Vom Wasser zum Blitz
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Vom Wasser zum Blitz
Vom Wasser zum Blitz Der Staudamm von Contra im Verzascatal und dieWasserkraftwerke im Tessin Text und Bild: Markus Zohner Mitternacht. Lautlos springt die Digi- Als ich wenig später meinen Kopf auf talanzeige auf 00:00. Reset. Die Zeit das Kopfkissen lege und das Licht aus- scheint für immer stehen geblieben schalte, ist das Bewusstsein, dieses zu sein. Wäre da nicht das Blinken Licht jederzeit wieder anschalten zu der beiden Doppelpunkte zwischen können, unendlich tröstlich, und kurz den Nullen, das die Sekunden im Hin- bevor ich in einen tiefen, traumlosen tergrund vorantreibt. Lautlose Nacht. Schlaf falle, nehme ich mir vor, dieser Die Lampe über dem Schreibtisch so selbstverständlichen, in Wirklich- wärmt ein wenig, ihr helles Glühen keit aber unglaublichen Sicherheit des schenkt Vertrauen, eine Geborgenheit, Lichtes, das einfach da ist, wenn man von der Enegiesparlampen in ihrer es braucht, auf den Grund zu gehen. blassen Agonie nur träumen können. Ein Albtraum. Enge, endlose Gänge. In seiner Wärme hat es etwas mit Ker- Betonwände, aus denen an manchen zenlicht gemein, und ich hoffe, meine Stellen Glühbirnenvorräte halten noch für ein ragen. Alle zehn Meter eine Lampe. paar Jahre. Das bläuliche Scheinen Dunkle Abzweigungen, die ins Nichts des Computerbildschirms macht meine zu führen scheinen. Ich stolpere voran, Augen tränen, und so klappe ich ihn bis der Tunnel jäh endet und ich vor ei- endlich zu und trete auf den Balkon. nem Abgrund stehe. Rechts eine enor- Vollmond. Die winterliche Nacht liegt me Betonwand, die sich bis in den Him- in einer Leichtigkeit auf der Stadt, die mel zu strecken scheint. Flavio lacht. einen für einen winzigen Moment alles Wir stehen mitten in der Mauer, an ei- verstehen lässt. Das Leben, die Liebe, nem Austritt der Gänge, die sich durch den Tod. Zwei parallele, dünne Streifen das Innere des Verzasca-Staudammes liegen plötzlich über dem schwarzen ziehen und den Technikern Zugang zu Himmel, von einem schon verschwun- den Stellen erlauben, die kontrolliert denen Flugzeug schnurgerade gezogen und gewartet werden müssen. und vom grellen, kreisrunden Mond «Als ich vor dreissig Jahren hier als Elek- schneeweiss beleuchtet. Langsam bil- tromechaniker angefangen habe, war ich den sie kleine Kurven, verwischen, und der Jüngste der Mannschaft – heute bin bald lösen sie sich auch schon auf in ich der Älteste», sagt er schmunzelnd, hellen, kleinen Flocken. In den umlie- als wir uns in einen engen Lift zwängen, genden Häusern brennt noch hier und um bis zur Basis des Dammes hinunte dort Licht. Nachtträumer, Zubettge- zu fahren. Er erzählt von dem Polizisten, hende. Aus ein paar Fenstern flimmert der ihn zu dem Selbstmörder hätte be- Fernsehschein. gleiten sollen, der unten in der Schlucht Wie perfekt alles funktioniert, und wie lag, «aber er hatte klaustrophobische normal dieses Funktionieren in Perfek- Anfälle, er konnte nicht mitkommen.» tion ist. Ein kleiner Funke springt über, 220 Meter ist der Staudamm von Contra ein winziger Blitz, das Licht geht an, der am Ende des Verzasca-Tales hoch oder Fernseher, der Backofen. Wie wohlge- tief, und am Scheitel 380 Meter breit – ein ordnet, wie verlässlich, wie sicher. Und Meisterwerk der Ingenieurskunst. Stümpfe von Eisenstangen wie gut das Wissen um diese Sicherheit für einen Moment tut, in dieser Kälte, Der Baumeister inmitten all der Gedanken über das Le- Doktor Giovanni Lombardi, damals ben und seine Vergänglichkeit, über die 29 Jahre alt, ist Ende der 1950er Jahre Liebe und ihre Verwirrungen und über mit seinem Entwurf ins Rennen gegan- die Endlichkeit unseres Daseins. Ich gen und hat die Fachkommission davon trete wieder in die geheizte Wohnung, überzeugt, dass seine Lösung den an- fröstelnd. deren Entwürfen überlegen war, da sie Transhelvetica / Blitz / Vom Wasser zum Blitz 48 Flavio Moro, Maschinist, Verzasca SA 49 Staudamm von Contra, vom Scheitel 50 die geologischen Gegebenheiten des Tales Gummiseil an den Füssen vom Schei- optimal nutzte und durch ihre doppelt tel der Talsperre weltrekordverdächtige gekrümmte Bogenkonstruktion einen ex- 220 Meter in die Tiefe – der «James Bond trem schlanken Bau erlaubte – was eine Golden Eye Sprung», mit dem sich der enorme Einsparung bei den Materialkos- Held im Film vor seinen Verfolgern rettete. ten bedeutete – nur 600 000 Kubikmeter «Der Strom, den wir hier erzeugen, ist Beton wurden benötigt. Der Damm ist an ganz besonders wertvoll.» erzählt Dr. seiner Basis lediglich 25, und am Scheitel Marco Bertoli, Direktor der Verzasca nur sieben Meter dick. Bis heute, fünfzig SA, und führt mich in den Kontrollraum. Jahre nach seiner Erbauung, ist der Stau- «Nicht nur, dass wir vollkommen grüne, damm von Contra am Ende des Verzasca- da erneuerbare Energie erzeugen. Sei- Tales einer der weltweit schlanksten nen hohen Wert bekommt unser Strom Dämme in dieser Grösse. vor allem auch dadurch, dass wir ihn produzieren können, wenn er gebraucht Das Ventil wird. Keine andere Energiegewinnung Wir zwängen uns wieder in den Lift und kann so präzise ‹just in time› liefern.» gelangen durch einen tropisch feuch- Die fünf Kernreaktoren in der Schweiz ten Gang in die Drosselklappenkam- erzeugen einen kontinuierlichen, einen mer – ein Raum, der von einem meh- flachen Strom, der den Basisverbrauch rere Meter dicken Rohr durchteilt wird. abdeckt. Dieser Strom bleibt in seiner «Die Hauptventile!» sagt Flavio. «Hinter Menge konstant und kann nicht auf den dieser Mauer hier liegt der Stausee. Das ständig schwankenden Verbrauch re- Wasser wird in dem Rohr gefasst, es agieren. Dafür ist der wertvolle Strom durchquert die Ventile und stürzt dann aus Wasser da, da dieser punktgenau hinter dieser gegenüberliegenden Wand erzeugt und geliefert werden kann. Auch mit einem Gefälle von 93 Prozent in ei- andere erneuerbare Ressourcen lassen nem 330 Meter langen unterirdischen sich in ihrer Produktion nicht steuern: Rohr in die Tiefe, wo es die Generatoren Solarstrom kann nur entstehen, wenn antreibt. Wenn unten Wartungsarbeiten die Sonne scheint, Strom aus Windkraft vorgenommen werden müssen, können nur, wenn es weht – ein unschätzbarer wir hier oben den Druck – je nach Füll- Vorteil des Stroms aus Wasserkraftwer- zustand des Stausees immerhin bis zu ken, der durch geschickte Steuerung 12 Atmosphären – abstellen.» sehr präzise im Moment der Nachfrage Wir klettern wieder über steile Treppen, produziert werden kann. zwängen uns in den kleinen Lift und entsteigen schliesslich dem dunklen Beton- Der Blitz labyrinth. Die Sonne blendet. «Als wir den Stausee 1964 zum ersten Mal haben volllaufen lassen, waren wir Der Damm alle natürlich sehr gespannt», erinnert Der Staudamm von Contra im Verzasca- sich Giovanni Lombardi. «Den Berech- Tal ist einer der grössten und der be- nungen zufolge sollte es über einen Mo- kanntesten in der Schweiz. Jeder Tessin- nat dauern, bis der See voll war. Doch Urlauber hat ihn wenigstens von weitem dann zog ein enormes Gewitter auf, und gesehen. Tausende kommen jedes Jahr, ein sintflutartiger Regen ergoss sich über um das spektakuläre Bauwerk zu bewun- die ganze Region, sodass der See bereits dern und oben über die Mauer zu gehen: nach einer Nacht überlief. Ein beeindru- Auf der einen Seite der tiefblaue Lago di ckendes Schauspiel. Die seitlichen Über- Vogorno und die Berge, auf der anderen läufe, die durch geschickte Verdrehung der Abgrund – flauer Magen garantiert. dem fallenden Wasser seine Wucht neh- Die Mutigsten stürzen sich mit einem men, waren damals noch nicht angesetzt, Transhelvetica / Blitz / Vom Wasser zum Blitz 51 Staudamm von Contra und so schwappte der See buchstäblich Turbinen angetrieben werden, auf die Kilowattstunden, davon im Sommer über. Das Gewitter dauerte an. Plötzlich ein Stockwerk tiefer das Wasser aus 131 Millionen, im Winter 78 Millionen.» sah ich, wie fünf Männer Hals über Kopf dem Fallrohr trifft. Ein ständiges, har- Ich fotografiere. Bewundere diese enor- aus dem Kontrollgebäude stürzten und tes Rauschen belagert den Saal, in dem me Technik, diese riesigen Maschinen, den Berg hinaufliefen. Irgend- das Turbinenrad aus zentime- wann hielten sie inne, blickten Giovanni Lombardi terdickem Stahl, das gerade Als ich unten eintraf, berichte- Giovanni Lombardi (Bild rechts) wurde 1926 in ben wir wenig Sand im Was- ten sie, dass alle Instrumente, Lugano geboren. Er wuchs in den französischen ser. Sehen Sie, die Turbinen- die den Druck auf die Mauer an- Pyrenäen auf, wohin sein Vater aus dem schaufeln sind noch so gut wie zeigten, mit einem Mal auf Null Tessin ausgewandert war. Er besuchte die neu, obwohl sie schon über gefallen waren – diesen Instru- Schule in Lugano und St. Gallen und machte zehn Jahre alt sind.» Vor al- menten zufolge war die Mauer 1944 in Basel die Matura. Von 1944 bis 1948 lem aber bewundere ich den also eingestürzt. Wir forschten studierte er Bauingenieurwesen an der ETH menschlichen Geist, der das nach und entdeckten kurz da- Zürich.1955 gründete er das Ingenieurbüro alles erfunden, konzipiert und rauf, dass ein Blitz in das Lei- Giovanni Lombardi Ph. D. Consulting Engi- realisiert hat. tungssystem eingeschlagen und neers in Lugano, das heute mit seinen über Mit einem anderen Lift fahren die Instrumente ausser Gefecht 100 Mitarbeitern seinen Sitz in Minusio hat wir eine Station nach oben. gesetzt hatte.» und weltweit Talsperren, Tunnels und Brü- Herr Bertoli öffnet einen schwe- Im Kontrollraum, der in einem cken konzipiert, baut und kontrolliert. ren Durchstieg, wie er zum Halbkreis über das Tal hin- Seine in der Schweiz bekanntesten Projekte Verschliessen von Atombun- ausragt wie die Brücke eines sind der Staudamm von Contra im Verzasca- kern verwendet wird, und ich Schiffes über das Deck, und Tal, der Gotthard Strassentunnel, der Gott- trete hinaus auf eine Brücke, von dem aus man im Panora- hard Basistunnel und die Neue Alpentrans- von der ich schaudernd hin ma Damm und Tal bestens im versale (NEAT). abschaue in eine Art Vorhölle, Blick hat, stehen nur zwei Bild- International war er an Projekten wie dem auf deren dunklem Grund das schirme, die aber über sämtli- Eurotunnel zwischen Frankreich und England Wasser, das aus den Turbinen che relevanten Daten Auskunft beteiligt, an zahlreichen Talsperren in Öster- tritt, heftig strudelt und dann geben, und mit denen sich reich, Italien und in Südamerika. Sein Büro abfliesst in den unterirdischen Ventile, Generatoren und Tur- gewann auch den Entwurfswettbewerb für Tunnel, der es über knapp zwei binen steuern lassen. «Früher den Gibraltar-Eisenbahntunnel, der Europa Kilometer hinweg in den Lago basierte das Leitsystem auf elek- und Afrika zwischen Spanien und Marokko Maggiore leitet. tromechanischen zur Mauer und gingen dann ausgebaut wurde und das jetzt überholt wird. «Zum Glück ha- ganz langsam wieder zurück. Komponen- miteinander verbinden soll. Lombardi spricht ten», erzählt Herr Bertoli. «Heute fünf Sprachen, liest zwei weitere, und auf die Die Gefahr ist es vollkommen elektronisch Frage, von welchem Projekt er in seinem Le- Jedes Bauwerk birgt Gefahren und mit verteilter Intelligenz ben noch träumt, antwortet er lachend: «Mei- in sich, und je grösser die He- angelegt. Jede Maschine, jede nen Schreibtisch in Ordnung zu bringen.» rausforderung, desto grösser das inhärente Risiko. Wie bei Komponente ist vollständig solch autonom, sodass ein Defekt einer augenscheinlich höchstens eine Produktionsgruppe au- viel Licht durch Glasscheiben flutet, der gewagten Konstruktion die Risiken sser Betrieb setzen kann, aber nie das aber in Wirklichkeit 212 Meter tief un- kontrolliert werden, frage ich Herrn ganze System. Wollen Sie die Generato- ter der Erde liegt und in dem es, legt Bertoli zögernd, als wir aus dem Fahr- ren sehen? Kommen Sie!» man einen Schalter um, finsterer ist als stuhl wieder in den Kontrollraum ans in einer Räuberseele. Tageslicht treten. «Es gibt einen Notab- Der Abgrund «Jeder dieser drei Stromerzeuger hat lass dort im unteren Drittel der Mauer, Wir fahren im Lift in die Tiefe, bis die eine Leistung von 35 Millionen Watt. der es erlaubt, 170 Kubikmeter Was- Ohren knacken, und treten in eine Je nach Nachfrage werden sie zu- oder ser pro Sekunde zu evakuieren und grosse Halle, in der drei grosse, knall- abgeschaltet. Über das Jahr produzie- den Wasserspiegel des Stausees relativ rote Generatoren stehen, die von den ren sie im Durchschnitt 209 Millionen rasch zu senken, um so den Druck von Transhelvetica / Blitz / Vom Wasser zum Blitz 54 55 der Mauer zu nehmen. Bei der Menge viele Kilometer unter die Erde verlegt. Wasser, immerhin 8,5 Millionen Kubik- Und: Im Tessin werden mit 62 Turbi- meter bei vollem See, dauert das na- nen rund 11 % der Wasserenergie der türlich seine Zeit. Der GAU, der grösste Schweiz gewonnen. Oder: Das Tessin anzunehmende Unfall wäre, dass die könnte, die Elektrizität betreffend, au- Mauer mit einem Mal zusammenbricht tark sein, meistens übersteigt die eige- und sich der gesamte See in einem ein- ne Produktion den Verbrauch. zigen Schwall über Gordola hinweg in Bald treibt uns die Kälte wieder ins den Lago Maggiore ergiesst. Auf der Auto und wir fahren zu den verschie- anderen Seite des Sees, dem Gambaro- denen Kraftwerken, die den Ticino und gno, würde dann eine 16 Meter hohe seine Nebenflüsse fassen und sein Ge- Flutwelle gegen den Berg klatschen. fälle in Elektrizität umwandeln wie die Von dort würde sie zurückgeworfen Alchemisten Eisen in Gold. Überall ist und sich als immerhin noch drei Meter es blitzsauber, und überall beherrscht hohe Flutwelle über Ascona und Locarno dieses harte Rauschen den Raum. Das ergiessen. Aber dieser Fall ist sehr, bei weitem schönste Kraftwerk ist das sehr unwahrscheinlich. Der Zustand von Piottino, erbaut in den Jahren 1928 der Mauer und ihre Bewegungen – an bis 1932. Just in dem Augenblick, in ihrer Krone durch den Wasserdruck dem wir mit dem Direktor die Genera- bis zu zehn Zentimeter – werden stän- toren begutachten, läuft Nummer eins dig überwacht. Wussten Sie übrigens, an: es dauert ungefähr eine Minute, bis dass dieses grösste Wasserkraftwerk sich das Ventil für die Turbine ganz ge- des Tessins eingebunden ist in das öffnet hat. Langsam aber kontinuierlich Netz der Tessiner hydroelektrischen nehmen die Stahlachsen an Fahrt auf, Erzeuger, und in Wirklichkeit von der bis die volle Drehzahl erreicht ist. Zentrale der Società Elettrica Ticinese In manchen der Zentralen arbeiten klei- in Monte Carasso bei Bellinzona fern- ne Teams an Maschinen, warten Gene- gesteuert wird?» ratoren, halten die Infrastruktur instand. Der Zauber Der Weg Am nächsten Morgen sitze ich im Sie träumt davon, erzählt Roberta, ei- Auto neben einem bezaubernden We- nen Wanderweg anzulegen vom Gott- sen, Roberta Trevisan von der Società hardpass zum Lago Maggiore, an all Elettrica Ticinese, die mit mir das den Wasserkraftwerken vorbei: «La Via Leventina-Tal hinauf bis nach Airolo Energetica» sollte er heissen, und sie fährt. Spektakuläre Wolkenformationen hofft, dass er in den kommenden Jah- greifen sich das Gotthardmassiv. Minus ren realisiert werden kann. Tatsächlich sechs Grad zeigt das Thermometer, als sind die Gebäude, aber auch ihr Inneres wir am Staubecken von Airolo ausstei- faszinierende Strukturen, eng verbun- gen. Das Becken zwischen Autobahn den mit der Natur, der Geschichte, und und Bergen ist ein Teich verglichen mit eingebettet in einmalige Landschaften. dem Lago di Vogorno. Es sammelt Wasser für das 130 Meter tiefergelegene Die Kontrolle Kraftwerk Stalvedro. Roberta erzählt Am Ende eines wunderbaren Tages Erstaunliches: Der Fluss Ticino wird inmitten von Natur und Maschinen, in von seiner Quelle beim Nufenenpass Gesprächen über Energiegewinnung, bis zur Mündung in den Lago Maggiore die Zukunft der Menschheit, über grün fünfmal durch Turbinen gedreht (Fi- en Strom und das weisse Gold, an sche kämen dabei nicht zu Schaden, dem das Tessin so reich ist, führt mich versichert sie mir), und wurde über Roberta in das Herz der Stromerzeugung Transhelvetica / Blitz / Vom Wasser zum Blitz 56 Turbinen-Generatorenachsen, Elektrizitätswerk Verzasca SA 57 und -verteilung: Das zentrale Leitwerk Betrieb aller Kraftwerke, vor allem Anforderungen, also die präzisen Wer- der Società Elettrica Ticinese in Mon- aber für die punktgenaue Einspeisung te, wieviel Strom zu welchem Zeitpunkt te Carasso, von dem aus über optische der richtigen Energiemenge in das ins Netz fliessen soll. Abhängig von Kabel alle Wasserkraftwerke des Tes- Schweizer Netz. «Aufgrund der Wet- diesen Werten und von der Leistungs- sins ferngesteuert werden. Ein grosser tervorhersagen wird am Vorabend der fähigkeit der verschiedenen Zentralen Raum. An der Stirnwand abstrahierte voraussichtliche Stromverbrauch des sowie vom Füllzustand ihrer Wasser- Pläne der Kraftwerke und ihre Anbin- Tessins für den folgenden Tag berech- speicher regelt er dann ständig die dung ans Netz, gelb leuchtende Lam- net. Er hängt sehr stark von der Witte- Produktion so genau, dass sie mit der pen auf den Linien zeigen überall den rung ab. Hier sieht man zum Beispiel, aktuellen Anforderung übereinstimmt. Status OK an. Vor der Wand auf einem wie an einem kalten Tag wie heute der «Läuft im Verzasca-Kraftwerk alles langen Tisch ein Bildschirm am ande- Verbrauch ansteigt. Auch schwankt der normal?» frage ich, um das System auf ren, auf denen neben den aktuellen Verbrauch während des Tages. Über die Probe zu stellen. «Einen Moment!», Zustandsdaten der jeweiligen Wasser- Mittag, wenn überall gekocht wird, und antwortet Franco, geht zu einem der kraftwerke auch die Füllstände der dann am Abend, sind die Spitzenzeiten. seitlichen Monitore und schaltet die Ka- dazugehörigen Stauseen erscheinen. Anhand dieser Vorhersagen planen wir mera ein, die den tief in der Erde ver- Ein einziger Mann sitzt vor all den Bild- hier den Einsatz der verschiedenen grabenen Generatorenraum des Kraft- schirmen, trägt Zahlen in Listen ein, Kraftwerke und Turbinen.» werkes überwacht. Der Bildschirm bleibt schwarz. «Vielleicht sollten wir klickt ab und zu mit einer Maus und verschiebt kleine Regler auf den Moni- Die Nacht das Licht einschalten, damit die Kame- toren. Franco Dell'Era, der in ein paar Franco bekommt dann von SWISSGRID, ra etwas sieht…» schmunzelt er. Ein Wochen in Pension geht, ist im Mo- der nationalen Stromnetzgesellschaft Klick mit der Maus, es blinkt, und die ment verantwortlich für den korrekten der Schweiz, zeitnah die aktuellen drei riesigen Generatoren erscheinen Wartungsarbeiten, Elektrizitätswerk Verzasca SA Transhelvetica / Blitz / Vom Wasser zum Blitz 58 auf dem Bildschirm. «Alles bestens», Als ich nach dem Abendessen auf den meint er. «Da arbeiten überall her- Balkon trete, hat der Mond bereits ab- vorragende Geheimnis genommen. Bald ist Mitternacht. Fern- liegt in kontinuierlicher Wartung und seher flimmern, Lichter werden ausge- Instandhaltung. Man kann Probleme schaltet. Gleich wird Franco abgelöst nie ausschliessen. Aber wir setzen al- werden von seinem Kollegen, der dann les daran, sie durch vorausschauende die schwierigste Schicht übernimmt. Wartung und Überholung der Maschi- Die Nacht ist zum Schlafen da, geht es nen weitestgehend zu vermeiden.» mir durch den Sinn, und ich trete in die Jetzt sind die Kraftwerke menschen- warme Wohnung. leer. Nur hier in der Zentrale sitzt ein Es wird wunderbar sein, die Via Ener- einziger Mann, der das gesamte Netz- getica talwärts zu wandern, träume werk steuert. 24 Stunden am Tag und ich, kurz bevor ich wenig später in tie- 365 Tage im Jahr wird das System von fen Schlaf falle, vom San Gottardo hin- einer Person bedient. «Ich bin noch bis unter zum Lago Maggiore, in den sich Mitternacht hier, dann kommt mein dann endlich erschöpft all das Wasser Kollege. Er hat die schlimmste Schicht ergiesst, nachdem es seine ganze Ener- von Mitternacht bis sechs Uhr früh. gie abgegeben hat für mein Licht. Leute. Das Verzasca-Staudamm: Begehung des Dammes (Krone) jederzeit möglich, bei Unwetter gesperrt. Führung in Gruppen nach Vereinbarung. Verzasca-Tal, verzasca.ch Bungee-Sprung vom Damm, trekking.ch Markus Zohner ist Theatermann, Fotograf, Schriftsteller und Entdecker. Sein aktuelles Buch heisst «Die Wiederentdeckung der Bern‑ steinstrasse» und ist 2009 bei Fizzo erschienen. markus.zohner.com, amberroad.ch, zohnertheater.ch Das ist dann wirklich harte Arbeit. Die Nacht ist zum Schlafen da, auch wenn die Systeme und die Welt andere Anforderungen an uns stellen.» «Spitzenleistungen erfordern Spitzenenergie.» Ihr Ziel ist auch unser Ziel. Damit der Energiebedarf auch während der Verbrauchsspitzen gedeckt ist, investieren wir in neue Speicherkraftwerke wie Nant de Drance im Wallis. Alpiq engagiert sich für eine umweltverträgliche, sichere Energiezukunft – mit erneuerbaren Energien, Energieeffizienz und neuen Grosskraftwerken. www.alpiq.com Transhelvetica / Blitz / Vom Wasser zum Blitz 59