UM_2011_09: INTERVIEW: ALAIN ZIMMERMANN

Transcription

UM_2011_09: INTERVIEW: ALAIN ZIMMERMANN
INTERVIEW
Völlig entspannt:
Der CEO von
Baume & Mercier,
Alain Zimmermann, am
Strand der Hamptons
im Gespräch. »Wir sind
für Damen wie für
Herren gleichermaßen
interessant, das schafft
kaum eine andere
Uhrenmarke.«
»Etwas Schönes
miteinander
teilen«
94
UHREN–MAGAZIN
9/ 2011
Baume & Mercier — Interview
Die Marke »Baume & Mercier« besinnt sich wieder auf
ihre alte Stärke als »Tür zum Luxusbereich«.
Dafür muss sie sich gleichzeitig neu erfinden und stellt
das Lebensgefühl des »Seaside Living« in den Mittelpunkt
ihrer Kommunikation. Das UHREN-MAGAZIN spricht
mit dem CEO Alain Zimmermann über dessen Strategie
und kommende neue Modelle.
WWW.WATCHTIME.NET
INTERVIEW
UHREN-MAGAZIN Wird Baume & Mercier durch die Neuausrichtung zur Manufaktur? Wie sieht Ihre Kaliberstrategie aus?
Alain Zimmermann Bei den zwei herausragenden Stücken,
den so genannten »Talking Pieces«, setzen wir beim Handaufzug
beispielsweise auf La Joux-Perret. Das Chronographenkaliber
mit zwei Federhäusern und Säulenradschaltung der neuen
Hampton stammt aus der Richemont-Gruppe, aber nicht von
Valfleurier. In der Basiskollektion arbeiten wir mit der ETA als
Werkelieferant zusammen. Sowohl bei den Automatikwerken
wie beim Valjoux-Chronographen. Natürlich beziehen wir auch
von Sellita. Bei bestimmten Uhren schauen wir uns auch in
unserer Gruppe nach Kalibern um, aber das wird erst interessant, wenn diese in Stückzahlen verfügbar sind. Und ich muss
darauf achten, uns nicht aus einem bestimmten Preisbereich zu
katapultieren. Da könnte sich der Kunde überlegen, angesichts
des Preises gleich zu einer Marke mit Manufakturkalibern zu
wechseln. Das war auch das Problem mit der William-BaumeKollektion: Wunderschöne Uhren, aber in einer Preiskategorie
angesiedelt, bei welcher der Kunde sagt, da gehe ich lieber zu
einer Marke, die sich traditionell in diesem Bereich befindet.
Wo ziehen Sie diese Grenze nach oben?
Sehen wir einmal von Gehäusematerialien wie Gold ab – der Goldpreis ist ja absurd gestiegen, oder
auch von Diamanten, da bahnt sich eine Knappheit an –, dann
liegt bei uns die Obergrenze bei 8 000 Schweizer Franken,
das sind etwa 6 500 bis 7 000 Euro für eine schöne Stahluhr.
Der Einstieg bei den Herrenuhren liegt bei 2 700 Euro. Und da
wird bei uns das Geschäft gemacht. 70 Prozent unseres Umsatzes erwirtschaften wir mit Uhren im Preisbereich zwischen
3 000 und 4 000 Euro. Gute Qualität zu einem annehmbaren
Preis ist die Schlüsselposition von Baume & Mercier, und die
wollen wir nicht verlassen. Das sind auch bei der Produktgestaltung oft schwierige Fragen. Man könnte ja die Wasserdichtheit
auch auf 150 Meter erhöhen. Aber das hat verschiedene Konsequenzen in der Produktion, und da muss man auch einmal Nein
sagen können. Hundert Meter Wasserdichtheit ist weit mehr als
der Durchschnitt bietet. Wir bieten so schon überdurchschnittlich viel in unserer Kollektion – unsere Diamanten sind TopWesselton-Qualität, unsere Alligatorlederbänder liegen qualitativ weit über dem Standard. Würden wir diese Standards verlassen, wären wir sofort unglaubwürdig. Wir sind die Tür zum
Luxusbereich. Für viele Leute sind wir die »erste richtige Uhr«.
Das heißt, wir haben darin eine Tradition, wir besitzen ein historisches Vertrauen, man erkennt unser Savoir-faire.
UHREN-MAGAZIN
Alain Zimmermann
Alain Zimmermann
Der verheiratete Vater von zwei Kindern ist von 1989 bis in
das Jahr 1995 bei der L’Oréal-Gruppe in Düsseldorf tätig.
Von 1995 bis 1999 hat er verschiedene Positionen im
Marketing-Bereich der Cartier-Produkte bei der Richemont
Gruppe in München inne. Anschließend geht er zu Richemont nach Paris, wo er zum International Development
Director der Cartier Parfüms aufsteigt.
Von 2002 bis 2004 ist er bei der IWC in Schaffhausen für
die Schweiz, den Mittleren Osten und Asien verantwortlich
und wird 2004 International Marketing Associate Director.
Von 2006 bis 2009 ist er bei der Julius Bär in Zürich als
Marketing & Communication Management Director engagiert. Im Mai 2009 kehrt er als International Marketing
Director zur IWC nach Schaffhausen zurück.
Seit September 2009 ist er in der Richemont Gruppe in
Genf als CEO für Baume & Mercier verantwortlich.
»Es gibt bei den
klassisch-eleganten
Uhren eine Art
Leerraum«
Wen sehen Sie als Hauptmitbewerber?
Es gibt bei den klassisch-eleganten Uhren
eine Art Leerraum. Oberhalb steht mit Sicherheit Cartier. Ebel
war einmal gut am Markt positioniert, aber hier sehe ich unsere
Chance – genau diesen Raum wollen wir mit der Linea und der
Hampton ausfüllen. Darunter ist vielleicht noch Longines, aber
die machen gerade eine Verschiebung hin zu sportlichen Uhren,
wo wir nicht hin wollen. Also sehe ich keinen direkten Mitbewerb. Einige Modemarken wie etwa Hermès sind in einzelnen
Märkten ganz gut unterwegs, aber dann meist nicht im Herrenbereich. Das ist ja die Stärke von Baume & Mercier, dass wir für
Damen wie für Herren gleichermaßen interessant sind. Das gelingt nicht vielen Marken, beides gleichwertig abzudecken.
UHREN-MAGAZIN
Alain Zimmermann
UHREN-MAGAZIN Wie stellt sich das Verhältnis zwischen
Quarzwerken und mechanischen Uhren dar?
Alain Zimmermann Wir haben einen sehr hohen Anteil an
Quarzuhren, da kommen wir her. Aber wir bewegen uns auf ein
Verhältnis 50 zu 50 zu. Das hat aber weniger mit einer Strategie
zu tun, sondern mit der Tatsache, dass Baume & Mercier vor einigen Jahren extrem damenlastig war. Besonders wegen der außerordentlich erfolgreichen Linea und der Catwalk. Und das
waren alles Quarzuhren. Plus: Damals konnte man auch Herrenuhren mit Quarz verkaufen, heute merkt man, dass viele
Männer damit ein Problem haben. Heute haben wir daher den
doppelten Effekt: Weniger Damenuhren, da müssen wir nachlegen, das war ein ganz großer Fehler. Baume & Mercier muss im
Damenbereich wieder die Position einnehmen, die die Marke
schon einmal hatte. Und unsere mechanische Classima-Kollektion ist extrem erfolgreich. Wir werden dieses Gleichgewicht
herstellen, auch wenn sich Damen mit Mechanik schwer tun.
Wir bringen eine Linea Automatik mit dem ETA-2000-Werk.
Die wird um die 2 500 Euro kosten.
UHREN-MAGAZIN Noch einmal zurück zu den Werken.
Sie verfügen über ausreichend Lieferungen an ETA-Kalibern?
Alain Zimmermann Wir bekommen die Werke, die wir brauchen. Im gehobenen Bereich setzen wir uns weiter mit Werken
aus unserer Gruppe auseinander und arbeiten auch mit Sellita
beim SW 200 und dem Chronographenwerk SW 500 zusammen. Aber hier gibt es kein Pendant zum ETA/Valjoux 7753 mit
der Tricompaxanordnung. Und daher arbeiten wir wie schon seit
vielen Jahren mit der ETA sehr erfolgreich zusammen. Aber
natürlich ist das ein Thema, sicher.
Was geschieht mit der Riviera-Kollektion?
Der Name ist genial und passt perfekt in
in unser Programm mit Seaside Living. Die Riviera-Kollektion
hat in der Uhrengeschichte einiges geprägt. Wir nehmen sie
aber für den Moment zurück und lassen sie ruhen. Sie war unsere erste echte Luxussportuhr in Edelstahl und konnte sich
UHREN-MAGAZIN
Alain Zimmermann
UHREN–MAGAZIN
9 / 2011
95
INTERVIEW
auch preislich immer neben einer Nautilus oder Royal Oak
sehen lassen. Aber weltweit betrachtet haben nicht alle Märkte
von den zwölf, auf denen wir vertreten sind, so extrem positiv
auf die Uhr reagiert. Und da macht es in unserer Situation mehr
Sinn, unsere Stärken erst einmal auf andere Kollektionen zu
konzentrieren. Aber der Name bleibt geschützt und wir werden
zur richtigen Zeit mit dem richtigen Konzept kommen. Überhaupt haben wir noch viele geschützte Namen, da lassen sich
noch viele Schätze heben, ich denke nur ans Transpacific oder
Transatlantic, oder an Malibu. Das sind alles sehr anregende
Namen, aber eines nach dem anderen. Das Problem mit der
Riviera besteht darin, dass das Design nicht weiterentwickelt
»Wenn wir die
Sache in die Hand
nehmen, dann richtig
oder gar nicht«
Höhepunkt: Dieses rotgoldene Handaufzugsmodell der Hampton-Kollektion
ist inspiriert von einer Art-déco-Uhr aus
dem Museum. Erhältlich für 11 700 Euro.
wurde. Es gab einmal einen Versuch, aber der ging zu sehr in die
sportliche Richtung. Wir wollen aber unseren eigenen Weg
gehen. Wir haben genügend Uhren in unseren historischen Kollektionen, die wir weiterentwickeln können.
UHREN-MAGAZIN Sehen wir uns noch einmal die internationalen Märkte an, wo ist Baume & Mercier zurzeit am stärksten?
Alain Zimmermann Wir sprechen intern von den Big Five –
da unterscheide ich dann zwischen zwei Gruppen. Das pflegen
wir wie unseren Schatz, das sind die historischen Märkte von
Baume & Mercier, das sind Italien, Frankreich und USA. Die anderen beiden Märkte sind Hongkong und China. Unser Stellenwert in Italien ist unglaublich. Egal unter welchem Blickwinkel,
unsere Marke landet immer unter den Top Drei. Da verfolgen
wir die Strategie der schlafenden Schönheit. Da liegt eine bezaubernde Dame, die muss nur noch wach geküsst werden. In den
USA ist es ein wenig anders, da haben wir einen hohen Stellenwert, schon historisch durch die Kooperation mit Tiffany und
durch eine kleine Spezialkollektion für Damen, die es nur in den
Staaten gab und die extrem erfolgreich war. In Asien haben wir
eine andere Strategie, die Marke ist zwar schon länger dort, aber
da haben wir Nachholbedarf. Aber auch da wird unser Konzept
passen, wir wollen nicht nur mit dem Markt mitschwimmen,
sondern dazugewinnen. Wir haben jetzt einen Eigenvertrieb in
Hong Kong und unsere Produkte passen perfekt dazu. In diesem
Markt muss man mit Chinesen arbeiten und vor Ort das Marke-
INTERVIEW
Hampton: Der Automatikchronograph (34 mal 47 Millimeter) mit Manufakturwerk
und 65 Stunden Gangreserve
in Edelstahl. 6 950 Euro.
ting machen. Das ist der einzige Weg,
um dauerhaft zu bestehen. Dort gibt es
unglaublich moderne Millionenstädte,
die wir nicht mal mit Namen kennen.
UHREN-MAGAZIN Aber die Geschichte der Marke muss aus Europa
stammen, ist das auch Ihre Erfahrung?
Alain Zimmermann Ganz genau.
Wir haben uns auch gefragt, funktioniert das »Seaside Living«-Konzept
auch dort oder müssen wir es anpassen? Wir haben Experten dazugeholt,
ob das verstanden wird. Es gab drei
Möglichkeiten: Man versteht es nicht,
oder zweitens, ich finde es gut, kann
aber mit den Hamptons nichts anfangen und man muss es anpassen, oder
drittens, alle finden es genial. Glücklicherweise ist letzteres der Fall.
UHREN-MAGAZIN Wie sieht die
Marktsituation in Deutschland aus?
Alain Zimmermann In Deutschland war die Marke nie so
stark, es gab aber Highlights wie die Catwalk. Hier waren immer
die Produkte bekannter als die Marke. Zum Beispiel die international erfolgreiche Linea war im deutschen Markt zu klein. Aber
die Händler haben sehr positiv auf unser Konzept reagiert und
führen die neuen Modelle. Alle großen Händler, rund 120 an der
Zahl, sind dabei, weil es im klassischen Damenbereich in unserer Preisklasse gar keine Alternative gibt. Und das zeigen wir
jetzt auch manifest, nicht nur mit Werbung.
UHREN-MAGAZIN Können Sie die Gesamtsumme benennen,
die Sie investieren, und wann soll das wieder eingespielt sein?
Alain Zimmermann Nein, wir haben einfach gesagt – und da
ist das Top-Management der Richemont-Gruppe auch persönlich sehr engagiert –, wenn wir die Sache in die Hand nehmen,
dann richtig oder gar nicht. Uns war bewusst, dass wir nicht
an ein paar Rädchen drehen konnten. Wir haben eine volle
360-Grad-Übung vollführt und alles neu angefangen. Von den
Modellen über die Werbung, die Website, die Kataloge und so
weiter. Wir geben auch sehr viel Geld aus für Schulungen des
Verkaufspersonals. Und dazu haben wir natürlich alle Materialien bei den Juwelieren ausgetauscht. Das kostet wahnsinnig
viel Geld – nicht nur in der Entwicklung, sondern auch in der
Umsetzung. Wir sprechen schon über mehrere Millionen.
UHREN-MAGAZIN Stichwort Sichtbarkeit, wie steht es mit
Plänen für Flagship-Stores und eigene Boutiquen?
Alain Zimmermann Wir hatten ja eine eigene Boutique in Peking, die haben wir geschlossen, weil sie einfach am falschen Ort
war. Jetzt haben wir noch eine in Dubai. Die läuft sehr gut, muss
jetzt aber komplett auf das neue Konzept umgestellt werden.
Wir haben aber eine große Fachhandelstradition, und die wollen
wir nicht einfach dadurch beenden, dass wir unseren Partnern
ein eigenes Geschäft vor die Nase setzen. Einzige Ausnahme,
und da finden wir auch Zuspruch bei den Händlern, ist Hongkong oder Peking, weil dort eine Marke ohne Boutique einfach
nicht ernst genommen wird. Aber hier herrscht keine Eile, wir
wollen auf jeden Fall die richtigen Standorte haben.
UHREN-MAGAZIN Bei all den Investitionen, wie lange hoffen
Sie, dass die Kampagne mit »Seaside Living« trägt?
Alain Zimmermann: Meine Erfahrung ist, dass eine gute
Kampagne mindestens fünf Jahre mit bestehenden und immer
wieder ergänzenden Motiven für Eindruck sorgen sollte. Wenn
sie nach drei Jahren gewechselt wird, dann war irgendetwas
falsch oder es hat sich auf der Makro-Ebene etwas gedreht.
UHREN-MAGAZIN Stichwort Macro-Ebene. Ist das familiäre
Strandidyll nicht zu typisch für die gegenwärtige Rezessionsphase mit ihren Rückzugstendenzen?
Alain Zimmermann Nein, denn unabhängig vom wirtschaftlichen Umfeld sind diese Werte zeitlos. Und mit den Hamptons
steckt auch eine zweite Ebene dahinter. Das ist ja nicht flaches
Land, da spielt ja im Hintergund durchaus der Glamour eine
Rolle. Wir haben ja nicht nur Familie genommen, sondern auch
bewusst diesen Ort gewählt. Und außerdem ist das Sujet unglaublich vielfältig, und wir haben bei Weitem noch nicht alles
gezeigt, was wir schon gemacht haben. Das ist die Stärke des
Konzepts, es geht darum, etwas Schönes miteinander zu teilen,
und das ist zeitlos. Ich will ja mit unseren klassischen Uhren
gerade keinem Trend nachfolgen.
Herr Zimmermann, herzlichen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte UHREN-MAGAZIN-Chefredakteur
Thomas Wanka, Fotos: Hersteller
UHREN–MAGAZIN
9 / 2011
97