1)
1992
● Glücksrad (Kabel 1)
1988
● Große IQ-Test, Der (RTL)
2001
● Guinness - die Show der Rekorde (BR) - mit Reinhold Beckmann
und Franziska Schenk
1998
● Hast Du Töne? (VOX) - Kandidaten müssen Musikstücke erraten
1999-2001
● Ihr seid wohl wahnsinnig (RTL) - zwei Moderatoren suchen die
Herausforderung
1999-2000
● Jede Sekunde zählt (ZDF) - zwei Familien duellieren sich
um ihr Traumhaus
2000
● Jeder gegen Jeden (SAT.1) - Moderation: Hans-Hermann Gockel,
Holger Speckhahn
1995-2001
● Jeopardy! (RTL, tm3)
1994-2001
● Lotto-Show, Die (ARD)
1998-2001
● NDR-Quizshow (NDR) - Moderation: Ludger Abeln,
Carlo von Tiedemann
seit 2004
32
● Quizfire (SAT.1)
2001-2003
● Quiz mit Jörg Pilawa, Das (ARD)
seit 2000
● Quiz Show, Die (SAT.1) - Moderation: J. Pilawa, C. Clerici,
M. Opdenhövel
2000-2004
● Ruck Zuck
1988
● Schwächste fliegt, Der (RTL)
2001
● Sudoku (ZDF) - Kombination aus typischen Quizfragen und
Sudoku-Rätseln
2006
● Was bin ich? (Kabel 1) – Neuauflage des einst so erfolgreichen
Ratespiels
2000
● Wer Wird Millionär? (RTL)
1999
● Wetten dass..? (ZDF) – mit Thomas Gottschalk
1987-1992, seit 1993
1.3.2. Die Entwicklung der Quiz-Sendungen in Russland
Das Zeitalter des Fernsehens begann in Russland (damals Sowjetunion) in
Moskau 1935. 1941-1945 folgte eine große Pause. Die wichtigsten Sendungen
der Nachkriegszeit berichteten damals über die wirtschaftliche Erfolge in der
UdSSR, kulturelle Ereignisse und Sport.
In den 60er Jahren erlebt der Rundfunk (Radio und Fernsehen) in der
Sowjetunion seine besonders aktive Entwicklung. Das 2. Programm wird
eröffnet, das Fernsehen entwickelt sich nicht nur in Moskau, sondern auch in
Leningrad, in Ural, in Sibirien. Jede Sowjetrepublik, Gebiet und Region hatten
eigene Sender.
In den Jahren 1960-70 wurden im Fernsehen alle wichtigsten Sendungsformen
etabliert: die ersten Fernsehrubriken, die bis heute noch vorhanden sind.
Darunter auch Quiz- und Game-Shows wie „KWN“ (Klub der Lustigen und
Schlagfertigen) und „Was, Wo, Wann?“
33
Im Leningrader (jetzt Petersburger) Fernsehen entstand in den 60ern das Spiel
für die Intellektuellen „Turnier SK“ („Турнир СК“) und wurde in ganz
Russland übertragen. Darauf folgte „Einer für alle und alle für einen“. Der
Begriff «Fernsehspiel» wurde ins Leben gerufen. In Moskau wurde „Auktion“
(von Voroschilov) unter den ersten Spielen produziert. Zum ersten Mal wurde
dort ein Kühlschrank als Preis angeboten, was mit einem Streit endete. Wie
konnte es passieren, dass ein sowjetischer Bürger ohne jegliche Mühe und im
Umgehen von damals üblichen Wartelisten einen Kühlschrank bekommen hat.
Man hätte geschwindelt. Das Spiel war kein übliches Ratespiel, das war ein
Wettbewerb zwischen den Chansonsängern, die eigene Lieder vorsangen. Das
war das erste kommerzielle Spiel, in dem ein Gefrierbetrieb für seine Geräte
Werbung machte. Die Kühlschränke wurden als Preis angeboten. Im
staatlichen Fernsehen gab es keinerlei Werbung. Diese Idee der Preisvergabe
verstimmte die Zuschauer und auch die Verwaltung des Fernsehkanals so
sehr, dass diese Sendung nach wenigen Monaten auf immer und ewig
eingestellt wurde.
Später entstanden solche Programme wie „А ну-ка, парни“ (Hey, Jungs!), „А
ну-ка, девушки“ (Hey, Mädels!), „Klub der Lustigen und Schlagfertigen“ –
„KWN“ (Klub Wessjolych i Nachodtschiwych) und „Was? Wo? Wann?“, die
bis heute ein Phänomen bleiben.
Beim „KWN“ (Klub der Lustigen und Schlagfertigen), wie das Programm zu
Sowjetzeiten getauft wurde, handelt es sich um eine Art Mehrkampf in
Humor, mit Elementen von Theater, Kabarett und Comedy. Mannschaften aus
jungen Leuten wetteifern vor Publikum darum, wer mehr Witz hat. Das kann
je nach Liga im Provinzkulturhaus sein, aber auch zur Prime Time landesweit
im TV. Dieses Spiel war eine Erfolgsidee.
Von der ersten Life-Ausstrahlung im Zentralen Fernsehen hat das Fragespiel
„Was? Wo? Wann?“ die Herzen der Zuschauer in der ganzen Sowjetunion
erobert. Das war ein Test, um den eigenen Intellekt zu prüfen, und gleichzeitig
ein Mittel, den eigenen Intellekt zu entwickeln. Durch Zusammenstellen und
34
logische Analyse einzelner bekannter Fakten mussten die Spieler im Studio
nach einer Bedenkzeit von einer Minute zu einer absolut neuen, vorher nicht
bekannten Schlussfolgerung kommen, die die gestellte Zuschauerfrage erklärt
und richtig beantwortet. Der Prozess des logischen Denkens eines
Spielerteams,
die
Suche
nach
der
einzig
möglichen
Lösung
der
anspruchsvollen intellektuellen Aufgabe haben für hohen Respekt und
Beliebtheit seitens der Zuschauer gesorgt. Das ist ein Wettbewerb zwischen
den Zuschauer und den Spielern, bei dem der Prozess des Spieles spannender
und wichtiger als das Ergebnis ist. Wer erinnert sich schon daran, wer in
Wirklichkeit gewonnen hat.
Das spektakuläre Genre „das Spiel – Fernsehspiel“ ist gekennzeichnet durch
hoch professionelle Regie, durch das Charisma des Moderaters, durch die
Ungewissheit des Finales und durch die interaktive Form – der Zuschauer
kann eine Frage stellen oder sogar eine Spielrunde gewinnen. Das
Fernsehspiel gibt eine Möglichkeit zu den nichttrivialen Interaktivitätsformen.
Zum Beispiel, einmal nach der jahrelangen Sendepause bat der Moderator der
populären in Russland „KWN“-Show Alexander Masljakow darum, dass die
Zuschauer in ihren Wohnungen das Licht für einige Zeit ausschalten. Die
speziell installierten Kameras zeigten das bemerkenswerte Panorama von zwei
Stadtteilen in Moskau. Die Hochhäusermassive versanken in der Dunkelheit.
Das waren eigene und originelle Projekte.
Seit dem „Feld der Wunder“ (1990) – „Wheel of Fortune“, in Deutschland
unter „Glücksrad“ bekannt – begann eine neue Epoche im russischen
Fernsehen – die Epoche der Assimilation der Importprodukte, die Epoche des
Formatfernsehens und der Industrialisierung, die als Folge den Wechsel der
Spielkultur im russischen Fernsehen brachte.
Die ausländischen Formate begannen also ihren Triumphzug im russischen
Fernsehen im Jahre 1990, als der Journalist Vladislav Listjev die CapitalShow «Feld der Wunder» – analog vom amerikanischen „Wheel of Fortune“
(dt. - Glücksrad) – startete. Das „Feld der Wunder“ erschien auf typisch
35
russische Weise – ohne jegliche Verträge und Vereinbarungen, Millionen
Kostenaufwand für Format- oder Lizenzeinkauf und weitere juristische
Formalitäten.
Allerdings versuchte die Fernsehgesellschaft „VID“ 27 eine Lizenz bei
„King’s World“ und später bei dem neuen Rechtsbesitzer „Columbia Pictures“
zu erwerben, aber alle schriftlichen Anfragen von „VID“ wurden ignoriert. So
produzierte man die Sendung auf eigenes Risiko. Es ist gut gegangen. Es
wurde keinen Anspruch erhoben (Reklamation eingelegt).
1994 war das Jahr des großen Aufbruches im Einkauf von lizenzierten
Produkten. „РТР“ (RTR) kauft „Устами младенца“, „Сам себе режиссер“,
„Свою игру“. Die zweite Welle kam auf das Jahr 1999, als „WWM“ gekauft
wurde. Und danach fing der richtige Boom an. Auf dem Cannes Festival
suchten die russischen Fernsehmacher gezielt die Lizenz-Produkte.
Die zahlreichen Programme wurden auf die Zuschauer ausgeschüttet, wie aus
einem Füllhorn. Das waren vor allem Game-Shows und Reality-Shows, die
nach ausländischen Schablonen und Mustern geschneidert wurden: „Любовь
с первого взгляда“ (Liebe aus dem ersten Blick), „Своя игра“, „Кресло“,
„Снимите это немедленно“, „Две блондинки против грязи“, „Сам себе
режиссер“, „Блеф-клуб“, „Растительная жизнь“, „Спасите, ремонт!“ (Do
it yourself S.O.S.), „Скрытая камера“ (Versteckte Kamera), „Ты –
супермодель“ (Supermodel), „Угадай мелодию“ (Rate Melodie! = Erkennen
Sie die Melodie?), „Сто к одному“, „Самый умный“ (Der Klügste), „Я
готов на все!“, „Гарем“ (Harem), „Свидание вслепую“ (Blind Date),
„Алчность“ (Greed), „Пан или пропал“, „Фактор страха“ (Angstfaktor),
„Розыгрыш“ (Verstehen Sie Spaß?), „Русская рулетка“ (Russisch Roulette).
Diesmal mussten die russischen Produzenten für entliehene Ideen und
geklonte Formate bezahlen. Die Preise liegen abhängig vom Erfolg der Show
weit auseinander.
27
VID TV Entertainment Group, the largest producer of television programs in Russia and CIS
36
Tabelle 2
Die Vorgeschichte des Formatfernsehens in Russland:
1968 – 1975
„Один за всех и все за одного“ („Einer für alle und alle
für einen“) – das Fernsehspiel für Jugendliche (junge
Pioniere), Teamarbeit, das erste Fernsehspiel in der
UdSSR, alle zwei Wochen im Zentralen Fernsehen
gesendet (Vladimir und Tamara Maksimov); (ЦТ,
ЛенТВ – Leningrader Rundfunk)
1975 – 1980
„Янтарный ключ“ („Schlüssel aus Bernstein“) –
Fernsehspiel für Jugendliche, die ersten UdSSR LifeSchaltungen, so genannte „telebridge“, zwischen
Leningrad, Riga, Vilnius, Tallinn
1983 – 2000
„Музыкальный ринг“ („Musikring“, oder „Der
musikalische Kampfring“) – Diskussionsshow (TalkShow), das freie Mikrophon, Legalisierung des
Undergrounds, das direkte Telefongespräch mit den
Zuschauern (freie Schaltung), die erste Benutzung des
Internets und Mobilnetzes in der Life-Sendung
seit 1961
„КВН“ - „Klub der Lustigen und Schlagfertigen“
(Sendepause 1971-1986)
seit
04.09.1975
„Что? Где? Когда?“ („Was? Wo? Wann?“) – Vladimir
Voroshilov – der Autor und Moderator, 2005 feierte das
Spiel sein 30-jähriges Jubiläum
1989
„Счастливый случай“ („Der Glücksfall“) –
Michail Marfin moderiert
von
seit
25.10.1990
„Поле чудес“ („Feld der Wunder“/“Glücksrad“) – ORT
– der erste Moderator war Vladislav Listjev, seit
1.11.1991 moderiert die Sendung Leonid Jakubovitch
3.04.1995 –
Nov. 1999
„Угадай мелодию!“ (Erkennen Sie die Melodie?),
Moderation – Valdis Pelsh
1996
„Своя игра“ (Das eigene Spiel = Jeopardy!) – НТВ
(NTV)
1997
„Народ против“ (Das Volk ist dagegen) – lief nur
wenige Monate
37
1.10.1999
„Империя страсти“ – НТВ (NTV) – Moderator Nikolaj
Fomenko
1.02.2001
„О, Счастливчик!“ (O du, Glückspilz! = Who Wants To
Be A Millionaire? – Die 1.Version), НТВ (NTV),
Dmitrij Dibrov als Moderator
2001
„Кто хочет стать миллионером?” (Who Wants To Be
A Millionaire?), ОРТ (ORT), Maxim Galkin als
Moderator
2001
„Слабое звено” (Weakest Link), Moderation – Maria
Kisseleva
nach 2002
„Алчность” (Greed), НТВ (NTV), Moderation –
Alexander Cekalo / Igor Jankovski / Dmitrij Dibrov /
Alfred Koch
„Русская рулетка” (Russisch Roulette), Moderation –
Valdis Pelsh
„Сто к одному” (100 zu 1)
„Брейн-ринг” (Brain-ring)
„Антимония” (Quatsch)
„Антология” (Anthologie)
„Колесо истории” (Das Rad der Geschichte)
„Зигзаг удачи” (Zick Zack des Glücks)
„Золотая лихорадка” (Goldfieber) – Moderator Leonid
Jarmolnik
„Окна” (Fenster) – Moderator Dmitrij Nagiev
38
Wenn das ein Long-Play-Format ist (Ohne Anfang und Ende, jede Sendung
stellt ein vollendetes Produkt dar), wird jede nach der importierten
Technologie
produzierte
Episode
bezahlt:
ab
5.000-7.000
USD
„Kommissionsgebühren” für eine Folge der Sendung, die mittlere
Einschaltquoten hat, bis 70.000 USD für supererfolgreiche Projekte sowie
„Wer wird Millionär?”, „Слабое звено” (Weakest Link), „Форт Байярд”
(Fort Boyard), wo auch der Drehort gemietet wird.
Bei dem Einkauf von Shows mit einem Sujet („Фабрика звезд” – Star
Academy, „Народный артист” – Superstar/Pop Idol, „Последний герой” –
Survivor, „Большой брат” – Big Brother) wird in der Regel für die ganze
Saison bezahlt. Diese Shows sind die teuersten TV-Projekte weltweit.
Die Lizenzkosten hängen von der Zahl der Bevölkerung im Land und vom
Umfang des Werbemarktes ab, ist aber kein Muss. Im Jahre 2001 betrug der
Werbemarkt in Russland 1,3 Mrd. USD, 2005 stiegen diesen Zahlen auf bis
zu 4,65 Mrd. USD. Deswegen kostete „Big Brother” dem russischen Kanal
„TNT” um 4 Mio. USD. Von der ukrainischen Fernsehgesellschaft „Pilot” hat
die holländische Gesellschaft „Endemol”, die alle Rechte auf diese RealityShow besitzt, 3 Mio. USD gefordert, was den Ukrainern mit ihrem noch
ungeformten und schwachen Werbemarkt nicht finanzierbar war. Der
amerikanische Kanal CBS hat entgegen für „Big Brother” zügig 20 Mio. USD
bezahlt.
Im Vergleich zu den importierten Programmen ist die Produktion der
heimischen Formate wesentlich billiger. Zum Beispiel kostet das Spiel „Was?
Wo? Wann?“ ungefähr 30.000-40.000 USD.
Wozu ist es denn nötig, das große Geld zu investieren für das Recht, ein
importiertes Produkt, das nicht mehr komplett zeitgemäß ist, zu benutzen? In
Wirklichkeit kaufen die Kanäle nicht nur eine Idee, Now-how, sondern auch
die
so
genannte
„Production
Bible“,
wo
in
Details
die
ganze
Produktionstechnologie des Programms beschrieben ist: Anzahl von Kameras,
39
alle Feinheiten der Beleuchtung und Promotion bis zur Farbe der Dekoration
und Sprechweise für den Moderator.
Westliche Formate haben sich schon als Brands in der ganzen Welt gezeigt.
Der Kanal sieht vor Beginn die Einschaltquoten und die Zielgruppen in den
anderen Ländern an und kann schon leicht hohe Einnahmen von der Werbung
prognostizieren und den Erfolg des Formates noch lange vor seinem Start
vorhersagen. Das Format wird selbstverständlich in prime time gesendet und
die Preise für die Werbung sind dementsprechend hoch. Die weltbekannten
Lizenz-Hits sind den westlichen Werbeträgern gut bekannt, so kaufen die
international tätigen Korporationen Sendezeit in solchen Formatsendungen als
langfristige Sponsorenpakete und sind sehr an Product placement interessiert.
Auf den ersten Blick scheint der Zuschauer überall in der Welt universell zu
sein und die populären Formate praktisch immer allen Erwartungen
entsprechen. „Последний герой“ zum Beispiel hat in Russland im
Startjahr 2001 47,5% Zuschauer gewonnen. Und als Generalsponsor ist
„Wimm-Bill-Dann” mit seinem Brand von Fruchtgetränken Brand „J7“
aufgetreten.
Der Formatschlager «Pop Idol» („Народный артист“ – in Deutschland
„Deutschland sucht den Superstar“), der in den USA und später in Europa
super populär war, hatte in Russland einen mäßigen Erfolg (14,5% bis
21,9%).28 Einige Fachleute meinen, dass schuld daran die von der russischen
Seite herangebrachte eigene Spezifik war. Es wäre besser gewesen, der
„Formatbibel“ zu folgen. Das kostenpflichtige Voting soll auch ein Fehler
gewesen sein. In Amerika konnten die Zuschauer ihre Stimmen kostenfrei
abgeben. „Фабрика звезд“ (Star Academy) beweist aber das Gegenteil. In
diesem Format wurden mehr spezifische Besonderheiten der russischen
Musikszene und des Showbusinesses berücksichtigt. Und dieses Projekt hatte
und hat einen großen Erfolg unter den breiten Massen der Zuschauer
unterschiedlicher Altersgruppen (nicht nur unter den jungen Leuten) mit
28
www.profile.ru
40
vielen begleitenden Live-Konzerten auf den führenden Bühnen in Moskau
zusammen mit den populärsten Sängern und Bands des Landes. (Insgesamt: 7
Saisons, 110 Tage auf der Sendung, 16 Gala-Konzerte, mehr als 200 Songs)
Diese Show ist zu einem untrennbaren Teil des allrussischen Showbusiness
geworden. Für mehrere begabte junge Sänger ist diese Show zu einem
wichtigen Sprungbrett zur großen Musikkarriere geworden. Aus diesem
Projekt sind viele neue und begabte Sänger entstanden, die trotz ihrer noch
kurzen Solokariere eine sehr eindrucksvolle Professionalität und eigene
Charisma zeigen, einige Konkurrenten haben unter einander Boys- oder
Girlsbands gebildet und seitdem erobern ihre Hits alle Musik-Charts in ganz
Russland und werden weltweit in allen russischsprachigen Sendern
übertragen.
Das andere bekannte Format „Big Brother“ verwandelte sich auch zu einer
Reihe von russischen Versionen „Дом“ (Haus), „За стеклом“ (Hinter Glas)
oder „Голод“ (Hunger - wurde aus dem Container aus Deutschland gesendet).
Nur so verändert hatte dieses Format die Chance auf Erfolg in Russland.
Aus den großen Welthits des Formatfernsehens blieben nur 2 Shows übrig:
1) „The Apprentice“ – Show, wo ein bekannter Businessman aus einfachen
jungen Leuten den besten aussucht und diese Person zu seinem Stellvertreter
großzieht. In den USA war der «Erzieher» Donald Trump;
2) „The Bachelorette“ – Show (Die Traumfrau), wo eine bekannte weibliche
Person für sich einen Bräutigam aus sorgfältig ausgewählten Kandidaten
aussucht.
Seit 1993 wird das Fernsehen in Russland privatisiert.
Das Marktwirtschaftsmodel des mächtigsten Mediums Fernsehen funktioniert
in der heutigen Zeit unter harten Bedingungen: Maximale Gewinne durch
maximale Zuschauerzahl.
Das Management und die Produzenten suchen einen sicheren Weg und
orientieren sich an bekannten und bewährten Formaten in beliebten Genres.
41
Der Sender neigt nicht zu Experimenten und möchte kein Risiko eingehen.
Man benutzt erprobte, kommerziell erfolgreiche Schemata. Kopieren, Klonen
und Nachahmen werden zu den herrschenden grundlegenden Methoden des
Fernsehschaffens. Als Folge wird eine große Menge von Lizenzsendungen
(Talk-Show, Fernsehspiele) importiert, die in anderen Ländern die Kassen
klingeln lassen. (WWM, „Ставка“, „Последний герой“, „Фабрика звезд“
usw.)
Das Fernsehen verliert seine Individualität und Vielfältigkeit. Die früheren
Unterschiede zwischen den Filmen, Clips, Nachrichten, Werbung, aktuellen
Interviews und Reportagen verwischen sich allmählich, stattdessen kommt ein
neues Genre der universellen Entertainment-Show, universelle Programme (so
genanntes Content), die an andere verschlüsselte Satellitkanäle und seit
kurzem ins Internet verkauft werden.
Das Fernsehen ändert sich zusammen mit der Gesellschaft. Wenn das Geld in
der Gesellschaft zum Wertmesser für alles wird, baut auch das Fernsehen
seine Tätigkeit auf dieser Dominanz auf. Die Einschaltquoten (Rating) sind
nur das bequeme Instrument für ihre Manifestation. Das moderne Fernsehen
verwandelt sich in ein Medium, das die Zuschauer nach ihren persönlichen
Interessen gegen entsprechendes Entgelt unterhält.
42
1.4. Internationale Verbreitung (Vermarktung) von Quiz- und
Game-Shows des gleichen Formates
Heute sind Game- und Quiz-Spiele zum Instrument der Globalisierung
geworden. Sie verbreiten sich schneller als «Macdonalds» und sie haben mehr
Zuschauer als Besucher der Fast-Food-Ketten. Im Gegensatz demonstriert
keiner dagegen. Es existiert schon die ganze Industrie, die die verschiedenen
Formate heckt und verschiedene Elemente zusammenbringt, um weitere erfolgsträchtige Mixturen unter den Namen «Quiz» oder «Game» zu erzeugen.
Wie schnell und flächendeckend ein Format, bzw. eine Musterschema die
ganze Welt erobert kann, zeigt und das Beispiel des populärsten QuizFormates.
Die erste Formatsendung „Who Want To Be A Millionair“ wurde in England
im September 1998 ausgestrahlt. Schon im ersten Jahr nach dem Start des
englischen Quiz „Who Want To Be A Millionair“ haben 92 Länder die Lizenz
auf das Klonen dieser Sendung gekauft. Heutzutage ist „WWM“ in 107
Ländern zu sehen und fast überall ein Quotenhit: in den USA, Russland,
Deutschland, Frankreich, Indien, Japan, Kolumbien, Venezuela, Mailand,
Australien, Griechenland, Polen, Ukraine, Georgien, Kasachstan usw. In
einigen Ländern (z.B.: Singapur) existieren sogar zwei Versionen der
„WWM“-Show, die auf verschiedenen Kanälen und manchmal in
verschiedenen Sprachen ausgestrahlt werden. In Russland gab es am Anfang
auch zwei Versionen eines Formates mit verschiedenen Titeln – „WWM“ und
„О, счастливчик!“ (O du, Glückspilz!). Nicht nur in Deutschland gibt es
mittlerweile zahlreiche Imitate.
Besonders beliebt ist die Sendung in Indien. Hier versammelt sie rund 100
Mio. Zuschauer. Nur in Ägypten wurde das Quiz „Who Wants to Be a
Millionair?” als nicht „hoffähig“ und als ein sündhaftes Hasardspiel
bezeichnet.
43
Die englische Produktionsfirma „Celador” besitzt die alleinigen Rechte und ist
inzwischen dabei, Spiele, Computerprogramme und Bücher mit dem Namen
zu vermarkten.
Die regionalen Töchter der niederländischen Firma „Endemol” produzieren
dieses Sendungsformat in Lizenz für Österreich, Belgien, Deutschland, die
Niederlande, Italien, Polen, Portugal und für die Schweiz. Das Aussehen der
Sendung
ist
überall
gleich.
Aufbau
und
Design
des
Studios,
Musikeinspielungen, wiederkehrende Kameraschwenks und -fahrten sowie
Lichtsetzung sind genau in der so genannten Produktionsbibel vom
Lizenzgeber festgelegt und dürfen von den Lizenznehmern nicht eigenständig
verändert werden.
„Endemol”
ist
eine
international
operierende
TV-Produktions-
und
Entwicklungsfirma, die zum Telefónica-Konzern gehört und nach der zur
RTL-Group gehörenden Freemantle-Gruppe, der zweitgrößte TV-Produzent
der Welt ist. Endemol entstand durch die Fusion der Produktionsfirmen „Van
den Ende Produkties B.V.“ des Niederländers Joop van den Ende und der
Produktionsfirma „De Mol Produkties B.V.“ von John de Mol, dem Bruder
von Fernsehmoderatorin Linda de Mol.
Hauptsitz der im Unterhaltungs- und Fiktionsbereich operierenden Firma ist
Hilversum in den Niederlanden; durch den weltweiten Erfolg des Formats
"Big Brother» ist Endemol fast weltweit durch selbstgegründete oder
aufgekaufte Firmen vertreten, unter anderem in Deutschland, den USA oder
Australien. In Deutschland befindet sich der Hauptsitz der Endemol
Deutschland GmbH im Studiokomplex Coloneum im nördlichen Stadtteil
Köln-Ossendorf.
Die Produktionsfirma produziert als von einer Sendergruppe unabhängiger
Prodzent für alle TV-Sender, Hauptabnehmer der Produktionen sind zur Zeit
SAT 1, RTL 2 und RTL.
44
Bekannte Produktionen sind zum Beispiel „Big Brother“, „Nur die Liebe
zählt“ oder das Lizenzformat „Wer wird Millionär“.
Die Basis für die starke Position im deutschen Markt hat „Endemol“ in den
erfolgreichen 90er Jahren erarbeitet. Zusammen mit RTL produzierte die
Firma solche erfolgreichen Shows, wie „Traumhochzeit“, „Glücksritter“,
„Die-Hundertausend-Mark-Show“ und „Wie Bitte“.
Es ist eine Frage der Zeit, wie lange dieser Boom noch anhalten wird. In
England hört man vereinzelt die Meinung, dort sei er schon vorbei. Wenn in
die besten Jahren konnte die „WWM“ bis 19 Mio. englischer Zuschauer
anlocken, haben heutzutage nur 7 Mio. Engländer Interesse dafür. In der
britischen Version der Quizshow gab es in 8 Jahren nur 4 Höchstgewinner.
Die Gerüchte über das baldige Aus summierten sich, nachdem der Produzent
von „Celador International“ Paul Smith vor kurzem (2006) seine Absicht
geäußert hat, die Aktien der Firma an Management gegen 85 Mio. US Dollar
zu verkaufen. Damit werden auch alle Rechte auf die Idee, auf das ganze
Format und auf alle weltweit ausgegebenen Lizenzen verkauft.
45
II. Inhaltsanalyse
2.1. Kurzporträts der untersuchten Quiz-Sendungen im deutschen
Fernsehen
Das Fernsehspiel ist ursprünglich und generell nach zwei kennzeichnenden
Eigenschaften konzipiert. Das TV-Spiel ist:
1) kommerziell hoch effektiv - es ist ursprünglich eng mit der Notwendigkeit
verbunden, den Zuschauer auf dem Kanal zu halten. Anders gesagt, das TVSpiel ist ein Instrument für die Steuerung der Einschaltquoten (Rating).
2) psychologisch einflussreich - mittels der Spielelemente wird der Zuschauer
einfach, schnell
und widerstandslos (auf der Unterbewusstseinsebene)
beeinflusst. Außerdem gefällt es den Zuschauern schlechthin, wenn einer von
ihnen auf der anderen Seite des Bildschirmes erscheint und einen Wettbewerb
mit dem Fernsehen vertretend durch Moderator besteht.
2.1.1. Wer wird Millionär?
(Who wants to Be a Millionaire?)
Die Vorgeschichte
Die Entstehungsgeschichte von „Who Wants To Be A Millionaire?“ fing in
einem Londoner Pub an, wo der Journalist David Briggs die Idee zur Show
hatte und sie zusammen mit seinen beiden Kollegen bei Celador Steve Knight
und Mike Whitehill weiter entwickelte.29 Die 1982 gegründete britische
Produktionsgesellschaft gilt seit dem Durchbruch des Formats als eine der
erfolgreichsten Produktionsfirmen Großbritanniens. Es bedurfte einer
traditionell langwierigen Entwicklungs- und Testphase. Mehrere Monate lang
29
Taddicken, M.: Fernsehformate im Interkulturellen Vergleich, Berlin, 2003
46
durchlief die Show einen so genannten „dryrun“, um danach in mehreren
„pilots“ abermals getestet zu werden.30
Am 4. September 1998 ging „Who Wants To Be A Millionaire?“ erstmalig
beim englischen Fernsehsender ITV auf Sendung. Die erste Probesendung
wurde unter dem Titel „Cash Mountain“ gesendet. Die zweite Sendung hatte
bereits den populär gewordenen Namen „Who wants to be a millionaire?“
Dieser Titel stammte übrigens aus dem gleichnamigen Song von Frank
Sinatra. Vorab bürgte Paul Smith, Chef der Produktionsgesellschaft Celador,
mit seinem eigenen Haus dafür, dass – entgegen der Befürchtungen der
Programmverantwortlichen des Senders – der Jackpot nur höchst selten
„geknackt“ werden würde. Die Show wurde ein großer Erfolg, was unter
anderem am umfangreichen 169-seitigen Skript der Sendung lag. Dieses
Regelmuster agiert als Bibel der Show und gibt von den Licht- und
Toneffekten, über die Spielregeln bis zur Ausstattung alle relevanten Faktoren
der Show vor. Nach dem ersten Ausstrahlungstermin wurde weder am
eigentlichen Spiel noch am Studio Veränderungen vorgenommen. Paul Smith
ist seitdem Rechteinhaber der Show. Celador verkaufte 66 Versionen in 107
verschiedene Länder, unter anderem nach Europa, wo die Produktionsfirma
Endemol die Lizenzierungsrechte für elf europäische Länder besitzt. Das
Medienunternehmen wurde 1994 gegründet und dominiert seither nicht nur
das Formatgeschäft, sondern gilt auch als weltweit größte unabhängige TVCompany im Bereich Entwicklung, Produktion und Distribution von
Fernsehformaten.
„Wer wird Millionär?“ ist die deutsche Ausgabe der britischen Quizshow
„Who Wants to Be a Millionair“ (in Österreich: Die Millionenshow). Die
Quizsendung gehört zum geistigen Eigentum der Firma Celador und wurde im
Oktober 1998 in Großbritannien auf dem Privatsender ITV 1 erstmals
ausgestrahlt. Seit dem 3. September 1999 wird sie von dem Privatsender RTL
in Deutschland gesendet und läuft damit inzwischen in der neunten Staffel
(2007/2008).
30
Mason, D.: The Game Show Handbook, London, 1991, S. 40
47
Die regionalen Töchter der niederländischen Firma Endemol produzieren
dieses Sendungsformat in Lizenz für Österreich, Belgien, Deutschland, die
Niederlande, Italien, Polen, Portugal und für die Schweiz.31
Die Fernsehaufnahmen für die deutsche und österreichische Ausgabe
entstehen im Studio 7 der „nobeo GmbH“ in Hürth-Kalscheuren bei Köln.
Entgegen dem vom Moderator suggerierten Eindruck wird die Sendung nicht
live ausgestrahlt. Etwa zwei Wochen vor der Ausstrahlung werden in der
Regel drei Sendungen an einem Dienstag (Wer wird Millionär?) bzw.
Mittwoch (Die Millionshow) ab 17.30 Uhr aufgezeichnet.
Ausgestrahlt wird „Wer wird Millionär?“ derzeit am Montag und am Freitag
um jeweils 20:15 Uhr. Bis Herbst 2007 wurde es auch samstags um 20:15 Uhr
und in den ersten Staffeln sporadisch sogar auch am Sonntag im
Vorabendprogramm
ausgestrahlt.
Die
Prominenten-Specials
finden
üblicherweise an einem Montag oder Donnerstag statt. In der aktuellen
neunten Staffel (2007/2008) gibt es nur zwei Sendungen pro Woche, die
montags und freitags ausgestrahlt werden und hinterher jederzeit bei
RTLnow.de zu sehen sind.
Die deutsche Version WWM dauert ca.
60 Min. und wird von Günter Jauch
moderiert.
Und was ist für Günther Jauch das
Besondere an der Show? "Sie hat Tempo
und immer neue Spannungsmomente.
Günther Jauch
Ständig ist der Spagat zwischen der Million und dem Totalabsturz möglich.
Wer mal ein paar Minuten verpasst hat, ist ganz schnell wieder mitten im
Geschehen. Außerdem gibt es einfach jede Menge witzige Momente oder
unvorhersehbare Reaktionen bei den Kandidaten", sagt Jauch.32
31
32
vgl.: endemol Deutschland GmbH, http://www.endemol.de/
http://www.borlife.de
48
Spielregeln
Die Regeln der deutschen Ausgabe sind im Wesentlichen identisch mit den
internationalen Regeln der Show.
Das Spiel beginnt mit der so genannten Auswahlrunde: 10 Kandidaten müssen
versuchen, vier Begriffe schnellstmöglich in eine bestimmte, durch eine
Aufgabenstellung vorgegebene, Reihenfolge zu bringen. Derjenige, der dies
am schnellsten schafft, erhält die Möglichkeit, um eine Million Euro zu
spielen.
Quizrunde
Der Kandidat bekommt 15 zufällig ausgewählte Fragen zu verschiedenen
Wissensgebieten. Die Fragen werden von Stufe zu Stufe entsprechend dem
Geldgewinn
immer
schwieriger.
Zu
jeder
Frage
gibt
es
vier
Antwortmöglichkeiten, von denen nur eine richtig ist. Beantwortet der
Kandidat die Frage richtig, so steigt er eine Gewinnstufe höher und darf die
nächste Frage in Angriff nehmen.
Die Fragen werden von einem externen Redaktionsteam erarbeitet, für die
deutschen Fragen ist die Firma Mind the Company verantwortlich. Die
Antworten werden durch das Studium mehrerer Quellen auf ihre Richtigkeit
geprüft. Auch Wikipedia gehört zu den Quellen, wie der Moderator Günter
Jauch im Oktober 2005 in einer Sendung verriet.
Zur Lösung der Fragen stehen dem Kandidaten 3 Joker zur Verfügung: So
kann er 1mal das Publikum befragen, welches dann über die möglichen
Antworten abstimmt; er kann eine Person zuhause anrufen oder sich 2 falsche
Antworten wegstreichen lassen (50:50-Joker). Natürlich kann jeder Joker nur
ein einziges Mal gesetzt werden. Der Kandidat entscheidet selbst, wann er
welche Hilfe einsetzen möchte. Alle drei Joker können auch bei ein und
derselben Frage benutzt werden.
Anlässlich der 500. Sendung am 10. September 2005 wurde der so genannte
Kompetenzteam-Joker eingeführt. Hierbei konnten die vier bisherigen
49
Millionäre der Sendung (angelehnt an den Telefonjoker) um Rat gefragt
werden. Diesen Joker gab es allerdings nur in der Jubiläums-Ausgabe der
beliebten Kult-Quizshow.
Die neuen Regeln
Am 3. September 2007 (nach der Sommerpause) führte RTL jedoch einige
Veränderungen in den Regeln durch, die das Spiel anregender gestalten
sollen – eine Frischzellen-Kur für die Sendung. Der durch die Auswahlfrage
bestimmte Spieler muss zunächst entscheiden, ob er nach den alten Regeln
spielen will oder die neue Version wählt.
Wie bisher gibt es zwar die Möglichkeit, mit drei Jokern und Sicherheitsstufen
bei 500 und 16.000 Euro Millionär zu werden. Zusätzlich soll es aber einen
zweiten Weg „für Zocker und Wagemutige“ ohne die 16.000-EuroSicherheitsstufe geben – dafür erhalten diese Kandidaten einen vierten Joker
und einen erweiterten Telefonjoker.
Zusatzjoker
Nach den neuen Regeln wird ein „Zusatzjoker“ eingeführt, den der Kandidat
nutzen kann, dann muss er allerdings auf seine Sicherheitsstufe bei
16.000 Euro verzichten. Sollte eine Frage (egal auf welchem Level) nicht
beantwortet werden können, kann eine Person aus dem Publikum gewählt
werden, die helfen soll. Der Moderator bittet die Zuschauer aufzustehen, die
glauben, die Frage richtig beantworten zu können. Der Moderator fragt den
vom Kandidaten ausgewählten Zuschauer nach seiner Antwort, die der
Kandidat annehmen kann, aber nicht muss. Sollte die Antwort des Zuschauers
richtig sein, erhält die befragte Person aus dem Publikum 500 Euro.
Der Immobilienfachwirt Thomas Vogt wählte in der Sendung vor der
Sommerpause 2007 die neue Variante. "Der Name welcher Religion geht auf
einen späteren äthiopischen Kaiser zurück?", lautete die 64.000-Euro-Frage,
bei der er sich nicht zwischen Hinduismus, Voodoo, Rastafari und
Schintoismus entscheiden mochte. Genau zwei Studiogäste standen auf – und
50
der freundliche Bauingenieur Fritz wusste die Verbindung zwischen Reggae,
Rastafari und dem äthiopischen Kaiser Ras Tafari alias Haile Selassie
herzustellen. Gut für Kandidat Thomas, dass er sich für seinen Retter
entschieden hatte; der zweite vermeintlich Kundige aus dem Publikum hätte
ihm Voodoo als Lösung empfohlen.
Bei der 125.000-Euro-Frage allerdings war für den Kandidaten Thomas
Schluss – weil er nicht raten wollte, ob Graf Zeppelin, Rudolf Diesel, Gustave
Eiffel oder Wilhelm C. Röntgen 1913 auf mysteriöse Weise von einem Boot
verschwand und nie mehr gesehen wurde (Antwort: Diesel). Er stieg aus und
ging mit 64.000 Euro nach Hause.
Weniger Glück mit den neuen Regeln hatte Volkswirt Sven aus Berlin. Zwar
konnte ihm der aus dem Publikum erkorene "Herr im gestreiften Hemd" noch
bei der 16.000-Euro-Frage nach der Mitralkappe weiterhelfen, die sich weder
im Dieselmotor noch an der Bischofsmütze oder in der Querflöte, sondern im
menschlichen Herzen befindet. Doch in der nächsten Runde, als gefragt
wurde, ob die Demokratische und die Republikanische Partei in den USA
durch Bulle und Bär, Falke und Taube, Esel und Elefant oder Hund und Katze
versinnbildlicht werden, erinnerte sich Sven an die vielbeschworenen Falken
der Bush-Administration, setzte auf das Vogelpaar – und stürzte bitter auf 500
Euro ab. Esel und Elefant wären richtig gewesen.
Erweiterter Telefonjoker
Wenn der Kandidat zwar den Telefonjoker einsetzen möchte, aber keinem
seiner Bekannten zutraut, die richtige Antwort zu wissen, kann er einen per
Zufallsgenerator ausgewählten Teilnehmer in Deutschland anrufen und um
Hilfe bitten. Vorgaben wie etwa Geschlecht oder Wohnort sind möglich.
Sobald jemand abhebt, gilt der Joker als gespielt, auch wenn der Angerufene
nicht helfen will oder kann. Es wird so lange bei unterschiedlichen
Teilnehmern angerufen, bis abgehoben wird. Nach 30 Sekunden wird der
Anruf gestoppt und der Kandidat kann wählen, ob er die Antwort des Jokers
nehmen möchte oder nicht. Sollte die Antwort des Angerufenen richtig sein,
51
so erhält dieser 500 Euro. Erstmals genutzt wurde er in der Sendung vom
14. September 2007: Die zufällig ausgewählte Gesprächspartnerin aus Berlin
wusste, dass die Berliner Siegessäule früher einen anderen Standort hatte.
Die Neuerungen erwiesen sich zwar nicht als revolutionär, aber aus Sicht des
TV-Zuschauers als durchaus geglückt, weil die zusätzliche Publikumseinbindung eindeutig belebend wirkte. Sie eröffnen auch Günther Jauch neue
Möglichkeiten zur Interaktion und verlangt den Kandidaten ein bisschen mehr
Risiko bei der Auswahl ihres Antwortgebers ab.
Mit den neuen Regeln werde die Sendung spannender, sagte Jauch der "Bild"Zeitung zufolge. "Ich denke, von 125.000 oder sogar von 500.000 auf 500
Euro herunterzufallen, das ist eine ganz andere Geschichte, als in jedem Fall
mit 16.000 nach Hause zu gehen." 33
Für mehr Spannung sorgen die neuen Joker nicht unbedingt. Der vierte,
zusätzliche Joker verlängert die Spielrunden, ohne wesentlich zum Kitzel der
Show beizutragen. Im Gegenteil: Die Kandidaten verlassen sich noch weniger
auf das eigene Wissen, verbrauchen ziemlich rasch die zusätzlichen
Antwortmöglichkeiten durch Publikumshilfen oder Telefonanrufe.
Kandidat Thomas Vogt stieg nach dem
Einsatz des letzten Jokers bei der 125.000Euro-Frage aus und nahm mit 64.000 Euro
vorlieb. Kandidat Piet hatte schon nach
wenigen Fragen alle Joker verbraten und
passte bei der Gewinnsumme von 16.000
Thomas Vogt und Günther Jauch
Euro. Das wäre wohl auch mit den alten Regeln nicht anders gelaufen.
Lediglich Kandidat Sven (hatte bei 16.000 Euro den letzten Joker gesetzt)
stürzte mit den neuen Regeln ab: falsche Antwort bei 32.000 Euro, da blieben
ihm nur 500 Euro.
33
www.stern.de, Artikel vom 26. August 2007
52
Also, es kommt nicht auf die Zahl der Joker, sondern, wie gehabt, auf die
Cleverness der Kandidaten an. Und auf den Quizmaster, der sich allerdings
zum ersten Mal mit neuer und ungewohnter Brille präsentierte ("mit der
Behinderung leben und dazu stehen", so Jauch).
Gewinnstufen
Bis zur Einführung des Euro im Jahre 2002 gab es die Gewinnstufe 250.000
DM (Frage 12 auf 13). Da man aber dem Titel der Sendung weiterhin gerecht
werden, jedoch nicht bereits bei der 1. Frage mit 100 Euro beginnen wollte,
wird der Gewinn zwischen der 13. und der 14. Frage nicht verdoppelt, sondern
vervierfacht. Auch zwischen den Fragen 3 und 4, 4 und 5 sowie 12 und 13
findet keine „Verdopplung" statt.
Frage: 50 €
Frage: 100 €
Frage: 200 €
Frage: 300 €
Frage: 500 €
Frage: 1.000 €
Frage: 2.000 €
Frage: 4.000 €
Frage: 8.000 €
Frage: 16.000 €
Frage: 32.000 €
Frage: 64.000 €
Frage: 125.000 €
Frage: 500.000 €
Frage: 1.000.000 €
Sicherheitsstufe*
Sicherheitsstufe**
* Der Betrag der Sicherheitsstufe bleibt dem Kandidaten auch nach den
neuen Regeln erhalten, wenn er bei einer späteren Frage falsch antwortet.
** Beim klassischen Spiel bleibt der Gewinn bei dieser Sicherheitsstufe
erhalten, auch wenn der Kandidat bei einer späteren Frage falsch
antwortet. Bei den neuen Regeln gibt es die Sicherheitsstufe von
16.000 Euro nicht, dem Kandidaten bleiben also bei einer falschen
Antwort 500 Euro. Wahlweise kann der Kandidat aber auch diese
Sicherheitsstufe behalten und dafür den vierten, neuen Joker ablehnen.
53
Eine besondere Rolle kommt den Fragen 5 und 10 zu: Sie sind so genannte
„Sicherheitsstufen“. Werden die Fragen dieser Stufen richtig beantwortet, so
hat der Kandidat den entsprechenden Geldbetrag sicher gewonnen und verliert
ihn auch nicht mehr. Beantwortet er eine der folgenden Fragen falsch, so fällt
er auf die zuletzt erreichte Sicherheitsstufe zurück und beendet das Spiel mit
dem Gewinnbetrag der Sicherheitsstufe.
Der Kandidat kann jederzeit entscheiden, das Spiel zu beenden und den bis
dahin erspielten Geldbetrag mit nach Hause nehmen.
Sobald ein Kandidat das Spiel beendet, beginnt eine weitere Auswahlrunde
und ein neuer Kandidat bekommt die Chance auf den Hauptgewinn. Wer es
aus dieser Auswahlrunde nicht geschafft hat, darf sich frühestens drei Monate
nach Ausstrahlung der Sendung wieder bewerben.
Wenn im Studio während des Spiels das Licht ausgeht, beobachten zahlreiche
Nachtsichtkameras das Geschehnis und zeichnen alles mit infrarotem Licht
auf. Die Spieler werden auch von Mitarbeitern der Show beobachtet. Wenn
einer von ihnen etwas Verdächtiges bemerkt, wird die Aufzeichnung des
Spiels sofort abgebrochen.
Während der Show ist es strikt verboten, ein Mobiltelefon oder andere
moderne Verbindungsmöglichkeiten zu benutzen. Das Studio ist direkt und
ununterbrochen mit einem Geräteraum verbunden, der mit einem Funkscanner
ausgestattet ist. Falls die Schwindler, in einem neben dem Studio geparkten
Auto versteckt, ihrem Spielkandidaten durch einen im Ohr versteckten
Miniempfänger eine richtige Antwort senden möchten, wird das Signal sofort
fixiert und blockiert. Trotz strenger Kontrolle schließen die Organisatoren nie
aus, dass unehrliche Quiz-Kandidaten
modernste Technologien benutzten
können – zu hoch ist der Gewinneinsatz!
54
Studiopublikum
Wer als Zuschauer bei „Wer wird Millionär?" (RTL) im Studio dabei sein
will, muss Eintritt zahlen. Die Aufzeichnung findet in der Regel dienstags
statt. Der Eintrittspreis pro Person beträgt momentan 14,- Euro für den Besuch
einer Einzel-Aufzeichnung bzw. 19,- Euro pro Person für den Besuch einer
Doppel-Aufzeichnung. Das Studio fasst insgesamt 219 Zuschauer.
Zurzeit liegen über 22.000 Voranmeldungen für Eintrittskarten vor. Daher
können die Eintrittskarten nur über eine Warteliste vergeben werden. Durch
die große Menge der Voranmeldungen beträgt die momentane Wartezeit ca.
24 Monate (Stand: Januar 2007).
Statistiken
• Die 800. Sendung wurde am 20. März 2009 ausgestrahlt.
• Bisher gab es in der deutschen Show acht Millionäre. Zweimal wurde der
Hauptgewinn in Deutsche Mark, sechsmal in Euro erreicht.
• Etwa 1.400 Kandidaten waren seit der ersten Show am 3. September 1999
dabei. (Stand August 2007)
• Sie erspielten insgesamt ca. 48 Millionen Euro. (Stand September 2007)
• Durchschnittlich gewann jeder Kandidat 34.000 Euro.
• Die durchschnittliche Gewinnsumme aller Kandidaten zusammen beträgt pro
Sendung 75.000 €.
• Die Millionen-Frage wurde insgesamt 48 Mal gestellt. (Stand: 13. September
2008)
• Bisher gab es 20 Kandidaten, die das Spiel gänzlich ohne Gewinn beendeten.
(Stand: 14. Oktober 2008)
55
• Seit dem 22. Januar 2007 wird die Show in einem farblich leicht veränderten
Design ausgestrahlt. Das neue On-Screen-Design wirkt nicht mehr so seriös
und "edel" wie das alte.
• Am 7. März 2008 wurde die 20.000. Frage gestellt
Bisherige Hauptgewinner
Bisher gab es in der deutschen Show acht Millionäre. Zweimal wurde der
Hauptgewinn in Deutscher Mark, sechsmal in Euro erreicht.
1) 2. Dezember 2000: Eckhard Freise (56, Geschichtsprofessor)
Millionenfrage: Mit wem stand Edmund Hillary
1953 auf dem Gipfel des Mount Everest?
A: Nasreddin Hodscha
B: Nursay Pimsorn
C: Tenzing Norgay
D: Abrindranath Singh
2) 20. Mai 2001: Marlene Grabherr (48, Bürokauffrau)
Millionenfrage: Welche beiden Gibb-Brüder der
Popband The Bee Gees sind Zwillinge?
A: Robin und Barry
B: Maurice und Robin
C: Barry und Maurice
D: Andy und Robin
3) 18. Oktober 2002: Gerhard Krammer (24, Student der Musik und
Philosophie)
Millionenfrage: Welcher berühmte Schriftsteller
erbaute als diplomierter Architekt ein Freibad in
Zürich?
A: Joseph Roth
B: Martin Walser
C: Max Frisch
D: Friedrich Dürrenmatt
56
4) 29. März 2004: Dr. Maria Wienströer (38, Ärztin)
Millionenfrage: Wer bekam 1954 den Chemie- und
1962 den Friedensnobelpreis?
A: Linus Pauling
B: Otto Hahn (Nobelpreisträger für Chemie 1944)
C: Pearl S. Buck (Literaturnobelpreis 1938)
D: Albert Schweitzer (Friedensnobelpreis 1952)
5) 9. Oktober 2006: Stefan Lang (32, Klimaanlageninstallateur)
Millionenfrage: Welches chemische Element macht
mehr als die Hälfte der Masse eines menschlichen
Körpers aus?
A: Kohlenstoff (Element mit dem zweitgrößten
Massenanteil im Körper)
B: Kalzium
C: Sauerstoff (Element mit dem größten
Massenanteil im Körper)
D: Eisen (nur Spurenelement)
6) 8. Januar 2007: Timur Hahn (27, Student der Anglistik, Medienwissenschaft und Informatik an der Philipps-Universität Marburg)
Millionenfrage: Welches Meer ist nach einem
mythologischen König benannt, der sich dort
hineingestürzt haben soll?
A: Ionisches Meer
B: Ägäisches Meer (König Aigeus)
C: Adriatisches Meer
D: Kaspisches Meer
7) 30. Mai 2008: Oliver Pocher (30, Comedian) – Prominenten Special
Millionenfrage: Das Nagel-Schreckenberg-Modell
liefert eine Erklärung für die Entstehung von…?
A: Sandwüsten
B: Verkehrsstaus
C: Grippewellen
D: Börsencrashs
57
8) 20. November 2008: Thomas Gottschalk (58, Fernsehmoderator) –
Prominenten Special
Millionenfrage: Wie hieß franz Kafkas letzte
Lebensgefährtin, die er 1923, ein Jahr vor seinem
Tod, kennenlernte?
A: Dora Diamant
B: Sarah Saphir
C: Rita Rubin
D: Olga Opal
Auszeichnungen
• 2000 - Deutscher Fernsehpreis - Beste Unterhaltungssendung
• 2001 - Bambi für Günther Jauch
• 2006 - Deutscher Fernsehpreis – Beste Unterhaltungssendung/
Beste Moderation Unterhaltung für das „Prominenten Special WM 2006“
Die 500. Folge
Am 10. September 2005 wurde die 500. Folge der Quizshow ausgestrahlt.
Dazu stand für die Kandidaten zusätzlich ein vierter Joker zur Verfügung, der
sogenannte
"Kompetenzteam-Joker".
Die
vier
bisherigen
Millionäre
Prof. Eckhard Freise, Marlene Grabherr, Gerhard Krammer und Dr. Maria
Wienströer wurden noch einmal in die lange Sondersendung eingeladen, um
sich in einem Kompetenzteam zusammenzusetzen und sich bei einer
schwierigen Frage zu beraten. Dieser Joker konnte vom Kandidaten allerdings
erst ab einer Gewinnsumme von 1.000 Euro eingesetzt werden. Das
Kompetenzteam hatte wie der Angerufene beim Telefonjoker 30 Sekunden
Zeit, um eine richtige Antwort abzugeben. Die Millionäre wurden aus einem
anderen Studio per Bildschirm zugeschaltet.
Normalerweise wird der Rest der zehn verbleibenden Kandidaten am Schluss
ausgetauscht. In der 500. Folge durfte aber jeder einzelne bis zum Schluss der
Sendung in der Mitte auf dem "heißen Stuhl" Platz nehmen und die Chance
erhalten, als Millionär das Studio zu verlassen.
58
Besondere Sendungen
Familien-Special
Am 10. November 2006 wurde erstmalig ein Wer wird MillionärFamilienspecial ausgestrahlt. Dabei setzt RTL auf ein in Deutschland völlig
neues Konzept: Innerhalb des „Wer wird Millionär? - Familienspecial“ trifft
Jauch im Studio nicht auf einen einzigen Kandidaten sondern auf eine ganze
Kandidatenfamilie. Die Familie konnte dabei bestimmen, welches Mitglied in
die Auswahlrunde darf. Nachdem diese dann am schnellsten und richtig
beantwortet wurde bewegt sich die komplette Familie zum Platz gegenüber
von Günther Jauch. Neben den viel höheren Gewinnchancen durch das
Wissen mehrerer Generationen wird allen Teilnehmern zur Beantwortung
auch die doppelte Zeit zur Verfügung gestellt. Ansonsten wird zu den
altbewährten Spielregeln gespielt.
Drei Familien gewannen Beträge zwischen 4.000 und 125.000 Euro. Alle drei
Familien traten mit ihren Töchtern an, die sich allesamt durch den Gewinn ein
eigenes Pferd erhofften. In der Familie, die letztlich 125.000 Euro gewann,
gab die Tochter, nachdem die Familie entschieden hatte, auszusteigen, sogar
die richtige Antwort zur 500.000-Euro-Frage.
Am 27. und 30. April 2007 wurde das zweite Familienspecial ausgestrahlt bei
dem drei Familien zwischen 16.000 Euro und 64.000 Euro gewannen. Das
dritte Familienspecial fand am 22. Dezember 2007 statt. Die drei Familien
erspielten nacheinander 32.000 Euro, 64.000 Euro und 32.000 Euro.
Die zweite Chance
Am 23. Dezember 2006 strahlte RTL erstmals ein Wer wird Millionär-Special
mit dem Namen "Die Zweite Chance" aus. In dieser Sendung konnten zehn
ehemalige Kandidaten, die das Studio ganz ohne Gewinn verlassen mussten,
noch einmal antreten. Es gab sogar eine einmalige Regeländerung, damit das
59
Quiz für die Kandidaten nicht erneut ohne Gewinn endet. Dabei durften die
Wiederholungsrater diesmal Verstärkung mitbringen und sich vor den
Antworten absprechen, ein trauriger Mitleidsbonus, der allerdings dringend
nötig war: Die mitgebrachten Freunde, Onkels oder Schwestern erwiesen sich
an diesem Abend allesamt kompetenter als diejenigen, die sich ursprünglich
mal als Schlaufüchse beworben hatten. Vielleicht ist die Aufregung beim
zweiten Mal noch größer. Weil man weiß, dass es jetzt doppelt so schlimm
wäre, alles zu vermasseln. "Tun Sie mir einen Gefallen: Gehen Sie nicht noch
mal mit null Euro nach Hause", sagte Jauch, als es einmal richtig brenzlig
wurde.
Eigentlich waren 15 Kandidaten ohne Gewinn ausgeschieden, doch
verzichteten, wie Jauch in der Sendung erklärte, fünf der Kandidaten darauf,
noch einmal an der Sendung teilzunehmen.
Sonst bleiben die Spielregeln unverändert:
15 Fragen, drei Joker, kein Zeitlimit.
Zuerst bestreitet der ehemalige "Nuller" Kandidat die Auswahlrunde. Ist diese erst
einmal geschafft, darf er gemeinsam mit
seinem
Co-Kandidaten
Günther
Jauch
gegenüber Platz nehmen und sich über die
Fragen beraten. Letztendlich entscheidet
der
Co-Kandidat,
welche
Antwort
genommen wird. Da so das Wissen zweier
Zweite-Chance-Kandidat Martin
Schnelle (l.), Jauch (r.):"Gehen Sie
nicht noch mal mit null Euro nach
Hause!"
Kandidaten zum Tragen kommen kann,
dürften sich die Chancen auf einen hohen Gewinn durchaus um einiges
verbessern.
Natürlich ist es kein Weltuntergang, wenn man nicht weiß, wer "Die
Kameliendame" des französischen Autors Alexandre Dumas war (Marguerite
Gautier), oder dass eine der Rheintöchter aus Wagners Oper "Rheingold"
Floßhilde heißt (nicht etwa Barkenelse oder Kahnigunde). Sowieso gilt es ja
60
als ungeschriebenes Gesetz, dass man vor dem Bildschirm immer schlauer ist
als wenn einen nachher sämtliche Kameras im Visier haben.
Selbst die Co-Kandidaten hatten schwache Momente: "Machen wir ene, mene,
muh?", schlug eine ihrem Freund vor, weil sie sich mit ihm eine Ewigkeit
nicht über die Antwort einig wurde. Andere machten bloß ein ahnungsloses
Gesicht und forderten: "Sag du."
Die Gewinne waren auch bei der zweiten Chance nicht besonders spektakulär:
zweimal 8000 Euro, zweimal 16.000 Euro.
Blind-Date-Special
Am Montag, den 11. Februar 2008
gab es erstmals eine Sendung mit
Paaren, die sich im Studio zum ersten
Mal begegneten. Zuvor mussten sich
die Bewerber online qualifizieren und
sich in einem besonderen Chat eine/n Partner/in wählen. Sie durften im
Kandidaten Hess und Lippold
Chat nichts über ihr Aussehen schreiben. Die Sendung begann, wie üblich, mit
der normalen Auswahlrunde und 10 Kandidaten. Auf die zwei Kandidaten, die
es auf den Stuhl schafften, wartete hinter einer Studiotür der Chatpartner, der
sich, wie schon bei den Familien-Specials, dazusetzte.
Während der Sendung lernten sich die Partner weiter kennen und wurden von
Günther Jauch nach ihren Erwartungen an den Partner gefragt, und ob sich
ihre Vorstellung vom Gegenüber erfüllt zeige. Die beiden Paare, die es auf
den Stuhl schafften, gewannen 32.000 und 64.000 Euro. Die Gewinnsummen
wurden zur Hälfte auf beide Partner aufgeteilt.
61
Prominenten-Specials
Alle sechs Monate findet eine Wer wird Millionär? - Sendung mit
Prominenten statt, die mit über zwei Stunden länger als die normalen
Sendungen dauert. Die prominenten Gewinner spenden dabei ihren Gewinn an
wohltätige Einrichtungen oder Stiftungen. Aus diesem Grund sind in diesem
Spiel die Regeln nicht so streng wie bei den normalen Ausgaben. Vor allem in
den unteren Gewinn-Stufen sprechen sich die Kandidaten mitunter ab, um
einen Joker zu sparen. Günther Jauch greift nicht ein, umgekehrt unterhält er
sich humorvoll, herzhaft und hilfsbereit mit seinen berühmten Gästen. Die
Reihenfolge der Prominenten wird genauso wie in den normalen Sendungen
durch Auswahlfragen bestimmt. Im Unterschied zu diesen kommen hier aber
immer alle Kandidaten an die Reihe.
Wenn die Promis zum "Wer wird Millionär"-Spezial eingeladen werden, um
wieder für einen guten Zweck zu spielen, sind sehr oft einige besonders
populäre Sketch- oder Comedystars dabei. Als redegewandte Profis erhöhen
sie immer den Unterhaltungswert jeder Sendung und erspielen in der Regel
hohe Beträge für verschiedene karitative Hilfsprojekte. Einige sind ein echtes
Quiztalent und, wenn sie dem Moderator gegenübersitzen, dabei auch sehr
lustig.
In einer deutschen Sendung "Wer wird
Millionär"-Spezial (vom 22.11.2007) war
zum Beispiel wieder die populäre Sat.1Comedy-Frau Anke Engelke zu Gast. Sie
räumt einen höheren Gewinn ab als alle ihre
männlichen Kollegen zusammen und liefert
sich mit Moderator Günther Jauch einen
munteren
Schlagabtausch.
"Äthiopien!",
platze es bei der 500.000-Euro Frage aus
Engelke heraus, noch bevor Jauch die Frage
Anke Engelke Promi-Kandidat
hatte zu Ende lesen können: "Welches Land
62
gilt als ursprüngliche Heimat des Kaffeebaums Coffea arabica?" Weil ihre
Eingebung tatsächlich zu den danach genannten Antwortvorschlägen gehörte,
war die halbe Million sicher, und der verwirrte Jauch fragte, woher seine
Kandidatin so ein Spezialwissen habe. Engelke antwortete trocken: "Ich
meine, das mal auf einer Kaffeedose gesehen zu haben."
Nur bei der Eine-Million-Euro-Frage hat Anke der Mut verlassen. Eigentlich
hat sie gewusst, dass der Belgier Luc Luycx die Euro-Münzen kreiert hat und nicht etwa den Oscar, das Atomium oder die Schlümpfe. Da war die
Gefahr aber doch zu groß, beim Risiko-Spiel auf 500 Euro abzustürzen. Und
für den guten Zweck pokert es sich so schlecht.
Beim Prominenten-"Wer wird Millionär" geht es naturgemäß deutlich lockerer
zu als in den üblichen Sendungen, wenn mit nervösen Medienprofis gespielt
wird, die es spannend machen und dabei noch witzig sein sollen. Man sieht
Jauch an, wie viel Spaß er jedes Mal bei diesen Sendungen hat. RTL
überstrapaziert das Prinzip nicht und lädt nur ein oder zwei Mal im Jahr
Prominente ein.
Comedian Kaya Yanar hatte schon bei der zwölften
Frage sämtliche Joker verbraten. "Kann ich denn
bestimmen, welche Antworten beim Fifty-FiftyJoker stehen bleiben?", witzelte er. Und wollte
anfangs
so
zögerlich
die
Unterstützung
des
Publikums einsetzen, dass es Jauch von seinem
Stuhl riss, um ihn zur Besinnung zu bringen. Als es
Kaya Yanar
dann um 64.000 Euro ging, musste Yanar aussteigen – trotz Telefonjoker, mit
dem er einen Freund fragen konnte, was das "Schlafittchen", an dem man
jemanden packen kann, ursprünglich bezeichnete. Den Bart? Ein Ohr? Das
Horn? Oder - und das wäre korrekt gewesen - einen Flügel? Yanar flehte:
"Das kannste googeln, schnell! Ich hab gesagt: Bleib am Computer!"
63
"Ich würd’ mich nicht aufs Publikum verlassen", brüllte Yanar aus dem
Zuschauerraum heraus, als bei der nächsten Runde mit einem anderen PromiKandidaten wieder ein Zuschauervotum anstand. Später war Jauch sich sicher,
dass "mindestens fünf Leute" im Studio wüssten, ob Angela Merkel,
Wolfgang Tiefensee, Franz Josef Jung oder Brigitte Zypries in den neuen
Bundesländern geboren wurde. Es wusste aber keiner. "So ist das, wenn man
sein Publikum überschätzt", witzelte der Moderator.
Fast zehn Millionen Menschen wollten an diesem Abend das ProminentenSpecial von "Wer wird Millionär" auf RTL sehen: Insgesamt schauten 9,57
Millionen zu, in der für die Werbeindustrie wichtigen Zielgruppe der 14- bis
49-Jährigen reichte es für einen starken Marktanteil von 33 Prozent –
Topquoten für Jauch!34
Das Highlight von einem anderen "Wer wird Millionär"-Special stellte
unbestreitbar der Auftritt von Horst Schlämmer (Hape Kerkeling) dar. Auf
dem “heißen Stuhl” war er in seinem Element. Auf gewohnt witzige und
plumpe Art brachte er Jauch schon bei den ersten Fragen ins Schwitzen.
Ebenfalls eine lustige Showeinlage: Der stellvertretende Chefredakteur des
Grevenbroicher Tagblatt zog zwei Kurze aus seiner schicken Herrentasche
und trank mit Günther Jauch Brüderschaft – auf Ex. Dann küsste er den
Günther Jauch gibt dem Enthüllungsjournalisten Horst
Schlämmer im Studio Nachhilfe in Krankengymnastik:
Er führt die Katzenbuckel-Übung vor.
34
www.stern.de, Peer Schader, Artikel "Das kannste googeln, schnell!" vom 23. November 2007
64
Moderator auf die Wange. Günther Jauch: “Ich habe ja schon einiges erdulden
müssen, aber das ist heute Abend zuschlagspflichtig.”
Als Schlämmer nach der fünften Frage dann aufhören wollte, schauten alle
ungläubig – Aufhören? Bei 500 Euro? Doch diese Idee nahm der Komiker
zum Anlass um dass zu tun, was viele Zuschauer und TV-Blogger-Leser
bereits im Vorfeld der Sendung ahnten: Er holte Günther Jauch auf den
Kandidatenstuhl. Das erste Mal in der langen Karriere von “Wer wird
Millionär?” musste sich der Moderator den Fragen stellen. Das gab es bislang
auch bei keinem anderen Prominentenspecial.
Jauch schlug sich tapfer. Er ertrug die Gymnastikübungen und blöden (aber
witzigen) Sprüche des stellv. Chefredakteurs und kämpfte sich bis zur
Millionenfrage durch. Bei der Frage “Wer stellt in einem Gedicht fest: ´Der
Fußballwahn ist eine Krankheit, aber selten, Gott sei Dank´!?” kapitulierte
Jauch. Am Ende stellte sich heraus, dass dies auch eine gute Entscheidung
war. Immerhin lag der Moderator und vermeintliche Alleswisser mit seinen
beiden Vermutungen deutlich daneben. (Antwort war übrigens D: Joachim
Ringelnatz). Immerhin gewann der Moderator 500.000 Euro - die Anspannung
und Angst sich zu blamieren waren ihm anzusehen.
Gemeinsam gewannen die beiden (Jauch und Kerkeling) an diesem
spannenden Abend eine halbe Million für die deutsche Aids-Stiftung – und für
den gelungenen Auftritt den Deutschen Fernsehpreis.
So hatte der Zuschauer vor dem Fernseher an diesem Sonntag einiges erlebt.
Jede Menge Spaß und eine hohe Spende für den guten Zweck waren das
Resultat. Und auch mit der Quote kann RTL zufrieden sein. Mit 10,60
Millionen Zuschauern und einem Marktanteil von 33,0 Prozent sind die
Zuschauerzahlen enorm hoch. In der werberelevanten Zielgruppe sah es
ebenfalls sehr gut aus: 5,19 Millionen 14- bis 49-Jährige schalteten ein, was
einem Marktanteil von sehr guten 36,9 Prozent entspricht.
65
Am 30. Mai 2008 knackte Oliver Pocher, der
populäre deutsche Comedian, die letzte Frage und
gewann eine Million für wohltätige Zwecke. Standing
Ovations, Feuerwerk und Glitzerregen für den siebten
Millionengewinner bei „WWM“ und den ersten beim
“Prominenten-Special”.
Oliver Pocher
Als Günther Jauch die Millionenfrage stellte: "Das Nagel-SchreckenbergModell liefert eine Erklärung für die Entstehung von ...?" A: Sandwüsten, B:
Verkehrsstaus, C: Grippewellen, D: Börsencrashs,
hatte der ehemalige
Realschüler nur noch seinen Publikumsjoker. Und die Zuschauer antworteten
wie folgt: A:12 %, B:70 %, C:0 %, D:18 %. Was Oliver nicht wusste, nur 35
Zuschauer hatten überhaupt abgestimmt. Seine erste Intuition waren die
Verkehrsstaus und so entschied er: "...ich zocke und nehme Antwort B. Und
ich biete an, dass ich 100.000 € aus eigener Tasche zahle, wenn ich mit der
Antwort falsch liege." Er konnte sein Geld behalten, auch wenn Günther
Jauch schon Angst hatte: "Da muss man ja selbst bei der ARD lange für
senden."
Nach Oliver
Pocher
hat
der
Fernsehmoderator
Thomas Gottschalk die Million beim “Wer wird
Millionär - Prominentenspecial” gewonnen. Er hat als
Telefonjoker den bekannten Literaturkritiker Marcel
Reich-Ranicki gewählt. Mit seiner Hilfe konnte er die
letzte Frage problemlos beantworten: “Wie hieß
Thomas Gottschalk und
Marcel Reich-Ranicki
Franz Kafkas letzte Lebensgefährtin, die er 1923, ein Jahr vor seinem Tod,
kennenlernte?” Reich-Raniki meinte dazu nur: “Die letzte hieß Dora Diamant!
Ob er noch nebenbei eine gestreichelt hat, weiß ich nicht.”
66
Strittige Fragen
Die Fragen für die Sendung werden von einem externen Redaktionsteam
erarbeitet, für die deutschen Fragen ist die Firma Mind the Company
verantwortlich. Die Antworten werden durch das Studium mehrerer Quellen
auf ihre Richtigkeit geprüft, zu denen etwa die Brockhaus-Enzyklopädie und
Wissen.de gehören. Auch Wikipedia gehörte dazu, wie der Moderator im
Oktober 2005 in einer Sendung verriet. Nach der „Niels-Bohr-Frage“ (siehe
unten) wird die Wikipedia von der WWM-Redaktion jedoch nicht mehr als
Quelle zugelassen. Trotz intensiver Überprüfungen können in seltenen Fällen
dennoch Fehler auftreten, zumeist aufgrund sich widersprechender Quellen. In
zwei Fällen durfte der betreffende Kandidat später neu einsteigen.
Fragen mit Folgen:
• Welcher Nobelpreisträger für Physik war mehrfacher Fußballnationalspieler seines Landes?
Laut WWM soll es Niels Bohr gewesen sein. Belegbar ist aber nur, dass der
Bruder Harald Bohr Fußball-Nationalspieler für Dänemark war. Beide Brüder
waren erfolgreiche Vereinsfußballer. Der dänische Verband erklärte, für die
Zeit Anfang des 20. Jahrhunderts keine Aufzeichnungen mehr zu haben.
Möglicherweise beruht die Information, dass auch Niels Bohr Nationalspieler
war, auf der Meldung einer dänischen Tageszeitung anlässlich der NobelpreisVerleihung an Niels Bohr. Eine der Quellen für die WWM-Redaktion war
(neben der Brockhaus-CD-ROM) Wikipedia. Im Anschluss an die strittige
Frage wurde dort der Eintrag zu Niels Bohr geändert. Der Kandidat wurde
erneut eingeladen.
• Jedes Rechteck ist ein …?
Antwortmöglichkeiten: Rhombus, Quadrat, Trapez und Parallelogramm.
Richtig sind zwei Antworten: Parallelogramm und Trapez, denn ein Rechteck
ist sowohl Spezialfall des Trapezes als auch des Parallelogramms. Interessant
ist in diesem Zusammenhang, dass die große Brockhaus-Enzyklopädie (1996,
67
Band 22) das Trapez ausdrücklich mit zwei unterschiedlich langen parallelen
Seiten definiert und dann tatsächlich nur das gesuchte Parallelogramm richtig
gewesen wäre. Die Kandidatin, die bei dieser Frage ausgestiegen war, wurde
erneut eingeladen.
• Worauf weist das zu den Richtzeichen gehörende Verkehrszeichen
317 hin?
Antwortmöglichkeiten
Wanderzirkus,
dieser
4.000
Wanderparkplatz
Euro-Frage
und
waren
Wanderratten.
Wanderdüne,
Nach
der
Straßenverkehrsordnung wäre die richtige Antwort Wandererparkplatz.
Daraufhin erhielt die Kandidatin in der folgenden Sendung den bei der
Wanderparkplatz-Frage verwendeten 50:50-Joker zurück. Jedoch ist der
Ausdruck "Wanderparkplatz" weitaus gebräuchlicher als das amtliche
"Wandererparkplatz". Eine Google-Suche etwa ergibt so ein TrefferVerhältnis von rund 30 zu 1.
• Wie nennt der Mathematiker die senkrechte Achse im Koordinatensystem?
Antwortmöglichkeiten: s-, x-, y-, z-Achse. In der Sendung galt die y-Achse als
richtige
Antwort,
vorausgesetzt
wobei
wurde.
In
ein
zweidimensionales
Koordinatensystem
der
dreidimensionalen
Darstellung
eines
Koordinatensystems wird jedoch auch die z-Achse optisch senkrecht
dargestellt.
• Wer unterzeichnete die deutsche Kapitulation am Ende des Zweiten
Weltkriegs?
Antwortmöglichkeiten: Konrad Adenauer, Hermann Göring, Adolf Hitler und
Karl Dönitz. Die Redaktion wertete Dönitz als richtige Antwort.
Unterzeichner der Urkunde waren jedoch Alfred Jodl in Reims und Wilhelm
Keitel in Berlin-Karlshorst. Dönitz hatte als Staatsoberhaupt die Vollmacht
zur Unterzeichnung gegeben. Daher wird die Kapitulation häufig Dönitz
zugeschrieben, wie zum Beispiel in Schwanitz, Bildung (Frankfurt 1999,
S. 202): "Und am 8. Mai unterzeichnete Admiral Dönitz die bedingungslose
Kapitulation".
68
• Was gehört nicht zu den drei Grundfarben?
Antwortmöglichkeiten: rot, gelb, grün und blau. Tatsache ist, dass die richtige
Antwort davon abhängt, ob an die subtraktive Farbmischung (in diesem Fall
ist die richtige Antwort grün) oder an die additive Farbmischung (in diesem
Fall ist gelb die richtige Antwort) gedacht wurde. Bei der subtraktiven
Farbmischung hätten allerdings korrekterweise die Farben cyan, magenta,
gelb, grün als Antworten vorgegeben werden müssen. So gesehen war die
vom Kandidaten gegebene und von der Redaktion als richtig gewertete
Antwort gelb richtig.
• Glaubt man der Wortherkunft, so teilte man mit seinen Kumpanen
ursprünglich...
Antwortmöglichkeiten: das Brot, den Beruf, die Beute und die Geliebte. Anke
Engelke entschied sich im Prominenten-Special für "das Brot", was die
gesuchte richtige Antwort war (vom Lateinischen "cum"=mit und
"panis"=Brot). Kumpan kann aber laut dem etymologischem Wörterbuch
Kluge (2002, S. 546) von lat. compaginare (= sich vereinigen, sich
zusammenschließen) abstammen. Andere Quellen (Duden Wortherkunft, dtvetymolog. Wörterbuch, Petit Larousse) bestätigen jedoch die Lösung der
WWM-Redaktion.
• Wobei handelt es sich um ein chemisches Element?
Antwortmöglichkeiten waren Einsteinium, Heisenbergium, Planckium,
Roentgenium. Die Kandidatin wählte Einsteinium aus, was als richtig
gewertet wurde. Es handelt sich um das Element Es mit der Ordnungszahl 99.
Aber auch die Antwort Roentgenium wäre korrekt gewesen, denn seit dem 8.
November 2004 steht das Element mit der Ordnungszahl 111, von deutschen
Forschern bereits 1994 an der Gesellschaft für Schwerionenforschung in
Darmstadt synthetisiert, als "Roentgenium" Rg im Periodensystem. Da die
betreffende Frage bereits im Februar 2004 erstellt wurde, aber erst Mitte
November (also eine Woche, nachdem Roentgenium ins Periodensystem
aufgenommen wurde) gespielt wurde, wurde der Inhalt der Frage in diesem
69
Fall von einer aktuellen Entwicklung teilweise überholt. (Die Kandidatin hat
die Frage trotzdem problemlos beantwortet und bekam deshalb keine
"Entschädigung".)
Gesellschaftlicher Einfluss
Wie auch andere Sendungen mit hohen Einschaltquoten im deutschen
Fernsehen hat WWM einen gesamtgesellschaftlichen Einfluss. So haben
inzwischen die Begriffe „Telefonjoker“, „Publikumsjoker“ und „Fifty-fiftyJoker“ einen so hohen Bekanntheitsgrad erreicht, dass sie in der 24. Auflage
des Duden-Rechtschreibwörterbuchs zu finden sind. Diese Tatsache wurde
sogar in einer 125.000-Euro-Frage im Prominentenspecial vom 22. November
2007 thematisiert: „Welcher Begriff schaffte es nicht in die aktuelle, 24.
Auflage des Rechtschreibdudens? A: Millionenfrage B: Fifty-fifty-Joker C:
Telefonjoker D: Publikumsjoker“ - Anke Engelke war die Kandidatin und
beantwortete sie richtig.
Die Kuriosität
Norbert Göckel, ein Kraftfahrer aus Berlin, hatte seinen Job beim BundestagSubunternehmen RocVin beinahe verloren, weil er als Kandidat in Günther
Jauchs RTL-Quizshow zu viel geplaudert hatte.
Der Bundestags-Chauffeur, hatte auf die Frage Jauchs, ob die höher gestellten
Bundestagsabgeordneten oder die Hinterbänkler die freundlicheren Fahrgäste
seien, geantwortet: „Wollen Sie eine ehrliche Antwort? Je höher, desto
arroganter...“ Dieser Satz hat dem 56-järigen fast seinen Job gekostet.
Günther Jauch zeigte sich schockiert vom rabiaten Vorgehen gegenüber
seinem Quiz-Gast. „Ich habe kein Verständnis dafür, dass Herr Göckel wegen
dieser Aussage seinen Job verlieren soll. Ich finde, es muss in unserem Land
70
möglich sein, normal über seine Arbeit zu sprechen, ohne sich dabei um Kopf
und Kragen zu reden“. Immerhin, 8.000 Euro nahm Göckel mit nach Hause.
Seinem Arbeitgeber RocVin, der einen Vertrag mit dem Bundestag hat, war
diese Antwort wohl zu freimütig. Aber der Kündigungsgrund ist nach Angabe
von Geschäftsführer Manfred Reuter ein anderer: „Göckel hat sich als Fahrer
des Deutschen Bundestages ausgegeben – das ist eine Falschaussage. Er ist
bei uns angestellt und wir sind Vertragspartner des Bundestages. Allein das
könnte Grund für eine fristlose Entlassung sein“, erklärte er der „BildZeitung“. „Er hat als Fahrer in seinem Anstellungsvertrag eine absolute
Verschwiegenheitspflicht“, sagte Reuter weiter zu der Entscheidung.
Der Rausschmiss, laut BILD-Zeitung35,
entfachte bei Politikern des Bundestages
einen Sturm der Entrüstung. Der SPDFraktionschef Peter Struck sagte: „Das
ist
doch
kein
Kündigung!“
Grund
Sein
für
eine
Fraktionskollege
Hans-Joachim
Hacker:
unangemessene
Reaktion.“
„Eine
Der
Bundestag hatte klargestellt, auf die
Entscheidung der Firma RocVin keinen
Bundestags-Chauffeur Konrad Göckel
neben TV-Moderator Günther Jauch
(März 2008)
Einfluss ausgeübt zu haben. RocVin dagegen hatte behauptet, der
Auflösungsvertrag mit Göckel sei „in Absprache“ mit dem Bundestag erfolgt.
Kurz danach kam plötzlich die überraschende Nachricht: Der Fahrer kann
demnächst wieder Politiker chauffieren.
35
http://www.bild.de
71
2.1.2. Das Quiz mit Jörg Pilawa
Die Quizsendung ist eine leicht verändert umgesetzte "Wer
wird Millionär"-Variante, läuft immer dienstags bis freitags
um 19.20 Uhr im Ersten. Beste Quoten: bis zu 7,2 Mio.
Zuschauer
Die Vorgeschichte
Am 25. Juli 2001 war die Premiere eines neuen deutschen Formats, am 5. Juli
2005 um 19.20 Uhr wurde die 750. Sendung "Das Quiz mit Jörg Pilawa"
ausgestrahlt. Bis dahin gab es fünf Höchstgewinner (einmal 500.000 DM,
viermal 300.000 Euro).
In "Das Quiz mit Jörg Pilawa" spielen Kandidatenpaare gemeinsam um das
große Geld. Bewerben können sich nur Paare mit einer interessanten
gemeinsamen Geschichte. Hier können alle mitmachen, die verliebt, verlobt,
verheiratet sind, oder sonst in irgendeiner Beziehung zueinander stehen: der
Vater mit dem Sohn, die Oma mit der Enkelin, eineiige Zwillinge, die
Sekretärin mit ihrem Chef oder zwei Nonnen aus einem Kloster. Das Konzept
lebt stark von der Kandidaten-Konstellation.
Beim Spiel im Studio
72
Bis zu 300.000 Euro kann jedes Paar gemeinsam gewinnen. Doch dazu sind
gemeinsam zwölf knifflige Fragen richtig zu beantworten.
Die Sendung wird in Hamburg in Staffeln produziert.
Die Spielregeln
Es spielt jeweils 1 Kandidatenpaar. Auf dem Weg zu 300.000 (früher 500.000
Mark) Euro werden die beiden Partner abwechselnd befragt. Zwölf Fragen
sind richtig zu beantworten. Dabei können die Kandidaten aus vier
Antwortvorgaben wählen. Wenn ein Kandidat nicht weiter weiß, dann kann
sein Partner einspringen. Und wenn er glaubt, dass sein Partner die falsche
Antwort gegeben hat, kann er ein Veto einlegen.
Zunächst legt das Paar zwei Gewinnstufen fest. Erlangt es diese durch richtige
Antworten, kann es mit darauf folgenden falschen Antworten maximal bis zu
der zuletzt erreichten Stufe zurückfallen. Das Hauptmotto der Kandidaten
dabei lautet: Risiko mit ein bisschen Sicherheit ist die beste Strategie. Am
häufigsten werden als Gewinnstufen 5.000 Euro ("eine sichere Sache") und
20.000 Euro ("wenn's denn klappt") gewählt. Selten dagegen die
Sicherheitsfanatiker, die als Gewinnstufen 2.000 Euro und 10.000 Euro
wählten.36 Genauso selten die Mutigen, die sich 30.000 Euro als erste
Gewinnstufe zutrauten und die 100.000 Euro als Gewinnstufe 2 setzten. Der
Hintergedanke ist klar: Habe ich 100.000 Euro sicher, dann spielt es sich
leicht um die 300.000 Euro. Geklappt hat es bei den Draufgängern nie.
Es werden Quizfragen mit 4 Antwortmöglichkeiten (wie im WWM) gestellt,
die zunächst immer nur ein Teil des Paares beantworten muss. Ist die Antwort
eingeloggt, darf der Partner nun zustimmen und darauf hoffen, dass die
Lösung stimmt - oder er legt ein "Veto" ein und ändert noch einmal die
Antwort. 3 "Änderungs-Vetos" und 1 "Tausch-Veto", bei dem eine neue
Frage gestellt wird, stehen dem Paar auf dem Weg zu 300.000 Euro zur
Verfügung.
36
www.daserste.de/quiz/dasquiz.asp
73
Moderator
Als "Wer wird Millionär?" mit Günther Jauch
Ende der 90er ein beispielloser Überraschungserfolg für RTL wurde, moderierte Pilawa erst eine
Nachahmung auf Sat 1 und ging dann 2001 zur
ARD, wo er die Idee für "Das Quiz mit Jörg Pilawa" mitentwickelte: Es spielt nicht ein Kandidat,
sondern ein Kandidatenpaar; es sind Kollegen,
Eheleute, Freunde. Vorteil: mehr Dynamik, weni-
Jörg Pilawa
ger Aufregung bei den Kandidaten. Und: Der Moderator tritt viel mehr in den
Hintergrund. Kandidaten, Saalpublikum und prominente Gäste behandelt
Pilawa stets respektvoll und ohne jede Spur von Zynismus oder Sarkasmus.
Im neuen Projekt stand Jörg Pilawa zum ersten Mal in seinem Berufsleben
hinter der Kamera. Als Produzent seiner eigenen Firma "White Balance" und
als Mitproduzent, zusammen mit "Pearson TV", eines neuen Quiz-Formates
musste er plötzlich ganz neue Sachen machen: kalkulieren, Aufträge
vergeben, sich um Logo, Studiodesign und Musik kümmern – und zum ersten
Mal Mitarbeiter einstellen.
Jörg Pilawa ist 1965 in Hamburg geboren. Nach dem Abitur studierte er
Medizin und Geschichte. Ein Jahr arbeitete er in einem Kibbuz in Israel.
Schon während des Studiums begann er für den Hörfunk und für das
Fernsehen zu arbeiten. Seit 1994 als TV-Moderator erfolgreich, kommt Jörg
Pilawa zur ARD: "Herzblatt“, "Das Quiz mit Jörg Pilawa“, "Star Quiz",
"Rekord-Fieber“ und Moderator der NDR-Talkshow. Niemand moderiert
mehr Fernsehshows als Jörg Pilawa, die Allzweckwaffe der ARD: vom "StarBiathlon" über den "Pisa-Test", "Ernährungstest", "Erziehungstest" und
"Partnerschaftstest" bis zur großen Samstagabendshow "Frag doch mal die
Maus". Er ist immer solide, immer freundlich – und der Liebling aller
Schwiegermütter.
74
Durch vieljährige Arbeit in verschiedenen TV-Formaten konnte Jörg Pilawa
viele Erfahrungen ins neue Quiz-Projekt mit einbringen, vor allem bei der
Planung der Dramaturgie der neuen Sendung. Beim Start des neuen
Quizformats benötigte Jörg Pilawa eine dreimonatige Fernsehpause.
"Das Quiz" im Unterschied zu den anderen Quizshows, die zurzeit im
deutschen Fernsehen ausgestrahlt werden, hat kein ausländisches Vorbild.
Es ist die erste Quizshow, die in Deutschland selbst entwickelt wurde und auf
Sendung ging. Die Hauptidee kam vom Co-Produzenten "Pearson TV", mit
dem Jörg Pilawas Firma "White Balance" dann das neue Format weiter
konzipiert hat. „Ein äußerst spannender Prozess, bei der Geburt eines neuen
Formats dabei zu sein. Und – läuft es gut, dann haben wir auch die Chance, es
weltweit anzubieten,“ – berichtet stolz der beliebter Moderator über sein
Vorbildprodukt 37.
Pilawa hat im Fernsehen zwei Gesichtsausdrücke: entweder sein Gesicht ist
auf abwartende Weise neutral, oder er lächelt. Viele Menschen mögen Pilawa
sehr, in Umfragen ist er oft der beliebteste Fernsehmoderator nach Günther
Jauch und Thomas Gottschalk, die ewige Nummer drei unter den großen
Fernsehjungs. Andererseits: Weil er so viel moderiert und weil er dies immer
auf die gleiche freundliche, routinierte Art tut, finden ihn andere sehr glatt und
langweilig. Pilawas Image besteht im Grunde nur aus endlosen Variationen
des Attributs "nett" - von "der nette Herr Pilawa" ("Bild am Sonntag") bis "der
große Blonde mit dem netten Lächeln" ("TZ").
Pilawa hat sich zu dieser Sachlage in der Talkshow seines Kollegen Reinhold
Beckmann einmal abschließend geäußert, indem er feststellte: "Ich find's nett,
nett zu sein." 38
Pilawas Vertrag mit der ARD läuft noch bis 2010. Dann gibt er auch die
Geschäftsführung der Produktionsfirma "White Balance" ab, die er
inzwischen ohnehin an MME Moviement verkauft hat. Spätestens dann will er
auch als Moderator deutlich kürzer treten.
37
38
www.joerg-pilawa.de
www.stern.de Till Raether, „Endlose Variationen von "nett"“ (Stern-Artikel aus Heft 23/2007)
75
2.1.3. Glücksrad
Die Vorgeschichte
„Glücksrad“ (engl. Wheel of Fortune – dt. Das Rad der Fortuna) ist eine
bekannte Spielshow, die ursprünglich aus den USA stammt und in vielen
Ländern der Erde ausgestrahlt wird oder wurde.
Wheel of Fortune ist eine der ältesten Gameshows der USA, welche 1971 von
Merv Griffin erfunden wurde. Der legendäre Erfinder behauptet, dass dies
während einer sehr langen Autofahrt mit seinen Kindern geschah, die
Hangman spielten.
1973 zeichnete Produzent Merv Griffin den Piloten für das „Glücksrad“ auf.
Die Show hieß „Shoppers Bazaar“ und wurde von Edd Byrnes präsentiert
(bekannt als „Cookie“ aus der Serie „77 Sunset Strip“).
Am 6. Januar 1975 ging die Show mit dem Namen „Wheel Of Fortune“ bei
der NBC erstmals auf Sendung. Sie wurde zunächst von Chuck Woolery
moderiert, seine Assistentin –„Buchstabenfee“ (die Frau, die die Buchstaben
der Ratewand umdreht) war Susan Stafford.
Im
September
1982
sicherte
sich
das
Fernsehproduktions-
und
Vertriebsunternehmen „King World Productions“ mit Sitz in New Jersey die
Rechte zur gemeinschaftlichen Ausstrahlung der Show. Die Sendung wird
seitdem zentral von King World Productions produziert und dann an die
zahlreichen amerikanischen TV-Stationen lizenziert. Kingworld produziert
auch mehrfach im Jahr lokal, z.B. auf Hawaii, in Florida oder Las Vegas.
19. September 1983: Nach mehr als 4.000 Shows wechselt das „Wheel Of
Fortune“ in die TV-Syndication (Zusammenschluss aus verschiedenen TVSendern, die gemeinsam die Ausstrahlungsrechte an einem Programm
erworben haben). Seitdem wird diese Show in den USA von 200 Sendern als
„syndicated show“ übertragen. Als Moderator bleibt Pat Sajak (seit 1981)
76
dabei. Die Buchstabenfee heißt Vanna White. Kurz nach ihrer Einstellung
bricht in den USA die Vannamania aus. Sie erscheint auf dem Titel des
Newsweek-Magazins, bekommt eine Rolle in dem TV Movie „Godness Of
Love“. Ihre Autobiographie wird ein Bestseller. 1994 spielt Vanna White ihre
eigene Rolle in dem Kinofilm „Nackte Kanone 33 1/3“ mit Leslie Nielsen.
Die meisten amerikanischen Familien bevorzugen diese Unterhaltungsshow.
Aufgrund seiner ungeheuren Popularität und der Lizenzeinnahmen sind die
Gewinnsummen sehr hoch und die Sachpreise attraktiv. Dadurch hat diese
Sendung nach wie vor einen enormen Zulauf.
Die internationale Lizenzierung der Sendung liegt derzeit bei CBS
International. Dabei unterliegen die Lizenznehmer engen Ristriktionen seitens
Kingworld. Selbstverständlich werden aber lokale Eigenheiten berücksichtigt:
In der Türkei ist Glücksrad eine mehrstündige Live-Sendung mit einem
überaus populären Spaßvogel als Gastgeber, in Litauen ist die Ratewand
(„puzzle board“) aus Kostengründen aus Karton, auf den Philippinen ist das
Rad so angebracht, dass auch verschleierte Frauen es drehen können, ohne
gegen die guten Sitten zu verstoßen.
77
Deutsche Adaption als „Glücksrad“
In Deutschland lief die Sendung etwa 15 Jahre lang auf verschiedenen
Sendern und ist mit über 4.000 produzierten Folgen die am häufigsten
gesendete Spielshow Deutschlands.
Am 7. November 1988 wird das „Glücksrad“ erstmals in Deutschland bei dem
Privatsender SAT.1 ausgestrahlt. Moderiert wurde die Ratesendung damals
von Frederic Meisner und dem Schauspieler Peter Bond, die sich wöchentlich
abwechselten. „Buchstabenfee“ war Maren Gilzer.
Glücksrad war in Deutschland die zweite sogenannte „Daily Gameshow“
(Erste "Daily Gameshow" war Ruck Zuck (Sendestart: zehn Monate vor dem
Glücksrad)). Aufgrund eines Beschlusses des Neustadter Verwaltungsgerichts
musste die Sendung ab April 1991 als Dauerwerbesendung gekennzeichnet
werden. Im Laufe der Zeit machte die Sendung einige Veränderungen durch;
viele Spielmodi (z.B. Temporunde, Bonusrunde) wurden eingeführt, verändert
oder abgeschafft. Mit anderen Worten – an die einheimischen Bedingungen
angepasst.
Das Glücksrad wurde zunächst montags bis freitags um 19:30 Uhr gesendet.
Aufgrund des großen Erfolgs der Sendung wurde im April 1991 eine
78
samstägliche und im September 1991 eine sonntägliche Ausgabe ins
Programm genommen. Damit war das Glücksrad fast sieben Jahre lang täglich
zu sehen.
Obwohl das Glücksrad über lange Zeit zu den erfolgreichsten und
zuschauerreichsten Formaten des Senders gehörte und auch gegen Ende
immer noch gute Quoten erreichte, wurde es im Mai 1998 eingestellt. Die
Zuschauer des Glücksrads waren überwiegend ältere Menschen, die für den
Privatsender zur „werbeunrelevanten“ Zielgruppe gehörten. Der geplanten
„Programmverjüngung“ fielen nicht nur die Spielshows Glücksrad und Geh
aufs Ganze!, sondern auch Serien wie Der Bergdoktor und Kurklinik Rosenau
zum Opfer. Dieter Thomas Heck bezeichnete die Absetzungen von Sendungen
für ältere Menschen aufgrund von Werbeinteressen damals als „respektlos“
und als „Verletzung der Menschenwürde“.39
Nach der Einstellung der Sendung bei Sat.1 wechselt das bekannteste
Spielformat der Welt am 18. Mai 1998 zu Kabel 1 und feiert im gleichen Jahr
sein 10-jähriges Deutschland-Bestehen. Im Moderatoren-Team gab es jedoch
einige Veränderungen: Peter Bond und Maren Gilzer verließen das Team,
Sonya Kraus übernahm den Part der „Buchstabenfee“. Von der ursprünglichen
Glücksrad-Besetzung blieb damit lediglich Frederic Meisner übrig.
Ende 2001 hörte auch Frederic Meisner vorerst auf. Um die Show zu
modernisieren, verpflichtete Kabel 1 den durch Dingsda und Versteckte
Kamera bekannten ZDF-Moderator Thomas Ohrner als Glücksrad-Leiter.
Neue Buchstabenfee wurde im Jahre 2002 das Fotomodell und damalige Miss
Germany Katrin Wrobel.
Die Sendung hatte ihre erfolgreichsten Zeiten jedoch schon hinter sich und
wurde Ende 2002 wieder eingestellt, am 31. Oktober 2002 lief die letzte
Ausgabe bei Kabel 1.
39
http://de.wikipedia.org
79
Im Jahre 2004 gab es bei dem Quizsender 9Live eine Rückkehr des
Glücksrads. Von März 2004 bis März 2005 wurde die Sendung zunächst
täglich, ab Juli 2004 dreimal wöchentlich ausgestrahlt. Moderator war erneut
Frederic Meisner, für das Umdrehen der Buchstaben war nun Ramona Drews,
die Frau von dem Popsänger Jürgen Drews, zuständig.
Wie von Anfang an geplant wurde nur eine Staffel mit 100 Sendungen als so
genannte
„Low-Budget“-Produktion
hergestellt.
Dies
zeigte
sich
beispielsweise in der ziemlich einfachen Aufmachung des Studios und den
Applaus-Einspielern, da aus Kostengründen auf ein echtes Publikum
verzichtet wurde. Denn im Gegensatz zu früheren Sendungen sollte die
Produktion bei 9Live lediglich dazu dienen, neue Zuschauer für das
eigentliche Kerngeschäft des Senders, die Call-In-Sendungen, anzulocken.
Mit der Einstellung der Sendungen im März 2005 verschwand das Glücksrad
von den deutschen Bildschirmen. Jedoch gab es 2007 im GameshowMarathon auf ProSieben eine Neuauflage des Glücksrads.
Die Spielregeln
"Glücksrad" ist eine Mischung aus
Roulette und Kreuzworträtsel. Das
Spiel setzt sich aus fünf Runden
zusammen, in denen drei Kandidaten
Begriffe und Redewendungen aus
verschiedenen Bereichen (Ereignis,
Titel, Ort, Sache, Person, Gruppe,
Natur, Frage) erraten müssen. Dazu drehen sie ein Rad, das auf einem GeldFeld mit Summen von 150 bis 5.000 DM oder auf einem der Sonderfelder "Extra-Dreh", "Aussetzen", "Bankrott", "Sonderpreis" - zum Stillstand
kommen kann. Falls sie auf einem Geld-Feld landen, nennen die Kandidaten
einen Konsonanten und bekommen den Geldbetrag gutgeschrieben, wenn
dieser im gesuchten Wort enthalten ist. Kommt der Konsonant mehrmals vor,
80
wird der Betrag mit der entsprechenden Anzahl multipliziert. Mit einem
Betrag können die Spieler Vokale kaufen.
Ein Kandidat ist so lange am Zug, wie er einen im Wort enthaltenen
Konsonanten rät, auf die "Extra-Dreh"- oder "Sonderpreis"-Sonderfelder
kommt oder das gesuchte Wort nennt. In diesem Fall ist er Gewinner dieser
Runde und darf im Gegenwert der gewonnenen Geldsumme im Studio Waren
"kaufen", die anschließend ausführlich in Wort und Bild präsentiert werden.
Nach der dritten Runde steht der Kandidat mit dem höchsten Geldbetrag auf
seinem Konto als Tagessieger fest. In der vierten Runde spielen alle drei
Kandidaten gemeinsam um den Superpreis - die Gesamtsumme der bis zu
diesem Zeitpunkt erspielten Geldbeträge. Nachdem sie fünf Konsonanten und
einen Vokal gewählt haben, bleiben ihnen 90 Sekunden Zeit (pro Kandidat 30
Sekunden) um die gesuchten Begriffe zu erraten. In der fünften und letzten
Runde spielt der Tagessieger aus den ersten drei Runden in der Bonusrunde
um den Hauptpreis. Dabei muss er, nachdem er fünf Konsonanten und einen
Vokal ausgewählt hat, einen Begriff innerhalb von 15 Sekunden erraten.
Vor dem ersten Spiel stellt der Moderator die Kandidaten in einem
Kurzinterview vor, meist fragt er nach einem Detail aus ihrem Leben. Im
weiteren Verlauf der Sendung beschränken sich die verbalen Äußerungen der
Kandidaten und des Moderators ausschließlich auf das Spiel. Im
eigentümlichen Kontrast zu diesen sparsamen Äußerungen stehen die
ausführlichen Darstellungen der zu gewinnenden Preise. Ein Off-Moderator
liest mit hoher Geschwindigkeit Beschreibungen von etwa 10 Produkten vor,
die an der Sprache von Werbetexten orientiert sind: "Die neue EschenbachKollektion Elena vereint Klassik und Moderne und lässt beide Komponenten
mit der Renaissance des Schönen kommunizieren. Dieses Tafelservice hat
einen Wert von 485 DM" (2. Januar 1994).
Das Gewinn-System der Show wurde im Laufe der Jahre immer wieder
verändert - das Spielprinzip mit Worträtseln, deren Rubriken und dem Drehen
am Rad jedoch nicht.
81
«GLÜCKSRAD» (Deutsche Version von „Wheel of Fortune“)
Im deutschen Studio
Frederic Meisner
(Glücksrad, Deutschland)
«ПОЛЕ ЧУДЕС» (Feld der Wunder – Russische Version von
„Wheel of Fortune“)
Im russischen Studio
Leonid Jakubovich
(Feld der Wunder, Russland)
Das Studio in neuem Look, Russland
82
2.1.4. Einundzwanzig
Quiz / RTL / 2000-2002 / 60 Minuten /
Moderation: Hans Meiser
Produktion: Stormy Entertainment, im Auftrag von RTL
Die Vorgeschichte
Quiz 21 ist ein vom NBC als "twenty-one" entwickeltes QuizSendungsformat.
In den USA wurde von September 1956 bis Oktober 1958 im
Hauptabendprogramm von NBC ausgestrahlt. Moderator war Jack Barry. Die
Show sorgte in den USA für traurige Berühmtheit und für einen riesigen
Skandal, weil die Gewinner vorher abgesprochen waren.
Um den Erfolg der Sendung zu garantieren, wurden recht bald von den
Produzenten nur Kandidaten ausgewählt, die beim Fernsehpublikum starke
Sympathien hervorriefen und so gute Einschaltquoten garantierten. Deshalb
war es wichtig, dass diese Kandidaten möglichst lange in der Show blieben.
Und das wiederum ging nur, wenn sie alle Fragen richtig beantworten würden.
Damit begann der Betrug. Er fing an mit der Wissensshow The $64,000
Question – eine Art Genie-Version von Trivial Pursuit und später war auch ihr
Konkurrenzformat, Twenty-One, betroffen.
Seit dem 28. November 1956 war bei Twenty-One der
College-Professor Charles Van Doren vier Monate lang
ungeschlagener Champion. Er gewann insgesamt
129.000 Dollar. Charles Van Doren gestand 1959 vor
einem Kongress-Sonderausschuss, der den QuizshowSkandal untersuchte, dass die Redaktion ihm die
Charles Van Doren
Antworten auf die Fragen im Voraus mitgeteilt hatte,
da man den arroganten Champion Herbert Stempel aus dem Weg räumen
wollte. Später stellte sich heraus, dass auch andere Kandidaten im Voraus mit
Antworten versorgt wurden.
83
Direkte Folge der Untersuchungen war, dass die Sender sofort alle Quizshows
mit
hohen
Gewinnen
aus
dem
Programm
nahmen
und
die
Programmverantwortlichen und Moderatoren entließen. Einige durften nie
wieder fürs Fernsehen arbeiteten. Außerdem wurden in den USA von da an
alle Sendungen einer strengen staatlichen Kontrolle unterstellt. Und der
diskreditierte Begriff Quiz Show verschwand aus dem amerikanischen
Sprachgebrauch und wurde durch das Wort Game Show ersetzt.
Der US-Skandal der 1950er wurde 1994 von Robert Redford unter dem Titel
Quiz Show verfilmt.
2000/2001 wurde das Quiz wiederbelebt. Moderator war diesmal Maury
Povich.
Die Entwicklung der Quiz- und Rateshows in Deutschland blieb von diesem
Skandal unberührt, obwohl damals die beiden hauptbetroffenen Formate auch
hier ausgestrahlt wurden: „Alles oder nichts“ (The $64,000 Question) und
„Hätten Sie's gewusst?“ (Twenty-One). Aber im quotenunabhängigen
öffentlich-rechtlichen Fernsehen war (damals) Manipulation kein Thema.
Die erste deutsche Version dieses Spieles lief zum ersten Mal von 1958 bis
1969 unter dem Titel Hätten Sie’s gewusst? bei ARD. Hätten Sie's gewusst?
war eine 45-minütige Quizsendung mit hohen Einschaltquoten. Moderator
was Heinz Maegerlein.
Im Jahre 2000 strahlte der Privatsender RTL das Quiz erstmals unter dem
Originalnamen aus. Während der Sommerpause von Wer wird Millionär?
wurden von Juli bis September 2000 montags um 20.15 Uhr 21 Folgen von
Quiz Einundzwanzig gesendet. Moderator war Hans Meiser. In den Jahren
2001 und 2002 wurden weitere Folgen produziert, die letzte Ausgabe der
Sendung gab es am 2. September 2002.40
40
http://de.wikipedia.org/wiki/Einundzwanzig
84
Die Spielregeln
Das Duellspiel
Die deutsche einstündige Version dieser Quiz-Show
moderiert Hans Meiser.
Hans Meiser
Ziel des Duellspiels ist, so schnell wie möglich 21 Punkte zu erreichen. Hans
Meiser gibt den zwei Kandidaten zunächst eine Wissenskategorie vor und
stellt ihnen anschließend Multiple-Choice-Fragen. Je zwei Kandidaten spielen
insgesamt fünf Runden gegeneinander. Jede Runde hat eine neue Kategorie
wie zum Beispiel „Der menschliche Körper“ oder “Klatsch und Tratsch“.
Dabei ist jede Kategorie in elf unterschiedlich schwierige Multiple-ChoiceFragen unterteilt. Die leichteste ist die Ein-Punkt-Frage, die schwierigste die
Elf-Punkte-Frage.
Jede Runde startet, nachdem der Moderator den Spielern die Kategorie
genannt hat. Danach wählen sie ihre Punkte-Frage, um die sie spielen
möchten. Liegt einem Kandidaten die Kategorie, wird er eine schwierigere
Punkte-Frage nehmen. Kennt er sich nicht aus, wird er eine leichte Frage
wählen. Bei richtiger Antwort, werden die Punkte addiert. Bei falscher
Antwort wird ein Strafpunkt registriert. Bei drei Strafpunkten ist das Spiel für
den Kandidaten vorbei.
Im Spielverlauf hat jeder Kandidat die Möglichkeit einen Joker einzusetzen.
Der Joker ist ein Freund oder ein Verwandter und sitzt Backstage – er darf
helfen und gemeinsam mit dem Kandidaten die Antwort erörtern. Ist die
Antwort trotz der Hilfe durch den „Joker“ falsch, bekommt der Kandidat zwei
Strafpunkte.
Beide Kandidaten stehen in isolierten, schallgeschützten Kabinen. Sie hören
laute Musik auf Kopfhörer und können nicht hinausgucken. Das ist wichtig,
denn es kann sein, dass beide Kandidaten dieselbe Punkte-Frage beantworten
müssen. Jeder bekommt nur sein eigenes Spiel mit. Das Spiel des Gegners, die
85
Reaktionen und Aktionen von Moderator und Publikum bleiben ihm
verborgen.
Risiko
Nach der zweiten Runde des Duellspiels kann jeder der Kandidaten das Spiel
stoppen. In dieser Situation sind beide Kabinen „on air“ geschaltet. Der
Spieler, der stoppt und zu diesem Zeitpunkt die höhere Punktzahl hat, gewinnt
und ist Champion. Die Kandidaten wissen lediglich ihren eigenen Spielstand
und können daher den Gesamt-Spielstand nur schätzen. Aus diesem Grund
gehen sie bei einem eventuellen Spielabbruch ein hohes Risiko ein.
Gleichstand
Erreichen beide Kandidaten 21 Punkte, gibt es eine Stichfrage. Dasselbe gilt
auch dann, wenn nach Spielrunde zwei das Spiel durch einen oder beide
Kandidaten abgebrochen wird und sie denselben Punktestand haben.
Die Stichfrage ist eine offene Frage, d.h. die Kandidaten müssen die Antwort
selbst geben. Durch einen Buzzer können sich die Kandidaten in die Frage
einschalten. Derjenige, der zuerst gedrückt hat, und die richtige Antwort gibt,
ist Champion. Gibt er die falsche Antwort, hat der Gegner die Chance, die
gleiche Frage ebenfalls zu beantworten. Drückt ein Kandidat den Buzzer
schon während der Fragestellung, muss der Kandidat dem Moderator sofort
antworten, ohne dass der Moderator die Frage zu Ende vorliest. Ist die
Antwort falsch, bekommt der Gegner die vollständige Frage gestellt. Sind bei
beiden Kandidaten die Antworten falsch, wird eine neue Stichfrage gestellt.
Erreichen der 21
Der Herausforderer darf in jedem Duellspiel als erster antworten. Falls der
Herausforderer als erster 21 Punkte erzielt, und der Champion eine Chance
hat, mit der nächsten Frage auch 21 Punkte zu erreichen, bekommt er diese. In
diesem Fall bleibt der Herausforderer „on air“ geschaltet. Besteht für den
Champion diese Chance nicht mehr, ist das Spiel beendet, und der neue
Champion steht fest.
86
Joker
Jeder Kandidat hat die Möglichkeit, während eines Duellspiels einmal seinen
Joker zu nutzen. Der befindet sich während der Show hinter der Bühne in
einer Kabine, hat Kopfhörer auf und hört nur das, was seinen Partner betrifft.
Wenn der Kandidat seinen Joker einsetzt, wird dieser von einer Assistentin
auf die Bühne geholt. Der Joker kann sich die Frage durch den Moderator
auch wiederholen lassen. Kandidat und Joker können die Antwort diskutieren.
Letztendlich muss der Kandidat die Antwort, die er für richtig hält, nennen.
Ist die Antwort richtig, werden die Punkte entsprechend der Frage gewertet.
Ist die Antwort falsch, erhält der Kandidat zwei Strafpunkte. Bei drei
Strafpunkten ist das Spiel vorbei.
Maximale Spielrunden
Das Duellspiel ist auf fünf Spielrunden begrenzt. Erreicht keiner der beiden
Kandidaten die 21 Punkte, ist derjenige Champion, der inklusive der fünften
Spielrunde die meisten Punkte hat. Zeigt sich in der fünften Runde, dass der
Führende eine Punktezahl hat, die der Gegner mathematisch nicht erreichen
kann, ist das Spiel entschieden.
Die Idee zu diesem Format kommt wohl vom Kartenspiel Blackjack (17 und
4), bei dem es ebenfalls Ziel ist, mit den Kartenwerten 21 Punkte zu erreichen.
21-Studio
87
2.2. Kurzporträts der untersuchten Shows im russischen Fernsehen
In Russland waren die ersten Quiz-Spiele (genau so wie der ganze Rundfunk)
nicht kommerziell, außerdem hatten sie keinerlei ideologischen oder
politischen
Hintergrund.
Dank
ihrer
Spontaneität
und
ihrem
Improvisationscharakter schufen diese Shows eine gewisse Zone der
intellektuellen
Freiheit
und
Unvorhersagbarkeit.
Das
„reine“
(nicht
ideologisch gefärbte) Genre sicherte einen unglaublichen Erfolg bei den
Zuschauern.
2.2.1. КВН (KWN – Klub der Lustigen
und Schlagfertigen)
seit 1961 (Sendepause 1971-1986)
www.amik.ru
Beim „Klub der Lustigen und Schlagfertigen“ (Klub Wessjolych i
Nachodtschiwych) handelt es sich um eine Art Mehrkampf in Humor, mit
Elementen von Theater, Kabarett und Comedy. Die Mannschaften aus jungen
Leuten wetteifern vor Publikum darum, wer mehr Witz hat.
KWN war die Typenbezeichnung
eines
der
ersten
Fernsehgeräte.
Der
deutete
Abkürzung
Gekauft
diese
(Kupil),
(Wkljutschil),
KWN-Moderator Alexander Masljakov
sowjetischen
Geht
Volksmund
mit:
Angeschaltet
nicht
(Ne
rabotajet). Die Flimmerkiste machte
ihren Besitzern nicht immer Freude.
Diese Bezeichnung übernahm dann die Sendung für junge Leute, KWN, so
genannt in Anspielung auf den TV-Apparat, allerdings als „Klub der Lustigen
88
und Schlagfertigen“ definiert. Der erste Wettbewerb wurde 1961 über die
KWN-Bildschirme in die Haushalte übertragen.
Auf der Bühne des Schabolowka-Fernsehstudios traten Laienkunstgruppen
aus
zwei
Moskauer
Hochschulen
–
dem
Bauinstitut
und
dem
Fremdspracheninstitut – gegeneinander an. Die Mannschaften bestanden aus
jeweils elf Spielern und zwei Reservisten, wie im Fußball. Und so nannten die
KWN-Erfinder aus der Redaktion für Jugendprogramme ihr „Baby“ auch
„intellektueller Fußball“. KWN wurde als Wissenssendung konzipiert. In
hohem Tempo bekamen die Mannschaften Fragen und mussten sie im
Handumdrehen beantworten – wenn nicht richtig, dann eben witzig.
Nach wenigen Runden überwogen die witzigen Erklärungen: Sie kamen beim
Zuschauer am besten an. Von heut auf morgen erlangte das Programm eine
unglaubliche Popularität, mit Einschaltquoten höher als bei Spielfilmen.
„Es war die erste sowjetische Quizsendung“, erinnert sich der damalige
KWN-Moderator Albert Axelrod im Buch „Wir starten KWN“. Erstmals in
der hiesigen Fernsehgeschichte sei „das Mikrofon von Profis zu Laien“
gelangt. „Und das – in einer Live-Übertragung! Die Sendung machte
Furore.“ 41
Die Improvisation war das Schlüsselwort und bald schon ein Problem. Schon
der Vorgänger von KWN hatte auf seine Weise damit zu kämpfen. Die
Fernsehredaktion für Jugendprogramme wurde 1957 gegründet – ein Jahr
nach dem 20. Kongress der KPdSU, auf dem Nikita Chruschtschow Stalins
Personenkult
verurteilt
hatte.
In
der
Sowjetunion
begann
die
„Tauwetterperiode“. Und das Fernsehen sendete den „Abend der lustigen
Fragen“ – Prototyp von KWN. Keine Zeitung, keine Zeitschrift der 60er
konnte sich das erlauben, worüber studentische Mannschaften in KWN live
gesprochen haben. Der KWN wurde oft mit dem Begriff „Freiheit“
41
"Мы начинаем КВН" Редколлегия: А.Масляков, М. Марфин, А. Чивурин, М. Щедринский,
Москва – 2004
89
identifiziert und seine Spieler beinahe als Dissidenten bezeichnet. Es lässt sich
streiten, ob KWN eine Sammlung von Stürmern und Rebellen war oder, wie
die Presse in den 60ern oft schrieb ein „Propagandamittel“, insofern KWN
ein Ergebnis des freien und unabhängigen kreativen Laienschaffens war. Aber
eines bleibt sicher: KWN hat die Jugendkultur der 60er stark geprägt.42
„Abend der lustigen Fragen“ erlebte allerdings nur drei Folgen. Schuld daran
war ein Zuschauerwettbewerb: Die Leute wurden aufgefordert, mitten im
Sommer in Filzstiefeln und Pelzmantel ins Studio zu kommen. Keine schwere
Aufgabe für die Moskauer, die eine halbe Stunde später zu Dutzenden die
Bühne stürmten, Kameras und Beleuchtung umkippten, Mikrofone abrissen.
Als die Situation außer Kontrolle geriet, wurde die Live-Übertragung
abgebrochen und auf den Bildschirmen sahen alle ein Standbild: technische
Pause.
Die „technische Pause“ dauerte vier Jahre – bis das Programm in seiner
37
Аксельрод А. Ю. Клуб весёлых и находчивых / А. Ю. Аксельрод, С. А. Муратов,
М. Ю. Яковлев. – М. : Советская Россия, 1965.
90
heutigen Form wiederbelebt wurde. Nach einigen Experimenten stand die
Struktur des Wettbewerbes fest. Nur die Teile „Begrüßung“ und
„Hausaufgaben“ durften die Mannschaften im Vorfeld vorbereiten. Beim
„Aufwärmen“ und beim „Kapitäns-wettbewerb“ mussten die Teilnehmer
spontan auf gerade gestellte Fragen reagieren. Für diverse Aufgaben wurden
die Themen erst wenige Stunden vor dem Übertragungstermin bekannt
gegeben und die Einzelheiten bis zum letzten Moment geheim gehalten.
Die Auftritte wurden von einer Jury bewertet, deren Noten anschließend den
Sieger bestimmten. Nach wenigen Sendungen wurde KWN zum Kult. In
Schulen und an Universitäten entstanden Mannschaften, die in lokalen
Wettbewerben ihre Improvisationskünste zeigten und davon träumten, eines
Tages ihre Stadt auf der Moskauer Bühne vertreten zu dürfen. Parteichefs
förderten „ihre“ Teams und trieben nötigenfalls Gelder aus der Parteikasse
auf. Bald wurde die Qualität einer Hochschule an der Qualität ihrer KWNMannschaft gemessen.
Die freche Satire trug manchmal ungeahnte Früchte. Nach einer Sendung rief
bei der Redaktion jemand vom Transportministerium an und bat um das
Skript. In einer Szene hatten sich Studenten des Ölinstituts über den
schlechten Kundenservice der sowjetischen Eisenbahn amüsiert. Im
Ministerium wollte man nun das Skript aufmerksam lesen, um konkrete
Mängel beseitigen zu können.
Doch gleichzeitig beobachteten Partei und KGB immer missmutiger, wie sich
junge Leute über den sowjetischen Alltag lustig machten. Ab 1968 durfte
KWN nicht mehr live gesendet werden. Auch die Aufzeichnung ging nicht
ungeschnitten über den Sender, die Zensur nahm zu. So wurde allen Spielern
verboten, einen Bart zu tragen. Begründung: Man erlaube nicht, Karl Marx zu
bespötteln. 1971 verschwand KWN für lange Zeit vom Bildschirm. Es heißt,
damit sei ein lang gehegter Wunsch des damaligen Fernsehchefs Sergej Lapin
in Erfüllung gegangen.
91
Erst die Perestrojka erlaubte einen Neuanfang. 1986 trafen erstmals wieder im
Fernsehen zwei Mannschaften aufeinander. Die Befürchtung des Senders,
dass KWN in Vergessenheit geraten sein könnte, erwies sich als unbegründet.
Die Bewegung hatte 15 Jahre Untergrund überlebt. Für die erste Show
erhielten die Organisatoren mehr als 200 Bewerbungen. Die Erinnerungen an
1971 waren jedoch so gegenwärtig, dass man sich zu starker Selbstzensur
verpflichtete. Wie weit Michail Gorbatschows Glasnost gehen würde, wusste
damals noch keiner.
Dieses Jahr feiert der „neue“ KWN sein 20-jähriges Jubiläum. Mit der Zeit ist
das Programm professioneller geworden, die Improvisation beschränkt sich
heute auf nur noch einen Wettbewerb. Für die anderen Teile werden teilweise
Schreiber engagiert. Igor Scharow ist einer von ihnen und erklärte in einem
Interview für „Nowaja Gaseta“, die „Arbeitsteilung zwischen Autoren und
Schauspielern“ sei der Lauf der Dinge: „Das ist auch KWN vor zehn Jahren
naturgemäß passiert.“
Trotzdem spielen abseits der Einschaltquoten Schüler und Studenten
Amateur-KWN weiter. Und nach wie vor versammeln sich russische Familien
vor dem Fernseher, wenn die bekannte Melodie „Wir starten KWN“ erklingt.
Zwar sind die Auftritte größtenteils einstudiert und die nicht mehr so
subversiv wie früher, dennoch vermitteln die Shows einen guten Eindruck,
worüber heute in Russland gelacht wird. Und worüber eben nicht.
Nach Angaben seiner Macher verbindet KWN heute etwa 40.000 aktive
Mitspieler in 1.000 Studenten- und 2.000 Schülermannschaften aus 110
russischen Städten. Teams gibt es auch in den GUS-Staaten sowie in Israel,
den USA, Deutschland und anderen Ländern. Russlandweit wird der
Wettbewerb in vier Ligen ausgetragen, die beiden höchsten überträgt der erste
Kanal. Jährlich besuchen rund fünf Millionen Zuschauer die diversen
Veranstaltungen. Die Eintrittskarten werden jedoch nicht frei verkauft,
sondern an Fans der jeweiligen Teilnehmer verteilt.
92
2.2.2. Что, Где, Когда? (Was, wo, wann?)
seit 1975
Produktion: "ИГРА" (Das Spiel)
Start in ORT, später in NTV
Vor mehr als 30 Jahren (am 4.September 1975) wurde die erste Sendung
«Что? Где? Когда» («Was? Wo? Wann?») im zentralen Fernsehen live
ausgestrahlt und hat sofort die Zuschauersympathien erweckt. Bis heute ist
diese Quizshow beliebt. Seit 1975 moderierte diese Sendung Vladimir
Voroshilov, der Autor des Quiz und Generaldirektor der TV-Gesellschaft
«Игра» (Das Spiel). Nach seinem Tod am 10. April 2001 moderiert die
Sendung Boris Krjuk. Das war eine originelle (nicht nach westlichen
Schablonen
kopierte)
Quiz-Sendung
mit
einem
wissensfördernden
Hintergrund. Das Quiz wird live übertragen.
Am Spiel nehmen sechs Spieler
(so genannte «Kenner») teil, die
die zugesandten Zuschauerfragen
beantworten.
(Elemente
dieses
Spiels kann man in der deutschen
Show
«Genial
daneben»
erkennen.) Die Fragen stellen nicht
übliche logische Rätsel dar und
fordern
von
den
Teilnehmern
keine speziellen Kenntnisse.
Die Quizshow «Что? Где? Когда»
(«Was? Wo? Wann?») ist ein Test
für den Intellekt und ein Mittel zur
Entwicklung des Intellektes. Die
Hauptaufgabe
besteht
Die „Kenner“ im Studio
darin,
93
einzelne bekannte Fakten einander gegenüberzustellen und daraus durch
logische Analyse zu einer neuen und vorher nicht bekannten Schlussfolgerung
zu kommen.
Die Spielregeln, Preise und der Name des später gegründeten „Clubs der
Kenner“ änderten sich im Laufe der Zeit. Bis zum Herbst 1991 wurden hoch
begehrte seltene Bücher als Preise verliehen. Später spielten die Teilnehmer
analog Casino gegen Geld.
Im «intellektuellen» Casino sitzen die Spieler am runden Tisch, der in 13
Sektoren geteilt ist. In der Tischmitte steht ein Brummkreisel, der mit einem
Pfeil auf den gespielten Sektor zeigt. In 12 Sektoren liegen die Umschläge mit
den Fragen, die von den Zuschauern per Post geschickt wurden und im 13.
Sektor liegt ein Umschlag mit der Frage, die aus den per Internet während der
Live-Übertragung erhaltenen Fragen durch Zufall gewählt wurde (Sektor
«Internet gegen Kenner»). Jedem Sektor entspricht eine bestimmte geldliche
Belohnung (abhängig vom Schwierigkeitsgrad dieser oder jener Frage).
Nach dem die Spielfrage vom Moderator vorgelesen wird, bekommen die
Spieler eine Minute Zeit, um die richtige Antwort zu finden. Der Gong
verkündet den Schluss der Besprechungszeit und einer von den Spielern muss
eine Antwort geben. Falls die Frage korrekt beantwortet ist, bekommen die
Spieler einen Punkt, sonst bekommen die Zuschauer diesen Punkt und das
Geld geht zum Autor der gespielten Frage. Das Spiel dauert insgesamt bis zu
6 Punkten. (Einige Elemente sind im deutschen TV-Spiel „Genial daneben“ zu
beobachten.)
Einer der Sektoren auf dem Spieltisch stellt eine kompliziertere Variante des
Spiels dar. Er wird als „Blitz“ bezeichnet. Dabei geht es um 3 Fragen in einer
Spielrunde. Für jede der 3 Fragen stehen nur 20 Sekunden den Spielern zur
Verfügung. Die Runde gilt als gewonnen, wenn die Spieler alle drei Fragen
richtig beantwortet haben. Beim „Super Blitz“ am Tisch bleibt nur ein Spieler,
der allein alle 3 Fragen beantworten muss.
94
Der beste Spieler des Jahres bekommt eine „Kristalleule“ als Auszeichnung.
Seit 1995 wird einem der Spieler in der Jubiläumssaison der Magister-Titel
verliehen.
Heutzutage existieren die Clubs der „WWW“ praktisch in allen großen
Regionen
der
Russischen
Föderation
und
in
den
Ländern,
wo
russischsprachige Neubürger aus der ehemaligen Sowjetunion leben. Diese
Clubs organisieren die Spiele „WWW“ nach sportlicher Version, es werden
regulär Meisterschaften, Festivals und Wettkämpfe unter der Leitung der
Internationalen Assoziation von WWW-Clubs durchgeführt. Es wird eine
Zeitung unter dem Titel „Das Spiel“ verlegt, die über die wichtigsten
Ereignisse in den Spielen „WWW“ und „KWN“ berichtet.
Der
Regisseur
Voroshilov
und
erklärt
Off-Moderator
selbst
das
Vladimir
Phänomen
der
langjährigen Popularität seines Projektes durch eine
erfolgreiche Balance zwischen dem konstanten
Format der Sendung (mit den festen Regeln, Ablauf
Vladimir Voroshilov
und fast immer gleichen Spielern) und der
Unvorhersehbarkeit, Spontaneität, Originalität, die
die Spieler beim Antworten auf immer neue Zuschauerfragen live zeigen.
„Wie in jedem neuen Ansatz spielen traditionelle, gewohnte, stereotype
Formen eine wichtige Rolle. Denn diese Kenntnisse sind für Regisseur und
Veranstalter des Spieles genauso wichtig, wie auch das Gespür für Neues,
Phantasie, erfinderische Fähigkeiten, Courage für Innovationen usw.“ 43
Millionen Zuschauerbriefe erreichen die Redaktion von WWW, man kann sie
eindeutig in zwei gleichwertige Gruppen teilen. Die Hälfte davon hält dem
Moderator vor, dass er den Spielern hilft. Die andere Hälfte meint, dass er zu
sehr auf der Seite der Zuschauer steht. Eine Gruppe verlangt immer wieder
nach neuen Spielern, die andere wünscht nur ihre Lieblinge auf dem
43
"Феномен игры" Владимир Ворошилов (znatoki.kulichki.net/dz/mats/fen00.html)
95
Bildschirm zu sehen und droht ansonsten, sich von der Sendung völlig
abzuwenden.
Die geschickte Manipulation zwischen Stereotypen und Andersdenken,
zwischen Alt und Neu macht die Sendung für Zuschauer unterschiedlichster
Zielgruppen
besonders
interessant.
Der
Moment
der
„unobjektiven
Spannung“, des „unobjektiven Bösen“ muss im Spiel immer dabei sein, das
spornt sowohl die Spieler als auch die Zuschauer an. Dann ist der
Spannungsgrad hoch.
Das Fernsehen in Russland ist ein Beispiel für
das dialektische Gesetz von Einheit und Kampf
der Gegensätze. Auf der einen Seite wollen die
Zuschauer ein korrektes Fernsehen haben (top
angezogene
Moderatoren,
ein
anziehendes
Lächeln, die Propaganda der guten, vernünftigen
und ewigen Werte), auf der anderen Seite wollen
sie Provokation, bis zu einem Skandal. Das
große Geld ist gut, aber die Nuancen, wie man es
bekommt, sind viel interessanter.
Die gute Show, so Voroshilov, ist vor allem gute Regie und bei einer guten
Regie sind alle Mittel erlaubt. Vor allem betrifft dies die Persönlichkeit des
Moderators. Bei der Moderationskunst in sowjetischen Zeiten kam es darauf
heraus, wie man bescheiden und korrekt lächelt, fehlerfrei spricht und ob die
Krawatte passt. Der moderne Moderator ist mobil und clever. Er soll ein
bisschen Schwein sein; plump oder unwahrscheinlich neugierig sein, wenn es
nötig ist, oder einen Gemütsmenschen spielen.
Vladimir Voroshilov war nicht besonders beliebt bei den Zuschauern, aber
wie beliebt war seine Show!
96
2.2.3. Поле чудес (Feld der Wunder) = Wheel of Fortune/ Glücksrad
Moderator: Leonid Jakubovich
ОРТ (ORT)
45 Min., Fr., 19:45
Lange Zeit blieb «Was? Wo? Wann?» die einzige TV-Sendung dieser Art.
Aber der Start ist gemacht worden. 1990 kam die zweite Welle – die Sendung
„Поле чудес“ (Wheel of Fortune). Bis heute sind beide Sendungen im
russischen Fernsehen präsent, dabei sind ihre hohen Einschaltquoten nicht
weniger geworden, sondern steigen und gewinnen immer neue Zuschauer.
„Wheel of Fortune“ (deutsche Version - “Glücksrad“) ist die populärste
Game-Show in der TV-Geschichte. Nach ihrem Start im Jahre 1975 in den
USA ist dieses Format in vielen Ländern bekannt und beliebt geworden.
„Поле чудес“ (Feld der Wunder) ist die
russische Version davon. Dieses Format ist
von den Besonderheiten des russischen
Charakters
stark
geprägt
und
beinah
„umformatiert“ geworden. Seit 25.10.1990
läuft die beliebteste Familiensendung in ORT.
Der erste Moderator war Vladislav Listjev,
seit 1.11.1991 moderiert die Sendung Leonid Jakubovich.
Prinzip der Sendung ist es, ähnlich einem Kreuzworträtsel, Wörter in einem
Gitter zu erraten. Um das Rätseln zu erleichtern, wird vorher eine Kategorie
genannt. Die drei Kandidaten haben das Ziel, möglichst hohe Geldbeträge zu
erspielen. Dazu drehen sie am Glücksrad, das unterschiedliche Beträge
anzeigt. Für jeden richtig erratenen Buchstaben wird der Betrag multipliziert
und dem Kandidaten gutgeschrieben. In der russischen Version ist es egal, ob
es um einen Vokal oder einen Konsonanten geht. Die Vokale im Unterschied
zum US-amerikanischen Original oder deutscher Version werden nicht extra
„gekauft“. Rät man falsch, oder zeigt das Glücksrad "Aussetzen" oder
97
"Bankrott" (Spieler verliert das gesamte Geld) an, kommt der nächste
Kandidat an die Reihe. Wer auflöst ist Gewinner, dies wollen aber die Spieler
natürlich möglichst weit hinauszögern. Von dem erspielten Betrag kann der
Kandidat aus einer Palette von Sachpreisen auswählen bzw. "kaufen".
Vladislav Listjev hat diese Sendung nach dem „Feld
der Wunder“ aus der Carlo Collodis Erzählung
"Pinocchio" genannt. Auf diesem sagenhaften Feld
wollte Pinocchio seine vier Goldstücke sähen, mit
großer Erwartung auf ein Bäumchen mit den goldenen
Geldstücken. In dem Lied zur russischen Verfilmung
Vladislav Listjev
„Abenteuer des Pinocchio“, das in Russland jeder
kennt, gibt es Worte: „Das Feld des Wunders im Land der Dummköpfe“. Die
allegorische Parallele konnte jeder sehen. Aber in dieser Zeit der Perestroika
konnte dieser Sendungsname weiter bestehen. – Das ist im übertragenen Sinne
ein herbeigesehnter aber unerfüllbarer Wunsch, Dinge umsonst zu bekommen.
Im Spiel wird der Traum, ein solches Wunderfeld zu finden und fabelhaft
reich zu werden, teilweise verwirklicht. Die Spieler können nützliche Sachen
gewinnen: Fernsehgeräte, Musikzentren, Computer und… natürlich…
moderne Autos.
Die Teilnehmer des Spiels sind in der
russischen
Sendung
auch
nicht
undankbar, selten kommen sie ins Studio,
ohne ein Geschenk (oder Geschenke)
mitzubringen.
Im Studio
So
zeigt
sich
die
gastfreundliche russische Seele mit ihrer
freigiebigen Art - der Spieltisch wird
reichlich beschert mit Gläsern mit eingelegten Gurken, mit Äpfeln und
gigantischen Kürbissen von der eigenen Datscha, mit volkstümlichen
Kostümen und mit handwerklichen Kunstwerken usw. Es interessiert keinen
98
Spieler, ob er gewinnt oder nicht. Hauptsache – er/sie nimmt eine Menge
Emotionen, neue Eindrücke und unvergessliche Gefühle mit nach Hause.
In der gesamten Unterhaltungssparte bleibt die Sendung stabil mit einer
Zuschauerrate bis zu 46%.
Vladislav Listjev kann man überhaupt als Patriarch der TV-Show-Industrie
bezeichnen. So wie das gegenwärtige Fernsehen in Russland aussieht, ist es
ohne zu übertreiben seiner Hände Werk, die Verwirklichung seiner Ideen. Das
russische Fernsehen von heute ist vor allem Show, von den News-Sendungen
bis zu Kindersendungen. Eine beliebige Show besteht aus zwei Komponenten
– aus Ideen und Geld. Vladislav Listjev konnte eine richtige Show gestalten,
die Ideen im Westen entlehnen und auf den „fruchtbaren russischen Boden“
übertragen.
Er
hat
als
erster
verstanden,
welche
unerschöpflichen
Möglichkeiten für das Geldverdienen das Fernsehen hat. Er hat vor allem
vorhergesehen, wie man mit Game-Shows Geld verdienen kann. In seiner
ersten Show „Feld der Wunder“ hat er zum ersten Mal statt Geschenke und
Andenkenpreise den Spielern Geldpreise angeboten. Das Quiz „Feld der
Wunder“ war die erste Show, wo einfache Spieler Geld „verdienen“ konnten,
und zwar nicht wenig. Es wurde einmal im russischen Fernsehen ein Beitrag
gezeigt, wo sich eine Frau, gebildet und intellektuell, von einer Show in die
andere durchgeschleppt hatte und für die richtigen Antworten auf die nicht
besonders kniffeligen Fragen entweder Geld, eine Teekanne oder ein
Bügeleisen bekommen hatte. Man kann alles gut gebrauchen.
Wenn in den sowjetischen Zeiten (es gab einen Sender für das ganze Land und
es gab nichts anderes als „Was? Wo? Wann?“ zu sehen) das
Zuschauerinteresse bescheiden war (ob die „Kenner“ auf alle Fragen
antworten oder nicht?), so waren in den 90er Jahren die Zuschauer bereits
„anspruchsvoller“. Damals in den 90er Jahren hat Vladimir Voroshilov seine
Show radikal geändert und aus „Club der Kenner“ mit Bücherpreisen ein sog.
„Casino“ „Was? Wo? Wann?“ mit Geldpreisen gemacht.
99
Die großen Geldsummen faszinieren und machen gierig. Deswegen war der
erste russische virtuelle Klon von „Wer wird Millionär?“ – „О, счастливчик“
(Oh, lucky Man) – von vornherein zu einem Erfolg bestimmt, dank der hohen
Gewinnsumme – eine Million Rubel (ca. 27.000 Euro). Das ist nicht eine
Million Dollar, aber trotzdem beeindruckend. Natürlich haben der Charme der
Moderatoren (zuerst Dibrov und danach Galkin) eine gewisse Rolle gespielt,
Tatsache bleibt aber: diese Show ist vor allem „Millionär-Show“ und erst
dann ein intellektuelles Quiz. Vielleicht sind deswegen nicht die Fragen von
entscheidender Bedeutung, nicht die Fragen bringen die Quoten, sondern die
Gewinne. Die Zuschauer erinnern sich eher an die Gewinnsummen, nicht aber
an die Fragen selbst oder an die Gewinner.
2.2.4. Кто хочет стать миллионером? (Wer wird Millionär?)
Moderator: Maxim Galkin
Produktion: Ways Media (bis 2008),
Теледом (Teledom) (bis 2008),
Der erste Kanal ORT
Dauer: 60 Min.
Die dritte Welle der Game-Shows im russischen Fernsehen kam mit der
Wende des XX. Jahrhunderts mit neuen Konzepten und neuen Formaten.
Solche Sendungen wie „О, счастливчик“ (Oh, lucky Man) / „Кто хочет стать
миллионером?“ (Wer wird Millionär?), „Слабое звено” (Weakest Link),
„Русская рулетка“ (Russisch Roulette) u.a.
In Russland heißt die Show genau wie das Original nur in russische Sprache
wörtlich übersetzt "Кто хочет стать миллионером?" (Kto chotschet stat
millionerom? - Who Wants To Be A Millionaire?).
100
Die Vorgeschichte
In Russland fand die Premiere der Sendung WWM am 1.Oktober 1999 auf
dem Kanal NTV statt. Sie hieß „О, Счастливчик!“ (O du, Glückspilz!), ihr
erster Moderator war Dmitrij Dibrov. Sie wurde sofort populär. 21.10.2000
bekam die Sendung die höchste Auszeichnung von der Akademie des
russischen Fernsehens – „ТЭФИ“ (TEFI).
Seit dem 19. Februar 2001 wird WWM auf dem russischen Sender ORT
ausgestrahlt und von dem sehr populären Entertainer Maxim Galkin
moderiert.
Einen Monat nach dem Sendestart bei ORT gab es den ersten 1-MillionRubel-Gewinner.
Spielregeln
Die Regeln der russischen Ausgabe entsprechen im Wesentlichen den
internationalen Regeln der WWM-Show, obwohl es auch einige Unterschiede
gibt.
Gewinnstufen
Um 3 Mio. Rubel zu verdienen, muss man 15 Fragen aus verschiedenen
Wissensbereichen richtig beantworten. Jede Frage hat vier Antwort-Varianten,
aus denen nur eine korrekt und gewinnbringend ist.
Die Fragen 5 (5.000 Rubel) und 10 (100.000 Rubel) sind so genannte
„Sicherheitsstufen“. Sie bleiben dem Kandidaten erhalten, sogar wenn er bei
einer späteren Frage falsch antwortet. Bei einer unkorrekten Antwort wird die
Gewinnsumme auf die letzte Sicherheitsstufe herabgesetzt.
101
Fragenummer
15
14
13
12
11
10
9
8
7
6
5
4
3
2
1
Gewinnsumme für
richtige Antwort vor
17.09.2005
(in Rubel)
1,000,000
500,000
250,000
125,000
64,000
32,000
16,000
8,000
4,000
2,000
1,000
500
300
200
100
Gewinnsumme für
richtige Antwort
nach 17.09.2005
(in Rubel)
3,000,000
1,500,000
800,000
400,000
200,000
100,000*
50,000
25,000
15,000
10,000
5,000
3,000
2,000
1,000
500
* Ab dem 2.Mai 2008 gibt es in der russischen Version WWW die
Sicherheitsstufe von 100.000 Rubeln nicht mehr, es bleiben nur
5 000 und 3 000 000 Rubel als gewinnsicher.
In der russischen Ausgabe von WWM stehen dem Kandidaten 4 Joker zur
Verfügung:
1) 50:50-Joker – Der Kandidat kann sich 2 falsche Antworten
wegstreichen lassen.
2) Anruf bei einem Freund – Im Laufe von 30 Sek. kann der Kandidat eine
Person zuhause anrufen.
3) Publikumsjoker – Man darf einmal das Publikum befragen.
4) „Drei Weisen“-Joker – Im Laufe von 30 Sek. kann man sich von drei
prominenten Persönlichkeiten beraten lassen, die in einem separaten Raum
sitzen.
102
Die Fragen
Die Spielfragen sind nach 3 Schwierigkeitsgraden unterteilt:
1) von 1 bis 5 – leichte scherzhafte Fragen;
2) von 6 bis 10 – anspruchsvollere Fragen aus verschiedenen
Wissensbereichen;
3) von 11 bis 15 – besonders schwierige Fragen, die spezielle Kenntnisse
in einzelnen Gebieten erfordern.
Einige Beispiele:
1) Wie wird das Supermodel noch genannt? (A: Top-Model, B: Tjap-Model,
C: Pop-Model, D: Ljap-Model)
2) Wer wuchs im Dschungel unter wilden Tieren auf?
(A: Kolobok (Teigklotz - ein Held aus dem russischen Volksmärchen),
B: Mogli, C: Batman:, D: Charles Darwin)
3) Wie hieß die Braut von Edmond Dantes, dem zukünftigen Graf von
Montechristo? (A: Mercedes, B: Toyota, C: Honda, D: Lada)
4) Welchen Farbton bekommt man bei der Mischung von Blau und Rot?
(A: braun, B: Violett, C: Grün, D: Blau)
5) Aus welchem Fleisch besteht die Füllung für Chebureki (A: Lammfleisch,
B: Schweinefleisch, C: Rindfleisch, D: Pferdefleisch)
6) Wer hat das Geheimnis der drei Spielkarten der Gräfin in A. Puschkins
„Dame Pique“ gelüftet? (A: Kasanova, B: Kaliostro, C: San German,
D: Thomas Vogan)
7) In welchem Land wurde der erste Ölbohrturm gebaut? (A: Kuweit, B: Iran,
C: Irak, D: Aserbaidschan)
103
Erneuerungen
• Bereits in der 4. Folge der Show „О, Счастливчик“ (O du, Glückspilz)
wurde der Spieltisch verändert, woran der Moderator und der Kandidat sitzen.
Er wurde wie in den anderen Ländern originalgetreu nachgebaut.
• Im September 2001 wurden die Monitore aus der Auswahlrunde auch
modernisiert, man kann sie jetzt um 180° drehen.
• 2002 wurde das ganze Studio neu gestaltet: die Portale wurden geändert,
der Fußboden ist durchsichtig geworden.
• Am 17. September 2005 kamen finanzielle Änderungen: ab da konnte man
bei WWM statt 1 Million 3 Millionen Rubel gewinnen (entspricht etwa
100.000 Euro). Außerdem wurde ein SMS-Spiel für die Zuschauer eingeführt.
• Am 21.Oktober 2006 wurde der neue „Drei Weisen“-Joker in die Spielregeln
eingebettet (früher in der amerikanischen Version benutzt).
• Seit dem 27. Dezember 2008 moderiert Dmitri Dibrov, Moderator der ersten
russischen Version „WWM“ („О, Счастливчик!“), wieder das populäre Quiz
(bis November 2008 von Maxim Galkin moderiert). Das Logo, die
musikalische und grafische Gestaltung der Show wurden auch leicht
verändert.
Die 10. Frage von 100.000 Rubel (die 2. Sicherheitsstufe), die am 1. Mai 2008
abgesetzt wurde, wurde am 27. Dezember 2008 wieder eingeführt.
Statistik
• Bisher gibt es in der russischen Show drei Hauptgewinner.
Eine interessante Anekdote zur russischen Ausgabe: Der Publikumsjoker soll
bei den Kandidaten nicht besonders beliebt sein, da das russische
Studiopublikum angeblich gerne falsche Antworten gibt, weil es den
Kandidaten den Gewinn neidet.
104
Der Moderator der deutschen WWM-Version Günter Jauch ironisierte sogar
aus diesem Anlass beim Stern TV: „Auf welches Publikum ist schon
Verlass?“44
Internationale Statistik von WWM
• Der größte Teil der „Millionäre“ lebt im „Land der aufstehenden Sonne“ –
Japan – 28. Ihre Zahl vergrößert sich auf 3-4 Hauptgewinner jährlich.
Übrigens, „WWM“ ist die einzige importierte Lizenzsendung im Land. Den
zweiten Platz belegen die USA (11 Hauptgewinner), den dritten –
Deutschland, Österreich und Großbritannien (je 6).
• Die indische Ausgabe von „Wer wird Millionär?“ mit dem Namen „Kaun
Benagi Corepati“ hatte bisher zwei auch in Deutschland bekannte
Moderatoren. Es handelt sich um die vor allem aus Bollywood - Filmen
bekannten Schauspieler Amitabh Bachchan und Shahrukh Khan. Bachchan
moderierte die Sendung zunächst von 2000 - 2002 und nochmals von 2005 2006. Ab 2007 übernahm dann Shahrukh Khan die Moderation der Sendung.
Die Höchstgewinnsumme in Indien beträgt 20 Millionen indische Rupien
(ca. 350.000 Euro).
• Paggy Spooner – der einzige, der an drei Versionen des Quiz teilnehmen
konnte: in Australien, in Irrland und in Großbritannien. In der australischen
Version hat Paggy 250,000 $ gewonnen. Um zum Teilnehmer der englischen
Version zu werden, hat er 400 Anrufe beim Call-Center gemacht. Jetzt
versucht er in die amerikanische Version einzudringen.
• In Russland werden am häufigsten die Prominenten-Specials produziert – bis
20 Sendungen mit Prominenten im Jahr. Im Vergleich werden in Deutschland
nur 2 Specials im Jahr gezeigt. In der russischen Version von WWM spielten
inzwischen
Moderatoren,
Politiker,
Sportler,
Theaterschauspieler,
Schriftsteller, Filmstars, Sänger und viele andere bekannte Persönlichkeiten.
Alle Gewinne wurden karitativen Zwecken gespendet.
44
Stern TV vom 21.02.2007
105
• Am häufigsten wechselten sich die Moderatoren in der portugiesischen
Version vom WWM –seit dem Sendungsstart gab es vier Moderatoren. Drei
Moderatoren gab es in Österreich und in Kasachstan, zwei moderierten in
Indien, Russland, Griechenland, Litauen, Slowenien, Island, Malaysia,
Norwegen, Schweiz.
• Der jüngste Hauptgewinner wohnt in Indien. Ravi Saini hat im Alter von 14
Jahren 10 Mio. Rupien (ca. 175.000 Euro) gewonnen. Dieses Geld reicht ihm
für das ganze Leben, ohne überhaupt zu arbeiten müssen.
• Die längste Bedenkzeit wurde mehrmals in Italien fixiert. Jetzt aber wird sie
mit den festen Zeiten für Werbeblocks begrenzt. Die Kandidaten, die in der
Auswahlrunde waren, es aber nicht auf den Platz in der Mitte des Studios
geschafft haben, dürfen in Italien noch 3-4 Mal versuchen. Dies erhöht ihre
Chance, um den Hauptgewinn spielen zu dürfen.
• Am meisten Frauen-Gewinnerinnen wohnen in Österreich. Heide Gondek,
Sigrid Weiß-Lutz, Christiane de Piero und Karin Huber haben zu
verschiedenen Zeitpunkten je 1 Mio. Euro gewonnen. Insgesamt gibt es in
Österreich 6 Hauptgewinner (5 haben je 1 Mio. Euro gewonnen und einer – 10
Mio. Schilling in 2001)
• In den USA habe 11 Kandidaten den Hauptgewinn erzielt und nur einer
davon war eine Frau. Ihr Name ist Nancy Christy. Nach ihr gab es noch keine
neuen Millionäre.
• Was die Höhe des Gewinnes angeht, haben die Engländer das größte Glück.
Eine Million Britische Pfund beträgt rund 1.310.700 Euro (Stand vom
29.02.2008). In Japan ist gesetzlich vorgeschrieben, dass der maximale
Gewinn in einem beliebigen Gewinnspiel nicht mehr als 2 Mio. Dollar sein
darf. Die letzte 15. Frage wird mit 10 Mio. Japanischen Yen (rund 63.564 € –
Stand vom 29.02.2008) belohnt. Den geringsten Gewinn bekommt man in
Georgien. Der Preis dort beträgt nur 20 Tausend Lari (etwa 10 000 $).
• Es gibt auch ein Land, wo die Gewinner ihre Millionen nur für den Besuch
der Attraktionen ausgeben dürfen. Dieses Land heißt Disneyland. „The Walt
106
Disney Company“ kaufte die Rechte auf „Who Wants to Be a Millionaire?“,
um die Unterhaltung der Besucher im berühmten Freizeitpark dadurch zu
erweitern. In einem Pavillon des Disney-Parks wurde eine genaue Kopie des
TV-Studios mit Computern und zahlreichen Fernsehkameras nachgebaut. Der
Gewinn wird nur in Disney-Dollar ausgezahlt – die Währung, die nur auf dem
Territorium des Märchenlandes gültig ist.
Besondere Sendungen
Prominenten-Specials
Russland ist ohne Zweifel ein Spitzenreiter in
Bezug auf Prominenten-Specials – bis zu 20
Sendungen mit Prominenten im Jahr. Im
Vergleich dazu werden in Deutschland nur
2 Specials im Jahr gezeigt. Die prominenten
Gäste werden praktisch anlässlich jeden
Feiertags ins Studio eingeladen. Oder wenn
Wladimir Schirinowski
gerade eine Promotion-Aktion für ein neues oder gerade laufendes Projekt im
Ersten Kanal (ORT) organisiert wird (wie zum Beispiel: Star Academy –
Фабрика звёзд). Da sind alle willkommen: von Schauspielern, Musikern bis
Politikern, wenn gerade eine Wahlkampanie im Anmarsch ist. Die Anlässe,
Themen und die Zusammensetzungen von Promi-Kandidaten für solche
WWM-Specials werden ruck zuck gefunden.
In einer Prominenten-Special-Sendung mit politischen Prominenten war der
Abgeordnete der Duma, der Chef der Liberal-Demokratischen Partei
Russlands (LDPR), Wladimir Wolfowitsch Schirinowski zu Gast. Vor dem
Spiel entflammte bereits eine lebhafte Diskussion über ein aktuelles
Verkehrsproblem in Russland. Schirinowski hatte sofort eine Reihe von
originellen Vorschlägen parat. Zum Beispiel: die Pferde zu benutzen, um den
Staus auf den Straßen zu entgehen. Bei den ersten beinahe Scherzfragen hat er
sehr gründlich und ausführlich seine Überlegungen dargelegt. Er zeigte
107
ordentliche Kenntnisse in verschiedenen Gebieten: Geschichte, Geographie,
Sport, Kunst. Aber bei der Frage „Wer von den Komponisten rieb die Nase
mit den Fingern in der Überzeugung, dass dies seine Stupsnase gerade
macht?“
–
S. Tanejew,
S. Rachmaninov,
N. Rimsky-Korsakov
oder
A. Skrjabin – kam Wladimir Wolfowitsch ins Schwitzen und er hat alle Joker
für die Suche nach einer richtigen Antwort gebraucht.
Familien-Special
Im November 2002 wurde eine Reihe vom Familien-Special aufgezeichnet, an
welcher Ehepaare teilgenommen haben. Während der Aufzeichnung der ersten
Folge haben Irina und Juri Chudinovskich aus Kirov den Millionen-Preis
gewonnen. Sie waren die zweiten Hauptgewinner in der Geschichte der
russischen Version von WWM.
Am 2. Januar 2002 fand zum Beispiel im Studio „WWM“ ein ungewöhnliches
Spiel statt. Neujahr (Silvester) ist in Russland ein besonderer Familienfeiertag.
Um dieser alten Tradition zu folgen und die Familie an Feiertagen nicht zu
trennen, wurden
prominente Ehepaare ins Studio eingeladen. Alle
Gewinnsummen wurden an die Eremitage in Sankt-Petersburg übergeben, als
Geschenk zum 150. Jubiläum, das das weltberühmte Museum gerade im Jahre
2002 feierte.
In dieser Sendung nahmen unter anderem der
Regisseur Vladimir Menshov und die Schauspielerin (und seine Ehegattin) Vera Alentova
teil. Als es brenzlig wurde, haben sie ihre
Tochter, auch eine bekannte Schauspielerin, als
Telefonjoker angerufen. So gewann diese
Familie 125.000 Rubel (ca. 3.400 Euro).
V. Menshov und V. Alentova
Die populäre Krimiautorin Alexandra Marinina und der Oberst MfiA
(Innenministerium) Sergei Satochny behalten noch lange in Erinnerung, dass
eine Schneeflocke nicht 8, sondern nur 6 Strahlen hat.
108
Und der bekannte Comedian Jan Arlasorov, als
er als Telefonjoker vom Comedian-Ehepaar
Evgenij Petrosjan und Elena Stepanenko um
Hilfe gebeten wurde, hat ihnen empfohlen, auf
das Spiel zu pfeifen und Neujahr feiern zu
E. Petrosjan und E. Stepanenko
gehen.
Bisherige Hauptgewinner
Bisher gab es in der russischen Show drei Millionäre.
1) Igor Saseev (21.03.2001 – 1.000.000 Rubel)
Millionenfrage: Die Richtung welcher religiösen
Philosophie zeigt die Lehre des Zen auf?
A: Daoismus
B: Hinduismus
C: Judaismus
D: Buddhismus
2) Irina und Juri Chudinovskich (18.01.2003 – 1.000.000 Rubel)
Millionenfrage: Mit welcher Figur fängt das Spiel
„Städtchen“ an?
A: Wache
B: Artillerie
C: Maschinengewehrnest
D: Kanone
3) Svetlana Jaroslavtzeva (19.02.2006 – 3.000.000 Rubel)
Millionenfrage: Wer von den aufgezählten war
Page in den Zeiten von Katharina I.?
A: G. R. Derchavin
B: N. M. Karamsin
C: A. N. Radichev
D: D. I. Fonvisin
109
III. Vergleichende Analyse der gleichnamigen QuizSendungen
Was macht das eine Fernsehformat so beliebt und warum verschwindet das
andere so sang- und klanglos? Warum feiern dieselben Formate und ihre
Vermarktung in einem Land große Erfolge und in einem anderem bleiben sie
unbeachtet?
Das Erfolgsprojekt „WWM“ läuft im 1:1 Format in 107 Ländern der Welt. Es
bedeutet aber nicht, dass es überall wirklich und absolut gleich aussieht. Jedes
Land hat eine eigene Spezifik – eigene Moderatoren, eigene Fragen und
Autoren, die diese Fragen zusammenstellen, und eigene Kandidaten, die diese
Fragen auf ihre eigene Weise beantworten.
3.1. Titel, Design, Logo
Der Titel, das Logo und das gesamte Design sind Markenzeichen jeder
Formatsendung.
Betrachten wir die Rolle und die Wirkung des gesamten gestalterischen Pakets
einer Formatsendung am Beispiel des heutigen Hits „Who Wants To Be A
Millionaire?“.
Titel
Wenn man die Syntax des Titels untersucht, fällt vor allem auf, dass es sich
um einen Fragesatz handelt. Eine Frage (sofern nicht rhetorisch) verlangt eine
Antwort. Diese Antwort soll dem Zuschauer gegeben werden, wenn er die
einzelnen Folgen der Sendung sieht. Außerdem weist der Fragesatz auf ein
klares Ziel hin, das die Kandidaten in der Sendung verfolgen: Millionär
werden!
110
Eine weitere Komponente ist die Frage nach dem Subjekt des Satzes: Unter
dem Wort ,,wer" kann sowohl der Kandidat im Studio als auch der Zuschauer
zu Hause, der sich jederzeit als Kandidat bewerben kann, gemeint werden.
Wenn wir die Übersetzungen vom Originaltitel „Who Wants To Be A
Millionaire?“ in der russischen und in der deutschen Version des Quiz
vergleichen, fällt sofort auf, dass in der deutschen Fassung das Wort „will“
fehlt.
Vergl.: Who Wants To Be A Millionaire? (Wer will Millionär werden?)
Кто хочет стать миллионером? (Wer will Millionär werden?)
Wer wird Millionär?
Wahrscheinlich ist die wörtliche Übersetzung der Frage ins Deutsch
überflüssig: Millionär zu werden „wollen“ alle. Wer aber Millionär wird, ist
unklar.
Die kasachische Version WWM heißt «Миллион кiмге буйырады?»
(rus.: Кто возьмёт миллион? – dt.: Wer nimmt die Million?), als ob der
Kandidat auf dem Weg zu dieser Million für sein Glück richtig kämpfen soll,
wie es im Osten traditionsgemäß mit Pferd und Schwert üblich war.
In Russland hatte das Format beim Start (1999) auf dem Kanal NTV einen
eigenen Titel:
„О, счастливчик!“ (O du, Glückspilz!), in dem die zu
damaliger Zeit typische ironische Ansicht des Russen auf das spielerisch
erworbene Glück (im geldlichen Äquivalent) widergespiegelt wird. Erst zwei
Jahre später (10 Jahre nach dem Zerfall der UdSSR) war die Frage „Wer will
Millionär werden?“ – sprich „ich will Millionär werden“ – in aller Munde.
Eigene Interpretationen des Titels WWM gibt es auch in Bulgarien
(dt.: Sei reich! – rus.: Стань богатым!) und in der Slowakei „Lepo je biti
millijonar“ (dt.: Wie schön ist es, Millionär zu sein! – rus.: Как прекрасно
быть миллионером!).
111
Der Titel erfüllt seinen Zweck als wichtige Komponente der Dramaturgie, ist
allerdings allein stehend nicht ausschlaggebend für den Erfolg der Sendung.
Design
Das
einheitliche
Erscheinungsbild
des
Erfolgsmodells „Who Wants To Be A Millionaire“
ist sehr gut durchgedacht und hat vor allem zwei
grundlegende Elemente: den Kreis und die Farbe
Blau.
Den Kreis sehen wir bei WWM vor allem im Logo
und in der Form des Studios.
Der Kreis hat mehrere Eigenschaften und Bedeutungen:
Er ist im Grunde genommen das wichtigste und besonders verbreitete
geometrische Symbol, das auf der äußeren Form der Sonne und des Mondes
basiert. Der Kreis mit dem Punkt in seiner Mitte symbolisiert in der
traditionellen Astronomie die Sonne, für die Alchemisten war er immer das
Zeichen des Goldes. In der Magie trägt der Kreis die Funktion einer
Schutzbarriere vor negativen Einflüssen.
Zum einen bedeutet er Bewegung, Dynamik, einen zyklischen Ablauf. Der
Kreis hat keinen Anfang und keine Ende. Aus philosophischer Sicht
symbolisiert die ständig wiederholende Kreislinie den ewigen Kreis des
Lebens. Indem der Kreis sich als eine Projektion der Sphäre erweist, bekommt
er die Eigenschaften der zeitlichen und räumlichen Unendlichkeit und
Vollendung.
Zum anderen hat jeder Kreis einen Schwerpunkt – den Mittelpunkt. Man
konzentriert sich voll auf die Mitte, die ja eine entscheidende Rolle bei WWM
spielt. Nur wer es in die Mitte schafft, hat die Chance auf eine Million. Die
Konzentration des Zuschauers soll auch in dem einen Punkt gebündelt
112
werden, da sich nur dort die eigentliche Show abspielt und nur dorthin die
gesamte dramaturgische Fäden führen. Dies wird im Trailer vor allem am
Ende deutlich gemacht, wenn die Kamera auf den Mittelpunkt des Logos
zoomt, in dem sich ein Loch befindet, durch das die Kamera fährt und dann
Moderator und Kandidaten zeigt.
Auch im Studio findet man den Kreis wieder: Das Publikum sitzt wie in einer
Arena um den Kreis in der Mitte herum, in dessen Mittelpunkt zwei Monitore
und zwei Sitzplätze jeweils für den Moderator und den Kandidaten einander
gegenüber aufgestellt sind. Alle Linien auf dem Boden führen sogar auf das
wesentliche hin. Ein Stilmittel, das auch in der Filmkunst oft angewandt wird,
um bestimmte Dinge zu betonen.
Im Nahen Osten
In Prag
In Russland
In Niederlanden
113
In Deutschland
In Indien
Das typische Format-Studio
114
Der Designer des Studios Andy Walmsley musste nur wenige Tage nach der
ersten misslungenen Sendung von „Haufen von Geld“ (Vorgänger von „Who
Wants to Be a Millionaire?“) ein vollkommen neues Studio gestalten. Obwohl
diese Variante noch 1998
entstand, wird sie bis heute in allen Ländern
eingesetzt. Anfang des neuen Jahrhunderts wurde das Design des Studios
modernisiert und leicht verändert: drei Portale, die früher nur mit einem
gelben Licht beleuchtet wurden, wechseln nun die Farbe von blau bis rosa, in
vielen Ländern verschwand aus dem Studio der Aktenkoffer mit der Million,
der lange Zeit ein Attribut der Zahlungsfähigkeit des Quiz war
(Wahrscheinlich waren die Zuschauer inzwischen davon überzeugt), der
Grundstil wurde aber beibehalten.
Logo und Vorspann
Das Logo ist einer der wichtigsten designerischen Elemente jeder Show und
spielt eine entscheidende Rolle im Erkennungswert des Fernsehformates. Das
gelungene Logo ist fähig, den Erfolg der Sendung zu erhöhen.
Im Fall von WWM ist das Logo auch in der Form eines Kreises konzipiert. An
den Rändern des oberen und des unteren Halbbogens wird der Titel der Show
doppelt platziert – „Wer wird Millionär?“ (Who Wants To Be A Millionaire? /
Кто хочет стать миллионером?). In der Mitte wird das Wort „Millionär“ –
das Hauptziel und der Höhepunkt der Show – noch einmal wiederholt und
durch die zentrierte Lage schlüssig betont. Dazu wird die Schriftart
Copperplate Gothic Bold verwendet. Sowohl die ellipsenförmigen und mit
einander geflochtenen Fäden in leichtem Lila-Violett im Hintergrund, als auch
die acht grün gefärbten $-, €-, £- oder einfachen
Fragezeichen treffen sich optisch im Zentrum des
Kreises.
Wenn aber der Titel nur aus einem Wort besteht,
sowie „Milionerzy“ in Polen, wird der Titel in der
Mitte und im Kreis oben und unten gesetzt.
Das Logo von der polnischen WWM-Version
115
Die Auswahl der Farbe für das Logo ist nicht zufällig. Die Vielfarbigkeit wird
bei der Fernsehproduktion in der Regel vermieden. Das bunte Logo prägt sich
bei den Zuschauern schwer ein und kann unnötig reizen und dadurch als
Störfaktor gesehen werden. Man darf die psychologische Wirkung auf den
Menschen nicht vergessen.
Die Farbe Blau wird als Symbol des Erhabenen und Geistigen betrachtet. Im
Unterschied zum energiegeladenen Rot beruhigt das Blau, stimmt den
Menschen zur Nachdenklichkeit ein. Unendlichkeit, Ewigkeit, Wahrheit,
Glaube, Hingabe, Reinheit, ein geistiges und intellektuelles Leben – das sind
die Assoziationen, die in vielen alten Kulturen aus einem Gedanken
entstanden sind – das Blau ist die Farbe des Himmels und ist in der ganzen
Farbpalette besonders ruhig und am wenigstens „materiell“. Dieses Argument
steht übrigens im starken Widerspruch mit dem eigentlichen Ziel der Show –
materielle Werte durch das Spiel zu erlangen.
Die Farben im Logo von WWM haben eine ähnliche Funktion wie die Form
des Kreises.
Nach den Lehren der Farbpsychologie drückt also das dominierende Blau
Ernst aus und bewirkt Vertiefung. Genauso wie beim Kreis wird hier die
Konzentration gebündelt. Noch zwei weitere Farben fallen im Logo auf: Grün
und Violett. Grün drückt laut Heimendahl 45 Bewahrung aus – Violett
hingegen Verzicht. Das Grün steht dann für die Bewahrung der Chance auf
die Million, das Violett für den Verzicht, z.B. durch frühzeitigen Jokereinsatz
oder Ausstieg aus dem Spiel.
Niemals soll das Logo inhaltlich überlastet werden. Nur die Eleganz und die
Bündigkeit machen das Logo erkennungsleicht und unikal. Bei der Gestaltung
eines Logo für ein Fernsehformat, das wie WWM die internationale und
multikulturelle Szene betreten hat, muss man besonders vorsichtig und
45
Heimendahl, Eckart: ,,Licht und Farbe. Ordnung und Funktion der Farbenwelt" Berlin 1961
116
aufmerksam herangehen. Im Fall des WWM wurde das Logo in vielen
Ländern leicht verändert und an die entsprechende Währung angepasst. (Siehe
Logo-Tabelle)
Kurz gefasst ist das einheitliche Design eines TV-Formats für den Zuschauer
eine Hilfe, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, was ihn das
dramatische Geschehnis intensiver erleben lässt und somit in eine vom Alltag
abweichende Welt entführt. Da dies von dem durchschnittlichen Zuschauer als
positiv empfunden wird, schaltet er auch das nächste Mal wieder ein.
Der erste Vorspann für die Quiz-Show “Who
Wants to Be a Millionaire?” wurde von der
Firma
“JumpDesign”
(Großbritannien)
ausgearbeitet. Gerade dieser Vorspann wurde
im Laufe von mehreren Jahren praktisch in
allen Ländern benutzt, wo dieses Format lief
(und noch läuft). In diesem Vorspann sehen wir die Menschen, auf welche
verschiedenfarbige Lichtstrahlen fallen. Alle diese Menschen sind mit einem
Ziel vereint – Streben nach Wissen. Später wurde dieser Vorspann in einigen
Ländern geändert, die Idee blieb aber dieselbe.
Im Jahre 2005 haben fast alle Länder, wo die Quiz-Show gesendet wird, den
Vorspann und das Logo des Spiels modifiziert. Jetzt sieht man im Vorspann
keine Menschen, sondern es werden verschiedene Elemente des Logo
verwendet, die letztendlich ein ganzes Logo bilden. Die Farbpalette wurde
auch erneuert. Jetzt sind auch goldfarbige und silberfarbige Elemente zu
sehen.
Die Software für den gesamten Programmablauf – Auswahlrunde, Auswahl
der Fragen aus der Datenbank, Licht- und Musikbegleitung während der
Show, Bearbeitung des Zuschauer-Votings usw. – wurde von der englische
Firma „Cat & Mouse“ entwickelt.
117
Das Logo von „WHO WANTS TO BE A MILLIONAIRE?“
international
«WHO WANTS TO BE A MILLIONAIRE?»
(Großbritannien)
Start: 4. September 1998
Moderator: Chris Tarrent
Hauptgewinn: £1,000,000
Zahl der Hauptgewinner: 5
Sender: ITV1
Status: wird ausgestrahlt
«WHO WANTS TO BE A MILLIONAIRE?»
(Australien und Neuseeland)
Start: 18. April 1999
Moderator: Eddie McGuire
Hauptgewinn: $1,000,000
Zahl der Hauptgewinner: 2
Sender: Nine Networks
Status: eingestellt
«WHO WANTS TO BE A MILLIONAIRE?»
(USA)
Start: 16. August 1999
Moderator: Meredith Vieira
Hauptgewinn: $1,000,000
Zahl der Hauptgewinner: 11
Sender: ABC
Status: wird ausgestrahlt
«CHI VUOL ESSERE MILIONARIO?»
(Italien)
Start: 22 мая 2000
Moderator: Gerry Scotti
Hauptgewinn: €1,000,000
Zahl der Hauptgewinner: 2
Sender: Canale 5
Status: wird ausgestrahlt
«HALUATKO MILJONÄÄRIKSI?»
(Finnland)
Start: 1999
Moderator: Ville Klinga
Hauptgewinn: €1,000,000
Zahl der Hauptgewinner: 0
Sender: MTV3
Status: wird ausgestrahlt
118
«WER WIRD MILLIONÄR?»
(Deutschland)
Start: 3. September 1999
Moderator: Günther Jauch
Hauptgewinn: €1,000,000
Zahl der Hauptgewinner: 7
Sender: RTL Television
Status: wird ausgestrahlt
«КТО ХОЧЕТ СТАТЬ МИЛЛИОНЕРОМ?»
(Russland)
Start: 1999 - NTV; seit dem 19. Februar 2001 - ORT
Moderator: Maxim Galkin
Hauptgewinn: 3 Millionen Rubel (etwa 100.000 €)
Zahl der Hauptgewinner: 3
Sender: ORT
Status: wird ausgestrahlt
«KAUN BANEGA CROREPATI?»
(Indien)
Start: 2000
Moderator: Shah Rukh Khan
Hauptgewinn: Rs. 20,000,000 (Rupien)
Maximaler Gewinn: Rs. 10,000,000
Zahl der Hauptgewinner: 3
Sender: Star Plus
Status: wird ausgestrahlt
«MAN SA YARBAH 2 MALYOON?»
(Naher Osten)
Start: 2000
Moderator: George Kurdahi
Hauptgewinn: SR 2,000,000
Maximaler Gewinn: SR 2,000,000
Zahl der Hauptgewinner: 1
Sender: MBC 1
Status: wird ausgestrahlt
«QUIÉN QUIERE SER MILLONARIO?»
(Spanien)
Start: 1999
Moderator: Carlos Sobera
Hauptgewinn: € 1,000,000
Maximaler Gewinn: 50,000,000 Pst
Zahl der Hauptgewinner: 1
Sender: Antena 3
Status: wird ausgestrahlt
119
«LOTTO WEEKEND MILJONAIRS»
(Niederlande)
Start: 2002 (1998-2001 Weekend Miljonairs)
Moderator: Robert ten Brink
Hauptgewinn: € 1,000,000
Maximaler Gewinn: € 1,000,000
Zahl der Hauptgewinner: 1 (Weekend Miljonairs)
Sender: RTL 4 (früher SBS6)
Status: wird ausgestrahlt
Quelle: www.khsm.ru/index.files/foreign.htm
Seit dem Sendestart in Deutschland wurde das Quiz-Logo zwei Mal geändert.
Zuerst war es orangefarbig mit schwarzen Elementen. Dieses Logo wurde
lange Zeit in Ungarn verwendet. Später wurde es durch das bereits gewohnte
Logo ersetzt. Für die "Wer wird Millionär"-Spezial-Shows wird in
Deutschland ein leicht verändertes Logo
benutzt. Da wird das Wort hinzufügt, das auf
das Thema der Sendung hinweist. Ähnliches
passiert auch in der australischen Version.
Die Grafik in der deutschen Show wurde
übrigens drei Mal erneuert.
Grafik
Die grafischen Grundelemente, die in der „Millionär“-Show benutzt werden,
sind folgende:
1) die Form mit einer Frage und vier Antwort-Varianten,
2) die Form mit der Summe des Gewinnes,
3) der so genannte „Geldbaum“,
4) der Timer,
5) die Tabelle mit Zuschauervoting,
6) die Darstellungen von Jokern.
120
Für die Frage und die Antworten wird die Schrift Arial verwendet, für die
Buchstaben A, B, C, D benutzt man in der Frage Copperplate Gothic Bold.
Bis vor kurzem wurde in der russischen Version für die Darstellung der Zeit
auf dem Timer Copperplate Gothic Bold verwendet, jetzt Arial Narrow.
Die Frage-Antworten-Form in Deutschland
Praktisch in allen Ländern, wo das WWM-Quiz gesendet wird, hat die FrageAntworten-Form einen schwarzen Hintergrund und einen dünnen Rahmen des
helleren Tons (blau an den Seiten und zur Mitte weiß). In einigen Ländern
benutzt man aber eine eigene grafische Gestaltung. Zum Beispiel: in
Deutschland hat die Frage-Antworten-Form eine verlaufende lila-blaue
Farbfüllung, die Buchstaben A, B, C, D sind schwarz und die Gewinn-Form
ist animiert.
Frage-Antworten-Form in Russland
Die Name-Form in den USA
121
Was die Gewinn-Form betrifft, gibt es in verschiedenen Ländern einige
Unterschiede: in Italien hat sie keine verlaufende Farbfüllung, in den USA,
Spanien, Aserbaidschan und einigen anderen Ländern ist die Gewinn-Form
etwas kürzer in der Länge, so, das die mehrzähligen Summen gerade in die
Formrahmen gehen.
Die Gewinn-Form in Deutschland
Die Gewinn-Formen in Russland
„Geldbaum“ in Russland
„Geldbaum“ in Deutschland
122
Publikumsjoker
Timer in Russland
Timer in Italien
Auswahlrunde für Kandidaten
123
Die Richtige Fragenfolge bei der Auswahlrunde
Die Namensliste der richtig geantworteten Kandidaten
Joker „Drei Weisen“ (Russland)
124
Joker „50x50“
Millionär-Gewinner
Musik
Die musikalische Kulisse für die Quiz-Schow wurde von den englischen
Musikern Matthew and Keith Strachan komponiert, ClubMix und RadioMix
wurden von Nick Magnus Rod Edwards aufgezeichnet. Es gibt insgesamt 105
musikalische Themen (in der russischen Version werden nur 74 benutzt).46
Die Musik verleiht eine leichte (am Anfang des Spiels) und eine dramatische
(mit den letzten Fragen) Atmosphäre. Diese Musik, so die zahlreichen Fans
der Sendung, passt sehr gut zu diesem TV-Format. Seit dem ersten Sendetag
der Show bleibt die Musik des Formats in allen Ländern unverändert.
Übrigens, die Musik von Matthew and Keith Strachan wird nicht nur in der
„Millionär“-Show benutzt, sondern auch in anderen populären TV-Formaten.
46
http://khsm.ru/index.files/firmstyle.htm
125
3.2. Moderatorenleistung
Geleitet wird die Sendung typischerweise von einem Quizmaster – mit
moderneren Worten Moderator. Während heutzutage der Moderator in der
Regel allein auf der Bühne auftritt, gehörte in früheren Zeiten der Assistent
oder die Assistentin zum Standardpersonal der meisten Quizsendungen.
Manche Assistenten und Assistentinnen sind fast so berühmt geworden, wie
die Quizmaster. Man denke nur an Martin Jente (als „Butler“ in Einer wird
gewinnen), Walter Spahrbier (Der große Preis) oder Maren Gilzer
(Glücksrad).
Manche Sendungen hatten darüber hinaus auch eine Jury oder einen
"Juristen", der über die Einhaltung der Regeln wachte und in Zweifelsfällen zu
entscheiden hatte. Bekanntes Beispiel: „Der große Preis“.
Das beliebige Spiel (und desto mehr eine Game-Show) ist ein komplizierter
Mechanismus. Aber nicht von der technischen Seite, sondern weil es nach
einer strikt klaren Koordination und nach einem ununterbrochenen Rhythmus
verlangt. Dies soll aber unbemerkt bleiben. Tonsignale, Lichtwechsel,
Tausende kleinste Details passieren sanft, exakt, blitzschnell. Jeder Techniker
und Assistent hat seinen Platz. Und nur eine Person – der Moderator – hat die
reale Möglichkeit, jede Zone der Handlung zu betreten. Er ist ständig im
Kontakt mit Spielenden, beobachtet und koordiniert alle Kettenglieder dieses
Mechanismus. Das ist seine Aufgabe.
Der Moderator muss sofort nach Lage der Dinge alle Pannen in den Griff
kriegen, einige unabsehbare Situationen frühzeitig spüren und ihnen
unauffällig oder mit Humor ausweichen. Er ist im Epizentrum des Geschehens
und verwaltet es. Er arbeitet nicht mit professionellen Darstellern, sondern
mit normalen Menschen, er muss auf jeden Fehler vorbereitet sein, er muss
die Spannung halten und das Spiel/Show zu Ende bringen. Er hat keine
Chance auf eine Wiederholung.
126
Der Moderator spielt zwei Rollen, hat zwei Gesichter. Einerseits ist er eisern
und hart mit seinen Mitarbeitern – mit seinem Team, andererseits ist er
gutmütig mit den Spielern und dem Publikum im Studio. Gerade die Spieler
sind die Hauptakteure im Moment des Spiels. Auf sie wird die ganze
Aufmerksamkeit gerichtet, nicht auf die Produzenten, Direktoren und anderes
Personal. Unbemerkbar verwaltet er die technischen oder organisatorischen
Probleme, lässt sie nicht das Spiel stören und verschafft nach einem schon
längst eingespielten Schema das reibungslose Entertainment. Der Moderator
ist der Hauptwächter der Show.
Außer den professionellen Fähigkeiten eines Moderators, den hervorragenden
Kenntnissen im Bereich Regie und Dramaturgie muss er ein hohes Niveau an
Allgemeinwissen, eine gewisse Charisma und ein nicht standardisiertes
Denken haben. Der gute Moderator ist nicht nur ein guter Beobachter, sondern
auch ein Provokateur im guten Sinne des Wortes.
Wenn sich der Befragte für eine Antwort entschieden hat, kitzelt der
Moderator in seinem Quiz auch die Auflösung bis aufs Letzte heraus und
erhöht damit die Spannung um ein Vielfaches. Nicht umsonst werden die
Werbepausen in diese Momente gelegt.
Etablierte Sendungen wie Wer wird Millionär? zeichnen sich nicht nur durch
das Konzept der Sendung aus, sondern auch sehr stark durch ihre
Moderatoren. Menschen, die für diese Programme und somit den Sender
stehen.
Die Aufgabe des Moderators in WWM ist bei allen internationalen Versionen
gleich und alle Kandidaten wurden nach bestimmten Kriterien ausgesucht.
Vor allem sind alle Moderatoren grundsätzlich Männer, die einem
vorgeschriebenen Typ entsprechen: intellektuell, konservativ – sowohl in
Mimik und Gestik, als auch in der Bekleidung. Anzug, Krawatte, guter
Haarschnitt und Manieren sind ein Muss, in Maßen aber gleichzeitig
ehrgeizig, egoistisch und hochnäsig – alles in einem, alles nach dem guten und
127
festen englischen Muster. Die anspruchsvolle Rolle des Londoner Dandys
erfüllt Maxim Galkin in der russischen Version virtuos. Sein deutscher
Kollege Günther Jauch führt seinen Job genauso perfekt aus.
Der
Moderator
von
WWM
in
Deutschland ist Günther Jauch. Er
wurde 1956 in Münster geboren, hat
Politik und Neuere Geschichte studiert
und
eine
karriere
Günther Jauch
vorbildliche
gemacht.
Journalisten-
Günter
Jauch
präsentiert das Konzept perfekt, seine
Verunsicherungsversuche sind immer wieder unterhaltsam. Er versteht es, die
schwierige Lage, in der sich die Kandidaten befinden, um ein weiteres
spannender zu machen. ,,Ich arbeite nach dem Prinzip der permanenten
Verunsicherung", sagt Jauch47 und bringt es damit auf den Punkt. Inzwischen
hat es sich zwar herumgesprochen, dass er, wenn er die Frage stellt, die
Antwort noch nicht auf seinem Monitor hat. Dennoch suchen die Kandidaten
und die Zuschauer am Bildschirm immer wieder bei ihm nach Hilfe. Z.B.
versuchen sie, aus seiner immer wieder anderen Mimik und Gestik
Rückschlüsse auf die richtige Antwort zu ziehen, und üben sich somit in
Menschenkenntnis. Neben der Spannung am Spiel selbst sind es seine
Gespräche mit Kandidaten, Begleitern und Telefonjokern, die zum Erfolg der
Sendung in Deutschland beitragen. Heute ist er laut Umfragen der beliebteste
Moderator in Deutschland und wird vielfach als Quelle des Erfolges der
Sendung gesehen. Doch das muss ein wenig relativiert werden. Die Sendung
ist schließlich in vielen Ländern auch ohne ihn erfolgreich und in jedem
anderen Land steht der eigene Moderator an der Spitze der eigenen
Popularität. Manchmal verliert die Show nur durch langweilige Kandidaten an
Dynamik. Aber das ist überall so.
47
Christoph Schwab, Wirkungsanalyse der Sendung "Wer wird Millionär?" - Warum die Sendung so
erfolgreich ist ([email protected])
128
Der
Moderator
von
WWM
in
Russland – Maxim Galkin – ist 1976
in Moskau geboren, hat Linguistik an
der
Staatlichen
Humanitären
Universität in Moskau studiert und
arbeitet derzeit an der Dissertation im
Maxim Galkin
Bereich
Vergleichende
Sprach-
wissenschaft. Noch in den mittleren
Klassen der Schule begann er, Parodien auf prominente Leute zu machen.
1994 debütierte er auf der professionellen Bühne mit Parodien auf Jelzin,
Putin, Jirinowski. Seit 2001 ist er der Moderator der populären Quiz-Sendung
WWM im Ersten Kanal. Seitdem tritt Galkin neben den WWMAufzeichnungen mit eigenen Solo-Kabarett-Shows auf. „Als ich als
Moderator in die WWM-Show eingeladen wurde, - so Galkin - dachte ich,
dass für mich als Kabarettisten von Vorteil wäre, im Fernsehen öfter gesehen
zu werden. Je besser mich das Publikum kennen wird, desto mehr Menschen
kommen zu meinen Shows. Am Anfang fiel mir die neue Aufgabe schwer. Je
länger ich aber die Sendung moderiere, desto interessanter finde ich sie… Es
ist bemerkenswert, dass die Menschen im Westen, die als Kandidaten zu
WWM kommen, nur auf den Hauptgewinn setzen. Unsere Kandidaten
interessiert das Geld nicht. Sie reizt der Spielprozess selbst“.48
Nach den Ergebnissen ist der Moderator von "Who Wants to be a
Millionaire?" Regis Philbin der beste Moderator in der amerikanischen
Geschichte des Quiz-Formates. Er hat dem Sender ABC unzählige Millionen
Gewinne eingebracht. Richtig bekannt aber wurde er nach der Rolle in dem
Film von Woody Allen Everything You Always Wanted to Know About Sex,
But Were Afraid to Ask, wo er eine Karikatur eines Moderators darstellt.
Durch die Popularität des Spiels werden einige Moderatoren genauso beliebt.
Im Madame Tussaud´s Wachsfigurenkabinett in London findet man eine
48
Interview mit Maxim Galkin in "Факты и комментарии" (Fakten und Kommentare) vom
3. August 2001
129
Wachsfigur von Chris Tarrant, dem berühmten britischen Moderator von
WWM. In Großbritannien sehen 10 bis 11 Mio. Zuschauer die Sendung
WWM. Ihre Ratings sind die höchsten. Nach Meinung von Chris Tarrant:
Wenn WWM einmal in der Woche samstags gesendet wird, ist die Sendung
für die nächsten 100 Jahre gesichert.49
Der Erfolg einer Sendung hängt in vieler Hinsicht vom Moderator ab. Die
ganze Sendung ist von seiner Persönlichkeit, seinem Charakter geprägt, auch
wenn er Off-Screen arbeitet.
Der Moderator von „Что? Где? Когда“ (Was? Wo?
Wann?) Vladimir Voroshilov, zum Beispiel, wurde
von
einer
zentralen
Zeitung
„Inkognito
aus
Ostankino“50 genannt. Im Unterschied zu den anderen
Kollegen-Moderatoren ist er auf dem Bildschirm
nicht zu sehen. In Live-Übertragungen seines
Vladimir Voroshilov
intellektuellen Spiels ist nur seine Stimme immer
präsent.
Dies
verschafft
einen
unikalen
Anziehungseffekt für die Zuschauer und ein wachsendes Interesse an der
Person des versteckten Moderators und an dem Szenario (er selbst nannte es
Doku-Spektakel), das er live leitet und mit erstaunlicher Leichtigkeit
manipuliert. Das Interesse an Wissen, der Geschmack von inhaltsreicher
Kommunikation, der Wunsch, seine Kräfte im intellektuellen Kampf zu testen
– das alles inspiriert die Menschen, besonders die jungen, zum Spiel WWW,
das von Voroshilov erfunden und ständig weiter entwickelt wurde.
Von 29. März 1969 bis 6. November 1977 moderierte Ernst Stankovski die in
den 70ern beliebte Quiz-Sendung "Erkennen Sie die Melodie" im ZDF und
einmal im Monat fragte er seine Quizkandidaten "Erkennen Sie die
Melodie?". Die zu erratenden Musiktitel entstammten der Oper, der Operette
und dem Musical. Falsche Dekorationen und Kostüme sollten die Kandidaten
49
http://www.utro.ru/articles/200104131530309325.shtml ("Кто хочет стать миллионером?" –
Джек-Пот более $2 Млн., 13.04.2001)
50
Fernsehanstalt in Moskau
130
verwirren. Außerdem stellte das "Ratekarussell" mit seinem verzwickten
Motiv-Potpourri die Beteiligten vor Probleme. Eine Vielzahl bekannter
Künstler von Oper, Operette und der leichten Muse traten als Gäste in der
Sendung auf. 1980 wurde die Sendung wieder aufgelegt, diesmal mit Johanna
von Koczian, nach einem Jahr übernahm Günther Schramm. Doch am
erfolgreichsten war sie mit Ernst Stankovski.
Ernst Stankovski suchte man wohl hauptsächlich wegen seines Charmes und
seiner wienerischen Eleganz für dieses Quiz aus. Er selbst - übrigens gelernter
Friseur - war jedoch zu Recht der Meinung, dass er mehr könne und sah sich
nicht als geborener Quizmaster, sondern als Schauspieler, Sänger und
Kabarettist.51 Und als solcher war er ebenfalls sehr erfolgreich. Er spielte
einige Instrumente und konnte sehr gut steppen.
"ERKENNEN SIE DIE MELODIE?" (Угадай мелодию!)
Ernst Stankovski (Deutschland)
V
a
Valdis Pelsh (Russland)
51
http://www.tv-nostalgie.de/Sound/Erkennensiediemelodie.htm
131
Die russische Version mit dem Namen „Угадай мелодию“ (dt.: Rate die
Melodie) lief gut und war sehr erfolgreich 5,5 Jahre und wurde dann
unerwartet für meisten Zuschauer ein für allemal eingestellt. Der Moderator
Valdis Pelsh erklärte in einem Interview für die russische Tageszeitung
„Iswestija“ (Nachrichten) das plötzliches Ende des populären Prime-TimeQuotenführers folgendermaßen: „Es entstand ein Gefühl der Müdigkeit von
der Sendung sowohl bei der Produktionsfirma, als auch beim Sender-Kanal.
Es schien, dass sie auch den Zuschauern zu den Ohren herauskam. Obwohl
mich lässt in der letzten Zeit der Gedanke nicht los, dass wir das zu unrecht
gemacht hatten. Aber man will immer etwas Besseres und Größeres. „Rate die
Melodie“ hörte jedoch auf, sich weiterzuentwickeln. Daran lag das
Problem.“52
Bei den Format-Shows kann es auch sein, dass die Moderatoren formatbedingt
und quotengerecht eine andere Art der Präsentation der Sendung zeigen.
Der Umgangston der "Quiz-Domina" aus „Weakest Link“ (Der Schwächste
fliegt) schockiert nicht nur die Spieler im Studio. Der harte Konkurrenzkampf,
die kalte und gefühlslose Art der Moderation lassen keinen gleichgültig. Die
eingeübten abrupten Phrasen, die eingedrillten Bewegungen, eine eingefrorene
Mimik und beinahe uniformierte Bekleidung sind das Kennzeichen dieses
importierten Fernsehformates.
Jede richtig beantwortete Frage wird von der Moderatorin mit einem harschen
„Korrrrrrrekt“ erwidert. Bevor der Schwächste gewählt wird, folgen nochmals
markige Sprüche à la „Da wollen wir doch mal sehen, wer unsere kostbare
Studioluft lang genug weggeatmet hat„ oder „In wessen Kopf steckt weniger
Hirn als in einer Dose Chappi“ seitens der Moderatorin. Nach dem der
Rausgewählte feststand, folgte der obligatorische Spruch „(Name des
Kandidaten), du bist der Schwächste, du fliegst und tschüss“.
52
http://www.izvestia.ru, Artikel von Anna Kovaljowa vom 25.05.02 "После провала будем больше
шутить": "Возникло ощущение усталости от программы и у производителя, и у каналавещателя. Казалось, что и зрителям она надоела, хотя последнее время меня все чаще
преследует мысль, что, может быть, зря мы это сделали. Но всегда хочется чего-то лучшего и
большего, а "Угадай мелодию" перестала развиваться. Может, в этом вся проблема“.
132
Die Originalsendung Weakest Link läuft 2007 immer noch auf BBC. In
Deutschland und Russland fand dieses Quiz kein großes Interesse.
Weakest Link müsste in deutscher Version
eigentlich mit Das schwächste Glied (der
Kette) übersetzt werden. (In der russischen
Version hat der Titel die direkte Übersetzung –
Слабое
звено.)
Mit
diesem
Titel
wird
verdeutlicht, dass die einzelnen Teilnehmer
jeweils wie die Glieder einer Kette funktionieren, die nur so stark ist wie ihr
schwächstes Glied, weshalb die Teams sich von eben diesem „schwächsten
Glied“ trennen müssen. Diese Team-Auffassung steht im Kontrast zu
modernen Auffassungen von Team-Geist - wo den Schwachen geholfen wird und soll für die notwendigen menschlichen Spannungen unter den Mitstreitern
sorgen.
Vermutlich wegen der nahe liegenden und unangemessen albernen sexuellen
Interpretierbarkeit der deutschen Übersetzung Das schwächste Glied wurde
die Show aber Der Schwächste fliegt! genannt, was ebenfalls das Spielprinzip
treffend
und
knapp
umschreibt,
allerdings
in
einer
saloppen
Alternativformulierung des Grundprinzips der Darwinschen Auslese (Der
Stärkste überlebt).
Der Moderator als schwaches Glied in einer TV-Show-Kette ist eine seltene
Erscheinung. Er kann besser oder schlechter werden, in sein Training aber
wird viel investiert, mehr als für die Vorbereitung der Fragen. Der Moderator
muss nicht besonders intellektuell sein und alle Fragen und Antworten wissen.
Aber manchmal kann das Schicksal ihm einen bösen Streich spielen – er
bekommt eine falsche Antwort auf die gestellte Frage von der Redaktion. Der
Moderator verkündet ein strenges Urteil: „Falsch!“ Der Spieler und die
Zuschauer sind zuerst erstaunt und dann empört über die intellektuellen
Fähigkeiten des Moderators.
133
„DER SCHWÄCHSTE FLIEGT“ (Weakest Link / Слабое звено)
Anne Robinson (UK-Version)
Sonja Zietlow
(deutsche Version)
Maria Kisseleva
(russische Version)
Im Studio (Russland)
134
Noch schlimmer ist, wenn es mehrere richtige Antworten gibt und der
Moderator nur eine Antwort weiß. So eine peinliche Situation war im letzten
Spiel der russischen Version „Der schwächste fliegt“ (Weakest Link) zu
sehen. Auf die Frage „Wer hat die 12 berühmten Heldentaten vollbracht? “
antwortete der Spieler: „Herkules“ und war ziemlich erstaunt, als die
Moderatorin erwiderte: „Falsch! Die richtige Antwort ist Herakles“. Die
Moderatorin muss nicht wissen, dass Herakles und Herkules die
verschiedenen Schreibweisen von ein und demselben Namen sind. In der
Achtung der Zuschauer ist die Sendung sofort gesunken.
Wenn wir die untersuchten Quiz- und Game-Shows betrachten, ist die Figur
des Moderators ein untrennbarer Teil aller Fernsehformate. So kommt man zu
der berechtigten Frage: Kann man in einem TV-Spiel überhaupt auf den
Moderator verzichten? In Schach, Hockey und in vielen anderen Sportarten
zum Beispiel gibt es Trainer, Richter, Assistenten, aber keinen Moderator. Im
Fernsehgeschäft hängt die Qualität des Spiels im Wesentlichen von der Rolle
des Moderators ab.
135
Die wichtigste Aufgabe eines Quiz-Meisters ist, die Fragen neutral und
objektiv anzukündigen. Das Vorlesen der Frage ist eine Einladung zum Spiel,
zu einem Kampf, Duell. Die Auswahl der „Waffen“ (wie er die Frage stellt)
liegt auch bei dem neutralen Profi-Quizmaster. Bei der Ankündigung der
Frage übermittelt er den Spielern nicht nur seine eigene Sicht der Frage. Er
kann durch die Intonation oder Mimik manchmal den Spieler auf eine falsche
Fährte führen. Allgemein kann die Funktion des Moderators mit dem Öffnen
des Deckels auf einem Topf vergleichen, der eine heiße und köstliche Suppe
enthält. Das feine und verführerische Aroma dieser Gourmetsuppe – die
Pointe der Frage – verteilt und dosiert der Moderator.
Es gibt Moderatoren, bei denen (formatbezogen) der Mund nie still steht. So
moderierte Valdis Pelsh „Угадай мелодию!“ (Rate die Melodie!). Er machte
Ansagen, erklärte die Spielregeln, kontrollierte alle Geschehnisse und
ermunterte die Teilnehmer, unterhielt sich mit den Zuschauern, scherzte,
flirtete, manchmal spielte und sang er mit und vergab anschließend die
Punkte. Desto größer war der Kontrast zu seiner späteren neuen
Moderatorenleistung in der Quiz-Show „Russisch Roulette“ (Originalformat
kommt aus den USA - von Columbia Tristar International Television), wo er
die Rolle eines strengen, wortkargen und seriösen Quiz-Meister übernahm.
Die Moderatoren sind Menschen mit vielen Gesichtern – Conferencier
(Ansager), Entertainer, Richter, Journalist, Reporter, Regisseur – alles in
einem, ein Multitalent. Mit so einem Moderator kann es sehr lustig und
amüsant werden. Wenn wir aus solchem Spiel den Moderatoren wegnehmen,
wird alles sofort aus der Reihe tanzen. Je weniger aber das Spiel von einem
Moderator abhängt, desto hochwertiger und professioneller ist es.
136
„РУССКАЯ РУЛЕТКА” (Russisch Roulette)
Russisch Roulette
Valdis Pelsh (Moderator)
Im Studio
„Das wichtigste für einen Moderator, was ihm das Recht auf seine Präsenz auf
der Bühne gibt, ist eine bedingungslos Liebe, eine Begeisterung für den
eigentlichen Prozess des Spiels. Wenn Sie richtig an den Geschehnissen
interessiert sind, wenn es für Sie im gegebenen Moment nichts Wichtigeres im
Leben gibt, seien Sie sicher – Sie dürfen dieses Spiel moderieren. Dann
erkennen, erspüren Sie mit dem ganzen Herzen seine Großartigkeit und
unbestrittene Priorität. Dann verstehen Sie die ganze Umgebung den
Interessen des Spiels dienstbar zu machen. Dagegen alles, was das Spiel, seine
Prestige, sein Autorität stört, lernen Sie schnell sofort und gnadenlos
wegzulassen,“ – daran sieht der Moderator des russischen Game-Show „Was,
wo, wann?“ Voroshilov das Credo eines Moderators.53
53
„Феномен игры“ В.Ворошилов („Phänomen des Spiels“ V.Voroshilov): „Главное, что дает
ведущему право быть на сцене, - безусловно, это любовь, увлеченность самим процессом игры.
Если вы по-настоящему заинтересованы происходящим, если в данный момент нет для вас
более важного дела в жизни, не беспокойтесь, вы можете вести эту игру. И тогда вы признаете,
137
Also, durch die persönlich eingebrachte Leistung und die vom Publikum
entgegengebrachte große Sympathie ist jeder Moderator sicherlich ein
wichtiges Glied im Erfolg der Sendung – allerdings nicht das einzige!
DIE MODERATOREN VON „WHO WANTS TO BE A MILLIONAIRE?“
Chris Tarrant (Großbritannien)
Der populärste englische Fernseh- und
Radiomoderator. Seit 1998 moderiert er die
Quiz-Show „Who Wants to Be a
Millionaire?“ in ITV1. Er ist so beliebt,
dass seine Wachsfigur im Madame
Tussaud´s Wachsfiguren Museum
in
Frankreich ausgestellt wurde.
Jean-Pierre Foucault (Frankreich)
Der bekannte französische Fernseh- und
Radiomoderator.
Seit
1982
im
Fernsehgeschäft (begann bei RMC). Der
erste Erfolg kam 1982 mit dem
Fernsehprojekt «l'Académie des neuf». Seit
1987 arbeitet er an TF1, wo «Qui veut
gagner des millions?» seit 2000
ausgestrahlt wird. Gegenwärtig moderiert
er auch «Balavoine, 20 ans déjà», «Je suis
une célébrité sortez moi de là», «Le
meilleur des célébrités».
Shah Rukh Khan (Indien)
Indiens Bollywood-Superstar, seit 2006
übernimmt er die Moderation der Quizshow
Kaun Banega Crorepati - der indischen
Ausgabe von "Wer wird Millionär" - und
wagt sich damit auf ein völlig neues
Terrain.
Gerry Scotti (Italien)
Einer der populärsten Moderatoren des
italienischen Canale 5. Er begann 1982 als
DJ im «Radio Deejay». Gegenwärtig
moderiert er «Passaparola», «La Corrida»,
«Striscia lanotizia» u. a. Dank seiner
originellen Moderationsart
ist er der
почувствуете всем сердцем ее величие, ее
бесспорный
приоритет.
И
тогда
вы
подчините
все
Liebling Italiens. Übrigens, er ist der
окружающее вас только интересам игры. А все, что будет мешать игре, ее престижу,
einzige,
derТаково,
zu der
авторитету, вы научитесь тут же безжалостно
отметать.
на мой„Millionär“-Musik
взгляд, кредо любого
ведущего.“
tanzen konnte.
138
Günter Jauch (Deutschland)
Der Moderator vom Sendestart der
Quizshow „Wer wird Millionär?“ in
Deutschland.
Einer
der
beliebtesten
Fernsehshowmaster
in
Deutschland,
Fernsehjournalist und Fernsehproduzent.
Außerdem moderiert Günther Jauch
folgende
Sendungen:
„Stern TV“
(Talkshow), „Menschen, Bilder, Emotionen“
(jährliche
Show
über
bedeutendste
Highlights des vergangenen Jahres), „Die 5
Millionen SKL Show“, „Der Große IQDmitri Dibrov (Russland)
Journalist, Fernsehmoderator und Musiker,
von 1999 bis 2001 moderierte er die erste
Version „WWM“ («О, Счастливчик!») im
НТВ (NTV). Diese WWM-Show wurde als
beste Gameshow-2001 ausgezeichnet und
hat den TEFI-Preis (den höchsten Preis der
russischen nationalen Fernsehakademie)
bekommen.
Maxim Galkin (Russland)
Der gegenwärtige Moderator von der
Quizshow „ WWM“ («Кто хочет стать
миллионером?»), die vom 19. Februar 2001
bis heute im ОРТ (ORT) ausgestrahlt wird.
Der bekannte Parodist (Parodien auf
Politiker, Künstler, Popsänger und TVModeratoren), spricht fließend Englisch,
Französisch, Deutsch, moderiert mehrere
TV-Musik-Shows und Galakonzerte.
Carlos Sobera (Spanien)
Rechtsanwalt, arbeitet aber seit 1997 im
Fernsehen. 1982 spielte er zum ersten Mal
im Film «Quítate tú 'pa' ponerme yo». Er ist
einer der Gründer vom Theater «La
espuela» und der Mitarbeiter vom «Aula de
Teatro de la Universidad del País Vasco».
2000 wurde er Moderator der Gameshow
«50 por 15» im Fernsehkanal Telecinco
(später «Quién quiere ser millonario?» im
Fernsehkanal Antena 3).
139
Regis Philbin (USA)
Regis ist im TV-Geschäft seit den 50ern.
Mehrmals wurde er für einen „Emmy“ (der
bedeutendste Fernsehpreis der USA)
nominiert als bester Moderator von GameShows, Talkshows und als Sänger. Sein
Name steht im Guinness-Buch der Rekorde
als Mensch, der am häufigsten vor der
Kamera steht. Von 1999 bis 2003
moderierte er die WWM-Show und
„SuperMillionaire“ bei ABC.
3.3. Die Fragen und die Antworten
Alle Quiz-Sendungen sind nach dem gleichen „Frage-Antwort“-Prinzip
aufgebaut.
Die Formatsendungen, so wie bei „WWM“, sind strukturell und äußerlich in
allen Ländern identisch. Für die inhaltlichen Unterschiede sorgen die vorher
von einem jeweiligen speziellen Profi-Team sorgfältig vorbereiteten, aber
vom
Computer
zufällig
ausgewählten
Fragen
und
bestimmte
Ankündigungstechniken, die die gecasteten Moderatoren schnell beherrschen.
Jedoch jeder Quiz-Meister und auch jeder Spieler bringen in die Show eine
eigene persönliche und unberechenbare Note. Dies kann jedem Moment im
improvisierten Dialog eine Lebendigkeit und Spontaneität verleihen, aber
manchmal auch eine gegenseitige Wirkung zeigen. Der erfahrene Moderator
(oder die Regie) spürt es sofort, wenn die Situation aus dem Ruder zu laufen
droht. Der langweilige oder verklemmte Kandidat wird nicht „verschont“ und
kann schon nach der ersten Frage sein Spiel beenden.
Wenn man verschiedene Versionen der gleichnamigen Quiz-Shows
vergleicht, kann man sowohl die gelungenen Leistungen als auch skurrilen
Momente, die leider unvermeidbar sind, deutlicher sehen. Wie der Moderator
aus solchen Pannen-Situationen herauskommt, zeigt seine Professionalität.
140
Sogar bei der Ankündigung der Frage
widerspiegelt sich die Persönlichkeit
eines Quiz-Meisters. Zum Beispiel der
italienische Moderator von „WWM“
Gerry
Scotti
(Canale
5)
hat
ein
eigenartiges und sehr kreatives Modell,
Fragen
zu
stellen.
Er
kleidet
die
Gerry Scotti
einfachen Fragen in eine ungewöhnliche Form ein. Statt einfach vorzulesen:
„Was ist...?“, was andere Kollegen in jeweiligen internationalen Versionen
üblicherweise machen, fängt er von weitem an: „Nehmen wir an, dass Sie in
ein indisches Restaurant gekommen sind und eine Speise bestellt haben. Was
bekommen Sie?“ Oder statt der direkten Frage: „In welchem Jahr…?“
improvisiert er weiter: „Wer unter den gegebenen Personen konnte kein
Faxgerät bedienen?“ Es gibt noch eine Besonderheit in der Sendung von
Scotti: Unmittelbar nach jeder richtig beantworteten Frage bekommt der
Spieler den ihm zustehenden Cheque. Er wird in der Großaufnahme den
Zuschauern gezeigt, damit keinen Zweifel aufkommt, dass hier alles ernst und
real ist. Vor der nächsten Antwort aber gibt der Spieler diesen Cheque zurück
und versucht eine größere Summe zu gewinnen.
In einer italienischen WWM-Folge lautete eine Frage: „Wieviel Welpen gab
es im Disney´s Märchen von den Dalmatinern?“ Der Kandidat antwortete
selbstverständlich: „101“. Der Moderator Gerry Scotti wollte gerade das
erfreuliche „Richtig!“ aussprechen, erblickte aber im letzten Moment seinen
Monitor und griff sich fassungslos an den Kopf… Die richtige Antwort war –
„99“ (99 Welpen + Mutter + Vater). Der Kandidat verließ das Studio ohne
Gewinn.
Günter Jauch (deutsche Version) moderiert
souverän und etwas reserviert, wie man es im
Norden
Deutschen
kennt.
und
unterschiedlich.
Die
Temperamente
Italiener
sind
der
einfach
Günter Jauch
141
Wenn wir bedenken, dass die Quiz-Sendungen zur Verbreitung von
Allgemein- oder Spezialwissen beitragen sollen, können wir leider feststellen,
dass diese Funktion eher als gering eingeschätzt werden muss. In dieser
Meinung sind sich viele Medienwissenschaftler sowohl in Russland, als auch
in Deutschland einig. (Vergl.: Gerd Hallenberger und I.A. Poluechtova)
Nach der Wissensgrad der Fragen in einem Quiz kann man nicht (und soll
man nicht) über die Intelligenz und das Allgemeinwissen desjenigen Volkes
urteilen. Aber manchmal kommen einige Exemplare (unabhängig vom Alter)
ins Studio, die die einfachsten Fragen nicht beantworten können. Solche
Beispiele kommen in jedem Land vor. So konnte in der russischen Version
WWM ein Mann mittleren Alters nicht erklären, was Bronze ist. Eine auf den
ersten Blick intelligente Frau hat dem Moderator gestanden, dass sie noch nie
von solchen Künstlern wie Cézanne gehört hat. Eine junge Abiturientin hatte
keine Ahnung von Puschkins Märchen „Ruslan und Ludmila“ (das Werk, das
im Schulprogramm steht). Eine italienische Kandidatin hat lange Zeit
zwischen zwei nach dem 50:50 Joker gebliebenen Varianten geraten, wer das
Buch „Sherlock Holmes“ geschrieben hat: Agatha Christie oder Artur Conan
Doyle.
Keiner erwartet, dass der russische Rentner etwas über „Led Zeppelin“ oder
Paris Hilton weiß oder ein deutscher Schüler den Namen des letzten UdSSRGeneralsekretärs der KPdSU nennt. Aber wenn jemand etwas im Quiz
gewinnen möchte, soll er schon ein höheres Niveau mitbringen.
In England gibt es viele Fragen über die Royals Familie, Golf und Reiten, was
der russischen Mentalität absolut fremd ist. Ebenso viel gibt es in Russland
landesspezifische Fragen über die Generalsekretäre der KPdSU, Vodka und
den Sportclub „Spartak“, was für einen Engländer kaum etwas bedeutet. Die
Fragen können statistisch nur nach der Zahl der Gewinne verglichen werden,
die
auf
den
Schwierigkeitsgrad
hinweisen.
Die
Fragen
für
die
Formatsendungen werden nicht übersetzt und die Ideen für neue Fragen
werden nicht aus Ausland importiert.
142
In der Ukraine zum Beispiel beträgt der Preisfond 1 Mio. Griven, was in der
Umrechnung fünfmal mehr als in Russland ist. Aber diese „brüderlichen
Slawen“ sind nicht besonders freigiebig: der größte gewonnene Preis
überschreitet nicht 32.000 Griven (5.000 Euro). Die dramatischen Szenen ums
Geld beginnen nicht ab 16.000 (Vergl.: Russland), sondern schon ab 1.000.
Mit dieser Stufe erhöht sich der Schwierigkeitsgrad der danach folgenden
Fragen.
In den USA sind die Fragen wesentlich
leichter als in Europa. Da gibt es schon 11
Hauptgewinner. Besonders zu beklagen ist
die Versicherungsfirma, die den Preisfond
der WWM-Show sichert, sie droht schon
mit einer Klage. Die meisten Millionen-
Japanische Version von WWM
Gewinner wohnen übrigens im Land der
aufgehenden Sonne – Japan (20).
Die Kandidaten bei WWM haben genug Bedenkzeit. Kein Zeitlimit stört ihren
Gedankengang. Manchmal können die Authentizität der Person, ihr
unverstellbar natürliches und charismatisches Verhalten und Reaktionen, die
sich beim Antworten offenbaren, zum Höhepunkt des Spiels werden. So ein
Szenario kann von keinem Redakteur im Vorfeld geschrieben werden. In
dieser Situation hängt vieles, wenn nicht alles, vom Moderator ab. Es muss
doch für Zuschauer immer spannend bleiben.
In der italienischen Version von WWM gab es eine sehr dramatische
Sendung. Eine junge Frau erreichte die letzte Stufe: es blieb nur die letzte
Frage, die sie von einer Milliarde Lira (bevor Euro kam) trennte. Die Frage
war nicht einfach: sie sollte ein Musikinstrument nennen, das einer bekannter
Jazzmusiker und Komponist spielte. Diese Frage konnte nur ein Kenner der
Jazzmusik beantworten, zu denen die Frau nicht gehörte. Sie entschloss sich
zu riskieren. Obwohl der Name des Musikers ihr geläufig war, hat sie
praktisch die ganze Sendung lang überlegt. Es ging um eine Milliarde Lira
143
und ganz Italien saß vor dem Bildschirm mit angehaltenem Atem wie bei der
Fußball-WM. Als Moderator Scotti langsam und extra verzögernd die richtige
Antwort las, saß die Frau da blass wie der Tod. Als Scotti erklärte, dass sie
zwei Musiker mit dem gleichen Namen verwechselt hat, flossen die Tränen
aus ihren Augen. Es ist nicht schwer vorzustellen, dass alle Hausfrauen
Italiens mit ihr zusammen weinten. Die Großaufnahmen von der
schluchzenden Kandidatin mit der bis zu den Wangen verschmierten Mascara
ließen die Einschaltquoten alle Dimensionen sprengen. Als Scotti letztendlich
mit seinen Erklärungspassagen fertig war und das abschließende Urteil
mitteilen wollte, verkündete er die junge Frau als Milliardärin. Obwohl sie
beide betroffenen Musiker verwechselt hatte, war das zum Glück nicht
schlimm, weil beide dasselbe Instrument spielten. Da atmete das ganze Land
mit Erleichterung auf.
Die Fragen haben wohl eine offensichtliche Funktion – das Schaffen von
Interaktivität. Der Zuschauer wird bewusst in die gleiche Situation versetzt
wie der Kandidat im Studio, die Fragen werden auch ihm gestellt (oder er
stellt sich das vor). Doch was reizt den Zuschauer an dieser Interaktivität? Die
menschliche Eigenschaft, unbewusst alles auf sich zu beziehen, wird damit
direkt befriedigt. Ein wichtiger Faktor ist bestimmt, dass er sich ernst
genommen fühlt. Auch er könnte sich als Kandidat bewerben. Doch das ist
nicht alles! Die Fragen lassen dem Zuschauer viel Freiraum für eigene
Gedanken. Zum Beispiel lautet die Frage: ,,Wo hat der Fernsehkanal ARTE
seinen Sitz?" (A Paris B Straßburg C Mainz D Baden-Baden) wird der
Zuschauer in Gedanken vielleicht zunächst das ARTE-Logo sehen, sich dann
an seinen letzten Urlaub in Paris erinnern und überlegen, wo er schon einmal
etwas über den Sender gelesen oder gehört hat. Er wird dabei vom Kandidaten
im Studio unterstützt, der dazu verpflichtet wird, seinen Gedankengang
preiszugeben.
Dadurch,
dass
die
Fragen
die
unterschiedlichsten
Themengebiete abdecken, erlauben sie den verschiedensten Leuten, eine
bedeutsame Erfahrung zu machen, die oft weit intensiver ist als ihre
alltägliche Routine.
144
Dirk Blothner stellt in seinem Buch ,,Erlebniswelt Kino" auf Grund von
Untersuchungen einen Zusammenhang zwischen diesen Erlebensprozessen
und dem Erfolg von Spielfilmen fest: Je intensiver Platz für eigene
Gedankengänge gelassen wird, desto besser gefällt dem Zuschauer der Film.54
Da WWM diesen unbewussten Prozess in großem Maße auch fördert, kann
man davon ausgehen, dass dies im Wesentlichen zum Erfolg der Sendung
beiträgt.
Noch einen weiteren Vorteil hat die Themenvielfalt der gestellten im Quiz
Fragen: Jeder kann einmal mit Wissen glänzen oder sich selbst bestätigt
fühlen, indem er mehr weiß als der Kandidat. Kinder wissen z.B., dass
,,Mautzi" ein Pokemon ist, und die Mama kann etwas mit ,,Frida Lyngstad"
(Sängerin aus ABBA) anfangen. So wird jedem Zuschauer ein Erfolgsgefühl
gegönnt und die Kommunikation, od. so genannte Interaktivität, vor dem
Bildschirm wird stattfinden.
Die Fragen für die Quiz-Show werden von einer speziellen Redaktion
ausgesucht, sorgfältig überprüft und vor der Aufzeichnung der Sendung im
Computer gespeichert. Die meisten von ihnen brauchen keine besonderen
Kenntnisse, sie prüfen nur, welchen Umfang der Massenkultur der normale
Mensch aufnehmen kann. Z.B.: In welcher Reihenfolge wurden die Filme von
Woody Allen gedreht? Oder: Was bedeutet es, wenn Sie im Office eine
Benachrichtigung auf rosa Blattpapier bekommen? – Jeder, der in Amerika
war, weißt, dass dieses rosa Blattpapier eine Kündigung bedeutet. Oder:
Wieviel Zellen hat die Amöbe? usw. Alle diese Fragen mit meistens unnötiger
Information fördern keine Kenntnisse, kein Intellekt nur ein mechanisches
Gedächtnis.
54
Blothner, Dirk: Erlebniswelt Kino. Wirksame Filmthemen, Bergisch Gladbach, 1999
145
Suche nach den Fragen
Für die russische Version der WWM ist ein Team aus 4 Autoren von der
Programmredaktion
für
die
Fragen
zuständig.55
Sie
müssen
ein
Informationsgespür haben, um die Fragen nach den bestimmten Themen
auszusuchen, dann werden diese Fragen von 2 weiteren Mitarbeitern nach
Quellen und die Antworten nach Richtigkeit überprüft. Außerdem arbeiten für
die Redaktion rund 20 freiberufliche Autoren. Sie bringen die Fragen mit den
Antworten-Varianten und mit dem Hinweis auf die Quelle. Wenn keine
Antworten-Varianten hinzufügt sind, denkt das Redaktionsteam sie aus. Um
den Klang und die Schärfe der Frage kümmert sich anschließend der ChefRedakteur.
Jeder Autor bringt in der Regel wöchentlich fast 200 Fragen, 30 von ihnen
werden im besten Fall für die weitere Bearbeitung aussortiert. Hauptforderung
an die Fragen – Einfachheit. Um sie zu beantworten, sollen die Kandidaten
keine spezielle Ausbildung haben. Z.B. die Frage: Zu welcher Art der
Erdschichten gehört der Sand? – A: Alluvium, B: Kolluvium, C: Proluvium,
D: Elluvium. Die richtige Antwort – Alluvium (Marschboden). Obwohl diese
millionenwert hoch eingeschätzte Frage gut ist, kann sie aber nicht ins Spiel
genommen werden, weil sie nur ein ausgebildeter Geologe richtig
beantworten kann.
Die Fragen werden erst in 4 Kategorien eingeteilt: die Fragen für die
Auswahlrunde, die lustigen, die einfachen und die schwierigen Fragen. Man
kann natürlich fragen, wie der erste russische Kosmonaut Gagarin mit dem
Vorname hieß. Aber WWM ist eine Unterhaltungsshow und kein Idiotentest.
Oft akzentuieren die Fragen die Aufmerksamkeit auf ein unbemerktes Detail.
Z.B.: Aus welchem Anlass fand der Ball statt, wo Tatjana und Eugen Onegin
einander kennen gelernt haben? (Namenstag) Allein im schulpflichtigen
durchgelesenen Roman von A. Puschkin „Eugen Onegin“ gibt es Millionen
Kleinigkeiten, sie alle kann man nicht im Gedächtnis behalten. Obwohl in
55
www.novayagazeta.ru: Курсы ловли удачи за хвост: Как делается передача «Кто хочет стать
миллионером», Надежда Прусенкова, 21.05.2001
146
einem Spiel kannte der Kandidat das Buch von Michail Bulgakow „Der
Meister und Margarita“ so gut, dass er sich nicht nur daran erinnern konnte,
was Margarita auf dem Ball beim Satan getrunken hat, sondern zitierte: „Ich
kann mir doch nicht erlauben, einer Dame Vodka einzuschenken! Das ist
Feinsprit!“ Dieser Fall ist mehr eine Ausnahme. Übrigens, das Buch von
Bulgakow ist für die russische Intelligenz eine Pflichtlektüre.
Jeden Monat werden rund 500 neue fertige Fragen in den Computer
eingetragen. Die gespielten Fragen werden automatisch aus dem Computer
gelöscht. Einmal in drei Monaten überprüft der Chef-Redakteur den Bestand
des Computers und „reinigt“ die Datenbank, löscht die Fragen, die nicht mehr
aktuell sind.
Tricks
Es gibt einige Tricks bei der thematischen Auswahl der Frage. Die
Balletttänzerin bekommt auf keinen Fall die Frage über Zahl der
Umdrehungen in einer Fouetté und der Botaniker über die vegetative
Vermehrung bei den Pflanzen. Das Computerprogramm ist so programmiert,
dass manche Kategorien im Voraus ausgeschaltet werden können. Diese
Funktion wird aber selten benutzt. Nicht jeder Kandidat hat eine eng
spezifische Ausbildung.
Bei den Prominenten-Specials werden die Themenüberkreuzungen nicht
beachtet. Die Gewinne gehen an karitative Projekte. Die prominenten Gäste
bei solchen Sendungen werden in Russland sehr originell gemischt. Einmal
zum Neujahrsfest versammelten sich die berühmten Journalisten von NTV,
andermal kamen die „Top 10“ aus dem Showbusiness, es gab sogar ein Spiel
mit den Kandidaten zum Präsidenten.
Der Haupttrick ist es, dass der Moderator, solange der Kandidat antwortet, die
richtige Antwort nicht kennt. Auf dem Monitor leuchten zwei kleinen
Quadrate – grün und orange. Wenn die Antwort des Kandidaten
aufgenommen wurde und das orange Feld leuchtet, erscheint in einem der
147
Quadrate ein Punkt, den die Zuschauer hinter dem Rücken des Moderators
nicht sehen können, aber wodurch der Moderator Bescheid weiß, ob die
Antwort korrekt oder falsch war. Nun ab jetzt kann der Moderator den
Kandidaten und die Zuschauer ein bisschen mit der Verzögerung bei der
Ankündigung der richtigen Antwort „quälen“. Gerade an diesem Moment
kommt oft die Werbungspause und die Zuschauer Zuhause können anrufen
und ihre Version der Antwort geben. Die Anrufe kosten extra Geld, damit
werden zusätzliche Einnahmen des Senders erzielt.
Die Fehler
Die Wahrscheinlichkeit eines Fehlers gibt es immer. Falls es zu einem Fehler
kommt, hat der Kandidat das volle Recht, noch einmal zu spielen. Dabei fängt
er mit der Fragenstufe an, bei der er rausflog.
In der russischen Version von WWM gab es einen Fehler in der Sendung zum
Frauentag am 8. März. Die Frage war: „Die Zweige welches Baums werden
überall als Mimose verkauft?“ – A: Akazien, B: Zypresse, C: Weide, D: Eibe.
Die richtige Antwort sollte „Akazien“ sein. Die Frage wurde überprüft und im
Computer gespeichert. Manchmal kann es dazu kommen, dass im Spiel
mehrmals nacheinander die Fragen mit den richtigen Antworten auf dem
Buchstabe „A“ ausfallen. Daran gibt es nichts Schlimmes aber der Zuschauer
kann misstrauisch werden. Im Fall mit den Akazien passierte dasselbe. Die
richtige Antwort sollte nun schnell auf einen anderen Buchstabe verlegt
werden. In der Hektik verschwand die Variante „Akazien“ überhaupt aus der
Datenbank und wurde unerklärlich durch eine unnötige „Aster“ ersetzt. Den
Fehler bemerkte man während des Spiels. Die fassungslose Kandidatin fand
unter den vorgegebenen Antworten keine richtige, nahm das bisher
gewonnene Geld und beendete das Spiel. Kurz danach haben die Autoren
ihren Fehler öffentlich bekannt gemacht. Die Frau wurde noch einmal ins
Studio eingeladen. Sie durfte mit der 9. Frage anfangen und hat anschließend
64,000 Rubel erworben. Die Gerechtigkeit hat gesiegt.
148
Der menschliche Faktor endet vor der Aufzeichnung, danach übernimmt alles
die Technik, die auch mal versagen kann. In Großbritannien gab ein Kandidat
eine falsche Antwort, der Computer erkannte sie aber als richtig und damit hat
der Mann 125,000 Pfund gewonnen. Als der Fehler auffiel, durfte der Mann
Geld immerhin behalten – Der Computer hat den Fehler gemacht.
In der russischen Version von „Russisches Roulette“ sind nicht nur
enzyklopädische Kenntnisse erforderlich. Die Spieler werden hier beim
Antworten zusätzlich in eine äußerst nervenkitzelige Lage gebracht. Jeder
Spieler bekommt ein spezielles Pulsmessgerät, damit wird die Stabilität des
Nervensystems der Spieler für den Einzelnen unbemerkt kontrolliert. Wenn
ein Spieler aufgeregt ist, nachdem er die Frage gehört hat, ist das ein Beweis,
dass er die Antwort nicht kennt. Deshalb wird er als Erster aufgefordert, seine
Antwort zu geben. Nach einer unkorrekten Antwort zieht er einen Hebel und
schaltet damit symbolisch ein Roulette ein. Wie beim Russisch Roulette gibt
es eine drehbare Scheibe mit der Möglichkeit zu „sterben oder weiter zu
leben“. Wenn er Glück hat, bleibt er weiter im Spiel. Wenn nicht – öffnet sich
unter seinen Füßen ein Loch und er fällt unerwartet in einen Schacht unter die
Bühne. Obwohl die Organisatoren behaupten, dass es gar nicht gefährlich ist,
kostet dieses Erlebnis den Spielern viel Nerven.
Anderes Quiz – andere Fragen
Beim Aussuchten der Fragen für das Spiel „Что? Где? Когда?“ (Was? Wo?
Wann?) werden andere Anforderungen gestellt.
Sowohl die Zuschauer als auch die Spieler sind leider an das Denken in
Schablonen
gewöhnt.
Das
gesamte
Ausbildungssystem
(Lehrbücher,
Vorlesungen, Prüfungen) verleitet die Menschen dazu.
Die Aufnahmefähigkeit bei den meisten modernen Menschen ist auf
Stereotypen, d.h. die in dem Bewusstsein gefestigten Assoziationen oder
Schemata aufgebaut. Von dieser mentalen Ebene aus kann das ganze
Gefühlssystem gesteuert werden. Dies wissen alle Künstler, Schauspieler und
149
Regisseure aus den verschiedensten Kunstrichtungen. Wenn der Zuschauer in
der ersten Sekunde „nicht versteht“, was auf dem Bildschirm (Bühne usw.)
passiert, wird es ihm langweilig und er bleibt nicht länger dran.
Andererseits wenn es keinen Platz für neue Gedanken, Lösungen, Ideen gäbe,
wäre es noch trauriger. Die Balance muss gehalten werden. Nur so erreichen
die Produzenten ihr Ziel.
Nicht anders geht es beim Quiz. Die Sendungsmacher berücksichtigen alle
Stereotypen der Gedanken- und der Gefühlsebene, manipulieren geschickt
damit – entweder zerstören sie oder bauen neu auf. Es wird gebastelt: Man
nehme ein Thema, z.B. „Kennen Sie Bulgarien?“ oder „Was wissen Sie über
Chemie?“ Der Moderator stellt die Fragen, die Spieler oder Zuschauer
antworten, live oder auch nicht, die Gewinner bekommen irgendwelche Preise
(Product Placement) oder einfach hohe oder kleinere Geldsummen… Dazu
kommt ein Videobeitrag über die paradiesische Schönheit und über die
Touristen anlockenden Ecken (oder über chemische Reaktionen und
Forschungsprojekte), plus einen Song von einem bekannten bulgarischen
Popsänger (oder ein Statement von einem anerkannten Wissenschaftler). Und
somit ist ein Quiz fertig, genauer gesagt – sein Stereotyp.
Die Hauptaufgabe des WWW-Spiels («Что? Где? Когда?» - «Was? Wo?
Wann?»)
besteht
darin,
das
stereotype
Denken
(Schablonedenken)
aufzulockern. Dazu ein Beispiel:
Frage:
Hätten die alten Griechen den Roman von Dostojewski „Idiot“ gelesen, mit
welchem Wort könnten sie die Hauptfigur dieses Romans bezeichnen?
Minute für Besprechung:
Aus der Erinnerung tauchen sämtliche Informationen über Griechenland auf.
Das stereotype Denken herrscht. Das alte Griechenland ist das Land der
Philosophen, Dichter, Bildhauer, Sklaven, Plebejer und Patrizier, Sportler,
Stadien, Kathedralen, Kriege… Diese Reihe kann weiter verlängert werden,
150
besonders wenn sich in die Besprechung 6 Spieler einschalten. Aber was
haben alle diese Wörter mit dem Roman von Dostojewski, genauer gesagt mit
dem Romanheld gemeinsames? Vielleicht ist er ein Philosoph? Im Roman
philosophiert er oft. Mit demselben Erfolg kann man ihn als Plebejer
bezeichnen. Er ist nach Sankt Petersburg völlig mittellos gekommen. Leider
können diese Antworte nicht die einzigen sein. Und warum werden
Griechischkenntnisse getestet? Nein, da ist etwas faul. Anscheinend ist diese
Frage eine Provokation. Aber wo liegt sie?
Antwort auf die Frage:
Es geht darum, dass die Griechen den Romanheld genauso genannt hätten, wie
Dostojewski ihn selbst, nämlich einen Idioten!
Idiot – das ist ein griechisches Wort und bezeichnet einen Menschen, der nicht
beamtet ist, keine Interesse für Politik und gesellschaftliches Leben hat.
Beim Spiel WWW werden multiple Assoziationen ausgerufen, da kommen
mehrere Genres zusammen:
• WWW ist eine typische Quizsendung;
• WWW basiert auf einem typischen Wettbewerbprinzip wie im Sport. Da
sind
feste
Regeln
und
Bedingungen,
streitende
(gegnerische)
Mannschaften, Kommentare (wie Sportkommentare), Auszählung von
Pluspunkten usw. vorhanden;
• WWW ist ein Disput, eine Diskussion.
Es bedeutet aber nicht, dass die Fragen für den „Club der Kenner“ (WWW)
aus einem für die Mehrheit unbekannten Gebiet kommen sollen. Sie müssen
genauso, wie in einer Kunst, etwas Bekanntes, Gewohntes und Alltägliches
gleichzeitig darstellen, sie müssen die klischeehaften Assoziationen und
Reaktionen der Zuschauer provozieren, aber gleichzeitig sie auch bestreiten,
vom Kopf auf den Fuß stellen, das Bewusstsein der Zuschauer lockern. Das
Unbekannte über etwas Bekanntem. Das Ungewöhnliche im Gewöhnlichen.
Das Unglaubliche in einem Offensichtlichen. Das ist das Hauptkriterium bei
der Fragenauswahl für WWW.
151
Noch ein Beispiel:
Frage:
"Saepe stilum vertas" aus dem Latein bedeutet "Öfter deinen Stiel umdrehen".
Diese Phrase wiederholten die Römer sehr oft. Wozu muss der Stiel so oft
umgedreht werden?
Minute der Besprechung:
Das Schlüsselwort ist hier „Stiel“ (stilum). Man kann sich daran erinnern, dass
man früher im Alten Rom auf Wachstafeln schrieb. Jemand kann bemerken,
dass zwischen den Wörtern „Stiel“, „stilum“, „Stilett“. Stilett ist ein
Schnappmesser. Vielleicht hat man mit solchen Messern – gespitzten
Stäbchen – auf den Tafeln geschrieben? Wozu müssen sie dann umgedreht
werden? Eine logische Sackgasse. Fangen wir von vorne an. Der
philosophische Sinn dieser Phrase ist klar. „Deinen Stiel umdrehen“ bedeutet
Vervollkommnung, Weiterentwicklung, Verfeinerung, Verschärfung. Das
Stäbchen „stilum“ muss auch geschärft werden. Das Stäbchen hatte zwei
gespitzte Enden. Wenn ein Ende stumpf wurde, wurde das Stäbchen
umgedreht.
Also, „öfter deinen Stiel umdrehen“ bedeutete für die Römer, einfach „mehr
und öfter zu schreiben“.
Antwort:
Die Spieler waren sehr nah an der richtigen Antwort. Es fehlte nur ein Detail,
ein logischer Schritt. Es ist schwer zu glauben, dass die Stäbchen bei der
Berührung mit der Wachstafel stumpf werden konnten. Das zweite Ende war
stumpf. Damit konnte man das Geschriebene wegradieren. Jetzt wird der Sinn
dieser Phrase deutlicher: Um die Fehler zu korrigieren (wegradieren), an
seinem Stil zu arbeiten, muss man öfter das Stäbchen „stilum“ umdrehen.
Bevor eine Frage den Spielern („Kennern“) gestellt wird, geht eine große
Vorbereitungsarbeit voraus:
- Auswahl der Frage aus der Vielzahl der zugesandten Zuschauerfragen,
genauer gesagt – Auswahl des Themas;
152
- Suche nach der Dynamik, Formulierung, d.h. dramaturgische Bearbeitung
der Frage;
- Ausarbeitung des Regiekonzeptes;
- Musikalische Lösung, Licht, Dekoration;
- Einschätzung der Antwort, Verkündung der Ergebnisse (in diesem Fall
kennt der Moderator die richtige Antwort, er muss schnell reagieren, um das
Wesentliche in der Antwort von dem Zufälligen zu trennen und das
Wesentliche auf die Richtigkeit zu beurteilen. Während des Spiels gibt es für
all dies bei der Live-Sendung keine Zeit);
- Man muss zur richtigen Zeit und zum richtigen Ort die nötigen
Informationen über die Spielregeln geben. Die Anmoderation muss
vorbereitet werden.
Bevor die Show beginnt, wird sie beim Moderator im Kopf, in Gedanken und
Phantasien durchgespielt. Schritt für Schritt. Der langjährige Moderator
Vladimir Voroshilov vergleicht in seinem Buch „Das Phänomen des Spiels“56
WWW mit dem Phänomen der Theaterkunst und bezeichnet WWW als
„Dokumentationsspektakel“. Das Spiel wie in einem Stück ist auf einem
Konflikt aufgebaut. Hier stehen zwei Kräfte gegeneinander: die Kenner und
die Zuschauer. In der Dramaturgie ist der Konflikt die Grundlage für die
ganzen Geschehnisse. So ist alles bei WWW den dramaturgischen Gesetzen
untergeordnet. Das Sujet und die Fabel bekommen ihre vollendete
Entwicklung im Spiel mit seiner Exposition, Knoten, Kulmination und
Auflösung, mit der komplizierten Verflechtung von Haupt- und Nebenlinien
im Sujet. Die Haupt und Nebenrollen sind im Spiel auch vorhanden. Der
Hauptfigur, ihr Charakter, das innere Gefühlsleben der Person offenbart sich
im Spiel nicht nur genauso gut, sondern noch authentischer, wie in anderen
verwandten darstellerischen Kunstarten – Theater und Film. Nur im
Unterschied ist die Show statt professioneller Akteure mit den normalen
einfachen Leuten besetzt. Nicht ohne Grund lehrt eine Volksweisheit: „Im
Spiele lernt man die Leute kennen.“
56
Владимир Ворошилов „Феномен игры", М, Советская Россия, 1982 („Das Phänomen des
Spiels“ Vladimir Voroshilov)
153
Also, der Dramaturg hat das Spiel geschrieben, der Regisseur hat es
inszeniert, die Spieler spielen, die Zuschauer sehen es an. „Je ernster wir uns
dem Fernsehspiel gegenüber wie ein Spektakel (Theaterstück/ dramatisches
Werk) verhalten, desto schneller erfinden wir neue Shows für den
Massenkonsum, desto schneller gehen wir von den „Veranstaltungen“ zu der
wahren Kunst über,“ 57 – so Vladimir Voroshilov, der sein Spiel WWW
erfunden, nach den dramatischen Gesetzen inszeniert und dementsprechend
kunstvoll moderiert hat.
Nicht ohne Grund existiert das Spiel WWW in Russland schon über 30 Jahre
und ist immer noch populär, obwohl viele europäische Analytiker das Alter
einer erfolgreichen Game-Show mit maximal 6-7 Jahren begrenzen, danach
sollte das Publikumsinteresse für dieses oder jenes Format sinken. Was auch
zurzeit mit dem aktuellen Quiz-Hit „WWM“ passiert. Das Format verliert in
mehreren Ländern an Zuschauer. In Deutschland hat es auch eine kritische
Grenze erreicht und vor allem jüngere Zuschauer zeigen ein geringeres
Interesse an der inzwischen „ältesten“ RTL-Sendung im Quiz-Format.
57
Владимир Ворошилов „Феномен игры", М, Советская Россия, 1982 („Das Phänomen des
Spiels“ Vladimir Voroshilov): „Чем серьезнее мы начнем относиться к игре как к спектаклю, тем
быстрее создадим новые массовые игровые зрелища, тем быстрее мы перейдем от
"мероприятий" к искусству".
154
3.4. Gewinne und Preise
Heutzutage verzichtet kaum eine Sendung auf Gewinne. Die Gewinne
schwanken
von
Millionenbeträgen.
kleineren
Seit
dem
Geld-
und
Quizboom
Sachpreisen
der
90er
bis
hin
zu
Jahre
sind
die
Höchstgewinne bei einigen Sendungen heftig gestiegen. Derart hohe Summen
werden längst nicht mehr aus Fernsehgebühren oder Werbeeinnahmen
finanziert.
Ein Weg sind so genannte Servicenummern, bei denen die Bewerber anrufen
oder die Zuschauer bei der Live-Übertragung mitspielen oder votieren
können. Die erhöhten Gebühren dieser Nummern spielen in der Regel weit
mehr ein als hinterher an Gewinnen ausgeschüttet wird, was die Beliebtheit
derartiger Sendungen bei den Sendern erklärt. Z.B.: „Wer wird Millionär?“,
„Die Quiz Show“, „DSdS“
Einen anderen Weg gehen Sendungen, die über Lotterien finanziert werden,
wie "Die 5 Millionen SKL-Show", bei der die Teilnahme vom Kauf eines
SKL-Loses abhängt.
Das entgegengesetzte Extrem bildete bis vor kurzem (2005) eine Sendung wie
"Was bin ich?", bei der der Gewinn seit Jahrzehnten bei maximal 50 DM lag.
(Seit Euroeinführung auf Euro umgerechnet.)
Nicht immer gehen Gewinne an die Kandidaten. In manchen Fällen, meistens
bei den besonderen "Prominentenspecials", wo die Prominenten als
Kandidaten auftreten, werden die Gewinne wohltätigen Zwecken gespendet.
In der Regel werden dann bestimmte Organisationen oder Projekte genannt,
an die das Geld gehen soll. So wie bei: „Wer wird Millionär?“, „Das Quiz“.
Die Organisatoren glauben, dass die Teilnahme der Prominenten an der Show
höhere Einschaltquoten bringt. Nur teilweise. Die hohen Ratings hängen nicht
davon ab, wie populär die Spieler sind, sondern wie sie selbst zu dem Spiel
stehen.
155
Ein spezieller Fall sind Quizsendungen für Kinder. Hier werden fast
ausnahmslos Sachpreise ausgespielt: Spiele, Reisen in Freizeitparks, Fahrräder
etc.
Die Sendungen, vor allem mit hohen Gewinnen, beschränken in der Regel die
Teilnahme ausdrücklich auf Erwachsene. (z.B.: „Wer wird Millionär?“)
Eine Besonderheit ist der Jackpot. Gewinne, die nicht ausgespielt wurden,
werden gesammelt und weiter ausgespielt. Die Gewinnsumme wird dadurch
erhöht. Typisch ist dies vor allem für "Anrufsendungen", wie sie heutzutage
vor allem das Nachtprogramm vieler Privatsender besiedeln.
Die meisten Sendungen mit Studiokandidaten werden jedoch ohne Jackpot
gespielt. Nicht ausgespielte Gewinne verfallen.
Bei der internationalen Verbreitung eines Fernsehformates kann es zu einigen
spezifischen Probleme kommen, die aus den Eigenheiten der einen oder
anderen Währung entstehen. Besonders deutlich sieht man dies an der
Sendung "Wer wird Millionär?".
Dieses Format läuft in mehreren Ländern. Die Regel lautet, dass maximal eine
Million in Landeswährung zu gewinnen sind. Dies führt zu erheblichen
Unterschieden zwischen den einzelnen Ländern. So entsprechen eine Million
russische Rubel derzeit (16. Juni 2007) nur ca. 28.800 Euro. Was für russische
Verhältnisse trotzdem viel Geld ist und die Show auch dort attraktiv macht.
Eine Million britische Pfund hingegen sind rund 1,5 Millionen Euro.
Problematisch sieht die Lage in der Türkei aus. Eine Million türkische Lira ist
etwa ein halber Euro. Aus diesem Grund werden dort die Gewinne in Gold
ausgespielt.
Zusätzliche Schwierigkeiten kamen mit der Euroumstellung. In vielen
Sendungen bevorzugt man runde Werte. Die krummen Umrechnungskurse
156
standen dem entgegen. Sogar in Deutschland musste man sich entscheiden, ob
man:
1) die Gewinne rundet,
2) exakt umrechnet oder
3) aus DM Euro macht.
Das erste führt für die Kandidaten gewöhnlich zu Einbußen. So wurden bei
"Familenduell" aus 100.000 DM 50.000 Euro Höchstgewinn. Bei korrekter
Umrechnung wären dies jedoch 51.129,19 Euro sein müssen. (Ein Verlust für
Kandidaten von über 1.000 Euro!)
Das zweite wird selten benutzt. Ein Beispiel wäre "Was bin ich?".
Der dritte Weg führt zwar für die Sender zu höheren Kosten, macht die
Sendungen jedoch für die Kandidaten attraktiver. Zum Beispiel „Wer wird
Millionär?“, „Jeopardy“ haben das gemacht.
Bei der Arbeit mit den Preisen ist es wichtig, nicht zu vergessen, dass der
Preis nicht nur eine materielle Kategorie ist. Der Preis ist ein Maß für den
Erfolg des Spielers, eine Skala von Sieg und Niederlage, materielle
Widerspiegelung der gegebenen Situation im Spiel, mit anderen Worten - sein
materielles Äquivalent. Der Preis ist kein Ergebnis, nur ein Element des
Spieles, dabei nicht das wichtigste. Er bestimmt nicht das Schicksal (den
Ablauf) des Spiels. Die jegliche Verletzung dieses Grundsatzes führt zum
Misserfolg der Sendung. Wenn aber dieses Element geschickt eingesetzt wird,
spielt für die Spieler im Endeffekt keine Rolle, wie hoch der Preis überhaupt
ist.
Der Preis ist nur einer der vielen Mitteln in der Dramaturgie des Spiels. Und
wenn dieser Preis bis zur Vergabe wie die „Katze im Sack“ geheim bleibt,
steigt nur die gesamte Spannung. So ein Beispiel aus der russischen Version
des Spiels “Glücksrad“ –„Поле чудес“, auch durch freigebige Preise bekannt:
Wenn der Pfeil des Trommels auf dem Sektor „Preis“ stehen bleibt, muss der
Spieler entscheiden zwischen der weiteren Teilnahme am Spiel oder dem
157
„Schwarzen Kasten“, in dem der Schlüssel von der nagelneuen Limousine
oder aber auch ein Kohlkopf liegen kann. Oder wenn der Spieler drei Mal
nacheinander die richtigen Buchstaben erraten hat, bekommt er zwei
Schatullen. Nur in einer liegt aber Geld, das er im Glücksfall als
Zwischenpreis ohne weiteres bekommen kann.
In Russland war der Umstieg auf die geldgebundenen Preise besonders
empfindlich. Viele Zuschauer haben sich nach der Einführung der Geld-Preise
von den Lieblingssendungen abgewendet. Der Gedanke, um Geld zu spielen,
war vielen einfach fremd und unannehmbar (für manche bis heute noch). So
hat die erfolgreichste Quiz-Sendung „Что? Где? Когда?“ (Was? Wo? Wann?)
nach dem Zerfall der Sowjetunion einen bedeutenden Wandel erlebt. Vorher
wurde die Sendung immer durch die Originalität der „nicht geklonten“
Eigenproduktion und durch die Fragen mit dem hohen Erkenntniswert
geprägt. Als Preise wurden seltene Bücher und Enzyklopädien ausgelobt. Mit
dem Marktwirtschaftssystem kam auch der gierige Geist des Geldes ins Spiel.
Statt geistiger Nahrung (Bücher) lagen nun Geldscheine auf dem Spieltisch.
Einer der Spieler („Kenner“), Fjodor Dwinjatin, hat in einem Interview für die
Tageszeitung „Izvestia“ gesagt: „Mir gefiel diese Idee mit dem Geld als Preis
von Anfang an kategorisch nicht. Aber nur weil dieses Spiel für mich ein
Steckenpferd ist, ein paar Tage interessante Freizeit im Jahr, habe ich diese
neuen Regeln akzeptiert. Übrigens, Geld treibt das Zuschauerinteresse – die
Menschen erfinden die Fragen, um Geld zu verdienen. Wenn es keine
Zuschauer mehr gibt, die für die Sendung Fragen schicken, stirbt sie.“ 58
Eine ähnliche Spielidee hat die deutsche Sendung „Genial daneben“, die auf
Sat.1 seit 2003 ausgestrahlt wird. Fünf Comedians stellen sich kuriosen
Fragen von Zuschauern und versuchen mit Witz und mit Charme an die
58
Юлия Кантор «Какая жизнь, такая и игра», Известия (Julia Kantor „Wie das Leben, so das
Spiel“, IZVESTIA vom 28. Januar 2000). Федор Двинятин: "Мне категорически и сразу не
понравилась денежная идея. Но поскольку "Что? Где? Когда?" для меня увлекательное
времяпрепровождение, несколько дней в году интересного досуга, я принял эти условия.
Кстати, деньги стимулируют и зрительский интерес - люди придумывают вопросы, чтобы
заработать деньги. Если не будет зрителей, пишущих в программу, она умрет."
58
Валерий Павлов "Деньги" http://www.ccgrp.ru/creative/ccg481/Print.php?NewsID=45
158
Lösung zu gelangen. Dafür brauchen sie keinen Autor. Wird eine Frage nicht
richtig beantwortet, erhält der Einsender 500 Euro.
Die Vergabe der teueren und begehrten Preise in der russischen Game-Show
„Поле чудес“ (Feld der Wunder) hat in den Zeiten des totalen Defizits eine
interessante Zuschauerreaktion ausgelöst. Jeder Spieler brachte ins Studio
Säcke und Taschen, voll mit „eigenen“ Geschenken gestopft. Während des
herzhaften Talking mit dem Lieblingsmoderatoren Leonin Jakubovich wurden
die Gläser von unterschiedlichem Kaliber mit eingelegten Gurken, Honig,
Konfitüre, aber auch die Körbe mit Obst und Gemüse, dem Selbstgebackenen,
Selbstgebastelten, Selbstgebrannten...übergeben. Die Redaktion konnte nach
jeder live übertragenen Sendung richtig feiern. Für zahlreiche Geschenke
wurde sogar ein spezielles Museum geöffnet: Das Museum der Kapital-Show
„Feld der Wunder“.
Interessant ist es, dass in Deutschland die erworbene in „WWM“
Gewinnsumme (einschl. Hauptgewinn) nicht steuerpflichtig ist. In Russland
muss jeder Spieler 13% Mehrwertsteuer von seinem Gewinn dem Staat
zahlen. Und das ist noch milde, weil die Produktionsfirma „W-Media“ die
Steuerbehörden überzeugt hat, dass „WWM“ kein Kasino-Projekt ist. Die
Gewinner des Spiels "Своя игра" (Jeopardy!) zahlen ein Drittel der
Gewinnsumme als Steuergeld dem Staat.59
In den USA wird der Preisfond von einer Versicherungsgesellschaft geschützt.
Die Vertreter dieser Gesellschaft sind während der Aufnahmen der Show
anwesend und beobachten, damit kein Betrug vorkommt: der Sender und
Produzent sind an hohen Gewinnchancen der Spieler interessiert. Die
beträchtlichen Gewinnsummen erhöhen das Rating der Sendung und die
„ungeplanten“ Ausgaben für Supergewinne übernimmt die Versicherung.
59
Praktisch jeder Einwohner Deutschlands, der betriebsbereite Empfangsgeräte zu Hause hat, ist
gebührenpflichtig. Er muss eine Rundfunkgebühr an die Gebühreneinzugszentrale der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten in der Bundesrepublik Deutschland (GEZ) zahlen. Mit den Einnahmen
werden u.a. der öffentlich-rechtliche Rundfunk (außer die Deutsche Welle) und die Aufsichtsbehörden finanziert.
159
In Russland sind solche Praktiken aus gesetzlichen Gründen unmöglich. Der
Sender finanziert gewöhnlich die Produktion der Sendung. Die Gewinne sind
in diesen Ausgaben nicht enthalten. Der Produzent zahlt die Gewinnsumme
aus eigener Tasche. Nur bei dem Hauptgewinn übernimmt der Sender die
Kosten, d.h. spielt die Rolle eines Versicherers.
Der Produzent bekommt in diesem Fall seinen Profit von dem Sponsoring.
Das ist auch eine Art der Werbung, aber nicht in Werbeblocks, sondern in den
Körper der Sendung eingebaut. So kann das Logo von der Sponsorfirma im
Hintergrund auf einer Werbetafel platziert werden und die Kamera wird es
regelmäßig heranholen, der Moderator wird energisch alkoholfreies Bier
anbieten oder demonstrativ die Kugelschreiber von bestimmter Marke
benutzen. Im Grunde genommen ist das eine typische Beispiel für Product
Placement.
Die
weitere
Einnahmequelle
ist
das
Geld,
das
von
den
Telekommunikationsfirmen für die Anrufe der Zuschauer erzielt wird (Voting,
Fragen, interaktives Spiel). Der Produzent kann mit rund der Hälfte dieser
Summe rechnen. In Deutschland oder England, wo die Minute rund 1 Euro
kostet (bzw. 1 Pfund pro Anruf), kann man mit diesen Geldern den ganzen
Preisfond füllen. In Russland kostet ein Anruf nicht viel – 20 Rubel (ca. 60
Cent). Außerdem ist die Verbindung mit den Regionen hinter dem Ural so
problematisch, dass die Zuschauer aus den weiten Regionen kaum Chancen
haben, das Moskau-Studio zu erreichen.
Also, weil die Einnahmen von einer Sendung für russische Produzenten nicht
ausreichend sind, versuchen sie die Ausgaben zu reduzieren (zum Beispiel
Studiomiete) und sparen damit Geld. So werden die Sendungen (so wie z.B.
"Своя игра" - Jeopardy!) mit vier Folgen (und manchmal sogar mehr) an
einem Tag produziert. Der Moderator und die Spieler sind dann merklich
müde, woran die Qualität der Sendung leidet.
160
3.5. Finanzierung und Vermarktung der Sendung
(Merchandising)
Während die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in der Bundesrepublik
Deutschland hauptsächlich durch die gebührenpflichtigen Fernsehgerätebesitzer bezahlt werden, finanzieren sich die kommerziellen Sender
größtenteils durch Fernsehwerbung. Der Preis für die Werbung richtet sich
nach Erfahrungswerten (Einschaltquoten). Ein Betrag von 15.000 EUR pro
Werbesekunde im Abendprogramm (prime time) ist in Deutschland keine
Seltenheit. Vielen Unternehmen sind diese Ausgaben aufgrund enormer
Reichweite und Wirkung der Fernsehwerbung wert. Weitere Finanzierungsmöglichkeiten sind Spenden (z.B. Bibel TV), Verkauf von Produkten
(Homeshopping-Sender) oder Telefonanrufkosten (9live).
In Russland wurden die Medien (incl. das Fernsehen) von ihren Anfängen bis
zur Gegenwart weitgehend vom Staat kontrolliert und finanziert. In der JelzinÄra wurden einige Medien von Firmengruppen russischer Oligarchen
übernommen. Seit dem Amtsantritt von Präsident Putin wurden etliche
Medien von staatlich kontrollierten Holdings oder durch Tochterfirmen von
Staatskonzernen übernommen. Die drei wichtigsten Fernsehsender – ORT,
Rossija und NTW werden durch staatliche Konzerne (NTW – Gazprom,
ORT – Wneschtorgbank) oder durch den Staat direkt (RTR) kontrolliert. Die
Werbeeinnahmen sind aber für alle Sendergruppen eine primäre und
vorherrschende Teil des Budgets.
161
Liste der wichtigsten Fernsehsender in Russland:
Die Liste folgt den Angaben des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik
Deutschland, der britischen Fernsehgesellschaft BBC, den russischen, für
Medienmonitoring zuständigen Unternehmen Comcom und mediaatlas.ru,
sowie den Angaben der Forschungsstelle Osteuropa der Universität
Bremen.
In Klammern erfolgt zuerst die wöchentliche Reichweite in Prozent der
Gesamtbevölkerung Russlands (3. Quartal 2006) und dann die Nennung
der Eigentümer
-
-
-
Landesweit.
Erster Kanal (Reichweite 86,2 Prozent der Bevölkerung Russlands;
der Staat ist Mehrheitseigentümer),
Rossija (79,1 Prozent; Teil der staatlichen Medienholding
WGTRK),
NTV (60,8 Prozent; Mehrheitlich im Besitz der staatlich
kontrollierten Gasprom-Media,
Ren TV (31,2 Prozent; Lukoil beziehungsweise Wagit Alekperow)),
STS (55 Prozent; Besitzer: STS Media, an dieser sind beteiligt die
Alfa Group Michail Fridmans zu 26 Prozent, die schwedische
Modern Times Group zu 40 Prozent, 25 Prozent gehören anonymen
Kapitalgebern, 9 Prozent einer russischen KapitalinvestmentGesellschaft),
TNT (38,9 Prozent; Gasprom-Media).
Regional
TVC (19,4 Prozent; Moskauer Stadtverwaltung),
Kultura (18,6 Prozent; Teil der staatlichen Medienholding
WGTRK).
Quelle: Reichweiten der TV-Anstalten, gemessen von der Firma comcon
Die Fernsehformate, gerade in der Sparte Unterhaltung/Spiele, wurden a priori
ins Leben gerufen, um in ihrer Sendezeit (am besten in prime time) möglichst
viel Geld zu erwirtschaften. Viele Spiel-Shows werden extra für diese
kommerziellen Zwecke zusammengebastelt. Wenn das Pilot-Projekt für eine
Game-Show fertig ist, stellt sich die Frage der Finanzierung und kurz danach
schaltet sich schon eine Vermarktungsmaschinerie ein.
162
Die globale Medienwelt ist ohne Werbung
nicht
vorstellbar.
Im
Fernsehen
wie
nirgendwo sonst funktioniert die Formel
„Zeit ist Geld“. Die Sendungen sind in
regelmäßigen Abständen mit Werbeblocks
unterbrochen. Leider verdrängt dabei das
Kommerzielle das Kulturelle.
Die Werbung in den Quiz-Shows kostet heutzutage viel Geld. Je höher die
Einschaltquoten, desto effektiver (aber auch teurer) die Werbung.
In den USA sind die Quiz-Shows die umfassendste Massenerscheinung.
Sexuelle Skandale im Weißen Haus, Börsenaktien sind wesentlich weniger
populär im Vergleich zu den Quiz-Sendungen. Zum Beispiel, die
amerikanische Kultsendung „Who Wants To Be A Millionair“, die dreimal
wöchentlich in prime time ausgestrahlt wird, wirkt auf 22 Mio. Zuschauer wie
eine Lokalanästhesie. Das ist eine hervorragende Voraussetzung für den
manipulierenden Einfluss durch bunte schreiende Werbespots auf das
Unterbewusstsein der potentiellen Konsumenten (Verbraucher, Wähler,
einfach Leichtgläubige). Mit dem großen Geld (Gewinnen) werden die
Massen angelockt, um daraus noch mehr Geld zu machen. Es geht in jedem
Fall im Endeffekt auf Kosten des normalen Verbrauchers.
Mark Twain bezeichnete seinerzeit das kommende 20. Jahrhundert als Zeit der
Gier nach Geld. Das 21. Jahrhundert kann man als die Zeit des Schautriebes
nach dem großen Geld nennen. Viele Analysten erklären dieses Phänomen
durch die Abwendung der großen Zuschauermasse von den eintönigen
langweiligen Comedy-Shows mit den billigen „Unter Gürtellinie“-Scherzen
und von den dramatischen Serien überfüllt mit Horror und Gewalt. Das Quiz
kann man sich im Unterschied dazu mit der ganzen Familie anschauen. Die
Eltern müssen keine Sorgen haben, in diesen Sendungen gibt keine
Schlägereien, Blutvergießen, Mord, Sex usw. Diese Sendungen sind spannend
163
und erreichen mit einem Zuge viele Zielgruppen gleichzeitig. Deswegen
werden diese Sendungen mit der Werbung überflutet.
Bei der italienischen Version von „WWM“ zum Beispiel baut „Italia1“
Werbeblöcke in die Sendung ein, in denen der Moderator Gerry Scotti selbst
mitspielt. Er kündigt eine „piccola pausa“ an, eine „kleine Pause“, verlässt das
Studio nach rechts und landet in einem anderen Studio, in dem er von einer
natürlich hübschen jungen Dame empfangen wird, die ihm a) einen Teppich
b) eine Couch c) einen Rasenmäher verkaufen will. Ist das wunderbar
eingeübte Verkaufsgespräch vorbei, geht der Moderator wieder rüber ins
andere Studio zu seinem Kandidaten. Der hofft jetzt bei der nächsten Frage
auf 32.000 Euro. Die hat Gerry Scotti wahrscheinlich gerade locker in einer
Minute Werbung verdient.
Bei der russischen Version von
„WWM“ bot der Moderator Maxim
Galkin
dem
Nervosität
passend
Kandidaten
immer
eine
geschickt
Tasse
Tee
gegen
und
oder
Sprudelwasser von dieser oder jener
bekannten Marke an. Einige Zeit
(bevor dies durch neue Werbungsgesetze noch nicht verboten wurde)
bekamen
die
Quiz-Kandidaten
am
Spieltisch
nichts
anderes
als
alkoholhaltiges Bier, generalgesponsort von einer großen Brauerei. Danach
war das begehrte Getränk lange Zeit buchstäblich in aller Munde.
Die Werbeträger mögen ebenfalls das Quiz-Format. Oft werden die Rollen in
Werbespots mit den Stars- und Prominenten aus dem Bereich Showbusiness,
Musik. Politik usw. besetzt. Die Quiz-Sendung gucken alle – von 7-jährigen
bis zu 80-jährigen. So verfolgte eine 100-jährige Oma in den USA begeistert
das Spiel, in dem ihr Enkel versuchte, eine Million zu gewinnen.
Der Erfolg vieler Quizsendungen hat dazu geführt, ihn über das Fernsehen
(bzw. Radio) hinaus auch in Deutschland vermarkten zu wollen. Dies war
164
keineswegs neu. Bereits in den 70er Jahren wurden Shows entsprechend
vermarktet. Beispiel: Der Große Preis (alte Version mit Wim Thoelke): Wumund Wendelin-Figuren, Wum-Schallplatten ("Ich wünsch mir 'ne kleine
Miezekatze"), Spiel.
Die Show ,,Wer wird Millionär?" ist heute weltweit vermarktet. Sein Titel ist
Markenname geworden und garantiert inzwischen neben Brett- oder
Kartenspielen auch Computer-, Online- und jetzt ganz neu – Handy-Spielen
hohen Absatz.
Viele Quizmaster haben durch ihre Sendungen einen hohen Bekanntheitsgrad
erreicht, so dass sie unter ihrem Namen auch Produkte vermarkten konnten,
die nicht unmittelbar mit der jeweiligen Sendung in Zusammenhang standen.
Neue Formen des Quizes
Die Werbesendungen in Form eines Quizes, ein Werbequiz, die eine neue Art
der Umsetzung von Werbetechnologien darstellen, verbreiten sich in letzter
Zeit sehr aktiv. Das ist eine hervorragende Arena, um effektiv die
unterschiedlichsten Produkte, Marken und Dienstleistungen auf dem Markt zu
präsentieren.
Maximale Effektivität des Werbequizes wird erreicht:
• durch den breiten Zuschauerumfang – das Quiz kann auf mehreren zentralen
Kanälen gleichzeitig gesendet werden, incl. in prime time und mit den hohen
Einschaltquoten unter der gewünschten Zielgruppe.
• das Werbequiz unterscheidet sich prinzipiell von der normalen Werbung
dadurch, dass es dem Zuschauer ermöglicht, an dem eigentlichen
Werbeprozess teilzunehmen und Preise zu gewinnen. Der potentielle Kunde
merkt sich garantiert die hervordrängende Ware, den Namen der Firma oder
die angebotene Leistung.
• das Werbequiz kann zusätzlich in den Printmedien und im Internet platziert
werden.
165
Solche Werbesendungen sind sehr einfach und standardmäßig produziert. Die
Fragen sind entsprechend eines Kleinkinderverstands, die Preise nicht hoch,
aber scheinen leicht zu gewinnen zu sein. Die mehrkanalige Telefonie ist
dafür verantwortlich, dass möglichst viele kostenpflichtige Telefonate
gleichzeitig aufgenommen werden können. Eine Barbie-ähnliche BlondinenModeratorin ist verpflichtet, die Zuschauer zu den Anrufen mit allen
denkbaren und undenkbaren Mitteln zu animieren. (Im Spätprogramm
erscheint sie halbnackt – im Mini-Bikini-Badeanzug oder sogar topless.)
Auf solchen so genannten Call-in-Gewinnspielen ist zum Beispiel der
private deutschsprachige Fernsehsender 9Live spezialisiert.60 Er
finanziert sich praktisch durch diese Gewinnspiele und Werbung.
9Live bezeichnet sich selbst als Mitmachfernsehen oder Deutschlands erster
Quizsender. Das aktuelle Neun-Live Motto lautet, "Heute ist mein Tag".61
Der Marktanteil des Senders liegt derzeit bei 0,2 Prozent.62 Außer zur
Selbstnutzung produziert 9Live auch ähnliche Call-In-Shows für andere,
insbesondere der Senderfamilie ProSiebenSat.1 Media AG angehörige
Fernsehsender (ProSieben, Sat.1, kabel eins). Aber auch für externe Sender
und international; beispielsweise werden für einen türkischen TV-Sender CallIn-Formate produziert.
Im Jahr 2002 betrug der Umsatz von 9Live
60,6 Mio. Euro, im Jahr 2003 – 78,7 Mio.
Euro. Man geht von bis zu 20 Millionen
kostenpflichtigen Anrufen bei 9Live pro
Monat aus, wobei die Wahrscheinlichkeit
bei 1:2500 liegt, in das Studio durchgestellt
60
9Live ist ein privater deutschsprachiger Fernsehsender, der am 1.09.2001 aus dem Privatsender tm3
hervorgegangen ist. 9Live ist eine hundertprozentige Tochter der ProSiebenSat.1 Media AG.
61
http://de.wikipedia.org/wiki/9Live
62
http://de.wikipedia.org/wiki/9Live
166
zu werden. Von den Anrufkosten in Höhe von 0,50 Euro aus dem Festnetz der
Deutschen Telekom oder 0,70 Euro pro Anruf aus Österreich verbleiben bis
zu 70 % beim Sender.63
9Live-Geschäftsführerin, Christiane von Salm, zufolge ergeben die neuen TVInteraktionsmöglichkeiten
via
Telefon
eine
Vielzahl
neuartiger
Geschäftsmodelle: "Das Fernsehen ist entzaubert und wird mehr und mehr zu
einer Dienstleistung. Vor allem Quizfernsehen ist nichts anderes als ein
Gebrauchsartikel.
Und
dass
sich
hinter
dieser
neuen
Art
von
Transaktionsfernsehen Industrien positionieren, sei es die Reiseindustrie oder
Teleshopping, Partnervermittlungen oder Telekomunternehmen, das ist eine
unvermeidbare Entwicklung, an deren Schnittstellen neue Geschäftsmodelle
entstehen."64
Und noch eine Tendenz geht mit dem Vormarsch von Call-TV einher. Früher
wurde für bestehende Sendungen nach einem geeigneten Telefonanbieter
gesucht (meist T-Com). Heute gehen immer mehr Telefongesellschaften dazu
über, selbst ganze Programmflächen im Fernsehen zu erwerben und diese
dann mit eigenen interaktiven Programmformaten zu füllen. Dieser Trend
führt dazu, dass mehr und mehr Anbieter von Service-Rufnummern ins
Fernsehgeschäft einsteigen und/oder mit TV-Sendern kooperieren, z.B.:
- 9Live mit Talkline ID
- Tele5 mit Arcor (Vodafone)
- n-tv mit DTMS
- DSF mit Q1
63
64
markenlexikon.com: „Mitmach-TV statt Marken-Werbung im Fernsehen“, 8. Februar 2005
Christiane von Salm, "Fernsehen entzaubert" (Interview) in: WiWo, 36/2004, S. 63
167
Die folgende Übersicht verdeutlicht den aktuellen Anteil der Sendungen mit
Telefoneinwahl am Gesamtprogramm der führenden sechs Fernsehsender im
Jahr 2004:
Sender
Sendungen mit
Call-Ins (in %)
Beispiel mit höchster
Quote*
Zuschauer
(in Mio.)
Pro7
68
"Die Wok-WM" von "TV-Total "
4,80
RTL
49
"Wer wird Millionär?"
Sat1
34
"Genial daneben"
3,94
ZDF
33
"Wetten dass...?"
15,48
ARD
19
"Eurovision Song Contest"
11,11
RTL2
14
"Big Brother"
10,61
3,12
* ohne Sportübertragungen
Quelle: WiWo, 36/2004, S. 60
Allein bei "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!"
gingen beim ersten Finale rund 1,3 Mio. Anrufe
ein, die dem Sender 0,35 Mio. EUR Gewinn
einbrachten. Beim Finale von "Popstars" erhielt
Pro7 sogar mehr als 2 Mio. Anrufe und beim Finale
von "Deutschland sucht den Superstar" (1.Stafel – 2002-2003) gingen bei
RTL etwa 4,5 Mio. Anrufe ein, die Gesangsdarsteller Alexander Klaws zum
Sieger kürten und dem Sender als eigentlichem Gewinner der Sendung rund
1,2 Mio. EUR Profit bescherten, rund 1/4 dessen, was der Sender mit
klassischer Fernsehwerbung am selben Abend einnahm.65
Mit knapp 4 Mrd. EUR pro Jahr ist Fernsehwerbung in Deutschland für fast
alle Markenartikelhersteller noch immer erste Wahl, wenn es um die
Kommunikation ihrer Markenbotschaften gegenüber ihrer Zielgruppe geht.
Dennoch steckt die Fernsehwerbung aktuell in einem großen Dilemma mit
65
markenlexikon.com: „Mitmach-TV statt Marken-Werbung im Fernsehen“, 8. Februar 2005
168
schwer vorhersehbaren Folgen. Zum einen nehmen die Werbeeinnahmen ab,
zum anderen fordern die werbenden Markenhersteller ein ansprechenderes,
breiteres Umfeld für ihre Werbebotschaften. Unter diesen Bedingungen wird
es für die TV-Sender immer schwieriger, die hochwertigen eigenen TVFormate auf die Beine zu stellen. Stattdessen wird lieber mit immer denselben
Formaten gearbeitet (Reality-TV, Doku-Soaps, Retro-Shows) oder es werden
Serien und Shows aus dem Ausland kostengünstig eingekauft. Und mit CallIns werden von fast allen Sendern mittels interaktiver Gewinnspiele neue
Erlösquellen erschlossen.
Die Problemfelder der TV-Werbung in Deutschland im Überblick:
1) Sinkende Programmqualität
2) Abnehmende Werbeeinnahmen
3) Steigende Verbreitung von DVD- und Festplattenrekordern
4) Weitere Spartenkanäle
5) Zunehmend mehr Mitmach-Shows und TV-Gewinnspiele (Call-Ins)
Viele Markenverantwortliche großer Unternehmen sind zunehmend mit dem
ihnen angebotenen werblichen Umfeld, sprich dem Inhalt der Sendungen,
unzufrieden, wie die folgenden Aussagen beispielhaft verdeutlichen:
"Was in jüngster Zeit über die Bildschirme flackert, ist für uns immer weniger
als Werbeumfeld geeignet." Torsten Müller-Ötvös von BMW (Der Spiegel,
49/2004, S. 211)
"Die Sender werden von immer denselben Formaten verstopft, und die
Qualität bleibt auf der Strecke." Uwe Becker von Unilever (Der Spiegel,
49/2004, S. 210)
"Wir brauchen endlich wieder ein breites Umfeld für alle Zielgruppen."
Margret Buhse, Beiersdorf (Der Spiegel, 49/2004, S. 210f.)
169
Die abnehmende Programmqualität führt zunächst dazu, dass das Interesse an
Fernsehspots insgesamt nachlässt, im weiteren bei den weiterhin TV-Werbung
betreibenden Markenartikeln dazu, dass die Zahlungsbereitschaft für
Fernsehwerbung merklich abnimmt, wie auch die zurückgehenden TVWerbeeinnahmen deutlich machen.
Auch die zunehmende Verbreitung von DVD- und Festplattenrekordern, die
u.a. die Möglichkeit bieten, aufgenommene Fernsehfilme noch während deren
Ausstrahlung zeitversetzt anzuschauen, tragen ihren Teil dazu bei, den TVWerbemarkt für Markenartikelhersteller zunehmend unattraktiver werden zu
lassen. So wird es mit Festplattenrekordern immer leichter, Fernsehwerbung
vollständig
"zu
überspringen"
und
damit
deren
Reichweite
zu
unterminimieren, was mittelfristig weiteren Druck auf die Werbezeitenerlöse
haben dürfte.
Durch
die
Digitalisierung
des
Fernsehens
entstehen
zunehmend
Spartenkanäle, die durch Spots allein nicht überleben können.
Das Beispiel "tv.gusto"66 zeigt zugleich, dass sich die Zusammenarbeit
zwischen TV-Sender und Werbekunde zu verändern beginnt: "Manchmal
kommen Kunden (z.B. Lebensmittelkonzerne) mit Ideen zu uns, wie man ein
geeignetes Umfeld für Werbung schaffen kann." (Focus, 3/2005, S. 116) Jörg
Schütte (TV-Gusto-Gründer)
Mitverantwortlich für den "zweiten Kulturschock nach der Einführung des
Privatfernsehens" (Der Spiegel, 38/2004, S. 102), so NeunLive-Chefin von
Salm, sind so genannte "Call-TV"-Sendungen, die als Ausgleich für
abnehmende Werbeeinnahmen in immer mehr Sendern Einzug halten. Die
eigenen
Gewinnspiele
und
Mitmach-Shows
sind
auf
Interaktivität
66
„tv.gusto“ ist der erste und einzige deutsche TV-Sender rund um das Thema Essen und Genießen.
Mit Kochshows, kulinarischen Reportagen und Dokumentationen bietet „tv.gusto“ eine attraktive
Kombination von Information und guter Unterhaltung. Die Palette der Inhalte reicht von Großmutters
Küche bis zur Spielshow, in der Hobbyköche gegen Profiköche antreten.
170
mit dem Zuschauer via gebührenpflichtigen Anruf ausgelegt und erzielen über
0137-Servicenummern im Schnitt 49 Cent pro Anruf ("Call-In"), von denen
27 bis 34 Cent beim Sender verbleiben.
Und solange hierdurch mehr Geld verdient wird als durch den Verkauf reiner
Werbezeiten an Markenhersteller, werden TV-Gewinnspiele, Televotings
(z.B. Wahl von "Superstars" und "Dschungelkönigen" auf RTL) oder sonstige
Mehrwertdienste (z.B. Servicenummern bei "WISO" im ZDF) weiter
zunehmen und mehr und mehr zum festen Programmbestandteil werden, wie
auch die Einschätzung von Jürgen Doetz, Präsident des VPRT (Lobbyverband
der Privatsender) deutlich macht: "Auf Werbung alleine kann sich heute kein
Sender mehr verlassen." (WiWo, 36/2004, S. 60)
Vorreiter war und ist Mitmachsender "NeunLive", der sich mit billig
produzierten Quizsendungen und kaum zu durchschauenden Regeln zu fast
100% aus Zuschaueranrufen finanziert und dessen Geschäftsführerin
Christiane zu Salm sogar so weit geht, vorherzusagen, dass "das Call-TV bei
den Erlösen der Sender jenseits der Werbung den Löwenanteil ausmachen
[wird]" (WiWo, 36/2004, S. 60).
Von den monatlich bis zu 20 Mio. Anrufen wird via "Vorzählfaktor" nur ca.
jeder 25. Anruf in die Sendung durchgestellt. Dank Echtzeit-Reportings sind
Moderator(in) und Regie jederzeit genaustens darüber informiert, wie viele
Zuschauer gerade anrufen und können auf diese Weise die Spiele
gewinnoptimierend verkürzen oder ins Endlose verlängern. Bei 49 Cent pro
Anruf, von denen mindestens 30% bei Talkline und bis zu 70% beim Sender
verbleiben, lassen sich so monatlich bis zu 7,0 Mio. EUR Umsatz
erwirtschaften, bei Gewinnprämien unterhalb 1 Mio. EUR (z.B. 880.000 EUR
im Juli 2004). 2003 erzielte NeunLive einen gegenüber 2002 um 30% auf 78,7
Mio. EUR gestiegenen Umsatz bei einem Vorsteuergewinn von 29,3 Mio.
EUR, dreimal so viel wie 2002. Von einer Umsatzrendite von 37% können
andere Sender bis dato nur träumen, wenngleich bereits fas alle Sender damit
begonnen haben, das "Call-TV"-Prinzip zu kopieren. So geht die ARD davon
171
aus, neben rund 5 Mrd. EUR GEZ-Gebührengeldern durch Telefonanrufe zu
TV-Gewinnspielen 2004 rund 11 Mio. EUR zu erlösen und RTL erzielte
bereits 2003 rund 15% des Gesamtumsatzes mittels dieser so genannten
"Diversifikations-Geschäfte".
Im Gegensatz zu dem deutschen Werbemarkt nehmen die Werbeeinnahmen
momentan im russischen Fernsehen erst ihren Anlauf. Diese vorteilhafte
Situation auf dem Werbemarkt ist dem starken wirtschaftlichen Aufschwung
im Land und dem wachsenden Einkaufspotenzial der Bürger zu verdanken.
Die Tendenz ist steigend.
Die ersten registrierten Erfolge der Werbungsindustrie im russischen
Fernsehen wurden im Jahr 1992 veröffentlicht. Sie waren mehr als
bescheiden: 10 Mio. Dollar. In zwei Jahren erreichten die Gewinne von der
Werbung schon 250 Mio. Dollar.67 Die weiteren 8 Jahre brachten sowohl
Aufstiege, als auch Abstürze mit sich.
Anfang der 90er Jahre kam in Russland die Privatisierung und damit die
„goldene“ Zeit für die so genannten Finanzpyramiden – Aktiengesellschaften,
die, wie es später aufgedeckt wurde, viele Anleger um Millionen betrogen
hatten. In den 90er Jahren wurden in Russland 1700 Finanzpyramiden gebaut.
Die Organisatoren, so wie Sergej Mawrodi von „MMM“ gaben immense
Summen für ihre Errichtung aus, nicht zuletzt für Werbung.
Die
massive,
geschickt
organisierte
Werbung
beim
„MMM"-
Schwindelgeschäft hat eine verhängnisvolle Rolle gespielt. Denn hinter der
„MMM" stand kein ernsthaftes und hochrentables Business: weder
Erdölförderung, noch Ausbeutung von Gasvorkommen, noch Hüttenwerke,
noch Uranbergwerke oder Goldminen. Es waren aber immense Gewinne den
„MMM"-Einleger versprochen worden - nämlich bis zu 1000 Prozent der
Jahreszinsen.
67
Время - деньги (рынок телевизионной рекламы России).
Коломиец Виктор Петрович// Рекламные технологии.2003. № 2, с. 2-5
172
Nachdem diese Aktiengesellschaften eine nacheinander wie Luftballons
zerplatzten, hat die russische Werbeindustrie 1995 einen tiefen Schlag erlitten.
Dazu trug auch die von Gorbatschows Antialkohol-Kampagne geschädigte
Tabak- und Alkoholindustrie bei. So hat die Werbeindustrie ihre
Hauptwerbeträger verloren. Die Werbezeit ist stark gesunken (bis 1527
Stunden im Jahr), die Geldeinnahmen auch (bis 200 Mio.) Die führenden
Positionen auf dem Werbemarkt nahmen sofort die ausländischen
Werbeträger ein, die ihre führenden Positionen in der Werbebranche bis heute
behalten haben.
1997 betrugen die Werbeeinahmen im Fernsehen 550 Mio. Dollar für 2,5
Tausend Werbestunden. In 5 Jahren (seit der ersten Registrierung der
Werbeeinnahmen im Fernsehgeschäft) stiegen die Kapazitäten um 55 Mal,
trotz Unzufriedenheit seitens der Zuschauer, die von den überflüssigen
Pampers-, Slipeinlagen- und Snickers-Werbespots überströmt wurden. Dabei
wurden die Werbezeiten im damaligen Russland gesetzlich noch nicht
geregelt.
Als Anfang der 90er Jahre die ersten Werbeblocks ins russische Fernsehen
kamen, versuchte der Moderator der Kapital-Show „Feld der Wunder“
Jakubovich die Werbepausen besonders schmackhaft zu machen. Aus jeder
Ankündigung machte er ein kleines lustiges Spektakel. Seine berühmen
Werbepausen (Рекламная пауза) sind zum Markenzeichen der Show
geworden. Manchmal durften die Spieler selbst die heißersehnte „ReklamePause“ aussprechen. Besonders die Kinder, die mit ihren Spieler-Eltern oder
Großeltern im Studio an der Spieltrommel standen, wurden gefördert. Sie
durften ein Ständchen im Vorfeld der Werbepause singen, ein Tänzchen
ausführen oder ein Gedicht rezitieren. Die Platzierung eines Werbespots in
dieser Sendung war immer begehrt und die Preise für die Werbeträger waren
und bleiben immer noch hoch.
Schon heute ist ein klarer Trend festzustellen, wonach die Werbetreibenden
immer näher an – teilweise sogar -– in die Sendungsformate drängen, um dem
173
Zapping-Phänomen entgegenzusteuern. Einer aktuellen Umfrage in den USA
zufolge verfügen 20 Prozent der Haushalte über digitales Fernsehen, wovon
80 Prozent bereits die neueste Generation der Digitalrecorder nutzen, um
Werbeblocks auszublenden.68 Es liegt auf der Hand, dass es hier zu einer
Umverteilung des Kommunikationsetats zu Gunsten der Sonderwerbeformen,
des Product Placements und des Sponsorings kommen wird.
Im Gegensatz zum deutschen Fernsehen, wo bis heute Product Placements
offiziell verboten ist und als Schleichwerbung bezeichnet wird, findet diese
Form der TV-Werbung reibungslos und erfolgreich ihren Platz in
unterschiedlichen russischen Sendungen und am häufigsten in Serien und
Filmen.
Die Werbetreibenden wollten vor allem der Gestaltung und Platzierung ihrer
Botschaften und Werbeflächen mehr Bedeutung beimessen, damit ihre
Werbung (sprich Geld) nicht wirkungslos verpufft. Schätzungsweise sind rund
40 Prozent der Werbebotschaften immer noch im TV optimierbar. Aber nicht
alles ist gleichermaßen geeignet, via TV transportiert zu werden.
Heutzutage entwickelt sich weltweit noch eine neue, aber deutliche Tendenz:
die Werbeeinnahmen in der Fernsehbranche sinken und fließen ins Internet
hinüber. Immer mehr große Unternehmen planen, ins Internet-TV
einzusteigen. Es fehlen noch einige technische Voraussetzungen, aber es wird
daran intensiv gearbeitet. So hat die Korporation „American Express“ ihre
Werbestrategie geändert und bereitet ein unterhaltsames Content im Internet
vor, unter anderem eine Show mit Jerry Seinfeld, dem bekannten
amerikanischen Schauspieler, Comedian und Autor.
Die neuen Kommunikationstechnologien gewinnen weiter an Attraktivität.
Das Internet hat schon bewiesen, dass es eine Hauptinformationsquelle für den
zukünftigen Konsum darstellen wird. Die Schnelligkeit, die Effektivität des
Internets und die Umfangbreite seiner Benutzer (potentiellen Konsumenten)
überschlagen alle Auswertungen im Fernsehen mehrfach. Das Management
68
MEDIAGRAMM 01/2005: Was ist das Fazit des Sportjahres 2004? S.22
174
von „American Express“ setzt nicht mehr aufs Fernsehen, sondern auf neue
Technologien: Wenn im Jahre 1994 „American Express“ 80% ihres
Werbebudgets für Fernsehen stiftete, bleiben 10 Jahre später knapp 35% dafür
übrig.69
3.6. Einschaltquoten
Es ist eindeutig, dass ein Fernsehkanal mehr Geld heranziehen kann, wenn
- seine Sendungen hohe Einschaltquoten
(oder TV-Zuschauerinteresse) erzielen,
- mehr Werbezeit zur Verfügung steht,
- die Werbepreise dementsprechend hoch sind.
Diese drei Merkmale sind eng mit einander verbunden. Dennoch sind die
Einschaltquoten heutzutage eine bedingungslose Dominante, nur sie diktieren
die Preise und Platzierung der kommerziellen Werbespots.
Was beliebt ist, bringt auch hohe Quoten und Einnahmen. Kein Mensch sieht
auf Dauer, was ihm nicht gefällt. Das Medienangebot regelt sich weltweit
immer noch über die Einschaltquoten und Hitlisten.
Einschaltquoten, auch Ratings genannt, werden in Deutschland seit 1985 von
der GfK, das ist die Gesellschaft für Konsum-, Markt- und Absatzforschung in
Nürnberg gemessen. Die Auftraggeber sind ARD, ZDF, RTL, SAT.1, Pro
Sieben, Kabel 1 und RTL 2. Die Kosten, jährlich rund 35 Millionen DM,
werden von den Fernsehsendern und den Firmen der Werbewirtschaft
gemeinsam getragen. Die GfK arbeitet mit einer repräsentativen Auswahl aus
allen Bevölkerungsschichten. 1998 sind 4.760 ausgewählte Haushalte (ohne
die Ballungsräume) des gesamten Bundesgebiets im Beobachtungspanel,
69
Дмитрий Прокудин Advertology.ru 16.02.2004 по материалам Adage.com
175
insgesamt rund 11.000 Personen.70 Seit 1995 ist das Panel auf Zuschauer ab
drei Jahre erweitert (in Russland ab vier Jahre), um das Kinderpublikum
besser in den Werbegriff zu bekommen. Der Zentralcomputer hat
Informationen
über Alter,
Einkommen,
Schulbildung
und
Konsum-
gewohnheiten der Teilnehmer gespeichert.
Die Haushalte beziehungsweise Personen des Panels entsprechen in ihrer
Verteilung dem Bundesdurchschnitt des Anteils von Frauen und Männern,
Alten und Jungen, verschiedenen Einkommensgruppen, Mehr-PersonenHaushalten, Single-Haushalten et cetera. Eine Person entspricht etwa 6.455
Menschen der Gesamtbevölkerung. Die circa 7,3 Millionen Ausländer sind im
Panel nicht enthalten, weil sie nicht, wie die deutschen Haushalte, auf der
Basis von Wahl-Statistiken ausgewählt werden können. Ab 1999 werden sie
in einer Extra-Stichprobe untersucht.
Die Fernsehapparate der ausgewählten Haushalte sind mit einem Messgerät
versehen. Das Gerät, „Peoplemeter“, also Volks-Vermesser oder „GfK-Meter“
genannt, misst, sobald ein Panelmitglied sich über die Fernbedienung
einschaltet,
in
jeder
Sekunde
dessen
Ein-
und
Umschalten
der
Fernsehprogramme. Es misst auch die Nutzung von Videotext und
Videorecorder. Das Messgerät schickt die Daten nachts über die
Telefonleitung an den Zentralcomputer der GfK.
Alle Daten des Vortages stehen am nächsten Morgen den Redaktionen und
Werbeagenturen zur Verfügung. Die von der GfK gemessenen Daten dienen
als
Grundlage
für
die
Berechnung
von
Werbepreisen
und
für
programmbezogene Analysen. Aus den Berechnungen der GfK ergeben sich
die Werte Fernsehnutzung, Sehdauer und Marktanteile.
Die Einschaltquote ist nach Programmen und Sendungen differenzierbar.
70
Dieter Prokop „Warum Einschaltquoten und Hitlisten kein demokratisches Bild der
Publikumswünsche ergeben» (http://www.medienrezeption.de)
176
Die Einschaltquote (Zuschauerzahl) ist die Zahl (oder der Prozentsatz) der
Haushalte, die während einer Sendung oder während eines bestimmten
Zeitraums
entsprechen
den
Fernseher
eingeschaltet
Reichweiten
auf
hatten.
Haushaltsebene.
Die
Das
Einschaltquoten
wird
auch
Haushaltsreichweite genannt.
Interessanter für die Werbebranche ist eine besondere Art von Einschaltquote,
die Reichweite bei speziellen Zuschauergruppen, man nennt diese speziellen
Reichweiten auch „Ratings“. (nach dem amerikanischen Messverfahren von
Nielsen Ratings)71
Wenn von 100 Mio. bei 50 Mio. Zuschauern der Fernseher eingeschaltet ist
und 15 Mio. davon einen bestimmten Kanal (Programm) ansehen, beträgt die
Einschaltquote dieses Kanals (Programms) runde 30%.
Der Marktanteil ist der Anteil eines Kanals oder einer Sendung an zeitgleich
zusehenden Zuschauern. Der Marktanteil ist vor allem für die Chefs der
kommerziellen Kanäle wichtig.
Wenn von 100 Mio. 20 Mio. Zuschauer während eines bestimmten Zeitraums
einen bestimmten Kanal (Programm) ansehen, beträgt sein Marktanteil 20%.
Die Mediaplaner der Werbeagenturen haben die Einschaltquoten der
Programme und der Werbeblöcke vor sich und wissen auch, wie das Publikum
strukturiert ist. Sie vergeben keine Aufträge, wenn ihre Zielgruppen nicht zu
den Zuschauern gehören. Oder wenn die Zuschauer eines Programms aus zu
vielen verschiedenen Zielgruppen bestehen. Denn jeder Kontakt kostet.
Die Programmdirektionen betrachten keine neuen Sendungsvorschläge oder
nehmen keine TV-Formate, wenn sie ihrem Programmkonzept nicht
entsprechen, bzw. nicht für die „spezifischen Zielgruppen“ angepasst werden
können, die die Auftraggeber von Werbespots wünschen. Immer öfter richten
Programmdirektionen Spartenkanäle ein: Kanäle für potentielle Käufer von
71
Von „http://de.wikipedia.org/wiki/Einschaltquote“
177
Sportartikeln, Kanäle für Kinder und junge Leute, Frauenkanäle. Alle haben
nur ein Interesse: den Werbeagenturen die gewünschten Zuschauergruppen zu
verkaufen.
Die Preise für die Sendung eines Werbespots sind unterschiedlich. Ein 30Sekunden-Werbespot im deutschen Abendprogramm kostet Ende der 90er
Jahre circa 80.000 bis 100.000 DM, in den USA kostet ein 30-Sekunden-Spot
in einer erfolgreichen Primetime-Fernsehserie bis zu 600.000 Dollar, in einer
„Superbowl“-Übertragung eine Million Dollar.72
Entscheidende Größe ist der Tausender-Kontakt-Preis. Das ist der Preis, den
die Werbeagenturen für 1.000 Personen zahlen müssen, die zur Sendezeit
ihrer Werbung fernsehen. Der Preis hängt allein davon ab, wieviele Zuschauer
zur jeweiligen Sendezeit zu erwarten sind. Je mehr Kontakte, desto niedriger
kann der Preis für jeweils 1.000 Kontakte sein. Allerdings ist der TausenderKontakt-Preis nicht alles. Ist eine spezielle Zielgruppe gewünscht, hängt der
Preis vom Anteil der speziellen Zielgruppe ab, zum Beispiel der
Traumzielgruppe der Werbung: Männer bis 25 Jahren und einem
Monatseinkommen über 12.500 €. Oft nimmt ein Mediaplaner einen höheren
Tausender-Kontakt-Preis in Kauf, wenn die Zielgruppe, die er erreicht,
optimal für sein Produkt ist. Wirbt er zum Beispiel für turbogestylte
Turnschuhe, ist ein Werbespot in einem Musik-Spartenkanal mit speziell
jugendlichem Publikum sinnvoller als in einem „normalen“ Kanal, selbst
wenn im Spartenkanal die Einschaltquote niedriger ist.
Trotz aller kommerziellen Interessen werden die Einschaltquoten immer
ignoriert, wenn mit einem besonders kaufkräftigen Publikum argumentiert
werden kann. Dann wird nicht mehr mit der Menge, sondern mit der
„Qualität“ der Zuschauer argumentiert, dass zum Beispiel eine Sendung vor
allem von Jugendlichen gesehen wird, die frühzeitig zum richtigen
Markenbewußtsein erzogen werden müssen, oder dass einige der Zuschauer
zur großartigsten aller Zielgruppen gehören, den bereits erwähnten Jung72
Warum Einschaltquoten und Hitlisten kein demokratisches Bild der Publikumswünsche ergeben,
Dieter Prokop
178
Dynamikern mit einem Monatseinkommen über 12.500 €, deren Leben
angeblich ein einziges Konsumziel ist.
Das Problem der quantitativen Zielgruppen ist nämlich, dass vor dem
Fernseher zum großen Teil Menschen mit einem minimalen Einkommen
sitzen, Arbeitslose und Rentner, Hausfrauen der Unterschicht. Ihre
Möglichkeiten, sich Alternativen zum Fernsehen zu suchen, sind gering, sie
sind auf kostenlose Unterhaltung angewiesen.
Natürlich stimmt es, dass auch die öffentlich-rechtlichen Anstalten den Erfolg
ihrer Sendungen an der Höhe der Einschaltquoten messen, schließlich
finanzieren sie sich in ständig steigendem Anteil aus Werbeeinnahmen. Sie
übernehmen von kommerziellen Firmen Programme, und sie verkaufen selbst
Programme. Auch die innerbetriebliche Konkurrenz der Redaktionen regelt
sich über Einschaltquoten. Auch die Politiker achten auf die Einschaltquoten:
Wer die höchsten Einschaltquoten bietet, bekommt zuerst die begehrtesten
Politiker. Deshalb zeigen sich Politiker lieber im Sportstudio als bei einer
Bundestagsdebatte.
Die Industrie schaltet Werbung und zahlt entsprechend, von der private
kommerzielle Sendeanstalten nahezu ausschließlich und öffentlich-rechtliche
teilweise leben. Je höher die Einschaltquoten einer Sendung sind, desto
begehrter und dementsprechend teurer ist die Platzierung der Werbung
während und im Rahmen ihrer Sendezeit.
Die Quizsendungen und Game-Shows sind ein gewinnsicheres Format für alle
Werbeinteressierten. Sie sind zum integralen Bestandteil des Fernsehalltags
geworden. Die beständige Anwesenheit von Quizsendungen und Game-Shows
in allen Programmen ist dadurch erklärbar, dass sie (besonders die populärsten
Reihen) kontinuierlich und regelmäßig hohe Zuschauerzahlen erbringen
(übrigens
nicht
die
höchsten).
So
findet
man
in
den
täglichen
Zuschauerranglisten häufig Game-Shows und Quizsendungen auf den ersten
Plätzen, nicht aber in den entsprechenden Jahreslisten. Dort dominieren
beispielsweise
im
Jahr
2006
Fußballübertragungen
(von
der
179
Weltmeisterschaft), die Folgen von populären Serien und Spielfilme. Für die
Werbeträger ist aber der einmalige Publikumserfolg weniger von Bedeutung
als der kontinuierliche, der allgemein die Höhe der Werbeeinnahmen
bestimmt. Dies spornt sowohl die Konkurrenz zwischen den öffentlichrechtlichen Programmanbietern als auch die Konkurrenz zwischen öffentlichrechtlichen und privaten Anbietern an. Einmal (zu einer guten Sendezeit,
prime time) 60% aller potentiellen Kunden-Zuschauer zu erreichen, ist zwar
gut, besser ist jedoch, wenn an diesem Sendeplatz regelmäßig zuverlässig
wenigstens 40% erreicht werden73.
Die Einschaltquoten sind das Barometer der Popularität beliebiger
Fernsehformate.
Woraus besteht die Popularität des Spiels, sein Erfolg und seine
Anerkennung?
Im Glossarium von D. N. Uschakov hat das Wort „Popularität“ zwei
Bedeutungen:
• Fassbarkeit der Darstellung (Transparenz), Einfachheit
(die 1.Bedeutung);
• Bekanntheit, öffentliche Anerkennung (die 2.Bedeutung).74
Das heißt, dass das Format einfach und verständlich sein soll, dann kann es
geschätzt werden. Man soll in einer Sprache mit dem Zuschauer
kommunizieren, sonst gibt es keinen Sinn.
Der Erfolg einer Spiel-Show im großen Maß liegt in der Einfachheit der
Spielregeln. Der Zuschauer soll schon in der ersten Sendung diese Regeln
verstehen und intuitiv ihre Gerechtigkeit und Harmonie erkennen. Die
73
Gerd Hallenberger, Die Quiz- und Game-Show-Zuschauer. Anmerkungen zu den GFKZuschauerzahlen der 1986 von den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten ausgestrahlten Quiz- und
Game-Show-Reihen, Arbeitshefte Bildschirmmedien 9, 1989
74
Толковый словарь русского языка. Под ред. Д. Н. Ушакова (Glossarium von D. N. Uschakov)
180
überflüssigen Elemente, so wie Manipulationen mit irgendwelchen Hebeln
(„Russisch Roulette“) oder mit den anderen gruseligen Mechanismen, können
nur Abneigung hervorrufen.
Die Fassbarkeit der Darstellung ist aber nur ein Fundament der Popularität.
Das Gebäude muss nun noch gebaut werden. Wir müssen uns den
hypothetischen Zuschauer gut vorstellen können, er hat aber Tausende
Gesichter. Und jedes Gesicht muss im Format etwas Anziehendes für sich
finden. Es soll dabei kein Durcheinander herauskommen, was für Regisseure
oft eine Lösung ist. Nein, in einem Spiel, in einer Struktur, in einem Format
muss jeder Zuschauer das finden, was ausgerechnet nach seinem Geschmack
präzise serviert wurde. Dann werden alle zufrieden sein.
Es gibt bestimmte allgemeine Regeln, die bestimmte Zuschauergruppe
heranziehen:
1) Im Spiel muss ein reiner Wettbewerb, ein Spieleifer sein. Nur in
diesem
Fall sitzen die Spielfreunde vor dem Bildschirm wie gefesselt.
2) Das Spiel muss nach den dramaturgischen Gesetzen aufgebaut werden:
unerwartete Änderung des Sujets, Aufstieg und Absturz der Spielenden, mit
perfekter Intrige. Dann gewinnen Sie die Freunde von allen Arten der
dramatischen Kunst, Theater und Film.
3) Im Spiel muss es nichts Künstliches geben, viel Improvisation und
Spontaneität, genauso wie das Leben selbst. Dann sind diejenigen einbezogen,
die eigene Schlussfolgerungen daraus ziehen wollen, was sie sehen und hören.
4) Das Spiel muss mit den modernen Rhythmen durchgedrungen werden. Es
muss dynamisch sein. Es geht nicht nur um musikalische Einschlüsse, sondern
auch um die „Musik der Formen“, um das Regie- und dramaturgische Denken.
Damit werden die Zuschauer erobert, die ihr Leben nach den Rhythmen der
heutigen Zeit richten.
181
5) Das Spiel soll eine Grundregel erfüllen: In Minimum Zeit – Maximum
Information. Keine leeren Worte, keine überflüssigen Erklärungen, die keiner
braucht. Umgekehrt – direkte Antworte auf direkte Fragen, für die sich die
Zuschauer interessieren.
6) Intelligente Leute verfolgen immer neue Informationen und versuchen sie
auch im Spiel zu finden. Gelingt es, sind sie voll dabei.
Diese Aufzählung von Zuschauergruppen kann man weiter fortsetzen. Das
wichtigste ist, dass jede von ihnen in diesem Spiel sich selbst finden soll. Wie
der Stein, der ins Wasser fällt und viele Kreise um sich herum bildet, bedeutet
jeder Kreis ein Zuschauerinteresse. Wieviel Kreise braucht man, um die
Popularität zu erreichen?
Sogar ungeplante Kuriositäten im Spiel tragen zu seinem Popularität bei.
Kuriositäten bei WWW in Deutschland:
• Der Moderator von WWW, Günther Jauch, hat für jede Auswahlrunde drei
Fragen bei sich. Es ist mal vorgekommen, dass keine der Fragen beantwortet
wurde und Jauch spontan eine vierte Frage sich ausdenken musste. (Zitat von
Günther Jauch: Ich sag's, wie's is', ich hab' keine Fragen mehr! Was wollen
Sie für Fragen? – Ordnen Sie nach dem Alphabet: A, B, C, D.)
•
In einer Folge schieden nacheinander drei Kandidatinnen bei der zweiten
Frage aus, die vom Schwierigkeitsgrad eigentlich nur zum Aufwärmen
gedacht ist. Jauch nannte dieses Ereignis „Blondinenkegeln“.
• Diverse Male gab es Fehler beim Anrufen des Telefonkandidaten. Häufig
entwickelte sich daraus ein nettes Gespräch zwischen Jauch und der
überraschten Person am anderen Ende der Leitung. Einmal war am anderen
Ende der Leitung auch ein Anrufbeantworter zu hören.
182
• Bis ungefähr zur 500-Euro-Frage werden immer wieder kuriose
Doppeldeutigkeiten thematisiert. Beispielsweise wurde am 11. Januar 2008
gefragt: „Bei welcher Gartenarbeit sollte ein Pyrotechniker auf seine gelernte
Arbeitsweise verzichten?“ Antwortmöglichkeiten: Rasen sprengen, Unkraut
jäten,
Hecken
schneiden,
Beete
anlegen.
Natürlich
wird
auf
die
Doppeldeutigkeit des Wortes sprengen („explodieren lassen“ und „beregnen“)
angespielt.
• Vergisst ein Kandidat bei der Auswahlfrage, die „OK-Taste“ zu drücken,
gibt aber ansonsten eine richtige Antwort ein, so wird er mit der Maximalzeit
von 20 Sekunden gewertet. Es ist bereits mehrmals vorgekommen, dass ein
Kandidat auf diese Weise auf den Stuhl kam, weil niemand anderes die
richtige Antwort gegeben hatte.
• Im Februar 2005 konnten zwei Kandidaten eine Auswahlfrage auf die
hundertstel Sekunde genau gleich schnell richtig beantworten. Es folgte ein
Stechen zwischen diesen beiden Kandidaten. Da sie die folgende
Auswahlfrage nicht gleich beantworten konnten, musste eine weitere
Auswahlfrage herhalten. Dadurch dauerte es einige Zeit, bis endlich der
nächste Kandidat bestimmt werden konnte. Dieser gewann in der Folge
32.000 Euro.
• Beim Prominentenspecial vom 22. November 2007 wurde eine EineMillion-Euro-Frage gestellt („Was kreierte der Belgier Luc Luycx? A: OscarStatue B: Schlümpfe C: Euro-Münzen D: Atomium“) und das Publikum per
Abstimmung befragt. Es wurde hier von Günther Jauch behauptet, das
geschähe zum ersten Mal. Tatsächlich wurde aber am 14. Dezember 2001 in
einer regulären Sendung bereits das Publikum für eine Eine-Million-MarkFrage bemüht („Für was steht das "D" in D-Zug? A: Direkt B: Drehstrom C:
Durchgang D: Durchfahrt“). Bei beiden Fragen war die Antwortmöglichkeit C
richtig.
183
• Am 3. März 2008 verwechselte eine Kandidatin die Stühle und setze sich auf
den Platz von Günther Jauch. Er spielte daraufhin bis zur 500-Euro-Frage und
ließ die Kandidatin moderieren.
Kuriositäten aus der weiten Welt
Manchmal kann es bei den Quizfragen zu grausamen Absurditäten kommen.
So in China, laut russischer Nachrichtenagentur РИА „Новости“ 75 vom
27.09.2004, wurde in einem zentralen Kanal mitten einer NachrichtenSendung Today´s, die über das Geiseldrama in Beslan berichtete, eine QuizFrage gegen Preis gestellt: Wieviel Menschen wurden in Beslan ermordet? Es
sind viel Varianten angeboten worden: von 302 bis 402.
Es sind auch manche Manipulationsversuche aus der Geschichte des QuizFormates bekannt.
Aber man sagt: Auch schlechte Werbung ist Publicity.
Manipulationsfälle
So startete im November 1953 im deutschen Fernsehen die Rate- und
Geschicklichkeitsshow „Er und Sie“, bei der Kandidaten aus dem
Studiopublikum aufgrund der Nummer ihrer Eintrittskarte ausgewählt wurden.
Spielleiter war Hans-Peter Rieschel. Die erste Sendung verlief katastrophal.
Ohne präzise Regie, umständlich erklärt und angesagt und von bizarren
Situationen bedroht, quälte sich die Sendung mühsam durch die Zeit. Trotz
ansehnlicher Geldpreise kam das Publikum nur zögernd zum Mitmachen auf
die Bühne. Deshalb platzierte Rieschel für die zweite Folge im Voraus
gewählte Kandidaten mit präparierten Eintrittskarten im Publikum. (Sie waren
allerdings über den weiteren Spielverlauf nicht informiert.) Im Nachhinein
wurde Rieschel vom NWDR (dem Vorläufersender von WDR und NDR)
entlassen und die Sendung abgesetzt.
75
RIA Novosti – Russische Nachrichten-Agentur NOWOSTI
184
In der englischen Version der Show „Wer wird Millionär?“ gewann am 10.
September 2001 Charles Ingram den Hauptpreis. Bei der Überprüfung der
Aufzeichnung stellte sich heraus, dass ein Helfer im Publikum Ingram durch
Husten bei den Antworten geholfen hatte. Ingram erhielt das Geld nicht, er
wurde stattdessen angezeigt und 2003 zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.
2006 schaffte es Reinhold Schlager unter falschem Namen ein zweites Mal
auf den Stuhl der RTL-Quizshow „Wer wird Millionär?“ Schon 2003 hatte er
sich unter dem falschen Namen Luis Meyer für die Show beworben, aber nur
500 Euro gewonnen. Die Namensfälschung war damals niemandem
aufgefallen. Der niedrige Gewinn hätte ihn so geärgert, dass er sich
regelwidrig
ein
zweites
Mal
beworben
habe,
erklärte
er.
Die
Sendungsverantwortlichen haben den Spieler, der zufällig von einem
Zuschauer wieder erkannt wurde, nachträglich disqualifiziert und zahlten den
Betrag von 64.000 Euro nicht aus. Die verbliebenen Kandidaten der Show
vom 10. April 2006 bekamen am 8. Mai 2006 eine zweite Chance.
Dem Call-In-Sender 9Live wird von Zuschauern wegen vermuteter
willkürlicher Regelauslegungen und angeblicher Manipulationen an den
eingeblendeten Grafiken immer wieder Betrug vorgeworfen.
Verdacht auf Schleichwerbung
In der Sendung vom 8. Dezember 2006 fragte Jauch nach einem –
körpereigenen – Wirkstoff, der als Anti-Falten-Mittel Verwendung findet. In
der folgenden Werbepause zeigte RTL einen Spot für eine Creme mit genau
dieser Substanz. RTL bestritt einen Zusammenhang zwischen Frage und
Werbespot; die für RTL zuständige niedersächsische Landesmedienanstalt sah
darin ebenfalls keine Schleichwerbung und wertete das Vorkommnis als
Zufall.
185
«Wer wird Millionär?» als Sorgenkind
In der letzten Zeit ist «Wer wird Millionär?» in Deutschland zum Sorgenkind
von RTL geworden. Trotz hoher Ratings verliert das Quiz mehr und mehr
Zuschauer. Eine der Erklärungen: die Kandidaten wollen nicht auf Risiko
gehen und bis zum Ende spielen. Diese Position der Kandidaten enttäuscht die
Zuschauer. Das Spiel erfüllt nicht mehr seinen eigentlichen Sinn und sein Ziel,
dadurch geht der Reiz an der Show in den Augen der Zuschauer verloren.
WWM-Einschaltquoten in Deutschland:
Show/
Staffel
Datum
Durchschnittl.
in Mio.
> 3 Jahre
Durchschnittl.
MA Gesamt in
%
Durchschnittl.
MA 14-49
in %
Staffel I
3.9.- 9.9.1999
4,64
19,8 %
26,6 %
Staffel II
27.1.-7.2.2000
8,31
26,0 %
35,7 %
Staffel III
26.5-10.6.2000
7,11
29,9 %
39,0 %
Staffel IV
31.8.- 9.9.2000
8,15
29,8 %
37,4 %
Staffel V
6.10. 25.12.2000
10,02
32,3 %
39,53 %
Quelle:http://www.rtl.de/rtlworld.html?page=http://www.rtl.de/werwirdmillionaer.html&ba
nner=/world/shows/wer_wird_millionaer/home&Color=150050
WWM gehört mittlerweile zu den "ältesten" RTL-Sendungen (seit 1999
ausgestrahlt – 7 Jahre!). Inzwischen meiden die jüngeren Zuschauer den
Dauerbrenner immer häufiger. Schon mehrfach berichtete Quotenmeter.de
über die immer stärker werdenden Quotenprobleme. Das belegt nun auch eine
für das Nachrichtenmagazin "Focus" erstellte Auswertung von Media Control.
Demnach lag der Altersdurchschnitt der «Wer wird Millionär?»-Zuschauer im
Jahr 2006 bei 55 Jahren, 2000 war das Publikum im Schnitt noch 45 Jahre alt.
186
Diese Entwicklung wird auch bei den Marktanteilen deutlich: Während die
Quizshow vor sieben Jahren noch einen durchschnittlichen ZielgruppenMarktanteil von 38,4 Prozent einfahren konnte, betrug der Schnitt im Jahr
2006 nur noch 19,2 Prozent – selbst dieser Wert wird inzwischen nicht mehr
selten deutlich unterboten.
Nach wie vor gilt die Gruppe der 14- bis 49-jährigen als für die
Werbewirtschaft besonders interessant. RTL hat auf das gesunkene Interesse
bereits reagiert und verzichtet seit dem Start der neuen «Superstar»-Staffel auf
«Wer wird Millionär?»-Ausgaben am Samstagabend.
Nur die Montagsausgaben der Quizsendung machen noch die Quoten und
bringen es nach Ergebnissen des Fernsehjahres 2006/2007 im Schnitt auf 7,31
Millionen
Zuschauer.
Damit
bleibt
„Wer
wird
Millionär?“
beim
Gesamtpublikum unter den ersten drei Vorreitern, mit «Wetten, dass..?»
(ZDF) an der Spitze (die sechs gezeigten Folgen unterhielten im Durchschnitt
12,51 Mio. Zuschauer ab drei Jahren), gefolgt von «Tatort» im Ersten (7,37
Mio. Zuschauer).76
Die Trends der nächsten Saison sieht man deutlich am Beispiel der neuen Hits
in der Zielgruppe der 14- bis 49-jährigen. Da wurde sogar Thomas
Gottschalks «Wetten, dass..?» von «Deutschland sucht den Superstar»
geschlagen. Ein anderer Quotenmacher ist die Show mit Heidi Klum
«Germany’s Next Topmodel», die schon die Kinder ab 3 Jahren als ein
wunderschönes Märchen wahrnehmen und nicht zur gewohnten Zeit ins Bett
gehen wollen. In diesem Fall soll die Sendezeit nachgebessert werden.
Am 3. September startete Günther Jauchs RTL-Quiz „Wer wird Millionär?“
mit einer Doppelfolge und neuen Regeln in die Saison 2007/2008.
Sendetermine sind ausschließlich montags und freitags um 20.15 Uhr, die
gelegentlichen Ausstrahlungen am Samstagabend entfallen.
76
www.quotenmeter.de
187
Zur Begründung verwies der für die Sendung zuständige RTL-Sprecher Frank
Rendez darauf, dass der Samstagabend in der kommenden Saison mit
zahlreichen großen Shows belegt sei, darunter auch zwei neue mit Jauch. In
der vergangenen Saison war Jauchs Quizsendung an sechs Samstagabenden
außerhalb der Sendetermine von „Deutschland sucht den Superstar“ gelaufen.
Zu den in den vergangenen Jahren gesunkenen Einschaltquoten von „Wer
wird Millionär“ verwies Rendez darauf, dass die Sendung „mit knapp sieben
Millionen Zuschauern im Schnitt Quoten hat, von denen andere nur träumen
können“. Und: „Ein Ende ist nicht in Sicht.“ 77
Das war ein kluger und gelungener Schachzug von RTL, Jauch und sein Quiz
ab sofort nur noch zweimal die Woche einzusetzen (montags und freitags).
Das
bewahrt
den
Moderator,
die
Show
und
die
Zuschauer
vor
Ermüdungserscheinungen. Und das ist wahrscheinlich wirkungsvoller als ein
erweiterter Joker.
In Russland
Im September 2008 tauchten Informationen auf, wonach Maxim Galkin den
Ersten Kanal verlässt und die Millionär-Show kurz vor dem Aus steht. Unter
den Zuschauern wurde eine Umfrage durchgeführt, wen sie als Galkins
Nachfolger bei der Million-Show sehen möchten.
Die Produktionsrechte hat der Erste Kanal inzwischen erworben. Seit dem
27. Dezember 2008 moderiert Dmitri Dibrov, Quizmaster der ersten
russischen Version „WWM“ („О, Счастливчик!“), den Publikumsliebling
wieder.
77
www.welt.de, Neue Regeln bei "Wer wird Millionär" - vom 1.August 2007
188
IV. Faktoren, die auf eine Anpassungsnotwendigkeit bei
der internationalen Verbreitung der gleichen QuizFormaten hinweisen
Es
gibt
unterschiedliche
Auswirkungen
in
der
Globalisierung
der
Massenmedien, sowohl positive als auch negative. Gerade Medien und nicht
zuletzt das Fernsehen sind verantwortlich dafür, das die Menschen aus
verschiedenen Staaten allmählich ihre Zugehörigkeit zu einer gewissen
Weltgemeinschaft spüren lernen, im Sinne einer Abkehr von geschlossenen
Informations-, Wirtschafts-, Politik- und Kulturarealen in der Welt.
Trotzdem neigt jeder Mensch, jedes Volk und jedes Land dazu, seine
Individualität, Identität, Selbständigkeit und Unabhängigkeit zu erhalten, seine
Lebensweise und seine Lebensqualität zu bewahren, seine Kultur nicht zu
verlieren, was jedermann im Grunde eigenartig macht. Dieser Aspekt muss
unbedingt berücksichtigt werden, wenn es um die Einführung anderer
Lebensstandards in einem anderen Umfeld geht. Man sollte dabei nicht andere
Kulturen vereinnahmen.
Das betrifft auch den Prozess des weltweiten Exports von Medienprodukten,
insbesondere der Fernsehformate, die an die hiesigen Besonderheiten der
Mentalität der Menschen in jeder neueröffneten Landschaft angepasst werden
sollen.
Die Mentalität
Mentalität (lat. mens, Geist) bezeichnet vorherrschende Denk- und
Verhaltensmuster einer Person oder einer sozialen Gruppe von Menschen
189
(z. B. einer Bevölkerungs- oder Berufsgruppe) und wird auch auf gesamte
Nationen bezogen.78
Genauso wie manche Wörter und Redewendungen nicht direkt in eine andere
Sprache übersetzbar sind, können die Fernsehformate nicht 1 zu 1 ins andere
kulturelle Umfeld übertragen werden.
Nehmen wir als Beispiel das kleinste Format – ein Werbespot. Viele westliche
Unternehmer, die auf den russischen Markt kommen und russische Menschen
für westliche Produkte gewinnen wollen, machen immer wieder einen Fehler.
Sie meinen, dass der Werbespot, dessen Produktion sie viel Geld gekostet hat
und der im Westen gut ankommt, genauso von den Menschen mit anderer
Mentalität aufgenommen wird. Sie lassen den Spot nur in eine andere Sprache
übersetzen und sind enttäuscht, weil die großen Erwartungen auf eine hohe
Nachfrage nicht erfüllt werden. Und dabei ist das sehr einfach zu erklären.
Ein Beispiel für die missverstandene Wirkung eines Werbespots:
Die Lehrerin erklärt den Schülern: „Dieser Dinosaurier lebte vor 65 Mio.
Jahre.“
„Und unsere Zähne? Können sie auch so lange und gut erhalten werden?“ –
fragt ein Schüler.
Der andere Schüler antwortet: „Meine bestimmt, weil ich sie mit
der
Zahnpaste „X“ putze.“
Im Westen ist dieser Spot von den Zuschauern gut aufgenommen worden und
beim nächsten Einkauf im Supermarkt besorgen sie bestimmt dieses
Zahnwunder.
Was macht aber ein Zuschauer irgendwo in einem kleinen russischen Dorf,
der seine Vorratseinkäufe einmal im Monat erledigen kann, wenn ein mobiles
„Geschäft auf Rädern“ kommt? Oder der das letzte Mal beim Zahnarzt
78
http://de.wikipedia.org/wiki/Mentalit%C3%A4t
190
während der Schulzeit war? Er hat eine andere Logik und kommt sofort auf
einen anderen Gedanken: „Wenn die Zähne vom Dinosaurier für 65 Mio.
Jahre immer noch im guten Zustand sind und dabei keine Zahnpaste „X“
dieses Wunder bewirkt hat… wozu soll ich meine Zähne überhaupt putzen?“
Das heißt, diese Werbung bewirkt eine Gegenreaktion – die Zähne brauchen
keine Hygiene.
Wie die Fernsehpraxis zeigt, gibt es die Formate, die von vornherein nicht
anpassungsfähig sind. Dieser Meinung ist Sergej Kordo, der russische
Produzent von „W-Media“, Produktionsfirma von "Кто хочет стать
миллионером?" (WWM), "Слабое звено" (Weakest Link), "Народный
артист" (DSDS). Zum Beispiel ist das Spiel „Алчность” (Greed) exakt auf
amerikanische Zuschauer zugeschnitten und kann nicht auf die russische
Mentalität übertragen werden.79
Eine weitere Besonderheit, die das Wahrnehmen der in der Sendung
enthaltenden Informationen unterschiedlich macht, ist der kulturelle
Hintergrund der Menschen. Er ist von Land zu Land spezifisch.
Die Kultur
Nach William James Durant´s folgender populärer Definition bedeutet die
Kultur eine „soziale Ordnung, welche schöpferische Tätigkeiten begünstigt.
Vier Elemente setzen sie zusammen: Wirtschaftliche Vorsorge, politische
Organisation, moralische Traditionen und das Streben nach Wissenschaft und
Kunst.“80
Allgemein wird die Kultur verstanden als Dreiklang von Kunst, Religion und
Wissenschaft.
Dazu
gehören
auch
Sprache,
Ethik,
Wirtschaft
und
Rechtsprechung.
79
80
Валерий Павлов "Деньги" http://www.ccgrp.ru/creative/ccg481/Print.php?NewsID=45
William James Durant „Kulturgeschichte der Menschheit“
191
Es ist bekannt, dass man in jeder Kultur sowohl universelle Eigenschaften
finden kann, als auch Elemente, die nur für eine bestimmte Gemeinschaft
charakteristisch ist. Neben den allmenschlichen, allregionalen Informationen
(z.B.: relevant für die europäische oder asiatische Region usw.) bewahrt jede
Sprache (als Träger der Kultur) dank ihrer kumulativen Funktion die
spezifische kultur-historische Information, die nur für das konkrete Volk
typisch ist. Diese Information spiegelt die Besonderheiten wider der
wirtschaftlichen
Entwicklung,
der
geographischen
Lage
und
der
gesellschaftlichen Ordnung, die Eigentümlichkeit der Folklore, aller
Kunstarten,
der
Wissenschaft,
der
unterschiedlichen
Facetten
des
Alltagslebens und Bräuche. Die Sprache in der kumulativen Funktion (neben
der
kommunikativen
Funktion)
verbindet
als
ein
Kettenglied
die
Generationen, ist ein Reservoir und ein Mittel für die Übermittlung der
außersprachlichen kollektiven Erfahrungen.
Das Fernsehen ist ein Teil der Kultur des jeweiligen Landes, des jeweiligen
Volkes, ein Mittel für ihre facettenreiche audiovisuelle Selbstdarstellung. Und
die Menschen sehen am liebsten die Sendungen oder Filme an, die über ihre
Probleme berichten, die Ratschläge und Lösungen für ihre Lebenssituationen
enthalten, die ihren Lebensstandards entsprechen, mit ihren Gewohnheiten
vertraut sind und natürlich in ihrer Muttersprache berichten.
Der europäische Kanal „ARTE“ bleibt weiterhin ein einsames Beispiel der
multikulturellen Kooperation zwischen Deutschland und Frankreich. Für
bessere Verständigung wird ARTE zweisprachig in Europa über Satellit
ausgestrahlt. Um einen Beitrag zur europäischen Integration zu leisten und
mehr Zuschauer zu gewinnen, wird das Spartenprogramm mit den Europa
relevanten und kulturellen Themen gefüllt. Die Formatsendungen – solche wie
Quiz – haben dort bislang noch keinen Fuß gefasst.
Nichts desto trotz ist die globale Welt in den letzten Jahren viel offener und
für die breiten Massen zugängiger geworden. Die Menschen reisen mehr,
lernen neue Kulturen kennen, andere Menschen und andere Gewohnheiten.
192
Die Kinder, die in Mischehen geboren werden, haben ein neues Bewusstsein,
tragen eine ganz neue Kultur in sich, mit vielseitigen Interessen und breiteren
Horizonten.
Der kulturelle Hintergrund spielt eine große Rolle in der Wahrnehmung und in
der Interpretation der Informationen, die der Mensch über Massenmedien (in
unserem Fall – Fernsehen) als geistige Nahrung bekommt. Eine und dieselbe
Information kann in verschiedenen Zielgruppen unterschiedlich verstanden
werden. Dies beweisen zahlreiche empirische Untersuchungen in Bereichen
Nachrichten, Kunst, organisatorische Strukturen, professionelle Werte der
Journalisten usw.
Wenn wir Fernsehformate betrachten, sehen wir dasselbe Bild.
Die Quiz-Show „Weakest Link“ (Слабое звено/ Der schwächste fliegt) ist das
am meisten verkaufte Format in Großbritannien (an 79 Länder verkauft). Ihre
russische Version wurde nur wenige Monate gesendet und ist danach vom
Bildschirm verschwunden. Solcher Art Sendungen, wo von vornherein die
Unkorrektheit gegenüber und zwischen den Spielern eingebettet war, schaffen
öfter weniger Quoten, stattdessen mehr kontroverse Reaktionen und
Ablenkung. Anne Robinson, die die englische Original-Version (später auch
die amerikanische Version in den USA) moderiert, ist die topbezahlte
Moderatorin der ganzen Welt. Sie wurde auch zur gröbsten Moderatorin im
britischen Fernsehen ernannt. Anne erinnert sich gut an die Worte ihrer
Mutter, die zu ihrem Lebensmotto geworden sind: „Wenn du die Letzte in der
Schlange zum Bus bist, steige als Erste ein.“ 81 In den USA gelang es zum
Beispiel
nicht,
eine
Moderatorin
für
„Weakest
Link“
nach
dem
vorgeschriebenen Muster zu finden. So wurde Anne Robinson gebeten auch
die amerikanische Version (für 5 Mio. US-Dollar) zu moderieren. Die
russische Version moderierte Maria Kisseleva, zweifache Weltmeisterin im
Synchronschwimmen. Die einzige Abweichung, die die russische Moderatorin
81
„Газета Дона“ (21.03.2002), http://wmedia.ru/sz/press/gd_21_03_2002.html
193
sich erlaubte, war das zurückhaltende „Gratuliere!“ an den Gewinner im
Finale.
In Großbritannien ist diese Show sehr populär. Wahrscheinlich ist die
Atmosphäre des Kampfes für Geld, für einen Platz im Spiel, für das
Überleben den Engländern sehr nah und nachvollziehbar. Die Russen
assoziieren die Spielregeln von „Weakest Link“ mit einer grausamen Welt, wo
jeder gegen jeden ist und der Schwächste kann der Stärkste werden, wenn er
schlau, kompromisslos und gnadenlos anderen gegenüber ist.
Die Ergebnisse einer Umfrage82 erklären deutlich die Reaktionen der
russischen Zuschauer auf dieses Fernsehformat. Befragt wurden 53 Personen
im Alter von 15 bis 17 Jahre alt: 26 Männer und 27 Frauen. Es wurden
folgende Fragen gestellt:
Warum hat die Sendung nicht gefallen?
1
82
In dieser Sendung werden die negativen
Charaktereigenschaften gefördert / Hier wird
Feindlichkeit deutlich kultiviert / Gier ist die
Krankheit der modernen Welt / Gefällt nicht,
wenn die Menschen nach Geld gierig sind und
dabei die anderen Menschen verachten
31,3 %
(von den
Befragten)
2
Demütigend / Brutales Spiel / Die Spieler
werden oft unfair behandelt / Hohe Anspannung
im Spiel
17,0 %
3
Gefällt nicht / Dumme Sendung
11,3 %
http://2001.isras.ru/Publications/Adamyants/TOL_7.htm
194
An welche Zuschauer ist die Sendung adressiert? (in %)
1
An alle
32,1
2
An Dumme / An Vollidioten
13,2
3
An einen gierigen Menschen, der für Geld aufs Ganze
geht / An die Zuschauer, die geldgierig sind
13,2
4
An die Bedürfnislosen, die den ganzen Tag fernsehen
11,3
5
An Akademiker / An die Intellektuellen, die viel lesen
9,4
6
An diejenigen, die Frage-Antwort-Spiele mögen und
ihr IQ testen
5,7
7
An diejenigen, die einen Nervenkitzel brauchen
5,7
8
An die 15- bis 25-Järigen
3,8
9
An diejenigen, die nach der Arbeit oder Studium
müde nach Hause gekommen sind
3,8
10
An die Zuschauer, die aus der Mittelschicht kommen
3,8
11
An diejenigen, die hochgestochen, reich sind und sich
über die anderen erheben und die anderen verachten
1,9
12
An die Zuschauer bis 30 Jahre alt
1,9
195
Was wollten die Autoren der Sendung damit bezwecken?
1
Gier entwickeln / Die Sendung trennt die Menschen
voneinander / Sie wollten die Bösartigkeit der
Menschen zeigen, ihren Hass aufeinander und zu den
anderen in einer bestimmten Situation / Hier wird
immer jemand ungerecht herausgeworfen / Hier
werden die menschlichen Mankos gezeigt / Alles
scheint zu grob / Nur negative Emotionen
43,4
2
Sie verdienen nur Geld damit
17,0
3
Eine Unterhaltungsshow / Entspannung nach dem
Arbeitstag
13,2
4
…dass die Menschen des Geldes wegen nicht im
Stich gelassen werden sollen / …dass das Geld die
Menschen verdirbt und dass es nicht das Wichtigste
im Leben ist.
11,4
5
Nichts
11,4
6
Sie geben den Leuten eine Möglichkeit, das Geld zu
verdienen / Man kann Geld verdienen mittels der
Anderen
9,4
7
Die Leute weiterentwickeln / Sie bringen ihnen bei,
an eigene intellektuelle Fähigkeiten zu glauben
9,4
8
Mehr Zuschauer für die Sendung gewinnen
7,6
9
Wenn du wenig weißt, bist du schwach.
7,6
10
Die Autoren wollten eine mögliche Reaktion der
Menschen in einer Situation zeigen, wie er sich
benimmt und handelt
5,7
11
Eigene Strategie in den Handlungen ausarbeiten. Sich
dumm anstellen und im Finale gewinnen
3,8
12
Das ist eine Kopie einer ausländischen Show
1,9
196
So unterschiedlich kann ein Quiz-Format, wie „Weakest Link“, von den
Menschen mit verschiedenen Kulturhintergründen interpretiert werden.
In den Ländern, wo die ausländischen Formate ins Fernsehprogramm
eingebaut werden, stößt man auf eine klare und eindeutige Position (sowohl
unter den Zuschauern als auch unter den Fachleuten) in den Fragen der
„Formatierung“ im Fernsehen und des Einkaufs von fertigen ausländischen
TV-Produkten. Manche (meist ältere) Opponenten betrachten die importierten
TV-Shows als aufgedrungenes Muster des fremden, „westlichen“ (oft gemeint
als „amerikanischen“) Lebens und diese werden strikt abgelehnt. Dabei sind
die anderen (die jüngeren) einer gegenseitigen Meinung. Sie haben das
„fremde“ Leben und die Kultur anderer Völker schon kennen gelernt: aus der
Studienzeit, durch viel Reisen oder sie waren dienstlich viel im Ausland
unterwegs). Beide Gruppen haben Recht. Aber in einem sind sie sich einig:
Die eingeborene Mentalität ist stärker als erworbene Kenntnisse. Mit dieser
Rücksicht sollen alle international verbreitenden Formate in jedem einzelnen
Land adaptiert werden, d.h. sie sollen der Kultur, den Traditionen des Landes
und der dortigen Mentalität angepasst werden.
Die Globalisierung im Bereich Massenmedien (und in unserem Fall des
Fernsehens) wird oft mit der Internationalisierung in Verbindung gebracht.
Unter der Internationalisierung ist aber auch der Prozess gemeint, der auf
Gegenseitigkeit der Beziehungen basiert. In der Frage von Verkauf/Einkauf
von Lizenzen von fertigen TV-Formaten zwischen dem europäischen und dem
russischen TV-Markt wurde der Ball bis heute nur in ein Tor geschossen:
Warum werden im Westen keine russischen Formate gekauft – zu spezifisch?
Am Beispiel der amerikanischen Fernsehserie „Dallas“ (in den 80er Jahre
produziert) hat man die Besonderheiten der Rezeption bei den verschiedenen
ethnokulturellen Zuschauergruppen untersucht, die in den USA, Japan und
Israel wohnten. Die ausgewählten Ehepaare aus den unterschiedlichen
ethnokulturellen Gruppen, im gleichen Alter und mit gleicher Ausbildung,
sollten den Inhalt der Serie (oder einer der Folgen) nacherzählen. Dadurch
197
sollte der Decodierungsmechanismus in verschiedenen Gruppen sichtbar
werden. Es wurde festgestellt, dass die Gruppen Unterschiede in der
Wahrnehmung der empfangenen Informationen haben, die durch die Serie
vermittelt wurden: Sie setzen die Akzente der erhöhten Aufmerksamkeit auf
verschiedene inhaltliche Momente, sie haben auch verschiedene Modelle der
Inhaltsinterpretation. Diese Besonderheiten resultieren aus den allgemeinen
Wertvorstellungen und Erwartungen derjenigen Zuschauergruppe. So findet
die Wahrnehmung der Informationen/Texten, die mittels Massenmedien
weltweit verbreitet werden, durch das Prisma des kulturellen Kontextes statt.83
Unterschiedliches Niveau von Allgemeinwissen
Die wesentlichen Unterschiede der Bildungssysteme in verschiedenen
Ländern können auch einige eventuelle Korrekturen in die strikten Regeln
eines Quiz-Formates einbringen.
Wenn wir die russische und amerikanische Version von WWM vergleichen,
so lässt es sich merken, dass der Schwierigkeitsgrad der Fragen im russischen
und amerikanischen Quiz unterschiedlich ist. Das Allgemeinwissen der
russischen Spieler (statistisch gesehen) ist wesentlich höher als bei den
Amerikanern. Ein Grund liegt in den unterschiedlichen Bildungssystemen.
Das amerikanische Bildungssystem stellt die spezielle berufliche Ausbildung
und Kenntnisse in Vordergrund. Der zukünftige Broker, Zahnarzt,
Psychoanalytiker, geschweige Fernlastfahrer, muss nicht unbedingt ein
Kenner der amerikanischen Literatur sein. So ist die amerikanische Mentalität,
dementsprechend „schwer“ sind allgemein die Fragen in allen Quiz-Shows.
Sie stützen sich auf die amerikanische Realität. Es reicht, wenn die
Amerikaner den richtigen Namen von Britney Spears kennen und die
Hauptstadt von eigenem Staat nicht vergessen. Ein typisch amerikanischer
Scherz: Wenn jemand einige kluge, aber für den Beruf unnütze Kenntnisse
aufzeigt, wird gesagt: „Ich behalte das fürs Quiz.“
83
Liebes Т., Katz E. The Export of Meaning. Cross Cultural Readings of Dallas. Dallas: Polity Press,
1993.
198
Die Redakteure der russischen Sendung „WWM“ orientieren sich daran, dass
die Teilnehmer des Spiels gut das Schulprogramm kennen und einen
umfassenden Umfang von Informationen mitbringen, der mindestens den
ersten vier Studiensemestern an den Hochschulen oder Universitäten
entsprechen. Dazu gehört auch die obligatorische Kenntnis bestimmter
Pflichtlektüre, einiger Vorstellungen vom Schaffen der mindestens zwei
Dutzend weltberühmten Künstler, etwas Ahnung von Sport und Musik
(sowohl klassisch, als auch modern) und ein wenig Klatsch-Tratsch um die
Royals-Familie. Die letzten drei sind nicht in den Enzyklopädien zu finden
und sind extra für die jüngere Generation gedacht. Dadurch werden die
Gewinnchancen für die verschiedenen Generationen ausgeglichen und die
Einschaltquoten steigen.
Wenn wir die Wahrnehmung der Zuschauer in die Analyse der Fernsehspiele
einbeziehen, so können die intellektuellen Spiele (Quiz-Shows) in drei
Gruppen geteilt werden:
1. Der Zuschauer fühlt sich viel klüger als Spieler und der Moderator ("Поле
чудес" – Feld der Wunder; "Угадай мелодию" – Rate die Melodie!).
2. Der Zuschauer fühlt sich auf dem gleichen intellektuellen Niveau mit den
Spielern ("Миллионер" - WWM und "Слабое звено" - Weakest Link).
3. Der Zuschauer betrachtet die Spieler aus der Froschperspektive. Manchmal
kann er die einzelnen Fragen beantworten, aber er erkennt, dass es dem
Spieler besser gelingt ("Что? Где? Когда?" – Was?Wo?Wann? и "Своя игра"
– Jeopardy!).
Die hohe Popularität des Spiels "Что? Где? Когда?" (Was?Wo?Wann?), das
zur 3. Gruppe gehört, weist darauf hin, dass die Menschen zu den
intellektuellen Anstrengungen streben und dass sie sich für neue Kenntnisse
interessieren.
199
Außerdem hat das Spiel „Что? Где? Когда?“ (Was?Wo?Wann?) unbewusst
eine effektive Brainstorming-Methode zur Ideenfindung entwickelt, die jetzt
auch in vielen Consulting-Firmen erfolgreich benutzt wird: Die Mannschaft
generiert einige Zeit beliebige (bis wahnsinnige) Ideen für die Lösung eines
bestimmten Problems. Danach betrachtet und bearbeitet ein Experte diese
Ideen. Im Spiel war die Ergebnis vollkommen: im Endeffekt hatten die Spieler
die einzig richtige Antwort.
Das intellektuelle Spiel „Что? Где? Когда?“ (Was?Wo?Wann?) hat mehrere
Profi-Spieler geschaffen. In Europa und Amerika gibt es auch solche Spieler,
die sich aber mehr auf die Computer-Versionen der bekannten Fernsehspiele
beschränken. Sie schicken SMS´s oder attackieren die entsprechenden
Spielautomate, die sich als Nebenbusiness der Produktionsfirmen erweisen,
die die Lizenz zum Merchandising des Formates besitzen.
Unter den ersten Redaktionsmitarbeitern der russischen Version von „WWM“
waren auch die bekannten Spieler von „WWW“. Sie kannten viele ProfiSpieler und sollten sie vom neuen Projekt fern halten. Das importierte Quiz
„WWM“ wurde für normale Menschen, nicht für Profis, gedacht.
Im anderen Lizenz-Projekt "Своя игра" (Jeopardy!) wurde ein anderer Weg
eingeschlagen.
Hier
spielen
viele
ehemalige
„Kenner“
aus
„Что? Где? Когда?“ (Was?Wo?Wann?). Und das ist nur die Spitze des
Eisbergs. Jede populäre Spiel-Show hat eigene Fans, die durch eine Art von
Clubs miteinander vernetzt sind. Sie treffen sich und spielen nach allen
Spielregeln. Zum Beispiel existieren rund 6000 Clubs von WWW weltweit.
Es gibt einen Internet-Club von WWW-Anhängern, der mehrmals im Jahr
WWW-Online-Spiele organisiert, einschließlich Offline. In den Spielen
werden alle Länder der ehemaliger Sowjetunion, die USA, Deutschland,
Kanada, Israel, Finnland, Großbritannien, Holland, Österreich präsentiert.
In Moskau findet jedes Jahr eine Meisterschaft statt für "Брейн-ринг" (BrainRing), "Своя игра" (Jeopardy!) und andere Abzweigungen von dem
200
populären WWW-Format. Dazu gibt es noch gleichlaufende (simultane)
Turniere, auswärtige Festivals, Weltmeisterschaften.
Das Spiel WWW ist in Russland zum Kult geworden. Mit höchsten
Einschaltquoten wird es von 5 Mio. Zuschauern verfolgt. Dabei ist WWW die
einzige Spiel-Show, die bis heute im russischen Fernsehen live übertragen
wird.
V. Zusammenfassung
Nach der durchgeführten Analyse der Inhalte und der Gestaltungselemente
einiger besonders populärer Formatsendungen aus der Sparte Unterhaltungs-,
Quiz-
und
Spielshows,
deren
Entwicklungs-
und
weltweiten
Verbreitungsgeschichte, sowie nach einer Betrachtung der internationalen
Reaktionen auf die Sendungen in der Öffentlichkeit ist die Autorin der
vorgelegten Arbeit zu folgenden Schlussfolgerungen gekommen:
1. Die Rolle der Spielform im Leben des Menschen
Formel: Aufmerksamkeit plus Respekt plus Mitgefühl plus Gemeinschaft plus
Freiheit minus Passivität minus Chaos minus Aggression minus Schablone ist
gleich SPIEL.
Das Spiel begleitet den Menschen seit seiner Geburt. Das Spiel macht sein
Leben fröhlicher, glücklicher, entwickelt seine Kreativität. Dort, wo es Spiele
nicht gibt, wird das Leben monoton und langweilig.
Was ist das Spiel? Es gibt sportliche Spiele, Olympische Spiele,
Fernsehspiele, Theaterspiele und sogar Hasardspiele (Glücksspiele). Die
Kinder spielen gern. Spielen bedeutet Spaß machen, scherzen, sich
unterhalten. Man spielt Puppen, Verstecken, musikalische Instrumente…
Fedja Protassov in „Der lebende Leichnam“ von Leo Tolstoi sagt, dass er Lisa
nicht mehr liebt, weil es zwischen beiden im Leben kein Spiel war. Über
201
Spieler werden Bücher geschrieben, Filme gedreht: „Pique Dame“ von
Puschkin, „Die Spieler“ von Gogol, „Das Glasperlenspiel“ von Hermann
Hesse… Das Roulette in Monte Karlo hat einen Anstoß zur Relativitätstheorie
gegeben. Seriöse Menschen, erfahrene Ingeniere, Betriebsdirektoren, Minister
fangen an, Businessspiele zu spielen. Kurz gesagt, wie Herman in der
Tschaikowskis Oper „Pique Dame“ sagte: „Was ist unser Leben? – Ein
Spiel!“
Zusammengefasst ist das Spiel eine grundlegende menschliche Aktivität, die
Kreativität, und im Wettkampf Energie und Kraft freisetzt. Damit enthält das
Spiel das Potential, verfestigte Strukturen zu durchbrechen und Innovation
hervorzubringen. Deshalb sind spielerische Elemente auch in vielen
Kreativitätstechniken, modernen Managementschulungen enthalten, die darauf
zielen, neue, kreative und innovative Ergebnisse zu erzeugen. Das Spiel
scheint eine menschliche Aktivität zu sein, die in der Lage ist, die Elemente
einer Situation so zu verändern, dass Neues und Unbekanntes entsteht und
Lösungen für scheinbar nicht mehr lösbare Probleme gefunden werden
können.
Alle diese Momente werden in den Fernsehformaten exakt berücksichtigt und
effektiv genutzt. Das Fernsehen verstärkt das Interesse an spielerischer Form
und verfeinert den Genuss am Spiel.
Das Primärziel im Fernsehgeschäft stellt das Erreichen möglichst hoher
Quoten dar. Im Konkurrenzkampf um die Gunst des Publikums erweist es sich
für die einzelnen Sender als notwendig, möglichst viele Zuschauer an ihr
Programm binden zu können. Bei diesem Prozess kommt der Schaffung eines
klaren Senderprofils eine wesentliche Bedeutung zu. Ein derartiges Profil lässt
sich durch regelmäßig ausgestrahlte Programminhalte, wie beispielsweise
Unterhaltungssendungen, schärfen.
Als eine der ältesten Aktivitäten nimmt das Spiel alle Sphären des
menschlichen Daseins ein und begleitet den Menschen sein ganzes Leben. Das
Spiel ist zu einem wichtigen Teil der menschlichen Kultur geworden. Durch
202
das Spiel, Rituale, Bräuche schafft der Mensch eigene Kultur, erwirbt seine
Kenntnisse. Besonders Kinder und Jugendliche entwickeln über das Spiel ihre
Fähigkeiten. In der Philosophie existiert sogar eine wissenschaftliche
Richtung, deren Vertreter behaupten, dass das Spiel sogar älter als Kultur
selbst ist.
Friedrich Schiller hob in seinen Briefen Über die ästhetische Erziehung des
Menschen die Wichtigkeit des Spielens hervor und sprach sich gegen die
Spezialisierung und Mechanisierung des Lebens aus: „…und er (der Mensch)
ist nur da ganz Mensch, wo er spielt“.84
Der niederländische Kulturhistoriker Johan Huizinga (1872-1945) entwickelte
in den 1930er Jahren seine Theorie der Entstehung von Kultur aus dem Spiel.
Er bezeichnete den Menschen nicht nur als Homo sapiens (denkendes Wesen),
sondern auch als Homo ludens (spielfreudiges Wesen). 85
Das
Spiel
nimmt
Anspannung,
Hemmungen,
Selbstkritik,
kritische
Wahrnehmung der Umwelt und soziales Rollenspiel weg. Die Illusion ersetzt
die Realität. Alle haben die gleichen Voraussetzungen und Bedingungen, für
alle gelten dieselben Regeln und alle haben ein konkretes Ziel, das durch ein
Spielelement (z.B.: Preis) vorgegeben wird. In dieser zeitlich und räumlich
bedingten Welt ist der Mensch wesentlich entspannter, offener, „realer“ als in
seinem „normalen“ Leben.
Öfter im realen Leben spielt der Mensch irgendwelche Rollen oder versteckt
sich hinter dem dicken Vorhang seiner nicht realen aber erwünschten Träume,
um von der unerwünschten Realität wegzugehen.
Wie Johan Heising behauptet, das Spiel sei eine Erholung jenseits der
Forderungen des alltäglichen Lebens. Es gebe die Möglichkeit, die Fragmente
der Zukunft zu erleben, Perspektive der Freude von Morgen zu erblicken. Das
84
85
http://de.wikipedia.org/wiki/Homo_ludens
Й. Хейзинга. Homo ludens. - М., 1992
203
Spiel schaffe die Bedingungen für das Erfassen von Elementen aus der Kultur
des eigenen Volkes.86
Doch das Spiel bleibt immer nur ein Spiel. Es soll auf keinen Fall mit der
Realität gemischt werden. Im Spiel kann alles vorkommen, was man im realen
Leben nicht hat oder nicht bekommt. Wenn der Spieler (und Zuschauer) sich
im Rahmen der perfekt kreierten und maßgeschneiderten Show angenehm und
wohl fühlt, wird er sie lieben. Wenn aber ins Spiel sogar ein winzigkleines
Teil aus der belastenden und unerwünschten Realität eindringt, wenn aus Spiel
"Ernst" wird, wenn sich die Regeln erst richtig "eingespielt" haben und nicht
mehr ohne weiteres zu ändern sind oder beginnen sogar ihrerseits
Zwangscharakter anzunehmen, wird das Spiel nicht mehr akzeptiert. Dies
betrifft alle Spielformate.
Die Gefühle, die Emotionen, die der Mensch im Spiel empfindet und zeigt,
spiegelt sein echtes Ich wider, was sehr individuell ist und nicht gespielt,
gestellt oder eingebildet ist, was sehr natürlich herüberkommt. Gerade diese
unverwechselbare und nicht zu rekonstruierende Ausstrahlung zieht die
Zuschauer beim Fernsehen besonders an.
Sei es „Wer wird Millionär?“ oder ein anderes Fernsehformat, ihm liegt ein
perfekt durchdachtes Konzept zugrunde, das es schafft, extrem viele
Zuschauer vor den Bildschirm zu locken.
Entscheidend für den Erfolg eines Spielformates sind drei Hauptfaktoren:
1. Durch eine perfekt durchdachte und ausgereizte Dramaturgie, die durch die
formellen Mittel wirksam unterstützt werden, ist eine Quizsendung
spannender als manch ein Krimi.
2. Der Zuschauer wird durch die interaktive Kommunikationssituation in
höchstem Maße ernst genommen. Sein Selbstwertgefühl steigt dadurch, was er
wiederum als positiv empfindet.
86
http://de.wikipedia.org/wiki/Homo_ludens
204
3. Die Quizsendung schafft es, die ganze Familie vor dem Fernseher zu
vereinen. Dieser Aspekt war zum Beispiel bei den Machern von WWM zwar
nicht geplant, aber sehr entscheidend für den Erfolg der Sendung.
Das Spektrum der Fernsehprogramme aller fünf Kontinente ist seit Jahren von
einem Genre im Bereich der nonfiktionalen Unterhaltung dominiert - die
Quizshow. Das Erfolgsformat „Wer wird Millionär?“ gilt mittlerweile als
Publikumsliebling. Kein anderes Format hat den gesamten internationalen
Fernsehmarkt so beeinflusst und Veränderungen darin bewirkt.
Es gibt keine Erfolgsgarantie für andere verwandte Formatsendungen. Eines
ist aber sicher: Ohne Berücksichtigung der länderspezifischen Unterschiede
wird es immer wieder problematische internationale Vermarktungsversuche
des jeweiligen Formats geben.
Ein
Beispiel
für
die
misslungene
Einsetzung
eines
unadaptierten
Spielformates sind die russischen Versionen von „Weakest Link“ - „Слабое
звено“ („Der Schwächste fliegt“) und von „Russisch Roulette“, die wegen
ihrer harten Regeln und der gefühlslosen Art der Moderation schnell aus dem
Fernsehprogramm verschwunden waren. Übrigens in Deutschland hatte die
Sendung „Der Schwächste fliegt“ auch keine hohen Einschaltquoten und
wurde nach einem Jahr abgesetzt.
Das Spiel mit dem Motto „Der Schwächste fliegt“ oder „Geiz ist geil“ kann
nur derjenige gewinnen, der schamlos, zynisch und hinterhältig ist. Eine
Teilnehmerin des Spiels „Слабое звено“ (Russische Version „Weakest Link“)
hat mit großer Enttäuschung gesagt: „Da muss man zu einem Schakal
mutieren, um hier zu gewinnen!“
Es stimmt, die Untersuchungen87 bestätigen das. 31,3 % der Befragten
meinen: Da werden solche Qualitäten gefordert, wie gemein und intrigant zu
denken, auf das Ganze gehen, um seinen „Nächsten“ (hier: Konkurrent im
Spiel) wegen der schimärischen (illusorischen) Million nichtig zu machen.
87
http://2001.isras.ru/Publications/Adamyants/TOL_7.htm
205
Die Showmen schikanieren offen die Spieler und bezeichnen sie als „geizig“
und als „schwaches Glied“. Die Formate dieser Art finden keine Beliebtheit
beim Publikum und sind vom Anfang an auf ein unvermeidliches
Quotendesaster vorprogrammiert.
2. Strategische Zielsetzungen der modernen Game-Shows
In den Strategien vieler Spielshows zeigen sich einige bestimmte Tendenzen,
die ihrerseits bei den Zuschauern bestimmte Erwartungen generiert haben:
1) Psychologismus
Um möglichst mehr Zuschauer ans Format zu binden, ist es notwendig, dass
die Teilnehmer einer Game-Sendung authentisch und persönlichkeitsbetont da
stehen. Dies wird erreicht durch die Nutzung von Elementen des
psychologischen
Porträts
des
Teilnehmers:
seine
Interessen,
Charaktereigenschaften, lebhafte emotionale Reaktionen. Die Zuschauer
beobachten verschiedene Menschentypen besonders gern, genauso wie
unterschiedliche Verhaltensmuster in den extremen Situationen (Solche
Porträts sind in vielen aktuellen Game-Shows zu sehen: „Wer wird
Millionär?“, „Der schwächste fliegt“, „Geer“, „Wheel of Fortune“)
2) Der „einfache Mensch“ als Spieler („Volkstümlichkeit“ des Formats)
Das große Interesse und die Unterstützung durch die Zuschauer zeigen die
Sendungen, an denen die normalen Menschen „aus dem Volk“ teilnehmen.
Dazu gehören die Teilnehmer der Shows („Поле чудес“ - Wheel of Fortune);
die Zuschauer im Studio (ihr Voting); die Fernsehzuschauer, die die Fragen
per Post schicken oder live im Studio stellen, bzw. beantworten
(„Что?Где?Когда?“ - Was?Wo?Wann?); die Fernsehzuschauer, die ihr
Voting während einer Sendungsübertragung per SMS oder telefonisch
abgeben (DSDS, Star Academy) usw.
206
Das Zuschauersinteresse steigt:
- wenn im Spiel die Atmosphäre eines Spieleifers, eines Kampfes, eines
Wettbewerbs herrscht, aber gleichzeitig auch die Intrige und das Element der
Zufälligkeit beiwohnt;
- wenn die Spielregeln deutlich und verständlich sind;
- wenn eine Wissbegierigkeit bei den Zuschauern entsteht, die von den
Inhalten der Shows unterschiedlich sein kann:
a) In den Game-Shows mit der intellektuellen Zielsetzung (wie bei
„Что?Где?Когда?“ - Was?Wo?Wann?) ist für den Zuschauer der
Bildungswert der Sendung und das Gefühl „klüger zu sein“ primär.
b) In den Game-Shows mit der materiellen Zielsetzung ist bei den Zuschauern
das Interesse an den Strategien und an dem Verhaltensmuster der Spielenden
in den Extremsituationen vordergründig.
In den aktuellen populären Game-Shows sind in der Regel beide Aspekte
präsent.
Die oben genannten Bedingungen, um das höhere Zuschauerinteresse zu
erzeugen, werden von den Quiz- und Game-Machern erfolgreich genutzt, sind
aber nicht ausreichend für den absoluten Erfolg eines Formates.
Ein Erfolgsformat hat immer eine innerliche Strategie, die auf die aktive
Teilnahme von Zuschauern am Spiel (an so genanntem interaktivem Spiel)
gerichtet ist. Das Spiel, das „der Fernseher mit dem Zuschauer spielt“, muss
für sie spannend und aktuell sein.
Daraus folgend kann man über einen Aktualitätsgrad der jeweiligen
Informationen für Zuschauer sprechen. Und zwar:
- Intellektuelle Game-Shows verlieren allmählich an ihrer sozial-kulturellen
Aktualität, weil der Intellekt nicht mehr im Bereich der sozial geförderten
207
Qualitäten steht. Dies bedeutet aber nicht, dass intellektuelle Spiele nicht
mehr populär werden, sie haben im Vergleich zu anderen Spielen mit
Geldgewinnen eher keine Ressource zur intensiven Entwicklung.
-
Das Thema der „harten“ Prüfungen, nach denen eine materielle Belohnung
(ein Geldpreis) folgt, hat eine hohe sozial-kulturelle Bedeutung. Dies
befindet sich in der Phase des aktuellen Wechsels von Lebensnormen in
der Gesellschaft (wie man zum Geld steht, soll ein Geld-Preis ins Spiel
herangezogen werden oder nicht).
Die russischen Zuschauer, die an den Befragungen teilnehmen (besonders die
ältere Generation), äußern sich negativ gegenüber den Regeln in den harten
materiellen Game-Shows wie zum Beispiel „Weakest Link“. Einerseits
verzichtet ein Teil von solchen Zuschauern auf solche Sendungen.
Andererseits (besonders in Europa) garantieren gerade diese harten Regeln
einen kräftigen Spieleifer, der Zuschauer anzieht, trotz ihrer negativen
Einstellung zu den Spielregeln. Dabei stellt die Unzufriedenheit mit den
Spielregeln in den „harten“ Spielen ein sozial-kulturelles Phänomen dar, das
das Thema „Ethik der Game-Shows“ in Vordergrund der öffentlichen
Diskussionen bringt.
Die Besonderheiten in der Wahrnehmung einiger Formatsendungen
„Weakest Link” (Слабое звено / Der Schwächste fliegt),
„Русская рулетка” (Russisch Roulette)
In dieser Game-Show wird das Element des Psychologismus verstärkt. Die
Zuschauer interessieren sich für die Taktik der Spielenden, wie sie die
Konkurrenten „herauswerfen“. Die Motive des Zuschauerinteresses sind
sportlichen Wettkämpfen ähnlich: Am Anfang des Spiels
wird eine
Kräftekonstellation vorgestuft. Es wird eingeschätzt, wer und wann aus dem
Spiel aussteigen kann. In diesem Spiel gewinnt nicht der Intellektuelle,
208
sondern derjenige, der clever seine Konkurrenten „geschlagen“ hat. Dadurch
überprüft der Zuschauer seine Kenntnisse in der Menschenpsychologie.
Die harten Kommentare der ausgeschiedenen Spieler verschärfen das
emotionale Zuschauerinteresse an der Show. Dabei geht es von einem Extrem
ins andere – von der Beachtung bis zur Verärgerung.
„Wer wird Millionär?” (Who wants to be a millionaire?)
Das Hauptereignis für Zuschauer in dieser Sendung ist das Verhalten der
Spielenden in einer extremen Situation von Angesicht zu Angesicht mit dem
Moderator: Kann der Moderator den Spieler von seiner Meinung abbringen?
Überwindet der Spieler seine Nervosität? Dazu steigt die Spannung angesichts
des großen Millionen-Gewinns: Gewinnt er oder nicht?
Im Vergleich mit anderen materiell orientierten Spielen ist der „Millionär“
wesentlich ruhiger und gütig. Er ist abwechslungsreicher als „Weakest Link“,
ab den höheren Gewinnstufen der Fragen steigt der Schwierigkeitsgrad der
Fragen. Die Aufgabe des Moderators ist es, eine Intrige zu schaffen, das
Gefühl eines Spieleifers durch die scheinbare Konfrontation zu erregen und
den Spieler zur Meinungsänderung zu provozieren.
„Geer” (Алчность)
Das Hauptereignis für Zuschauer dieser Sendung sind ein Zusammenspiel in
der Mannschaft aus den Unbekannten und ihr Smalltalk mit dem Moderator.
Dieses Format enthält den Psychologismus (Enthüllung der persönlichen
Fähigkeiten der Spieler durch ihre Kommunikation mit dem Moderator,
Nuancen im Verhalten des Kapitäns, Besonderheiten seiner Kommunikation
mit seiner Crew, seine Entscheidung usw.) und die „Volkstümlichkeit“
(Teilnahme der einfachen Menschen im Spiel), was für den heutigen
Zuschauer aktuell ist.
Das besondere Merkmal dieses Formates – das Spiel der Teilnehmer in einer
Mannschaft. Die Tatsache, dass die Teilnehmer vorher nicht bekannt waren,
209
ist ungewöhnlich für die Zuschauer und schafft
das Gefühl der
Unvorhersagbarkeit.
Wie die Untersuchungen zeigten, lockt diese Sendung die Zuschauer am
wenigsten an. Dem Format „Geer“ gelingt es nicht, ihre Aufmerksamkeit an
sich zu ziehen. Es entwickelt sich mangelhafte Spannung.
„Wheel of Fortune” (Поле чудес)
Die russischen Zuschauer nehmen diese Game-Show ein wenig gesondert von
den anderen verwandten Formaten wahr. Trotz der Meinungen, dass die
Sendung sich ausgelebt hat, hat dieses Format sehr hohe Einschaltquoten. Die
Zuschauer betrachten es als eine wirkliche Volksshow – unterhaltend,
feierlich, witzig, warmherzig. Die Hauptbotschaft lautet: „Trotz alltäglicher
Probleme haben wir ein Recht auf Feiern und wir können uns das gönnen.“
Die rationaleren Zuschauer sehen in dieser Sendung eher eine Schaubude, die
die russische Mentalität anspricht und gucken sie mehr aus alter Gewohnheit.
„Что? Где? Когда?” (Was?Wo?Wann?),
„Своя игра” (Jeopardy!)
Das sind intellektuelle Spielsendungen. Das Geld als Gewinn ist kein
Hauptziel.
Das
wichtigste
ist
ein
intellektueller
Wettbewerb
der
Spielteilnehmer. Die Zuschauer haben die Möglichkeit, sich zu den
Intellektuellen zu gesellen.
„Угадай мелодию” (Rate die Melodie!)
Für die Zuschauer ist das eine unterhaltende, lustige, musikalische Show. Hier
wird die Teilnahme der Zuschauer maximal einbezogen: Von der bildenden
Seite muss ein Lied oder eine Melodie erraten werden. Von der emotionalen
Seite gibt es die Möglichkeit, zusammen mit den Teilnehmern das Lied zu
singen. Durch die Musik werden angenehme Erinnerungen ausgelöst und
positive Emotionen steigen.
210
Zusammengefasst kann man sagen, dass die Strategien verschiedener GameShows die unterschiedlichen soziokulturellen Informationen in sich tragen:
Die Strategien in den Game-Shows mit Geld-Gewinnen (Weakest Link,
Who wants to be a millionaire?) sind um das Geld herum aufgebaut: um die
Rolle des Geldes und um den Spieleifer im „Kampf um das Geld“. Als
obligatorisches Element enthalten solche Spiele die Situationen der
maximalen psychologischen Anspannung unter den Teilnehmern, bis zu
extremen Situationen.
Die
Strategien
in
den
intellektuellen
Game-Shows
(so
wie
„Что?Где?Когда?“ - Was?Wo?Wann?, Jeopardy!) werden auf den
intellektuellen Werten, auf dem Spieleifer eines intellektuelles Wettbewerbes
aufgebaut. Dabei entwickelt sich die innere Strategie des Spieles (und
inhaltliche Struktur des Spiels) weniger aus den Spielregeln oder
intellektuellen Aufgaben, sondern mehr daraus, dass die Lösung intellektueller
Fragen und die wahre Begeisterung vom Spielprozess für die Teilnehmer im
Vordergrund stehen. Und der Zuschauer kriegt alle Informationen von den
Verhaltensreaktionen der Spieler mit.
Die Strategien in solchen Game-Shows wie „Поле чудес” (Wheel of
Fortune), „Угадай мелодию” (Rate die Melodie!) schaffen eine lockere
Atmosphäre einer Volksfeier. Diese Feier ist mehr oder weniger mit den
Ereignissen auf dem Bildschirm verbunden. Wichtig ist es, dass der Zuschauer
seinen eigenen Platz in diesem Spiel hat. Dazu braucht man die Atmosphäre
des Mitspiels (Interaktion), erst dann feiert der Zuschauer mit. Also, erstens
Interaktion und zweitens Spiel mit den einfachen Menschen (Volk) sind die
Hauptelemente solcher Game-Shows.
211
3. Globalisierung der Information
Unsere
Welt
wird
Wirtschaftsaktivitäten
immer
haben
globaler.
Die
zugenommen.
Die
grenzüberschreitenden
Konsequenzen
der
Internationalisierung von nationalen Volkswirtschaften bleiben nicht auf die
Ökonomie beschränkt. Durch das Außenhandelswachstum ergeben sich
vielfältige Auswirkungen auf die Gesellschaft.
Die Globalisierung auf der Wirtschaftsebene intensiviert unvermeidlich die
Umtauschprozesse auf der Informationsebene, erhöht die Interkommunikation
und verstärkt die Zusammenhänge der Menschheit auf dem ganzen Planeten.
Gleichzeitig spiegeln die Massenmedien die Konstellation der politischen
Kräfte in der Welt wider. Die führenden transnationalen Medienstrukturen
kontrollieren die Entstehung und Verteilung der Informationsströme weltweit.
Die globale Liberalisierung der Wirtschaft und die Reduzierung der
Regulierungsrolle
bei
Massenmedien.
Die
dem
Staat
modellieren
Regierungen
auch
favorisieren
die
modernen
kommerzielle
Medienstrukturen. Im Gegensatz dazu werden die Möglichkeiten für die
Entwicklung der öffentlich-rechtlichen unkommerziellen Medien verengt. Es
werden immer mehr Formate hergestellt, die sich nur auf den kommerziellen
Erfolg richten. Dadurch werden leider die Inhalte vernachlässigt. Die
Massenmedien (und besonders das Fernsehen) sind zu einem mächtigen
Translator der Werte in der Konsumgesellschaft als Weltphänomen geworden,
wobei es mehr um einen globalen Konsum von Massenmedien geht, als um
die globale Produktion der Massenmedien.
Die Globalisierung des Medienmarktes führt unter anderem auch dazu, dass
einige Menschenrechte auch global durchgesetzt werden. Nach dem Urteil des
Europäischen Gerichtshofs für die Menschenrechte von 1990 gilt der
ungehinderte Empfang aller über Satelliten gesendeten Programme als
„unantastbares Menschenrecht“. Es ist sicherlich besser, wenn das Publikum
international eine Begeisterung teilt (so wie bei der letzten Fußball-WM
2006), als sich in nationalen Volkstümlichkeiten fanatisch abzugrenzen.
212
Die
nationalen
Staaten
stehen
vor
ernsthaften
Anforderungen
der
Globalisierungsprozesse im Bereich Information und Kommunikation. Die
transnationalen
Medienkonzerne
werden
oft
zum
Instrument
zur
Machtentfaltung in den politisch-kulturellen Bereichen, wo früher die
nationalen staatlichen Institutionen dominierten.
Im Gegensatz zu Vorstellungen davon, dass die Konkurrenz in der
Marktwirtschaft zu der unendlichen Vielfältigkeit des Angebots führt, wird in
der Wirklichkeit die wachsende Standardisierung der Fernsehproduktion
kultiviert. Die großen Medienkonzerne oder Mediengruppen sind bestrebt,
durch Kürzung der Ausgaben höhere Gewinne zu erzielen. Sie produzieren
am laufenden Band, massenhaft und dauernd, unterschiedliche Unterhaltungsprogramme, Quiz, Shows. Dabei wollen sie genau denselben Typ von
Produkten haben, wie bei ihren Konkurrenten. Der Kampf um Zuschauer, um
höhere Ratings führt zur Kommerzialisierung der Kultur und dazu, dass der
Vermarkter anfängt, dem Schöpfer zu diktieren88.
Die Logik der maximalen Gewinne für minimale Zeit ist inkompatibel mit der
Idee der Kultur.
Deswegen versucht jeder nationale Staat seinerseits, den negativen
Auswirkungen der Globalisierung vorzubeugen, bzw. denen zu widerstehen.
4. Globalisierung in der Fernsehwelt
Die fortschreitenden Prozesse der Globalisierung der Information zeigen sich
besonders stark in der Fernsehbranche. Immer mehr Programmformate sind
internationalen Ursprungs und fesseln Zuschauer aus unterschiedlichen
Kulturen vor dem Fernseher.
Betrachtet man die Entwicklungen der letzten 10 Jahre in den Unterhaltungsprogrammen der Fernsehstationen, so lässt sich ein deutlicher Zuwachs an
88
Vergl. : Pierre Bourdieu „Sur la télévision at le journalisme“, Liber Raison d´agir, 1996
213
Quizsendungen und den so genannten Reality-Formaten erkennen. Waren im
Jahr 1998 noch kaum derartige Sendungen in den Programmen vertreten, so
stellten sie fünf Jahre später in den USA, in Großbritannien, Deutschland,
Frankreich und in den Niederlanden rund 15 Prozent aller Sendungen während
der Prime Time dar. Einige dieser Reality-Shows erreichten teilweise
Kultstatus.
Ein weiterer Trend der letzten Jahre besteht in einem Bedeutungszuwachs
internationaler Formate. Verbuchten diese im Jahr 1998 auf den
Fernsehmärkten einen Anteil von zwölf Prozent unter allen Programmen in
der Prime Time, so stieg dieser Wert bis zum Jahr 2003 auf 30 Prozent. In
Deutschland
stellte
im
15 Unterhaltungssendungen
Jahr
2003
ein
ausländische
Drittel
Formate
der
dar
erfolgreichsten
(Tabelle 1),
in
Frankreich und in den USA war sogar fast die Hälfte der quotenstärksten
15 Sendungen des Jahres fremdländischer Herkunft.
Liste der populärsten in Deutschland Shows
Tabelle 1
Top regelmäßige Shows 2004
Rating
%
Marktanteil
Ursprung
1. Wetten dass …? (ZDF)
2. I'm A Celebrity … (RTL)
3. Die Ultimative Chart Show
(RTL)
4. Who Wants To
Be/Millionaire? (RTL)
5. Idols (RTL)
6. Die 100 Nervigsten …
(PRO7)
7. Mania Show (RTL)
8. Genial daneben (SAT1)
9. Was guckst Du? (SAT1)
10. Die Alm (PRO7)
11. Mittermeiers Saturday …
(RTL)
12. Die Hit Giganten (SAT1)
13. 7 Tage – 7 Köpfe (RTL)
14. Nur die Liebe zählt (SAT1)
15.4
12.9
9.1
42.2
41.2
27.1
Germany
UK
Germany
8.4
24.2
UK
8.0
6.3
23.0
17.9
UK
Germany
6.2
5.6
5.2
5.2
5.2
16.8
19.1
15.7
18.7
18.0
UK
Germany
Germany
Germany
Germany
5.1
5.1
5.0
15.9
17.5
14.3
15. Bully Parade (PRO7)
4.9
13.8
Germany
Germany
The
Netherlands
Germany
Quelle: Eurodata TV 1.1.04-8.8.04 (*3+ Episoden: Erwachsene 14-49)
214
Der zunehmende internationale Handel mit den Formaten führt dazu, dass in
zahlreichen Ländern der Welt ähnliche Fernsehprogramminhalte vertreten
sind.
In Russland wurde das Fernsehen Ende der 90er – Anfang der 2000er Jahre
mit den amerikanischen und europäischen TV-Formaten überflutet. Das
Interesse der Zuschauer an neuen Sendungen war anfangs sehr groß. Es stellte
sich aber schnell heraus, dass eigene TV-Spiele interessanter und
verständlicher sind und die neuen importierten Formate (sogenannte „fertigen
Konserven“) eine unvermeidliche Adaption (Anpassung) benötigen: Sie
müssen
nationale
Gewohnheiten,
Kultur
und
Voraussetzungen
berücksichtigen. Heutzutage sind einige der erfolgreichsten internationalen
Formate auch in russischen Toplisten zu sehen. (Tabelle 2)
Liste der populärsten in Russland Shows
Tabelle 2
Top Shows 2004
Rating
%
Marktanteil
Ursprung
1. Фабрика звёзд (Star Academy) – Erster
Kanal
11.9
35.4
The
Netherlands
2. Кто хочет стать миллионером?
(Wer wird Millionär?) – Erster Kanal
7.0
25.3
3. Поле чудес (Feld der Wunder) –
Erster Kanal
6.7
22.1
USA
4. Что?Где?Когда? (Was?Wo?Wann?) –
Erster Kanal
6.1
26.0
Russia
5. КВН (Klub der Lustigen und
Schlagfertigen) – Erster Kanal
5.1
22.8
Russia
6. Угадай мелодию! (Rate die Melodie!) –
Erster Kanal
3.8
24.5
Germany
7. Своя игра (Jeopardy!) – NTV
3.3
13.3
USA
UK
Quelle: TNS Gallup Media
215
In den letzten Jahren gehören europäische Programmformate zu denen, die
weltweit am häufigsten auch in andere Länder verkauft wurden. Top sind
dabei vor allem Formate aus den Niederlanden und England (Tabelle 3).
Die am weitesten „gereisten“ Programmformate
Tabelle 3
TOP "reisende"
Formate
Sendestart
Länder*
Ursprung
Besitzer
1. Idols
2. Now or
Neverland/Fear Factor
3. Star Academy/Op.
Triunfo
4. The Weakest Link
5. Test The Nation
6. Big Brother/Loft
Story
7. Popstars
8. Russian Roulette
9. Temptation Island
10. Joe Millionaire
11. The Bachelor
12. Deal Or No Deal
13. Expedition
Robinson/Survivor
14. Caméra Café
15. Make My Day
16. The Chair
Okt. 2001
Sep. 1999
26
15
UK
The Netherlands
FremantleMedia
Endemol
März 2001
15
The Netherlands
Endemol
Aug. 2000
Jan. 2001
Sep. 1999
14
13
11
UK
The Netherlands
The Netherlands
BBC
Eyeworks.tv
Endemol
Apr. 1999
März 2002
Jan. 2001
Jan. 2003
März 2002
Dec. 2002
Sep. 2097
11
11
11
9
9
8
8
The Netherlands
USA
USA
USA
USA
The Netherlands
UK
Screentime
Sony Pictures
FOX
FOX
Warner Bros.
Endemol
Castaway
Sep. 2001
Nov. 2001
Jan. 2002
7
7
7
France
UK
New Zealand
Calt Productions
Target
Touchdown
Quelle: The WIT, Juli 2001 – Juni 2004; *Anzahl Länder mit Programmstart vom July 2001 bis Juni
2004.
Die Spielformate konkurrieren heftig nicht nur mit den populären Sendungen
aus anderen Sparten und von anderen Sendern, sondern auch unter einander.
Die globalen Formate nehmen mitlerweile den TV-Markt weltweit in
Beschlag und verändern ihn allmählich:
- In Bezug auf die Fernsehlandschaft kann tatsächlich von einem „global
village“
gesprochen
werden,
das
überall
gerne
die
internationalen
Erfolgsformate am TV nutzt. Dabei prägen immer noch auch nationale
216
Formate die Fernsehgewohnheiten. Die Entwicklungen auf den wichtigsten
TV-Märkten der ganzen Welt werden beobachtet und untersucht. Erfolgreiche
Programmformate werden von den Sendern in einzelnen Ländern für eigene
Programme erworben.
-
Da der internationale Austausch einfacher geworden ist, lassen sich
innovative Formate weltweit leichter vermarkten. Angezogen von diesem
Wachstumsmarkt gibt es einen breiten Einstieg von verschiedenen Seiten in
das Geschäft mit Programmformaten.
- Außerdem bringen die internationalen Programmformate hohe Gewinne aus
dem Verkauf der Vermarktungsrechte mit sich (z.B. Merchandising,
Telefonmarketing).
5. Die wichtigsten Trends im Unterhaltungsbereich
Im Unterhaltungsbereich zeichnen sich einige wichtige und deutliche
Tendenzen ab: 89
-
Globale
Unterhaltungsformate
erreichen
weiterhin
eine
große
Zuschauerschaft;
- Traditionelle Reality-Formate bleiben stark präsent. Die neueste
Entwicklung hierbei ist der Import von US-Reality-Formaten nach Europa:
“The Bachelor”, “Joe Millionaire”, “My Big Fat Obnoxious Fiancé”;
- Wachsender Trend zu “factual entertainment”- Programmen: Das TVPublikum kann beim Austausch von Haus, Leben, Ehefrau, Job, Gesicht und
Body zuschauen. Dies sind Formate wie “Wife Swap”, “How Clean Is Your
House?”, “Faking It“, “Queer Eye”, „The Swan“, „Brat Camp“;
- Europa (und Großbritannien im Speziellen) ist die Hauptquelle dieser neuen
Welle von „factualbasierten“ Programmformaten;
89
Quelle: fremantle (FremantleMedia ist der weltweit führender Produzent von TV-Inhalten, der
unter anderem mehrere TV-Formate im Bereich Unterhaltung kreiert und produziert. FremantleMedia
ist ein Tochterunternehmen von RTL Group.
217
- Sendungen, in denen Talente gesucht werden, bleiben stark und werden zu
neuen Versionen weiterentwickelt. (Popstars, Star Academy, Pop Idol);
- Reality mit Stars und Sternchen ist stark wie noch nie. Dies trifft auf
folgende Sendungen zu: “Survivor”, “The Farm”, “I’m A Celebrity Get Me
Out Of Here!”, “Die Alm”;
- Top Listen und Countdowns beginnen anzuziehen: „Brainiest“, „Die
Ultimative Chart Show“, „100 Plus Grands“, „Die 100 Nervigsten…“;
- Die Formate und ihre Abwandlungen werden immer schneller kopiert. Es ist
eine Tatsache, dass jede quotenstarke neu entwickelte Sendung zu zahlreichen
Kopien und ähnlich konzipierten Formaten bei Konkurrenzsendern führt.
6. Die Lieblingsformate bei Werbeträgern
Die zahlreichen Quiz- und Game-Shows sind einerseits eine einfache, schnelle
und effektive Lösung (zeitlich und inhaltlich) für das Content (Programm)
jedes Senders. Andererseits sind sie auch besonders beliebte Formate bei
Werbeträgern.
Die Logik des Werbemarktes ist strikt und eindeutig, sie entwickelt sich nach
folgendem Muster: Ein Unternehmer ist an höheren Gewinnen durch seine
neuen Produkte interessiert. Die Gewinne können durch die Fernsehwerbung
angespornt werden. Der Werbeträger geht zu dem Kanal, der die meisten
Segmente
der
zahlungsstarken
Zuschauer
kontrolliert.
Die
Kanäle
konkurrieren untereinander um die höheren Zuschauerzahlen, wodurch sie
ihre Programme für die Zuschauer attraktiver machen. Im Kampf um die
Werbeträger werden also die Ratings entscheidend. So bildet sich ein
ununterbrochener Zyklus: Werbung – Geld – Zuschauer – Werbung.
Die Auswirkungen des Marktmechanismus im Medienbereich haben einen
globalen Charakter.
218
Die Programme von kommerziellen Kanälen in Russland unterscheiden sich
kaum von den Inhalten der westlichen Fernsehkanäle. Die Programme richten
den Zuschauer auf ein bestimmtes Lebensmuster, einen bestimmten Lebensstil
und eine bestimmte Überlebensstrategie. Die Sendungen werden immer
kalkulierbarer (was das Genre angeht), die gleichartigen Programme werden
dupliziert, die kommerzielle Kanäle werden vermengt.
Die Praktika der Kommerzialisierung des Fernsehens, sowohl der
kommerziellen als auch der staatlich kontrollierten (in Russland) oder
öffentlich-rechtlichen (in Deutschland) Kanälen, zeigt, dass seine Inhalte
(Programme) immer mehr der globalen Massenkultur unterliegen.
7. Die Adaptionsnotwendigkeit der Formatsendungen
Laut einer Legende wandte sich ein Lehrling an den großen Michelangelo:
„Wie gelingen Ihnen solche wunderschönen Skulpturen? Wo liegt das
Geheimnis Ihres künstlerischen Schaffens?“ Der Meister antwortete: „Es gibt
kein Geheimnis. Ich hacke einfach das Überflüssige ab“.
Bevor das Überflüssige abgehakt wird, ist es überhaupt ein Meisterwerk,
dieses Überflüssige von der wahren Kunst zu unterscheiden.
Bei der Produktion eines Spielformates ist es auch wichtig, präzise, einfache
und verständliche Regeln als Grundlage nehmen, nichts Überflüssiges
zulassen. Nicht weniger wichtig ist es, dass man Regeln kompetent im
richtigen Umfeld einsetzt.
Das erste Gesetz des Spieles ist seine Dualität: einerseits – Spiel als
Improvisation, Phantasie, Zufall, etwas Erfrischendes und immer Neues,
andererseits – durch strenge, vorgegebene und unveränderte Regeln
eingeschränkt. Es gibt aber noch eine Eigenschaft, ein Merkmal, ohne dies
kann das Spiel nicht existieren. Das ist das Vergnügen, die Freude an der
Teilnahme an dem Spiel.
219
Mit der attraktiven Verpackung (Design) – Lichteffekte, bunte Dekorationen,
musikalische Begleitung, humorvolle Texte des Moderators, repräsentative
Jury und prominente Gäste – soll man nicht übertreiben.
Schon bei der Gestaltung und Wahl des Logos ist es wichtig, zu
berücksichtigen, dass die Farben und geometrischen Formen von den
verschiedenen Zielgruppen unterschiedlich aufgenommen werden. Besonders
wichtig ist es, wenn das Format sowohl für das internationale und
multikulturelle Auditorium als auch für die Konsumenten, die zu
verschiedenen religiösen Konfessionen gehören, konzipiert wird.
Es gibt einige Faktoren, die auf eine Anpassungsnotwendigkeit bei der
internationalen Verbreitung der Quiz-Formate hinweisen. Das sind die
Besonderheiten:
- in der Mentalität des jeweiligen Volkes;
- in seiner Kultur, die auf Kunst, Religion und Wissenschaft beruht und die
Sprache, Ethik, Wirtschaft und Rechtsprechung prägt;
- Dazu gibt es einige Unterschiede im Niveau von Allgemeinwissen.
Aufgrund dieser Besonderheiten wird die innere und manchmal die äußere
Struktur des Formates in jedem einzelnen Land vorsichtig korrigiert, die
Regeln leicht verändert. Der Erfolg des Programms wird obwohl genau
mathematisch errechnet, aber harmonisch und phantasievoll in die neue
Umgebung eingesetzt.
Auf
den
ersten
Blick
lassen
die
Formatsendungen
mit
strengen
„Produktionsanweisungen“ keine Möglichkeit zu allerlei Abweichungen zu.
Die realen Situationen bei der Aufzeichnung der Sendung im Fernsehstudio
führen aber immer wieder zu einigen Korrekturen. Dank der unberechenbaren
Antworten und Reaktionen der Spieler, des Publikums im Studio oder des
Telefonjokers an der Leitung, durch Findigkeit, Improvisationstalent, Sinn für
Humor und Intelligenz des Moderators und mit Hilfe des gut aufeinander
220
eingespielten Produktionsteams bekommt die Sendung eine eigene besondere
Note. Dies verleiht einem weltweit verkauften Format eine Lebendigkeit, die
mit der bestimmten Kultur und den Traditionen im Einklang steht, und
dadurch den Grad der Unterhaltung wesentlich erhöht.
8. Das Fernsehen als Mittel der internationalen Kommunikation
Im Laufe der in der Arbeit durchgeführten Untersuchungen wurde es
deutlicher, dass die Globalisierung zu einem internationalen Fernsehmarkt mit
nationalen Gewohnheiten, Kulturen und Voraussetzungen einher zu gehen
vermag.
Das Fernsehen, genauso wie alle anderen Massenmedien, muss zu einem
Instrument
der
internationalen
Kommunikation,
der
internationalen
Information werden. Sie müssen die Lösung globaler Probleme suchen und
die Völkerverständigung fördern. Mitten in unseren Unterschieden im sozialen
Leben und in den politischen Ansichten müssen die Massenmedien die
Konfrontation stilllegen und vom „Bild des Feindes“ abwenden und zu einer
realen internationalen Partnerschaft wechseln.
221
Zusätzliche Tabellen:
Spartenprofile ausgewählter deutscher Sender 2005
ARD/Das Erste, ZDF, RTL, SAT.1, ProSieben (in %)
Sparten
Information
Sport
Nonfiktionale
Unterhaltung
Musik
Kinder-/
Jugendsendungen
Fiction
Sonstiges
Werbung
Gesamt
ZDF
RTL
SAT.
1
ProSieben
43,0
6,8
6,9
48,8
5,5
5,6
25,2
2,1
19,9
17,7
0,5
31,7
27,7
0,0
20,8
1,5
5,7
1,1
5,0
1,7
1,4
0,5
0,2
0,6
2,4
30,5
23,8
2,3
5,4
1,3
20,5
100,0 100,0
24,1
4,7
20,5
100,0
28,7
5,4
14,5
100,0
ARD/
Das Erste
32,2
2,4
1,4
100,0
Quelle: IFEM Institut für empirische Medienforschung, Köln. In: Udo Michael Krüger/
Thomas Zapf-Schramm: Sparten, Sendungsformen und Inhalte im deutschen
Fernsehangebot. Programmanalyse 2005 von ARD/Das Erste, ZDF, RTL, SAT.1 und
ProSieben. Media Perspektiven 4/2006, S. 203.
222
Spartenprofile ausgewählter russischen Sender 2004
Erster Kanal, Rossija, NTV, STS, REN TV, TNT, TVC
5%
40%
45%
35%
5%
40%
10%
50%
55%
55%
75%
10%
30%
30%
50%
5%
45%
30%
10%
10%
5%
20%
15%
15%
15%
5%
Первый
канал
(Erster
Kanal)
Россия
(Rossija)
Unterhaltung
Spielfilme
TV-Serien
Zeichentrickfilme
НТВ
(NTV)
СТС
(STS)
35%
15%
20%
5%
5%
5%
REN TV
ТНТ
(TNT)
5%
ТВЦ
(TVC)
Культура
(Kultura)
Dokumentationen
Politik
Sport
Quelle: TNS Gallup Media
223
Spartenangebot und -nutzung im deutschen Fernsehen 2000, 2005, 2006 (1)
Zuschauer ab 3 Jahre, in %
Angebot
Nettoreichweite (2)
Nutzung
2000
2005
2006
2000
2005
2006
2000
2005
2006
Information
39
42
42
28
32
32
62
65
64
Sport
9
8
8
8
7
9
27
23
25
Unterhaltung
11
10
10
14
16
15
46
47
46
Fiction
27
25
25
38
34
34
62
62
60
Werbung
8
10
10
9
8
8
56
57
56
Sonstiges
5
5
5
3
3
3
64
65
64
1) Basis: 19 Programme: Das Erste/ARD, ZDF, 7 Dritte Programme, 3sat, RTL,
SAT.1, ProSieben, kabel eins, RTL II, VOX, Super RTL, DSF, Eurosport.
2)
Nettireichweite: Programmsparte mindestens eine Minute fortlaufend gesehen.
Quelle: AGF/GfK Fernsehforschung, PC#TV, Fernsehpanel (D+EU), vor 2001 Fernsehpanel (D)
224
«Who wants to be a millionaire?» in einigen Ländern
Land
Jahr
Lokaltitel
Moderation
Kanal
Preis
(Landeswährung)
Gewinner
Deutschland
Pre-Euro
19992001
Wer wird
Millionär?
Günther Jauch
RTL
1,000,000 DM
8
(2 x in DM,
seit
2002
Frankreich
Pre-Euro
Großbritannien
Italien
Pre-Euro
Japan
seit
2002
seit
1998
6 x in €)
1,000,000 €
Qui veut gagner
des millions?
Who Wants to Be a
Millionaire?
20002001
Chi vuol essere
miliardario?
2002-
Chi vuol essere
milionario?
20002007
Jean-Pierre Foucault
TF1
3,000,000,
später 4,000,000
Franc
3
(alle 4,000,000 FGewinner)
1,000,000 €
1
Chris Tarrent
ITV1
£1,000,000
5
Gerry Scotti
Canale 5
1,000,000,000
Lira
1
1,000,000 €
1
Mino Monta (Norio
Minorikawa)
Fuji TV
10,000,000
Jen
20
Robert ten Brink
SBS6,
seit 2006
RTL4
1,000,000
Gulden
1
Dmitry Dibrov
NTV
1,000,000 Rubel
3
Kuizu $ Mirionea
Niederlanden
Russland
19982001
Weekend
Miljonairs (earlier)
2002-
Lotto Weekend
Miljonairs
19992000
О, счастливчик!
(Oh, schastlivchik!)
(2 in der 1.Version;
20012008
2008-
USA
19992002
(on
ABC)
2002(in
first-run
syndica
tion)
Кто хочет стать
миллионером?
(Kto hochyet stat
millionyerom?)
Who Wants to Be a
Millionaire?
Maxim Galkin
ORT
Dmitry Dibrov
ORT
Syndicated version:
Meredith Vieira
Network version: Regis
Philbin
Canada, first on
CTV (the network
version); the
syndicated show
on Citytv and AChannel stations,
among others
3,000,000 Rubel
(etwa 100.000 €)
1 in der 2.Version)
US$ 1,000,000
11
225
Literaturverzeichnis:
Bücher:
1. Gerd Hallenberger „Neue Sendeformen im Fernsehen. Ästhetische,
juristische und ökonomische Aspekte.“ (Arbeitshefte Bildschirmmedien
N54) Siegen, 1995
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zu den GFK-Zuschauerzahlen der 1986 von den öffentlich-rechtlichen
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Arbeitshefte Bildschirmmedien 9, 1989
3. Bibliographie zur Programmsparte Quiz/Game Show / Gerd Hallenberger
– Universität-GH-Siegen / DFG-Sonderforschungsbereicht 240, 1990
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Marburg: Jonas Verl., 1991
5. Fernseh-Shows auf deutschen Bildschirmen: Eine Analyse aus
Zuschauersicht / Margot Berghaus; Joachim Friedrich Staab; unter
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6. Die Quiz- und Game-Show-Zuschauer. Anmerkungenzu den GFKZuschauerzahlen der 1986 von den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten
ausgestrahlten Quiz- und Game-Show-Reihen / Gerd Hallenberger –
Universität-GH-Siegen / DFG-Sonderforschungs-bereicht 240 „Ästhetik,
Pragmatik und Geschichte der Bildschirmmedien. Schwerpunkt:
Fernsehen in der Bundesrepublik Deutschland“, 1989
7. Феномен «Что? Где? Когда?»: А. Корин – Москва: Издательство
«Эксмо», 2002 (Fenomen „Tscvhto? Gde? Kogda?“: A. Korin – Moskau:
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(„Das Phänomen des Spiels“ Vladimir Voroshilov)
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Под
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der
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33. John P. Holms / Ernest Wood: Game Show Almanac. Radnor (Penn.):
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Zeitschriften, Zeitungen, Online-Magazine:
FLIMMO - Programmberatung für Eltern - Bayrische Landeszentrale für neue
Medien Februar - Mai 2001
Stern Nr. 45 2.11.2000 S. 30 - 38, „Die Millionärsmacher" Autoren: Creutz,
Oliver/ Draf, Stephan
„Отечественные записки“, № 4 (13)б 2003, „По ту сторону экрана“,
Виктория Сухарева
Еженедельный ЖУРНАЛ, № 021, 4.06.2002, „Эфирное счастье“,
Анатолий Голубовский
Телефорум, 2002, №2, „Телевизионное пространство глобального мира“,
Коломиец Виктор Петрович
Рекламные технологии, 2003, №2, „Время - деньги
телевизионной рекламы России)“, Коломиец Виктор Петрович
(рынок
Stern TV vom 21.02.2007
IFEM Institut für empirische Medienforschung, Köln. In: Udo Michael
Krüger/ Thomas Zapf-Schramm: Sparten, Sendungsformen und Inhalte im
deutschen Fernsehangebot. Programmanalyse 2005 von ARD/Das Erste, ZDF,
RTL, SAT.1 und ProSieben. Media Perspektiven 4/2006
http://www.novayagazeta.ru: Курсы ловли удачи за хвост: Как делается
передача «Кто хочет стать миллионером», Надежда Прусенкова,
21.05.2001
Валерий Павлов "Деньги" ,
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Eurodata TV, TNS Gallup Media sowie eigene Recherchen
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